Einführung von Corporate Venture Capital in einem ...
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<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Grossunternehmen<br />
D I S S E R T A T I O N<br />
der Universität St. Gallen,<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erlangung der Würde e<strong>in</strong>es<br />
Doktors der Wirtschaftswissenschaften<br />
vorgelegt <strong>von</strong><br />
Steffen Hasselwander<br />
aus<br />
Deutschland<br />
Genehmigt auf Antrag der Herren<br />
Prof. Dr. Thomas Dyllick-Brenz<strong>in</strong>ger<br />
und<br />
Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen<br />
Dissertation Nr. 3384<br />
KCS Düsseldorf, 2007
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und<br />
Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der<br />
vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den dar<strong>in</strong> ausgesprochenen<br />
Anschauungen Stellung zu nehmen.<br />
St. Gallen, den 15. Oktober 2007<br />
ii<br />
Der Rektor:<br />
Prof. Ernst Mohr, PhD
Inhalt<br />
Abbildungsverzeichnis ………………………………………………………………… IV<br />
Tabellenverzeichnis …………………………………………………………………….. VIII<br />
Abkürzungsverzeichnis ………………………………………………………………... IX<br />
Glossar …………………………………………………………………………………… XI<br />
Vorwort ……………………………………………….…………………………………. XII<br />
1. E<strong>in</strong>leitung …………………………………………………………………..….………. 1<br />
1.1. Forschungsproblem …………………………………………………….…....… 1<br />
1.2. Forschungsfragen ………………………………………………………............. 2<br />
1.3. Forschungslücke ……………………………………………………………...... 5<br />
1.4. Aufbau ……………………………………………………………………...…... 7<br />
2. Begriffliche Grundlagen ……………………………………………………..……… 11<br />
2.1. Innovation ………………………………………………………………..…….. 11<br />
2.1.1. Def<strong>in</strong>itionen / Charakteristika ………………………………………..……… 11<br />
2.1.2. Treiber <strong>von</strong> (diskont<strong>in</strong>uierlichen) Innovationen …………………….……. 13<br />
2.1.3. Schwächen <strong>von</strong> Grossunternehmen ………………………………….……... 16<br />
2.2. (<strong>Corporate</strong>) <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> …………………………………………….…….. 21<br />
2.3. Innovation und CVC: Erste Herausforderungen ……………………..…….. 24<br />
3. Bestandsaufnahme: CVC <strong>in</strong> der wissenschaftlichen Diskussion ……………… 26<br />
3.1. Stand der Forschung zu CVC …………………………………………….…… 26<br />
3.2. Weiterführende Literatur zu Ventur<strong>in</strong>g-Ansätzen …………….….….……… 32<br />
4. Theoretisches Fundament der Arbeit ………………………………………….……. 37<br />
4.1. Allgeme<strong>in</strong>e Grundlagen der Systemtheorie …………………………….……. 41<br />
4.1.1. Grundpr<strong>in</strong>zipien ………………………………………………………….……. 42<br />
4.1.2. Unterschiede zwischen biologischen Systemen und Unternehmen …….... 44<br />
4.1.3. Implikationen auf Logik, Beweiskraft und den Faktor Zeit ………….…… 47<br />
4.2. System Mensch: Wahrnehmungs- und Kommunikationsprozesse …….…... 51<br />
4.3. Das Verhalten <strong>von</strong> Menschen im System Unternehmen ………………………. 56<br />
4.3.1. Der Prozess der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung ………………………………….…. 58<br />
4.3.2. Rationalität <strong>von</strong> Unternehmensentscheidungen ……………………….….. 59<br />
4.3.3. Lernprozesse <strong>in</strong> Unternehmen ……………………………………………….. 65<br />
4.3.4. Veränderungsprozesse und Friktionen ……………………………………… 74<br />
4.3.5. Fazit für Innovationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmenskontext ……………….…... 80<br />
4.4. Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em übergeordneten System: Institutionelles Umfeld ...... 84<br />
4.4.1. Institutional Theory: Vorbemerkung zur Theoriewahl ……….................. 85<br />
4.4.2. Der E<strong>in</strong>fluss bestehender Normen auf Unternehmen ……………………. 87<br />
iii
iv<br />
4.4.2.1. Allgeme<strong>in</strong>e Verhaltensformen (statische Betrachtung) ……….. 87<br />
4.4.2.2. Zeitpunkt und Art der Anpassung an Normen ……………….. 94<br />
4.4.2.3. Konkrete Anlässe für grössere Veränderungen ………………. 97<br />
4.4.2.4. Mikroprozesse im Unternehmen ………………………………... 99<br />
4.4.3. Legitimität: Bedeutung und Quellen ………………………………………. 101<br />
4.5. Zusammenfassung: Faktoren, die das Handeln und <strong>in</strong>sbesondere die<br />
Veränderungsbereitschaft <strong>von</strong> Unternehmen bee<strong>in</strong>flussen ………………. 106<br />
5. Forschungsmethodik ………………………………………………………………....... 110<br />
6. Fallstudie E.ON: <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes ……………………………....… 114<br />
6.1. Stufe I: Wichtige Ereignisse und Entscheidungen ……………………..…... 115<br />
6.1.1. Initiierungsphase: Von der Initialzündung bis Umsetzungsfreigabe ...... 115<br />
6.1.2. Umsetzungsphase: Von der Freigabe bis zur E<strong>in</strong>stellung <strong>von</strong> CVC ..….. 119<br />
6.2. Stufe II: Relevante Kontextbed<strong>in</strong>gungen …………………………..……..… 130<br />
6.3. Stufe III: Erklärungsansätze ……………………………………….….…..….. 145<br />
6.3.1. Von der Initialzündung bis zur ersten Entscheidungsvorlage ……..….... 146<br />
6.3.2. Von der ersten Entscheidungsvorlage bis zur Umsetzungsfreigabe …… 166<br />
6.3.3. Umsetzungsphase ………………………………………………………...….<br />
6.3.3.1. Natürliches Spannungsfeld zwischen den Erwartungen<br />
174<br />
der VC-Branche und denen des Unternehmens ………………... 176<br />
6.3.3.2. Sehr schwere Ausgangsbed<strong>in</strong>gungen im Fall E.ON ………….... 184<br />
6.3.3.3. Phase I: Interne Vorbereitungen und Vertrauensvorschuss ….. 187<br />
6.3.3.4. Phase II: Erste Erfolge …………………………………………….. 188<br />
6.3.3.5. Phase III: Immer grössere Schwierigkeiten und Beendigung .... 191<br />
6.4. Fazit: Warum funktionierte CVC bei E.ON nicht? ……………..………..… 222<br />
6.4.1. Antworten aus der Fallstudie: CVC als sozialer Prozess ……….…….…. 222<br />
6.4.2. Antworten aus der Innovationsforschung: Attribute der<br />
Innovation CVC …………………………….………………….………….…. 225<br />
7. Übergeordnete Schlussfolgerungen ……………………………….……………….… 232<br />
7.1. Warum laufen CVC-Programme Gefahr zu scheitern? ………….……...….. 233<br />
7.1.1. Hohe strukturelle Komplexität ……………………..…………….…….….. 233<br />
7.1.1.1. Diskont<strong>in</strong>uitäten bei extern getriebenen CVC-Projekten …....… 235<br />
7.1.1.2. Paradoxon Nr. 1: CVC soll eigentlich Innovationen<br />
erleichtern, kann aber das Gegenteil bewirken ………..…....….. 240<br />
7.1.1.3. Paradoxon Nr. 2: CVC soll die Werte herausfordern, die<br />
gleichzeitig Basis se<strong>in</strong>er Legitimation bilden ………..…..……..... 241<br />
7.1.1.4. Paradoxon Nr. 3: CVC benötigt zum Gel<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong> Unternehmensumfeld,<br />
das durch CVC erst geschaffen werden soll ……... 243<br />
7.1.2. Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>von</strong> CVC durch bestimmte Verhaltensmuster …...……. 245<br />
7.1.2.1. Fehlendes Problembewusstse<strong>in</strong> (Konzern) ……………………..... 245
7.1.2.2. Falsche Erwartungen und Vorstellungen <strong>von</strong> CVC (Konzern) ….... 246<br />
7.1.2.3. Zu späte Adressierung des strategischen Wertbeitrages (CVC) ..… 247<br />
7.1.2.4. Falsches Vorgehen bei der Realisierung strategischer Effekte ..…... 248<br />
7.2. Wie können CVC-Programme erfolgreicher umgesetzt werden? ………….. 250<br />
7.2.1. Schritt 1: Detaillierte Analyse des Unternehmensumfeldes …….…… 253<br />
7.2.1.1. Grundlegende Marktcharakteristika: Branche<br />
und Wettbewerbsstruktur …………………………………...…...…… 255<br />
7.2.1.2. Wahrgenommene Marktdynamik: Die Frage<br />
des richtigen „Tim<strong>in</strong>gs“……………………………………………..….. 259<br />
7.2.1.3. Unternehmenskultur und Risikoaversion ……………………….… .. 267<br />
7.2.1.4. Organisatorische Akte und Status quo ………………………………. 271<br />
7.2.1.5. Unternehmensorganisation und Machtkonstellationen ……….….... 274<br />
7.2.1.6. Eigene Chancen und Risiken der Entscheidungsträger ……….....… 278<br />
7.2.1.7. Wahrnehmung <strong>von</strong> Änderungsnotwendigkeiten …………..………. 280<br />
7.2.2. Schritt 2: Abschätzung der mobilisierbaren Kräfte ………………..….. 287<br />
7.2.2.1. Potenzial an motivierbaren Mitarbeitern …………………..……...… 288<br />
7.2.2.2. Prozess der Überzeugung und Vernetzung;<br />
klare Rollen und Aufgaben …………………………………………... 290<br />
7.2.2.3. Instrumentelle Unterstützung zur robusten Verankerung ……..…. 296<br />
7.3. Fazit: Welche Lehren können aus dem Fall E.ON gezogen werden? ….. 302<br />
8. Weiterführende Forschungsansätze ……………………………………………..…… 308<br />
9. Literaturverzeichnis …………………………………………………………………..…. 314<br />
10. Anhang …………………………………………………………………………………….. 337<br />
v
Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1 Theoretisches Fundament: Untersuchung relevanter<br />
Beziehungen auf und zwischen drei Analyseebenen …………………. 40<br />
Abb. 2 Pr<strong>in</strong>zip der Rückkopplung ……………………………………………….. 43<br />
Abb. 3 Menschlicher Wahrnehmungs- und S<strong>in</strong>ngebungsprozess ………...…. 52<br />
Abb. 4 Allgeme<strong>in</strong>es Schema der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung …………………...….. 67<br />
Abb. 5 Wichtige Faktoren, die e<strong>in</strong>e Entscheidung über e<strong>in</strong><br />
Innovationsprojekt bee<strong>in</strong>flussen ……………………………………..….. 108<br />
Abb. 6 Initiierungsphase CVC: Wichtige Meilenste<strong>in</strong>e ……………………..….. 115<br />
Abb. 7 Implementierungsphase CVC: Wichtige Meilenste<strong>in</strong>e I …………..…… 120<br />
Abb. 8 Entwicklung Dealflow EVP <strong>in</strong> den Jahren 2000-2003 …………………… 123<br />
Abb. 9 Implementierungsphase CVC: Wichtige Meilenste<strong>in</strong>e II …………...….. 129<br />
Abb. 10 Stromerzeugung Deutschland vs. E.ON Energie ……………………….. 133<br />
Abb. 11 Aktienkursentwicklung E.ON AG vs. DAX …………………………..… 136<br />
Abb. 12 Aktienkursentwicklung Intershop AG …………………………………… 137<br />
Abb. 13 CVC-Aktivitäten ausgewählter deutscher Konzerne ………………..… 140<br />
Abb. 14 Von der Initialzündung bis zur ersten Entscheidungsvorlage ………… 147<br />
Abb. 15 Starker externer Druck wurde <strong>von</strong> „early adopters“ aufgenommen.<br />
Diese treiben CVC im Unternehmen …………………..……………...….. 153<br />
Abb. 16 Externer Druck und günstige org. Voraussetzungen<br />
sorgten auch bei Skeptikern für e<strong>in</strong> positives Votum ……………..…… 157<br />
Abb. 17 Prioritäten des Top-Managements <strong>von</strong> VEBA ………………………..… 160<br />
Abb. 18 Zusammenfassung der treibenden Kräfte zum Zeitpunkt<br />
der ersten Vorstandspräsentation …………………………………..……. 162<br />
Abb. 19 Von der Entscheidungsvorlage bis zur Umsetzungsentscheidung ….. 166<br />
Abb. 20 Nachlassender externer Druck, teilweise kompensiert<br />
durch erhöhte persönliche Motivation ………………………………...… 168<br />
Abb. 21 Zunehmende Störsignale, letztlich jedoch auch Zustimmung<br />
der Skeptiker, vor allem aus Verbundenheit …………………………..... 169<br />
Abb. 22 Die Kraft des Projekts reichte noch für positives Umsetzungsvotum .... 173<br />
Abb. 23 Potenzielle Pfade <strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> der Umsetzungsphase ……………….… 174<br />
Abb. 24 F<strong>in</strong>anzielle und strategische Ziele erzeugen e<strong>in</strong> Spannungsfeld ……… 177<br />
Abb. 25 Interne Vorbereitung und Vertrauensvorschuss ………………………… 187<br />
vi
Abb. 26 Zu Beg<strong>in</strong>n der Umsetzungsphase begünstigen erste Markt-<br />
erfolge die <strong>in</strong>terne Verankerung <strong>von</strong> CVC ……………………………… 189<br />
Abb. 27 Immer stärker werdende unternehmens<strong>in</strong>terne Widerstände<br />
ab Ende 2002 ………………………………………………………………. 192<br />
Abb. 28 Phase III der Umsetzung: Eskalationsspirale …………………………… 193<br />
Abb. 29 Zunehmende Irritationen und Zweifel im Konzern erreichen<br />
auch die Unterstützer ……………………………………………………. 215<br />
Abb. 30 Starke Abwehrhaltungen vor allem der operativen Gesellschaften<br />
gegen die CVC-E<strong>in</strong>heit und ihre Investitionen ……………………….. 218<br />
Abb. 31 Drei Phasen <strong>in</strong> der Umsetzung <strong>von</strong> CVC ……………………………… 225<br />
Abb. 32 Idealtypischer Pfad zweier Innovationsprojekte ……………………... 239<br />
Abb. 33 Erfolg <strong>von</strong> CVC benötigt die Erfüllung vieler Bed<strong>in</strong>gungen<br />
und die Beherrschung der strukturellen Komplexität ……………….. 249<br />
Abb. 34 Modellhafte Ableitung <strong>von</strong> Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit,<br />
Chancen und Risiken e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes …………………………… 252<br />
Abb. 35 Unternehmensanalyse (CVC relevante Themen) …………………..… 254<br />
Abb. 36 Gute Erfolgschancen für CVC nur <strong>in</strong> bestimmten<br />
Unternehmensphasen …………………………………………………… 264<br />
Abb. 37 Je nach Risikoaversion unterscheidet sich der wahrgenommene<br />
Nutzen <strong>in</strong> verschiedenen F<strong>in</strong>anzierungsphasen ……………………… 270<br />
Abb. 38 Hypothese: Je stärker der politische Druck, desto früher die<br />
Umsetzungsentscheidung für CVC ………………………………..…… 310<br />
vii
Tabellenverzeichnis<br />
Tab. 1: Strategische Vorteile <strong>von</strong> CVC für Gross- und Start-up-Unternehmen . 22<br />
Tab. 2: Komplementäre Stärken und Schwächen <strong>von</strong><br />
Gross-/Start-up- Unternehmen ………………………………………….... 23<br />
Tab. 3: Grössere Divestments VEBA/E.ON <strong>in</strong> den Jahren 2000/2001 ………… 135<br />
Tab. 4 Unterschiedliche Managmentphilosophien (Teil I):<br />
Schwierigkeiten des Konzerns mit dem Geschäftsmodell CVC ………… 195<br />
Tab. 5 Unterschiedliche Managmentphilosophien (Teil II):<br />
Schwierigkeiten des Konzerns mit den Geschäfts<strong>in</strong>halten CVC ………… 211<br />
viii
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abb. Abbildung<br />
AG Aktiengesellschaft<br />
BASF Badische Anil<strong>in</strong> und Soda-Fabrik<br />
BEWAG Berl<strong>in</strong>er Kraft- und Licht Aktiengesellschaft<br />
bzw. beziehungsweise<br />
ca. circa<br />
CI Carried Interest<br />
CVC <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong><br />
DAX Deutscher Aktien Index<br />
d.h. das heisst<br />
DM Deutsche Mark<br />
DNA Deoxyribonucleic Acid<br />
dt. deutsch<br />
ed. Editor<br />
EDF Electricité de France<br />
EDV Elektronische Datenverarbeitung<br />
EnBW Energie Baden Württemberg<br />
ENEL Ente Nazionale per l’Energia Elettrica<br />
EU Europäische Union<br />
EVP E.ON <strong>Venture</strong> Partners GmbH<br />
EVU Energieversorgungsunternehmen<br />
eds. Editors<br />
E.ON E.ON Aktiengesellschaft<br />
et al. et alii (und andere)<br />
evtl. eventuell<br />
f. folgende (Seite)<br />
ff. fortfolgende (Seiten)<br />
F&E Forschung und Entwicklung<br />
ggf. gegebenenfalls<br />
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
GWh Gigawattstunden<br />
Hrsg. Herausgeber<br />
i.d.R. <strong>in</strong> der Regel<br />
i.e.S. im engeren S<strong>in</strong>ne<br />
i.w.S. im weiteren S<strong>in</strong>ne<br />
IT Information Technology<br />
kWh Kilowattstunden<br />
o.J. ohne Jahresangabe<br />
mbH mit beschränkter Haftung<br />
MBO Management Buy Out<br />
Mio. Millionen<br />
ix
Mrd. Milliarden<br />
MVV Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH<br />
MW Megawatt<br />
NVD New <strong>Venture</strong> Division<br />
Nr. Nummer<br />
NY New York<br />
OECD Organisation for Economic Co-operation and Development<br />
PR Public Relations<br />
RWE Rhe<strong>in</strong>isch-Westfälisches Elektrizitätswerk<br />
S. Seite<br />
t. Tonnen<br />
Tab. Tabelle<br />
TWh Terrawattstunden<br />
USA United States of America<br />
u.U. unter Umständen<br />
usw. und so weiter<br />
VC <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong><br />
VEAG Vere<strong>in</strong>igte Energiewerke Aktiengesellschaft<br />
VEBA Vere<strong>in</strong>igte Elektrizitäts- und Bergbau Aktiengesellschaft<br />
VIAG Vere<strong>in</strong>igte Industrieunternehmen Aktiengesellschaft<br />
vgl. vergleiche<br />
Vol. Volume (Ausgabe, z.B. bei Zeitschriften)<br />
z.B. zum Beispiel<br />
x
Glossar<br />
Äquif<strong>in</strong>alität …………………………………………………………………………. 55<br />
Analogieschluss ……………………………………………………………………... 48<br />
Bandwagon-Effekt ………………………………………………………………….. 90<br />
Boundary-Spann<strong>in</strong>g ………………………………………………………………… 14<br />
Bus<strong>in</strong>essplan ………………………………………………………………………… 123<br />
Carried Interest ……………………………………………………………………… 120<br />
Deal Flow……………………………………………………………………………… 123<br />
Due Diligence ……………………………………………………………………….. 124<br />
Economies-of-Scale ………………………………………………………………….. 16<br />
Economies-of-Scope ………………………………………………………………… 16<br />
Exploitation …………………………………………………………………………. 80<br />
Exploration …………………………………………………………………………. 80<br />
Fliessgleichgewicht …………………………………………………………………. 42<br />
Ganzheit ……………………………………………………………………………… 42<br />
Geschichte ……………………………………………………………………………. 52<br />
Information ………………………………………………………………………….. 51<br />
Internes Ventur<strong>in</strong>g ………………………………………………………………….. 32<br />
Interpunktion ………………………………………………………………………… 54<br />
Issue Fram<strong>in</strong>g ………………………………………………………………………… 54<br />
Kontext ………………………………………………………………………………… 52<br />
Mimetisches Verhalten ………………………………………………………………. 89<br />
Organisatorische Felder ……………………………………………………………... 87<br />
Organizational Slack …………………………………………………………………. 64<br />
Pfad (des Projektes) ………………………………………………………………….. 174<br />
Private Equity …………………………………………………………………………. 27<br />
Rationalität(en) ……………………………………………………………………….. 60<br />
Relevanz ………………………………………………………………………………. 42<br />
Rückkopplung ………………..………………………………………………………. 42<br />
Slack, Organizational …………………………………………………………………. 64<br />
Stufenfunktion ………………………………………………………………………… 78<br />
System …………………………………………………………………………………. 42<br />
Ventur<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>ternes …………………………………………………………………… 32<br />
VC-Branche ……………………………………………………………………………138<br />
xi
Vorwort<br />
Was hat mich motiviert, nach rund 14-jähriger Berufspraxis diese Arbeit zu<br />
schreiben? Zunächst e<strong>in</strong>mal hatte ich schon länger den Wunsch, das Verhalten <strong>von</strong><br />
Führungskräften <strong>in</strong> Unternehmen näher zu erforschen. Ich beobachtete, dass<br />
Entscheidungen manchmal weniger sachlogisch als durch ihren situativen Kontext<br />
erklärt werden können. Sie nehmen manchmal e<strong>in</strong>en kaum kalkulierbaren Verlauf,<br />
da es schwerer fällt, das Umfeld <strong>von</strong> Entscheidungen zu erfassen und zu deuten als<br />
die dah<strong>in</strong>ter liegenden sachlichen Gründe. Aber genau dies weckte me<strong>in</strong> Interesse.<br />
Leider wird all zu oft die persönliche Neugier, den D<strong>in</strong>gen auf den Grund zu gehen,<br />
dem täglichen Geschäft untergeordnet. Vor allem dann, wenn die erfolgreiche<br />
Abwicklung <strong>von</strong> Projekten immer grössere Energie freisetzte, neue Initiativen auf<br />
den Weg zu br<strong>in</strong>gen, gerät die rückblickende Analyse darauf, welchen Pfad e<strong>in</strong><br />
Projekt genommen hat und warum bestimmte Entscheidungen so getroffen worden<br />
s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund.<br />
Das letzte Projekt befasste sich mit der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong><br />
bei E.ON. Dieses startete mit viel Enthusiasmus, hatte aber schliesslich nicht den<br />
erhofften Erfolg. Me<strong>in</strong>e Erfahrungen mit diesem Projekt waren Auslöser, nun doch<br />
e<strong>in</strong>mal gründlicher den Blick <strong>in</strong> die Vergangenheit zu richten. Der Stapel der<br />
offenen Fragen ist immer höher geworden. Die Beendigung der <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong><br />
Aktivitäten war e<strong>in</strong>e natürliche Zäsur, die auch die Adjustierung <strong>von</strong> persönlichen<br />
Interessen und Prioritäten ermöglichte.<br />
Ich wollte, ausgehend <strong>von</strong> den eigenen Erfahrungen <strong>in</strong> diesem Projekt, herausf<strong>in</strong>den,<br />
warum e<strong>in</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong>-Ansatz <strong>in</strong>sgesamt und vor allen D<strong>in</strong>gen<br />
<strong>in</strong> „me<strong>in</strong>em“ Unternehmen so früh wieder e<strong>in</strong>gestellt wurde. Damit zusammen<br />
hängt e<strong>in</strong>e Reihe weiterer Fragen: Inwieweit ist der Ausgang wichtiger<br />
Entscheidungen rational erklärbar und gut berechenbar? In welchem Masse ist er<br />
<strong>von</strong> anderen Faktoren abhängig, etwa <strong>von</strong> situativen oder sogar zufälligen<br />
Elementen? Welches s<strong>in</strong>d konkret diese, schwer zu greifenden Faktoren und durch<br />
welche Theorien lassen sich bestimmte Beobachtungen begründen?<br />
xii
Ich arbeitete mich tiefer <strong>in</strong> die Literatur e<strong>in</strong>, um nach möglichen Erklärungsansätzen<br />
zu suchen. Nach der ersten Phase der Verwirrung aufgrund unbefriedigender<br />
Antworten durch die bestehende Forschung zu <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> und der<br />
Fülle verschiedener Theorieströme, b<strong>in</strong> ich doch noch fündig geworden. Ich fand<br />
für die meisten Beobachtungen tatsächlich Erklärungen.<br />
Neue Erkenntnisse entstehen oft durch zufällige Ereignisse. E<strong>in</strong> solches war e<strong>in</strong>e<br />
Randbemerkung <strong>von</strong> Thomas Dyllick anlässlich des Doktorandensem<strong>in</strong>ars am 21.<br />
Juni 2005 <strong>in</strong> Appenzell. Zur Erklärung e<strong>in</strong>es Sachverhaltes zitierte er Bateson:<br />
„Information is a difference which makes a difference“. Dieses Zitat machte mich<br />
neugierig. Ich las Batesons Buch „Geist und Natur“ und war <strong>von</strong> se<strong>in</strong>en sehr<br />
elementaren Erkenntnissen und Erklärungen bee<strong>in</strong>druckt; zugleich aber auch etwas<br />
frustriert. Glaubte ich nämlich, schon e<strong>in</strong>e hohe Analysetiefe erreicht und gute Erklärungen<br />
gefunden zu haben, musste ich feststellen, dass man noch viel grundlegender<br />
und tiefschürfender an das Thema herangehen kann. Also machte ich mich<br />
nach der Lektüre <strong>von</strong> Batesons Werk sowie anderer, verwandter Ansätze (z. B.<br />
Watzlawick) daran, me<strong>in</strong>e Forschung und das Design me<strong>in</strong>er Arbeit anzupassen.<br />
Ich sah auch die Chance und war fasz<strong>in</strong>iert <strong>von</strong> der Idee, die hoch<strong>in</strong>teressanten,<br />
aber trotz aller Illustrationen immer noch sehr abstrakt kl<strong>in</strong>genden Erkenntnisse der<br />
Systemtheorie <strong>in</strong> den Kontext e<strong>in</strong>er konkreten Unternehmenssituation zu stellen.<br />
E<strong>in</strong> zentraler Ansatz <strong>von</strong> Bateson ist die Suche nach dem „Muster, das verb<strong>in</strong>det.“<br />
Diese Idee hat mich gefesselt. Auch wenn im Mittelpunkt dieser Arbeit sehr<br />
konkrete Fragestellungen und praxisrelevante Schlussfolgerungen stehen sollen,<br />
bleibt im H<strong>in</strong>terkopf immer der Gedanke, dass sich durch e<strong>in</strong>e besonders tiefe<br />
Analyse bestimmter Zusammenhänge möglicherweise übergeordnete Muster<br />
erkennen lassen, die – auch im Vergleich zu denen <strong>in</strong> anderen Systemen, etwa <strong>in</strong> der<br />
Biologie - e<strong>in</strong>e gute Grundlage für neue Erklärungen bilden und nicht nur im<br />
Kontext „<strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong>“ Gültigkeit besitzen könnten.<br />
Wenn nach Bateson „die Verbundenheit der Menschen … (sich) daraus ergibt, dass<br />
sie alle mit Hilfe <strong>von</strong> Geschichten denken“ (Bateson, 1993, S. 23), dann ist die<br />
nachfolgende Arbeit me<strong>in</strong>e Geschichte. Die Geschichte <strong>von</strong> der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> bei E.ON und me<strong>in</strong>e Deutung bestimmter Ereignisse<br />
und wichtiger Entscheidungen.<br />
xiii
Zu Dank verpflichtet b<strong>in</strong> ich zahlreichen Menschen und Organisationen, die an<br />
diesem Projekt auf unterschiedliche Weise beteiligt waren. Teilweise lieferten sie<br />
den „Stoff“ für diese Arbeit, teilweise unterstützten sie mich fachlich durch kritische<br />
Kommentare, neue E<strong>in</strong>sichten oder sie gaben mir <strong>in</strong> der Zeit des Schreibens<br />
Rückhalt und „seelischen Beistand“. Der Versuch, all diese Personen namentlich zu<br />
erwähnen, würde scheitern. Jede Auflistung wäre mit Sicherheit unvollständig.<br />
Stattdessen möchte ich mich bei vielen dieser Menschen auf e<strong>in</strong>e sehr viel<br />
persönlichere Art bedanken und an dieser Stelle nur e<strong>in</strong>ige, wenige Personen<br />
herausheben. Ich danke zunächst Prof. Thomas Dyllick und Prof. Rolf Wüstenhagen<br />
für ihre engagierte und <strong>in</strong>tensive Betreuung me<strong>in</strong>er Arbeit. Ihre Erfahrungen und<br />
ihr Wissen haben immer wieder geholfen, me<strong>in</strong>en Fokus neu zu kalibrieren und<br />
eigene Ansichten, die schon <strong>in</strong> Begriff waren, Überzeugungen zu werden, noch<br />
e<strong>in</strong>mal kritisch zu h<strong>in</strong>terfragen. Die Besprechungen mit ihnen waren immer <strong>in</strong><br />
höchstem Masse erhellend für mich, die – manchmal unerwarteten – Ergebnisse<br />
immer an- und aufregend. Besonderer Dank gilt auch me<strong>in</strong>en Eltern, die mir stets<br />
die nötigen Kraft und den Rückhalt gaben, um wichtige neue „Projekte“ <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em<br />
Leben wie diese Arbeit konsequent und mit hoher Energie anzugehen. Sie standen<br />
immer h<strong>in</strong>ter mir und räumten mir die nötigen Freiräume für viele grosse und<br />
kle<strong>in</strong>e Weichenstellungen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben e<strong>in</strong>. Für ihre Geduld mit me<strong>in</strong>en<br />
Entscheidungen, die ich oft unkonventionell, manchmal auch anders als erwartetet<br />
getroffen habe, möchte ich ihnen herzlichst danken. Ihnen widme ich diese Arbeit.<br />
Nicht zuletzt möchte ich auch e<strong>in</strong>em me<strong>in</strong>er besten Freunde und Wegbegleiter, Ingo<br />
Bruscella, danken, der mich nicht nur <strong>in</strong> vielen produktionstechnischen Fragen <strong>in</strong><br />
der Endphase dieser Arbeit unterstützte, sondern - was ich als noch wichtiger<br />
empf<strong>in</strong>de - es verstand, mich immer wieder mit neuer Energie und frischen Ideen<br />
zu versorgen und me<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit auch e<strong>in</strong>mal auf andere D<strong>in</strong>ge zu richten.<br />
Düsseldorf, im Oktober 2007 Steffen Hasselwander<br />
xiv
1. E<strong>in</strong>leitung<br />
Ausgangslage, Betrachtungsperspektive und Herausforderung dieser Arbeit s<strong>in</strong>d<br />
anders als <strong>in</strong> den meisten Dissertationen. Viele s<strong>in</strong>d dadurch geprägt, dass sich die<br />
Def<strong>in</strong>ition des Untersuchungsgegenstandes aus der wissenschaftlichen Diskussion<br />
ergibt, umfangreiches Theoriewissen vorliegt, und e<strong>in</strong>e zentrale Herausforderung <strong>in</strong><br />
der empirischen Überprüfung der Ergebnisse liegt.<br />
Im hier vorliegenden Fall wurde die Forschungsthematik unmittelbar aus der<br />
praktischen Arbeit abgeleitet. Eigene empirische Beobachtungen bildeten zugleich<br />
die Grundlage für die vertiefte Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Thematik. E<strong>in</strong> Ziel<br />
dieser Arbeit war es, Theorien zu identifizieren, mit der bestimmte, <strong>in</strong> der Praxis<br />
festgestellte Verhaltensweisen erklärt werden können.<br />
1.1. Forschungsproblem<br />
Erforscht werden soll die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> („CVC“) <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em etablierten Konzern. Der grundsätzliche Ansatz, hierdurch die<br />
Innovationskraft etablierter Konzerne zu verbessern, ersche<strong>in</strong>t überzeugend: Junge<br />
und etablierte Unternehmen haben komplementäre Stärken und Schwächen bei der<br />
Generierung und Vermarktung <strong>von</strong> Innovationen. Wenn es gel<strong>in</strong>gt, sie<br />
zusammenbr<strong>in</strong>gen, können da<strong>von</strong> beide Parteien profitieren. Dies sollte e<strong>in</strong>e gute<br />
Grundlage für e<strong>in</strong>e stabile, längerfristige Kooperation darstellen. So lautet der Plan.<br />
1) In der Praxis funktioniert CVC längst nicht so perfekt. Langzeitstudien haben<br />
gezeigt, dass so schnell und flächendeckend wie solche Programme e<strong>in</strong>geführt<br />
werden, sie e<strong>in</strong> paar Jahre später wieder beendet werden. Die Beschreibung <strong>von</strong><br />
Chesbrough (2000), dass e<strong>in</strong> CVC-Zyklus üblicherweise durch die Phasen Enthusiasmus,<br />
Implementierung, Schwierigkeiten und E<strong>in</strong>stellung des Programms geprägt ist,<br />
kann durch die eigene Erfahrung bestätigt werden. Es stellt sich die Frage, warum<br />
e<strong>in</strong>e so grosse Lücke zwischen theoretisch hergeleiteter Vorteilhaftigkeit und<br />
Misserfolg <strong>in</strong> der Praxis klafft.<br />
1
2) Auf der Ebene e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Unternehmens deutet vieles darauf h<strong>in</strong>, dass sich<br />
Führungskräfte stark <strong>von</strong> Sachargumenten leiten lassen, wenn sie Entscheidungen<br />
darüber treffen, ob neue Konzepte (hier: CVC) umgesetzt werden sollen. In<br />
Entscheidungsvorlagen wird geprüft, ob die Argumentationsketten nachvollziehbar<br />
s<strong>in</strong>d und alle entscheidungsrelevanten Informationen erhoben wurden. Je stärker<br />
sich diese quantitativ oder durch andere Daten und Fakten belegen lassen, umso<br />
grösser sche<strong>in</strong>t ihre Überzeugungskraft zu se<strong>in</strong>. Bewertungskriterium ist üblicherweise<br />
die Logik l<strong>in</strong>earer Kausalketten. Andererseits konnte festgestellt werden, dass<br />
e<strong>in</strong>e Entscheidungsvorlage an zwei Tagen <strong>in</strong>nerhalb kurzer Zeit sehr unterschiedlich<br />
bewertet wurde: E<strong>in</strong>mal ausserordentlich positiv, das andere mal eher skeptisch.<br />
Was hat hier stattgefunden? An den Inhalten der Vorlage kann es kaum gelegen<br />
haben, da die beiden Papiere nahezu identisch waren. Das Unternehmen, se<strong>in</strong><br />
Geschäftsumfeld wie auch das Umfeld für (<strong>Corporate</strong>) <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Ansätze<br />
haben sich zwischenzeitlich auch nicht spürbar verändert.<br />
Dieses am Beispiel CVC aufgezeigte Verhalten ist ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfall. Immer wieder kann<br />
<strong>in</strong> der Unternehmenspraxis festgestellt werden, dass gleiche oder sehr ähnliche<br />
„D<strong>in</strong>ge“ (Ereignisse, Informationen, Entscheidungsvorlagen) zu unterschiedlichen<br />
Zeiten unterschiedliche Bewertungen erfahren und daraus ebenso unterschiedliche<br />
Entscheidungen resultieren. Offenbar gibt es Faktoren jenseits der re<strong>in</strong>en Sachlogik,<br />
die Entscheidungen <strong>von</strong> Führungskräften respektive den Pfad <strong>von</strong> Projekten stark<br />
bee<strong>in</strong>flussen und teilweise zu unerwarteten Ergebnissen führen können. Wenn<br />
Chesbrough e<strong>in</strong>gangs den Start vieler CVC-Programme als enthusiastisch bezeichnet,<br />
dann deutet auch dies darauf h<strong>in</strong>, dass Entscheidungen durch mehr als nur durch<br />
re<strong>in</strong>e Sachlogik begründbar s<strong>in</strong>d.<br />
1.2. Forschungsfragen<br />
Im Mittelpunkt dieser Dissertation steht im weiteren S<strong>in</strong>ne die Erklärung<br />
wahrgenommener Widersprüche: Widersprüche zwischen Plan („es müsste<br />
klappen“) und Realisierung („es klappt nicht“) und Widersprüche im Verhalten <strong>von</strong><br />
Entscheidungsträgern. Lassen sich diese nur durch den Faktor Zufall oder durch die<br />
2
Welt des Absurden erklären oder – was der Autor <strong>in</strong>sgeheim hofft - gibt es bessere<br />
Begründungen dafür? Dass Ereignisse als widersprüchlich wahrgenommen werden,<br />
kann daran liegen, dass Informationsdefizite bestehen oder die Zusammenhänge<br />
zwischen Vorgängen nur vage bekannt s<strong>in</strong>d oder falsch <strong>in</strong>terpretiert werden. Wird<br />
möglicherweise im Plan e<strong>in</strong> anderes Entscheidungsverhalten angenommen als dies<br />
<strong>in</strong> der Realität feststellbar ist? Welche anderen Faktoren ausser der re<strong>in</strong>en Sachlogik<br />
determ<strong>in</strong>ieren e<strong>in</strong>e Entscheidung? Interessant für e<strong>in</strong>e Analyse ersche<strong>in</strong>en vor allem<br />
jene Bestimmungsfaktoren zu se<strong>in</strong>, die nicht oder nur begrenzt mit den traditionellen<br />
wissenschaftlichen Methoden und unter Zugrundelegung üblicher Basisannahmen -<br />
etwa die des streng rationalen Verhaltens - greifbar s<strong>in</strong>d. Sollte es gel<strong>in</strong>gen, durch<br />
e<strong>in</strong>e vertiefende Analyse neue E<strong>in</strong>flussfaktoren und Zusammenhänge sichtbar zu<br />
machen, können Ereignisse respektive die diese Ereignisse begründenden<br />
Entscheidungen im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> besser verstanden werden; und damit auch die oben<br />
beschriebenen Diskrepanzen zwischen Plan und Realität bzw. (verme<strong>in</strong>tliche)<br />
Inkonsistenzen im Verhalten e<strong>in</strong>zelner Führungskräfte. Noch <strong>in</strong>teressanter wäre es,<br />
wenn hieraus nicht nur ex post bessere Erklärungen abgeleitet, sondern auch ex ante<br />
Empfehlungen für die Praxis entwickelt werden könnten, wie Projekte besser<br />
gesteuert bzw. bee<strong>in</strong>flusst werden können, auch wenn die zugrunde liegenden<br />
Handlungen und Entscheidungen nur begrenzt rational erklärbar s<strong>in</strong>d.<br />
Durch e<strong>in</strong>e tiefe Erforschung <strong>von</strong> Entscheidungen zu CVC im E.ON-Konzern sollen<br />
all diese Fragen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en konkreten Zusammenhang gestellt werden. Mittels e<strong>in</strong>er<br />
Analyse <strong>von</strong> Umfeldbed<strong>in</strong>gungen, denen die Führungskräfte des Konzerns bei ihrer<br />
Entscheidung zu diesem Projekt ausgesetzt waren, sollen bessere Erklärungen gefunden<br />
werden, wann und wie das CVC-Projekt gestartet wurde und welchen Pfad es<br />
genommen hat. Damit werden zwei Phasen def<strong>in</strong>iert. In der ersten Phase f<strong>in</strong>det die<br />
Initialzündung für das Projekt statt. Hier soll gezeigt werden, welche Faktoren im<br />
Fall E.ON dafür verantwortlich waren, dass e<strong>in</strong> Entscheidungsprozess über die<br />
<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> Gang gesetzt wurde und welchen Ausgang dieser<br />
genommen hat. Durch die Analyse wichtiger Umfeldbed<strong>in</strong>gungen, sowohl<br />
ausserhalb des Unternehmens also auch unternehmens<strong>in</strong>tern, im Vorfeld der<br />
Beschlussfassung über die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC und des Prozesses, wie e<strong>in</strong>zelne<br />
Führungskräfte – hierdurch bee<strong>in</strong>flusst - letztendlich ihre Entscheidungen basiert<br />
haben, sollen neue Antworten auf folgende Frage gefunden werden:<br />
3
F1: Wann und wie wurde das CVC-Projekt bei E.ON unternehmens<strong>in</strong>tern<br />
gestartet?<br />
Ist e<strong>in</strong>e positive Grundsatzentscheidung zu CVC gefallen, geht es <strong>in</strong> der<br />
nachfolgenden Implementierungsphase darum, Faktoren aus dem<br />
Entscheidungsumfeld zu identifizieren, die e<strong>in</strong>e erfolgreiche Verankerung dieser<br />
Aktivitäten begünstigen oder erschweren. Vor allem soll auf jene<br />
Kontextbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>gegangen werden, die sich im Fall E.ON als belastend für<br />
CVC erwiesen haben und e<strong>in</strong>en Entscheidungsprozess <strong>in</strong> Gang gesetzt haben, der zu<br />
e<strong>in</strong>er kritischen Überprüfung der CVC-Aktivitäten und sogar zur E<strong>in</strong>stellung der<br />
Aktivitäten geführt hat:<br />
F2: Welche Faktoren begünstigten oder – wie im vorliegenden Fall – erschwerten<br />
die erfolgreiche Verankerung <strong>von</strong> CVC im Unternehmen?<br />
Aus den Erklärungen, warum im vorliegenden Fall CVC nicht dauerhaft erfolgreich<br />
implementiert werden konnte, könnten Rückschlüsse gezogen werden, warum <strong>in</strong> der<br />
Vergangenheit auch <strong>in</strong> anderen Unternehmen so viele Programme gescheitert s<strong>in</strong>d.<br />
Um zu dem e<strong>in</strong>gangs erwähnten Zyklus <strong>von</strong> Chesbrough zurückzukehren: Es wäre<br />
<strong>in</strong>teressant zu wissen, was genau zum anfänglichen Enthusiasmus geführt hat und<br />
warum dieser schliesslich <strong>in</strong> Enttäuschung umgeschlagen ist.<br />
Aus der Analyse dieses Praxisfalles und der Kenntnis erfolgskritischer Zusammenhänge<br />
werden ferner Empfehlungen abgeleitet, wie CVC und die hierdurch<br />
verfolgten Ziele <strong>in</strong> Zukunft besser <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen realisiert<br />
werden können:<br />
F3: Wie können künftig CVC-Programme erfolgreicher umgesetzt werden?<br />
Die gefundenen Erkenntnisse sollen helfen, die Umfeldbed<strong>in</strong>gungen für CVC <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em grossen Unternehmen besser e<strong>in</strong>zuschätzen, e<strong>in</strong>e Entscheidung zur<br />
<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC fundierter zu treffen und anschliessend CVC stabiler im<br />
Unternehmensverbund zu verankern bzw. se<strong>in</strong>e Effektivität zu erhöhen. All dies soll<br />
die Überlebenschancen dieses Ansatzes verbessern. Darüber h<strong>in</strong>aus könnten die hier<br />
erzielten Ergebnisse möglicherweise <strong>von</strong> allgeme<strong>in</strong>er Nützlichkeit für die Initiierung<br />
4
und Abwicklung anderer Innovations- und Veränderungsprojekte <strong>in</strong> grossen<br />
Unternehmen se<strong>in</strong>. Auf Makroebene könnte aufgrund e<strong>in</strong>es tieferen Verständnisses<br />
der Kontextbed<strong>in</strong>gungen <strong>von</strong> Entscheidungen auch das Verhalten e<strong>in</strong>er Branche<br />
(hier: Energiebranche) <strong>in</strong>sgesamt besser verstanden werden. Dies bietet eventuell<br />
neue Ansatzpunkte für die Beurteilung der Effektivität verschiedener<br />
lenkungspolitischer Massnahmen. Letzteres steht jedoch nicht mehr im Fokus dieser<br />
Arbeit, sondern könnte die Grundlage weiterer Forschungsansätze se<strong>in</strong>.<br />
1.3. Forschungslücke<br />
Das Thema CVC ist <strong>in</strong> den letzten Jahren schon stark erforscht worden. Traditionelle<br />
Forschungsansätze bergen die Gefahr, nur noch marg<strong>in</strong>ale Erkenntnisbeiträge zu<br />
erzielen. Es stellt sich die Frage, ob noch grössere Lücken zu erkennen s<strong>in</strong>d, die e<strong>in</strong>e<br />
weitere Beschäftigung mit diesem Thema rechtfertigen. Dies wird bejaht. E<strong>in</strong>e<br />
Forschungslücke besteht <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht: Erstens s<strong>in</strong>d wichtige Fragen im<br />
Zusammenhang mit der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC bisher noch nicht adressiert worden.<br />
Zum zweiten werden die bisher verwendeten Untersuchungsansätze, <strong>in</strong>sbesondere<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der verwendeten Basisprämissen, als nur begrenzt geeignet erachtet,<br />
Erklärungen für die hier beobachteten Praxisphänomene zu f<strong>in</strong>den.<br />
Die bisherige Forschung zu CVC befasst sich stark mit der Untersuchung <strong>von</strong> Gründen<br />
und Motiven etablierter Unternehmen, warum sie sich mit dem Thema CVC beschäftigen<br />
(sollten) und wie e<strong>in</strong> solches Konzept beschaffen se<strong>in</strong> könnte. Sehr schnell<br />
werden strukturell-organisatorische Aspekte thematisiert und Gestaltungsempfehlungen<br />
abgeleitet. Dies geschieht zumeist aus e<strong>in</strong>em übergeordneten Blickw<strong>in</strong>kel<br />
und nicht aus der Perspektive der Entscheidungsträger e<strong>in</strong>es Unternehmens. Es<br />
mangelt an Ansätzen, bei denen die Entscheidungssituation selbst im Mittelpunkt der<br />
Betrachtung steht und wichtige Entscheidungen zu CVC aus ihrer E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> den<br />
spezifischen Kontext e<strong>in</strong>er Führungskraft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em grossen Unternehmen erklärt<br />
werden.<br />
Die grundsätzliche Andersartigkeit der Forschungsfrage führt auch zu e<strong>in</strong>em völlig<br />
anderen Untersuchungsansatz. In den existierenden Forschungsansätzen zu CVC<br />
5
wird meist implizit unterstellt, dass die Akteure nach den Pr<strong>in</strong>zipien des homo<br />
oeconomicus handeln. Dies be<strong>in</strong>haltet z.B. streng rationales Verhalten und den Besitz<br />
vollständiger Informationen. Hierdurch lassen sich zwar e<strong>in</strong>zelne<br />
Gestaltungsempfehlungen ableiten. Die reale Unternehmenssituation lässt sich so<br />
nur unzureichend beschreiben. Ebenso wenig lässt sich der Erfolg bzw. Misserfolg<br />
<strong>von</strong> CVC-Programmen <strong>in</strong>sgesamt damit erklären. Unternehmen stellen e<strong>in</strong> System<br />
dar, <strong>in</strong> dem vielfältige Beziehungen, z.B. zwischen Personen, Themen und<br />
Ereignissen, bestehen und Erklärungen für bestimmte Entscheidungen zu CVC oder<br />
bestimmte Ausprägungen nicht nur sachlogisch, sondern aus der Existenz solcher<br />
Beziehungen abgeleitet werden können. Entscheidungen und Ereignisse f<strong>in</strong>den nicht<br />
<strong>in</strong> Isolation zu anderen statt, sondern s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en situativen Kontext.<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung ist auch e<strong>in</strong> sozialer Prozess. Soziale Phänomene können ohne<br />
den Faktor Zeit nicht immer gut erklärt werden (Issac/Griff<strong>in</strong>, 1989; Griff<strong>in</strong>, 1993;<br />
Am<strong>in</strong>zade, 1992) 1 . Die Entscheidungsträger verfügen zudem selten über vollständige<br />
Informationen und haben Schwierigkeiten, die vorhandenen Daten e<strong>in</strong>deutig zu<br />
<strong>in</strong>terpretieren. E<strong>in</strong> hohes Mass an Unsicherheiten charakterisiert vor allem<br />
Innovationsprojekte, zu denen auch CVC gehört. Den damit verbundenen<br />
Unwägbarkeiten werden die traditionellen Untersuchungsmethoden nicht gerecht.<br />
Es ist dann auch schwer, Kausalitäten zwischen bestimmten Ausprägungsmerkmalen<br />
und Ereignissen herzustellen.<br />
Es liegt also nahe, den Blick erstens stärker auf das Gesamtprojekt CVC und die Ebene<br />
des e<strong>in</strong>zelnen, CVC erwägenden Unternehmens sowie se<strong>in</strong>er Entscheidungsträger<br />
zu richten. Wichtige Entscheidungen im Kontext <strong>von</strong> CVC werden nicht als Ergebnis<br />
e<strong>in</strong>er logischen Kette verstanden, die e<strong>in</strong>en klar def<strong>in</strong>ierten Ausgangs- und Endpunkt<br />
besitzt, sondern als Resultat e<strong>in</strong>es permanenten Kommunikationsprozesses;<br />
<strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens und mit se<strong>in</strong>er externen Umwelt. Die <strong>in</strong>dividuellen<br />
Handlungen und Präferenzen werden durch e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>von</strong> Faktoren bee<strong>in</strong>flusst.<br />
Viele da<strong>von</strong> erfahren im Laufe der Zeit Veränderungen und gew<strong>in</strong>nen oder verlieren<br />
- je nach den übrigen Kontextbed<strong>in</strong>gungen - an Relevanz. Wenn Entscheidungen als<br />
durch e<strong>in</strong> Netz sich ständig verändernder Beziehungen zwischen Personen und<br />
anderen „Objekten“ bestimmt betrachtet werden, ist die Ableitung konkreter Bestim-<br />
1<br />
In den weiteren Ausführungen, <strong>in</strong>sbesondere zu Beg<strong>in</strong>n des Kapitels 4 werden die<br />
Unzulänglichkeiten <strong>in</strong> der traditionellen Forschung zu CVC vertieft. Die bestehende Forschungslücke<br />
soll so nicht nur behauptet, sondern auch begründet bzw. hergeleitet werden.<br />
6
mungs- bzw. Erfolgsfaktoren deutlich anspruchsvoller als bei (statischen) Ansätzen,<br />
bei denen Variablen isoliert und l<strong>in</strong>eare Kausalzusammenhänge nachgewiesen<br />
werden. Gel<strong>in</strong>gt es jedoch, durch e<strong>in</strong>e andere Untersuchungsmethode bestimmte<br />
Muster (etwa Verhaltensmuster) und „Konstellationen“ zu identifizieren, die e<strong>in</strong>e<br />
Entscheidung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Weise bee<strong>in</strong>flussen, können neue Erklärungen<br />
und Erkenntnisse zum Thema CVC und darüber h<strong>in</strong>aus gewonnen werden.<br />
Meist fehlen die notwendigen empirischen Daten, um e<strong>in</strong>en solchen Forschungsansatz<br />
erfolgreich zu praktizieren. Die langjährige Berufserfahrung des Autors und<br />
se<strong>in</strong>e direkte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die Führungsstruktur e<strong>in</strong>es Grosskonzerns sowie <strong>in</strong> das<br />
CVC-Projekt sollten e<strong>in</strong>e gute Ausgangsbasis bilden, Zusammenhänge zwischen<br />
bestimmten Ergebnissen und Umfeldbed<strong>in</strong>gungen zu sehen, die Aussenstehenden<br />
üblicherweise verschlossen s<strong>in</strong>d. Ziel dieser Arbeit ist es, den e<strong>in</strong>getretenen Pfad der<br />
Forschung zu verlassen und e<strong>in</strong>en neuen Ansatz zu verfolgen; h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
thematisierten Inhalte sowie der verwendeten Untersuchungsmethode.<br />
Experimentelle Forschung be<strong>in</strong>haltet naturgemäss höhere Risiken. Es gilt die<br />
richtigen Informationen und Relationen zu selektieren, diese sachgerecht zu<br />
<strong>in</strong>terpretieren und den Fokus nicht zu verlieren. Es soll an dieser Stelle noch e<strong>in</strong>mal<br />
betont werden, dass Aussagen über die E.ON AG und ihre Konzerngesellschaften<br />
sowie deren Entscheidungträger und –prozesse ausschliesslich die Sicht des Autors<br />
wiedergeben und diese Dissertation nicht im Auftrag oder <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit<br />
der E.ON AG erstellt wurde. Zudem kann nur schwer auf die Erkenntnisse e<strong>in</strong>er<br />
bestehenden Forschungsströmung aufgesetzt werden. E<strong>in</strong>e grosse Herausforderung<br />
besteht auch dar<strong>in</strong>, die Erkenntnisse sachgemäss zu kodieren für Dritte<br />
nachvollziehbar zu machen. Dies hat sich gerade <strong>in</strong> der Endphase dieser Arbeit<br />
gezeigt. Beziehungen zwischen Objekten lassen sich mit unserer (digitalen) Sprache<br />
weniger gut beschreiben als die Objekte selbst.<br />
1.4. Aufbau<br />
Das nachfolgende Kapitel (Kapitel 2) umfasst e<strong>in</strong>en kurzen Def<strong>in</strong>itionsteil. Da im<br />
Mittelpunkt dieser Arbeit e<strong>in</strong> CVC-Ansatz steht, und dieser wiederum <strong>in</strong> vielerlei<br />
7
H<strong>in</strong>sicht mit dem Thema Innovation verbunden ist, werden e<strong>in</strong>ige Ausführungen zu<br />
Motiven, grundlegendem Ansatz und dem Charakter <strong>von</strong> CVC sowie den<br />
Eigenschaften <strong>von</strong> Innovationen an den Anfang der Arbeit gestellt. Hiermit soll e<strong>in</strong><br />
erstes geme<strong>in</strong>sames Grundverständnis geschaffen werden. Es ist e<strong>in</strong>e Sammlung <strong>von</strong><br />
Basis<strong>in</strong>formationen, die Grundlage nahezu aller bekannten Diskussionen <strong>von</strong> CVC-<br />
Ansätzen <strong>in</strong> der Wissenschaft ist. Erste, sich daraus ergebende Probleme werden<br />
umrissen; e<strong>in</strong>e tiefere argumentative Ause<strong>in</strong>andersetzung erfolgt hier noch nicht. Die<br />
Verdichtung der Informationen erfolgt so, dass die Erkenntnisse sofort für die<br />
spätere Analyse bzw. Ableitung <strong>von</strong> Erklärungsansätzen verwendet werden können.<br />
Kapitel 3 widmet sich der Bestandsaufnahme der Forschung zum Thema CVC im<br />
Kontext der spezifischen Forschungsfrage. Zunächst wird jene Forschung, die sich<br />
direkt mit dem Thema CVC befasst, untersucht. Es wird sich zeigen, dass aufgrund<br />
des hier verfolgten, neuen Ansatzes nur wenige Beiträge Relevanz besitzen. Die<br />
Ausführungen hierzu wurden daher sehr kurz gehalten. In e<strong>in</strong>em zweiten Schritt<br />
werden verwandte Forschungsansätze analysiert, etwa zum (allgeme<strong>in</strong>er def<strong>in</strong>ierten)<br />
Ventur<strong>in</strong>g <strong>von</strong> Unternehmen. Da diese Ansätze stärker auf die Natur des<br />
Innovationsprozesses im etablierten Unternehmen als auf strukturelle Aspekte auf<br />
der Ebene der CVC-E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>gehen, ergeben sich bessere Anknüpfungspunkte zu<br />
der hier formulierten Forschungsfrage.<br />
Kapitel 4 legt das theoretische Fundament für die spätere Analyse des Fallbeispieles<br />
E.ON. Es werden zunächst e<strong>in</strong>ige Grundpr<strong>in</strong>zipien der Systemtheorie erläutert.<br />
Diese s<strong>in</strong>d geeignet, bestimmte Ereignisse und Verhaltensweisen <strong>in</strong> der<br />
Unternehmenspraxis besser zu erklären als traditionelle Forschungsansätze. Wenn <strong>in</strong><br />
dieser Arbeit der Ausgang <strong>von</strong> Entscheidungen zu CVC als vom situativen Kontext<br />
abhängig betrachtet wird, sollen die diesen Kontext prägenden Elemente zunächst<br />
theoretisch durchdrungen werden. Dies geschieht auf und zwischen drei Ebenen:<br />
Erstens haben Entscheidungen e<strong>in</strong>en persönlichen Kontext. Es werden e<strong>in</strong>ige<br />
Grundlagen zum menschlichen Wahrnehmungs- und Kommunikationsprozess<br />
aufgezeigt und typische Verhaltensweisen dargestellt. Anschliessend wird der<br />
Analyseradius zunehmend vergrössert: Auf e<strong>in</strong>er zweiten Ebene wird auf die<br />
Spezifika der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>von</strong> Individuen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Unternehmenskontext e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Mithilfe ausgewählter Konzepte der Organisationssoziologie und –psychologie<br />
(z.B. „bounded rationality“) sollen wichtige Umfeldbed<strong>in</strong>gungen, mit denen e<strong>in</strong>e<br />
8
Führungskraft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er konkreten Entscheidungssituation konfrontiert ist,<br />
beschrieben werden. Der Blickw<strong>in</strong>kel wird schliesslich erneut erweitert, <strong>in</strong>dem das<br />
Unternehmen <strong>in</strong> Beziehung zu anderen Unternehmen sowie dem <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Umfeld bzw. der Gesellschaft betrachtet wird. Als Theoriebasis, die wichtige<br />
Verb<strong>in</strong>dungen zwischen dem Unternehmen und se<strong>in</strong>em Umfeld erklärt, dient die<br />
Institutional Theory. Nach e<strong>in</strong>er kurzen Erklärung, warum der Fokus gerade auf<br />
diese - <strong>in</strong> Europa wenig verbreitete - Theorie gelegt wird, soll auf jene Faktoren aus<br />
dem äusseren – <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong>stitutionellen – Umfeld e<strong>in</strong>gegangen werden, die auf<br />
Unternehmensereignisse und –entscheidungen besonderen E<strong>in</strong>fluss haben.<br />
In Kapitel 5 werden forschungsmethodische Fragestellungen diskutiert. Die hier<br />
praktizierte unterscheidet sich <strong>von</strong> der üblichen empirischen Vorgehensweise<br />
dadurch, dass e<strong>in</strong> Erkenntnisgew<strong>in</strong>n aus der Analyse nur e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zigen<br />
Fallbeispieles gezogen werden soll. Die Beobachtungen resultieren ausserdem aus<br />
der Wahrnehmung e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Person, die zudem noch <strong>in</strong> das CVC-Projekt aktiv<br />
<strong>in</strong>volviert war. Auf die damit verbundenen Gefahren und Risiken wird vertieft<br />
e<strong>in</strong>gegangen. Diese Problematik ist auch der Grund, warum die Ausführungen zur<br />
Forschungsmethodik nicht wie üblich an den Anfang der Dissertation, sondern<br />
unmittelbar vor die Fallstudie gestellt werden.<br />
In Kapitel 6 erfolgt e<strong>in</strong>e tiefe Analyse der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC-Aktivitäten im E.ON<br />
Konzern. Zum ersten Mal wird dieses Thema unter e<strong>in</strong>er dynamischen Perspektive<br />
und unter Anwendung systemtheoretischer Elemente beleuchtet. Gleichzeitig wird<br />
versucht, die zumeist theoretisch erörterten Ideen der Systemtheorie <strong>in</strong> den Kontext<br />
e<strong>in</strong>es praktischen Anwendungsfalles zu stellen. Zur Erhöhung der Transparenz und<br />
Nachvollziehbarkeit des Falles wird e<strong>in</strong> dreistufiger Aufbau der Fallstudie gewählt.<br />
Getrennt nach Initiierungs- und Umsetzungsphase werden im ersten Unterabschnitt<br />
wichtige Meilenste<strong>in</strong>e und Ereignisse im Zusammenhang mit der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> der<br />
CVC-Aktivitäten dargestellt. Auf e<strong>in</strong>e Beurteilung der Daten soll auf dieser Stufe<br />
bewusst verzichtet werden. So wird e<strong>in</strong>e weitgehend wertfreie Darstellung erreicht.<br />
Um den Pfad, den E.ON <strong>Venture</strong> Partners <strong>von</strong> der Initiierung des Projektes bis zur<br />
Implementierung (und anschliessenden E<strong>in</strong>stellung) genommen hat zu verstehen, ist<br />
es notwendig, die diesen Pfad bestimmenden Ereignisse und Entscheidungen darzustellen.<br />
Erst die Kenntnis des Kontextes verleiht e<strong>in</strong>em Verhalten S<strong>in</strong>n. Dieser soll im<br />
zweiten Unterabschnitt dargestellt werden. Schliesslich erfolgt im letzten und<br />
9
zentralen Schritt die Triangulation der Ergebnisse. Indem Entscheidungen mit<br />
Ereignissen und Kontextfaktoren <strong>in</strong> Zusammenhang gebracht werden, erhalten sie<br />
e<strong>in</strong>e Bewertung. Hieraus ergeben sich neue Antworten auf die Forschungsfragen.<br />
Kapitel 7 nimmt sich der Herausforderung an, aus der Analyse e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>zelfalles<br />
übergeordnete Erkenntnisse abzuleiten. Zunächst sollen Erklärungsansätze gefunden<br />
werden, warum CVC-Programme <strong>in</strong> vielen Unternehmen scheitern. Es wird gezeigt,<br />
dass e<strong>in</strong>ige strukturell bed<strong>in</strong>gte Komplexitäten e<strong>in</strong> Grund hierfür se<strong>in</strong> könnten. Im<br />
zweiten Teil sollen Empfehlungen gegeben werden, wie trotz aller Schwierigkeiten<br />
CVC <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen erfolgreicher verankert werden kann. E<strong>in</strong>e<br />
Schlüsselfunktion hierbei nimmt die Erkennung typischer Umwelt- und<br />
unternehmens<strong>in</strong>terner Situationen e<strong>in</strong>, die bestimmte, den Erfolg e<strong>in</strong>es CVC-<br />
Programms bee<strong>in</strong>flussende Konstellationen <strong>von</strong> begünstigenden und beh<strong>in</strong>dernden<br />
Kräften erwarten lassen.<br />
Im abschliessenden Kapitel 8 werden Ansatzpunkte für weitere Forschungen<br />
genannt. Die Überprüfung der Verallgeme<strong>in</strong>erbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse<br />
bietet vielfältige Ansatzpunkte für weitere Forschungsfragen. Hierzu wird e<strong>in</strong><br />
konkretes Beispiel gegeben. Wenn CVC stellvertretend für den Umgang <strong>von</strong><br />
etablierten Unternehmen mit Innovations- oder Veränderungsprojekten gesehen<br />
wird, könnten die hier gezogenen Schlussfolgerungen auch für andere Forschungen,<br />
etwa im Innovationsmanagement, nützlich se<strong>in</strong>. Es könnte auch lohnenswert se<strong>in</strong>,<br />
die Übertragbarkeit <strong>von</strong> Erklärungen und Lösungsansätzen aus anderen Diszipl<strong>in</strong>en<br />
(z.B. aus der Biologie oder der Mediz<strong>in</strong>) auf die hier vorliegende oder ähnliche<br />
Fragestellungen zu prüfen. Dies gilt <strong>in</strong> besonderem Masse für jene Erkenntnisse, die<br />
aus der Anwendung systemtheoretischer Pr<strong>in</strong>zipien gewonnen wurden.<br />
10
2. Begriffliche Grundlagen<br />
Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht e<strong>in</strong> CVC Ansatz. E<strong>in</strong> solcher ist untrennbar mit<br />
dem Thema Innovation verbunden. Es ist daher angebracht, an den Beg<strong>in</strong>n dieser<br />
Ausarbeitungen e<strong>in</strong>ige begriffliche Grundlagen zu diesen beiden Themen zu stellen.<br />
Die Ausführungen haben grösstenteils def<strong>in</strong>itorischen und beschreibenden Charakter.<br />
Sie schaffen e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Grundverständnis und leiten auf die Problemstellung<br />
h<strong>in</strong>. Es werden lediglich Aspekte adressiert, die für die hier vorliegende<br />
Forschungsfrage besonders relevant ersche<strong>in</strong>en. Indem <strong>in</strong> Kapitel 2.3 der Bezug<br />
zwischen den Ausführungen zu den Themen Innovation und CVC hergestellt wird,<br />
sollen erste Herausforderungen an e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz abgeleitet werden. E<strong>in</strong>e tiefere<br />
Analyse erfolgt erst <strong>in</strong> den nächsten Kapiteln. Die Beschreibungen und Problemstrukturierung<br />
erfolgen so, dass auf diese später sofort zurückgegriffen werden<br />
kann.<br />
2.1. Innovation<br />
Die Stärkung der Innovationskraft ist e<strong>in</strong>es der wichtigsten Themen jedes Unternehmens<br />
und gleichzeitig auch e<strong>in</strong>es der komplexesten <strong>in</strong> der Handhabung. Was<br />
Innovationen auszeichnet und welche Kräfte sie treiben, wird nachfolgend beschrieben.<br />
Es wird ebenfalls gezeigt, warum grosse Unternehmen oft Schwierigkeiten<br />
haben, selbst <strong>in</strong>novativ zu se<strong>in</strong> oder Offenheit für Innovationen zu zeigen.<br />
2.1.1. Def<strong>in</strong>itionen / Charakteristika<br />
Nach der klassischen, auf Drucker und Schumpeter zurückgehenden Def<strong>in</strong>ition, ist<br />
e<strong>in</strong>e Innovation die Durchsetzung e<strong>in</strong>er neuen Problemlösung am Markt<br />
(Schumpeter, 1934; Drucker, 1985). Bestehende Produktionsfaktoren werden neu<br />
komb<strong>in</strong>iert. Oft werden <strong>in</strong>krementelle und diskont<strong>in</strong>uierliche Innovationen<br />
unterschieden:<br />
Inkrementelle Innovationen, verstanden als Produktverbesserungen auf Basis<br />
bestehender Technologien und Märkte, basieren auf den bestehenden Fähigkeiten<br />
11
der Unternehmung. Die Probleme können gut durch das Unternehmen selbst<br />
strukturiert werden. Über die vorhandenen Rout<strong>in</strong>en und Prozesse werden die<br />
nötigen Informationen rout<strong>in</strong>emässig erhoben und an die zuständigen Personen<br />
weitergegeben.<br />
Als diskont<strong>in</strong>uierlich, disruptiv bzw. „breakthrough“ 2 werden h<strong>in</strong>gegen jene<br />
Innovationen bezeichnet, die radikalen Charakter haben, Änderungen der<br />
bestehenden Technologie und/oder der Markt<strong>in</strong>frastruktur benötigen und völlig<br />
neue Produkte oder Dienstleistungen hervorbr<strong>in</strong>gen (Garcia/Calantone, 2002, S. 122).<br />
Diese Innovationen s<strong>in</strong>d gekennzeichnet durch Unerfahrenheit und Unsicherheiten<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Technologie, durch Marktunerfahrenheit, zumeist hohe<br />
Technologiekosten und lange Entwicklungszeiten (Green/Gav<strong>in</strong>/Aiman-Smith, 1995).<br />
Den hohen Risiken steht e<strong>in</strong>, verglichen mit <strong>in</strong>krementellen Innovationen, höheres<br />
Geschäftspotenzial gegenüber (Leifer/McDermott/O`Connor/Peters/Rice/Veryzer,<br />
2000, S. 18). Die Herausforderung für e<strong>in</strong> Unternehmen besteht dar<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> sehr<br />
unstrukturierter Form vorhandenen Informationen über diskont<strong>in</strong>uierliche<br />
Innovationen zu verarbeiten. Es ist e<strong>in</strong>e hohe Kompetenz notwendig, neues Knowhow<br />
zu akquirieren, es zusammen mit dem bisherigen Wissen zu komb<strong>in</strong>ieren und<br />
daraus neue Rout<strong>in</strong>en und Verhaltensweisen abzuleiten. Dies gel<strong>in</strong>gt durch die<br />
Rout<strong>in</strong>eprozesse der Informationsverarbeitung meist nicht. Völlig neue<br />
Problemlösungsansätze zur Entwicklung neuer technischer oder<br />
betriebswirtschaftlicher Fähigkeiten und Managementpraktiken werden für<br />
notwendig erachtet (Burns/Stalker, 1961; Ettlie/Brodges/O`Keefe, 1984;<br />
Garcia/Calantone, 2002; Hage, 1980). Das Aufkommen e<strong>in</strong>er neuen Technologie ist<br />
üblicherweise e<strong>in</strong>e Periode der Konfusion (Henderson/Clark, 1990). Es wird viel<br />
experimentiert, bis sich das dom<strong>in</strong>ante System herauskristallisiert.<br />
Diskont<strong>in</strong>uierliche Innovationen stellen ganz besondere Herausforderungen an e<strong>in</strong><br />
Unternehmen, können langfristig die Quelle der Gew<strong>in</strong>n- und Existenzsicherung<br />
jedes Unternehmens se<strong>in</strong>. CVC ist <strong>in</strong> der Lage, gerade hier e<strong>in</strong>en hohen<br />
Nutzenbeitrag zu stiften, Sie stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Wenn also fortan<br />
<strong>von</strong> Innovationen die Rede ist, wird implizit unterstellt, dass es sich um<br />
diskont<strong>in</strong>uierliche Innovationen handelt.<br />
2 Auf e<strong>in</strong>e weitere Differenzierung zwischen breakthrough, disruptiv und diskont<strong>in</strong>uierlich wird hier<br />
verzichtet, da sie für die vorliegende Forschungsfrage nicht relevant ersche<strong>in</strong>t. In dieser Arbeit<br />
werden die Begriffe synonym verwendet.<br />
12
2.1.2. Treiber <strong>von</strong> (diskont<strong>in</strong>uierlichen) Innovationen<br />
Aus den Forschungsansätzen zum Technologie- und Innovationsmanagement sowie<br />
zur (Neu-) Produktentwicklung lassen sich drei Perspektiven ableiten, wer bzw. was<br />
Innovationen treibt. E<strong>in</strong>en guten Überblick geben Reid/Brentani (2004).<br />
Umwelt<br />
Innovationen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Umweltphänomen: E<strong>in</strong>e neue Technologie entwickelt sich durch<br />
e<strong>in</strong>e Serie <strong>von</strong> zufälligen E<strong>in</strong>sichten, die oft ausgelöst werden durch ebenso zufällige<br />
Interaktionen zwischen dem Erf<strong>in</strong>der und se<strong>in</strong>er Umwelt (Qu<strong>in</strong>n, 1985, S. 76).<br />
Kernelemente der diskont<strong>in</strong>uierlichen Innovation stammen also üblicherweise aus<br />
e<strong>in</strong>er Umgebung ausserhalb der bestehenden Branche. Allerd<strong>in</strong>gs ist es möglich bzw.<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich, dass bestimmte Elemente der Innovation <strong>von</strong> e<strong>in</strong>zelnen Personen<br />
<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Unternehmens beigetragen oder durch bestimmte<br />
Unternehmensprozesse bee<strong>in</strong>flusst werden (Utterback, 1994). Insgesamt gesehen<br />
nehmen Innovationen aber e<strong>in</strong>en Pfad, der durch E<strong>in</strong>zelne oder das Unternehmen<br />
schwer steuerbar ist (Arthur 1988; David 1985, S. 335; Dosi 1988). Als Grund werden<br />
Netzwerkeffekte angeführt. Personen reagieren auf die Entscheidung anderer und<br />
bee<strong>in</strong>flussen damit die Chance, dass sich die ursprünglichen Entscheidungen<br />
zugunsten der Innovation als vorteilhaft erweisen (Burt, 1992). Der Nutzen e<strong>in</strong>er<br />
Innovation korreliert direkt mit der Anzahl derer, die diese Innovation annehmen.<br />
Unternehmen ändern sich über längere Zeitphasen nur ger<strong>in</strong>gfügig. Nur wenige,<br />
zufällige Ereignisse unterbrechen die Ruhe- bzw. Gleichgewichtsphasen. Es folgen<br />
dann <strong>in</strong>tensive Zeiten des Wandels und neuer Entwicklungspfade. Das<br />
wahrgenommene Ungleichgewicht zwischen Umweltbed<strong>in</strong>gungen und Zustand des<br />
eigenen Unternehmens führt dann zu verstärkten Aktivitäten an der Schnittstelle des<br />
Unternehmens zu se<strong>in</strong>er Umwelt (Holland, 1995; Van de Ven, 1999). Das Wissen<br />
muss neu komb<strong>in</strong>iert werden, es entstehen neue Wissensbasen. E<strong>in</strong>zelne Personen<br />
im Unternehmen verb<strong>in</strong>den neues mit altem Wissen und eigenes Wissen mit dem<br />
des Unternehmens. Umweltfaktoren ausserhalb der Grenzen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen<br />
Unternehmens spielen also e<strong>in</strong>e kritische und wichtige Rolle bei den allerersten<br />
Entscheidungen <strong>von</strong> Individuen h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er neuen Technologie. In ihr wird die<br />
Hauptquelle für Innovationen gesehen.<br />
13
Individuen<br />
Innovationen werden durch Individuen getrieben: Vor allem Personen, die <strong>in</strong> der<br />
Peripherie e<strong>in</strong>es Unternehmens arbeiten und dieses mit Elementen aus der Umwelt<br />
verb<strong>in</strong>den, also boundary spann<strong>in</strong>g3 Aktivitäten entwickeln, spielen e<strong>in</strong>e<br />
entscheidende Rolle beim Zustandekommen <strong>von</strong> Innovationen (Leifer/Delbecq, 1978,<br />
S. 41; Keller/Holland, 1975). Diese Individuen tauschen permanent Informationen<br />
zwischen dem Unternehmen und der für den Unternehmenszweck relevanten<br />
Umwelt aus. Nach dem Adaptionsprozess nach Darran/Miles/Snow (1975, zitiert <strong>in</strong><br />
Leifer/Delbecq, 1978, S. 40) ist es zur Verbesserung der Entscheidungsqualität<br />
notwendig, dass Entscheidungsträger e<strong>in</strong>es Unternehmens Informationen über neue<br />
Geschäftsmöglichkeiten aus der externen Umwelt erhalten. Informationen müssen<br />
also die „Demarkationsl<strong>in</strong>ie“ zwischen zwei Systemen, das die Mitglieder des<br />
jeweiligen Systems vor aussersystemischen E<strong>in</strong>flüssen schützt und Informationen<br />
und Güterströme reguliert, überschreiten. Inwieweit Informationen diese Grenzen<br />
überschreiten, also „boundary spann<strong>in</strong>g“ Aktivitäten stattf<strong>in</strong>den können, hängt<br />
zunächst <strong>von</strong> der jeweiligen Funktion im Unternehmen ab. Die Vertriebsabteilung ist<br />
naturgemäss offener h<strong>in</strong>sichtlich externer E<strong>in</strong>flüsse als die Produktion. Ob<br />
„boundary spann<strong>in</strong>g“ Aktivitäten stattf<strong>in</strong>den sollen, ist da<strong>von</strong> abhängig, ob sich die<br />
Unternehmung überhaupt an Umfeldveränderungen anpassen möchte bzw. die<br />
Entscheidungsträger e<strong>in</strong>en Informationsbedarf sehen. Da grössere Unsicherheiten zu<br />
e<strong>in</strong>er schlechteren Entscheidungsqualität führen würden, versuchen Führungskräfte,<br />
sie auf e<strong>in</strong> tragbares Niveau zu reduzieren. Boundary Spann<strong>in</strong>g Aktivitäten helfen<br />
hierbei. Quellen der Unsicherheit bei der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung s<strong>in</strong>d zum Beispiel:<br />
14<br />
Technologie: Der Informationsbedarf variiert mit dem Grad der<br />
Vertrautheit. Gänzlich neue Technologien lösen e<strong>in</strong>en hohen<br />
Informationsbedarf aus,<br />
im Unternehmen verfügbare Informationen: Je mehr Informationen bereits<br />
im Unternehmen vorhanden s<strong>in</strong>d oder zu ger<strong>in</strong>gen Kosten beschafft werden<br />
können, desto ger<strong>in</strong>ger ist der Bedarf an externen Informationen,<br />
3 Durch die Schriftart „Arial fett“ sollen fortan zentrale Begriffe der Arbeit gekennzeichnet werden.<br />
Auf diese wird im weiteren Verlauf immer wieder Bezug genommen. Sie s<strong>in</strong>d auch im Glossar<br />
aufgeführt.
Ziele: Unternehmen mit diversen, dynamischen und/oder unklaren Zielen<br />
benötigen mehr Informationen als Unternehmen mit e<strong>in</strong>fachen, stabilen und<br />
e<strong>in</strong>deutigen Zielen. Unternehmen, die beanspruchen, flexibel und <strong>in</strong>novativ<br />
zu se<strong>in</strong>, benötigen mehr externe Informationen,<br />
Organisationsstruktur und –prozesse: Unternehmen mit offenen,<br />
organischen und unbürokratischen Strukturen erzeugen Subsysteme, die<br />
mehr Informationsbeschaffungsaktivitäten ausserhalb gewohnter Rout<strong>in</strong>en<br />
generieren als Unternehmen mit geschlossenen, bürokratischen Strukturen.<br />
Unternehmensumfeld<br />
Vor allem durch die Forschung zur Produktentwicklung wird e<strong>in</strong>e weitere Sichtweise<br />
e<strong>in</strong>genommen, nach der Innovationen auch ihren Ursprung im engen Unternehmensumfeld<br />
haben können, also im Kontext bestehender Produkte, Kunden und<br />
Projekte. Innovationen entstehen demnach durch Wahrnehmungen dessen, was<br />
e<strong>in</strong>erseits neu für den Kunden bzw. den Markt und andererseits für das<br />
Unternehmen ist. Dieser Treiber dürfte jedoch e<strong>in</strong>e grössere Rolle bei <strong>in</strong>krementellen<br />
verglichen mit diskont<strong>in</strong>uierlichen Innovationen spielen.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich des Zusammenspiels <strong>von</strong> organisatorischem Kontext und Handlungen<br />
des Unternehmens im Fall <strong>von</strong> diskont<strong>in</strong>uierlichen Innovationen stellen<br />
Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs (1996, S. 1023f.) e<strong>in</strong>e starke Polarisierung der Perspektiven fest:<br />
Populationsökologen verne<strong>in</strong>en die Möglichkeit des aktiven radikalen<br />
organisatorischen Wandels. E<strong>in</strong>e determ<strong>in</strong>istische Sichtweise und e<strong>in</strong> Fokus auf<br />
Selektion prägen diese Ansätze. Die Natur besitzt Muster, wie diese<br />
Selektionsprozesse funktionieren. (Hannan/Freeman, 1989).<br />
Anhänger <strong>von</strong> Strategic Choice Theorien betonen h<strong>in</strong>gegen die Wichtigkeit<br />
strategischer Aktionen (Tichy, 1983; Tichy/Devanna 1986). Sie nehmen die Adaptions-<br />
Perspektive e<strong>in</strong>, nach der Unternehmen die Umwelt nach Opportunitäten und<br />
Bedrohungen analysieren, strategische Optionen formulieren und die Organisation<br />
an die verabschiedete Strategie anpassen. Gleichwohl gel<strong>in</strong>gt aus bestimmten, gleich<br />
darzustellenden Gründen die Anpassung oft nicht oder nur sehr langsam. E<strong>in</strong>ige<br />
15
Autoren gehen da<strong>von</strong> aus, dass der Informationsaustausch <strong>in</strong>nerhalb und zwischen<br />
Unternehmen den Innovationsprozess verlangsamt (Mowery/Rosenberg, 1998), weil<br />
es an der Involvierung und/oder am Verständnis des Top-Managements fehlt.<br />
2.1.3. Schwächen <strong>von</strong> Grossunternehmen<br />
Die Fähigkeit e<strong>in</strong>es Unternehmens, auf neue Märkte zu reagieren, wird allgeme<strong>in</strong> als<br />
abhängig <strong>von</strong> den erwähnten dynamic capabilities betrachtet. Mit ihrer Hilfe sollen<br />
Führungskräfte <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>terne und externe Kompetenzen zu <strong>in</strong>tegrieren,<br />
aufzubauen und zu rekonfigurieren (Teece, 1997, S. 156). Zwar existiert e<strong>in</strong>e Reihe<br />
<strong>von</strong> Forschungsbeiträgen zu diesem Thema. Viele wichtige Fragen werden jedoch<br />
nicht befriedigend beantwortet. Es bleibt meist unklar, wodurch dynamische<br />
Fähigkeiten genau gekennzeichnet s<strong>in</strong>d, wo sie konkret im Unternehmen zu<br />
lokalisieren s<strong>in</strong>d, wie sie entstehen und wie sie wirken (zur Kritik an dynamic<br />
capabilities Konzepten s. Eisenhardt/Mart<strong>in</strong>, 2000).<br />
Darüber, ob grosse, etablierte Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gegenüber Start-up-Unternehmen<br />
präferierten Position s<strong>in</strong>d, selbst Innovationen hervorzubr<strong>in</strong>gen, existiert e<strong>in</strong>e<br />
lange Debatte. Schumpeter argumentiert e<strong>in</strong>erseits (Schumpeter, 1934), dass kle<strong>in</strong>e,<br />
neue Unternehmen wahrsche<strong>in</strong>lich die Quelle der meisten Innovationen s<strong>in</strong>d.<br />
Andererseits verfügen etablierte Unternehmen über Monopolmacht und können die<br />
treibende Kraft h<strong>in</strong>ter dem technischen Fortschritt se<strong>in</strong>, da sie besseren Zugang zu<br />
Kapital und gut ausgebildetem Personal haben.<br />
Grosse, etablierte Unternehmen besitzen meist e<strong>in</strong>e funktionierende F&E-Abteilung<br />
und umfangreiche Erfahrungen mit der Markte<strong>in</strong>führung <strong>von</strong> Innovationen. Sie s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong> der günstigen Lage, Vorteile aus economies of scale and scope4 zu realisieren<br />
(Chandler, 1990; Mowery, 1989; Freeman, 1982). Damit besitzen sie gegenüber neuen<br />
Anbietern entscheidende Vorteile bei <strong>in</strong>krementellen Innovationen, da diese <strong>in</strong><br />
4 Als economies of scale (dt.: positive Skalenerträge) werden Kostenvorteile bezeichnet, die sich durch<br />
die Massenproduktion grosser Serien ergeben. Die Stückkosten bei der Herstellung e<strong>in</strong>es Produkts<br />
s<strong>in</strong>ken mit steigendem Produktionsumfang. Economies of Scope (dt.: Verbundvorteile) h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d<br />
Kostenvorteile, die sich durch <strong>in</strong>terne Flexibilisierung ergeben. Es kann billiger se<strong>in</strong>, verschiedene<br />
Produkte mit den gleichen Ressourcen wie z. B. e<strong>in</strong>er Produktionsanlage oder den gleichen<br />
Arbeitskräften herzustellen, als mit unterschiedlichen Ressourcen (Baumann, 2005).<br />
16
starkem Masse auf bisherigem Wissen basieren. Durch die bestehenden Rout<strong>in</strong>en<br />
und e<strong>in</strong>gespielte Prozesse ist das etablierte Unternehmen <strong>in</strong> der Lage, die benötigten<br />
Informationen zu ger<strong>in</strong>gen Such- und Aufbereitungskosten zu verarbeiten<br />
(Cyert/March, 1963; Nelson/W<strong>in</strong>ter, 1982).<br />
Wenn aber - wie im Fall <strong>von</strong> radikalen Innovationen - andere Informationen benötigt<br />
werden, s<strong>in</strong>d die etablierten Informationsfilter und Rout<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>nlos, weil sie auf<br />
geübter Erfahrung und nicht auf Aneignung <strong>von</strong> neuem Wissen basieren (Teece/<br />
Pisano/Shuen, 1997, S. 528). So kommt es, dass sich Grossunternehmen zwar über die<br />
Zeit umfangreiche Fähigkeiten zur operativen Exzellenz aufgebaut haben, üblicherweise<br />
aber ke<strong>in</strong>e radikalen Innovatoren s<strong>in</strong>d (Str<strong>in</strong>ger, 2000; Sharma/Chrisman, 1999;<br />
Christensen, 1997). Sie entwickeln zwar Rout<strong>in</strong>en, die sie immer effizienter machen.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs verengen diese Rout<strong>in</strong>en den Blickw<strong>in</strong>kel und können zu Starrheit führen<br />
(Nelson/W<strong>in</strong>ter, 1982). Damit kann übermässige Erfahrung mit e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
Technologie auch zu e<strong>in</strong>em entscheidenden Nachteil werden (so Hedberg, 1981;<br />
Hannan/Freeman, 1984; Tushman/Anderson, 1986). Es bestehen hohe Blockaden,<br />
vorhandene, im Unternehmen geteilte Standards <strong>in</strong> Frage zu stellen<br />
(Hannan/Freeman, 1977). Nach Arrow (1974) benutzen etablierte Unternehmen ihr<br />
altes Informationserzeugungs<strong>in</strong>strumentarium weiter, weil die Kosten, e<strong>in</strong>e neue<br />
Wissensbasis zu entwickeln als grösser empfunden werden als die Nachteile der<br />
Weiterbenutzung des alten. Hannan/Freeman (1984, S. 152) begründen die Tatsache,<br />
dass etablierte Unternehmen weiterh<strong>in</strong> stark auf gewohnte Rout<strong>in</strong>en setzen, damit,<br />
dass organisatorischer Wandel schwer zu erreichen und riskant ist sowie hohe<br />
Opportunitätskosten be<strong>in</strong>haltet. Radikale Innovationen werden als Bedrohung des<br />
Status quo gesehen. Sie würden die bestehende Organisation destabilisieren und<br />
werden daher ausgeblendet. Informationen werden selektiv wahrgenommen und so<br />
gefiltert, dass sie <strong>in</strong> das eigene „Weltbild“ passen.<br />
Grössere strukturelle Änderungen würden nicht nur das ursprüngliche Gleichgewicht<br />
des Unternehmens, sondern auch die erreichte (stabile) Machtverteilung<br />
stören. Damit wird der Blickw<strong>in</strong>kel jetzt vom Unternehmen auf se<strong>in</strong>e Entscheidungsträger<br />
verlagert. Wenn die Ressourcen begrenzt s<strong>in</strong>d, dann würde e<strong>in</strong>e neue<br />
Allokation der vorhandenen Ressourcen bestimmte Bereiche zu Gew<strong>in</strong>nern und<br />
andere zu Verlierern machen. Da alle Führungskräfte potenziell verlieren könnten,<br />
sträuben sie sich gegen den Mittelabzug. Diese kurzfristigen, negativen Effekte und<br />
17
Kosten bewerten Entscheidungsträger höher als die langfristigen, positiven Aspekte<br />
der Mittelumverteilung (Hannan/Freeman, 1977). Die Kultur der meisten Unternehmen<br />
fördert die Wiederherstellung e<strong>in</strong>es stabilen Zustandes und erschwert damit<br />
radikale Innovationen. Viele Rout<strong>in</strong>en gelten als <strong>in</strong>stitutionalisiert und besitzen<br />
normative Kraft. Normative Vere<strong>in</strong>barungen beh<strong>in</strong>dern die Anpassung <strong>in</strong> zweierlei<br />
H<strong>in</strong>sicht: Sie dienen als Rechtfertigung, Legitimation und Organisationspr<strong>in</strong>zip für<br />
diejenigen, die sich der Anpassung widersetzen (Hannan/Freeman, 1977). Und sie<br />
beh<strong>in</strong>dern die sorgfältige Abwägung <strong>von</strong> alternativen Handlungsmöglichkeiten.<br />
Aber selbst wenn radikale Innovationen ernsthaft analysiert werden würden,<br />
würden sie durch das traditionelle, eher kurzfristig orientierte Bewertungsraster<br />
fallen und schliesslich meist weniger attraktiv bewertet werden als Investitionen <strong>in</strong><br />
das Stammgeschäft5 (Argyris/Schön, 1978; Weick, 1979; Hedberg, 1981). Bestätigt<br />
wird diese Haltung durch Dewar/Dutton (1986) und Tushman/Anderson (1986).<br />
Aus e<strong>in</strong>er detaillierten Literaturanalyse lassen sich weitere Gründe ableiten, warum<br />
es etablierten Unternehmen schwer fällt, <strong>in</strong>novativ zu se<strong>in</strong>:<br />
18<br />
Wirtschaftliche Nachteile sowie Angst vor Kannibalisierung des bestehenden<br />
Geschäftes (Chandy/Tellis, 1998): E<strong>in</strong>e Verstärkung der eben allgeme<strong>in</strong> dargestellten<br />
Verhaltensweisen etablierter Unternehmen ist dann zu erwarten,<br />
wenn das Unternehmen erhebliche Ressourcen <strong>in</strong> bestehende Produkte und<br />
Technologien <strong>in</strong>vestiert hat. Es ist weder <strong>in</strong> der Lage, schnell genug Ressourcen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Technologie zu lenken noch offen dafür, sich mit neuen, möglicherweise<br />
die alte Lösung substituierenden Technologien zu beschäftigen.<br />
Je grösser der Marktanteil des Unternehmens ist, desto mehr glauben die<br />
Unternehmen durch die Entwertung der getätigten Investitionen verlieren zu<br />
können. Führungskräfte verschliessen sich aus wirtschaftlichen oder psychologischen<br />
Gründen davor, Offenheit gegenüber e<strong>in</strong>er Innovation zu zeigen.<br />
Ausserdem macht die Erfahrung mit bestehenden Märkten und Kunden bl<strong>in</strong>d<br />
für Opportunitäten aus gänzlich neuen Innovationen. E<strong>in</strong>e ausführliche<br />
Diskussion des Kannibalisierungsargumentes erfolgt <strong>in</strong> Kapitel 6.3.3.5..<br />
5<br />
Dieser Gedanken wird <strong>in</strong> Kapitel 4.3.2. aufgegriffen und im Kontext des traditionellen Ressourcen-<br />
Allokationsmechanismus näher erläutert.
Sche<strong>in</strong>sicherheit durch eigene F&E-Abteilung: Entscheidungsträger<br />
versuchen, Unsicherheiten <strong>in</strong> der Technologieentwicklung dadurch zu<br />
beherrschen, dass sie die eigenen F&E-Budgets erhöhen. Allerd<strong>in</strong>gs besitzen<br />
die meisten F&E-Abteilungen e<strong>in</strong>e zu hohe Innenausrichtung und e<strong>in</strong>en zu<br />
starken Fokus auf <strong>in</strong>krementelle Verbesserungen (so z.B. Helfat, 1994). Die<br />
F&E-Produktivität <strong>von</strong> etablierten Unternehmen ist ger<strong>in</strong>ger als jene <strong>von</strong><br />
neuen Anbietern (so Abernathy, 1978; Burns/Stalker, 1961; Clark/Fujimoto,<br />
1992). Die Existenz e<strong>in</strong>er eigenen F&E-Abteilung sche<strong>in</strong>t also radikale<br />
Innovationen zu erschweren.<br />
Externer Druck: Möglicherweise bestehen juristische oder politische<br />
Barrieren, etwa e<strong>in</strong>geräumte Monopolpositionen, politischer Druck oder<br />
Subventionen, die dazu führen, dass bestimmte Aktivitäten nicht aufgegeben<br />
werden und Offenheit für Innovationen gezeigt wird. Oder es wird die Gefahr<br />
des Verlusts <strong>von</strong> Legitimität - <strong>in</strong>sbesondere im Fall <strong>von</strong> radikalen<br />
Innovationen - gesehen, falls durch e<strong>in</strong>e strategische Aktion bestehende,<br />
allgeme<strong>in</strong> akzeptierte Normen verletzt werden würden (Hannan/Freeman,<br />
1977).<br />
Denkweise und Mentalität <strong>von</strong> Mitarbeitern und Entscheidungsträgern <strong>in</strong><br />
Grossunternehmen: Konzerne haben Schwierigkeiten, visionär bzw. radikal<br />
denkende Mitarbeiter mit klarer Ergebnisorientierung und hoher<br />
Eigenverantwortlichkeit zu gew<strong>in</strong>nen bzw. zu halten. Studien (Str<strong>in</strong>ger, 2000,<br />
S. 74; McClelland, 1986) haben gezeigt, dass folgendes Motivationsprofil <strong>in</strong><br />
Grossunternehmen besonders erfolgreich ist:<br />
o Streben nach Macht, nicht nach Ergebnissen,<br />
o soziale Fähigkeiten (<strong>in</strong>kl. Fähigkeiten, andere zu überzeugen),<br />
o Geduld, mit anderen Mitarbeitern über organisatorische Grenzen<br />
h<strong>in</strong>weg zu arbeiten,<br />
o Meistern <strong>von</strong> politischen Aspekten im organisatorischen Alltag.<br />
Dieses Profil erschwert die aktive Ause<strong>in</strong>andersetzung mit radikalen<br />
Innovationen und ist mit dem des typischen Entrepreneurs schwer vere<strong>in</strong>bar.<br />
19
Zusammenfassend haben etablierte Unternehmen organisatorische Beschränkungen,<br />
Innovationen <strong>in</strong>tern zu generieren (Henderson, 1993) bzw. grundlegende, radikale<br />
Innovationen zu <strong>in</strong>itiieren (Tushman/Anderson, 1986; Henderson, 1993). Innovationen<br />
erfordern die Integration <strong>von</strong> verschiedenen Wissensbasen (Arrow, 1974).<br />
Wenn es nicht gel<strong>in</strong>gt, <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Organisation Wissen auszutauschen und<br />
neues zu erwerben, haben Grossunternehmen bereits Schwierigkeiten, die für Innovationen<br />
erforderliche Informationsbasis zu schaffen. Etablierte Unternehmen<br />
erkennen radikale Innovationen nicht oder sehr spät bzw. nutzen zu lange die alten<br />
Rout<strong>in</strong>en und Heuristiken. In verschiedenen Branchen taten sich grosse, erfahrene<br />
Unternehmen schwer, effektiv auf neue Technologien zu reagieren und das sich bietende<br />
Potenzial zu nutzen: So besass zum Beispiel GE grosse Erfahrung auf dem<br />
Gebiet der Vakuum-Röhren und ist dennoch ke<strong>in</strong> Schlüsselanbieter im Halbleitergeschäft<br />
geworden. IBM und DEC hatten trotz grosser Erfahrung im<br />
Grossrechnergeschäft erhebliche Schwierigkeiten, das Workstations (PC-) Geschäft<br />
zu verstehen (Braun, 1978).<br />
Neue Unternehmen h<strong>in</strong>gegen können die gesamte Organisation an e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen<br />
Innovation ausrichten. Sie haben ke<strong>in</strong>e „Altlasten“ <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> emotionalen<br />
Blockaden oder <strong>in</strong> der Vergangenheit getätigten Investitionen. Sie s<strong>in</strong>d weniger<br />
bürokratisch und komplex, flexibler und marktnäher. Dies s<strong>in</strong>d fördernde Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für radikale Innovationen. Zudem weisen Start-up-Unternehmen e<strong>in</strong>e<br />
hohe Konzentration <strong>von</strong> Erf<strong>in</strong>dern mit ganz besonderen Charakterzügen und<br />
Motivlagen auf, die die Entstehung und erfolgreiche Vermarktung <strong>von</strong> radikalen<br />
Innovationen begünstigen. Sie s<strong>in</strong>d hoch leistungsorientiert und üblicherweise bereit,<br />
hohe Herausforderungen anzunehmen und Risiken e<strong>in</strong>zugehen, oft getrieben <strong>von</strong><br />
dem Willen, e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigartigen Beitrag für die Welt zu leisten. Sie kämpfen dabei<br />
ständig gegen die eigenen <strong>in</strong>ternen Standards an Exzellenz, suchen direktes<br />
Feedback und Möglichkeiten zu lernen. H<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d sie zumeist schlechte<br />
Teamplayer und gelten oft als eigenwillig und stur (Str<strong>in</strong>ger, 2000, S. 75).<br />
Die hier begonnene und bereits sehr <strong>in</strong>tensive Diskussion <strong>von</strong> Schwierigkeiten<br />
etablierter Unternehmen, <strong>in</strong>novativ zu se<strong>in</strong>, wird <strong>in</strong> Kapitel 4.3. weitergeführt. Die<br />
dargestellten Zusammenhänge sollen im nächsten Kapitel helfen, das Verständnis<br />
<strong>von</strong> CVC unter unternehmensstrategischen Aspekten zu verbessern.<br />
20
2.2. (<strong>Corporate</strong>) <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong><br />
<strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> ist e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzierungsform, bei der professionelle Investoren<br />
Eigenkapital im Wege e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>derheitsbeteiligung (oft 10-25%) <strong>in</strong> junge<br />
Unternehmen <strong>in</strong>vestieren und durch erhoffte Kapitalgew<strong>in</strong>ne bei der Veräusserung<br />
ihrer Beteiligung entlohnt werden (Write/Robbie, 1998). Diese wird nach drei bis fünf<br />
Jahren angestrebt. Über umfangreiche Informations- und Kontrollrechte (z.B. Sitze <strong>in</strong><br />
Aufsichtsorganen) beteiligen sich die Investoren aktiv am Aufbau des Unternehmens<br />
und an der Markte<strong>in</strong>führung se<strong>in</strong>er Produkte bzw. Dienstleistungen.<br />
Im Falle <strong>von</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> ist e<strong>in</strong> etabliertes (Gross-) Unternehmen nicht<br />
nur Kapitalgeber. Durch die Zusammenarbeit e<strong>in</strong>es Start-up-Unternehmens mit<br />
e<strong>in</strong>em Grossunternehmen sollen neben f<strong>in</strong>anziellen meist auch strategische Ziele verfolgt<br />
werden. CVC zielt darauf ab, den eben erörterten Schwächen <strong>von</strong> Grossunternehmen<br />
im Innovationsprozess entgegen zu wirken und basiert – anknüpfend an die<br />
vorangegangen Ausführungen – auf der zentralen Prämisse, dass das Wissen, um<br />
Innovationen zu generieren, wahrsche<strong>in</strong>lich ausserhalb der Unternehmensgrenzen<br />
liegt (Arrow, 1974; Cohen/Lev<strong>in</strong>thal, 1990; Henderson/Cockburn, 1994; Teece/Pisano/<br />
Shuen, 1997; Shane, 2001). Start-up-Unternehmen können e<strong>in</strong>e wertvolle Quelle<br />
solchen Wissens se<strong>in</strong> (Aghion/Tirole, 1994; Kortum/Lerner, 2000; Z<strong>in</strong>gales, 2000;<br />
Shane, 2001; Str<strong>in</strong>ger, 2000). Die grössten Talente und besten Wissenschaftler werden<br />
sich e<strong>in</strong>es Tages entscheiden, e<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>nbeteiligung anzustreben anstatt weiterh<strong>in</strong><br />
– zu e<strong>in</strong>em mehr oder weniger fixen Gehalt - <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er F&E-Abteilung angestellt zu<br />
bleiben, wenn sie e<strong>in</strong>e hochlukrative Geschäftsidee haben (Anton/Yao, 1995). Wenn<br />
der Wert der Selbständigkeit grösser ist als die Opportunitätskosten (<strong>in</strong> Form des<br />
verlorenen Fixgehaltes sowie der Arbeitsplatzsicherheit), dann wird e<strong>in</strong> neues Startup<br />
Unternehmen entstehen (Amit/Muller/Cockburn, 1995, Aghion/Tirole, 1994;<br />
Dix/Gandelman, 2000). Hierdurch könnte auch erklärt werden, dass Entrepreneure<br />
mehr Patente produzieren als etablierte Firmen (Kortum/Lerner, 2000).<br />
Mit Hilfe <strong>von</strong> <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> erreicht e<strong>in</strong> etabliertes Unternehmen<br />
Zugang zu dem Know-how <strong>von</strong> jungen <strong>Venture</strong> Unternehmen und kann dadurch<br />
die eigene Innovationsaktivität steigern (Chesbrough, 2003; Gans/Stern, 2003; Poser,<br />
21
2003; Roberts/Berry, 1985). Tab. 1 zeigt, dass beide Partner durch e<strong>in</strong>e<br />
Zusammenarbeit wichtige strategische Ziele erreichen können.<br />
Tab. 1: Strategische Vorteile <strong>von</strong> CVC für Gross- und Start-up-Unternehmen<br />
22<br />
Grossunternehmen Start-up-Unternehmen<br />
W<strong>in</strong>dow on technology: Systematisches<br />
Durchleuchten des Umfeldes nach neuen Technologien,<br />
die die bestehende ergänzen oder<br />
bedrohen können, sowie nach potentiellen<br />
Wettbewerbern oder Kooperationspartnern<br />
Diversifikation des Unternehmens <strong>in</strong> neue<br />
Geschäftsfelder, Erwerb <strong>von</strong> Geschäftsoptionen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er frühen Phase zu e<strong>in</strong>em günstigen Preis<br />
„Cross sell<strong>in</strong>g“: Nutzung <strong>von</strong> Synergien zum<br />
bestehenden Geschäft (z.B. Vermittlung<br />
zusätzlicher Produkte/Dienstleistungen)<br />
Beschleunigter Geschäftserneuerungsprozess:<br />
Verbesserung der Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zur<br />
Stärkung der Innovationskraft und zur<br />
Netzwerkbildung<br />
Förderung <strong>von</strong> Mitarbeitern und Entrepreneurship;<br />
Gew<strong>in</strong>nung, Entwicklung, Erhalt<br />
talentierter Mitarbeiter<br />
Positiver Imageeffekt<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Mehrwert durch E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen <strong>von</strong><br />
technischer/technologischer Fachexpertise<br />
und Markt-Know-how: Wertvolle<br />
Hilfestellung / Coach<strong>in</strong>gfunktion bei der<br />
Umsetzung des Bus<strong>in</strong>essplanes<br />
Mehrwert durch E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen konkreter<br />
Assets: Prüf-/Teststände, Labors, Lieferantenkontakte,<br />
Kundenkontakte<br />
Gütesiegelfunktion: Legitimität durch<br />
Kooperation mit e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen<br />
Schliessung <strong>von</strong> Kompetenzlücken im<br />
Managementteam (bessere Akquisition <strong>von</strong><br />
Mitarbeitern)<br />
Die Ziele des etablierten Unternehmens sollen über e<strong>in</strong>e neu zu schaffende CVC-<br />
E<strong>in</strong>heit erreicht werden, die üblicherweise als Tochterunternehmen e<strong>in</strong>es etablierten<br />
Grossunternehmens geführt wird. Dieses tätigt aus ihm zugewiesenen Fondsmitteln<br />
der Muttergesellschaft die Investitionen <strong>in</strong> junge Technologieunternehmen. Die<br />
CVC-Gesellschaft operiert an der Schnittstelle des Grossunternehmens zu se<strong>in</strong>er<br />
externen Umwelt, ist das technologisch-strategische Fenster des Konzerns nach<br />
aussen und übernimmt für ihn die beschriebenen boundary spann<strong>in</strong>g Funktionen.<br />
Sie kann dort e<strong>in</strong>en guten Überblick über technologische Trends und daraus resultierende<br />
neue Geschäftsansätze erhalten. Leifer/O`Connor/Rice (2001) betonen die Bedeutung<br />
<strong>von</strong> Drehkreuzen („hubs“) bei der Implementierung <strong>von</strong> radikalen Innovationen<br />
<strong>in</strong> reifen Unternehmen. Die CVC-E<strong>in</strong>heit fungiert als e<strong>in</strong> solcher Knoten-
punkt für gute Ideen sowie als Netzwerk für kumulatives Lernen, wie mit radikalen<br />
Innovationen umgegangen werden kann. Sie bietet auch die Chance, über erste CVC-<br />
Investitionen strategische Optionen zu erwerben. Start-up-Unternehmen erhoffen<br />
sich durch die Zusammenarbeit mit e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen e<strong>in</strong>e verbesserte<br />
Ausgangsposition für die erfolgreiche Vermarktung ihrer Innovation und e<strong>in</strong><br />
verr<strong>in</strong>gertes Risiko <strong>von</strong> Fehle<strong>in</strong>schätzungen. Ferner streben sie sich durch die<br />
Nutzung <strong>von</strong> Konzernressourcen e<strong>in</strong>e bessere und schnellere Markte<strong>in</strong>führung an.<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass e<strong>in</strong> CVC-Investment weit über e<strong>in</strong><br />
f<strong>in</strong>anzielles Engagement h<strong>in</strong>ausgeht. Zwar variiert bei den <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong><br />
Programmen etablierter Grossunternehmen die Gewichtung <strong>von</strong> strategischen und<br />
f<strong>in</strong>anziellen Zielsetzungen. Unstrittig ist jedoch, dass sowohl auf Seiten des Start-up-<br />
Unternehmens wie beim Grossunternehmen durch e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit e<strong>in</strong>e Reihe<br />
<strong>von</strong> strategischen Zielen verfolgt werden sollen. Da die beiden Partner im<br />
Zusammenhang mit der Vermarktung e<strong>in</strong>er Innovation über komplementäre Stärken<br />
und Schwächen verfügen, sollten sich über e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit umfangreiche<br />
Synergien realisieren lassen. Schween hat diese <strong>in</strong> anschaulicher Form<br />
zusammengestellt (Tab. 2).<br />
Tab. 2: Komplementäre Stärken und Schwächen <strong>von</strong> Gross-/Start-up-Unternehmen<br />
Grossunternehmen Start-up-Unternehmen<br />
Stärken Schwächen<br />
o Hohe Ressourcenverfügbarkeit (f<strong>in</strong>anziell,<br />
materiell, personell)<br />
o Grössenbed<strong>in</strong>gte Kostenvorteile<br />
o Erfahrungsvorsprung<br />
o Etablierte Marktposition<br />
Schwächen Stärken<br />
o Mangelnde Motivation und Kreativität durch<br />
starre Organisationsstrukturen<br />
o Inflexibilität<br />
o Verh<strong>in</strong>derung <strong>von</strong> Innovationen durch<br />
Manager etablierter Produktbereiche<br />
o Steuerungs- und Effizienzprobleme im F&E-<br />
Prozess<br />
o Meist später Markte<strong>in</strong>stieg<br />
Quelle: Schween (1996)<br />
o Ressourcenknappheit (f<strong>in</strong>anziell,<br />
materiell, personell)<br />
o Kostennachteile durch kle<strong>in</strong>e Stückzahlen<br />
o Wenig Erfahrung<br />
o Unbekanntheit am Markt<br />
o Hohes Mass and Motivation und<br />
Kreativität<br />
o Hohe Flexibilität<br />
o Gründungsunternehmer als starker<br />
Promotor <strong>von</strong> Innovationen<br />
o Schnelle und kostengünstige F&E-<br />
Aktivitäten<br />
o Früher Markte<strong>in</strong>stieg<br />
23
2.3. Innovation und CVC: Erste Herausforderungen<br />
Der Bezug zwischen CVC und dem Thema Innovation ist offensichtlich. Weniger<br />
offensichtlich und <strong>in</strong> der CVC-Forschung noch nicht thematisiert ist h<strong>in</strong>gegen der<br />
mehrfache Innovationscharakter <strong>von</strong> CVC:<br />
24<br />
o Die Tatsache der Gründung e<strong>in</strong>es neuen Tochterunternehmens stellt e<strong>in</strong>e<br />
Innovation für den Konzern dar. Die neue CVC-E<strong>in</strong>heit teilt das Schicksal<br />
aller Start-up-Unternehmen: Sie ist neu, sowohl am Markt wie im<br />
Konzernkontext und hat dort noch ke<strong>in</strong>e Legitimation erworben,<br />
o das Geschäftsmodell der CVC-E<strong>in</strong>heit stellt für e<strong>in</strong> etabliertes Unternehmen<br />
e<strong>in</strong>e Innovation dar. Engagements im Private Equity Markt s<strong>in</strong>d für den<br />
Konzern neu. Es unterscheidet sich <strong>von</strong> den üblichen Geschäften des<br />
Konzerns auch h<strong>in</strong>sichtlich der Risikostruktur,<br />
o die Geschäfts<strong>in</strong>halte <strong>von</strong> CVC haben für das etablierte Unternehmen trotz<br />
der thematischen Nähe zum Kerngeschäft hoch<strong>in</strong>novativen Charakter. Indem<br />
der Geschäftsauftrag der CVC-E<strong>in</strong>heit dar<strong>in</strong> besteht, im externen Umfeld des<br />
Unternehmens Innovationen mit Relevanz für den Konzern zu identifizieren,<br />
wird sie zum Pionier im Unternehmen, was die Beschäftigung mit<br />
Innovationen, <strong>in</strong>sbesondere diskont<strong>in</strong>uierlicher Art, angeht.<br />
Der dreifache Innovationscharakter wirkt komplexitätserhöhend; zunächst bei der<br />
Beantwortung der Forschungsfrage. Bei der Ableitung <strong>von</strong> Kausalitäten und<br />
Schlussfolgerungen kann es bedeutungsvoll se<strong>in</strong>, h<strong>in</strong>sichtlich der Art der jeweils<br />
thematisierten Innovation (neues Unternehmen, neues Geschäftsmodell, neue<br />
Geschäfts<strong>in</strong>halte) zu differenzieren. Dort wo diese Unterscheidung wichtig ist, wird<br />
dies fortan ausdrücklich erwähnt.<br />
Die erfolgreiche Verankerung <strong>von</strong> CVC be<strong>in</strong>haltet letztlich die Akzeptanz <strong>von</strong> drei<br />
unterschiedlichen, aber stark mite<strong>in</strong>ander vernetzten Innovationstypen. Es existieren<br />
<strong>in</strong>sofern starke Wechselwirkungen, <strong>in</strong>dem z.B. die neue CVC-E<strong>in</strong>heit als<br />
Unternehmen erst dann Legitimation erfahren wird, wenn auch die Relevanz der<br />
Geschäfts<strong>in</strong>halte akzeptiert wird. Das gleiche gilt für das Geschäftsmodell CVC. Um
als CVC-E<strong>in</strong>heit erfolgreich zu se<strong>in</strong>, müssen alle Innovationstypen als s<strong>in</strong>nvoll,<br />
wichtig und für das Grossunternehmen relevant erachtet werden.<br />
E<strong>in</strong>e für die Verankerung <strong>von</strong> CVC besonders wichtige Rolle nehmen die<br />
Geschäfts<strong>in</strong>halte e<strong>in</strong>. Sie s<strong>in</strong>d auch die Informationsgrundlagen für die soeben<br />
dargestellten, mit CVC erzielbaren strategischen Effekte. Vor allem durch neues,<br />
extern akquiriertes Wissen soll die neue CVC-E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong>novative Aktivitäten des<br />
Mutterunternehmens fördern. Die Analyse zu Schwächen im Innovationsprozess<br />
<strong>von</strong> Grossunternehmen im vorangegangen Kapitel hat <strong>in</strong>des gezeigt, dass das<br />
eigentliche Problem grosser Unternehmen weniger <strong>in</strong> der Verfügbarkeit neuer<br />
Informationen zu liegen sche<strong>in</strong>t, sondern <strong>in</strong> deren Interpretation. Also nicht die<br />
Inhalte s<strong>in</strong>d die eigentliche Herausforderung, sondern die Art und Weise, wie diese<br />
Inhalte wahrgenommen werden. Es besteht <strong>in</strong>sofern zwischen dem Problem des<br />
Unternehmens und dem Lösungsansatz <strong>von</strong> CVC noch e<strong>in</strong>e Lücke, <strong>in</strong>dem der<br />
Transformationsriemen fehlt oder noch nicht def<strong>in</strong>iert ist, wie das neue Wissen vom<br />
Unternehmen an das bestehende „angedockt“ werden kann. Offenbar ist für das<br />
Funktionieren der Innovation CVC noch e<strong>in</strong>e weitere Innovation <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />
unterstützenden Prozess<strong>in</strong>novation nötig. Auch die Auswertung der Literatur zu<br />
dynamic capabilities hat gezeigt, dass dieser Informationsvermittlungs- und<br />
verarbeitungsprozess noch nicht gut def<strong>in</strong>iert respektive verstanden ist. Hier bahnt<br />
sich also e<strong>in</strong>e grosse Herausforderung für CVC an. Erst wenn CVC e<strong>in</strong>en echten<br />
Lösungsbeitrag für das Innovationsproblem etablierter Unternehmen bietet (und<br />
nicht nur die „Rohdaten“ liefert) bzw. sich hiermit direkt neue<br />
Geschäftsmöglichkeiten erschliessen lassen (wie im Fall der <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong><br />
<strong>Capital</strong> Aktivitäten <strong>von</strong> Intel Corp.), kann auch die E<strong>in</strong>heit selbst Akzeptanz<br />
erfahren; und zwar h<strong>in</strong>sichtlich aller drei Innovationstypen.<br />
25
3. Bestandsaufnahme: CVC <strong>in</strong> der wissenschaftlichen<br />
Diskussion<br />
Die wissenschaftlichen Publikationen zum Thema CVC werden nun analysiert, um<br />
Schwerpunkte und Lücken <strong>in</strong> der Forschung zu identifizieren, aber auch um die<br />
Nutzbarkeit der Erkenntnisse und Theorieansätze für die gewählte Forschungsfrage<br />
zu prüfen. Im Ergebnis erweist sich die engere CVC-Literatur zwar als sehr<br />
umfangreich. Die Beiträge konzentrieren sich aber auf wenige und hier nur begrenzt<br />
relevante Themengebiete. Auch die Art der Analyse unterscheidet sich <strong>von</strong> der hier<br />
praktizierten Vorgehensweise stark (1.36 ). Aus diesem Grund wurde auch e<strong>in</strong>e<br />
Literaturrecherche <strong>in</strong> benachbarten Forschungsdiszipl<strong>in</strong>en durchgeführt. Es hat sich<br />
gezeigt, dass e<strong>in</strong>ige Ansätze zum (<strong>in</strong>ternen) Ventur<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e hohe Relevanz für die<br />
vorliegende Fragestellung aufweisen.<br />
3.1. Stand der Forschung zu CVC<br />
E<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme zum Status quo der Forschung startet bei jenen<br />
Forschungsbeiträgen, die sich direkt mit dem Thema CVC befassen. In Anlehnung an<br />
die Systematisierung <strong>von</strong> Skau (2004) erfolgt e<strong>in</strong>e Klassifizierung nach zwei<br />
Kriterien, abgeleitet aus den eben dargestellten Forschungsfragen dieser Arbeit.<br />
Zunächst werden gemäss dem CVC-Lebenszyklus diejenigen Forschungsansätze<br />
unterschieden, die stärker die Aufbau- oder (frühe) Betriebsphase betreffen, um<br />
daraus erste Erklärungsansätze zur Frage zu erhalten, wann und wie e<strong>in</strong> CVC-<br />
Projekt unternehmens<strong>in</strong>tern gestartet wird (F1). In e<strong>in</strong>em zweiten Schritt werden<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Betriebsphase vor allen D<strong>in</strong>gen die Beiträge vertieft analysiert, die sich<br />
mit der Erforschung der Beziehung zwischen CVC-E<strong>in</strong>heit und dem Mutterkonzern<br />
befassen, um hierdurch Erkenntnisse zu gew<strong>in</strong>nen, was die erfolgreiche<br />
Verankerung <strong>von</strong> CVC im Grossunternehmen begünstigt bzw. – wie im hier<br />
vorliegenden Fall – erschwert (F2) und wie künftig solche Programme erfolgreicher<br />
umgesetzt werden können (F3).<br />
6<br />
Verweise auf andere Kapitel werden fortan mit dem Dreieckssymbol gekennzeichnet, um den<br />
Textfluss so wenig wie möglich zu stören.<br />
26
Die wesentlichen Theoriestränge werden nun sehr konzentriert vorgestellt.<br />
Detaillierungen erfolgen nur dann, wenn e<strong>in</strong> massgeblicher Bezug zu den eigenen<br />
Forschungsfragen hergestellt werden kann.<br />
Vor allem für die Aufbauphase relevante CVC-Literatur<br />
E<strong>in</strong>en weiten Raum nehmen Analysen zu übergeordneten Motiven für die Errichtung<br />
e<strong>in</strong>er CVC-E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong> (etwa Henderson, 1993; Gompers 2002). Im Mittelpunkt<br />
steht oft die Frage, <strong>in</strong>wiefern f<strong>in</strong>anzielle Ziele verfolgt werden sollen oder müssen (so<br />
etwa R<strong>in</strong>d, 1981; Hardymon/DeN<strong>in</strong>o/Salter, 1983; Siegel/Siegel/MacMillan, 1988),<br />
welchen Stellenwert strategische Ziele bei CVC-Programmen besitzen (Gompers/<br />
Lerner, 1998; Chesbrough, 2002) und welche Konflikte und Komplementaritäten<br />
zwischen Zielen bestehen (Chesbrough, 2002). Chesbrough zeigt, dass CVC-<br />
Programme stärker strategisch motiviert se<strong>in</strong> müssen, um e<strong>in</strong>e stabile Verankerung<br />
im Unternehmen zu erreichen. E<strong>in</strong> re<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anziell orientierter Ansatz wäre gegenüber<br />
den Aktionären des etablierten Unternehmens kaum zu rechtfertigen. Diese sollten<br />
die Möglichkeit haben, eigenständig über Investitionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e alternative<br />
Anlageklasse, nämlich Private Equity 7 oder <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> entscheiden zu können.<br />
Andere Forschungsansätze beschäftigen sich e<strong>in</strong>gehend mit potenziellen strategischen<br />
Wertbeiträgen und deren Erzielbarkeit durch die CVC-E<strong>in</strong>heit. In aggregierter<br />
Form werden sie <strong>von</strong> W<strong>in</strong>ters/Murf<strong>in</strong> (1988) erwähnt. E<strong>in</strong>zelaspekte wie die<br />
Möglichkeit zur Technologiebeobachtung und zur Diversifikation werden etwa <strong>von</strong><br />
Kle<strong>in</strong> (1987, S. 25) oder Hardymon et al. (2001), dargestellt. Roberts/Berry (1985)<br />
beleuchten den Aspekt <strong>von</strong> CVC als Lernplattform stärker.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Forschungsschwerpunkt bildet die Beziehung zwischen CVC und F&E-<br />
Abteilung des etablierten Unternehmens (Chesbrough/Tucci, 2004). Im Mittelpunkt<br />
steht die Frage, ob und ggf. <strong>in</strong> welchen Fällen CVC und F&E Substitute oder Komplementäre<br />
(Cohen/Lev<strong>in</strong>thal, 1990; Afuah/Tucci, 2001; Chesbrough/Rosenbloom,<br />
7 Mit Private Equity werden Investitionen <strong>in</strong> Unternehmen verstanden, die nicht börsennotiert s<strong>in</strong>d.<br />
<strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Investitionen stellen e<strong>in</strong>e Unterkategorie <strong>von</strong> Privat Equity dar. E<strong>in</strong>e weitere<br />
Unterkategorie stellen Anteile an reiferen, <strong>in</strong> Privatbesitz bef<strong>in</strong>dlichen Unternehmen dar.<br />
27
1999) darstellen, um daraus e<strong>in</strong>e Normstrategie abzuleiten, <strong>in</strong> welchen Fällen CVC<br />
bzw. F&E den Erfolg versprechenderen Ansatz darstellt (Roberts/Berry, 1985;<br />
Dushnitsky, 2005; Gans/Hsu/Stern, 2002). Die jeweilige Empfehlung wird anhand der<br />
technologischen Nähe der Suchtechnologie zur bereits vorhandenen sowie der<br />
Fähigkeit, das generierte Wissen zu absorbieren (Cohen/Lev<strong>in</strong>thal, 1990), abgeleitet.<br />
Erörtert werden auch andere Alternativen zu CVC - wie etwa <strong>in</strong>ternes Ventur<strong>in</strong>g<br />
oder Investments <strong>in</strong> (Private Equity-) Fonds (W<strong>in</strong>ters/Murf<strong>in</strong>, 1988; R<strong>in</strong>d 1981; Str<strong>in</strong>ger<br />
2000) und deren Vor- und Nachteile, vor allem im Bezug auf den Ressourcenbedarf<br />
und die Erreichbarkeit <strong>von</strong> strategischen Zielen des Mutterunternehmens.<br />
Schliesslich werden aus Zeitreihenanalysen Erklärungen und – <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem Masse<br />
- Empfehlungen für e<strong>in</strong>e stabile Errichtung <strong>von</strong> CVC-Programmen abgeleitet (etwa<br />
W<strong>in</strong>ters/Murf<strong>in</strong>, 1988; Gompers 2002). Aufschwungphasen bei der Auflegung <strong>von</strong><br />
CVC-Programmen begründet Gompers durch Änderungen des regulatorischen<br />
Rahmens (etwa steuerliche Aspekte) sowie mit der allgeme<strong>in</strong>en Überbetonung<br />
(„Euphorie“) der Themen Internet/IT/Entrepreneurship, ohne jedoch näher auf die<br />
dah<strong>in</strong>ter liegenden Gründe für dieses Verhalten e<strong>in</strong>zugehen. Abschwungphasen<br />
werden durch e<strong>in</strong> zeitversetztes E<strong>in</strong>treten der CVC-Gesellschaften <strong>in</strong> den Private<br />
Equity Markt erklärt. Ausserdem seien mit der Zeit zu hohe Kapazitäten aufgebaut<br />
worden. Auch hier fehlen tiefere Begründungen. Die aus den Analysen abgeleiteten<br />
Empfehlungen für etablierte Grossunternehmen sowohl bei W<strong>in</strong>ters/Murf<strong>in</strong>, wie<br />
auch Gompers be<strong>in</strong>halten vor allem organisatorisch-strukturelle Aspekte und s<strong>in</strong>d<br />
breit und allgeme<strong>in</strong> gehalten. Faktoren, deren Ausprägung nicht immer sachrational<br />
erklärbar s<strong>in</strong>d - wie etwa Akzeptanz, Vertrauen, Mentalitätsunterschiede – werden zwar<br />
als limitierende Faktoren e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt.<br />
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass meist nur e<strong>in</strong>zelne Aspekte <strong>von</strong> CVC<br />
erörtert werden. Gegenstand der Betrachtung s<strong>in</strong>d meist Objekte. Nur <strong>in</strong><br />
Ausnahmefällen werden Beziehungen zwischen Objekten hergestellt, dann aber immer<br />
nur zwischen zwei Objekten; etwa wenn Komplementaritäten oder Zielkonflikte im<br />
Zusammenhang mit strategischen vs. f<strong>in</strong>anziellen Zielsetzungen oder die Beziehung<br />
zwischen CVC- und <strong>in</strong>terner F&E-E<strong>in</strong>heit diskutiert werden. Es bleibt meist bei e<strong>in</strong>er<br />
statischen Betrachtungsweise. Personelle Aspekte, etwa Fragen der Motivation der<br />
beteiligten Akteure, werden allenfalls gestreift. Auch detaillierte Untersuchungen<br />
28
zur Veränderung <strong>von</strong> Beziehungen oder unterschiedlicher Wirkungen e<strong>in</strong>zelner<br />
Ausprägungsmerkmale im Zeitablauf fehlen <strong>in</strong> der CVC-Forschung bislang. Wenn<br />
CVC-Programme als Ganzes und im Zeitablauf betrachtet werden (z.B. Gompers,<br />
2002), dann werden Schlussfolgerungen auf Basis <strong>von</strong> Statistiken und losgelöst <strong>von</strong><br />
der spezifischen Unternehmenssituation getroffen. Auch E<strong>in</strong>flussgrössen, die nicht<br />
den Charakter gut überprüfbarer Daten haben, etwa treibende Kräfte <strong>in</strong>nerhalb oder<br />
ausserhalb der Grenzen des Mutterunternehmens werden allenfalls gestreift. Ebenso<br />
werden ke<strong>in</strong>e multikausalen Zusammenhänge gesucht8 .<br />
Vor allem für die Implementierungsphase relevante Literatur<br />
Die Literatur zum Thema CVC befasst sich überwiegend mit der operativen Tätigkeit<br />
der CVC-E<strong>in</strong>heit. E<strong>in</strong>e Grundsatzentscheidung zugunsten CVC ist also schon<br />
gefallen. Es geht nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“, also darum, die<br />
CVC-E<strong>in</strong>heit im Markt für VC-F<strong>in</strong>anzierungen und konzern<strong>in</strong>tern optimal zu positionieren.<br />
Vor allem im Vergleich mit klassischen VC-Gesellschaften werden strukturelle<br />
Stärken und Schwächen <strong>von</strong> CVC-Gesellschaften diskutiert sowie Ansätze,<br />
wie <strong>in</strong>härente Stärken betont und Schwächen möglichst beherrscht werden können.<br />
Zahlreiche Beiträge kreisen um die Frage nach dem notwendigen respektive<br />
s<strong>in</strong>nvollen Grad an Autonomie der CVC-E<strong>in</strong>heit <strong>von</strong> der Muttergesellschaft, um<br />
e<strong>in</strong>erseits die <strong>in</strong>tendierten strategischen Effekte realisieren zu können und gleichzeitig<br />
als Partner <strong>in</strong> der VC-Branche akzeptiert zu werden (Siegel/Siegel/MacMillan,<br />
1988, S. 238). E<strong>in</strong>ige befassen sich mit übergeordneten Themen wie der Philosophie<br />
bzw. dem „richtigen M<strong>in</strong>dset“ <strong>von</strong> CVC-Gesellschaften (Opportunistischer Ansatz,<br />
Schnelligkeit, Flexibilität, vgl. Chesbrough, 2000), geben Empfehlungen zur<br />
Ressourcenausstattung (Kapital: W<strong>in</strong>ters/Murf<strong>in</strong>, 1988; hochqualifizierte,<br />
branchenerfahrene Mitarbeiter: R<strong>in</strong>d, 1981; Sykes, 1990) oder zur Organisation; hier<br />
stehen vor allem die Entscheidungskompetenzen des CVC-Managements sowie die<br />
8 Es soll an dieser Stelle ke<strong>in</strong>eswegs der E<strong>in</strong>druck entstehen, dass die bisher praktizierte Methodik<br />
unzulänglich wäre. Gezeigt werden sollte, dass der hier gewählte Ansatz zur Beantwortung der<br />
Forschungsfrage, nämlich die Untersuchung der Entscheidungssituation selbst und der Ablauf des<br />
<strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sprozesses <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen, e<strong>in</strong>e andere als die bisher <strong>in</strong> der Erforschung <strong>von</strong> CVC<br />
verwendete Methodik s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en lässt.<br />
29
Ausgestaltung der formalen Berichtswege <strong>in</strong> Richtung Konzernmutter im<br />
Mittelpunkt der Analyse. Auch Fragen der Kompensation des CVC-Managements<br />
<strong>in</strong>kl. der Kompatibilität mit dem allgeme<strong>in</strong>en Entlohnungssystem des etablierten Unternehmens<br />
s<strong>in</strong>d stark thematisiert worden (Sykes, 1990, S. 46; Block/Ornati, 1987).<br />
Auch hier gilt das eben Gesagte: Hauptsächlich werden e<strong>in</strong>zelne, die CVC-E<strong>in</strong>heit<br />
betreffende Aspekte im Zusammenhang mit strukturellen Merkmalen und formalen<br />
Abläufen behandelt und Vorschläge vor allem auf Basis e<strong>in</strong>er Analyse abgeleitet, bei<br />
der vollständige Informationen und e<strong>in</strong> (objektiv) rationales Verhalten unterstellt<br />
werden. Den Unwägbarkeiten des unternehmerischen Alltags wird wenig Rechnung<br />
getragen. Spezielle Situationsbed<strong>in</strong>gungen (personelle Besonderheiten, Motivlagen)<br />
werden kaum berücksichtigt. Mit der Benennung des Problems (z.B.<br />
unterschiedliches „M<strong>in</strong>dset“) bleibt es bei e<strong>in</strong>er sehr pauschalen und wenig<br />
differenzierenden Sichtweise. Komplexe Wechselwirkungen zwischen zahlreichen<br />
Akteuren s<strong>in</strong>d bisher nicht thematisiert worden.<br />
Literaturanalyse zum Thema Beziehung CVC-E<strong>in</strong>heit - Mutterunternehmen<br />
Die Erforschung der Beziehung zwischen der CVC-E<strong>in</strong>heit und dem<br />
Mutterunternehmen umfasst potenzielle Konflikte durch unterschiedliche „Mentalitäten“<br />
(W<strong>in</strong>ters/Murf<strong>in</strong>, 1988, S. 220) und andere Inkompatibilitäten, widersprüchliche<br />
Ziele bzw. Interpretationen des Zielsystems (R<strong>in</strong>d, 1981) oder unangepasste<br />
und im Vergleich zu anderen Konzernmanagern andersartige Entlohnungssysteme<br />
(Block/Ornati, 1987). Hardymon (Hardymon/DeN<strong>in</strong>o/Salter, 1983) beschreibt aus<br />
Sicht e<strong>in</strong>es CVC-Praktikers die Inkompatibilität e<strong>in</strong>es VC-Ansatzes mit der Diversifikationsstrategie<br />
des Konzerns und die sich aus der Verfolgung der strategischen<br />
Ziele der Mutter ergebenden negativen Effekte auf die Beziehung zum <strong>Venture</strong><br />
Unternehmen und anderen VC-Unternehmen. Solche Forschungsbeiträge, die auf<br />
praktischer Erfahrung mit CVC aufbauen und Rückkoppelungsprozesse zwischen<br />
verschiedenen organisatorischen E<strong>in</strong>heiten be<strong>in</strong>halten, s<strong>in</strong>d sehr selten zu f<strong>in</strong>den.<br />
Meist s<strong>in</strong>d die Erklärungen und Empfehlungen theoretisch fundiert. Siegel/<br />
Siegel/MacMillan (1988, S. 233) empfehlen zunächst e<strong>in</strong>e grosse Unabhängigkeit der<br />
CVC-E<strong>in</strong>heit vom Mutterkonzern, um schneller und flexibler reagieren zu können<br />
und nicht zu stark dem Kulture<strong>in</strong>fluss des Mutterunternehmens ausgeliefert zu se<strong>in</strong>.<br />
30
E<strong>in</strong>e zu starke Kooperation zwischen CVC-Gesellschaft bzw. – damit zusammenhängend<br />
– zwischen Start-up-Unternehmen und Mutterunternehmen beh<strong>in</strong>dere die<br />
Entwicklung e<strong>in</strong>er visionären Sichtweise. Die CVC-Aktivitäten würden auch Gefahr<br />
laufen, die Unterstützung beim Mutterunternehmen zu verlieren. Zudem befürchten<br />
Start-up-Unternehmen e<strong>in</strong>en Informationsabfluss und den dom<strong>in</strong>anten E<strong>in</strong>fluss des<br />
etablierten Unternehmens, wenn die Kooperation zu eng wird.<br />
Insgesamt gesehen ist die Literatur, die sich mit dem Verhältnis zwischen<br />
Mutterunternehmen und CVC-E<strong>in</strong>heit befasst, im Vergleich zu der, die Beziehungen<br />
zwischen anderen E<strong>in</strong>heiten, etwa zwischen Mutter- und <strong>Venture</strong>-Unternehmen<br />
(Gans/Hsu/Stern, 2002; Dushnitsky, 2005b; Hellman, 1996; Kanter/Bernste<strong>in</strong>/<br />
Williamson 1990, S. 426; Dougherty/Hardy, 1996), oder auch zwischen (C)VC und<br />
<strong>Venture</strong>-Unternehmen (Gefangenen-Dilemma-Ansatz: Cable/Shane, 1997; Sapienza/<br />
Korsgaard, 1996) thematisiert, bei weitem nicht so umfangreich und tief. Zwar wurde<br />
auch diese Literatur, <strong>in</strong>sbesondere zu Beziehungen zwischen CVC-E<strong>in</strong>heit und VC-<br />
Unternehmen oder zwischen <strong>Venture</strong>-Unternehmen und ihrem Marktumfeld<br />
analysiert, um das Spannungsfeld zwischen den Erwartungen <strong>von</strong> Teilnehmern der<br />
VC-Branche und denen der Konzernmutter besser verstehen zu können. Zu der hier<br />
vorliegenden Forschungsfrage konnte jedoch ke<strong>in</strong> stärkerer Bezug erkannt werden.<br />
Daher werden diese Arbeiten nicht näher dargestellt.<br />
Es bleibt festzuhalten, dass sich die enge CVC-Literatur <strong>in</strong>sgesamt vorwiegend mit<br />
strukturellen Aspekten befasst. Oft wird als Betrachtungsperspektive nicht die der<br />
Führungskraft e<strong>in</strong>es etablierten Grossunternehmens bzw. se<strong>in</strong> konkretes Entscheidungsproblem,<br />
sondern e<strong>in</strong> „Helikopter-Blickw<strong>in</strong>kel“ e<strong>in</strong>genommen. Auf übergeordneter,<br />
e<strong>in</strong>er <strong>von</strong> der spezifischen Situation des Unternehmens abstrahierenden<br />
Ebene werden bestimmte Aspekte meist isoliert behandelt und die<br />
Schlussfolgerungen sachlogisch begründet. Werden die Erkenntnisse empirisch<br />
abgesichert, so geschieht dies meist anhand <strong>von</strong> Daten, die e<strong>in</strong>en hohen<br />
Aggregationsgrad haben. Insgesamt ist die Analysetiefe eher ger<strong>in</strong>g. Auf<br />
E<strong>in</strong>flussfaktoren auf Entscheidungen, die nicht die Kriterien der objektiven<br />
Rationalität erfüllen, sondern etwa <strong>in</strong> Motivlagen und biologischen Beschränkungen<br />
e<strong>in</strong>zelner Entscheidungsträger begründet s<strong>in</strong>d ( bounded rationality, Kap. 4.3.2.),<br />
wird kaum e<strong>in</strong>gegangen. Auch dynamische Elemente, etwa die Entwicklung der<br />
Beziehung zwischen CVC-Gesellschaft und Muttergesellschaft im zeitlichen Kontext,<br />
31
fehlen <strong>in</strong> der Analyse. So wird zum Beispiel nicht thematisiert, dass CVC sich zu<br />
unterschiedlichen Zeiten höchst unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert<br />
sehen kann.<br />
3.2. Weiterführende Literatur zu Ventur<strong>in</strong>g-Ansätzen<br />
Die analysierte Literatur zum Thema CVC bietet nur wenig Ansatzpunkte für die<br />
eigene Forschung. Also wird der Analyseradius sukzessive erweitert und nach<br />
Problembeschreibungen und Erklärungsansätzen gesucht, die zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>en<br />
mittelbaren Bezug zur Forschungsthematik besitzen.<br />
Die Forschungsbeiträge zum allgeme<strong>in</strong>er gehaltenen, unternehmens<strong>in</strong>ternen<br />
Ventur<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d im Vergleich zu denen zu <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> für die<br />
vorliegenden Fragestellungen ergiebiger. Beim <strong>in</strong>ternen (<strong>Corporate</strong>) Ventur<strong>in</strong>g<br />
f<strong>in</strong>anziert e<strong>in</strong> etabliertes Unternehmen eigene <strong>in</strong>novative Geschäftskerne <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
nicht näher spezifizierten Form. Sowohl Struktur und Organisationsform des<br />
<strong>Venture</strong>s (Projekt, Unternehmen) wie auch die F<strong>in</strong>anzierungsart (F&E Mittel,<br />
Darlehen, Eigenkapital) s<strong>in</strong>d hier nicht festgelegt. In jedem Fall erfolgt die<br />
F<strong>in</strong>anzierung ausschliesslich <strong>in</strong>tern durch den Konzern. Im Vergleich dazu wird bei<br />
<strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Ansätzen e<strong>in</strong>e eigenständige Tochtergesellschaft<br />
gegründet. Diese erhält Fondsmittel, die <strong>in</strong> <strong>in</strong>terne, vor allem aber externe Start-up-<br />
Unternehmen <strong>in</strong>vestiert werden. Die CVC-Gesellschaft ist e<strong>in</strong> Teilnehmer am Private<br />
Equity Markt, beteiligt sich an anderen F<strong>in</strong>anzierungskonsortien und hat sich damit<br />
auch an den „Spielregeln“ und Performancestandards dieser Branche zu orientieren.<br />
Während Gegenstand der CVC- Forschung vor allem die Eigenständigkeit der CVC-<br />
Gesellschaft und damit oft formale, organisatorische Aspekte s<strong>in</strong>d, beschäftigt sich<br />
die <strong>Venture</strong>-Literatur sehr viel stärker mit dem zugrunde liegenden<br />
Innovationsprozess der Konzernmutter.<br />
Nachfolgend werden aus der umfangreichen Literatur zu diesem Thema nur zwei<br />
Aspekte herausgestellt, die für die weitere Analyse e<strong>in</strong>e hohe Relevanz besitzen.<br />
Zum e<strong>in</strong>en wird sehr konzentriert auf e<strong>in</strong>ige Charakteristiken des Innovationsprozesses<br />
e<strong>in</strong>gegangen. Wenn mit e<strong>in</strong>em CVC-Ansatz strategische Ziele verfolgt<br />
32
werden sollen, lässt sich die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC als Massnahme zur<br />
Innovationsförderung oder zur Verbesserung des Innovationsprozesses betrachten.<br />
Durch die bereitgestellten Informationen und hierüber ausgelöste Diskussionen<br />
versprechen sich die Initiatoren Impulse für den Geschäftserneuerungsprozess (s.<br />
Tab. 1). Aufgrund dieser starken Verflechtungen sollte e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Charakterisierung<br />
des zugrunde liegenden Innovationsprozesses s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>. Durch ihn wird<br />
e<strong>in</strong> Teil des Kontextes beschrieben, <strong>in</strong>nerhalb dessen Entscheidungen zu CVC fallen<br />
und durch welchen diese erklärt werden können. Zum anderen wird auf die im Zusammenhang<br />
mit Organisationsfragen (lose Anb<strong>in</strong>dung der <strong>Venture</strong>-E<strong>in</strong>heit an das<br />
Mutterunternehmen vs. Abkoppelung da<strong>von</strong>) diskutierten Unterschiede zwischen<br />
den beiden Unternehmense<strong>in</strong>heiten und erste potenzielle Konflikte e<strong>in</strong>gegangen.<br />
In der Literatur existieren zahlreiche Ansätze, wie der Innovationsprozess def<strong>in</strong>iert<br />
bzw. illustriert werden kann (etwa Gailbraith, 1982; Gartner, 1985; Kanter, 1985;<br />
Maidique/Zirger, 1985). Kanter (1985) und Maidique/Zirger (1985) charakterisieren<br />
Innovationsprozesse allgeme<strong>in</strong> durch<br />
e<strong>in</strong> hohes Mass an Unsicherheit,<br />
Erfordernis <strong>von</strong> <strong>in</strong>tensivem Wissen,<br />
Wettbewerb zu anderen Handlungsalternativen,<br />
nicht-l<strong>in</strong>eare Dynamik,<br />
Zufallskomponenten,<br />
Überschreiten <strong>von</strong> Grenzen.<br />
Mit dieser Charakterisierung wird bereits deutlich, dass der Ausgang <strong>von</strong><br />
Innovationsprozessen durch strenge Sachlogik alle<strong>in</strong> nicht mehr zu erklären ist. In<br />
e<strong>in</strong>em Innovationsprozess wirken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>von</strong> hoher Dynamik und schwerer<br />
Prognostizierbarkeit geprägten Umfeld zahlreiche Akteure <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen<br />
mit. Burgelmann (1983b) unterscheidet verschiedene Prozessstufen und drei<br />
Managementebenen, auf denen der Ventur<strong>in</strong>g-Prozess gleichzeitig stattf<strong>in</strong>det. Die<br />
drei Managementebenen (Mutterunternehmen, New <strong>Venture</strong> Division und <strong>Venture</strong>)<br />
besitzen höchst unterschiedliche Rollen. Deren Aufgaben unterscheiden sich auch je<br />
nach Phase des Innovationsprozesses (McGrath/Venkataraman/MacMillan, 1992).<br />
<strong>Corporate</strong> Ventur<strong>in</strong>g kann also strukturell sowie h<strong>in</strong>sichtlich Umfang und Art der<br />
<strong>in</strong>volvierten Personen und deren Aufgaben im Zeitablauf als höchst komplexer<br />
33
Prozess bezeichnet werden. Die Beherrschbarkeit dieses Prozesses ist im Vergleich zu<br />
vielen anderen Geschäftsprozessen <strong>in</strong> Unternehmen besonders schwer.<br />
Die Charakterisierung des Innovationsprozesses dient als Basis zur Ableitung <strong>von</strong><br />
Empfehlungen, ob Ventur<strong>in</strong>g Projekte tendenziell <strong>von</strong> der übrigen Unternehmensorganisation<br />
abgekoppelt oder mit ihr besonders gut vernetzt werden sollen. G<strong>in</strong>sberg/Hay<br />
(1994) empfehlen aufgrund der organisatorischen Unterschiede zwischen<br />
<strong>Venture</strong>- und etabliertem Unternehmen zunächst e<strong>in</strong>e weitgehende autonome<br />
Entwicklung der Ventur<strong>in</strong>g-Aktivitäten, um Lärm- und Störeffekte zu verh<strong>in</strong>dern<br />
und im Laufe der Zeit e<strong>in</strong> Momentum aufbauen zu können. Burgelmann (1985) geht<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em späteren Werk stärker auf die Unterschiede <strong>in</strong> den operationalen Systemen<br />
und adm<strong>in</strong>istrativen Abläufen zwischen Mutterunternehmen und New <strong>Venture</strong><br />
Division („NVD“) e<strong>in</strong>. Er sieht <strong>in</strong> den systematischen Unterschieden, auch<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Strategief<strong>in</strong>dung und der Orientierung der Teilnehmer, Konflikte<br />
zwischen Mutter und der Ventur<strong>in</strong>g-E<strong>in</strong>heit. Den gemischten Erfolg der NVD <strong>in</strong> den<br />
USA sieht er als Indiz dafür, dass das Top Management mit diesen systematischen<br />
Unterschieden nicht sachgerecht umgeht und NVD nicht richtig e<strong>in</strong>setzt. Diese alle<strong>in</strong><br />
vom Tagesgeschäft zu separieren, reiche nicht aus. „Top Management should realize<br />
that the NVD is a design for ambiguity” (Burgelman, 1985, S. 39).<br />
Mehrdeutigkeiten werden durch e<strong>in</strong>en NVD Ansatz an mehreren Stellen erzeugt:<br />
Zunächst fallen die Geschäftsaktivitäten aus dem Rahmen der bisherigen Strategie<br />
des Mutterkonzerns. Gleichzeitig erwartet das Mutterunternehmen e<strong>in</strong>en strategischen<br />
Wertbeitrag für das Unternehmen. Dieser ist jedoch schwer aufzeigbar bzw.<br />
nur dann, wenn dieser offener formuliert wird, etwa: „important for the time be<strong>in</strong>g“<br />
oder „maybe important for the future“ (Burgelman, 1985, S. 51). Zudem weisen die<br />
Beurteilungen des Wertbeitrages e<strong>in</strong>es konkreten <strong>Venture</strong>-Unternehmens e<strong>in</strong>e<br />
höhere Volatilität auf, je nachdem wie sich das <strong>Venture</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em zumeist dynamischen<br />
Umfeld entwickelt. Diesen Ungewissheiten will das Management der Muttergesellschaft<br />
durch e<strong>in</strong>en bestimmten Grad an Kontrolle über die NVD-E<strong>in</strong>heit<br />
Rechnung tragen. Es besteht die natürliche Neigung, dieses eng zu führen, bis sich<br />
herausstellt, ob e<strong>in</strong> <strong>Venture</strong>-Unternehmen tatsächlich strategisch bedeutungsvoll<br />
wird. Auf der anderen Seite möchte das Management der Muttergesellschaft auch<br />
se<strong>in</strong> derzeitiges Geschäft schützen. Dies h<strong>in</strong>gegen spricht für e<strong>in</strong>e stärkere Separierung<br />
des <strong>Venture</strong> Geschäftes <strong>von</strong> der Konzernmutter; zum<strong>in</strong>dest solange, bis die<br />
34
operative Verwandtschaft klarer wird. Burgelman sieht <strong>in</strong> dem Prozess zur Bestimmung<br />
des strategischen Wertbeitrages der NVC-E<strong>in</strong>heit die grösste Herausforderung<br />
und stellt – anders als die meisten anderen Forschungsansätzen – fest, dass der<br />
Schlüssel für die erfolgreiche Verankerung e<strong>in</strong>es CVC-Programms nicht beim Top-<br />
Management, sondern beim mittleren Management liege. Dieses kenne das operative<br />
Geschäft besser und kann Kompetenzen wie potenziellen Wertbeitrag e<strong>in</strong>es neuen<br />
<strong>Venture</strong>-Unternehmens sachgerechter beurteilen als das Top-Management, das <strong>in</strong><br />
übergeordneten Kategorien denkt und D<strong>in</strong>ge weniger differenziert beurteilt. Dem<br />
mittleren Management wird dann die Rolle des B<strong>in</strong>deglieds und Transmissionsriemens<br />
für den Technologietransfer zuteil.<br />
Burgelmann (1985) unterscheidet zwei Kategorien <strong>von</strong> organisatorischen Faktoren,<br />
die für den Erfolg <strong>von</strong> <strong>Corporate</strong> Ventur<strong>in</strong>g Aktivitäten relevant s<strong>in</strong>d: Zum e<strong>in</strong>en<br />
harte/tangible Faktoren, die formale Elemente wie Organisationsstrukur, der Kommunikation<br />
(Berichtswege) und Kontrolle be<strong>in</strong>halten und zum anderen weiche/<br />
<strong>in</strong>tangible Faktoren wie dom<strong>in</strong>ante Wertvorstellungen <strong>in</strong>nerhalb der Organisation<br />
und bestimmte, e<strong>in</strong>gespielte Rout<strong>in</strong>en. Übermässige Rout<strong>in</strong>en beh<strong>in</strong>dern die<br />
Förderung neuer Kompetenzen (Zahra 1991). H<strong>in</strong>gegen begünstigen bestimmte, klar<br />
kommunizierte organisatorische Wertvorstellungen e<strong>in</strong>e explorative Unternehmenskultur.<br />
Kontrolle wird hier vor allem durch persönliche Beziehungen, Reputation<br />
und Vertrauen ausgeübt. Aldrich/Fiol (1994) greifen den Vertrauensaspekt auf und<br />
formulieren die Notwendigkeit jedes <strong>Venture</strong> Unternehmens, Vertrauen auf vier<br />
Ebenen des sozialen Kontextes aufzubauen: <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens, <strong>in</strong>nerhalb<br />
der Branche, im Bezug zu anderen Branchen und auf <strong>in</strong>stitutioneller Ebene. Der<br />
Aufbau <strong>von</strong> Legitimation im Umfeld der Organisation ist e<strong>in</strong> starker Forschungsschwerpunkt.<br />
Damit wird <strong>in</strong>nerhalb der <strong>Corporate</strong> Ventur<strong>in</strong>g Forschung der Bogen<br />
zur Institutional Theory gespannt. Da diese Theorie Gegenstand des nachfolgenden<br />
Abschnittes ist und sich e<strong>in</strong>e geschlossene Darstellung der Theorie aus didaktischen<br />
Gründen besser zur Beantwortung der Forschungsfrage eignet als die Darstellung<br />
e<strong>in</strong>zelner, aus dem Zusammenhang gerissene Teile, wird an dieser Stelle nicht weiter<br />
auf diesen Aspekt e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Während implizites Ziel der meisten Forschungsansätze dar<strong>in</strong> besteht, e<strong>in</strong> <strong>Venture</strong>-<br />
Unternehmen erfolgreich am Markt zu positionieren, weist McGrath (1995) auf den<br />
Lerneffekt für e<strong>in</strong> Unternehmen aus e<strong>in</strong>em (am Markt) gescheiterten <strong>Venture</strong><br />
35
Unternehmen h<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e Führungskraft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen könne aus<br />
dieser negativen Erfahrung lernen, um ihr Verhalten zu ändern. Sie stellt fest, dass<br />
gerade erfolgreiche Unternehmen, die hocherfolgreich <strong>in</strong> ihrem Stammgeschäft s<strong>in</strong>d,<br />
Schwierigkeiten haben, <strong>in</strong> Enttäuschungen Botschaften zu erkennen, Signale zu<br />
<strong>in</strong>terpretieren und richtig zu deuten. Traditionelle, etablierte Ziel- und Messsysteme<br />
verschleiern Veränderungen <strong>in</strong> der Umwelt und die allgeme<strong>in</strong>e Harmonie im<br />
Unternehmen trägt dazu bei, dass negative Signale nicht richtig <strong>in</strong>terpretiert werden.<br />
Bereits diese kurzen Ausführungen zu Vor- und Nachteilen e<strong>in</strong>er engen vs. losen<br />
Anb<strong>in</strong>dung des <strong>Venture</strong> Unternehmens an das Mutterunternehmen zeigen e<strong>in</strong>e<br />
Vielzahl <strong>von</strong> Konfliktpotentialen und Managementherausforderungen auf. Diese<br />
resultieren aus e<strong>in</strong>er für <strong>Venture</strong>-E<strong>in</strong>heiten typischen hohen Umweltdynamik, e<strong>in</strong>er<br />
hohen Volatilität h<strong>in</strong>sichtlich (wahrgenommener) potentieller Wertbeiträge, dem<br />
hohen Risiko des Scheiterns oder aufgrund <strong>von</strong> Unsicherheiten, wie mit<br />
Zielkonflikten auf Seiten des etablierten Unternehmens umzugehen ist. Es sche<strong>in</strong>t so,<br />
dass die Komplexität des Managements <strong>von</strong> <strong>Venture</strong>-E<strong>in</strong>heiten so gross ist, dass<br />
Vertrauen <strong>in</strong> die Sache und <strong>in</strong> Personen e<strong>in</strong>e wichtige Entscheidungsgrundlage<br />
bildet. Die hier diskutierten Erkenntnisse lassen sich später gut für die bestehende<br />
Forschungsfrage verwenden.<br />
36
4. Theoretisches Fundament der Arbeit<br />
Alle Teile des Organismus bilden e<strong>in</strong>en Kreis.<br />
Daher ist jeder Teil sowohl Anfang als auch Ende.<br />
Hippokrates<br />
Im Zentrum dieser Arbeit stehen Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der<br />
<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>es CVC-Projektes getroffen wurden. Aus den e<strong>in</strong>gangs exemplarisch<br />
beschriebenen eigenen Praxiserfahrungen wurde zunächst <strong>in</strong>tuitiv vermutet, dass<br />
Entscheidungen <strong>von</strong> Führungskräften nicht immer die Anforderungen der<br />
objektiven Rationalität erfüllen. Die Analyse der bestehenden Forschung zu<br />
Ventur<strong>in</strong>g hat gezeigt, dass der Erfolg solcher Ansätze nur verstehbar ist, wenn die<br />
Charakteristika des zugrunde liegenden Innovationsprozesses berücksichtigt<br />
werden. Aufgrund zahlreicher Verflechtungen mit diesem bestimmt damit die Art<br />
und Weise, wie Unternehmen bzw. se<strong>in</strong>e Führungskräfte mit diesen Charakteristika<br />
umgehen, auch die Wahrnehmung <strong>von</strong> CVC, se<strong>in</strong>es Nutzens und damit ebenso<br />
Entscheidungen hierzu. Es sche<strong>in</strong>t tatsächlich vieles dafür zu sprechen, dass<br />
Entscheidungen zu CVC, sowohl h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> (F1) als auch<br />
h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Verankerung im Unternehmen (F2) auch das Ergebnis<br />
persönlicher Abwägungen und Beschränkungen reflektieren. Diese zu erklären<br />
erfordert e<strong>in</strong> anderes Verständnis <strong>von</strong> Rationalität.<br />
Setzt man die eben dargestellten Forschungsansätze zu CVC hierzu und mit der<br />
eigenen Praxiserfahrung <strong>in</strong> Bezug, verwundert es, dass dieser Aspekt bisher kaum<br />
adressiert worden ist. Die bisherigen Ansätze fokussieren sich meist auf die sachrationale<br />
Begründung e<strong>in</strong>zelner Ausprägungsmerkmale <strong>von</strong> CVC. E<strong>in</strong>zelne<br />
Entscheidungs- und Erfolgsfaktoren werden dabei isoliert; der entscheidungsrelevante<br />
Kontext quasi „zerstückelt“. Für die Erklärung des Erfolgs ganzer CVC-<br />
Programme ist die Kenntnis des weiteren Entscheidungsumfeldes nötig. Der für<br />
CVC entscheidungsrelevante Kontext ist – ebenso wie der Innovationsprozess – u.a.<br />
durch e<strong>in</strong>e hohe (nicht-l<strong>in</strong>eare) Dynamik, verschiedene Handlungsalternativen und<br />
e<strong>in</strong> hohes Mass an Unsicherheit geprägt. Letztere ist vor allem durch die <strong>in</strong>haltliche<br />
Beschäftigung <strong>von</strong> CVC mit disruptiven Innovationen bed<strong>in</strong>gt. Wichtige<br />
Entscheidungen und der Pfad des Projektes werden als Ergebnis e<strong>in</strong>es (sozialen)<br />
37
Prozesses erklärt. Es gibt noch e<strong>in</strong>en weiteren Grund für e<strong>in</strong>e prozessuale<br />
Perspektive. Im letzten Kapitel wurde gezeigt, dass die eigentliche Herausforderung<br />
für CVC nicht <strong>in</strong> der Lieferung, sondern <strong>in</strong> der Fähigkeit zur<br />
Vermittlung/Ver<strong>in</strong>nerlichung <strong>von</strong> Inhalten zu disruptiven Innovationen liegt. Die<br />
Innovation CVC könnte als wertlos erachtet werden, wenn sie Informationen liefert,<br />
<strong>in</strong> denen ke<strong>in</strong> Nutzen für das Unternehmen erkannt wird. Die Wahrnehmung e<strong>in</strong>es<br />
Sachverhaltes und se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en situativen Kontext bestimmt <strong>in</strong> hohem<br />
Masse, welche Handlungsoption präferiert und welche Entscheidung getroffen wird.<br />
Dies gilt sowohl bezüglich der durch CVC vertretenen disruptiven Innovationen wie<br />
auch bezüglich ihrer selbst. Letztlich wird mit e<strong>in</strong>er positiven Entscheidung nicht<br />
e<strong>in</strong>er abstrakten Idee Sympathie entgegen gebracht, sondern den dah<strong>in</strong>ter liegenden<br />
wahrgenommenen Nutzenbeiträgen für die Entscheidungsträger und das<br />
Unternehmen.<br />
E<strong>in</strong>e Entscheidung zu CVC reflektiert das Ergebnis e<strong>in</strong>es Bewertungsprozesses<br />
möglicher oder tatsächlicher Nutzenbeiträge <strong>von</strong> CVC. Diese werden <strong>in</strong> Beziehung<br />
zum gesamten Kontext gesetzt, der zum Zeitpunkt der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
gegeben ist. Damit bee<strong>in</strong>flussen viele Faktoren und Beziehungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten<br />
Umfeld den Ausgang e<strong>in</strong>er Entscheidung und den Pfad des CVC Projektes.<br />
Die zur Beantwortung der Forschungsfrage zu Hilfe genommenen Theorien und<br />
Erklärungsansätze sollen diesen Umständen Rechnung tragen. Sie def<strong>in</strong>ieren sozusagen<br />
das „Pflichtenheft“ für die Auswahl geeigneter Theorien. Es zeigt sich, dass<br />
mithilfe der Anwendung systemtheoretischer Pr<strong>in</strong>zipien die gestellten<br />
Anforderungen <strong>in</strong> besonderem Masse erfüllt werden können. Sie bilden nachfolgend<br />
die Plattform für Erklärungsansätze. So ähnlich, wie Microsoft XP das Betriebssystem<br />
und Excel oder Word darauf basierende Anwendungen darstellen, werden <strong>in</strong> diese<br />
übergeordnete Architektur bestimmte, mit ihm kompatible „angewandte“ Theorien<br />
aus dem Bereich Organisationstheorien (etwa das Konzept der „bounded rationality“<br />
oder die Institutional Theory) e<strong>in</strong>gearbeitet.<br />
Je tiefer man analysiert und es nicht bei „Zwischenerklärungen“ bewenden lässt,<br />
umsomehr stösst man auf Erklärungsansätze ausserhalb der traditionellen<br />
betriebswirtschaftlichen Forschung. E<strong>in</strong> Beispiel soll dies belegen:<br />
38
Behauptung: Alle<strong>in</strong> durch die üblichen, <strong>in</strong> der CVC-Literatur diskutierten<br />
Sachargumente ist die boomartige Gründung und Beendigung<br />
<strong>von</strong> CVC-Gesellschaften nicht zu erklären!<br />
Frage: Wodurch sonst? Welche sonstigen E<strong>in</strong>flussfaktoren gibt es?<br />
E<strong>in</strong>e Erklärung: Unternehmen lassen sich <strong>in</strong> ihren Entscheidungen durch das<br />
bee<strong>in</strong>flussen, was andere Unternehmen vor ihnen getan haben!<br />
Frage: Gibt es e<strong>in</strong>en theoretischen Ansatz, der dieses Phänomen erklärt?<br />
E<strong>in</strong> Erklärungsansatz: (New) Institutional Theory: Die Unternehmen e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen<br />
organisatorischen Feldes verhalten sich isomorph!<br />
Frage: Wer genau verhält sich wie und warum isomorph? (Die<br />
Erklärungsansätze der Institutional Theory greifen zu kurz)<br />
1. Erklärungsansatz: Menschen, die stärker mite<strong>in</strong>ander kommunizieren als andere,<br />
tendieren dazu sich gegenseitig zu bestätigen (Behavioral<br />
Sciences, Psychologie)<br />
2. Erklärungsansatz: Der Mensch verfügt nur über begrenzte Verarbeitungskapazitäten.<br />
Die Orientierung am Verhalten anderer ist e<strong>in</strong><br />
Mittel zur Komplexitätsreduzierung (Neurosciences)<br />
Wenn nachfolgend immer wieder Erkenntnisse aus anderen Forschungsdiszipl<strong>in</strong>en<br />
<strong>in</strong> die Analyse <strong>in</strong>tegriert werden, dann werden damit zwei Ziele verfolgt: Zum e<strong>in</strong>en<br />
sollen – wie beschrieben – „tiefere“ Erklärungen gefunden werden. Zum anderen<br />
wird versucht, Überzeugungsarbeit durch Analogieschlüsse zu leisten. Da Systeme<br />
<strong>in</strong> anderen Diszipl<strong>in</strong>en (z.B. <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> oder der Biologie) schon stärker erforscht<br />
s<strong>in</strong>d als soziale Systeme, könnte es lohnenswert, nach verb<strong>in</strong>denden Mustern zu<br />
suchen. Mit der Anwendung systemtheoretischen Gedankengutes s<strong>in</strong>d zudem –<br />
verglichen mit der üblichen der Analyse - andere Logikstrukturen und<br />
Beweisformen verbunden. Analogieschlüsse spielen hier e<strong>in</strong>e elementare Bedeutung<br />
im Überzeugungsprozess. Auf diesen Aspekt wird später stärker e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Wenngleich fortan <strong>in</strong> starkem Masse die Systemtheorie für Erklärungen und<br />
Empfehlungen genutzt wird, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass<br />
Erklärungen nur mithilfe systemtheoretischen Gedankenguts gefunden werden<br />
können. An e<strong>in</strong>igen Stellen bieten sich alternative Erklärungen an. Auf diese wird<br />
dann explizit e<strong>in</strong>gegangen. So lassen sich beispielsweise e<strong>in</strong>zelne Aspekte, wie die<br />
Tatsache der mangelnden Verankerung <strong>von</strong> CVC beim etablierten Unternehmen<br />
auch alternativ gut durch die Erkenntnisse der Innovationsforschung erklären.<br />
39
Das theoretische Fundament wird wie folgt gelegt: Im nachfolgenden Kapitel wird<br />
zunächst auf e<strong>in</strong>ige Grundpr<strong>in</strong>zipien der Systemtheorie e<strong>in</strong>gegangen, bevor diese <strong>in</strong><br />
den Zusammenhang menschlicher Wahrnehmungs- und S<strong>in</strong>ngebungsprozesse<br />
gestellt werden. Dabei werden weitere systemtheoretische Pr<strong>in</strong>zipien aufgezeigt. Im<br />
Zentrum der Betrachtung steht zunächst das Individuum, erst isoliert (der e<strong>in</strong>zelne<br />
Mensch als System) und dann <strong>in</strong> Interaktion mit anderen Personen („soziales<br />
System“). Anschliessend wird die Analyseebene „E<strong>in</strong>zelperson“ verlassen. Personen<br />
werden fortan als <strong>in</strong> das System „Unternehmen“ e<strong>in</strong>gebunden betrachtet. Auf dieser<br />
Analyseebene werden zunächst <strong>in</strong> Kapitel 4.3. die Konsequenzen der Anwendung<br />
typischer menschlicher Verhaltensmuster <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmenskontext beleuchtet,<br />
während anschliessend (Kapitel 4.3.1. ff.) stärker auf die (Mikro-) Prozesse<br />
e<strong>in</strong>gegangen wird, wie Mitarbeiter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen zusammenwirken und<br />
Entscheidungen herbeiführen. Daraus werden für die Forschungsfrage wichtige<br />
Schlussfolgerungen im H<strong>in</strong>blick auf Veränderungs- und Innovationsprozesse <strong>von</strong><br />
Unternehmen gezogen. Schliesslich wird das Verhalten <strong>von</strong> Unternehmen im<br />
Kontext anderer Unternehmen untersucht. Abb. 1 fasst die verschiedenen<br />
Analyseebenen zusammen:<br />
40<br />
Abb.1: Theoretisches Fundament: Untersuchung relevanter<br />
Beziehungen auf und zwischen drei Analyseebenen<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
CVC<br />
Individuum<br />
Unternehmen<br />
externes Umfeld
4.1. Allgeme<strong>in</strong>e Grundlagen der Systemtheorie<br />
Much of the work that is done under the name of ecology is<br />
not ecology at all, but either pure physiology - i.e., f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g out<br />
how animals work <strong>in</strong>ternally - or pure geology or meterology,<br />
or some other science concerned primarily with the outer<br />
world. In solv<strong>in</strong>g ecological problems we are concerned with<br />
what animals do <strong>in</strong> their capacity as whole, liv<strong>in</strong>g animals,<br />
not as dead animals or as a series of parts of animals. We<br />
have next to study the circumstances under which they do<br />
those th<strong>in</strong>gs, and, most important of all, the limit<strong>in</strong>g factors<br />
which prevent them from do<strong>in</strong>g certa<strong>in</strong> other th<strong>in</strong>gs. By<br />
solv<strong>in</strong>g these questions it is possible to discover the reasons<br />
for the distribution and numbers of animals <strong>in</strong> nature.<br />
Elton, Charles (1927), Animal Ecology, S. 33-34<br />
Die Systemtheorie wird <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em der Pioniere auf diesem Gebiet, Ludwig <strong>von</strong><br />
Bertalanffy (1950) als „Formulierung und Ableitung jener Pr<strong>in</strong>zipien, die für Systeme<br />
im allgeme<strong>in</strong>en gelten“ bezeichnet. Sie fristet <strong>in</strong> der betriebswirtschaftlichen<br />
Forschung immer noch e<strong>in</strong> Schattendase<strong>in</strong>, da ihr oft wenig praktischer Nutzwert<br />
unterstellt wird. Mit dieser Arbeit soll der Versuch gemacht werden, mit ihrer Hilfe<br />
neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Forschungsfrage zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
E<strong>in</strong>en guten und besonders verständlichen Überblick über die Grundzüge der<br />
Systemtheorie haben Watzlawick et al. <strong>in</strong> ihrem Standardwerk zur Kommunikation<br />
gegeben (Watzlawick/Beav<strong>in</strong>/Jackson, 2003). Wenngleich die Ausführungen zur<br />
Erklärung e<strong>in</strong>es anderen Problems dienen, können e<strong>in</strong>ige da<strong>von</strong> hier gut verwendet<br />
werden. Sie werden <strong>in</strong> diesem und dem folgenden Kapitel s<strong>in</strong>ngemäss übernommen.<br />
Aus Gründen der Übersichtlichkeit erfolgt e<strong>in</strong> expliziter Verweis auf diese Quelle<br />
nur bei wörtlichen Zitaten. Stellenweise wurden andere Schwerpunkte gesetzt,<br />
Ergänzungen vorgenommen oder nicht relevante Aspekte ausgeblendet. Andererseits<br />
wurden <strong>in</strong> die Ausführungen Watzlawicks verwandte Forschungsbeiträge<br />
anderer Autoren e<strong>in</strong>gearbeitet. Diese werden dann explizit zitiert. Erste<br />
Grundpr<strong>in</strong>zipien der Systemtheorie werden im nachfolgenden Kapitel 4.2. erläutert,<br />
weitere <strong>in</strong> den Ausführungen zu menschlichen Wahrnehmungsprozessen ( 4.3.).<br />
41
4.1.1. Grundpr<strong>in</strong>zipien<br />
E<strong>in</strong> System lässt sich stark vere<strong>in</strong>facht als e<strong>in</strong> Aggregat <strong>von</strong> Objekten verstehen, die<br />
mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Beziehung stehen und bei denen die Beziehungen den Zusammenhalt<br />
des Systems gewährleisten (Hall/Fagen, 1956, S. 18) und im Mittelpunkt der Analyse<br />
stehen. Grundsätzlich können zwischen e<strong>in</strong>er grossen Zahl <strong>von</strong> Objekten nahezu<br />
unendlich viele Beziehungen hergestellt werden. Zur Reduktion der damit<br />
e<strong>in</strong>hergehenden Komplexität müssen je nach Untersuchungsgegenstand wichtige<br />
Beziehungen identifiziert und unwesentliche Beziehungen ausgeschlossen werden.<br />
Die Frage, welche Beziehungen wichtig und welche unwesentlich s<strong>in</strong>d (Frage der<br />
Relevanz), muss die Person beantworten, die sich mit dem Problem beschäftigt.<br />
E<strong>in</strong> System ist mehr als die Summe der Bestandteile. Aufgrund vielfältiger,<br />
wechselseitiger Beziehungen zwischen Objekten ist es nicht zielführend, e<strong>in</strong>zelne<br />
Elemente e<strong>in</strong>es Systems <strong>in</strong> Isolation zum Rest des Systems zu analysieren und<br />
<strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander unabhängige, l<strong>in</strong>eare Kausalketten zu entwickeln (Pr<strong>in</strong>zip der<br />
Ganzheit). Die Ergebnisse e<strong>in</strong>es solchen Vorgehens könnten fehlerhaft se<strong>in</strong>.<br />
Wenn die Teile e<strong>in</strong>es Systems nicht nur summativ, sondern über vielfältige<br />
Beziehungen verbunden s<strong>in</strong>d, stellt sich die Frage, wie e<strong>in</strong> System zusammengehalten<br />
wird. E<strong>in</strong>e der wichtigsten Ergebnisse der Kybernetik ist die Erkenntnis des<br />
Pr<strong>in</strong>zips der Rückkopplung („feedback“). Wenn bestimmte Ereignisse nicht nur<br />
durch e<strong>in</strong> anderes Ereignis ausgelöst werden, sondern dieses wieder auf das<br />
ursprüngliche zurückwirkt, also Rückkopplungen stattf<strong>in</strong>den, ist das System<br />
zirkulär. Durch diese Kreisförmigkeit <strong>von</strong> Struktur und Dynamik kommt es zu sehr<br />
komplexen, aber ke<strong>in</strong>eswegs unerforschbaren Reaktionen. Bei der Erforschung dieser<br />
Zusammenhänge müssen jedoch wissenschaftliche Verfahren angewendet werden,<br />
die <strong>von</strong> den herkömmlichen abweichen. Auch deshalb ist das Pr<strong>in</strong>zip der Isolierung<br />
e<strong>in</strong>er Variablen nicht zielführend. Ebenso die Laplace’sche Überzeugung, dass die<br />
vollkommene Kenntnis aller Tatsachen zu e<strong>in</strong>em gegebenen Zeitpunkt die<br />
Voraussage aller zukünftigen Entwicklungen ermögliche.<br />
Über permanente Rückkopplungsprozesse setzen Systeme e<strong>in</strong>en Selbstregulierungsmechanismus<br />
<strong>in</strong> Gang. Bertalanffy (1950) prägte den Begriff des Fliessgleichge-<br />
42
wichtes als Bezeichnung für den Gleichgewichtszustand offener Systeme. Geschlossene<br />
Systeme müssen nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik e<strong>in</strong> Gleichgewicht<br />
(„Zustand maximaler Entropie“) anstreben. Dies können offene Systeme aufgrund<br />
ständig wechselnder Bed<strong>in</strong>gungen und Kräfte, die auf das System e<strong>in</strong>wirken,<br />
nicht erreichen. Aber das System erhält trotzdem e<strong>in</strong>en Zustand hoher Ordnung.<br />
Bestimmte übergeordnete Zustandsgrössen bleiben über längere Zeitphasen<br />
konstant, während die Mikroprozesse ständig <strong>in</strong> Veränderung s<strong>in</strong>d (Brockhaus-<br />
Enzyklopädie, Bd. 7 Ex-Frt, S. 382).<br />
Negative Rückkopplungen s<strong>in</strong>d geeignet, e<strong>in</strong>en Gleichgewichtszustand zu erreichen<br />
oder zu erhalten (so auch Puccia/Lev<strong>in</strong>, 1985). Sie haben also stabilisierende Wirkung<br />
und führen dazu, dass die Abweichung <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Sollwert verr<strong>in</strong>gert wird.<br />
Übertragen auf das System „Unternehmen“ bedeutet dies, dass jedes Unternehmen<br />
e<strong>in</strong>en gewissen Grad <strong>von</strong> negativer Rückkoppelung besitzen muss, um nicht<br />
ause<strong>in</strong>ander zu fallen und um den Belastungen seitens der Umwelt oder ihrer<br />
Mitglieder entgegenwirken zu können.<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Abb. 2: Pr<strong>in</strong>zip der Rückkopplung<br />
Fall 1: Negative Rückkopplung Fall 2: Positive Rückkopplung<br />
A<br />
-<br />
-<br />
+<br />
B<br />
A<br />
+<br />
+ +<br />
B<br />
+<br />
+ +<br />
+<br />
+<br />
+<br />
C D C<br />
+<br />
+<br />
D<br />
43
In Abbildung 2 ist das Pr<strong>in</strong>zip der Rückkoppelung illustriert. Wirkt beispielsweise<br />
e<strong>in</strong> (hier: externer) Akteur oder e<strong>in</strong> Ereignis (A) auf e<strong>in</strong> Unternehmenssystem,<br />
bestehend aus den Akteuren B, C und D, können diese bzw. das Unternehmen <strong>in</strong><br />
Gesamtheit auf zwei Arten reagieren: Entweder der Aussene<strong>in</strong>fluss wird abgeblockt,<br />
dargestellt durch den roten Pfeil (Fall 1: „negatives Feedback“). Das System<br />
Unternehmen widersetzt sich der Aussene<strong>in</strong>wirkung und behält se<strong>in</strong>e ursprüngliche<br />
Stabilität. Neue Projekte – wie etwa CVC – haben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em so reagierenden<br />
Unternehmen e<strong>in</strong>en schweren Stand. Oder der Impuls wird positiv aufgenommen<br />
respektive verstärkt (Fall 2: positives Feedback). Die zuvor stabilen Beziehungen<br />
geraten aus dem (Fliess-) Gleichgewicht. Das System muss sich aufgrund dieses<br />
Aussene<strong>in</strong>flusses neu kalibrieren und e<strong>in</strong>e neue Gleichgewichtsposition f<strong>in</strong>den.<br />
Positive, also e<strong>in</strong> vorangegangenes Ereignis bestärkende Rückkopplungen wirken<br />
destabilisierend und s<strong>in</strong>d oft Auslöser <strong>von</strong> Änderungen im System (z.B. neue<br />
Projekte und Initiativen). Es kommt zu e<strong>in</strong>er immer grösser werdenden Abweichung<br />
vom ursprünglichen Gleichgewichtszustand. Durch positive Rückkopplungsprozesse<br />
lassen sich auch Bandwagon-Effekte erklären ( 4.4.2.1.).<br />
Natürliche Organismen versuchen nach Ashby (1954), e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>mal gefundene<br />
Anpassung zu erhalten. Sie wird also nicht unabhängig <strong>von</strong> dem bisherigen Pfad<br />
jedes Mal <strong>von</strong> Grund auf neu vorgenommen. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>mal erreichte Stabilität wird für<br />
künftige Anwendungen gespeichert. Damit werden gewisse Verhaltensformen<br />
wahrsche<strong>in</strong>licher als andere. Übertragen auf e<strong>in</strong>e Unternehmenssituation erklärt dies<br />
z.B., dass sich Entscheidungsträger vorangegangenen Entscheidungen besonders<br />
verbunden fühlen.<br />
4.1.2. Unterschiede zwischen biologischen Systemen und Unternehmen<br />
Die Systemtheorie beschreibt Pr<strong>in</strong>zipien mit allgeme<strong>in</strong>er Gültigkeit.<br />
Betrachtungsobjekt können Personen, Tiere, Pflanzen oder auch Unternehmen se<strong>in</strong>.<br />
Hannan/Freeman (1977) haben Geme<strong>in</strong>samkeiten und Unterschiede zwischen<br />
biologischen Systemen und Unternehmen erforscht und kommen zu dem Schluss,<br />
dass im Vergleich zur Biologie die systemische Analyse <strong>von</strong> Unternehmen viel<br />
schwerer ist. Sie führen vor allem folgende Gründe an:<br />
44
1. Im Unternehmenskontext existiert ke<strong>in</strong>e genetische Informationsvermittlung,<br />
während <strong>in</strong> der Biologie Analysen dadurch stark vere<strong>in</strong>facht werden, dass die<br />
<strong>in</strong>teressanteste und nützlichste Information h<strong>in</strong>sichtlich der Anpassung an die<br />
Umwelt genetisch übermittelt wird. Genetische Prozesse s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
begrenzten Zeitrahmen nahezu unveränderlich, sodass extreme Kont<strong>in</strong>uität<br />
und Berechenbarkeit <strong>von</strong> Strukturen <strong>in</strong> aller Regel gegeben ist. Strukturelle<br />
Veränderungen werden lediglich durch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Anzahl <strong>von</strong><br />
Unregelmässigkeiten verursacht. Unternehmenssysteme s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong>en<br />
grösseren Grad <strong>von</strong> Lernen und Anpassung geprägt. Im Ergebnis ist es<br />
schwieriger, fitness (hier verstanden als Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass e<strong>in</strong>e<br />
bestimmte Unternehmensform <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Umfeld Bestand hat)<br />
präzise zu beschreiben und zu prognostizieren. Unter bestimmten<br />
Bed<strong>in</strong>gungen verändern sich Organisationen sehr stark.<br />
2. Anders als <strong>in</strong> der Biologie haben Unternehmen die Möglichkeit, sich schnell<br />
und grenzenlos zu vergrössern (Blau/Scott, 1962). E<strong>in</strong>e bestimmte Form (z.B.<br />
Bürokratie) kann sich über das gesamte System erstrecken und so die Vorherrschaft<br />
gew<strong>in</strong>nen. Bürokratische Strukturen gelten dann als legitimiert bzw.<br />
<strong>in</strong>stitutionalisiert. Aber es gibt e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>samkeit zu biologischen Systemen:<br />
E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelne Organisation kann nicht unbegrenzt wachsen und dabei ihre<br />
ursprüngliche Form behalten. „For <strong>in</strong>stance, a mouse could not possibly ma<strong>in</strong>ta<strong>in</strong><br />
the same proportion of body weight to skeletal structure while grow<strong>in</strong>g as<br />
big as a house. It would neither look like a mouse nor operate physiologically<br />
like a mouse” (Hannan/Freeman, 1977, S. 938, zustimmend auch Bould<strong>in</strong>g,<br />
1953; Haire, 1959). Werden Unternehmen immer grösser, verändert sich meist<br />
die Art und Weise der Kommunikation (Caplow, 1957). Diese wird<br />
unpersönlicher und formal.<br />
3. Im Fall <strong>von</strong> Unternehmen ist e<strong>in</strong>e viel grössere Mehrstufigkeit gegeben als bei<br />
biologischen Systemen. Es gibt mehr Analysee<strong>in</strong>heiten (Mitglieder,<br />
Untere<strong>in</strong>heiten/Abteilungen/Bereiche, E<strong>in</strong>zelunternehmen, Populationen <strong>von</strong><br />
Unternehmen) als <strong>in</strong> der Biologie, da Unternehmen besser <strong>in</strong> Untere<strong>in</strong>heiten<br />
zerlegbar s<strong>in</strong>d als e<strong>in</strong> Organismus. Dies erhöht die Komplexität gegenüber<br />
e<strong>in</strong>em biologischen Organismus weiter.<br />
45
Der Vergleich <strong>von</strong> Hannan/Freeman zeigt zum e<strong>in</strong>en viele Ähnlichkeiten zwischen<br />
biologischen und sozialen Systemen, aber auch e<strong>in</strong>ige Unterschiede, die die<br />
Anwendung <strong>von</strong> - im nächsten Abschnitt erläuterten - Analogieschlüssen begrenzen.<br />
46<br />
Exkurs: Wirft die Anwendung systemtheoretischer Pr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmenskontext<br />
möglicherweise neues Licht auf bestimmte Forschungsansätze bzw.<br />
lässt neue Interpretationen zu? 9<br />
Beispiel Nr. 1: Werden Innovationen durch die Umwelt oder durch Individuen getrieben?<br />
In Kapitel 2.1. wurden zwei Treiber <strong>von</strong> Innovationen vorgestellt, die nach Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />
(1996) zu e<strong>in</strong>er Polarisierung der Perspektiven führen. Man glaubt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Entscheidungssituation, sich für e<strong>in</strong>en der Ansätze als den „überzeugenderen“ zu entscheiden.<br />
Mithilfe e<strong>in</strong>er systemtheoretischen Betrachtungsweise könnte e<strong>in</strong> solcher Konflikt entschärft und<br />
die beiden Perspektiven zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> die Nähe zue<strong>in</strong>ander gebracht werden. Während die<br />
Umweltperspektive die Aussensicht auf das System „Unternehmen“ oder e<strong>in</strong> System aus<br />
mehreren Unternehmen („Branche“) e<strong>in</strong>nimmt, den Aspekt der starken Vernetzung <strong>von</strong><br />
Individuen und Organisationen sowie des gefundenen Fliessgleichgewichtes betont und daraus<br />
ableitet, dass die E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten des E<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Verbund beschränkt<br />
s<strong>in</strong>d, könnte die Individuenperspektive die Möglichkeit des E<strong>in</strong>zelnen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em System die<br />
Initiative zu ergreifen, positive Rückkoppelungen zu erzeugen und damit den Impuls für e<strong>in</strong>e<br />
Neukalibrierung zu geben, betonen.<br />
Beispiel Nr. 2: In welchem Ausmass können Unternehmen die Umwelt bee<strong>in</strong>flussen oder<br />
werden durch sie bee<strong>in</strong>flusst („Strategic Choice“ vs. determ<strong>in</strong>istischer Selektionsprozess)?<br />
Hier könnte man ähnlich argumentieren: Die Selektionsperspektive nimmt e<strong>in</strong>e Aussensicht auf<br />
das System e<strong>in</strong> und betrachtet das e<strong>in</strong>zelne Unternehmen als stark e<strong>in</strong>gebunden <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
übergeordnetes System. Die auf e<strong>in</strong> bestimmtes Unternehmen über die zahlreichen Beziehungen<br />
wirkenden Kräfte werden als so gross erachtet, dass die Gefahr des Ausschlusses aus<br />
dem System besteht (Negativselektion) und Unternehmen wenig Möglichkeiten haben, sich<br />
gegen diese als übermächtig erachteten Kräfte zu wehren. Der Strategic Choice-Ansatz betont<br />
die Möglichkeit des e<strong>in</strong>zelnen, trotz aller Vernetzungen Initiativen zu ergreifen, das bisherige<br />
(Fliess-) Gleichgewicht durch eigene Aktionen zur Verbesserung der eigenen Position –<br />
<strong>in</strong>sbesondere im Vergleich zu anderen Unternehmen – aktiv zu bee<strong>in</strong>flussen und e<strong>in</strong>e<br />
Neukalibrierung des Systems zu <strong>in</strong>itiieren.<br />
Liegt letztendlich der Unterschied zwischen den zwei Perspektiven <strong>in</strong> beiden Beispielen nur <strong>in</strong><br />
der Frage der gewählten Interpunktion, also der Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es bestimmten Verhaltens als<br />
Ursache für e<strong>in</strong>e bestimmte Konsequenz (im ersten Beispiel die Generierung e<strong>in</strong>er Innovation)?<br />
9 Diese Ausführungen erfolgen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Exkurses sowie unter Verwendung häufiger<br />
Konjunktive. Hiermit soll der hypothetische Charakter zum Ausdruck gebracht werden. Da es sich<br />
um e<strong>in</strong>e Diskussion ausserhalb der Hauptargumentationsl<strong>in</strong>ie handelt, wird diese Fragestellung hier<br />
nicht weiter vertieft, sondern nur angerissen.
4.1.3. Implikationen auf Logik, Beweiskraft und den Faktor Zeit<br />
Wenn durch die Anwendung systemtheoretischer Pr<strong>in</strong>zipien reale Phänomene<br />
anders betrachtet werden, dann ist damit nicht nur der Blickw<strong>in</strong>kel verändert<br />
worden, sondern auch das logische System. Ereignisse werden durch die Existenz<br />
zahlreicher Wechselbeziehungen und damit ganzheitlich erklärt. Gleichwohl soll<br />
nicht der E<strong>in</strong>druck entstehen, dass durch die Anwendung systemtheoretischer<br />
Gedanken alle Probleme ausgeräumt werden können. Aus dieser Sichtweise der<br />
D<strong>in</strong>ge ergeben sich – zum<strong>in</strong>dest nach Me<strong>in</strong>ung des Autors - andere Probleme.<br />
Aufgrund der starken Vernetzung e<strong>in</strong>er grossen Anzahl <strong>von</strong> Objekten wird e<strong>in</strong>e<br />
Komplexität erzeugt, die bald nicht mehr beherrschbar wird. Daher wird sehr schnell<br />
der Betrachtungsfokus auf relevante Beziehungen gelegt; irrelevante Beziehungen<br />
werden ausgeblendet. Es mag kritisiert werden, dass die Systemtheorie e<strong>in</strong>erseits<br />
zwar die Isolierung <strong>von</strong> Variablen ablehnt, aber gleichzeitig die Isolierung <strong>von</strong> Beziehungen<br />
notwendig wird, wenn Probleme beschrieben und erklärt werden sollen. Da<br />
es ke<strong>in</strong>e objektiven Kriterien für diesen Selektionsvorgang gibt, ist dieser Schritt<br />
wissenschaftlich angreifbar. Aber auch die Analyse der als relevant erachteten Beziehungen<br />
birgt weitere Probleme <strong>in</strong> sich. Die Systemtheorie versucht, aus der Analyse<br />
e<strong>in</strong>es Beziehungsgeflechtes (etwa Struktur, prägende Elemente) Schlussfolgerungen<br />
zu ziehen. Aufgrund permanent stattf<strong>in</strong>dender Rückkopplungsprozesse ist es<br />
schwer, letztendlich bestimmte Erfolgsfaktoren und Treiber zu identifizieren. Dies ist<br />
aber die konventionelle Art und Weise, Praxisempfehlungen abzuleiten. Wenn<br />
anschliessend der Blick wieder auf die Objektebene gerichtet wird, dann bedeutet<br />
dies e<strong>in</strong>en „Rückfall“ <strong>in</strong> die Denkweise der Isolierung <strong>von</strong> Faktoren und e<strong>in</strong>en<br />
systematischen Bruch. Die traditionellen Verfahren der wissenschaftlichen Analyse<br />
s<strong>in</strong>d zwar exakt, beschreiben die Realität aber nur unzutreffend. Die Systemtheorie<br />
beschreibt die Realität weitaus besser, ersche<strong>in</strong>t aber recht unpräzise <strong>in</strong> ihren<br />
Ergebnissen und Schlussfolgerungen.<br />
47
Andere Logik und unzulängliche Sprache führen zu anderen „Beweis“formen 10<br />
Beziehungen zwischen Objekten lassen sich durch die (digitale) Sprache weitaus<br />
schwerer beschreiben als Eigenschaften. Zur Übermittlung <strong>von</strong> Wissen <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Person zu anderen Objekten werden <strong>in</strong> der Sprache Namen verwendet, deren<br />
Beziehung zu dem beschriebenen Objekt re<strong>in</strong> zufällig ist: „Die Zahl fünf hat nichts<br />
besonderes Fünfartiges an sich und das Wort „Tisch“ nichts besonders<br />
Tischähnliches“ (Bateson/Jackson, 1964, S. 271). Die Beziehung wird lediglich durch<br />
e<strong>in</strong>e semantische Übere<strong>in</strong>kunft def<strong>in</strong>iert. Sie ist künstlich und existiert nicht real. Das<br />
Problem der Sprache ist, dass es viel weniger semantische Übere<strong>in</strong>künfte gibt als<br />
Beziehungen existieren. Daher ist die digitale Sprache nur begrenzt geeignet,<br />
Beziehungen zu beschreiben. Analoge Kommunikationsformen, etwa Zeichnungen<br />
oder Vergleiche, eignen sich dafür besser. E<strong>in</strong>e Analogie ist dadurch geradezu<br />
gekennzeichnet, dass e<strong>in</strong>e Ähnlichkeitsbeziehung zu dem Objekt besteht, zu dem sie<br />
e<strong>in</strong>e Beziehung hat. Strukturen können so wesentlich besser verdeutlicht und erklärt<br />
werden.<br />
Auf Grund dieser Unzulänglichkeiten (erschwerte Herstellung <strong>von</strong> Kausalitäten,<br />
unzureichende Sprache) wird im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder auf<br />
Analogien <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Abbildungen, Diagrammen oder vergleichenden Mustern<br />
zurückgegriffen, um Zusammenhänge zu erklären. In der Brockhaus-Enzyklopädie<br />
ist der Analogieschluss def<strong>in</strong>iert als „Schluss <strong>von</strong> der Ähnlichkeit gegebener<br />
Glieder zweier Verhältnisse auf die Ähnlichkeit e<strong>in</strong>es nicht gegebenen Gliedes. So<br />
schliesst man etwa aus der Ähnlichkeit des Verhaltens gewisser Stoffe auf die<br />
Ähnlichkeit der chemischen Zusammensetzung. Der Analogieschluss gehört zu den<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsschlüssen, se<strong>in</strong>e logische Struktur ist umstritten; doch ist er <strong>in</strong><br />
der Wissenschaft für die Entdeckung neuer Erkenntnisse <strong>von</strong> Wert, nicht dagegen<br />
für deren Sicherung.“ (Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 1 A-Apt, S. 528).<br />
E<strong>in</strong> Nachteil <strong>von</strong> Analogien liegt also dar<strong>in</strong>, dass sie ke<strong>in</strong>e echte Beweiskraft<br />
besitzen. E<strong>in</strong>e Deutung muss also nicht <strong>in</strong> jedem Fall korrekt se<strong>in</strong>. So ist z.B. die<br />
Interpretation <strong>von</strong> Tränen der Freunde oder der Trauer kontextabhängig und<br />
<strong>in</strong>tuitiv. Die Analogie selbst enthält ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise darauf, welche Bedeutung<br />
10 Der Ausdruck Beweis wurde <strong>in</strong> Anführungszeichen gesetzt, da – zum<strong>in</strong>dest nach Auffassung<br />
Batesons – die Wissenschaft Hypothesen verbessern, aber nicht beweisen kann (Bateson, 1993, S. 37).<br />
48
geme<strong>in</strong>t ist, so wie es <strong>in</strong> der digitalen Sprache üblich ist. Diese Entscheidung muss<br />
die beurteilende Person treffen. „Digitale Kommunikationen haben e<strong>in</strong>e komplexe<br />
und vielseitige logische Syntax, aber e<strong>in</strong>e auf dem Gebiet der Beziehung<br />
unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses<br />
semantische Potential, ermangeln aber die für e<strong>in</strong>deutige Kommunikationen<br />
erforderliche logische Syntax“ (Watzlawick/Beav<strong>in</strong>/Jackson, 2003, S. 68).<br />
Hannan/Freeman (1977, S. 961) bestätigen den Nutzen <strong>von</strong> Analogien: „Zum Beispiel<br />
werden bestimmte molekular-genetische Modelle aus der Analogie zwischen der<br />
Oberfläche der DNA und kristall<strong>in</strong>en Strukturen abgeleitet. Letztere haben e<strong>in</strong>fache,<br />
regelmässige geometrische Strukturen, die sich durch umfangreiche topologischmathematische<br />
Untersuchung erfassen lassen. Ke<strong>in</strong>er wird behaupten, dass DNA<br />
Prote<strong>in</strong>e Kristalle s<strong>in</strong>d; aber <strong>in</strong> dem Masse, wie ihre Oberflächen bestimmte<br />
kristallartige Eigenschaften haben, wird das mathematische Modell, das entwickelt<br />
wurde, um Kristalle zu analysieren, auch e<strong>in</strong>ige Aufschlüsse über genetische Strukturen<br />
geben können. Dies ist e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Strategie beim Bilden <strong>von</strong> Modellen.“<br />
Die Bedeutung des Faktors „Zeit“<br />
Der Faktor Zeit spielt e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle <strong>in</strong> der Systemtheorie.<br />
Kommunikationsabläufe „s<strong>in</strong>d nicht anonyme E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Frequenzverteilung“<br />
sondern e<strong>in</strong> Prozess, dessen <strong>in</strong>nere zeitbed<strong>in</strong>gte Ordnung für uns <strong>von</strong><br />
Interesse ist (Frank, 1951, S. 510). In der Bedeutung des Faktors Zeit liegt e<strong>in</strong>er der<br />
elementarsten Unterschiede zwischen l<strong>in</strong>earer Logik und der der Systemtheorie.<br />
Viele wissenschaftliche Erkenntnisse werden aus e<strong>in</strong>er statischen Analyse gewonnen.<br />
Für bestimmte Problemstellungen mag dies e<strong>in</strong>e geeignete Methode se<strong>in</strong>,<br />
Erklärungen zu f<strong>in</strong>den. Nicht jedoch für Themen des Innovationsmanagements, zu<br />
der die untersuchte Forschungsfrage gehört. Wenn, wie <strong>in</strong> Kapitel 3.2. beschrieben,<br />
Innovationsprozesse u.a. durch nicht-l<strong>in</strong>eare Dynamik, Zufallskomponenten und e<strong>in</strong><br />
hohes Mass an Unsicherheit gekennzeichnet s<strong>in</strong>d, muss der Faktor Zeit e<strong>in</strong>e<br />
elementare Rolle bei der Erklärung bestimmter Ereignisse spielen.<br />
49
Dass soziale Phänomene ohne den Faktor Zeit nicht immer gut erklärt werden<br />
können (so Issac/Griff<strong>in</strong>, 1989; Griff<strong>in</strong> 1993), soll nachfolgend exemplarisch<br />
aufgezeigt werden. Ausgewählt wurden vor allem Beispiele, die für die hier<br />
vorliegende Fragestellung e<strong>in</strong>e besondere Relevanz aufweisen (Gaba, 2002):<br />
50<br />
E<strong>in</strong> Gleichgewichtsmodell <strong>von</strong> organisatorischem Wandel erlaubt e<strong>in</strong>e dynamische<br />
Betrachtung. Hierdurch kann gezeigt werden, dass die gleiche Organisation<br />
zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Verhaltensweisen zeigt;<br />
nämlich e<strong>in</strong>mal adaptiv und dann wieder untätig (Tushman/Romanelli, 1985),<br />
zu unterschiedlichen Zeiten s<strong>in</strong>d eigentlich widersprüchliche Theorien über<br />
die Anpassungsfähigkeit und Trägheit <strong>von</strong> Organisationen anwendbar<br />
(Gersick, 1991, 1994),<br />
auf Basis e<strong>in</strong>er Fallstudie über e<strong>in</strong> <strong>Venture</strong> Unternehmen konnte<br />
nachgewiesen werden, dass Manager (zeitliche oder ereignisbasierte)<br />
Heuristiken benutzen, um zu entscheiden, wann e<strong>in</strong>e Strategie beibehalten<br />
wird und wann Änderungen erfolgen sollten (Gersick, 1994),<br />
<strong>in</strong> Zeiten günstiger Veränderungen des Umfeldes haben meist Ansätze aus<br />
dem Unternehmen heraus den grössten E<strong>in</strong>fluss auf organisatorischen<br />
Wandel. In Zeit <strong>von</strong> Diskont<strong>in</strong>uitäten wird dieser stärker bee<strong>in</strong>flusst durch<br />
E<strong>in</strong>flüsse aus dem Umfeld (Makro-Ebene). Hieraus folgt, dass sich die relative<br />
Bedeutung des E<strong>in</strong>flusses verschiedener Ebenen auf den Change Prozess über<br />
die Zeit verändert (Gaba, 2002, S. 20),<br />
diejenigen, die e<strong>in</strong>e Innovation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em frühen Stadium annahmen, waren<br />
vor allem getrieben durch Effizienzüberlegungen, während spätere<br />
Adaptoren hauptsächlich durch Legitimationsdruck motiviert waren<br />
(Konformitätsstreben, Tolbert/Zucker, 1983),<br />
“any adequate empirical <strong>in</strong>quiry <strong>in</strong>to changes has to be capable of reveal<strong>in</strong>g<br />
the temporal patterns, causes, and movements from cont<strong>in</strong>uity to change and<br />
vice versa” (Gersick 1991).
4.2. System Mensch: Wahrnehmungs- und Kommunikationsprozesse<br />
Soeben wurde auf erste, elementare Grundpr<strong>in</strong>zipien der Systemtheorie und Implikationen<br />
im Bezug auf Logikstrukturen, Kausalitätsketten, Beweisführung, Sprache<br />
und den Faktor Zeit e<strong>in</strong>gegangen. In diesem Abschnitt werden diese Pr<strong>in</strong>zipien auf<br />
die erste Analyse- bzw. Systemebene, nämlich die des Individuums und se<strong>in</strong>er<br />
Wahrnehmungs- und S<strong>in</strong>ngebungsprozesse angewendet und zugleich um weitere<br />
systemtheoretische Pr<strong>in</strong>zipien ergänzt. Damit werden jetzt systemtheoretische<br />
Pr<strong>in</strong>zipien nicht mehr nur abstrakt beschrieben, sondern erstmals <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
<strong>in</strong>haltlichen Zusammenhang gestellt.<br />
Menschliche Wahrnehmung<br />
E<strong>in</strong>en Überblick über den menschlichen Wahrnehmungs- und S<strong>in</strong>ngebungsprozess<br />
gibt Abb. 3. Menschen sehen sich e<strong>in</strong>er Unmenge <strong>von</strong> Reizen (R1–R3/311 ) aus der<br />
Umwelt konfrontiert. Reize werden <strong>von</strong> Bateson auch als Unterschiede bezeichnet<br />
(Bateson, 1982, S. 87), da nur D<strong>in</strong>ge, die sich <strong>von</strong> dem Vorhandenen abheben, der<br />
Wahrnehmung zugänglich s<strong>in</strong>d. Reize werden erst dann zu Informationen (I0/3),<br />
wenn diese als bedeutungsvoll bzw. relevant erachtet werden; „Informationen<br />
bestehen aus Unterschieden, die e<strong>in</strong>en Unterschied machen“ (Bateson 1993, S. 123).<br />
Die Beimessung e<strong>in</strong>er Relevanz ist das Ergebnis e<strong>in</strong>es ersten Selektierungs- bzw.<br />
Filterprozesses. Der Informationsfilter ist <strong>in</strong> Abb. 3 gestrichelt gekennzeichnet. Dieser<br />
Schritt f<strong>in</strong>det meist unbewusst statt, um die Komplexität <strong>in</strong> der Realität zu<br />
reduzieren. Menschen besitzen nur e<strong>in</strong>e sehr begrenzte Kapazität, Informationen zu<br />
verarbeiten (Weick, 1995). Das derzeitige Wissen bzw. die Erfahrung bestimmt, was<br />
als relevant erachtet und daher überhaupt wahrgenommen wird (a/3).<br />
11 Künftig sollen Bezüge zu vorangegangen oder noch folgenden Abbildungen auf diese Art<br />
gekennzeichnet werden. Im hier vorliegenden Fall wird auf die Beschriftungen R1-R3 <strong>in</strong> der Abb. 3<br />
Bezug genommen.<br />
51
Es schliesst sich e<strong>in</strong> umfangreicher S<strong>in</strong>ngebungs- bzw. Bewertungsprozess an. E<strong>in</strong><br />
Interpretationsrahmen sorgt für e<strong>in</strong>en Kontext, <strong>in</strong>nerhalb dessen e<strong>in</strong> Individuum<br />
beobachten, extrahieren und S<strong>in</strong>n geben kann. Die Art und Weise der S<strong>in</strong>ngebung<br />
hängt <strong>in</strong> starkem Masse <strong>von</strong> Glauben und Erwartungshaltungen ab. Auch für das<br />
Ergebnis dieses Prozesses spielt der Faktor Erfahrung e<strong>in</strong>e grosse Rolle. Menschen<br />
<strong>in</strong>terpretieren Informationen auf Grund ihrer Erfahrung. Erfahrung resultiert wiederum<br />
aus der vergangenen Interpretation <strong>von</strong> Informationen (<strong>in</strong>kl. Erfahrung des<br />
Feedbacks). Menschen suchen nach Bestätigung ihrer bisherigen Erfahrungen, wenn<br />
sie sich mit diskrepanten H<strong>in</strong>weisen aus der Umwelt konfrontiert sehen (Weick,<br />
1995). Menschen haben auch e<strong>in</strong>e Vorliebe für e<strong>in</strong>fache Annahmen und m<strong>in</strong>imalen<br />
Aufwand; Regel der Sparsamkeit oder „Ockhams Rasiermesser“ (näher erläutert <strong>in</strong><br />
Bateson 1993, S. 38). Weick (1995) stellt fest, dass Individuen ihre Erwartungen <strong>in</strong><br />
Kraft setzen, d.h. sie reflektieren nicht über ihren Glauben, sondern handeln so, als<br />
wenn ihr Glaube richtig wäre. Alle Menschen denken mit Hilfe <strong>von</strong> Geschichten<br />
(Bateson, 1993, S. 23), e<strong>in</strong>em „kle<strong>in</strong>en Knoten oder Komplex der Art <strong>von</strong><br />
Verbundenheit, die wir als Relevanz bezeichnen“ (Bateson, 1993, S. 22). Da die<br />
Beimessung <strong>von</strong> Relevanz wiederum – wie oben dargelegt wurde – e<strong>in</strong>e höchst per-<br />
52<br />
Abb.3: Menschlicher Wahrnehmungs- und S<strong>in</strong>ngebungsprozess<br />
Reize Relevanz S<strong>in</strong>ngebung Rückkopplung<br />
<strong>in</strong>tern extern<br />
R 2<br />
R 1<br />
Filter<br />
R 3<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
a<br />
I 0<br />
Wissen/<br />
Erfahrung<br />
System „Mensch“<br />
+<br />
-<br />
I 1<br />
E<br />
+<br />
oder<br />
-
sönliche Entscheidung darstellt, kann gefolgert werden, dass auch e<strong>in</strong> Kontext,<br />
wörtlich übersetzt mit „dem, was mit e<strong>in</strong>em Text oder e<strong>in</strong>er Geschichte verbunden<br />
ist." (Gilligan 1991, S. 16), <strong>in</strong> höchstem Masse subjektiv konstruiert ist. E<strong>in</strong> Kontext<br />
reflektiert also ke<strong>in</strong>e „objektiven“ Umstände oder Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, sondern ist<br />
das Ergebnis e<strong>in</strong>er stark subjektiven Interpretation bestimmter Ereignisse. Menschen<br />
versuchen, das so konstruierte und aus Objektbeziehungen gefundene Gleichgewicht<br />
nicht stören zu lassen. Dies würde e<strong>in</strong>e aufwendige Neujustierung auf der Mikroebene,<br />
notfalls sogar Kalibrierung des ganzen Systems notwendig machen. Sie vermeiden<br />
im Übrigen dadurch eigene Panik- bzw. Angstzustände.<br />
Im Detail be<strong>in</strong>haltet der S<strong>in</strong>ngebungsprozess vor allem die Klärung <strong>von</strong> Zusammenhängen<br />
zwischen der neuen Information und den bisherigen Beziehungen im gesamten<br />
sozialen System und e<strong>in</strong>e Abschätzung, wie sich hierdurch das System und<br />
die eigene Stellung im System verändern. Die neue Information wird bewertet (I1/3),<br />
die optimalen Handlungsalternativen und die Entscheidung (E/3) abgeleitet. Es<br />
schliesst sich e<strong>in</strong> doppelter Rückkoppelungsprozess an:<br />
o <strong>in</strong>tern: Die Information wird <strong>in</strong> das vorhandene System <strong>in</strong>tegriert und erweitert<br />
die Wissensbasis (gestrichelte grüne bzw. rote L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> Abb. 3). Je nach<br />
Bewertung (positiv/negativ) und daraus abgeleiteter Handlungsempfehlung<br />
verändert sie das <strong>in</strong>nere System mehr oder weniger stark. Im Fall e<strong>in</strong>er<br />
negativen Rückkopplung würden die bisherigen Erklärungen über<br />
Zusammenhänge und Kausalitäten <strong>in</strong> der Realität als weiterh<strong>in</strong> gültig erachtet<br />
werden. Im Fall e<strong>in</strong>er positiven Rückkopplung würde h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e Neubewertung<br />
<strong>von</strong> bisherigem Wissen über Zusammenhänge erfolgen.<br />
o extern: Entsprechend des Ausgangs des <strong>in</strong>neren Entscheidungsprozesses wird<br />
der Umwelt e<strong>in</strong>e Reaktion auf die verarbeitete Information entgegengebracht,<br />
verbal oder nonverbal. Mittels ausgelöster Unterschiede (Schallwellen, Bewegung<br />
<strong>von</strong> Gliedmassen, grüne bzw. rote L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> Abb. 3) werden diese e<strong>in</strong>en<br />
Reiz bei e<strong>in</strong>em anderen Individuum (etwa dem Sender der Urspungs<strong>in</strong>formation)<br />
verursachen und e<strong>in</strong>en neuen Informationsselektions- und –verarbeitungsprozess<br />
sowie Rückkopplungen auslösen.<br />
53
Menschliche Kommunikation<br />
Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sozialen System kommunizieren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em starken Masse mite<strong>in</strong>ander.<br />
Von zentraler Bedeutung für die gute Positionierung e<strong>in</strong>er Person <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
sozialen System ist die Fähigkeit, Signale richtig zu deuten und e<strong>in</strong>en Kontext zu erzeugen.<br />
In e<strong>in</strong>em Kommunikationsablauf verr<strong>in</strong>gert jeder Austausch <strong>von</strong><br />
Mitteilungen die Zahl der nächstmöglichen Mitteilungen („e<strong>in</strong>schränkende Wirkung<br />
der Kommunikation“, Watzlawick, 2003, S. 126). Wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Spiel verändert jeder<br />
Zug die gegenwärtige Konfiguration des Spiels, beschränkt die <strong>von</strong> diesem<br />
Augenblick an offen stehenden Möglichkeiten und bee<strong>in</strong>flusst damit den weiteren<br />
Verlauf des Spiels12 . Geschickt agierende Menschen versuchen, aktiv E<strong>in</strong>fluss auf<br />
e<strong>in</strong>e Handlung (etwa e<strong>in</strong>e Entscheidung) zu nehmen, <strong>in</strong>dem sie versuchen, für den<br />
Empfänger e<strong>in</strong>en Kontext zu erzeugen, der bestimmte, <strong>in</strong>tendierte Handlungen<br />
erwarten lässt (Issue Fram<strong>in</strong>g, weitere Ausführungen vgl. Kapitel 7.2.2.3.). Gutes<br />
Kenntnisse über die Person und e<strong>in</strong>e solide Vertrauensbasis helfen hierbei. Menschen<br />
versuchen die Beziehung zu anderen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er für sie nützlichen Weise zu gestalten.<br />
Beispielsweise zerlegen sie – bewusst oder unbewusst - die Ganzheit und erklären<br />
Verhaltensabfolgen durch die Logik l<strong>in</strong>earer Kausalketten. Sie wählen e<strong>in</strong>e<br />
bestimmte Interpunktion, also „Def<strong>in</strong>ition“ e<strong>in</strong>es bestimmten Verhaltens als Ursache<br />
für ihr eigenes Verhalten. Durch e<strong>in</strong>e nützliche Interpunktion kann z.B. e<strong>in</strong>er Person<br />
e<strong>in</strong>e „Sündenbockrolle“ zugewiesen werden oder – im Gegenteil – auch die<br />
Integration unbekannten Wissens <strong>in</strong> ihr Interpretationsschema erreicht werden.<br />
Durch Bestätigen, Verwerfen oder Entwerten der Aussagen des Anderen versuchen<br />
Menschen, nicht nur <strong>in</strong>haltlich Position zu beziehen, sondern def<strong>in</strong>ieren auch die<br />
Beziehung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten, für sie vorteilhaften Weise. Es erleichtert die<br />
Kommunikation und damit auch die Zusammenarbeit, wenn die beteiligten Personen<br />
ähnliche Interpretationsschemen haben. Sie agieren „auf e<strong>in</strong>er Wellenlänge“,<br />
nehmen ähnliche Phänomene wahr und deuten sie ähnlich. Und weil Menschen<br />
Bestätigungen suchen, umgeben sie sich gerne mit Personen, die ähnliche Kontexte<br />
besitzen. Ist dies nicht der Fall, kann es zu Irritationen, Missverständnissen und im<br />
Extremfall zur Unterstellung <strong>von</strong> Bösartigkeit oder Verrücktheit kommen („mad or<br />
12 Wie es gel<strong>in</strong>gen kann, sich <strong>in</strong> Kenntnis dieses Zusammenhangs e<strong>in</strong> hohes Mass an Handlungsfreiheit<br />
zu erhalten, wird <strong>in</strong> Kapitel 7.2.2.3. näher ausgeführt (Stichwort: „robuste Spielzüge“)<br />
54
ad?“ Simon, F.B., 1995, S. 139f.) 13 . Negative Interpretationen oder e<strong>in</strong> H<strong>in</strong> und Her<br />
unvere<strong>in</strong>barer Auffassungen können die Stabilität <strong>von</strong> Beziehungen bee<strong>in</strong>trächtigen<br />
und zu Krisen zwischen Personen, im Extremfall zum offenen Bruch führen.<br />
Die Gefahr <strong>von</strong> Missverständnissen im Rahmen menschlicher Kommunikation ist<br />
gross, weil die Verb<strong>in</strong>dung zwischen e<strong>in</strong>er Information, e<strong>in</strong>em Interpretationsschema<br />
bzw. Kontext und e<strong>in</strong>er Handlung/Ereignis nicht determ<strong>in</strong>istisch ist. Die Tatsache,<br />
dass Informationen bewertet und nach subjektiver Wahrnehmung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Ursache-<br />
Wirkung-Zusammenhang gestellt werden, führt dazu, dass Ereignisse mehrdeutig<br />
s<strong>in</strong>d. In geschlossenen Systemen ist der Endzustand durch se<strong>in</strong>en Anfangszustand<br />
vollkommen determ<strong>in</strong>iert. In offenen Systemen ist dies anders. Ergebnisse im S<strong>in</strong>ne<br />
<strong>von</strong> Zustandsänderungen werden durch die Natur des Prozesses bestimmt und nicht<br />
durch die Anfangszustände. Verschiedene Anfangszustände können zu gleichen<br />
Endzuständen führen (Äquif<strong>in</strong>alität). Umgekehrt können auch verschiedene Ergebnisse<br />
aus den gleichen Ausgangsbed<strong>in</strong>gungen resultieren. Hierdurch könnte sich<br />
schon e<strong>in</strong> erster Erklärungsansatz für die e<strong>in</strong>gangs beschriebene, praktische Observation<br />
ableiten lassen, warum die gleiche Präsentation an zwei verschiedenen Tagen<br />
zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Erklärungsgrundlage ist also das System<br />
bzw. genauer die Art und Weise, wie dieses organisiert ist.<br />
13 Dieser Zusammenhang wird später bei der Bewertung der Vorteile <strong>von</strong> CVC durch viele<br />
Entscheidungsträger im Grossunternehmen und als Basis für e<strong>in</strong>e solide Verankerung (F2) noch<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen<br />
55
4.3. Das Verhalten <strong>von</strong> Menschen im System Unternehmen<br />
Die allgeme<strong>in</strong>en systemtheoretischen Gedanken sowie die eben erläuterten Grundpr<strong>in</strong>zipien<br />
menschlichen Denkens, Handelns und Kommunizierens werden nun mit<br />
e<strong>in</strong>er Unternehmenssituation <strong>in</strong> Zusammenhang gebracht. Das System Unternehmen<br />
bildet die zweite Analyseebene. Ziel ist es zu erkennen, was Menschen <strong>in</strong> ihrer<br />
Funktion als Führungskräfte wahrnehmen, wie sie mite<strong>in</strong>ander kommunizieren und<br />
wie daraus bestimmte Verhaltensweisen e<strong>in</strong>es Unternehmens <strong>in</strong> Entscheidungssituationen,<br />
<strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Bezug auf Innovationen, erklärt werden können.<br />
Was Führungskräfte wahrnehmen, bestimmt sich nach dem oben <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er<br />
Form beschriebenen ersten Selektierungs- und Filterprozess. In e<strong>in</strong>em Unternehmenskontext<br />
bedeutet dies, dass Führungskräfte die verschiedenen Quellen <strong>von</strong><br />
Informationen (etwa über Markt, Wettbewerb und die eigene Position) danach<br />
durchleuchten, was ihnen wichtig und wahrnehmenswert ersche<strong>in</strong>t. Im Laufe ihres<br />
Berufslebens haben Führungskräfte e<strong>in</strong>en stabilen und robusten Interpretationsrahmen<br />
entwickelt, wie sie Informationen bewerten, Handlungsalternativen<br />
abwägen und Entscheidungen treffen. Die „L<strong>in</strong>se der Erfahrung” diktiert, was<br />
Manager wahrnehmen, was sie ignorieren, und wie sie ihre Wahrnehmungen<br />
<strong>in</strong>terpretieren (Starbuck/Hedberg, 1977, S. 250). Ähnlich Kiesler/Sproull (1982), die<br />
zeigen, dass die Wahrnehmung e<strong>in</strong>es Managers auf se<strong>in</strong>en historischen Erfahrungen<br />
und nicht auf dem derzeitigen Wissen über die Umwelt basiert. Auf dieser<br />
Grundlage entwickelte Ocasio die „attention-based view of the firm“ (Ocasio, 1997).<br />
H<strong>in</strong>sichtlich des anschliessenden Bewertungsprozesses soll an dieser Stelle e<strong>in</strong>e<br />
weitere Differenzierung vorgenommen werden, <strong>in</strong>dem zwischen Fakten und Werten<br />
unterschieden wird. Was e<strong>in</strong>e Person sieht oder wahrnimmt, be<strong>in</strong>haltet die Art und<br />
Weise, wie e<strong>in</strong> Individuum Handlungen und Ergebnisse def<strong>in</strong>iert. Was e<strong>in</strong>e Person<br />
mag, wie sie also e<strong>in</strong> Ereignis bewertet, be<strong>in</strong>haltet ihre Empf<strong>in</strong>dungen, ihre Werte<br />
und ihren Geschmack. Wenn sowohl die Wahrnehmungen wie die Präferenzen offensichtlich<br />
s<strong>in</strong>d und es e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen, gut def<strong>in</strong>ierten Prozess gibt, aus dem gut<br />
abschätzbare, verlässliche Ergebnisse resultieren, dann „sieht bzw. mag sie, was gesehen<br />
bzw. gemocht werden kann“ (March/Olsen 1975, S. 162f.). Diese (idealtypische)<br />
Situation ist durch E<strong>in</strong>deutigkeiten gekennzeichnet. Unter Berücksichtigung<br />
der <strong>in</strong> der Realität vorhandenen <strong>in</strong>tra-personellen Beschränkungen spielen Erwartun-<br />
56
gen e<strong>in</strong>e grosse Rolle bei der Wahrnehmung und Bewertung <strong>von</strong> Ereignissen. Erwartungen<br />
(etwa auf Basis <strong>von</strong> Erfahrungen) helfen, das Realisierte zu kontrollieren.<br />
Individuen bedienen sich bei der Bewertung <strong>von</strong> Entscheidungssituationen e<strong>in</strong>em<br />
Bündel vorherrschender und zum<strong>in</strong>dest kurzfristig fixer Werte, Haltungen und<br />
Me<strong>in</strong>ungen. Unter Berücksichtigung der E<strong>in</strong>bettung <strong>von</strong> Entscheidungsträgern <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
Unternehmen sowie das übergeordnete Umfeldsystem (Gesellschaft, Politik) spielen<br />
auch Unternehmenskultur, soziale Normen, Ideologien, Religionen und Politik e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Rolle bei der Wahrnehmung und Deutung <strong>von</strong> Ereignissen.<br />
Was Führungskräfte <strong>in</strong> mehrdeutigen Situationen sehen und wie sie das Gesehene<br />
bewerten, hängt auch massgeblich <strong>von</strong> der Beziehung zu anderen Personen <strong>in</strong> der<br />
Organisation ab. Diese formulieren ihrerseits Erwartungen an andere Kollegen. Die<br />
Beziehungen zwischen Führungskräften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen können unterschieden<br />
werden nach Häufigkeit und Dauer der Kontakte (abhängig <strong>von</strong> persönlichen<br />
Präferenzen und Organisationsstruktur), Grad des Vertrauens zue<strong>in</strong>ander (abhängig<br />
vom Glauben an die Fähigkeiten, Stärke und die Motive des anderen sowie persönlicher<br />
Aff<strong>in</strong>itäten) und Grad der Integration <strong>in</strong> das Unternehmen (vgl. March/Olsen<br />
1975, S. 164f.). E<strong>in</strong>e Person ist <strong>in</strong> dem Masse <strong>in</strong>tegriert, wie sich diese für das Unternehmen<br />
verantwortlich fühlt und sich mit den Handlungen der Organisation und<br />
se<strong>in</strong>er Personen identifiziert.<br />
March/Olsen (1975, S. 163) haben e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>teressante Erkenntnisse h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
Beziehung zwischen Wahrnehmung, Präferenzen, Erwartungen, teilweise <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />
vom Grad der Integration e<strong>in</strong>er Person <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Unternehmen, gezogen. Sie zeigen,<br />
dass e<strong>in</strong> Entscheidungsträger „sieht, was <strong>von</strong> ihm erwartet wird zu sehen, und<br />
dass er das mag, was <strong>von</strong> ihm erwartet wird zu mögen“. Wenn er <strong>in</strong> die Organisation<br />
<strong>in</strong>tegriert ist, wird er das sehen, was er mag („wishful th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g“); und er wird<br />
mögen, was er sieht. Hat er sich h<strong>in</strong>gegen <strong>von</strong> ihr entfremdet, wird er das sehen, was<br />
er nicht mag; und er wird nicht mögen, was er sieht. Andere Personen prägen sehr<br />
stark se<strong>in</strong>e eigene Wahrnehmung, <strong>in</strong>dem er das sehen und mögen wird, was e<strong>in</strong> anderer<br />
Kollege, zu dem er Vertrauen hat, sieht und mag. Im Misstrauensfall wird er<br />
eben das nicht sehen und mögen, was die andere Person sieht bzw. mag. Umgekehrt<br />
wird e<strong>in</strong>e Person Vertrauen zu denjenigen aufbauen, die für ihn relevante Ereignisse<br />
produzieren, die er mag. Sie wird versuchen, den Kontakt zu den Personen, den sie<br />
57
vertraut, zu <strong>in</strong>tensivieren und den Kontakt zu den Personen, denen sie nicht vertraut,<br />
zu vermeiden.<br />
March/Olsen zeigen also, dass Wahrnehmungen und Bewertungen erstens stark mite<strong>in</strong>ander<br />
vernetzt s<strong>in</strong>d und dass diese zweitens <strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong> hohem Masse<br />
durch e<strong>in</strong> vorherrschendes Wertesystem (etwa Normen, Unternehmenskultur, Dogmen/Riten<br />
und Rout<strong>in</strong>en) sowie durch Personen bzw. Kollegen bee<strong>in</strong>flusst werden.<br />
Führungskräfte versuchen andererseits, die eigene Organisation aktiv durch ihre eigenen<br />
Erfahrungen und Interpretationsschemen zu prägen und diese <strong>in</strong> formalen<br />
oder unausgesprochenen Rout<strong>in</strong>en, Vorgehensweisen und Formaten zu kodieren<br />
und zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen. Ihre hohe Stellung <strong>in</strong> der Unternehmenshierarchie<br />
bestätigt Führungskräfte <strong>in</strong> der Richtigkeit ihres Glaubens. Ebenso tendieren Führungskräfte<br />
oft dazu, sich gegenseitig <strong>in</strong> ihren Auffassungen zu verstärken. Wenn<br />
erfahrene Manager lange Zeit zusammen arbeiten, dann entwickeln sie e<strong>in</strong>e Reihe<br />
<strong>von</strong> Glaubensgrundsätzen oder e<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ante Logik für das Unternehmen,<br />
basierend auf ihrer Erfahrung <strong>in</strong> der Vergangenheit. (Prahalad/Bettis, 1986).<br />
Mitarbeiter passen sich meist dem Interpretationsmuster ihrer Vorgesetzten an, entweder<br />
aus Überzeugung, weil sie ihre Leistungen anerkennen und sie als Vorbild<br />
sehen, oder aus taktischen Gründen. In diesem Fall identifiziert sich die Person nur<br />
sche<strong>in</strong>bar mit dem Interpretationssystem des Vorgesetzten, um dieses später <strong>in</strong><br />
ihrem S<strong>in</strong>n zu bee<strong>in</strong>flussen und eigene Ziele zu verwirklichen. Dies ist e<strong>in</strong> erstes<br />
Beispiel für das im letzten Kapitel erwähnte „Issue Fram<strong>in</strong>g“.<br />
4.3.1. Der Prozess der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
In den vorangegangenen Kapiteln wurde vor allem auf den Wahrnehmungs- und<br />
Kommunikationsprozess <strong>von</strong> Individuen e<strong>in</strong>gegangen; zunächst allgeme<strong>in</strong>, und zuletzt<br />
e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Unternehmenskontext. In diesem Kapitel soll letzterer<br />
Aspekt weiter vertieft werden, <strong>in</strong>dem der Blick jetzt auf den Prozess der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
<strong>in</strong> Unternehmen gelenkt wird. In e<strong>in</strong>em Unternehmen wirken viele<br />
Individuen mit unterschiedlichen Persönlichkeits- und Motivstrukturen sowie Rollen<br />
und Funktionen zusammen. Diese sowie die durch Rout<strong>in</strong>en und Verfahrensrichtl<strong>in</strong>ien<br />
dokumentierten Erwartungshaltungen s<strong>in</strong>d wichtige unternehmensspezi-<br />
58
fische Faktoren, die das Verhalten e<strong>in</strong>es Entscheidungsträgers generell prägen.<br />
Merkmale, aus denen bestimmte Verhaltensweisen und/oder Entscheidungen<br />
speziell zu Veränderungen bzw. zur Adaption <strong>von</strong> Innovationen resultieren, werden<br />
abschliessend noch e<strong>in</strong>gehender untersucht.<br />
Nach March/Olsen (1994) basiert organisatorische Intelligenz auf zwei<br />
Grundprozessen:<br />
1. Rationale Berechnung: Erwartungen über Auswirkungen <strong>in</strong> der Zukunft<br />
bestimmen die Auswahl aus Alternativen. Der Prozess ist def<strong>in</strong>iert durch Planung,<br />
Analyse, Prognose, Entscheidungsf<strong>in</strong>dung,<br />
2. Lernen aus Erfahrung: Feedback aus vergangener Erfahrung wird genutzt,<br />
um Alternativen abzuwägen. Hier kann der Prozess beschrieben werden<br />
durch Experimentieren und Bewertung („Übung macht den Meister“).<br />
Diese Grundprozesse werden nachfolgend vertieft. Für das Thema dieser Dissertation<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> besonderem Masse jene Theorieansätze und Beiträge wertvoll, bei<br />
denen die Autoren ihre Ideen nicht nur abstrakt erklärt, sondern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en konkreten<br />
Problemzusammenhang gestellt haben; idealerweise e<strong>in</strong>en Kontext, der Ähnlichkeiten<br />
mit dem hier untersuchten aufweist (wie z.B. March/Olsen, 1994; March, 1981).<br />
4.3.2. Rationalität <strong>von</strong> Unternehmensentscheidungen<br />
Es wurde bereits thematisiert, dass <strong>in</strong> den meisten klassischen Theorien vollständige<br />
Information und rationales Handeln <strong>von</strong> Akteuren unterstellt wird. Leider zeigt die<br />
Unternehmenspraxis, dass dies problematische Annahmen s<strong>in</strong>d. Informationen<br />
stehen nur <strong>in</strong> begrenztem Masse zur Verfügung (etwa aufgrund <strong>von</strong> Suchkosten,<br />
zeitlichen Beschränkungen) und auch die Willigkeit und Fähigkeit zur Verarbeitung<br />
<strong>von</strong> Informationen ist meist nur beschränkt vorhanden. Es sche<strong>in</strong>t, als wenn nicht<br />
nur rationale Überlegungen Entscheidungen <strong>in</strong> Unternehmen bee<strong>in</strong>flussen.<br />
Man muss länger suchen, um Theorieansätze zu f<strong>in</strong>den, die diese Umstände stärker<br />
berücksichtigen. Simon (1955) war e<strong>in</strong>er der ersten Forscher, der den Aspekt der<br />
59
eschränkten Rationalität tiefer analysiert hat. Durch March, Cyert und andere Autoren<br />
ist dieser Grundgedanke vertieft worden (March/Simon, 1958; Cyert/March, 1963;<br />
L<strong>in</strong>dblom, 1965). Während sich Simon später stärker mit den Fragen der kognitiven<br />
Rationalität und quantitativen Modellen bzw. Computersimulationen beschäftigte,<br />
wird <strong>in</strong> den nachfolgenden Ausführungen vor allem auf die späteren, teilweise<br />
zusammen mit Olsen entwickelten Ideen e<strong>in</strong>gegangen (<strong>in</strong>sb. March/Olsen, 1994).<br />
Das übergreifende Thema der Arbeiten <strong>von</strong> Simon, March und Olsen ist die<br />
Entwicklung e<strong>in</strong>es Rahmens zur Modellierung und Erklärung des Verhaltens <strong>von</strong><br />
Führungskräften <strong>in</strong> Organisationen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong> komplexes Umfeld e<strong>in</strong>gebettet s<strong>in</strong>d,<br />
und die nur begrenzte Fähigkeiten besitzen, zu verstehen, zu beschreiben, zu<br />
analysieren, Konsequenzen abzuschätzen und zu handeln. Führungskräfte haben<br />
teilweise diffuse Zielvorstellungen, besitzen jedoch die Fähigkeit zu lernen und ihr<br />
Verhalten anzupassen (Ando, 1979, S. 83).<br />
Simon (1955) ersetzt die <strong>in</strong> der klassischen Theorie übliche globale Rationalitätsannahme<br />
durch die des rationalen Verhaltens e<strong>in</strong>es economic man. Die Rationalität<br />
se<strong>in</strong>es Verhaltens wird <strong>in</strong> Abhängigkeit vom Zugang zu Informationen und der<br />
Verarbeitungsfähigkeit und -geschw<strong>in</strong>digkeit dieser Informationen <strong>von</strong> menschlichen<br />
Organismen gesehen. Da Menschen Beschränkungen haben, Informationen zu<br />
verarbeiten und Voraussagen zu treffen, erfüllt das tatsächliche menschliche Verhalten<br />
meist nicht die Anforderungen der „globalen bzw. objektiven Rationalität“.<br />
Rational ist e<strong>in</strong> Verhalten, das h<strong>in</strong>sichtlich spezifizierter Ziele und im Kontext e<strong>in</strong>er<br />
gegebenen Situation angemessen ist (zur Def<strong>in</strong>ition verschiedener Rationalitäten s.<br />
Simon, 1985, S. 294; March, 1978, S. 591). Im Fall <strong>von</strong> objektiver Rationalität werden<br />
die Charakteristika e<strong>in</strong>es Entscheidungsträgers ignoriert und nur Beschränkungen,<br />
die aus dem externen Umfeld resultieren, berücksichtigt. Um objektive Rationalität<br />
abzuleiten, müssen nur die Ziele und die objektiven Charakteristika der Situation<br />
bekannt se<strong>in</strong>. Über die Person des Entscheidungsträgers müssen ke<strong>in</strong>e Kenntnisse<br />
vorliegen. Dies ist der Ansatz, der <strong>in</strong> der Neoklassischen Ökonomie angewandt wird:<br />
Jeder Akteur besitzt e<strong>in</strong>e Nutzenfunktion, durch die sich alle verfügbare<br />
Alternativen e<strong>in</strong>ordnen lassen. In e<strong>in</strong>er Entscheidungssituation wählt der Akteur die<br />
Alternative, die ihm den höchsten (erwarteten) Nutzen stiftet.<br />
60
Bei der procedural oder bounded rationality werden biologische Beschränkungen e<strong>in</strong>es<br />
Menschen berücksichtigt, <strong>in</strong>sbesondere die Tatsache, dass er Begrenzungen<br />
h<strong>in</strong>sichtlich des Wissens und der Verarbeitungsfähigkeiten besitzt. Objektiv rationale<br />
Entscheidungen s<strong>in</strong>d daher nicht möglich. Wenn die Person jedoch Methoden zur<br />
Auswahl anwendet, die so effektiv s<strong>in</strong>d wie es se<strong>in</strong>e Mittel zur Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
und Problemlösung erlauben, spricht man <strong>von</strong> bounded rationality. Um sie<br />
abzuleiten, müssen die Ziele der Person bekannt se<strong>in</strong>; ebenso se<strong>in</strong>e Informationen<br />
und Wahrnehmung der Situation und se<strong>in</strong>e Fähigkeiten, Rückschlüsse aus den<br />
gewonnenen Informationen zu ziehen. Bounded Rationality bedeutet also nicht<br />
Irrationalität. Personen haben gute Gründe, warum sie sich so entscheiden. Andere<br />
mögen e<strong>in</strong> Verhalten als irrational bezeichnen, weil sie Ziele oder Erwartungen<br />
haben, die <strong>von</strong> denen des Entscheidungsträgers abweichen, oder weil dieser andere<br />
Informationen bzw. hieraus andere Schlussfolgerungen gezogen und/oder bestimmte<br />
Alternativen nicht abgewogen hat.<br />
Das Entscheidungsverhalten weicht also meistens vom Ideal ab (Moch/Pondy, 1977).<br />
Aber diese Abweichung, resultierend aus den oben beschriebenen Unsicherheiten<br />
und Intransparenzen ist nicht so unstrukturiert wie es ersche<strong>in</strong>en mag. In den<br />
meisten modernen Theorien wird versucht, im Fall <strong>von</strong> Unsicherheiten Kontrolle<br />
über die Quelle der Unsicherheit zu erreichen oder die Kernprozesse <strong>von</strong> den<br />
unvorhersehbaren bzw. unkontrollierbaren Eventualitäten abzukoppeln. Wenn auf<br />
diese Art (sche<strong>in</strong>bar) Stabilität und Sicherheit wiederhergestellt ist, kann das<br />
Unternehmen wieder rationale Entscheidungen treffen. Die modellhafte<br />
Abkoppelung <strong>von</strong> Unsicherheiten im unternehmerischen Entscheidungsprozess ist<br />
allerd<strong>in</strong>gs für die tatsächliche Unternehmenspraxis oft wenig hilfreich.<br />
March/Olsen (1976) verfolgen <strong>in</strong> ihrem grundlegenden Werk „Ambiguity and Choice<br />
of Organisations“ e<strong>in</strong>en anderen Ansatz. Sie zeigen, dass das, was man als chaotische<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung bezeichnen könnte, <strong>in</strong> Wirklichkeit geordnet und ziemlich<br />
systematisch ist, wenn Unternehmen als „organisierte Anarchien“ betrachtet werden.<br />
Individuen bef<strong>in</strong>den sich hiernach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er hochkomplexen und wenig stabilen<br />
Umgebung. Die Wahlsituation e<strong>in</strong>er Führungskraft wird durch e<strong>in</strong>en Aufnahmebehälter<br />
(garbage can) dargestellt, <strong>in</strong> dem die Teile e<strong>in</strong>es Entscheidungsprozesses<br />
<strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander losgelöst enthalten s<strong>in</strong>d. “A choice situation is a meet<strong>in</strong>g place for<br />
issues and feel<strong>in</strong>gs look<strong>in</strong>g for decisions <strong>in</strong> which they may be aired, solution look<strong>in</strong>g<br />
61
for issues to which they may be an answer, and participants look<strong>in</strong>g for problems or<br />
pleasure“(March/Olsen, 1994, S. 25). Diese unabhängigen und lose verbundenen<br />
Komponenten s<strong>in</strong>d also Probleme, Lösungen, Teilnehmer und Wahlmöglichkeiten.<br />
Die verschiedenen Teilnehmer konstruieren anschliessend Verb<strong>in</strong>dungen zwischen<br />
diesen Elementen. Die vier Elemente werden mite<strong>in</strong>ander komb<strong>in</strong>iert, um hieraus<br />
bestimmte Ergebnisse besser abschätzen zu können.<br />
Die Anzahl der Probleme sowie der Lösungs-/Wahlmöglichkeiten spielt e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Rolle davor, wie die e<strong>in</strong>zelnen Teilnehmer ihre Aufmerksamkeit verteilen<br />
wie Probleme und Lösungen mite<strong>in</strong>ander komb<strong>in</strong>iert werden. Wenn es zu viele<br />
Probleme gibt, dann müssen die Teilnehmer entsprechend ihrer <strong>in</strong>dividuellen<br />
Präferenzen Prioritäten setzen. Die Aufmerksamkeit wird auch durch die<br />
Schwierigkeit, Lösungen für Probleme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gegebenen Wahlmöglichkeit zu<br />
geben, bestimmt. Sehr wichtige Entscheidungen erzeugen Aufmerksamkeit bei sehr<br />
vielen Teilnehmern. Eventuell existieren so viele Probleme und Lösungen, dass<br />
Wahlmöglichkeiten unmöglich werden. Andererseits kann es zu ke<strong>in</strong>er<br />
Entscheidung kommen, wenn relativ unbedeutende Entscheidungen getroffen<br />
werden sollen, da diese kaum Aufmerksamkeit erzeugen. Durch das Garbage can-<br />
Modell können Voraussagen über den Ausgang e<strong>in</strong>es Entscheidungsprozesses<br />
gemacht werden, wenn Umwelt<strong>in</strong>formationen und persönliche Ziele mehrdeutig<br />
s<strong>in</strong>d und die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums über die Zeit variiert.<br />
Entscheidungen werden dann getroffen auf Basis des durch die Teilnehmer<br />
wahrgenommenen Bedürfnisses nach kognitiver und affektiver Konsistenz. Durch<br />
e<strong>in</strong>e Trennung des Prozesses vom Ergebnis zeigen March/Olsen (1994, S. 59 ff.) e<strong>in</strong>en<br />
Weg auf, Muster <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sche<strong>in</strong>bar ungeordneten Auswahlprozess zu erkennen.<br />
March/Olsen ziehen aus der empirischen Anwendung des „Garbage Can Models“<br />
und der damit verbundenen Separierung <strong>von</strong> Wahlmöglichkeiten, Problemen,<br />
Lösungen und Teilnehmern e<strong>in</strong>ige für die Forschungsfrage <strong>in</strong>teressante<br />
Schlussfolgerungen:<br />
62<br />
1. Dem Entscheidungsprozess selbst ist e<strong>in</strong>e Bedeutung zu entnehmen:<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung wird zu e<strong>in</strong>em sozialen Ritual, das wenig oder gar<br />
nichts mit dem (beabsichtigten) Ergebnis zu tun hat. Entscheidungsträger<br />
bee<strong>in</strong>flussen sich gegenseitig, um soziale Beziehungen zu verändern oder zu
estätigen. Das Verhalten wird auch durch die Organisation selbst bee<strong>in</strong>flusst,<br />
ihre Vertrauenswürdigkeit, Tugendhaftigkeit, durch den aktuellen Status<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Organisation, durch den Wunsch zum Erhalt oder der<br />
Veränderung <strong>von</strong> Freundschaften („sich gegenseitig e<strong>in</strong>en Gefallen tun“),<br />
durch Vertrauensboni, Loyalität und Legitimität und durch e<strong>in</strong> etwaiges<br />
Gruppen<strong>in</strong>teresse. Kurzum: Der formale Entscheidungsprozess ist manchmal<br />
direkt verbunden mit dem Erhalt oder der Veränderung des Unternehmens<br />
als soziale E<strong>in</strong>heit und mit der Fähigkeit, Gruppenentscheidungen herbeizuführen.<br />
Damit lösen sich March/Olsen <strong>von</strong> der üblichen Annahme, dass nur<br />
die Ergebnisse dem Prozess e<strong>in</strong>e Bedeutung verleihen. Das rationale Modell<br />
kann umgedreht werden. Die Intention kommt dann vor dem Problem.<br />
2. Unternehmen orientieren sich gern direkt an Lösungen. Wenn Unternehmen<br />
Änderungen vornehmen, dann sche<strong>in</strong>en diese Veränderungen weniger durch<br />
Probleme als durch Lösungen getrieben zu se<strong>in</strong> (Cyert / March, 1963): Für<br />
dieses Phänomen werden <strong>in</strong> der Literatur drei Erklärungen angeführt:<br />
Unternehmen haben e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>von</strong> etwa gleichwichtigen<br />
Problemen, aber nur wenige Lösungen. Die Chance e<strong>in</strong>e Lösung für e<strong>in</strong><br />
bestimmtes Problem zu f<strong>in</strong>den, ist relativ ger<strong>in</strong>g. Wenn man mit der<br />
Lösung beg<strong>in</strong>nt, besteht die Chance, damit gleich mehrere Probleme zu<br />
lösen. Also sucht das Unternehmen gleich nach Lösungen,<br />
die Verb<strong>in</strong>dung zwischen <strong>in</strong>dividuellen Lösungen und <strong>in</strong>dividuellen<br />
Problemen kann schwer e<strong>in</strong>deutig dargestellt werden. Fast jede Lösung<br />
kann mit fast jedem Problem verbunden werden, wenn sie zur gleichen<br />
Zeit auftauchen (Cohen/March/Olsen, 1972; March/Olssen, 1975). Wenn<br />
die Kausalitäten mehrdeutig s<strong>in</strong>d, dann ist die Motivation,<br />
Anpassungen durch bestimmte Lösungen herbeizuführen, m<strong>in</strong>destens<br />
so gross wie die Motivation, bestimmte Probleme zu lösen. Viele<br />
Veränderungen können besser durch Lösungen vorausgesagt werden<br />
als durch die Kenntnis <strong>von</strong> Problemen,<br />
Veränderung wird durch Erfolg stimuliert, nicht durch Schaden oder<br />
Elend; weniger durch das Bewusstse<strong>in</strong> <strong>von</strong> Problemen und mehr durch<br />
das Bewusstse<strong>in</strong> <strong>von</strong> Kompetenz und den Glauben, dass Veränderung<br />
63
64<br />
möglich ist. (Daft/Becker, 1978). „Probleme s<strong>in</strong>d da, um gelöst zu<br />
werden“ 14 ,<br />
3. (Organizational) Slack, <strong>von</strong> March/Olsen def<strong>in</strong>iert als “difference between<br />
exist<strong>in</strong>g resources and activated demands“ 15 (March/Olsen, 1994, S. 87) besitzt<br />
e<strong>in</strong>e grosse Bedeutung für den Entscheidungsprozess. Slack vergrössert die<br />
Anzahl der Wahlmöglichkeiten, die an Teilnehmer verteilt werden können. Es<br />
gibt dann für jedes Problem e<strong>in</strong>e Lösung und genug Teilnehmer für Wahlsituationen.<br />
Überschusskapazitäten sorgen dafür, dass immer genug Probleme<br />
für alle möglichen Teilnehmer, Lösungsansätze und Wahlmöglichkeiten<br />
bestehen. Fehlen sie, dann ändert sich die Entscheidungssituation. Es kommt<br />
zu politischem Handeln und Taktieren. Dieses ersetzt rationale<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung, oder anders ausgedrückt: Macht ersetzt Kontext- und<br />
Zufallsfaktoren <strong>in</strong> Wahlsituationen. Organizational Slack für die hier<br />
vorliegende Forschungsfrage e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung,<br />
4. potenzielle Teilnehmer an Entscheidungssituationen müssen ihre Aufmerksamkeit<br />
selektiv e<strong>in</strong>setzen. Zeit und Energie s<strong>in</strong>d knappe Ressourcen (Becker,<br />
1965; L<strong>in</strong>der, 1970). Die Involvierung <strong>in</strong> Entscheidungssituationen ist nicht für<br />
jedermann attraktiv. Sie wird <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Abwägung <strong>von</strong> persönlichen Kosten<br />
und Nutzen abhängig gemacht. Auch wenn Entscheidungssituationen als<br />
relevant erachtet werden, hat möglicherweise das Individuum weder Zeit<br />
noch Energie oder Lust, hier aktiv zu werden. Die Aufmerksamkeit hängt<br />
nicht vom Inhalt e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Wahlsituation ab, sondern <strong>von</strong> den gesammelten<br />
Wahlsituationen, die verfügbar s<strong>in</strong>d. Es gibt also e<strong>in</strong>e Hierarchie der<br />
14 Andererseits versuchen Entscheidungsträger mit allen Mitteln negative Konsequenzen zu vermeiden.<br />
Die eigene Erfahrung hat gezeigt, dass die gleiche Empfehlung mehr Aussicht auf Erfolg<br />
(verstanden als positive Entscheidung) hat, wenn sie als Reaktion auf e<strong>in</strong>e potenzielle<br />
Bedrohungssituation begründet wird anstatt dadurch, neue Chancen nutzen zu wollen. Hiermit<br />
korrespondieren auch die Erkenntnisse <strong>von</strong> Kahneman/Tversky (1979), die zeigen, dass Personen<br />
risikoavers s<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong> Verlust schlimmer erachtet wird als e<strong>in</strong> gleich grosser Gew<strong>in</strong>n.<br />
15 Es ist schwer, <strong>in</strong> der Literatur e<strong>in</strong>e überzeugende Def<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> Organizational Slack zu f<strong>in</strong>den. Im<br />
Zusammenhang mit der hier vorliegenden Forschungsfrage soll Organizational Slack def<strong>in</strong>iert<br />
werden als f<strong>in</strong>anzielle und personelle Ressourcen, die e<strong>in</strong> Unternehmen über das gerade notwendige<br />
Mass, um se<strong>in</strong>e Produkte bzw. Dienstleistungen anbieten zu können, vorhält. Die tatsächlich<br />
vorgehaltenen Ressourcen abzüglich der bei vollständiger (technischer) Effizienz notwendigen<br />
Ressourcen ergeben also den Organizational Slack. E<strong>in</strong>e gute deutsche Übersetzung könnte der Begriff<br />
der Überschusskapazität darstellen, der fortan synonym verwendet werden soll.
Attraktivität <strong>von</strong> Wahlsituationen. Es werden <strong>in</strong> Wahrnehmung <strong>von</strong> Eigen<strong>in</strong>teressen<br />
Wahlsituationen mit der höchsten erwarteten Rendite präferiert. Die<br />
Ableitung <strong>von</strong> gut def<strong>in</strong>ierten Präferenzfunktionen ist jedoch nicht möglich,<br />
da Individuen e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>von</strong> Präferenzen und Glaubensmustern haben.<br />
Dies erzeugt Komplexität. Entscheidungssituationen haben bestimmte kurzfristige<br />
und längerfristige Auswirkungen. Die Gewichtung dieser ist subjektiv<br />
und zeitabhängig. Zu bestimmten Zeiten haben bestimmte Werte mehr Bedeutung<br />
als andere. Bestimmte Themen erzeugen Aufmerksamkeit, unabhängig<br />
<strong>von</strong> deren praktischem Nutzen (Cyert/March, 1963). Glauben und Präferenzen<br />
s<strong>in</strong>d gleichermassen Folge und Voraussetzungen des Verhaltens.<br />
Motive und Intentionen werden im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> abgeleitet. In e<strong>in</strong>em<br />
Unternehmen s<strong>in</strong>d die Freiheiten, Entscheidungssituationen nach<br />
persönlichen Motiven auszuwählen, e<strong>in</strong>geschränkt. Es gibt Rollen, Pflichten<br />
und Rout<strong>in</strong>en, die e<strong>in</strong> bestimmtes Verhalten vorschreiben. Es werden Erwartungen<br />
formuliert, dass Führungskräfte unabhängig <strong>von</strong> ihrer persönlichen<br />
Präferenz bestimmte Entscheidungen treffen und wie sie diese treffen.<br />
5. Entscheidungen s<strong>in</strong>d zeitabhängig: Je länger z.B. e<strong>in</strong>e Wahlsituation aktiv ist,<br />
desto mehr Teilnehmer möchten auf die Entscheidungsf<strong>in</strong>dung E<strong>in</strong>fluss nehmen.<br />
Ergebnisse <strong>von</strong> Entscheidungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Funktion des Tim<strong>in</strong>gs <strong>von</strong><br />
Wahlmöglichkeiten, Situationen, Problemen und der Verfügbarkeit <strong>von</strong> Teilnehmern.<br />
Die Kontextbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er Entscheidung s<strong>in</strong>d sehr dynamisch<br />
aufgrund <strong>von</strong> umfangreichen Beziehungen zwischen den organisatorischen<br />
Teilnehmern, ihren Problemen und Lösungen. Damit s<strong>in</strong>d die Struktur des<br />
<strong>in</strong>ternen Prozesses und die Ergebnisse <strong>in</strong> sehr hohem Masse zeitabhängig.<br />
4.3.3. Lernprozesse <strong>in</strong> Unternehmen<br />
Entscheidungsalternativen werden nicht nur durch e<strong>in</strong>e mehr oder weniger rationale<br />
Abwägung <strong>von</strong> Konsequenzen bewertet, sondern auch durch Verarbeitung vergangener<br />
Erfahrungen. Auf letzteren Aspekt soll jetzt näher e<strong>in</strong>gegangen werden. E<strong>in</strong><br />
Unternehmen gew<strong>in</strong>nt zunehmend an Erfahrung, wie es mit der Umwelt und mit<br />
<strong>in</strong>ternen Problemen umzugehen hat. Üblicherweise bewahren Unternehmen die<br />
Früchte ihres Lernens durch Formalisierung (Starbuck, 1967, S. 480). Man glaubt,<br />
65
dass die „Massenproduktion“ beg<strong>in</strong>nen kann, wenn das Problem e<strong>in</strong>mal gelöst ist<br />
(Perrow, 1970, S. 68; Cyert/March 1963, S. 99). Systemtheoretisch kann dies wie folgt<br />
modelliert werden (March/Olsen 1975, S. 15716 ):<br />
66<br />
- Es existiert e<strong>in</strong>e Anzahl <strong>von</strong> Zuständen des Systems (Organisation). Zu jedem<br />
Zeitpunkt präferiert das System bestimmte Zustände,<br />
- es existiert e<strong>in</strong>e externe Quelle <strong>von</strong> Störungen und Schocks für dieses<br />
System. Diese Schocks können nicht kontrolliert werden,<br />
- es existiert e<strong>in</strong>e Anzahl <strong>von</strong> Entscheidungsvariablen <strong>in</strong>nerhalb des Systems.<br />
Diese Variablen werden durch bestimmte Entscheidungsregeln bee<strong>in</strong>flusst,<br />
- jede Komb<strong>in</strong>ation <strong>von</strong> externen Schocks und Entscheidungsvariablen <strong>in</strong><br />
dem System verändert den Zustand des Systems. Wenn e<strong>in</strong> bestimmter<br />
Zustand, e<strong>in</strong> bestimmter externer Schock und e<strong>in</strong>e Entscheidung gegeben<br />
s<strong>in</strong>d, dann ist der nächste Zustand bestimmt,<br />
- jene Entscheidungsregel, die zu e<strong>in</strong>em präferierten Zustand gegenüber<br />
e<strong>in</strong>em bestimmten Punkt führt, wird mit höherer Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit <strong>in</strong> der<br />
Zukunft benutzt als dies <strong>in</strong> der Vergangenheit der Fall war.<br />
Solange dieser Zyklus funktioniert, können <strong>in</strong> der Tat die Pr<strong>in</strong>zipien der<br />
Wiederholung und „Massenproduktion“ angewandt werden. Unternehmen passen<br />
so ihr Verhalten mit zunehmender Erfahrung an und lernen ständig dazu. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
lernen Unternehmen nicht immer dazu bzw. scheitern daran, sich zu verbessern.<br />
Dies wird üblicherweise durch organisatorischen Starrheiten, mangelnder<br />
Motivation oder e<strong>in</strong>em anderen „Fehler“ der Organisation begründet. All dies sorgt<br />
dafür, dass Veränderungen verh<strong>in</strong>dert werden, obwohl diese auf Basis der<br />
Erfahrung eigentlich hätten akzeptiert werden müssen. Offenbar wird auch<br />
h<strong>in</strong>sichtlich des Lernens der Anspruch der objektiven Rationalität erhoben.<br />
Abweichungen zwischen dem Soll- und dem tatsächlichen Verhalten werden<br />
üblicherweise als Starrheiten oder Friktionen im System negativ bewertet.<br />
16 Hierauf basieren auch die weiteren Ausführungen dieses Kapitels.
March/Olsen (1975) gehen den Ursachen auf die Spur, warum Unternehmen aus<br />
Erfahrung nicht immer lernen. Aufbauend auf dem bounded rationality Konzept<br />
haben auch Führungskräfte nur beschränkte Möglichkeiten, bestimmte<br />
Konsequenzen abzuschätzen und Ereignisse zu kontrollieren. Sie lernen <strong>in</strong><br />
mehrdeutigen Situationen. Das heisst, es bestehen zunächst e<strong>in</strong>mal Unklarkeiten<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der E<strong>in</strong>ordnung und Bewertung e<strong>in</strong>es Ereignisses. Sie <strong>in</strong>terpretieren das,<br />
was passiert ist, und warum dies passiert ist auf Basis ihrer Erfahrung und bewerten<br />
das Ereignis. Hieraus werden bestimmte Handlungen abgeleitet. Die Reaktionen<br />
darauf werden als Erfolg und Misserfolg gedeutet.<br />
Auf Basis des bereits vorgestellten allgeme<strong>in</strong>en Rückkopplungsmodells der<br />
Systemtheorie, modellieren March/Olsen (1975) den Prozess der<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung (Abb. 4).<br />
Abb. 4: Allgeme<strong>in</strong>es Schema der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
Abweichung<br />
zwischen dem,<br />
wie die Welt se<strong>in</strong><br />
sollte und wie<br />
sie ist<br />
Individueller Glaube<br />
(pers.Wahrnehmung<br />
und Präferenzen)<br />
Reaktion<br />
der Umwelt<br />
Individuelles<br />
Verhalten und<br />
Handlung<br />
Handlung und<br />
Verhalten des<br />
Unternehmens<br />
Quelle: eigene Darstellung, basierend auf March/Olsen (1975)<br />
67
Es wird zunächst e<strong>in</strong>e Abweichung zwischen dem, wie die Welt se<strong>in</strong> sollte und wie<br />
sie ist, festgestellt. Daraus resultiert e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Verhalten, je nach persönlicher<br />
Wahrnehmung und Präferenzen. Aus e<strong>in</strong>er Aggregation <strong>in</strong>dividuellen Verhaltens<br />
resultiert e<strong>in</strong> Verhalten bzw. e<strong>in</strong>e Handlung des Unternehmens. Hierauf wird e<strong>in</strong>e<br />
Reaktion der Umwelt wahrgenommen.<br />
Die Detailzusammenhänge s<strong>in</strong>d jedoch weitaus komplexer und weniger e<strong>in</strong>deutig<br />
als man annehmen könnte. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für „Brüche“ und<br />
Mehrdeutigkeiten im System. Diese führen dann zu Schwierigkeiten beim Lernen<br />
(March/Olsen, 1975):<br />
68<br />
Abweichungen zwischen <strong>in</strong>dividuellem Glauben und <strong>in</strong>dividueller<br />
Handlung: Üblicherweise wird <strong>in</strong> der Organisationstheorie unterstellt,<br />
dass Glauben und Verhaltensweisen über die Zeit stabil und so die<br />
Handlungen e<strong>in</strong>es Individuums gut prognostizierbar s<strong>in</strong>d. Ähnlich stabil<br />
sollte auch die Wahrnehmung über die Zeit se<strong>in</strong>. Es wurde allerd<strong>in</strong>gs<br />
gezeigt, dass Personen permanent Auswahlprozessen h<strong>in</strong>sichtlich<br />
Entscheidungssituationen ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Es gibt Unterschiede zwischen<br />
Individuen und bei e<strong>in</strong>em Individuum über die Zeit h<strong>in</strong>sichtlich, wie<br />
Entscheidungssituationen wahrgenommen werden, wie relevant sie<br />
erachtet werden und welche Beziehung zu Glaubens- und<br />
Verhaltensmustern besteht. Es gibt z.B. Verhaltens- und Glaubensmuster<br />
ohne verhaltensmässige Implikationen, etwa wenn Individuen nicht an<br />
Entscheidungssituationen teilnehmen (wollen). Umgekehrt kann es zu<br />
Verhaltensweisen kommen, die nicht aus <strong>in</strong>dividuellen Präferenzen<br />
resultieren („jemandem e<strong>in</strong>en Gefallen tun“). Möglicherweise def<strong>in</strong>ieren<br />
Personen sogar das Eigen<strong>in</strong>teresse im Laufe der Zeit neu.<br />
Abweichungen zwischen <strong>in</strong>dividueller Handlung und der des<br />
Unternehmens: March/Olsen haben mit dem Garbage Can-Modell gezeigt,<br />
dass die Verb<strong>in</strong>dung zwischen <strong>in</strong>dividuellen Handlungen und denen des<br />
Unternehmens oft lose ist. E<strong>in</strong> Entscheidungsprozess kann Eigendynamik<br />
besitzen und Ergebnisse produzieren, die am Ende nicht mehr viel mit der<br />
eigentlichen Problemlösung zu tun haben. Ausserdem s<strong>in</strong>d das Tim<strong>in</strong>g<br />
verschiedener <strong>in</strong>dividueller Handlungen und der sich verändernde
Kontext jeder Handlung <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung für die Erklärung<br />
<strong>von</strong> Handlungen. Sich veränderte Kontexte <strong>in</strong>dividueller Handlungen<br />
können unerwartete Handlungen auslösen.<br />
Abweichung zwischen organisatorischer Handlung und Reaktion der<br />
Umwelt: Handlungen können nur erklärt werden, wenn auch die<br />
Umfeldreaktionen berücksichtigt werden. Manchmal hat das, was im<br />
Umfeld passiert, wenig mit der Handlung des Unternehmens tun. Es ist<br />
das Ergebnis umfangreicher Beziehungen zwischen Ereignissen, anderen<br />
externen Akteuren und Strukturen im Umfeld. Im Ergebnis können die<br />
gleichen Handlungen des Unternehmens unterschiedliche Reaktionen zu<br />
verschiedenen Zeiten auslösen. Unterschiedliche Unternehmenshandlungen<br />
können zur gleichen Reaktion der Umwelt führen (vgl. „Äquif<strong>in</strong>alität,<br />
4.2.2.). Manchmal können Phänomene besser durch die Welt des<br />
Absurden erklärt werden als durch e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung zwischen<br />
Handlung des Unternehmens und Reaktion der Umwelt. Wenn<br />
Mitarbeiter dennoch diese Kausalität herstellen, kommt es zu<br />
abergläubischem („superstitutious“) Lernen. „Many of man`s beliefs, not<br />
only <strong>in</strong> charms and magic, but also <strong>in</strong> medic<strong>in</strong>e, mechanical skills, and<br />
adm<strong>in</strong>istrative techniques probably depend on such superstitious<br />
learn<strong>in</strong>g“ (Hill 1971, S. 75; ähnlich Cohen/March, 1974; Lave/ March, 1975).<br />
Unzweideutige Antworten aus dem Umfeld wird es nur geben, wenn e<strong>in</strong><br />
Unternehmen bestimmte, durch die Umwelt def<strong>in</strong>ierte Grenzen<br />
überschreitet (z.B. erhöht e<strong>in</strong> EVU die Strompreise drastisch). Im<br />
Normalfall gibt es e<strong>in</strong>e Bandbreite möglicher Verhaltensweisen der<br />
Umwelt; und diese s<strong>in</strong>d nur sehr begrenzt durch das Verhalten des<br />
Unternehmens bee<strong>in</strong>flussbar.<br />
Abweichungen zwischen Umweltreaktion und <strong>in</strong>dividuellem Glauben:<br />
Aus dem eben Gesagten folgt, dass Umweltreaktionen meist mehrdeutig<br />
s<strong>in</strong>d. Die Komplexität der Umwelt und deren Veränderung übersteigt die<br />
menschliche Denkfähigkeit. Dazu kommt noch e<strong>in</strong> anderer Aspekt: Gerade<br />
Führungskräfte basieren ihre Interpretationen nur selten auf ihren eigenen<br />
Wahrnehmungen. Sie werden stark durch die Interpretation anderer<br />
Personen geprägt. Ihr Vertrauen <strong>in</strong> die Interpretation hängt damit oft ab<br />
69
70<br />
<strong>von</strong> dem Vertrauen <strong>in</strong> die Person, die dieses Ereignis <strong>in</strong>terpretiert hat. Der<br />
Grad der Mehrdeutigkeit hängt stark <strong>von</strong> der Effizienz der Kanäle ab,<br />
durch die die Interpretationen übermittelt werden.<br />
Jede der Beziehungen <strong>in</strong> dem allgeme<strong>in</strong>en Schema der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung kann<br />
unterbrochen oder verändert werden; immer mit höchst unterschiedlichen<br />
Auswirkungen auf das System Unternehmen: Die <strong>in</strong>dividuelle Intention kontrolliert<br />
nicht komplett das Verhalten der Organisation. Ergebnisse s<strong>in</strong>d nicht das re<strong>in</strong>e<br />
Ergebnis e<strong>in</strong>es Problemlösungsprozesses. Die Umweltreaktion ist nicht <strong>in</strong> allen<br />
Fällen nur abhängig <strong>von</strong> der organisatorischen Handlung. Glauben ist nicht immer<br />
Ergebnis <strong>von</strong> Erfahrung. Ausserdem ist der Zyklus oft bee<strong>in</strong>flusst durch exogene<br />
Faktoren, die ausserhalb der Kontrolle des <strong>in</strong>ternen Prozesses stehen („Die Welt des<br />
Absurden“).<br />
Entscheidungsträger <strong>in</strong> Unternehmen bef<strong>in</strong>den sich also <strong>in</strong> weitaus komplexeren,<br />
wenig stabileren und schwerer verstehbaren Situationen als dies die Standardtheorien<br />
<strong>von</strong> Organizational Choice unterstellen. Sie besitzen nur begrenzte Kontrolle.<br />
Nichtsdestotrotz werden Entscheidungsträger versuchen, die Zusammenhänge zu<br />
verstehen und alles daran setzen, um die Probleme zu lösen und das Unternehmen<br />
<strong>in</strong> die gewünschte Richtung zu bewegen. Sie bee<strong>in</strong>flussen die Handlung des<br />
Unternehmens und diese löst e<strong>in</strong>e Reaktion der Umwelt aus. Wenn aber die weiteren<br />
Ereignisse nur schemenhaft wahrgenommen und bestimmte Kausalzusammenhänge<br />
zwischen den Ereignissen mühsam entwickelt werden können, stellt sich die Frage,<br />
wie Lernen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation möglich ist.<br />
Unter unsicheren, mehrdeutigen Bed<strong>in</strong>gungen ist nach March/Olsen (1975) der<br />
Lernprozess dadurch geprägt, dass oft Er<strong>in</strong>nerungen aus dem organisatorischen Gedächtnis<br />
abgerufen werden. Unternehmen haben Kommunikationsstrukturen, durch<br />
die Individuen und Teile der Organisation unterschiedliche Welten sehen. Die Gelegenheiten,<br />
wann nach Informationen gesucht wird und wofür, ergeben sich nicht<br />
zufällig, sondern hängen <strong>von</strong> Unternehmens- und Umweltfaktoren ab. Unternehmen<br />
besitzen e<strong>in</strong>e Akte bzw. e<strong>in</strong>e Vergangenheit. Man er<strong>in</strong>nert sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
Situation an vergangene Erfahrungen. Wenn e<strong>in</strong> Unternehmen aus e<strong>in</strong>er früheren<br />
Entscheidung negative Konsequenzen ziehen musste und jetzt e<strong>in</strong>e neue Entscheidung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em als ähnlich empfundenen Kontext treffen muss, fällt es schwer, e<strong>in</strong>
positives Votum <strong>in</strong> der neuen Sache zu erreichen. Die Inhalte des Gedächtnisses, also<br />
die gespeicherten Informationen, sowie die Art und Weise, wie das Gedächtnis des<br />
Unternehmens allgeme<strong>in</strong>, über die Zeit und bei bestimmten Untere<strong>in</strong>heiten (Abteilungen,<br />
Bereichen) funktioniert, prägen das Glaubensmuster <strong>von</strong> Unternehmen und<br />
damit stark das Verhalten <strong>von</strong> Führungskräften. Mehrdeutige Entscheidungssituationen<br />
betonen die Wichtigkeit <strong>von</strong> vorherrschenden Werten und Erkenntnissen. Ereignisse<br />
werden mit früheren Ereignissen und dem Verständnis anderer Personen<br />
verbunden und auf Basis <strong>von</strong> Vertrauen zu anderen <strong>in</strong>terpretiert. Dies dient als<br />
Richtschnur für die Ableitung des optimalen Verhaltens. Die Orientierung an vorherrschenden<br />
Glaubensstrukturen erzeugt Sicherheit bei Entscheidungen.<br />
Organisatorische Akteure versuchen genauso wie jedes Individuum, Ereignissen<br />
unter Berücksichtigung dieser Faktoren S<strong>in</strong>n zu verleihen. Sie reagieren bzw. handeln<br />
oft rout<strong>in</strong>emässig. Bestimmte Konventionen, Rout<strong>in</strong>en und Handlungsmuster<br />
können als Hypothese über e<strong>in</strong>en bestimmten Zusammenhang verstanden werden.<br />
Menschen verlassen sich - trotz aller Gefahr der Fehl<strong>in</strong>terpretation - im täglichen<br />
Leben ständig auf solche Hypothesen und das Wiedererkennen bestimmter Muster.<br />
So versuchen sie z.B., durch das Feststellen e<strong>in</strong>er bestimmten Mimik e<strong>in</strong>er Person e<strong>in</strong><br />
zusammenfassendes Bild über den Gemütszustand e<strong>in</strong>er Person abzuleiten. Es wäre<br />
zu komplex und zeitaufwändig und würde auch an <strong>in</strong>tra-personellen Beschränkungen<br />
scheitern, jeden E<strong>in</strong>zelfall <strong>in</strong> aller Tiefe zu analysieren, um bestimmte Erkenntnisse<br />
zu gew<strong>in</strong>nen. Solange e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichend hohe Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit besteht, dass<br />
durch die rout<strong>in</strong>emässige Reaktion e<strong>in</strong>e richtige Handlung vorgenommen wird,<br />
sollte es ausreichend se<strong>in</strong>, nach geübter Praxis zu handeln. Dieses Schema f<strong>in</strong>det<br />
auch im System Unternehmen Anwendung.<br />
Mangelnde Klarheit der Situation oder des Feedbacks ermöglichen unterschiedliche<br />
Interpretationsmöglichkeiten. Es hängt auch <strong>von</strong> der Motivation e<strong>in</strong>es Individuums<br />
ab, welche Interpretation e<strong>in</strong>er anderen vorgezogen wird. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong> „alten“, traditionellen<br />
Märkten erfolgreiche Führungskraft könnte wenig motiviert se<strong>in</strong>, Innovationen<br />
zu unterstützen. Sie könnte fürchten, dass die eigene (Macht-) Position durch die<br />
damit e<strong>in</strong>hergehenden Veränderungen gefährdet se<strong>in</strong> könnte.<br />
Menschen mögen – wie vorh<strong>in</strong> gezeigt wurde - Sicherheit und Berechenbarkeit und<br />
scheuen sich vor komplexen, mehrdeutigen und schwer verstehbaren Situationen.<br />
71
Sie haben e<strong>in</strong>e Vorliebe für e<strong>in</strong>fache, erprobte Lösungen. Bestimmte Rout<strong>in</strong>en und<br />
Glaubensstrukturen haben deshalb e<strong>in</strong>e so grosse Bedeutung, weil sich damit<br />
Komplexität erheblich reduzieren lässt. In der Summe führen die eben dargestellten<br />
Verhaltensmuster dazu, dass <strong>in</strong> starkem Masse Fähigkeiten, Abläufe und Entscheidungsregeln<br />
auf Basis vergangener Erfahrungen entwickelt und <strong>von</strong> anderen<br />
Mitarbeitern, sofern sie sich <strong>in</strong> das Unternehmen <strong>in</strong>tegriert fühlen, adaptiert werden.<br />
Je mehr Bestätigung und Bestärkung diese Werte erfahren, desto mehr bee<strong>in</strong>flussen<br />
sie die Art und Weise, wie Mitarbeiter <strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten<br />
Umweltsituation reagieren. Mögliche Änderungen im eigenen Handeln werden im<br />
Kontext altbekannter Muster gefunden, überlegt und bewertet. Es kommt zu ständig<br />
sich verstärkenden Schleifen und Rückkopplungsprozessen im Unternehmen, die<br />
den Wert <strong>von</strong> erfahrungsbasiertem Wissen sehr stark betonen.<br />
Hierdurch lässt sich auch erklären, dass der potenzielle Entwicklungspfad <strong>von</strong><br />
unternehmerischem Wissen und Fähigkeiten e<strong>in</strong>e Funktion <strong>von</strong> bisherigem Wissen<br />
und Fähigkeiten ist. Die Suche wird oft als „lokal“, also nahe an existierendem<br />
Wissen und Fähigkeiten, bezeichnet. Bestehende Fähigkeiten werden graduell<br />
angepasst (Keil, 2004). Nach Gavetti und Lev<strong>in</strong>thal (2000) ist es sogar für den erfolgreichen<br />
Aufbau <strong>von</strong> Kompetenzen notwendig, dass Unternehmen dem lokalen<br />
Suchpfad folgen. E<strong>in</strong> Nachteil der lokalen Suche ist die Gefahr, dass Unternehmen <strong>in</strong><br />
Kompetenzfallen gefangen s<strong>in</strong>d, wenn aufgrund geänderter Umfeldbed<strong>in</strong>gungen<br />
Fähigkeiten benötigt werden, die erheblich <strong>von</strong> den bisherigen abweichen und die<br />
auch ke<strong>in</strong>en Bezug zu ihnen aufweisen (Leonard-Barton, 1992). Die Historie des<br />
Unternehmens beschränkt se<strong>in</strong> Verhalten <strong>in</strong> der Zukunft (March/Simon, 1958;<br />
Levitt/March, 1988; Teece, 1988). In sich schnell verändernden Umwelten haben<br />
Führungskräfte oft Probleme, ihr mentales Modell anzupassen. Dies führt zu e<strong>in</strong>er<br />
nachlassenden Leistung des Unternehmens (Barr/Stimpert/Huff, 1992; Brown/<br />
Eisenhardt, 1998). Wenn zudem e<strong>in</strong>e neue Technologie am Markt<br />
„kompentenzzerstörend“ ist, dann tendieren etablierte Unternehmen (an den sich<br />
daraus ergebenden Herausforderungen, Anm. des Autors) zu scheitern (Tushman/<br />
Anderson, 1986; Henderson/Clark, 1990). Ähnlich Mitchell (1989) und Tripsas (1997),<br />
die zeigen, dass die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit des Scheiterns für e<strong>in</strong> Unternehmen grösser<br />
ist, wenn e<strong>in</strong>e neue Technologie den Wert der bestehenden Assets zerstört.<br />
72
Es existiert e<strong>in</strong>e umfangreiche Forschung – <strong>in</strong>sbesondere Fähigkeiten basierte Ansätze,<br />
„capability based view of the company - dazu, wie bestehende (technologische)<br />
Fähigkeiten, codiert <strong>in</strong> Rout<strong>in</strong>en und Prozessen die Anpassungsfähigkeit <strong>von</strong> Unternehmen<br />
auf Umweltveränderungen limitieren (Arrow, 1974; Nelson/W<strong>in</strong>ter 1982;<br />
Teece/Pisano/Shuen, 1997). Tiefer e<strong>in</strong>gegangen werden soll nur auf die Auswirkungen<br />
auf die Ressourcenallokation <strong>von</strong> grossen Unternehmen, da diese für die weitere<br />
Arbeit sehr wertvoll s<strong>in</strong>d. Immer wieder wird im Laufe der Arbeit auf den klassischen<br />
Ressourcenallokationsprozess Bezug genommen; allerd<strong>in</strong>gs mit veränderten<br />
Blickw<strong>in</strong>keln und/oder Detaillierungsebenen. Zunächst sollen verstärkt Aspekte der<br />
Wahrnehmung analysiert werden, um zu erklären, warum Unternehmen dazu neigen,<br />
Technologien zu entwickeln, die die bestehenden Ressourcen komplementieren<br />
(Teece, 1986; Helfat, 1997) und verstärkt <strong>in</strong> ihre angestammten Märkte und Technologien<br />
<strong>in</strong>vestieren und nicht <strong>in</strong> Innovationen.<br />
Beispiel: Ressourcen-Allokationsmechanismus (nach Bower/Burgelman)<br />
Teil I: Wahrnehmung <strong>von</strong> Innovationen<br />
Der Ressourcen-Allokationsmechanismus funktioniert nach e<strong>in</strong>em meist schon viele Jahre<br />
bewährten Ritual, das <strong>in</strong> vielen Unternehmen ähnlich abläuft und als <strong>in</strong>stitutionalisiert zu bezeichnen<br />
ist 1 . Unternehmen verteilen die Ressourcen entsprechend e<strong>in</strong>em bestimmten Vorschlag.<br />
Der entsprechende Ressourcen-Allokationsprozess ist durch Bower/Burgelman anschaulich<br />
modelliert worden (Bower, 1970; Burgelman, 1983a; Burgelman, 1983b;<br />
Noda/Bower, 1996). E<strong>in</strong> wesentliches Element dieses Modells ist die Beschreibung des<br />
Prozesses, wie e<strong>in</strong> impetus aufgebaut wird, also jene „Kraft, die das Projekt nach vorne<br />
treibt“ (Bower, 1970, S. 70).<br />
Christensen and Bower zeigen, dass der impetus, Ressourcen freizugeben, stark durch die<br />
Kunden <strong>in</strong> den bestehenden Märkten bestimmt wird.<br />
Neue Technologien<br />
verfügen zum<strong>in</strong>dest anfangs oft über e<strong>in</strong>e niedrigere Performance im klassischen S<strong>in</strong>ne,<br />
haben aber das Potenzial, neue Bedarfe zu wecken und neue Anwendungen zu f<strong>in</strong>den,<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage, neue Kundengruppen zu adressieren, die die neuen Eigenschaften<br />
schätzen,<br />
erzeugen e<strong>in</strong>e signifikante Veränderung des zu Grunde liegenden Geschäftsmodells<br />
(Christensen/Bower, 1996; Christensen, 1997)<br />
Wenn – was oftmals der Fall ist - die Vorzüge e<strong>in</strong>er neuen Technologie anfangs nur <strong>in</strong> neuen<br />
Marktsegmenten sichtbar s<strong>in</strong>d und nicht <strong>in</strong> bestehenden Märkten, dann wird über den<br />
üblichen Ressourcenallokationsmechanismus dieser ke<strong>in</strong>e Ressourcen zugeteilt<br />
(Christensen/Bower, 1996, S. 198). Investmentopportunitäten <strong>in</strong> Innovationen werden durch<br />
die Brille des traditionellen Geschäftes bewertet. Bower unterstreicht, dass <strong>in</strong> guten<br />
Unternehmen der Ressourcen-Allokationsmechanismus so konzipiert worden ist, dass<br />
Projekte, die e<strong>in</strong>e bessere Produktperformance liefern, bestehende (Gross-) Kunden besser<br />
bedienen und das existierende Geschäftsmodell fördern, priorisiert werden (Bower, 1970).<br />
Dieser benachteiligt Investitionen <strong>von</strong> Ressourcen <strong>in</strong> neue Technologien.<br />
1) siehe auch Gilbert (o.J., (2), S. 11)<br />
73
Burgelman (2003) bezeichnet es als „Disruptive Technology Dilemma“, wenn der traditionelle<br />
Resourcen-Allokationsprozess <strong>in</strong> etablierten Unternehmen durch anhaltenden<br />
Erfolg aus dem externen Umfeld bestärkt wird, auch wenn sich die Führungskräfte<br />
über die Gefahren und Schwächen e<strong>in</strong>er solchen Strategie im Klaren s<strong>in</strong>d. Er<br />
sieht das Problem dar<strong>in</strong>, dass das Top-Management <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es strategischen<br />
Kontextes agiert. Ebenso f<strong>in</strong>det der Ressourcen-Allokationsprozess <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />
def<strong>in</strong>ierten strategischen Rahmens statt. Notwendig wäre jedoch auch e<strong>in</strong>e Kompetenz,<br />
über den strategischen Kontext selbst nachzudenken; etwa über potenzielle<br />
Substitute, resultierend aus disruptiven Technologien. Eigentlich müsste e<strong>in</strong> Prozess<br />
zur Bestimmung e<strong>in</strong>es neuen Kontextes gestartet werden. Da diese Initiativen<br />
naturgemäss höhere Unsicherheiten und Risiken bergen (für das Unternehmen wie<br />
auch für die Führungskräfte persönlich), werden sie entweder aus der<br />
Wahrnehmung ausblendet oder verworfen17 .<br />
4.3.4. Veränderungsprozesse und Friktionen<br />
Veränderungen <strong>von</strong> Unternehmen können als Ergebnis e<strong>in</strong>es Lernprozesses verstanden<br />
werden. In der Literatur werden üblicherweise zwei Formen des Lernens unterschieden:<br />
Als kont<strong>in</strong>uierliches Lernen werden jene Lernprozesse verstanden, die <strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>es bestehenden Bezugsrahmens stattf<strong>in</strong>den. Diskont<strong>in</strong>uierliches Lernen ist<br />
dadurch geprägt, dass das Unternehmen lernt, wann es Zeit ist, den Wert des auf Erfahrung<br />
basierten Wissens zu relativieren und den Bezugsrahmen selbst zu ändern.<br />
Kont<strong>in</strong>uierliches Lernen<br />
Soziale Systeme s<strong>in</strong>d dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Regeln (Gesetze,<br />
Normen, ethische Grundlagen) existieren, auf Basis derer Individuen <strong>in</strong>teragieren<br />
bzw. zusammenarbeiten. In Unternehmen erweitern die beschriebenen Rout<strong>in</strong>en,<br />
17 Aber selbst wenn die Bedrohung rechtzeitig erkannt wird und hohe Investitionen <strong>in</strong> neue<br />
Technologien erfolgen, bedeutet dies nicht, dass diese Mittel auch e<strong>in</strong>e effektive Reaktion auf die<br />
neuen Herausforderungen darstellen. Kodak z.B. hat tatsächlich hohe Investitionen <strong>in</strong> digitale<br />
Technologie vorgenommen. Aber anstatt neue Märkte zu f<strong>in</strong>den, die sich für den E<strong>in</strong>satz der neuen<br />
Technologie besonders gut eignen (etwa private Heimanwendungen), machte Kodak den Fehler, die<br />
neue Technologie <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> digitalen Kiosken <strong>in</strong> ihre traditionellen Vertriebsorganisation, also <strong>in</strong><br />
bestehende Märkten, zu platzieren (Gilbert, 2002, S. 4f.)<br />
74
Glaubensgrundsätze, Anreizsysteme bzw. das organisatorische Gedächtnis diesen<br />
Rahmen. All dies def<strong>in</strong>iert die Grenzen der Freiheit des eigenen Denken und Handelns<br />
sowie die Lernmotivation. Da dieser Rahmen allgeme<strong>in</strong> akzeptiert ist, halten<br />
sich die meisten Personen an diese Regeln. Die Mitglieder e<strong>in</strong>es Systems bewegen<br />
sich <strong>in</strong>nerhalb dieses Handlungsrahmens. So wird weitgehende Stabilität erreicht.<br />
Verhalten, das diese Grenzen verletzt, wird korrigiert. Es kommt – <strong>in</strong> der Sprache der<br />
Systemtheorie - zu negativen Rückkopplungen, die stabilisierende Wirkung haben.<br />
Üblicherweise bieten diese Grenzen dem Individuum genügend Spielraum für die<br />
optimale Bewältigung der ihm zugewiesenen Aufgabe im Unternehmen. Sie s<strong>in</strong>d<br />
eher Schutz und ke<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis (ähnlich Watzlawick/ Beav<strong>in</strong>/Jackson, 2003, S. 136).<br />
Wie eben gezeigt wurde, geben <strong>in</strong>sbesondere Rout<strong>in</strong>en und Glaubensgrundsätze<br />
Führungskräften e<strong>in</strong>e Hilfestellung, <strong>in</strong> mehrdeutigen Situationen und bei schwer <strong>in</strong>terpretierbaren<br />
Signalen aus dem Umfeld gute Entscheidungen zu treffen. Gespeist<br />
durch positive Erfahrungen <strong>in</strong> der Vergangenheit werden Verhaltensweisen vorgeschlagen,<br />
die e<strong>in</strong>e höhere Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit be<strong>in</strong>halten, dass die so abgeleitete Reaktion<br />
angemessen und richtig ist.<br />
March (1981) führt aus, dass Unternehmen sich permanent und rout<strong>in</strong>emässig aufgrund<br />
ständiger Rückkoppelungsprozesse verändern. Er sieht die meisten Veränderungen<br />
<strong>in</strong> Organisationen weder aus aussergewöhnlichen organisatorischen Prozessen<br />
oder Kräften oder ungewöhnlichen, genialen E<strong>in</strong>fällen resultieren, sondern aus<br />
wenigen, relativ stabilen Rout<strong>in</strong>eprozessen, durch die das Unternehmen mit ihrem<br />
Umfeld verbunden wird. Veränderungen f<strong>in</strong>den statt, weil die Mitarbeiter die meiste<br />
Zeit über das tun, was sie tun sollen (March, 1981). Sie s<strong>in</strong>d aufmerksam bezüglich<br />
dessen, was <strong>in</strong> der Umwelt und <strong>in</strong> Bezug auf ihren Aufgabenbereich geschieht. Was<br />
allgeme<strong>in</strong> als Organizational Change bezeichnet wird, ist die Ökologie, gleichzeitig<br />
Antworten <strong>in</strong> verschiedenen Teilen der Organisation auf verschiedene, mite<strong>in</strong>ander<br />
vernetzte Teile des Umfeldes zu f<strong>in</strong>den (March, 1981, S. 564). Falls sich das Umfeld<br />
schnell verändert, werden sich auch die Antworten stabiler Organisationen zunehmend<br />
verändern. Die so stattf<strong>in</strong>denden Mikroveränderungen können jedoch nicht<br />
beliebig kontrolliert werden. Unternehmen tun selten das, was sie eigentlich tun<br />
sollten (March, 1981). In e<strong>in</strong>em mehrdeutigen Umfeld können solche Veränderungen<br />
manchmal zu schwer prognostizierbaren Ergebnissen führen. In der Organisationsforschung<br />
werden viele Versuche beschrieben, Veränderungen gezielt herbeizuführen.<br />
Die meisten waren nicht erfolgreich, weil sich die Organisation weigerte,<br />
75
estimmte Veränderungen anzunehmen (March, 1981). Berichte über gescheiterte<br />
Implementierungen offenbaren jedoch, dass die Unternehmen ke<strong>in</strong>eswegs starr oder<br />
unflexibel s<strong>in</strong>d, sondern dass sie extrem e<strong>in</strong>fallsreich s<strong>in</strong>d (Pressman/Wildavsky,<br />
1973; Bardach, 1977). Unternehmen verändern sich, aber sie verändern sich nicht so<br />
wie <strong>von</strong> e<strong>in</strong>zelnen Gruppen erwartet (Attewell/Gerste<strong>in</strong>, 1979). Diese Diskrepanz mit<br />
ihren eigenen Erwartungen bewerten diese negativ, <strong>in</strong>dem sie Unternehmen<br />
Starrheit unterstellen. Andererseits sollte Flexibilität auch nicht mit org. Effektivität<br />
verwechselt werden (e<strong>in</strong>e tiefergehende Diskussion hierüber erfolgt <strong>in</strong> Kapitel 7.2.1.).<br />
Diskont<strong>in</strong>uierliches Lernen<br />
Wenn sich das Umfeld durch anbahnende Innovationen oder auch h<strong>in</strong>sichtlich des<br />
regulatorischen Umfeldes verändert, können „Leitplanken“ und Hilfsmittel <strong>in</strong> Form<br />
<strong>von</strong> gewohnten Rout<strong>in</strong>en, Glaubensgrundsätzen ihre Entscheidungen optimierende<br />
Bedeutung verlieren.<br />
Manchmal müssen auch die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für Verhaltensanpassungen angepasst<br />
werden und Kalibrierungen des Systems erfolgen, wenn gewöhnliche, erlernte<br />
Verhaltensweisen immer mehr zu unerwarteten, unangepassten Ergebnissen führen.<br />
Oft allerd<strong>in</strong>gs werden die eigentlich notwendigen Anpassungen nicht vorgenommen.<br />
Es kommt zu Friktionen, wenn sich die Umwelt schnell verändert relativ<br />
zu dem Anpassungsprozess <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen. Unternehmen halten länger als<br />
s<strong>in</strong>nvoll an alten Glaubensstrukturen fest und wenden Entscheidungsregeln an, die<br />
den veränderten Umweltbed<strong>in</strong>gungen nicht mehr angemessen s<strong>in</strong>d. Diese<br />
Fehlentwicklung wird begünstigt durch mehrere Faktoren:<br />
Erstens besteht e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Neigung <strong>von</strong> Unternehmen dar<strong>in</strong>, vorhandene<br />
bzw. bewiesene Kompetenz zu multiplizieren (March, 1981). Unternehmen haben<br />
Prozeduren, um potenziell relevante Personen (mit unterschiedlichem Status, Wissen<br />
und Interessen) <strong>in</strong> den Entscheidungsprozess e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den. Individuen, die vermehrt<br />
<strong>in</strong> Entscheidungssituationen <strong>in</strong>volviert s<strong>in</strong>d, werden zunehmend kompetenter als<br />
andere und bee<strong>in</strong>flussen e<strong>in</strong>e Entscheidung damit mehr. In Kürze kann sich so die de<br />
facto Zusammensetzung e<strong>in</strong>er Entscheidungsgruppe stark verändern (We<strong>in</strong>er, 1976).<br />
Unternehmen lernen aus Erfahrung und wiederholen Aktionen, die erfolgreich<br />
waren. Sie gew<strong>in</strong>nen im Ergebnis mehr Erfahrung <strong>in</strong> Gebieten, auf denen sie<br />
76
erfolgreich waren, verglichen mit den Gebieten, auf denen sie wenig erfolgreich<br />
waren. Damit werden sie <strong>in</strong> erfolgreichen Gebieten immer erfolgreicher, aber <strong>in</strong><br />
schwachen Kompetenzfeldern immer hilfloser. Dies führt dann zu e<strong>in</strong>er falschen<br />
Spezialisierung, wenn sich die Umwelt stark verändert.<br />
Zweitens betreiben Unternehmen oft Satisfizierung anstatt Optimierung.<br />
(March/Simon 1958; Cyert/March 1963, March, 1981). Unternehmen befolgen – wenn<br />
sie hocherfolgreich s<strong>in</strong>d - Entscheidungsregeln, jegliche Risiken (<strong>in</strong>klusive derer<br />
neuer Verhaltensweisen) zu vermeiden, wenn die besten Alternativen über den<br />
Zielwerten liegen. Sie maximieren die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, ihre Ziele zu erreichen<br />
und nicht die Profitabilität zu optimieren. In schlechten Zeiten h<strong>in</strong>gegen werden solche<br />
Unternehmen zunehmend riskantere Strategien verfolgen, wenn die besten Alternativen<br />
immer noch unter dem eigenen Ziel liegen. (Tversky/Kahneman, 1974).<br />
Damit erhöhen sie ihre Chancen zu überleben und reduzieren aber ihre eigene Lebenserwartung.<br />
Wahlmöglichkeiten, e<strong>in</strong>en fallenden Trend umzukehren, maximieren<br />
nicht notwendigerweise den Erwartungswert. Im Ergebnis beschleunigen die<br />
Unternehmen, die im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> nicht überlebt haben, damit den Prozess des<br />
Scheiterns (Hermann, 1963; Mayhew, 1979).<br />
Drittens werden Veränderungen selbst dann nicht vorgenommen, wenn sie eigentlich<br />
als notwendig erachtet werden, weil die Anreizsysteme vieler Unternehmen oft<br />
e<strong>in</strong> bestimmtes Handeln fördern, das im Konflikt zur (langfristigen) Gesamtperformance<br />
stehen kann (March, 1981). Gerade wenn – wie <strong>in</strong> vielen grossen Unternehmen<br />
der Fall – Mitarbeiter schnell <strong>in</strong> neue Positionen wechseln, werden allzu oft die<br />
Auswirkungen des Handelns auf die langfristige Leistungsfähigkeit des Unternehmens<br />
ausser Acht gelassen. Die Akteure richten ihr Handeln an anderen, kurzfristigeren<br />
Zielen aus und versuchen, die bestehenden Anreiz- und Entlohnungssysteme<br />
geschickt im eigenen Interesse (E<strong>in</strong>kommensmaximierung, Status) zu nutzen.<br />
Tversky/Kahneman (1974) weisen empirisch nach, dass entgegen der vorherrschenden<br />
Unternehmenspraxis das Pr<strong>in</strong>zip der Belohnung bei guter Leistung nicht funktioniert,<br />
wohl aber das Pr<strong>in</strong>zip der Bestrafung bei Schlechtleistung. Sie beobachteten,<br />
dass Piloten, die für schlechte Landungen zuvor bestraft wurden, anschliessend die<br />
besseren Landungen machten als solche, die vorher für gute Landungen belohnt<br />
wurden. (Zum Glück fand die Untersuchung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Flugsimulator statt).<br />
77
All dies führt dazu, dass notwendige Veränderungen unterbleiben oder länger h<strong>in</strong>ausgeschoben<br />
werden. Irgendwann werden jedoch die Diskrepanzen zwischen den<br />
aus der Anwendung traditioneller Entscheidungsregeln abgeleiteten Handlungen<br />
und der faktischen Reaktion der Umwelt bzw. umgekehrt aus dem erwartetem Verhalten<br />
der Umwelt und faktischem Verhalten des Unternehmens zu gross. Dies führt<br />
zu Ratlosigkeit und Krisen. E<strong>in</strong>e Neukalibrierung, also e<strong>in</strong> Sprung zu e<strong>in</strong>er neuen<br />
Verhaltensform, wird s<strong>in</strong>nvoll oder unvermeidlich. Mit zunehmendem gesellschaftlichem<br />
Konsens h<strong>in</strong>sichtlich der Erwünschtheit <strong>von</strong> sauberer, auf alternativen Quellen<br />
basierender Energieerzeugung und dem Markterfolg e<strong>in</strong>iger Unternehmen <strong>in</strong><br />
diesem Bereich macht es für e<strong>in</strong> etabliertes EVU ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n mehr, weiter Abwehrhaltungen<br />
zu zeigen. Die Reaktion auf Basis traditioneller Glaubensgrundsätze wäre<br />
kontraproduktiv und nicht mehr empfehlenswert. Wenn das Kartellamt die Langfristigkeit<br />
<strong>von</strong> Lieferverträgen zwischen EVU und Stadtwerken scharf moniert, wäre<br />
es unklug, an diesen weiter festzuhalten. In e<strong>in</strong>er solchen Situation ist e<strong>in</strong> stabiler<br />
Zustand des Systems durch starre Anwendung alter Entscheidungsregeln nicht mehr<br />
zu erreichen. Systemtheoretisch wird e<strong>in</strong>e Stufenfunktion ausgelöst, die die Stabilität<br />
des Systems wieder herstellen soll. Beispiele für Stufenfunktionen <strong>in</strong> anderen<br />
Systemen stellen Veränderungen der Temperaturvorwahl des Thermostates oder<br />
Gangwechsel beim Auto dar. Anpassungsvorgänge an geänderte Umweltbed<strong>in</strong>gungen<br />
werden dadurch beschleunigt. In der Unternehmenspraxis bedeutet dies, dass<br />
e<strong>in</strong> bisheriger Verhaltensgrundsatz entfällt oder grundlegend modifiziert wird.<br />
E<strong>in</strong> wesentlicher Erfolgsfaktor <strong>von</strong> Unternehmen(sführern) besteht dar<strong>in</strong>, (frühzeitig)<br />
zu erkennen, ob die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er bestimmten Situation für e<strong>in</strong>e Stufenfunktion<br />
bzw. die Neukalibrierung des Systems sprechen oder ob es sich lediglich<br />
um kurzzeitige Übertreibungsreaktionen handelt. E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>e solche Übertreibung<br />
war die allgeme<strong>in</strong> zugemessene Bedeutung der Themen Internet und<br />
Entrepreneurship im Jahr 1999. Hier wäre e<strong>in</strong>e fundamental veränderte Unternehmensausrichtung<br />
<strong>in</strong> Anpassung an die veränderten Umfeldbed<strong>in</strong>gungen nicht empfehlenswert<br />
gewesen. Vor vorschnellem Handeln warnen auch Tripsas/Gavetti<br />
(2000): Nicht immer müssen radikale technologische Diskont<strong>in</strong>uitäten entsprechend<br />
radikale Änderungen bei den Unternehmensstrukturen auslösen. Manchmal würde<br />
e<strong>in</strong> schneller Wechsel auf e<strong>in</strong> anderes Interpretationsschema für das Unternehmen<br />
schädlich se<strong>in</strong>, da strategische Neuorientierungen Geld kosten und das Sterblichkeitsrisiko<br />
erhöhen (Tushman/Romanelli, 1985; Amburgey/Kelly/Barnett, 1993;<br />
78
Sastry, 1997). Flexibilität kann auch kontraproduktiv se<strong>in</strong>. Ähnlich Gavetti/Lev<strong>in</strong>thal<br />
(2000), die feststellen, dass Veränderungen bei den fundamentalen strategischen<br />
Glaubensmustern kurzfristig e<strong>in</strong>en negativen Effekt auf die organisatorischen Praktiken<br />
und Rout<strong>in</strong>en haben. Wenn also e<strong>in</strong>e Umweltveränderung noch nicht alle strategischen<br />
Grundannahmen obsolet macht, dann könnte der Netto-Effekt e<strong>in</strong>er starken<br />
Anpassung der Basisannahmen für das Unternehmen negativ se<strong>in</strong>. Auf die Bestimmung<br />
des „optimalen“ Grads an Veränderungen wird nachfolgend noch vertieft<br />
e<strong>in</strong>zugehen se<strong>in</strong> (7.2.1.7.).<br />
Wie können die H<strong>in</strong>dernisse des Lernens beseitigt werden?<br />
Es gibt zahlreiche Ansätze, wie Veränderungen <strong>von</strong> Unternehmen schneller und besser<br />
vorgenommen werden können. Viele Forschungsansätze beschäftigen sich mit<br />
dem Lernprozess selbst und suchen nach Wegen, diesen besser und schneller zu<br />
machen (siehe auch Eisenhardt/Mart<strong>in</strong>, 2000). Zander/Kogut (1995) sowie Argote<br />
(1999) zeigten, dass der Lernprozess verbessert wird, wenn das Wissen mit anderen<br />
Mitarbeitern gut und schnell geteilt werden kann. Je e<strong>in</strong>facher, kodifizierbarer und<br />
lehrbarer Wissen ist, umso leichter ist es, das neue Wissen bei vielen Empfängern mit<br />
ihrem bisherigen Wissen zu <strong>in</strong>tegrieren. Andere Autoren betonen den Aspekt des<br />
Learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g: Praktische und wiederholte Anwendung (Argote, 1999;<br />
Zollo/S<strong>in</strong>gh, 1998), frühe Markte<strong>in</strong>führung, Pilotprojekte und Feldtests begünstigen<br />
den Lernprozess; ebenso die Nähe zu „early adaptors“ („observational Learn<strong>in</strong>g“,<br />
vgl. M<strong>in</strong>er/Raghavan, 1999; Baum/Ingram 1998) 18 . Das bessere Verständnis <strong>von</strong><br />
Kausalzusammenhängen senkt Berührungsängste, fördert den Lernprozess und die<br />
erleichtert die E<strong>in</strong>ordnung des Unternehmens <strong>in</strong> den Kontext der Innovation. Nicht<br />
zuletzt lernen Unternehmen auch aus Fehlern (Sitk<strong>in</strong>, 1992; Maidique/Zirger, 1985):<br />
Da das E<strong>in</strong>geständnis <strong>von</strong> Fehlern aus Gründen des Aufbaus e<strong>in</strong>er Verteidigungshaltung<br />
problematisch ist, wird die Motivation zu Lernen bei kle<strong>in</strong>en Fehlern ausgeprägter<br />
se<strong>in</strong> als bei schwerwiegenden Fehlern.<br />
E<strong>in</strong> auf erhöhte Effizienz und Effektivität ausgerichteter Lernprozess ist dann förderlich,<br />
wenn die bestehende Wissensbasis erweitert und Fe<strong>in</strong>adjustierungen vorgenommen<br />
werden sollen. Lernen wird hier als zielgerichtete Suche betrachtet, die nur<br />
18 Allerd<strong>in</strong>gs birgt Observational Learn<strong>in</strong>g auch die Gefahr, bandwagon-Effekten zu erliegen, <strong>in</strong>dem<br />
e<strong>in</strong>e bl<strong>in</strong>de Imitation <strong>von</strong> Praktiken <strong>von</strong> Early Adopters erfolgt (siehe Kapitel 4.4.2.1.)<br />
79
egrenzten Facettenreichtum be<strong>in</strong>haltet (McGrath, 2001) und eng an bestehenden<br />
Wissensbasen erfolgt (Exploitation).<br />
Hier<strong>von</strong> unterschieden wird Wissen, dass durch Exploration gewonnen wird.<br />
Dieses bef<strong>in</strong>det sich meist weit entfernt <strong>von</strong> bekannten Wissensbasen (Katila, 2002).<br />
„Compared to returns from exploitation, returns from exploration are systematically<br />
less certa<strong>in</strong>, more remote <strong>in</strong> time, and organizationally more distant from the locus of<br />
action and adaptation … The certa<strong>in</strong>ty, speed, proximity, and clarity of feedback ties<br />
exploitation to its consequences more quickly and more precisely than this is the case<br />
with exploration” (March, 1991, S. 73). Nach den bisherigen Ausführungen<br />
überrascht es kaum, dass viele Unternehmen Exploitation zulasten <strong>von</strong> Exploration<br />
optimieren (Benner/Tushman, 2002). Erprobte Lösungen werden neuen, ungewissen<br />
Lösungen vorgezogen (Cyert/March 1963); auch aus machtpolitischen Erwägungen<br />
heraus. March fordert, dass Unternehmen zwischen Explorations- und Exploitationsaktivitäten<br />
(March, 1991) bzw. zwischen Rationalität und „Verrücktheiten“<br />
(March, 1981) ausbalancieren müssen. Er versteht letzteres nicht als bewusste<br />
Strategie, sondern als organisatorische Anomalie, ähnlich wie Organizational Slack.<br />
Vor allem mithilfe externer Wissensquellen sollen die naturgemäss schwächer<br />
ausgeprägten explorativen Aktivitäten gestärkt werden. Schild/Maula/Keil (2005)<br />
untersuchten verschiedene Wissensquellen ausserhalb des eigenen Unternehmens<br />
und verglichen die Möglichkeiten des explorativen und exploitativen Lernens <strong>von</strong><br />
Unternehmen durch <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong>s, Allianzen, Jo<strong>in</strong>t <strong>Venture</strong>s und Akquisition<br />
e<strong>in</strong>es Unternehmens. Sie kamen zu dem Schluss, dass CVC-Investitionen am besten<br />
geeignet s<strong>in</strong>d für exploratives Lernen; gefolgt <strong>von</strong> <strong>Venture</strong> Allianzen, Jo<strong>in</strong>t <strong>Venture</strong>s<br />
und Akquisitionen. (Die Reihenfolge ist nach abnehmender Eignung bestimmt).<br />
4.3.5. Fazit für Innovationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmenskontext<br />
Veränderungen <strong>in</strong> Unternehmen werden durch e<strong>in</strong>e bestimmte Form der Interpretation<br />
<strong>von</strong> Ereignissen und die Art und Weise, wie dieser Prozess verläuft, erzeugt.<br />
Dies wurde durch die vorangegangen Ausführungen ausführlich dargelegt. Ebenso<br />
wurde gezeigt, dass der Prozess der Verhaltensanpassung nicht immer kontrollierund<br />
planbar ist. Die Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten, die Lernen erschweren<br />
oder gar verh<strong>in</strong>dern, s<strong>in</strong>d im Fall <strong>von</strong> diskont<strong>in</strong>uierlichen Innovationen besonders<br />
80
gross. H<strong>in</strong>zu kommt, dass während des Prozesses der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>er Innovation<br />
aufgrund permanenter Rückkoppelungseffekte nicht nur das Unternehmen Veränderungen<br />
erfährt, sondern auch die zugrunde liegende Innovation (Brown<strong>in</strong>g, 1968;<br />
Brewer, 1973; Hyman, 1973). Permanente Feedbackschleifen zwischen Innovator und<br />
sozialem Umfeld bestimmen den Pfad der Innovation und ihren Erfolg. Damit ist<br />
nicht nur die damit e<strong>in</strong>hergehende Veränderung im Unternehmen, sondern auch die<br />
Entwicklung der Innovation schwer zu fassen bzw. zu kontrollieren. Der sich<br />
entwickelnde Charakter <strong>von</strong> Innovationen und der hierdurch <strong>in</strong>duzierte Veränderungen<br />
machen es schwierig, Standardmittel zur Entscheidung und Problemlösung<br />
zu benutzen, weil es schwer ist, e<strong>in</strong>e Innovation und der damit e<strong>in</strong>hergehende<br />
Handlungsbedarf genau zu beschreiben (March, 1981). Alles verändert sich im Laufe<br />
der Zeit. Es wäre nicht zielführend, den Zustand e<strong>in</strong>er Innovation oder e<strong>in</strong>es<br />
Unternehmens zu e<strong>in</strong>er bestimmten Zeit festzuschreiben und quasi zu unterstellen,<br />
dass diese – wie auch immer beschriebene Innovation - bereits akzeptiert worden ist<br />
und den Prozess so behandeln, als wenn dieser bereits beendet wäre (March, 1981).<br />
Es sche<strong>in</strong>t so, als wenn aber genau diese Sichtweise viele traditionelle Forschungsansätze<br />
prägt. Innovationen werden im Grunde als abstrakte Ideen verstanden; die<br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Innovation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en sozialen Kontext bzw. <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gesamtsystem wird<br />
ignoriert. Dabei lassen sich – wie sich noch zeigen wird – gerade durch die Analyse<br />
des Prozesses, wie Innovationen e<strong>in</strong>geführt und durch die Öffentlichkeit oder<br />
Menschen <strong>in</strong> Unternehmen akzeptiert werden, gute Erklärungen für empirische<br />
Beobachtungen (hier: <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> und Verankerung <strong>von</strong> CVC-Programmen)<br />
gew<strong>in</strong>nen (so auch Granovetter, 1985; Dac<strong>in</strong>, 1997; Dac<strong>in</strong>/Ventresca/Beal, 1999).<br />
Nach der Analyse typischer Verhaltensmuster <strong>von</strong> Menschen im Allgeme<strong>in</strong>en und<br />
Führungskräften im Besonderen, kann zwar angenommen werden, dass sich Unternehmen<br />
im Kontext e<strong>in</strong>er Innovation verändern: Auf der Mikroebene werden Ziele<br />
neu gefasst oder adjustiert. Kle<strong>in</strong>ere Veränderungen an vielen Stellen der<br />
Organisation können zu grösseren führen. Die Unternehmensziele und auch<br />
<strong>in</strong>dividuelle Ziele verändern sich <strong>in</strong> der Zeit, <strong>in</strong> der Innovationen e<strong>in</strong>geführt werden;<br />
ebenso persönliche Präferenzen (March, 1981, S. 564). Jedoch spricht vieles dafür,<br />
dass Unternehmen mit der Veränderungsgeschw<strong>in</strong>digkeit im externen Umfeld nicht<br />
Schritt halten und notwendige Anpassungsmassnahmen nicht oder zu spät erfolgen.<br />
Sie erzeugen ihr eigenes Umfeld durch die Art und Weise, wie sie dieses<br />
<strong>in</strong>terpretieren und handeln (March 1981, S. 570). Die Vorgänge im Umfeld werden<br />
81
unvollständig wahrgenommen und e<strong>in</strong>seitig <strong>in</strong>terpretiert. Auch die aus dem<br />
Glauben über die Umwelt abgeleiteten Handlungen, konstruieren die Sicht der<br />
Umwelt. So kommt es zum Phänomen der „self-fulfill<strong>in</strong>g prophecies“ (Meyer/Rowan<br />
1977, S. 346).<br />
Im Wissen der Anpassungsstörungen, die aus der Anwendung <strong>von</strong> auf vergangener<br />
Erfahrung basierten Rout<strong>in</strong>en resultieren, wurde vorgeschlagen, dass Unternehmen<br />
e<strong>in</strong>e Balance halten müssen zwischen direkt vernünftig ersche<strong>in</strong>enden Änderungsprozessen<br />
(wie Problemlösung, Lernen, Planung) und bestimmten Elementen <strong>von</strong><br />
„Verrücktheiten“, die auf lokaler Ebene schwer zu rechtfertigen s<strong>in</strong>d, aber aus e<strong>in</strong>em<br />
übergeordneten Blickw<strong>in</strong>kel heraus S<strong>in</strong>n machen oder wichtig s<strong>in</strong>d (March 1972,<br />
1978; Weick, 1979). Als Beispiel soll der bereits im vorangegangen Abschnitt<br />
angesprochene langfristige Planungsprozess herangezogen werden.<br />
82<br />
Beispiel: Ressourcen-Allokationsmechanismus (nach Bower/Burgelman)<br />
Teil II: Bewertung <strong>von</strong> Innovationen<br />
Bei der Bewertung <strong>von</strong> Investmentalternativen und Handlungsoptionen kommen oft<br />
Szenariotechniken und Investitionsrechnung auf Basis <strong>von</strong> Barwertmethoden zur Anwendung;<br />
oftmals <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation. Dies s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong>stitutionalisiert zu bezeichnete Standardvorgehensweisen<br />
zur Ableitung rationaler Entscheidungen im langfristigen Planungs- und<br />
Ressourcenallokationsprozess.<br />
Bei der Prognose zukünftiger Entwicklungen gibt es viele mögliche, aber sehr unwahrsche<strong>in</strong>liche<br />
Fälle, die die Konsequenzen der derzeitigen Handlungen dramatisch verändern<br />
würden. Üblicherweise werden solche Fälle ausgeblendet, erstens weil es so viele da<strong>von</strong> gibt<br />
und weil diese jeweils nur e<strong>in</strong>e sehr ger<strong>in</strong>ge E<strong>in</strong>trittswahrsche<strong>in</strong>lichkeit besitzen. Im Ergebnis<br />
reflektieren die langfristigen Pläne e<strong>in</strong>e Zukunft, die bekannt ist und beherrschbar ersche<strong>in</strong>t.<br />
Wenn die attraktivsten Ergebnisse Alternativen darstellen, die sehr unwahrsche<strong>in</strong>lich s<strong>in</strong>d,<br />
dann ist der Erwartungswert dieser Alternative recht ger<strong>in</strong>g und es macht ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, diese<br />
Alternative zu wählen. So kann es passieren, dass die eigentlich beste Handlungsalternative<br />
nicht gewählt wird, weil das zugrunde liegende Szenario als eher unwahrsche<strong>in</strong>lich<br />
e<strong>in</strong>geschätzt wird. Mit e<strong>in</strong>er ähnlichen Argumentation ist der Erwartungswert e<strong>in</strong>er Innovation<br />
negativ. Entsprechende Investmentvorschläge werden abgelehnt. Es sollte nicht das Risiko<br />
wert se<strong>in</strong>, der erste zu se<strong>in</strong>, der mit der Innovation experimentiert (March, 1981).<br />
Das Problem ist nicht das angewendete Verfahren, sondern es s<strong>in</strong>d die dah<strong>in</strong>ter liegenden<br />
Erwartungen, die als Inputdaten dieser Modelle verarbeitet werden. Die E<strong>in</strong>trittswahrsche<strong>in</strong>lichkeiten<br />
bestimmter Ereignisse, zu denen auch diskont<strong>in</strong>uierliche Innovationen<br />
gehören können, reflektieren e<strong>in</strong>e sehr subjektive, an der Vergangenheit orientierte Sichtweise<br />
e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>zelnen oder irgende<strong>in</strong> Konsens <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Organisation. Letztendlich<br />
werden möglicherweise Paradigmenwechsel auslösende Innovationen immer auf Basis und<br />
im Lichte des alten Paradigmas, der alten Erfahrung und erprobter Rout<strong>in</strong>en beurteilt.<br />
Voreilig wäre es jedoch, hieraus den Schluss zu ziehen, das Potenzial e<strong>in</strong>er Innovation würde<br />
falsch e<strong>in</strong>geschätzt werden. Dies würde implizit bedeuten, dass es e<strong>in</strong>en objektiven Standard<br />
für die Beurteilung geben würde und der Pfad e<strong>in</strong>er Innovation quasi vorbestimmt sei.
Welche Schlussfolgerungen lassen sich also hieraus ziehen? Dass Ereignisse durch die<br />
L<strong>in</strong>se der Vergangenheit betrachtet werden, ist e<strong>in</strong> Faktum. Ansätze, dies zu ändern,<br />
wären zum Scheitern verurteilt. E<strong>in</strong>e Möglichkeit, wie Unternehmen mit diskont<strong>in</strong>uierlichen<br />
Innovationen umgehen können, besteht dar<strong>in</strong>, bestimmte nicht-rationale<br />
Elemente <strong>in</strong> Wahlprozesse e<strong>in</strong>zuarbeiten. Neue Ideen müssen aber <strong>in</strong> Unternehmen<br />
<strong>von</strong> der „normalen Rationalität“ abgeschirmt werden, da sie sich sonst nicht entfalten<br />
können. Bestimmte Management<strong>in</strong>itiativen oder Organizational Slack schützen<br />
Personen und Bereiche, die bestimmte Veränderungen fördern und „verrückte“ Ideen<br />
haben, vor den normalen organisatorischen Kontrollsystemen. Es ist e<strong>in</strong> Weg, durch<br />
die Organisationen aktiv Suchprozesse starten können, wenn diese erfolgreich s<strong>in</strong>d<br />
(Cyert/March 1963; Wilson, 1966). Verschiedene Studien sche<strong>in</strong>en diesen Zusammenhang<br />
zu bestätigen (Mansfield 1968; Staw/Szwajkowski 1975; Manns/March, 1978).<br />
Da Mitarbeiter durch e<strong>in</strong>en konservativen Prozess ausgewählt werden (Cohen/<br />
March, 1974), s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> aller Regel kaum Quelle solcher Verrücktheiten. Ausserdem<br />
belohnen die bestehenden Anreizsysteme üblicherweise ke<strong>in</strong>e „Spielereien“. Da<br />
jedoch die Ideologie <strong>von</strong> – wie auch immer def<strong>in</strong>iertem - „gutem“ Management<br />
be<strong>in</strong>haltet, dass Manager neue Ideen, Produkte, Prozesse und auch Technologien<br />
e<strong>in</strong>führen, wird e<strong>in</strong> Teil der Unternehmensressourcen trotzdem <strong>in</strong> Experimente<br />
gesteckt; etwa als altruistischer Beitrag für e<strong>in</strong>e bessere Welt (March, 1981). Symbolische<br />
Werte, <strong>in</strong>klusive derer, die mit Wandel als solchem verbunden s<strong>in</strong>d, sche<strong>in</strong>en<br />
bedeutend und überzeugend genug zu se<strong>in</strong>, andere Faktoren bei der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
zu dom<strong>in</strong>ieren (Christensen, 1976). Symbolik prägt den Entscheidungsprozess;<br />
und dieser wiederum kann – wie dargestellt – bedeutender se<strong>in</strong> als das eigentliche<br />
Ergebnis. Aus der Aussensicht können hieraus resultierende Entscheidungen<br />
als Verrücktheit oder Spielerei bezeichnet werden. Unternehmen und ihre Akteure<br />
können also unterschiedliche, teilweise diffuse und wenig stabile Zielvorstellungen<br />
im Kontext <strong>von</strong> Innovationen haben. Sie s<strong>in</strong>d auch bee<strong>in</strong>flusst durch vorhergehende<br />
Handlungen (March, 1978). Der Prozess der Problemlösung und der<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung wird dann zu e<strong>in</strong>em Garbage Can Prozess (Cohen/March/<br />
Olsen, 1976). In Zusammenhang mit den vielen Brüchen im Entscheidungsprozess<br />
wird es immer überraschende Entscheidungen und organisatorische Verrücktheiten<br />
geben, egal wie gut und rational sonst alles im Unternehmen koord<strong>in</strong>iert ist. Die<br />
Frage nach dem richtigen Mass an Verrücktheit, bzw. die richtige Balance zwischen<br />
Verrücktheit und Rationalität, ist <strong>in</strong>des schwer zu beantworten (March, 1981, S. 574).<br />
83
4.4. Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em übergeordneten System: Institutionelles<br />
Umfeld<br />
Es wurde gerade gezeigt, dass bestimmte Verhaltensweisen <strong>von</strong> Unternehmen <strong>von</strong><br />
Aussenstehenden schnell als verrückt oder absurd bewertet werden können, weil<br />
diese andere Ziele, Erwartungen, Informationen besitzen oder hieraus andere<br />
Schlussfolgerungen ziehen. Gleichwohl erfüllt das Verhalten die Kriterien der<br />
bounded rationality. Die bisherigen Ausführungen haben ebenfalls deutlich gemacht,<br />
dass das Verhalten <strong>von</strong> Unternehmen <strong>in</strong> starkem Masse durch Individuen und die<br />
Art der Interaktion zwischen ihnen geprägt ist. H<strong>in</strong>sichtlich des Bedarfs an Veränderungen<br />
und Innovationen können Individuen <strong>in</strong>des andere Anforderungen haben<br />
als das Unternehmen selbst. Für die Führungskräfte mag die Sicherung des eigenen<br />
Arbeitsplatzes, gute Karriereperspektiven oder e<strong>in</strong>e verbesserte Machtposition das<br />
Wichtigste se<strong>in</strong>. Sie versuchen, robuste Strategien (7.2.2.3.) zu entwickeln, wie sie<br />
ihre <strong>in</strong>dividuellen Wünsche und Ziele mit der grössten Sicherheit und Flexibilität<br />
erreichen können, unabhängig vom Oberziel des Unternehmens zu überleben.<br />
Unterschiedliche Interessenslagen prägen auch auf der nächsthöheren Betrachtungsebene<br />
die Beziehungen. Das, was das Verhalten <strong>von</strong> Individuen gegenüber ihrem<br />
Unternehmen charakterisiert, kann fast vollständig übertragen werden: So wie das<br />
(Entscheidungs-) Verhalten <strong>von</strong> Individuen durch Eigen<strong>in</strong>teresse, aber auch stark<br />
durch andere Individuen geprägt wird, so werden Unternehmen durch andere<br />
Unternehmen bzw. das <strong>in</strong>stitutionelle Umfeld bee<strong>in</strong>flusst. Das Überleben des<br />
eigenen Unternehmens ist zwar wichtiger als das des übergeordnetes System <strong>von</strong><br />
Unternehmen (z.B. „Branche“). Aber im Interesse e<strong>in</strong>er Branche könnten dennoch<br />
Veränderungen auf der Ebene des E<strong>in</strong>zelunternehmens erwogen werden, die<br />
möglicherweise aus e<strong>in</strong>er isolierten Sichtweise heraus nicht s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en.<br />
Um bestimmte Verhaltensweisen <strong>von</strong> Unternehmen, resultierend aus der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> übergeordnetes System besser verstehen und damit nicht voreilig als<br />
verrückt oder absurd zu bezeichnen, sollen jetzt bestimmte Beziehungen zu Akteuren<br />
im äusseren Umfeld des Unternehmens analysiert werden. Die Perspektive wurde<br />
<strong>in</strong>soweit verengt, dass hier nicht – wie erwartet werden könnte - das Markt- und<br />
Wettbewerbsumfeld im Mittelpunkt der Betrachtung steht, sondern das <strong>in</strong>stitutionelle<br />
Umfeld. Dieses kann für die Beantwortung der hier vorliegenden<br />
84
Forschungsfragen e<strong>in</strong>ige gute Erklärungsansätze liefern. E<strong>in</strong> Unternehmen wie E.ON<br />
ist ausserordentlich starken <strong>in</strong>stitutionellen Kräften ausgesetzt. Im Zentrum der<br />
Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung steht die aus e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>bettung e<strong>in</strong>es<br />
Unternehmens <strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutionelles Umfeld resultierenden spezifischen Verhaltensweisen,<br />
Rout<strong>in</strong>en und Abläufe e<strong>in</strong>es Unternehmens (DiMaggio/Powell, 1983).<br />
4.4.1 Institutional Theory: Vorbemerkung zur Theoriewahl<br />
Als Theoriebasis wurde e<strong>in</strong>e Teildiszipl<strong>in</strong> aus der Organisationstheorie, die<br />
Institutional Theory, ausgewählt. Diese besitzt zwei Strömungen:<br />
o Die Alte Institutional Theory befasst sich mit den Themen E<strong>in</strong>fluss,<br />
(<strong>in</strong>formelle) Macht(strukturen), Koalitionen und konkurrierende Werte im<br />
Unternehmen (Clark, 1960, 1972; Selznick 1949, 1957). Im Mittelpunkt steht die<br />
Frage der unternehmens<strong>in</strong>ternen Legitimation. Kennzeichnend für diese<br />
Sichtweise ist, dass die sozialen Akteure versuchen, ihre eigene Machtposition<br />
zu erhöhen sowie Ziele, Rout<strong>in</strong>en und Ereignisse <strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong> ihrem<br />
S<strong>in</strong>n zu bee<strong>in</strong>flussen (Bell/Walker/Willer, 2000),<br />
o die Neue Institutional Theory adressiert vor allem Fragen der äusseren<br />
Legitimation. Untersucht werden vor allem die Konsequenzen daraus, dass<br />
Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> übergeordnetes System e<strong>in</strong>gebunden und bestimmten<br />
Erwartungen der Gesellschaft ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Institutionelle E<strong>in</strong>flüsse prägen<br />
die formale Organisation und bestimmte Rout<strong>in</strong>en im Unternehmen.<br />
(DiMaggio/Powell, 1983; Meyer/Rowan, 1977).<br />
Alte und Neue Institutional Theory werden als (Neo-) Institutional Theory bezeichnet.<br />
Der Fokus <strong>in</strong> dieser Arbeit liegt auf der neuen Institutional Theory. Auf<br />
viele Aspekte der alten Institutional Theory, etwa die hierarchischen Sichtweisen <strong>von</strong><br />
Macht (Pfiffner/Sherwood, 1960; Herman, 1981) soll hier nicht weiter e<strong>in</strong>gegangen<br />
werden. Jedoch sollen e<strong>in</strong>zelne Aspekte – <strong>in</strong>sbesondere zur pluralistischen Sichtweise<br />
<strong>von</strong> Macht – aufgegriffen werden (vor allem <strong>in</strong> Kapitel 7.2.1.). Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
(1996) haben den Versuch e<strong>in</strong>er Integration der beiden Sichtweise gemacht. Hieraus<br />
85
ergeben sich für den vorliegenden Kontext e<strong>in</strong>ige wichtige Erkenntnisse, die <strong>in</strong> den<br />
Kapiteln 4.4.2.2. und 4.4.2.4. näher ausgeführt werden.<br />
Warum eignet sich die Institutional Theory besonders gut für die Beantwortung der<br />
Forschungsfrage? Sie wird zunächst als e<strong>in</strong>e der robusteren soziologischen Perspektiven<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Organisationstheorie bezeichnet (Perrow, 1979), auch wenn sie<br />
gerade im europäischen Raum wenig Verbreitung erfahren hat. Und sie stellt e<strong>in</strong>e<br />
der Theorien dar, die weitgehend kompatibel mit den grundsätzlichen Ansätzen der<br />
Systemtheorie ist. Die Institutional Theory setzt auf der Grundannahme auf, dass<br />
jedes Unternehmen e<strong>in</strong> offenes System ist. Im Fokus stehen Beziehungen und<br />
Interaktionen zwischen ihm und se<strong>in</strong>em <strong>in</strong>stitutionellen Umfeld. Die Institutional<br />
Theorie eignet sich nicht zuletzt sehr gut dafür, die Relevanz systemtheoretischer<br />
Ansätze <strong>in</strong> der Praxis <strong>von</strong> Unternehmen bzw. Populationen <strong>von</strong> Unternehmen<br />
aufzuzeigen. Sie ist daher e<strong>in</strong> guter Stützpfeiler bei der Übertragung<br />
systemtheoretischen Gedankenguts auf die Lösung e<strong>in</strong>es praktischen Problems.<br />
Die neueren Ansätze der Institutional Theory brechen mit den üblichen Annahmen,<br />
<strong>in</strong> denen erstens rationales Handeln und die Verfolgung bestimmter (<strong>in</strong>dividueller)<br />
Interessen im Vordergrund stehen. Sie s<strong>in</strong>d geeignet, die eben angerissenen Fragen<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Grenzen der Rationalität <strong>von</strong> Unternehmensentscheidungen weiter<br />
zu vertiefen. Organisatorische Veränderungen werden hier nicht als Ergebnis e<strong>in</strong>es<br />
Prozesses der Mobilisierung <strong>von</strong> Interessen betrachtet, sondern mit vorgefassten,<br />
geme<strong>in</strong>samen Normen, die die Akteure teilen, erklärt; unabhängig <strong>von</strong> deren E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressen.<br />
Geme<strong>in</strong>sam ist ihnen das übergeordnete Interesse zu überleben. E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressen<br />
werden <strong>in</strong> der New Institutional Theory nicht verleugnet, aber sie spielen<br />
ke<strong>in</strong>e Rolle. Dieser Zweig der Institutional Theory fokussiert sich auf jene Umstände,<br />
die es den Akteuren schwer oder unmöglich machen, im S<strong>in</strong>n ihrer eigenen<br />
Interessen zu handeln. Die Grenzen <strong>von</strong> Vernunft, Verstand und Koord<strong>in</strong>ationsmechanismen<br />
werden aufgezeigt. Für die Akteure wird es zunehmend schwierig oder<br />
gar unmöglich, die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung zu verstehen. Durch<br />
die Betonung <strong>von</strong> Normen, Erwartungen und Grenzen der Rationalität liefert die<br />
Institutional Theory e<strong>in</strong> wichtiges Korrektiv zu den vorherrschenden Basisannahmen<br />
<strong>in</strong> modernen Organisationstheorien (DiMaggio, 1988, S. 3ff). Mithilfe der Institutional<br />
Theory lässt sich gut zeigen, dass <strong>in</strong>stitutioneller Druck e<strong>in</strong>e treibende Kraft<br />
gegen transformatorischen Wandel ist (so Buckho, 1994, S. 90). Auf der anderen Seite<br />
86
können durch sie auch bestimmte Veränderungsprozesse gut erklärt werden. Es<br />
kann z.B. aufgezeigt werden, wie Änderungen im Umfeld (etwa die Betonung<br />
bestimmter Themen wie „Internet“, „nachhaltige Energieerzeugung“) die Notwendigkeit<br />
für organisatorischen Wandel auslösen können (Dougherty, 1994; Leblebici/<br />
Salancik/Copay/K<strong>in</strong>g, 1993; Oliver 1991); vor allem <strong>in</strong> Branchen, die durch e<strong>in</strong>en<br />
hohen Grad an Institutionalisierung und e<strong>in</strong>e schwache technologische Basis geprägt<br />
s<strong>in</strong>d. Diese Charakteristika treffen auf den hier analysierten Fall e<strong>in</strong>es EVU zu.<br />
4.4.2. Der E<strong>in</strong>fluss bestehender Normen auf Unternehmen<br />
E<strong>in</strong>e zentrale Annahme auch der Institutional Theory ist, dass Mitglieder e<strong>in</strong>er<br />
Population (Menschen/Unternehmen) nach Sicherheit, Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit<br />
des organisatorischen Lebens streben (Zucker, 1977; Hannan/Freeman<br />
1984; DiMaggio/Powell, 1983). Menschen bevorzugen erprobte Rout<strong>in</strong>en und<br />
berechenbare Umfeldbed<strong>in</strong>gungen. Dies bildet den Nährboden für Institutionen.<br />
4.4.2.1 Allgeme<strong>in</strong>e Verhaltensformen (statische Betrachtung)<br />
Unternehmen s<strong>in</strong>d offene Systeme und ke<strong>in</strong>e autonomen E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne,<br />
dass sie ihre Unternehmensstrategien unabhängig <strong>von</strong> den E<strong>in</strong>flüssen des äusseren<br />
Umfeldes formulieren können. Dies bezieht sich nicht nur auf technische<br />
E<strong>in</strong>flussfaktoren wie die Verfügbarkeit <strong>von</strong> Ressourcen, sondern auch auf das<br />
<strong>in</strong>stitutionelle Umfeld. Unternehmen gehören organisatorischen Feldern an –<br />
def<strong>in</strong>iert als e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft <strong>von</strong> Organisationen, die sich e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />
Bedeutungssystem teilen und deren Mitglieder öfter und schicksalhafter mite<strong>in</strong>ander<br />
<strong>in</strong>teragieren als mit Akteuren ausserhalb des Feldes (Scott, 1995b). Andere Autoren<br />
verwenden für den Begriff des organisatorischen Feldes nahezu synonyme<br />
Bezeichnungen wie soziale Sektoren („societal sectors“, Scott/Meyer, 1991), Domänen<br />
(Trist, 1979) oder organisatorische Community (Astley, 1985). Die Beziehungen<br />
zwischen den Mitgliedern e<strong>in</strong>es organisatorischen Feldes werden durch feste<br />
Normen und Werte bestärkt. Ziel der nachfolgenden Betrachtung ist es, festzustellen,<br />
wie diese das Verhalten e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Unternehmens prägen.<br />
87
Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen<br />
Die Institutional Theory postuliert, dass Unternehmen stark durch gesellschaftliche<br />
E<strong>in</strong>flüsse geprägt werden. Die Gesellschaft wird zusammengehalten durch e<strong>in</strong> Set<br />
bestimmter Wertvorstellungen, Verhaltensmuster und –regeln, die <strong>von</strong> allen Mitgliedern<br />
geteilt werden und damit sehr langfristigen Bestand haben. Sie werden selten<br />
h<strong>in</strong>terfragt oder verändert. Jedem Mitglied der Gesellschaft wird e<strong>in</strong>e bestimmte<br />
Rolle zugewiesen. So existieren auch gegenüber Unternehmen als Teil der Gesellschaft<br />
bestimmte Erwartungshaltungen zu S<strong>in</strong>n und Zweck ihres Dase<strong>in</strong>s sowie zu<br />
der Art und Weise, wie Güter und Dienstleistungen rational erstellt werden sollen.<br />
Für das e<strong>in</strong>zelne Unternehmen besteht die Notwendigkeit, sich konform zu diesen<br />
Erwartungen zu verhalten, wenn es die gesellschaftliche Unterstützung und Legitimität19<br />
erhalten will (Scott/Meyer, 1983). Dass Unternehmen sich konform zu diesen<br />
Normen und Notwendigkeiten verhalten, hat also weniger mit Effizienzüberlegungen<br />
zu tun als mit der Tatsache, dass hierdurch die Legitimität erhöht wird und<br />
Zugang zu (überlebenswichtigen) Ressourcen sichergestellt werden kann. Sie<br />
m<strong>in</strong>imieren das Risiko des „organisatorischen Todes“ (Kondra/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, 1998, S. 744).<br />
Aus <strong>in</strong>stitutioneller Sicht gelten Unternehmen, die sich konform zu den <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Normen verhalten, als optimal angepasst. Unternehmen orientieren sich an<br />
diesen und versuchen sie zu bewahren; entweder aus Überzeugung oder weil die<br />
Gesellschaft starken Druck ausübt.<br />
Isomorphie /mimetisches Verhalten als Folge<br />
Institutionelle Normen verkörpern e<strong>in</strong> dom<strong>in</strong>antes Bedeutungssystem bzw. e<strong>in</strong>en<br />
bestimmten Interpretationsrahmen. Sie be<strong>in</strong>halten geeignete Arbeitsfelder, Organisationspr<strong>in</strong>zipien,<br />
Rout<strong>in</strong>en und Bewertungskriterien (H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs/Greenwood, 1988) sowie<br />
Organisationsmuster („templates to organize“, DiMaggio/Powell, 1991, S. 27). Es<br />
wird erwartet, dass sich alle Unternehmen an diese Normen halten. Also benutzen<br />
Unternehmen e<strong>in</strong>es organisatorischen Feldes die gleichen Schablonen („templates“)<br />
und nehmen ähnliche Formen an. DiMaggio/Powell erklären damit die Frage, warum<br />
es so viele Ähnlichkeiten und so wenig Unterschiede bei Unternehmen gibt<br />
(DiMaggio/Powell, 1983, 1991b: S. 63).<br />
19 Auf den Begriff “Legitimität” wird im nächsten Kapitel noch näher e<strong>in</strong>gegangen.<br />
88
Allgeme<strong>in</strong> für gut befundene Strukturen, Praktiken und Koord<strong>in</strong>ationspr<strong>in</strong>zipien<br />
werden so oft schemenhaft praktiziert. Je <strong>in</strong>tensiver die Beziehungsnetzwerke <strong>in</strong> Gesellschaften<br />
werden, desto mehr rationalisierte Mythen entstehen. Sowohl die „Etikettierung“<br />
<strong>von</strong> Organisationse<strong>in</strong>heiten wie auch der Beschreibung <strong>von</strong> Aufgaben<strong>in</strong>halten,<br />
Zielen und Pr<strong>in</strong>zipien der Aufgabenorganisation ähneln sich immer mehr.<br />
Unternehmen, die sich an dieses legitimierte Vokabular halten, erzeugen Vertrauen<br />
<strong>in</strong> der Gesellschaft, bei ihren Aktionären und bei staatlichen Organisationen. Die<br />
Aussenbeziehungen werden so stabilisiert. Geme<strong>in</strong>sam getragene <strong>in</strong>stitutionelle Normen<br />
halten das organisatorische Feld aber auch zusammen. Als wichtige Orientierungsgrösse<br />
für Führungskräfte haben sie zudem auch auf der Ebene des E<strong>in</strong>zelunternehmens<br />
meist stabilisierende Wirkung. Unternehmen werden <strong>von</strong> Turbulenzen<br />
abgeschirmt (Emery/ Trist, 1965; Terreberry 1968; zitiert <strong>in</strong> Meyer/Rowan, S. 351),<br />
<strong>in</strong>dem der Wert <strong>von</strong> bereits <strong>in</strong> der Vergangenheit praktizierten Rout<strong>in</strong>en und<br />
Verfahren untermauert wird. Anknüpfend an die Ausführungen im vorangegangenen<br />
Kapitel ist die Kehrseite dieser kurzfristig stabilisierenden Wirkung, dass hierdurch<br />
langfristig notwendig werdende Anpassungsprozesse noch weiter herausgezögert<br />
werden. Dies erhöht die Gefahr ernsthafter Krisen als notwendige Voraussetzung<br />
für grössere Veränderungen im Unternehmen. Stopford/Baden-Fuller (1994)<br />
sche<strong>in</strong>en diesen Zusammenhang durch ihre Forschung zu bestätigen, <strong>in</strong>dem sie feststellen,<br />
dass die Schaffung e<strong>in</strong>es entrepreneurship-freundlichen Unternehmensumfeldes<br />
und das Brechen mit konventionellen Normen und Werten e<strong>in</strong> relativ langwieriger<br />
Prozess darstellt und u.U. <strong>in</strong>terne und externe Krisen benötigt, um stattzuf<strong>in</strong>den.<br />
Nicht nur die Strukturen gleichen sich an, sondern auch das Verhalten der Entscheidungsträger<br />
(mimetisches Verhalten). Galaskiewicz/Wasserman (1989) weisen anhand<br />
des Spendenverhaltens an wohltätige Organisationen nach, dass Entscheidungsträger<br />
<strong>in</strong>sbesondere das Verhalten <strong>von</strong> Unternehmen imitieren, zu denen sie<br />
e<strong>in</strong>e besondere Beziehung pflegen oder die als besonders erfolgreich gelten. Mithilfe<br />
der Institutional Theory kann erklärt werden, warum sich Unternehmen zunehmend<br />
gleichartig verhalten und dass dieses Verhalten sogar vernünftig se<strong>in</strong> kann. Dies gilt<br />
selbst dann, wenn die Akteure eigentlich Handlungsalternativen hätten, mit denen<br />
sie e<strong>in</strong> „besseres“ Ergebnis erzielen könnten; <strong>in</strong>dem sie etwa <strong>in</strong> ihrem re<strong>in</strong>en Eigen<strong>in</strong>teresse<br />
bzw. gemäss strengen Erfolgskriterien handeln. E<strong>in</strong>e detaillierte Begründung<br />
für diesen Zusammenhang wird im nächsten Abschnitt gegeben.<br />
89
Institutionelle Kräfte können aber auch Innovationen begünstigen. Mimetisches<br />
Verhalten kann nämlich Bandwagon-Effekte auslösen:<br />
90<br />
„Bandwagons are diffusion processes whereby organizations adopt an <strong>in</strong>novation, not<br />
because of their <strong>in</strong>dividual assessments of the <strong>in</strong>novations`s efficiency or returns, but<br />
because of a bandwagon pressure caused by the sheer number of organizations that<br />
have already adopted this <strong>in</strong>novation” (Abrahamson/Rosenkopf (1993), S. 487ff.)<br />
Abrahamson/Rosenkopf (1990) zeigen anhand e<strong>in</strong>er Computersimulation, dass mittels<br />
Bandwagon-Effekten Innovationen angenommen werden, obwohl sie evtl. technisch<br />
<strong>in</strong>effizient s<strong>in</strong>d. Erst wenn alle diejenigen, die die Innovation nicht adaptieren,<br />
überzeugt s<strong>in</strong>d, dass die Innovation <strong>in</strong>effizient und unprofitabel ist, stoppt der Prozess<br />
bzw. es gibt e<strong>in</strong>en Bandwagon-Effekt <strong>in</strong> die andere Richtung. Anhand <strong>von</strong><br />
Bandwagon-Effekten lässt sich belegen, dass bestimmte Verhaltensweisen <strong>von</strong><br />
Unternehmen weder durch rationale Überlegungen noch durch Lerneffekte, also<br />
durch „Organisatorische Intelligenz“ im March’schen S<strong>in</strong>n erklärt werden können.<br />
Handlungen können <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Unternehmung zur anderen überspr<strong>in</strong>gen und<br />
werden unreflektiert kopiert. Der Prozess, wie schnell und auf welche Art dies<br />
geschieht, wird durch die Enge des Kontaktes zwischen Unternehmen und durch die<br />
Attraktivität des imitierten Verhaltens oder Glaubens, bestimmt. M<strong>in</strong>destens zwei<br />
Theorien erklären dieses Phänomen (Abrahamson/Rosenkopf, 1993, S. 489-492) 20 :<br />
Nach der Rational-Efficiency Theory werden Unternehmen, die e<strong>in</strong>e Innovation<br />
noch nicht umgesetzt haben, früher oder später Kenntnis <strong>von</strong> der Effizienz bzw. dem<br />
Ergebnispotenzial der Innovation bekommen und diese ebenfalls adaptieren. Je mehr<br />
Unternehmen dies tun, umso besser wird sich die Kosten-Nutzen-Relation aufgrund<br />
<strong>von</strong> Netzwerkeffekten für alle darstellen (Farrell/Saloner, 1985, Katz/Shapiro, 1985).<br />
Dies motiviert immer mehr Unternehmen, die Innovation anzunehmen. Die<br />
Rational-Efficiency Theorie ist <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie geeignet, die Verbreitung <strong>von</strong> technischen<br />
Innovationen zu erklären.<br />
20 E<strong>in</strong> weiterer – im vorliegenden Kontext jedoch weniger relevanter - Erklärungsansatz ist im Umfeld<br />
der Transaktionskostentheorie anzusiedeln, nach der eigentlich jedes Unternehmen die Entscheidung<br />
zur <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>er Innovation selbst beurteilen könnte, sich aber Zeit und Geld sparen möchte und<br />
daher auf die Informationen und die Richtigkeit der Entscheidungen anderer vertraut<br />
(Bikhchandani/Hishleifer/Welch, 1998)
Im Fall e<strong>in</strong>er Innovation <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes liefern Fad Theories (am<br />
besten übersetzt mit Theorie des Spleens bzw. der neuesten Modetorheit) bessere Erklärungsansätze:<br />
Hier wird argumentiert, dass <strong>in</strong> der Frühphase der Diffusion e<strong>in</strong>er<br />
Innovation Unternehmen noch vom externen Umfeld autonome Entscheidungen<br />
treffen, welche auf e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen Vorteilhaftigkeitskeitsanalyse basieren („löst<br />
die Innovation e<strong>in</strong> Problem oder schafft sie Rendite?“, vgl. DiMaggio/Powell, 1983; Tolbert/Zucker<br />
1983). Diese Unternehmen s<strong>in</strong>d noch <strong>in</strong>nerlich überzeugt, dass die Innovation<br />
für sie e<strong>in</strong>en guten Problemlösungsansatz oder e<strong>in</strong>e gute Chance bietet. Je<br />
mehr Unternehmen sich – auf Basis e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen Entscheidung - so verhalten,<br />
desto stärker wird die Innovation „<strong>in</strong>fused with value beyond the technical requirements<br />
of the task at hand“ (Selznick, 1957). Mit anderen Worten: Die Tatsache alle<strong>in</strong>,<br />
dass mehrere Unternehmen die Innovation e<strong>in</strong>geführt haben, ist Begründung für<br />
andere Unternehmen, dies ebenfalls zu tun. Nicht zuletzt die Aktionäre üben (<strong>in</strong>stitutionellen)<br />
Druck auf das Top-Management aus, sich der Masse zu beugen und die<br />
Innovation ebenfalls zu adaptieren (Meyer/Rowan, 1977). In Angst, dass anderenfalls<br />
das Unternehmen Legitimität und die Unterstützung der Aktionäre und damit den<br />
Zugang zu f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen verlieren könnte, wird die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> der<br />
Innovation beschlossen.<br />
Nicht durch Druck aus dem <strong>in</strong>stitutionellen, sondern aus dem Marktumfeld, lässt<br />
sich e<strong>in</strong> weiterer Erklärungsansatz ableiten: Unternehmen, die die Innovation noch<br />
nicht e<strong>in</strong>gesetzt haben, könnten fürchten, nicht mehr wettbewerbsfähig zu se<strong>in</strong>. Bei<br />
Abwägung der vorhandenen Alternativen wird die wahrgenommene Bedrohung<br />
stärker gewichtet als e<strong>in</strong> gleich grosser Wettbewerbsvorteil (Kahneman/Tversky,<br />
1979). E<strong>in</strong> Unternehmen versucht also auf jeden Fall, <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e schlechtere Position als<br />
e<strong>in</strong> anderes Unternehmen der Branche zu kommen. Wenn die Innovation <strong>in</strong>sgesamt<br />
profitabel ist, dann verbessern sich die Kennzahlen des Branchendurchschnitts, je<br />
mehr Unternehmen die Innovation annehmen. Diejenigen Unternehmen, die die Innovation<br />
noch nicht umgesetzt haben, werden um jeden Preis versuchen, nicht unter<br />
den Branchendurchschnitt zu fallen und daher auch die Innovation e<strong>in</strong>führen.<br />
91
Aus der Begründung für das Entstehen <strong>von</strong> Bandwagon-Effekten lassen sich drei<br />
Faktoren ableiten, <strong>von</strong> denen die Stärke <strong>von</strong> Bandwagon-Effekten abhängt21 :<br />
Risikoaversion: Sie führt dazu, dass Führungskräfte nach e<strong>in</strong>er stabilen Wertentwicklung<br />
und nicht nach höchster, aber unsicherer Rendite streben; übrigens<br />
auch dann, wenn e<strong>in</strong> hoher Teil des Gehaltes <strong>von</strong> der organisatorischen Performance<br />
abhängig ist (Amit/Wernerfelt 1990). Innerhalb <strong>in</strong>stitutioneller Normen zu<br />
operieren führt zu e<strong>in</strong>er hohen Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit (bzw. niedrigem Risiko), dass<br />
die Organisation e<strong>in</strong>e „akzeptable Verz<strong>in</strong>sung“ für die unternehmerischen Aktivitäten<br />
erhält (Kondra/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, 1998, S. 748f.).<br />
92<br />
Welche Verz<strong>in</strong>sung akzeptabel ist, bestimmt sich nach den spezifischen Branchenbed<strong>in</strong>gungen.<br />
So hängen nach dem <strong>Capital</strong> Asset Pric<strong>in</strong>g Modell die Aktienrenditen<br />
als Näherungswert für die Wertentwicklung des Unternehmens <strong>von</strong> der allgeme<strong>in</strong>en<br />
Marktentwicklung der Aktienmärkte ab, aber auch <strong>von</strong> der Entwicklung<br />
e<strong>in</strong>zelner Branchen. Die Aktienrenditen <strong>von</strong> Unternehmen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er<br />
Branche s<strong>in</strong>d im Allgeme<strong>in</strong>en positiv korreliert; negative Korrelationen bestehen<br />
meist zwischen Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Das heisst, zentrale<br />
Wertkennzahlen <strong>von</strong> Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em organisatorischen Feld s<strong>in</strong>d ähnlich<br />
und relativ unabhängig <strong>von</strong> denen anderer organisatorischer Felder, wenn der<br />
allgeme<strong>in</strong>e Markteffekt ausgeklammert wird. Wenn Unternehmen <strong>in</strong>nerhalb<br />
e<strong>in</strong>es Feldes isomorph s<strong>in</strong>d und mimetisches Verhalten zeigen, dann reduzieren<br />
sie so das Risiko, dass diese Organisation vergleichsweise schlecht abschneidet.<br />
Es besteht die Aussicht auf e<strong>in</strong>e Wertentwicklung im Branchendurchschnitt.<br />
Unternehmen geben sich damit zufrieden und entwickeln nur begrenzte Energie,<br />
e<strong>in</strong>e bessere Rendite zu erreichen als andere, weil sie sich an den Erwartungen ihrer<br />
Aktionäre orientieren. Diese haben Schwierigkeiten, die Leistungsfähigkeit e<strong>in</strong>es<br />
e<strong>in</strong>zelnen Unternehmens zu verfolgen und orientieren sich daher an den<br />
„üblichen“ Branchenkennzahlen. Solange das Top-Management mit dem Industriedurchschnitt<br />
mithalten kann, ist auch ihre Position im Unternehmen sicher.<br />
21 Die nachfolgenden Ausführungen s<strong>in</strong>d umfangreicher als für die Begründung <strong>von</strong> Bandwagon-<br />
Effekten nötig. Da diese jedoch auch <strong>von</strong> übergeordneter Bedeutung s<strong>in</strong>d, wird <strong>in</strong>sbesondere der<br />
Aspekt der Risikoaversion recht tief analysiert. Sie basieren <strong>in</strong> grossen Teilen auf den Ausführungen<br />
<strong>von</strong> Kondra/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, 1998, S. 748f.
Studien haben gezeigt, dass nicht nur auf Seiten der Aktionäre, sondern auch im<br />
Aufsichtsrat bzw. „Board of Directors“ der Vergleich der eigenen Wertkennzahlen<br />
mit denen der Wettbewerber e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung besitzt. Fallen diese unter<br />
den Branchendurchschnitt, steigt die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass kritische Fragen<br />
gestellt werden und das Management ausgetauscht wird (Morck/Shliefer/Vishny,<br />
1989, S. 852) Gleichzeitig erhöht dies die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass das<br />
Unternehmen Ziel e<strong>in</strong>er Übernahme wird.<br />
Das Risiko und die Konsequenzen aus e<strong>in</strong>er unterdurchschnittlichen Wertentwicklung<br />
werden höher erachtet als der Gew<strong>in</strong>n aus e<strong>in</strong>er möglicherweise erreichbaren<br />
überdurchschnittlichen Rendite. Im Ergebnis werden Führungskräfte<br />
versuchen, den sicheren Pfad zu wählen und ihre Position zu sichern, <strong>in</strong>dem sie<br />
übliche Normen <strong>in</strong> der Branche akzeptieren und Verhaltensweisen adaptieren.<br />
Wenn sich jeder nach diesen „Spielregeln“ verhält, besteht e<strong>in</strong>e hohe Chance,<br />
dass alle ihre Positionen behalten. Dies ist e<strong>in</strong> starker Anreiz, die bestehenden <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Normen nicht zu h<strong>in</strong>terfragen und sie als unantastbar zu betrachten.<br />
Gemessen an dem dom<strong>in</strong>ierenden Standard der Koalition, ist dieses Verhalten<br />
effizient und optimal. Es m<strong>in</strong>imiert das Risiko e<strong>in</strong>er unterdurchschnittlichen<br />
Rendite, begrenzt aber auch das Möglichkeiten e<strong>in</strong>er überlegenen Wertentwicklung,<br />
da kaum noch Wege der Differenzierung für das e<strong>in</strong>zelne Unternehmen<br />
angestrebt werden. Dies ist e<strong>in</strong> weiterer Grund für die Zurückhaltung etablierter<br />
Unternehmen, sich diskont<strong>in</strong>uierlichen Innovationen zu öffnen. Ältere<br />
Entscheidungsträger s<strong>in</strong>d üblicherweise noch risikoaverser als jüngere<br />
(MacCrimmon/Wehrung, 1990).<br />
Branchenvernetzung: Je stärker die e<strong>in</strong>zelnen Mitglieder e<strong>in</strong>es organisatorischen<br />
Feldes mite<strong>in</strong>ander venetzt s<strong>in</strong>d, also beispielsweise Unternehmen über die<br />
Aktionen ihrer Wettbewerber <strong>in</strong>formiert s<strong>in</strong>d, umso wahrsche<strong>in</strong>licher und stärker<br />
s<strong>in</strong>d Bandwagon-Effekte. Je gleichartiger die Produkte und Strategien s<strong>in</strong>d, desto<br />
grösser ist der kollektive Druck (Abrahamson/Rosenkopf, 1993, S. 493)<br />
Unklarheiten / Mehrdeutigkeiten („ambiguity“): Je undurchsichtiger oder unklarer<br />
das Umfeld bei der Bewertung der Vorteilhaftigkeit e<strong>in</strong>er Innovation ist,<br />
desto wahrsche<strong>in</strong>licher und stärker s<strong>in</strong>d Bandwagon-Effekte (March/Olsen, 1976).<br />
In Kapitel 4.3. wurde bereits ausgeführt, dass die Wahrnehmung und Interpreta-<br />
93
94<br />
tion <strong>von</strong> Ereignissen <strong>in</strong> starkem Masse auch vom Verhalten anderer Personen<br />
abhängt; diese Orientierung an der Entscheidung anderer Personen erfolgt vor<br />
allem <strong>in</strong> mehrdeutigen, <strong>in</strong>haltlich schwierig zu beurteilenden Entscheidungssituationen<br />
(Abrahamson/Rosenkopf, 1993, S. 494).<br />
Bandwagon-Effekte tragen dazu bei, dass sich Strukturen und Managementmethoden<br />
zwischen Unternehmen e<strong>in</strong>es organisatorischen Feldes weiter angleichen.<br />
Umgekehrt begünstigt e<strong>in</strong> stark isomorphes Verhalten Bandwagon-Effekte. Ebenso<br />
kann Risikoaversion e<strong>in</strong>erseits Grund, anderseits Folge mimetischen Verhaltens se<strong>in</strong>.<br />
An diesen Beispielen zeigt sich das Systeme mit Rückkopplungseffekten charakterisierende<br />
Pr<strong>in</strong>zip der Ganzheit. Mit den vorangegangenen Ausführungen sollte<br />
nicht der E<strong>in</strong>druck entstehen, dass l<strong>in</strong>eare Kausalketten konstruiert wurden. Daher<br />
ist es angebracht, noch e<strong>in</strong>mal zu betonen, dass tatsächlich wechselseitige Beziehungen<br />
bestehen und es alle<strong>in</strong>e <strong>von</strong> der gewählten Interpunktion abhängt, welches<br />
Ereignis als Ursache bzw. als Folge für das jeweils andere gewählt wird.<br />
4.4.2.2. Zeitpunkt und Art der Anpassung an Normen<br />
Eben wurde vor allem die Stabilität <strong>von</strong> Organisationen, Wertvorstellungen und<br />
Strukturen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em organisatorischen Feld dargelegt. Es wurde gezeigt, dass sich<br />
Unternehmen isomorph bzw. konform zu <strong>in</strong>stitutionellen Regeln verhalten. Nun<br />
geht es um die Frage, wie dieses Verhalten erzeugt oder angepasst wird.<br />
Es existieren zahlreiche Ansätze zum theoretischen Verständnis, wie Druck aus dem<br />
Unternehmensumfeld durch Unternehmen <strong>in</strong>terpretiert wird und wie diese letztendlich<br />
handeln (Hreb<strong>in</strong>iak/Joyce, 1985; Astley/Van de Ven, 1983; Pettigrew, 1987;<br />
Wilson, 1994). Die nachfolgenden Ausführungen erweitern und vertiefen die Ausführungen<br />
zu Veränderungsprozessen <strong>von</strong> Unternehmen im letzten Kapitel. Untersucht<br />
wird, welchen E<strong>in</strong>fluss die Art der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> organisatorisches Feld<br />
auf Veränderungsprozesse <strong>von</strong> Unternehmen hat. Wenngleich hier meist Erklärungsansätze<br />
zur Anpassung an <strong>in</strong>stitutionelle Normen und Rout<strong>in</strong>en gegeben werden,<br />
sollte wenig dagegen sprechen, diesen e<strong>in</strong>en gewissen Grad an Allgeme<strong>in</strong>gültigkeit<br />
zuzusprechen. E<strong>in</strong>e differenzierte Betrachtung h<strong>in</strong>gegen wäre notwendig, wenn
speziell die Quelle der Rout<strong>in</strong>en grossen E<strong>in</strong>fluss auf die Art und Weise der<br />
Adaption besitzt.<br />
Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs (1996) verfolgen e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>teressanten Ansatz, <strong>in</strong>dem sie<br />
Veränderungen nach Grad („Wie tiefgehend ist der Wandel?“) und Schnelligkeit<br />
differenzieren. Sie unterscheiden:<br />
Konvergente vs. radikale Veränderung (Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, 1988;<br />
Miller/Friesen, 1984; Mohrman/Mohrman/Ledford/Cumm<strong>in</strong>gs/Lawler, 1989;<br />
Nadler/Tushman, 1989; Nadler/Shaw/Walton&Associates, 1995; Tushman/<br />
Romanelli, 1985): Bei e<strong>in</strong>er radikalen organisatorischen Änderung wird der<br />
Interpretationsrahmen deutlich verändert. Es erfolgt e<strong>in</strong>e deutliche Entflechtung<br />
<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er vorherrschenden Orientierung (Johnson, 1987; Miller, 1982, 1990) und<br />
e<strong>in</strong> spürbarer Transformationsprozess der Organisation. Konvergente<br />
Änderungen h<strong>in</strong>gegen be<strong>in</strong>halten lediglich e<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>justierung der bestehenden<br />
Orientierung. Der grundlegende Interpretationsrahmen bleibt erhalten,<br />
revolutionäre vs. evolutorische Veränderung: Evolutorische Veränderungen<br />
f<strong>in</strong>den langsam und Schritt für Schritt statt (Pettigrew, 1985, 1987), während<br />
revolutionäre Veränderungen schnell passieren und die gesamte Organisation<br />
gleichzeitig betreffen (Tushman/Romanelli 1985).<br />
Über die E<strong>in</strong>bettung e<strong>in</strong>es Unternehmens <strong>in</strong> die Normen des <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Umfeldes, die als selbstverständlich h<strong>in</strong>genommen und nicht <strong>in</strong> Frage gestellt<br />
werden, wurde bereits die Resistenz <strong>von</strong> Organisationen erklärt, auf e<strong>in</strong>en Wandel<br />
im Umfeld zu reagieren. Die vorherrschenden Organisationspr<strong>in</strong>zipien werden<br />
zunächst e<strong>in</strong>mal als weiterh<strong>in</strong> gültig, korrekt und geeignet angesehen, das Geschäft<br />
zu betreiben und puffern jede Änderung des Systems ab. Sie verstärken die<br />
natürlichen negativen Rückkoppelungen e<strong>in</strong>es Unternehmens. Ob es zu e<strong>in</strong>em<br />
(radikalen) Wandel kommt, hängt <strong>von</strong> der Struktur des organisatorischen Feldes ab.<br />
Von grosser Bedeutung ist die Frage, wie stark vernetzt bzw. mite<strong>in</strong>ander<br />
verbunden die e<strong>in</strong>zelnen Unternehmen s<strong>in</strong>d (etwa durch den Staat, Verbände,<br />
andere Me<strong>in</strong>ungsführer). Je stärker e<strong>in</strong> Unternehmen – was <strong>in</strong> reifen Branchen oft<br />
der Fall ist - <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>in</strong>stitutionellen Kontext verankert ist, desto grösser und<br />
95
stärker der „Grundkonsens“ <strong>in</strong>nerhalb dieses organisatorischen Feldes, dass die<br />
bisherigen Rout<strong>in</strong>en und Pr<strong>in</strong>zipien auch weiterh<strong>in</strong> Gültigkeit besitzen und desto<br />
ger<strong>in</strong>ger die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit radikaler Änderungen <strong>in</strong> der Organisationsstruktur.<br />
Wenn allerd<strong>in</strong>gs tatsächlich e<strong>in</strong> Wandel erfolgt, der externe Druck auf das System<br />
Unternehmen also zu stark wird, dann fällt dieser umso heftiger bzw. revolutionärer<br />
aus (Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, 1996, S. 1030). Es f<strong>in</strong>det dann e<strong>in</strong> radikaler Wechsel <strong>von</strong><br />
dem bestehenden Organisationsmuster zu e<strong>in</strong>em anderen statt. Mit dem bisher<br />
vorherrschenden Interpretationsmuster/-schema wird gebrochen.<br />
Wandel kann leichter stattf<strong>in</strong>den, wenn Unternehmen – etwa <strong>in</strong> neuen Branchen -<br />
eher lose <strong>in</strong> das organisatorische Feld e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d und es unterschiedliche<br />
Interpretationsmöglichkeiten bestimmter Handlungen und Aktionen gibt. Der<br />
Konsens <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es organisatorischen Feldes ist ger<strong>in</strong>ger. „The possibility of<br />
‘<strong>in</strong>novative behavior’ is higher <strong>in</strong> `ill-formed` organizational fields“ (Fligste<strong>in</strong> 1991).<br />
Wandel hängt auch da<strong>von</strong> ab, ob das organisatorische Feld <strong>in</strong> sich geschlossen oder<br />
offen für Ideen aus anderen organisatorischen Feldern ist, aus denen sich andere<br />
Strukturen, Sichtweisen der D<strong>in</strong>ge und Bewertungskriterien ergeben können.<br />
(Child/Smith, 1987): In <strong>in</strong>stitutionellen Feldern, die undurchlässig s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d radikale<br />
Veränderungen eher selten; aber wenn sie stattf<strong>in</strong>den, s<strong>in</strong>d sie revolutorisch.<br />
Umgekehrt: Stärker durchlässige Felder weisen häufiger radikale Veränderungen<br />
auf. Diese haben dann aber eher evolutorischen Charakter22 .<br />
4.4.2.3. Konkrete Anlässe für grössere Veränderungen<br />
Eben wurde <strong>in</strong> Abhängigkeit <strong>von</strong> der Struktur des organisatorischen Feldes und der<br />
Art der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des Unternehmens <strong>in</strong> dieses beschrieben, wann grössere<br />
Veränderungen zu erwarten s<strong>in</strong>d und welchen Charakter diese Veränderungen<br />
22 Die eben beschriebenen Wandlungsprozesse <strong>von</strong> Unternehmen er<strong>in</strong>nern an die Zustandsveränderung<br />
<strong>von</strong> Wasser. Durch Energiezufuhr <strong>von</strong> wirken immer stärkere Kräfte auf die<br />
Molekülstruktur. Diese geraten <strong>in</strong> Bewegung und verändern nach h<strong>in</strong>reichender Energiezufuhr ihren<br />
Aggregatzustand <strong>von</strong> flüssig <strong>in</strong> Dampf. Je stärker die Vernetzung bzw. der Zusammenhalt der<br />
Moleküle, umso schwerer ist e<strong>in</strong>e Zustandsänderung. Vielleicht ist es Zufall oder bereits e<strong>in</strong>e implizite<br />
Bestätigung dieser Analogie, wenn im Zusammenhang <strong>von</strong> Bandwagon-Effekten <strong>von</strong> Überhitzungsreaktionen<br />
gesprochen wird.<br />
96
esitzen. Nun soll der Blick wieder auf das e<strong>in</strong>zelne Unternehmen gerichtet und<br />
Anlässe identifiziert werden, die zu e<strong>in</strong>er In-Frage-Stellung bestimmter Praktiken<br />
und Rout<strong>in</strong>en führen. Oliver (1992) bezeichnet diesen Prozess als<br />
„De<strong>in</strong>stitutionalisierung“, bei der die Legimitation e<strong>in</strong>er etablierten,<br />
<strong>in</strong>stitutionalisierten Praxis erodiert bzw. beendet wird. Damit dieser Prozess<br />
stattf<strong>in</strong>den kann, ist Druck nötig. Oliver unterscheidet vier Quellen:<br />
Politischer Druck (<strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens) (Oliver, 1990, S. 570): Wenn<br />
e<strong>in</strong> Unternehmen – etwa durch Deregulierung – weniger abhängig <strong>von</strong> der sozialen<br />
Unterstützung durch staatliche Institutionen wird, empf<strong>in</strong>den immer<br />
mehr Personen im Unternehmen, dass traditionelle Praktiken, die dazu geeignet<br />
waren, die E<strong>in</strong>haltung der <strong>in</strong>stitutionellen Normen zu demonstrieren, obsolet<br />
werden. Das Unternehmen sollte ihrer Me<strong>in</strong>ung nach wieder eigene, etwa<br />
effizienzgetriebene Interessen <strong>in</strong> den Mittelpunkt stellen. Unternehmenskrisen<br />
s<strong>in</strong>d oft Auslöser dafür, dass alte Praktiken unter Kosten-Nutzen-Aspekten auf<br />
den Prüfstand gestellt werden. Diese können dann auch Auswirkungen auf das<br />
organisatorische Feld haben. Häufen sich Performancekrisen, führen sie zum<br />
Rückgang des allgeme<strong>in</strong>en Konsenses zwischen den Unternehmen e<strong>in</strong>es organisatorischen<br />
Feldes (Oliver 1992, S. 568). Unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen bricht die<br />
Logik <strong>von</strong> Vertrauen (Meyer/Rowan, 1983) und der <strong>in</strong>stitutionelle Zusammenhalt<br />
<strong>in</strong> sich zusammen. Der Konsens <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Organisation könnte auch<br />
dadurch gestört werden, dass bestimmte Gruppen neue, visionäre Lösungen<br />
anbieten und dafür politische Unterstützung erhalten, auch neue organisatorische<br />
Werte und Strukturen im Unternehmen umzusetzen (Zucker, 1988). De<strong>in</strong>stitutionalisierung<br />
ist dann die politische Antwort auf geänderte Machtverhältnisse<br />
im Unternehmen. Ursachen dieser Machtveränderungen können etwa<br />
allgeme<strong>in</strong>er politischer Dissens, schwache Führung, neues Top-Management,<br />
veränderte Abhängigkeiten vom <strong>in</strong>stitutionellen Umfeld oder Erstarken <strong>von</strong><br />
Bewegungen, die den Status quo <strong>in</strong> Frage stellen (Oliver 1992, S. 570), se<strong>in</strong>.<br />
funktioneller Druck (DiMaggio, 1988; Zucker, 1988): Hiernach ist die<br />
De<strong>in</strong>stitutionalisierung – <strong>in</strong> Abgrenzung <strong>von</strong> politischem Druck - das Ergebnis<br />
<strong>von</strong> Veränderungen <strong>in</strong> der wahrgenommenen Nützlichkeit zur Lösung e<strong>in</strong>es<br />
technischen Problems. „Rentiert“ sich die Befolgung <strong>in</strong>stitutioneller Normen/<br />
Regeln nicht mehr im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er rationalen Kosten-/Nutzenabwägung, dann<br />
97
98<br />
werden diese Regeln <strong>in</strong> Frage gestellt. Wenn e<strong>in</strong>e immer grösser werdende<br />
Abweichung zwischen sozialem und ökonomischem Wert erkannt wird, kann<br />
es passieren, dass dieser Konflikt zugunsten wirtschaftlicher Argumente gelöst<br />
wird. Solche Überlegungen werden vor allen D<strong>in</strong>gen angestellt, wenn grössere<br />
Klarheit über die Unternehmensziele herrscht, e<strong>in</strong>e grössere technische<br />
Spezialisierung erfolgt, Effizienzthemen im Vordergrund stehen oder e<strong>in</strong><br />
grösserer Wettbewerb um Ressourcen herrscht (Oliver 1992, S. 574),<br />
sozialer Druck: Hier geht die Initiative <strong>von</strong> der Gesellschaft oder vom Umfeld<br />
aus. Es ist zunächst nicht erklärte Absicht des Unternehmens, <strong>in</strong>stitutionelle<br />
Normen zu verändern. Kommt es im Unternehmen zu e<strong>in</strong>er normativen Fragmentierung<br />
(etwa durch Übernahmen), kann der kulturelle Konsens verloren<br />
gehen. Es gibt dann mehrere Interpretationsschemen im Unternehmen.<br />
Die e<strong>in</strong>zelnen E<strong>in</strong>flussfaktoren unterscheiden sich vor allem dadurch, durch wen die<br />
Initialzündung erfolgt, dass <strong>in</strong>stitutionelle Normen auf den Prüfstand gestellt<br />
werden. In den ersten beiden Fällen ist es das Unternehmen selbst, das das System<br />
aus dem Gleichgewicht br<strong>in</strong>gt, entweder weil Eigen<strong>in</strong>teressen e<strong>in</strong>zelner sozialer Akteure<br />
verfolgt werden oder aus Effizienzüberlegungen. Im letzten Fall reagiert das<br />
Unternehmen auf Impulse <strong>von</strong> aussen.<br />
Kondra/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs (1998) entwickelten e<strong>in</strong>en alternativen Erklärungsansatz, um zu<br />
zeigen, wann <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen Initiativen zu erwarten s<strong>in</strong>d, sich <strong>von</strong><br />
<strong>in</strong>stitutionellen Normen zu distanzieren. Sie stellen die These auf, dass Veränderungsprozesse<br />
stattf<strong>in</strong>den werden, wenn e<strong>in</strong>zelne Unternehmen trotz e<strong>in</strong>es<br />
<strong>in</strong>sgesamt hohen Grades an Isomorphie Unterschiede aufweisen. E<strong>in</strong> Unternehmen,<br />
das e<strong>in</strong>e bessere Performance als andere Unternehmen des organisatorischen Feldes<br />
erzielt - nicht zuletzt, weil es sich nicht so stark an <strong>in</strong>stitutionelle Normen hält wie<br />
die Vergleichsunternehmen - kann versuchen, sich weiter <strong>von</strong> <strong>in</strong>stitutionellen Normen<br />
weg zu bewegen oder diese selbst aktiv zu ändern. Auf die ebenfalls<br />
behandelten, antizipierten Rückkopplungsprozesse wird hier nicht weiter<br />
e<strong>in</strong>gegangen, da diese zu weit <strong>von</strong> der Forschungsfrage ablenken würden.
4.4.2.4. Mikroprozesse im Unternehmen<br />
Eben wurden die konkreten Anlässe thematisiert, die Druck auf e<strong>in</strong> Unternehmen<br />
ausüben können, die bisherigen Handlungsmuster, Glaubensgrundsätze, Rout<strong>in</strong>en<br />
und Praktiken <strong>in</strong> Frage zu stellen. Nun soll näher darauf e<strong>in</strong>gegangen werden,<br />
welche Prozesse <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens stattf<strong>in</strong>den, die dazu führen, dass der<br />
beschriebene Druck auch tatsächlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e organisatorische Veränderung mündet.<br />
Dies erfolgt am Beispiel des dargestellten politischen Drucks.<br />
Bestandteile der Alten Institutional Theory („E<strong>in</strong>fluss“, „Koalitionen“,<br />
„Interessenskonflikte“ und „konkurrierende Wertvorstellungen“) werden dabei mit den<br />
stärker faktenbasierten, kognitiven Elementen der Neuen Institutional Theory<br />
verbunden. Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs (1996) entwickelten e<strong>in</strong> Modell, mit dem die<br />
Abläufe <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Unternehmens im Kontext e<strong>in</strong>es organisatorischen Wandels<br />
beschrieben und erklärt werden23 .<br />
E<strong>in</strong> Unternehmen ist e<strong>in</strong> hochkomplexes System unterschiedlicher Gruppen mit<br />
unterschiedlichen Sichtweisen, etwa zum Unternehmenszweck oder se<strong>in</strong>er Strategie.<br />
„Organizations are … arenas <strong>in</strong> which coalitions with different <strong>in</strong>terests and<br />
capacities for <strong>in</strong>fluence vie for dom<strong>in</strong>ance“(Palmer/Jenn<strong>in</strong>gs/Zhu, 1993, S. 103).<br />
Macht ist e<strong>in</strong> wichtiger Erklärungsfaktor, ob und wie diese Interessen artikuliert<br />
werden können.<br />
Organisatorischer Wandel kann dann ausgelöst werden, wenn e<strong>in</strong>zelne Gruppen<br />
darüber unzufrieden s<strong>in</strong>d, wie ihren Interessen im Unternehmen Rechnung getragen<br />
wird. E<strong>in</strong> hohes Mass an Unzufriedenheit ist dann e<strong>in</strong> Treiber für Wandel (Covaleski/<br />
Dirsmith, 1988; Walsh/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs/Greenwood/Ranson, 1981). Um zu erklären, wie e<strong>in</strong><br />
organisatorischer Wandel ausgelöst wird, werden vier Muster der Verbundenheit mit<br />
den derzeitigen Werten <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens unterschieden:<br />
1. Status quo commitment: Alle Gruppen fühlen sich mit dem bestehenden<br />
Organisationsmuster verbunden,<br />
23 Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf den Überlegungen <strong>von</strong> Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>g (1996).<br />
Auf e<strong>in</strong>en expliziten Quellenverweis wird <strong>in</strong> diesem Fall verzichtet.<br />
99
100<br />
2. Indifferent commitment: Alle Gruppen fühlen sich weder besonders<br />
verbunden mit dem bestehenden Organisationsmuster, noch lehnen sie es ab.<br />
3. Competitive commitment: E<strong>in</strong>ige Gruppen verteidigen das alte Organisationsmuster,<br />
während andere e<strong>in</strong>e bestimmte Alternative bevorzugen,<br />
4. Reformative commitment: Alle Gruppen s<strong>in</strong>d gegen das bestehende<br />
Organisationsmuster und bevorzugen e<strong>in</strong>e bestimmte Alternative.<br />
Unterschiedliche Werte und Interessen s<strong>in</strong>d also e<strong>in</strong>erseits treibende Kräfte für den<br />
Wandel. Andererseits haben Werte die Eigenschaft, dass sie die Unzufriedenheit<br />
unterdrücken oder mässigen können, da sie für selbstverständlich h<strong>in</strong>genommen<br />
und nicht h<strong>in</strong>terfragt werden. Radikale Veränderungen werden nur dann stattf<strong>in</strong>den,<br />
wenn starke Interessensunterschiede bestehen und e<strong>in</strong> kompetitives bzw.<br />
reformatives Value Commitment, also e<strong>in</strong>e echte Alternative zum bestehenden<br />
Organisationsmuster existiert. Die Verbundenheit <strong>von</strong> Unternehmen mit bestimmten<br />
Organisationsmustern und Werten hängt <strong>von</strong> zahlreichen Faktoren ab; zum Beispiel<br />
<strong>von</strong> ihrer Position im <strong>in</strong>stitutionellen Sektor. Unternehmen, die sich eher am Rand<br />
bef<strong>in</strong>den, sich also weniger mit dem vorherrschenden Muster verbunden fühlen,<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt leichter <strong>in</strong> der Lage, neue, konkurrierende Organisationsmuster zu<br />
entwickeln. Je (strukturell) komplexer und differenzierter e<strong>in</strong>e Unternehmensorganisation<br />
(etwa aufgrund vieler unterschiedlicher Divisionen), desto eher wird sich e<strong>in</strong><br />
Konflikt zwischen den spezialisierten Gruppen im H<strong>in</strong>blick auf <strong>in</strong>stitutionelle<br />
Normen und alternative Organisationsmuster e<strong>in</strong>stellen (Lawrence/Lorsch, 1967).<br />
Ebenso tendieren Unternehmen bei nachlassendem Markterfolg dazu, leichter<br />
konkurrierende Organisationsmuster zu entwickeln, um e<strong>in</strong>e existente oder sich<br />
anbahnende Krise zu bewältigen. Es kommt zu zunehmendem politischen Dissens<br />
<strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens. Bestimmte Gruppen entwickeln neue Perspektiven<br />
und Vorschläge.<br />
Bei kompetitiven Value Commitments bestimmt die Machtkonstellation darüber,<br />
welche Sichtweise dom<strong>in</strong>iert. Veränderungen können daran scheitern, dass die<br />
Macht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen auf wenige „Eliten“ konzentriert ist. E<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende<br />
Bed<strong>in</strong>gung, dass ke<strong>in</strong> Wandel stattf<strong>in</strong>det, liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Konstellation, bei der e<strong>in</strong><br />
hoher Widerstand gegen Wandel und e<strong>in</strong>e hohe Konzentration der Macht existiert,<br />
unabhängig <strong>von</strong> den zugrunde liegenden Werten und Normen der Nicht-Eliten.
4.4.3. Legitimität als Erfolgsschlüssel<br />
In den bisherigen Ausführungen wurde mehrmals der Begriff der Legitimität<br />
erwähnt: Vor allen D<strong>in</strong>gen aus <strong>in</strong>stitutioneller Sicht ist es wichtig, dass Unternehmen<br />
Legitimität besitzen; ebenso hat die Diskussion eben gezeigt, dass bestimmte<br />
(<strong>in</strong>stitutionell) geprägte Praktiken und Rout<strong>in</strong>en über mehr oder weniger Legitimität<br />
verfügen. Es macht an dieser Stelle S<strong>in</strong>n, diesen Begriff am Beispiel e<strong>in</strong>es neuen<br />
Unternehmens tiefer zu analysieren. Jenes Unternehmen könnte beispielsweise die<br />
neue CVC-E<strong>in</strong>heit se<strong>in</strong>, oder auch e<strong>in</strong> <strong>Venture</strong>-Unternehmen, das über e<strong>in</strong>e CVC-<br />
Beziehung die Kooperation mit e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen anstrebt.<br />
„From an <strong>in</strong>stitutional and ecological perspective, founders of new ventures appear<br />
to be fools, for they are navigat<strong>in</strong>g, at best, <strong>in</strong> an <strong>in</strong>stitutional vacuum of an different<br />
munificence and, at worst, <strong>in</strong> a hostile environment impervious to <strong>in</strong>dividual action“<br />
(Aldrich/Fiol 1994, S. 645). E<strong>in</strong> neues Unternehmen bef<strong>in</strong>det sich also aus<br />
<strong>in</strong>stitutioneller Sicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schwierigen Situation: Es ist neu, hat noch ke<strong>in</strong>e<br />
Vergangenheit, ke<strong>in</strong>e Erfolge nachzuweisen. Es kann noch nichts „Belastbares“<br />
anbieten; nur e<strong>in</strong>e gute Idee und e<strong>in</strong>en Plan, wie diese <strong>in</strong> die Realität umgesetzt<br />
werden soll. Voraussetzung für die Umsetzung ist jedoch das Vertrauen bzw. die<br />
Akzeptanz bei vielen sozialen Akteuren; vor allen D<strong>in</strong>gen Aktionären/Banken,<br />
Geschäftspartnern und Kunden. Legitimität bildet e<strong>in</strong>e Entscheidungsgrundlage, die<br />
sich <strong>von</strong> der üblichen Rationalität unterscheidet. Trotz e<strong>in</strong>er schwachen Informationsbasis<br />
kann erreicht werden, dass die Entscheidungsträger den Glauben und das<br />
Gefühl haben, dass das neue Unternehmen tatsächlich kompetent, effizient, wertvoll,<br />
angemessen und notwendig ist (Zimmermann/Zeitz, 2002, S. 416).<br />
Legitimität soll hier verstanden werden als “generalized perception or assumption<br />
that the actions of an entity are desirable, proper, or appropriate with<strong>in</strong> some socially<br />
constructed system of norms, values, beliefs, and def<strong>in</strong>itions”(Suchman, 1995, S. 574).<br />
Anders ausgedrückt: Legitimität ist die gesellschaftliche Bewertung <strong>von</strong> Akzeptanz,<br />
Angemessenheit und Erwünschtheit (Zimmermann/Zeitz, 2002, S. 418) bzw.<br />
Gegenmittel für die Last der Neuheit e<strong>in</strong>es Unternehmens (St<strong>in</strong>chcombe, 1965). Legitimität<br />
ist erfolgskritisch für se<strong>in</strong> Überleben. Darüber h<strong>in</strong>aus hilft Legitimität beim<br />
Wachstum bzw. zur Erreichung bestimmter Unternehmensziele (Murphy, 1996).<br />
101
In der Term<strong>in</strong>ologie der Systemtheorie könnte folgende Erklärung versucht werden:<br />
E<strong>in</strong> neues Unternehmen ist zunächst e<strong>in</strong> Objekt ausserhalb e<strong>in</strong>es bestehenden<br />
sozialen Systems. Die durch dieses vertretenen neuen Ideen und möglicherweise<br />
auch Managementpr<strong>in</strong>zipien/Werte passen erst e<strong>in</strong>mal nicht <strong>in</strong> das bestehende<br />
Interpretationsmuster und werden als Störung des bisherigen Gleichgewichtes<br />
empfunden. Die Akzeptanz des neuen Unternehmens würde bedeuten, dass e<strong>in</strong><br />
zuvor gefundenes (Fliess-) Gleichgewicht verändert werden und e<strong>in</strong>e Neukalibrierung<br />
stattf<strong>in</strong>den müsste. Die vorhandenen Mitglieder des Systems werden zunächst<br />
bestrebt se<strong>in</strong>, ihr Gleichgewicht zu behalten, da sie unsicher s<strong>in</strong>d, ob sie nach der<br />
Systemanpassung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e schlechtere Position geraten. Negative Rückkopplungsmechanismen<br />
werden greifen. So wie auch jeder biologische Organismus se<strong>in</strong><br />
„Immunsystem“ besitzt, wird auch das organisatorische Feld e<strong>in</strong>em neuen<br />
Unternehmen erst e<strong>in</strong>mal Skepsis entgegenbr<strong>in</strong>gen. Das vorhandene Interpretationsschema<br />
will und kann die Reize bzw. Informationen zunächst nicht deuten.<br />
Auf Erfahrungen im Zusammenhang mit dem neuen Unternehmen kann ohneh<strong>in</strong><br />
nicht zurückgegriffen werden. Das neue Unternehmen strebt jedoch nach Integration<br />
<strong>in</strong> dieses System und sendet vermehrt Signale und Informationen aus. Um Konfusion,<br />
Panik und ewige Missverständnisse zu vermeiden, f<strong>in</strong>det die Teilnehmer des<br />
Systems bald verb<strong>in</strong>dende Elemente <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> geme<strong>in</strong>sam getragenen Werten<br />
Diese s<strong>in</strong>d „der kle<strong>in</strong>ste geme<strong>in</strong>same Nenner“ und gleichzeitig der Schlüssel für das<br />
neue Unternehmen, die natürliche Immunreaktion des Systems zu unterdrücken.<br />
Legitimität wirkt ähnlich wie Immunsuppressiva bei e<strong>in</strong>er Organtransplantation.<br />
Hierdurch wird die Akzeptanz des neuen Organs respektive neuen Unternehmens<br />
erhöht. Es kann sich mit dem vorhandenen System besser vernetzen.<br />
Legitimität ist nicht direkt beobachtbar. Sie existiert nur <strong>in</strong> den Augen des<br />
Betrachters. Sie liegt <strong>in</strong>nerhalb der Psyche der sozialen Akteure, die sich evtl. noch<br />
nicht e<strong>in</strong>mal bewusst s<strong>in</strong>d über die Rolle der Legitimität <strong>in</strong> ihrem Denken und<br />
Handeln (Zimmermann/Zeitz, 2002, S. 418). Es wird sogar argumentiert, dass<br />
Legitimität die grösste Verankerung bei denjenigen Akteuren hat, die die Quelle<br />
nicht bewusst wahrnehmen (DiMaggio/Powell, 1991b).<br />
Um Legitimität besser greif- bzw. messbar zu machen, wurden zahlreiche Ansätze<br />
entwickelt, was Unternehmen mit hoher Legitimität auszeichnet und Quellen <strong>von</strong><br />
102
Legitimität es gibt. Hunt/Aldrich (1996) unterscheiden drei Typen <strong>von</strong> Legitimität<br />
(ähnlich Scott, 1995a):<br />
soziopolitisch-regulativ: Legitimität wird abgeleitet aus Regulierungen,<br />
Standards und Erwartungen, die <strong>von</strong> Regierungen, e<strong>in</strong>flussreichen Verbänden<br />
und Unternehmen gesetzt werden. Diese arbeiten üblicherweise mit Sanktionen,<br />
um neue Marktteilnehmer zur Anwendung ihrer Normen, Standards etc. zu<br />
zw<strong>in</strong>gen. Hält sich e<strong>in</strong> neues Unternehmen nicht an diese Standards, gilt es als<br />
ke<strong>in</strong> „good citizen“,<br />
soziopolitisch-normativ: Legitimität wird abgeleitet aus Normen und Werten<br />
der Gesellschaft oder der Umwelt, <strong>in</strong> dem das <strong>Venture</strong> Unternehmen operiert,<br />
z.B. Gew<strong>in</strong>nstreben, fairer Umgang mit Mitarbeitern (Deephouse, 1996; Rao<br />
1994; Starr/MacMillan 1990; Van de Ven 1993). Von besonderer Bedeutung s<strong>in</strong>d<br />
die Normen und Wertvorstellungen derjenigen, die die benötigten (f<strong>in</strong>anziellen)<br />
Ressourcen kontrollieren. E<strong>in</strong>e Quelle normativer Legitimität ist die Billigung<br />
der Organisation durch e<strong>in</strong>e andere, ausgedrückt z.B. durch e<strong>in</strong>e positive Presse.<br />
Die Legitimität des e<strong>in</strong>en Unternehmens spr<strong>in</strong>gt auf das neue Unternehmen<br />
über. E<strong>in</strong> wichtiges Mittel, um normative Legitimität zu erwerben, ist der<br />
schnelle Aufbau <strong>von</strong> Netzwerken (Aldrich/Fiol, 1994; D`Aveni, 1989; Oliver,<br />
1990; Useem, 1979).<br />
Kognitiv: Legitimität wird abgeleitet aus allgeme<strong>in</strong> bekannten Verhaltensgrundsätzen<br />
und aus als selbstverständlich angenommenen Verhaltensweisen und<br />
Spielregeln, die erklären, wie das System funktioniert und was es bedeutet, e<strong>in</strong><br />
Akteur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen System zu se<strong>in</strong> (Scott, 1994b). Diese bieten e<strong>in</strong>en Rahmen<br />
für die tägliche Rout<strong>in</strong>e. Oftmals werden <strong>in</strong>stitutionalisierte Praktiken, die<br />
sich bewährt haben, auch e<strong>in</strong>fach kopiert, um Zeit und Ressourcen zu sparen.<br />
Von Zimmermann/Zeitz (2002) werden diese Kategorien um die Branchenlegitimität<br />
ergänzt: Sie zeigen, dass ganze Branche mehr oder weniger Legitimität besitzen können.<br />
Als Negativbeispiel wird die Öl<strong>in</strong>dustrie, als Positivbeispiele Mediz<strong>in</strong> und<br />
Banken angeführt. Zwar stellt Hannan (1986) stellt fest, dass die Legitimation e<strong>in</strong>er<br />
Population umso besser ist, je grösser die Zahl der Organisationen ist. Allerd<strong>in</strong>gs ist<br />
103
Legitimität nicht immer e<strong>in</strong>e Frage der Grösse, der Tradition oder des Alters e<strong>in</strong>er<br />
Branche. Werden neue Industrien als Branche der Zukunft gesehen (z.B.<br />
Biotechnologie), dann können sie schnell e<strong>in</strong>en hohen Grad an Legitimität erhalten.<br />
Ihre Aktivitäten werden als konsistent mit den allgeme<strong>in</strong>en Werten <strong>von</strong> Innovation,<br />
Fortschritt und Zukunftsorientierung gesehen. Die entsprechenden Branchenlegitimitäten<br />
wirken dann auch auf das neue Unternehmen. Allerd<strong>in</strong>gs wird e<strong>in</strong>e ganz<br />
neue Branche den entsprechenden Unternehmen wenig Legitimität verschaffen, weil<br />
die Branche selbst e<strong>in</strong> noch „unbeschriebenes Blatt“ ist. Das jeweilige Unternehmen<br />
muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Umfeld umso härter arbeiten, um e<strong>in</strong>e eigene Legitimität<br />
aufzubauen. Es muss neue Rollen erlernen, ohne fest gefügte Rollenmodelle<br />
vorzuf<strong>in</strong>den und Verb<strong>in</strong>dungen zu se<strong>in</strong>em Umfeld neu def<strong>in</strong>ieren (Aldrich/Fiol,<br />
1994). Dies erschwert die Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit für e<strong>in</strong> neues Unternehmen.<br />
Wenn die Branche wächst, dann erhöhen die immer zahlreicher werdenden<br />
Unternehmen ihre Legitimität auf zweierlei Arten: Kognitiv (es existiert zunehmend<br />
Wissen über die neuen Aktivitäten, die erfolgskritischen Faktoren und die<br />
Spielregeln der Branche) und soziopolitisch; es kristallisiert sich e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />
Bewertung der Gesellschaft der Aktivität h<strong>in</strong>sichtlich der politischen und<br />
gesellschaftlichen Erwünschtheit heraus (Hunt/Aldrich, 1996). Diese Effekte führen<br />
zu e<strong>in</strong>er S-Kurve der Legitimität: Zu Beg<strong>in</strong>n, wenn sich die Branche erst im<br />
Entstehen bef<strong>in</strong>det (zum Beispiel „Clean Energy“ vor 5-10 Jahren), besitzt diese e<strong>in</strong><br />
niedriges Legitimitäts-Niveau, dann steigt diese üblicherweise stark an, wenn die<br />
Branche zunehmende Akzeptanz erfährt. Sie stabilisiert sich schliesslich auf hohem<br />
Niveau.<br />
Die frühen <strong>in</strong>stitutionellen Schulen betrachteten Legitimität als etwas, was Unternehmen<br />
„erhalten“, wenn sie sich an bestimmte systemweite Normen, Verhaltensmuster<br />
und Regeln halten (DiMaggio/Powell, 1983; Meyer/Rowan, 1977; Scott,<br />
1995a,b; Suchman, 1995). Da Legitimität wenig greifbar und als etwas Un- oder<br />
Unterbewusstes betrachtet wird, bestehen auch nur ger<strong>in</strong>ge Möglichkeiten der<br />
Bee<strong>in</strong>flussung (Suchman 1995). Legitimität <strong>von</strong> Unternehmen wird traditionell als<br />
dichotomisches Konzept betrachtet: Entweder besitzt e<strong>in</strong> Unternehmen Legitimität<br />
oder nicht (Aldrich 1995, Scott 1995a).<br />
Neuere Ansätze zeigen, dass Unternehmen mehrere strategische<br />
Optionen/Möglichkeiten haben, um Typ und Höhe ihrer Legitimität zu verändern:<br />
104
„Strategische Legitimierung“ wird als Prozess verstanden. Es werden Wege gesucht,<br />
wie Unternehmen durch E<strong>in</strong>satz bestimmter Instrumente e<strong>in</strong>e bestimmte<br />
symbolische Wirkung erzielen können, um soziale Unterstützung zu erreichen<br />
(Suchman 1995, S. 572). Zimmermann/Zeitz stellen e<strong>in</strong> Modell der<br />
Legitimitätsschwelle vor („legitimacy threshold“) und verb<strong>in</strong>den die beiden<br />
Sichtweisen (dichotomisch und kont<strong>in</strong>uierlich) zur Legitimität: E<strong>in</strong> Unternehmen<br />
muss e<strong>in</strong>en m<strong>in</strong>imalen Grad an Legitimität erreichen. Von diesem Niveau an kann<br />
das Unternehmen strategisch versuchen, die Legitimität (weiter) zu erhöhen.<br />
Missl<strong>in</strong>gt dies, kann die Legitimität unter den Schwellenwert s<strong>in</strong>ken und damit das<br />
Überleben des Unternehmens gefährden.<br />
Unternehmen können also proaktiv versuchen, ihre Legitimität zu bee<strong>in</strong>flussen. In<br />
der Literatur werden zwei legitimitätsfördernde Faktoren betont:<br />
Vertrauen („trust“): Es ist „a belief, <strong>in</strong> the absence of any evidence, that th<strong>in</strong>gs<br />
will „work out“ (Aldrich/Fiol, 1994, S. 650)”. Die Rolle <strong>von</strong> Vertrauen ist<br />
essentiell für alle sozialen Transaktionen, bei denen Unsicherheit oder<br />
Unwissenheit h<strong>in</strong>sichtlich der Aktionen und Ergebnisse herrschen. Vertrauen,<br />
Verlässlichkeit und Reputation s<strong>in</strong>d Methoden auf Basis erhöhter Vertrautheit<br />
und Bewiesenem, um Kooperationen zu erreichen (Bateson, 1988). Je weniger<br />
Informationen existieren, umso mehr Vertrauen ist nötig. Erst wenn mehr<br />
akkumulierte Information zur Verfügung steht und Zusammenhänge<br />
offensichtlich werden, kann auf <strong>in</strong> der Vergangenheit erworbene Verlässlichkeit<br />
und Reputation aufgebaut werden.<br />
Konformität mit allgeme<strong>in</strong>en Regieanweisungen“, Regeln, Normen, Werte<br />
und Modellen, die <strong>in</strong> der Gesellschaft entwickelt und durch das System bestärkt<br />
wurden. Die meisten (sozialen) Akteure halten sich daran. Wenn Menschen also<br />
mit unsicheren Entscheidungssituationen konfrontiert werden, greifen sie gerne<br />
auf diese Regieanweisungen, Regeln, Normen, Werte und Modelle zurück, um<br />
die „richtigen“ Handlungen abzuleiten.<br />
105
4.5. Zusammenfassung: Faktoren, die das Handeln und <strong>in</strong>sbesondere<br />
die Veränderungsbereitschaft <strong>von</strong> Unternehmen bee<strong>in</strong>flussen<br />
In den vorangegangen Abschnitten wurden zahlreiche Ansätze dargestellt, um das<br />
Verhalten <strong>von</strong> Unternehmen besser zu verstehen. Es wurde der Versuch gemacht,<br />
auf vielen Ebenen (Individuum, Unternehmen, <strong>in</strong>stitutionelles Umfeld) Erklärungen<br />
dafür zu f<strong>in</strong>den, wie sich Unternehmen <strong>in</strong> bestimmten Situationen verhalten und<br />
warum sie dies tun. Ausgeleuchtet wurden viele Verhaltensfacetten: Thematisiert<br />
wurde die Art und Weise, wie Individuen die Umwelt wahrnehmen und bewerten,<br />
wie sich diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmenskontext verhalten, wie Entscheidungsprozesse<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen verlaufen, welche Ereignisse (<strong>in</strong>kl. derer im <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Umfeld) und Verhaltensmuster Veränderungen auslösen oder auch verh<strong>in</strong>dern und<br />
wie diese Veränderungen dann <strong>in</strong> Unternehmen ablaufen.<br />
Die vielen E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>formationen sollen nun so verdichtet und strukturiert werden,<br />
dass damit e<strong>in</strong>e gute Grundlage für die anschliessende Analyse des Praxisfalles<br />
geschaffen wird. Mithilfe dieses „Werkzeugs“ sollen zum e<strong>in</strong>en der Status quo und<br />
wichtige Zusammenhänge bei der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC im E.ON Konzern auch für<br />
e<strong>in</strong>en Aussenstehenden transparent dargestellt, und zum anderen unter Rückgriff<br />
auf die besprochenen Theorieansätze Schlussfolgerungen und Antworten auf die<br />
Forschungsfragen nachvollziehbar hergeleitet werden.<br />
Der erste Schritt bei der Verdichtung des Materials ist das Herstellen e<strong>in</strong>er<br />
geme<strong>in</strong>samen <strong>in</strong>haltlichen Klammer. Gegenstand der analysierten Forschungsbeiträge<br />
waren auf den ersten Blick unterschiedliche D<strong>in</strong>ge: Wahrnehmungen,<br />
Interpretationen, Haltungen (z.B. gegenüber Innovationen), Entscheidungen oder<br />
Veränderungen sowie die dah<strong>in</strong>ter liegenden Prozesse. Die Forschungsfrage lässt<br />
sich nur beantworten, wenn der gesamte, <strong>in</strong> Abb. 3 dargestellte Wahrnehmungs- und<br />
S<strong>in</strong>ngebungsprozess berücksichtigt wird. Nur so können nachvollziehbare<br />
Schlussfolgerungen gezogen werden: Ereignisse aus dem Umfeld werden (teilweise)<br />
wahrgenommen; e<strong>in</strong>igen <strong>von</strong> ihnen wird Relevanz beigemessen (Reize werden zu<br />
Informationen). Es schliesst sich e<strong>in</strong>e Interpretation dieser Informationen an;<br />
üblicherweise auf Basis <strong>von</strong> Wissen, Erfahrung und geübter Rout<strong>in</strong>en. Diese<br />
schliessen auch mimetisches Verhalten e<strong>in</strong>. Aus diesem Wahrnehmungs- und<br />
Interpretationsprozess werden Handlungen und Entscheidungen abgeleitet. Aus<br />
106
e<strong>in</strong>er positiven <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sentscheidung der Innovation CVC resultieren<br />
Veränderungen für das Unternehmen: Die erste stellt die CVC-E<strong>in</strong>heit selbst dar.<br />
Aus dem Geschäftsauftrag <strong>von</strong> CVC (Beschäftigung mit diskont<strong>in</strong>uierlichen<br />
Innovationen) können weitere Innovationen bzw. Veränderungen erwartet oder<br />
zum<strong>in</strong>dest diskutiert werden, wenn mit CVC strategische Ziele verfolgt werden. Die<br />
Bewertung dieser <strong>in</strong>direkten Innovationen bzw. Veränderungen prägt zugleich das<br />
Bild <strong>von</strong> der neuen CVC-E<strong>in</strong>heit im Unternehmen und bee<strong>in</strong>flusst ihre Verankerung.<br />
Es bestehen also - resultierend aus dem dreifachen Innovationscharakter <strong>von</strong> CVC<br />
(2.3) - vielfältige Querverb<strong>in</strong>dungen. Allgeme<strong>in</strong> konnte gezeigt werden, dass<br />
Veränderungen im Unternehmen durch e<strong>in</strong>e bestimmte Form der Interpretation <strong>von</strong><br />
Ereignissen und die Art und Weise, wie dieser Prozess verläuft, erzeugt werden.<br />
Ebenso können beschlossene Veränderungen durch den gleichen Prozess wieder<br />
rückgängig gemacht werden. Im hier vorliegenden Fall war dies die E<strong>in</strong>stellung der<br />
CVC-Aktivitäten.<br />
Der zweite Schritt bei der Verdichtung des Materials ist die Wahl e<strong>in</strong>er geeigneten<br />
Darstellungsform. Aufgrund der aufgezeigten Schwierigkeiten, Beziehungen <strong>in</strong> digitaler<br />
Sprache abzubilden (4.1.3.), werden jetzt verstärkt analoge Darstellungsformen<br />
genutzt. Hierbei ist <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>e „Gratwanderung“ zu vollziehen, als sie<br />
e<strong>in</strong>erseits prägnant und für Dritte sofort verstehbar se<strong>in</strong> sollten und andererseits<br />
wesentliche Informationen nicht verloren gehen dürfen. Es wurde <strong>in</strong> den<br />
vorangegangenen Kapiteln gezeigt, dass e<strong>in</strong>e Vielzahl filigraner Wechselbeziehungen<br />
existiert, welche die Entscheidung e<strong>in</strong>er Führungskraft h<strong>in</strong>sichtlich <strong>von</strong><br />
Innovationsprojekten (hier: CVC) bee<strong>in</strong>flussen. Würde man alle Ansätze<br />
zusammenfassen, würde die Darstellung an der Komplexität und der begrenzten<br />
menschlichen Verarbeitungskapazität <strong>von</strong> Informationen scheitern. Also wurde der<br />
Versuch gemacht – obwohl dies streng genommen e<strong>in</strong> Bruch mit der systemischen<br />
Betrachtungsweise darstellt - , aus dem analysierten Material besonders wichtig<br />
erachtete Faktoren zu isolieren, die Entscheidungen im Zusammenhang mit der hier<br />
diskutierten Forschungsfrage massgeblich bee<strong>in</strong>flussen dürften. Zur Heilung dieser<br />
Inkonsistenzen wurden <strong>in</strong> Abb. 5 die Beziehungen - zum<strong>in</strong>dest für die aufgeführten<br />
Faktoren - graphisch angedeutet.<br />
107
Die Graphik soll zeigen, dass e<strong>in</strong>e Führungskraft <strong>in</strong> e<strong>in</strong> hochkomplexes System<br />
e<strong>in</strong>gebettet ist. Damit fliessen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Entscheidung über e<strong>in</strong> Innovationsprojekt e<strong>in</strong>e<br />
Vielzahl <strong>von</strong> Faktoren und Beziehungen e<strong>in</strong>. Das Entscheidungsverhalten hängt<br />
zunächst <strong>von</strong> <strong>in</strong>dividuellen Merkmalen ab, ausgedrückt durch den <strong>in</strong>neren,<br />
dunkleren Kreis <strong>in</strong> Abb. 5, und wird massgeblich mitgeprägt durch die Erfahrungen<br />
und Motive e<strong>in</strong>er Führungskraft. Natürlich könnten hier noch weitere Faktoren wie<br />
Persönlichkeitsstruktur, Charakter, Ausbildung oder Erziehung angeführt werden.<br />
Aus Gründen der Darstellung, ihrer Übersichtlichkeit und zur Schärfung der<br />
Aufmerksamkeit für besonders relevante Faktoren (zum<strong>in</strong>dest nach Me<strong>in</strong>ung des<br />
Autors), wird auf e<strong>in</strong>e Darstellung dieser Faktoren verzichtet. Sie s<strong>in</strong>d auch nicht<br />
zuvor theoretisch erörtert worden. Entscheidungen e<strong>in</strong>er Führungskraft werden<br />
ebenfall bee<strong>in</strong>flusst durch das System Unternehmen (äusserer, hellblauer Kreis <strong>in</strong><br />
Abb. 5). Um zu verstehen, wie Entscheidungen zustande kommen, ist es wichtig, die<br />
Rolle der Führungskraft, die Unternehmensorganisation, - kultur, die<br />
vorherrschenden Rout<strong>in</strong>en, die Historie des Unternehmens und se<strong>in</strong>e Kollegen zu<br />
verstehen. Mit dem <strong>in</strong>ternen Status quo werden weitere Faktoren erfasst, die im<br />
Augenblick der Entscheidung wirksam s<strong>in</strong>d: Etwa aktuelle Themen, Probleme,<br />
108<br />
Abb. 5: Wichtige Faktoren, die e<strong>in</strong>e Entscheidung über e<strong>in</strong><br />
Innovationsprojekt bee<strong>in</strong>flussen<br />
Externer<br />
Status quo<br />
• Technologien<br />
• Markt/Wettbewerb<br />
• Stakeholder<br />
• Institutionen<br />
• Öffentlichkeit<br />
•org. Feld<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Personen<br />
• Top-Management<br />
• Management Innovationsprojekt<br />
• Kollegen<br />
Innovation<br />
Interner<br />
Status quo<br />
• verfügbare Ressourcen<br />
• andere Themen<br />
• Problemfelder<br />
• „comitments“<br />
• Prioritäten<br />
Org.struktur<br />
• Organizational Slack<br />
• Aufbau- /Ablauforg.<br />
• Anreizsystem<br />
Org. „Akte“<br />
• alte Entscheidungen<br />
Erfahrung<br />
• Beruf / Ausbildung<br />
•privat<br />
Motivation<br />
• Bestätigung<br />
• Karriere/Macht<br />
• Zeit und Lust<br />
Rout<strong>in</strong>en<br />
• Standards<br />
•Glaubensmuster<br />
• Zeremonien<br />
• gebundene Assets<br />
• hist. Entwicklung/Erfolg<br />
• Gründer/sonst. prägende<br />
E<strong>in</strong>flüsse<br />
Rolle<br />
• Funktion<br />
• Status<br />
Org.kultur<br />
• Kontrolle vs.Vertrauen<br />
• Entscheidungs-/Konfliktlösungsprozess<br />
• Verlässlichkeit
Prioritäten, die momentane Beziehung zu Kollegen, die aktuelle Erfolgslage oder<br />
auch banal kl<strong>in</strong>gende Faktoren wie Zeit oder Lust ergeben. Die mit „Interner Status<br />
quo“ gekennzeichneten E<strong>in</strong>flussfaktoren betonen die Personen- und<br />
Zeitabhängigkeit <strong>von</strong> Entscheidungen. Unter dem Begriff des Externem Status quo<br />
werden alle Ereignisse im und Beziehungen zum externen Umfeld zusammengefasst,<br />
die ebenfalls hohen E<strong>in</strong>fluss auf den Ausgang e<strong>in</strong>er Entscheidung haben. Von<br />
besonderer Bedeutung im hier vorliegenden Fall ist nicht nur das Markt-, sondern<br />
das <strong>in</strong>stitutionelle Umfeld.<br />
Im weiteren Verlauf sollen aus dieser Grunddarstellung, die e<strong>in</strong>e Vielzahl möglicher<br />
E<strong>in</strong>flussfaktoren auf die Me<strong>in</strong>ungsbildung bzw. den Entscheidungsprozess wiedergibt,<br />
weitere Darstellungen abgeleitet werden, die das für e<strong>in</strong>e spezifische Führungskraft<br />
relevante Beziehungsgeflecht und die besonders entscheidungsrelevanten<br />
Faktoren und Beziehungen zu e<strong>in</strong>em bestimmten (Entscheidungs-) Zeitpunkt<br />
wiedergeben. An e<strong>in</strong>igen Stellen werden so unterschiedliche Sichtweisen und<br />
Interpretationen verschiedener Führungskräfte verdeutlicht. Um Kollektiventscheidungen<br />
zu verstehen, müssen mehrere dieser Muster gedanklich komb<strong>in</strong>iert<br />
werden.<br />
Trotz aller Versuche, die vorherrschenden Beziehungen möglichst präzise<br />
darzustellen, muss abschliessend noch auf e<strong>in</strong>e weitere Vere<strong>in</strong>fachung <strong>in</strong> der<br />
Darstellung h<strong>in</strong>gewiesen werden. In Kapitel 2.3. wurde der dreifache<br />
Innovationscharakter <strong>von</strong> CVC dargestellt: CVC kann als Unternehmensneugründung,<br />
als neues Geschäftskonzept, oder <strong>in</strong> Stellvertreterfunktion für weitere,<br />
diskont<strong>in</strong>uierliche Innovationen betrachtet werden. Streng genommen müsste für<br />
jeden Innovationsaspekt e<strong>in</strong> eigenes Beziehungsgeflecht, die die Haltung und<br />
entscheidungsbee<strong>in</strong>flussenden Faktoren e<strong>in</strong>er bestimmten Führungskraft<br />
bee<strong>in</strong>halten, entwickelt werden. Dies würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit<br />
sprengen. Sofern e<strong>in</strong>e Differenzierung h<strong>in</strong>sichtlich der Art der beurteilten Innovation<br />
S<strong>in</strong>n macht, bleibt es dabei, dies <strong>in</strong> verbaler Form zum Ausdruck zu br<strong>in</strong>gen.<br />
109
5. Forschungsmethodik<br />
Die vorliegende Arbeit unterscheidet sich - wie <strong>in</strong> dem vorangegangenen Kapitel<br />
gezeigt wurde – h<strong>in</strong>sichtlich des Erkenntnismodells stark <strong>von</strong> den üblichen Ansätzen<br />
zur Erforschung <strong>von</strong> CVC. Auch die angewandte Methodik ist aussergewöhnlich<br />
und bedarf e<strong>in</strong>iger Erläuterungen. Es werden Schlussfolgerungen auf Basis e<strong>in</strong>es<br />
e<strong>in</strong>zigen Fallbeispieles und der Beobachtung durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Person gezogen. Diese<br />
Person war zudem noch aktiv <strong>in</strong> das System <strong>in</strong>volviert.<br />
Auf die Vorteile dieser ungewöhnlichen Methodik wurde bereits h<strong>in</strong>gewiesen: Es<br />
können neue Informationen gewonnen werden, die möglicherweise zu besseren<br />
Erkenntnissen führen. Aus der Aussensicht s<strong>in</strong>d meist nur recht allgeme<strong>in</strong>e Daten zu<br />
gew<strong>in</strong>nen. Der hohe Aggregationsgrad dieser Daten macht es schwer, nachzuvollziehen,<br />
wie es zu e<strong>in</strong>zelnen Ausprägungen gekommen ist und welche Beziehungen<br />
zwischen e<strong>in</strong>zelnen Daten bestehen. Mithilfe e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> das System aktiv <strong>in</strong>volvierten<br />
Person kann es gel<strong>in</strong>gen, Daten auf e<strong>in</strong>er tieferen Aggregationsstufe zu gew<strong>in</strong>nen<br />
und Zusammenhänge zu erkennen, die sich e<strong>in</strong>er Aussensicht verschliessen.<br />
Aber diese Methodik be<strong>in</strong>haltet auch Risiken und Gefahren: Möglicherweise leiden<br />
die dargestellten Ergebnisse unter e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>geschränkten Verallgeme<strong>in</strong>erbarkeit, da<br />
die Schlussfolgerungen aus e<strong>in</strong>er sehr begrenzten Datenbasis gezogen wurden bzw.<br />
Ereignisse und Informationen zu stark subjektiv gedeutet se<strong>in</strong> könnten. Auf diese<br />
E<strong>in</strong>wände soll auf zweierlei Arten begegnet werden. Zum e<strong>in</strong>en soll die Tatsache der<br />
aktiven Involvierung sowie mögliche Gefahren klar zum Ausdruck gebracht und<br />
transparent gemacht werden. Zum anderen wird versucht, bei der Darstellung der<br />
Fallstudie so weit wie möglich Fakten <strong>von</strong> Interpretationen zu trennen.<br />
Datengew<strong>in</strong>nung aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Fall<br />
Zunächst muss konstatiert werden, dass die Erkenntnisse <strong>in</strong> der Tat nur aus der<br />
Analyse e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zigen Falles gezogen wurden. Dies ist zwar unüblich, aber nicht<br />
ungewöhnlich. So hat z.B. Ed Sche<strong>in</strong> e<strong>in</strong> ganzes Buch der Analyse <strong>von</strong> Digital<br />
Equipment Corp. (Sche<strong>in</strong>, 2003a) gewidmet und hier gezeigt, dass sich aus e<strong>in</strong>em<br />
E<strong>in</strong>zelfall hohe Erkenntnisgew<strong>in</strong>ne erzielen lassen.<br />
110
Auch E.ON könnte sich aus mehreren Gründen <strong>in</strong> besonderem Masse für e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>zelfallanalyse eignen:<br />
1) E.ON wird <strong>von</strong> F<strong>in</strong>anzanalysten, die u.a. Quervergleiche zwischen Unternehmen<br />
e<strong>in</strong>er Branche herstellen, e<strong>in</strong>e besonders hohe Managementqualität zugesprochen24<br />
. Das Management verhält sich <strong>in</strong> ihren Augen <strong>in</strong> hohem Masse<br />
vernünftig und professionell. In den 90er Jahren hat sich die Vorgängergesellschaft<br />
VEBA an die Spitze der Shareholder Value-Bewegung gesetzt und gilt als<br />
Vorbild bezüglich Geschäftserfolg, Strategie, Management und Organisation,<br />
2) E.ON verfügt <strong>in</strong> Deutschland und Europa über e<strong>in</strong>e exponierte Marktstellung<br />
bei der Strom- und Gasversorgung. Das Unternehmen bef<strong>in</strong>det sich im Zentrum<br />
e<strong>in</strong>es organisatorischen Feldes und bee<strong>in</strong>flusst auch aufgrund der<br />
derzeitigen, starken Marktposition Wettbewerber und Märkte,<br />
3) E.ON ist e<strong>in</strong> bedeutender Marktteilnehmer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Branche, die hohe<br />
gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Bedeutung besitzt und durch starke<br />
<strong>in</strong>stitutionelle E<strong>in</strong>flüsse geprägt ist. Die Branche sieht sich vielen technischen<br />
Innovationen gegenüber, die gerade die Marktreife erreichen. Dies erzeugt e<strong>in</strong><br />
Spannungsfeld zwischen <strong>in</strong>stitutionell geprägten Werten, Rout<strong>in</strong>en oder<br />
Interpretationsmustern, die sich über e<strong>in</strong>e lange Zeit entwickelt haben und<br />
den noch vergleichsweise neuen, wenig <strong>in</strong>stitutionalisierten Praktiken junger,<br />
<strong>in</strong>novativer Technologieunternehmen (etwa im Bereich der Erneuerbaren<br />
Energien). Die jeweiligen Kontexte unterscheiden sich stark25 .<br />
E<strong>in</strong>zelbeobachtung<br />
Vertieft soll auf die Tatsache e<strong>in</strong>gegangen werden, dass die Erkenntnisse durch<br />
E<strong>in</strong>zelbeobachtung gewonnen werden und damit subjektive Interpretationen die Qualität<br />
der Ergebnisse bee<strong>in</strong>trächtigen könnten. Zunächst e<strong>in</strong>mal ist jede Darstellung<br />
24<br />
Beispiel: http://privatkunden.union-<strong>in</strong>vestment.de/marktueberblick/newsletter/unionticker/<br />
5a70912c2718f75088b0759fc5fea02e.0.0/05-05-18-Pdf.pdf<br />
25<br />
E<strong>in</strong> zweites Spannungsfeld ergibt sich zwischen der Geschäftsstrategie des Unternehmens und den<br />
Erwartungen e<strong>in</strong>er h<strong>in</strong>sichtlich Preisen, Versorgungsabhängigkeiten und Nachhaltigkeit bei der<br />
Energieerzeugung zunehmend sensibleren Öffentlichkeit. Dieses steht jedoch nicht im Mittelpunkt<br />
dieser Arbeit<br />
111
subjektiv. Auch die Themenauswahl und Darstellung e<strong>in</strong>er noch so objektiv ersche<strong>in</strong>enden<br />
Nachricht besitzt subjektive Elemente (<strong>in</strong> diesem Falle: des Redakteurs)<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der empfundenen Wichtigkeit e<strong>in</strong>es Ereignisses. Wie <strong>in</strong> Kapitel 4.2.<br />
dargestellt, ist bereits die Selektion relevanter Informationen Ergebnis e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dividuellen<br />
Bewertungspozesses. E<strong>in</strong>e objektive Beschreibung würde alle Tatsachen, verstanden<br />
als effektive Unterschiede, e<strong>in</strong>schliessen, die dem zu beschreibenden Phänomen<br />
immanent s<strong>in</strong>d (Bateson, 1987, S. 103 f.). Dies würde die Gesamtheit aller Kontextbed<strong>in</strong>gungen<br />
als potenzielle E<strong>in</strong>flussfaktoren für e<strong>in</strong>e bestimmte Handlung umfassen<br />
und auch z.B. D<strong>in</strong>ge wie Wetterbed<strong>in</strong>gungen (im Übrigen e<strong>in</strong>e durchaus<br />
ernstzunehmende Determ<strong>in</strong>ante für den Ausgang <strong>von</strong> Entscheidungen) oder die<br />
persönliche Gefühlslage resultierend aus dem privaten Umfeld des Entscheidungssubjektes<br />
be<strong>in</strong>halten. Zunächst kann ke<strong>in</strong> Mensch die gesamte Realität bzw. den<br />
gesamten Kontext erfassen, sondern immer nur Ausschnitte. E<strong>in</strong>e Beschreibung ist<br />
auch deshalb nicht möglich, da jedes Individuum – zum<strong>in</strong>dest aus dem Blickw<strong>in</strong>kel<br />
sozialer Interaktion - als geschlossenes System verstanden werden kann. Der Umwelt<br />
ist der Zugang zu den Gedanken und Gefühlen se<strong>in</strong>er Mitmenschen und damit zu<br />
wichtigen Bestimmungsfaktoren für Entscheidungen und Verhaltensweisen<br />
versperrt. Es s<strong>in</strong>d letztendlich immer nur subjektive Deutungen <strong>von</strong> sich<br />
buchstäblich an der Oberfläche des Menschen stattf<strong>in</strong>denden Veränderungen bzw.<br />
Unterschieden möglich, wie Mimik, Gestik, Schallwellen der Sprache möglich.<br />
In noch höherem Masse ist die Daten<strong>in</strong>terpretation subjektiv. Informationen werden<br />
anhand des vorhandenen Interpretationsschemas bewertet. Die Deutung erfolgt <strong>in</strong><br />
starkem Masse auf Basis <strong>von</strong> Wissen und persönlicher Erfahrung. Jeder Mensch konstruiert<br />
sich – wie gezeigt wurde - se<strong>in</strong>e eigene Wirklichkeit bzw. se<strong>in</strong>en Kontext26 .<br />
Die subjektive „Befangenheit“ respektive Vore<strong>in</strong>genommenheit bei der Daten<strong>in</strong>terpretation<br />
ist freilich grösser, je stärker die persönliche Involvierung <strong>in</strong> den Untersuchungskontext<br />
ist. Die Gefahr besteht, dass sowohl die Darstellung als auch die<br />
Interpretation der Ereignisse trotz grösstmöglichen Bemühens um Objektivität das<br />
Ergebnis der persönlichen Inszenierung des <strong>in</strong>neren Theaters ist. Typische<br />
Verhaltensweisen, z.B. die Neigung zu Rechtfertigungen und Selbstverteidigungen,<br />
um das eigene Weltbild zu recht zu rücken, bee<strong>in</strong>flussen die Inszenierung.<br />
26 Dies ist e<strong>in</strong>e zentrale Prämisse der Erkenntnistheorie des Konstruktivismus (vgl. Humberto<br />
Maturana, He<strong>in</strong>z <strong>von</strong> Foerster, Ernst <strong>von</strong> Glasersfeld, Paul Watzlawik, Fritz Simon)<br />
112
Dem Risiko e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>seitigen, „schiefen“ Daten<strong>in</strong>terpretation soll folgendermassen<br />
begegnet werden: Erstens dadurch, dass sich der Autor dieser Gefahren bewusst ist<br />
und versucht, e<strong>in</strong>e kritische Distanz zu den damaligen, immerh<strong>in</strong> schon e<strong>in</strong>ige Jahre<br />
zurückliegenden Ereignissen aufzubauen. Die eigenen Darstellungen und Erklärungen<br />
sollen permanent kritisch h<strong>in</strong>terfragt werden. Zweitens soll e<strong>in</strong>e sehr tiefe Analyse<br />
der Ereignisse ebenfalls dazu beitragen, den persönlichen Interpretationsspielraum<br />
e<strong>in</strong>zuschränken. Dieser ist umso höher, je stärker aggregiert die Daten s<strong>in</strong>d.<br />
Drittens soll der Gefahr <strong>in</strong>sofern begegnet werden, dass dem Leser der persönliche<br />
Kontext des Autors bekannt gemacht wird, und ihm so nachvollziehbar wie möglich<br />
dargelegt wird, wie die Schlussfolgerungen zustande gekommen s<strong>in</strong>d. Hierdurch<br />
können die Aussagen und Empfehlungen besser e<strong>in</strong>geordnet und bewertet werden.<br />
Ausserdem soll versucht werden, die eigenen Erkenntnisse mit solchen aus anderen<br />
Quellen zu triangulieren. So werden im Rahmen der Fallstudienanalyse auch Fakten<br />
aus e<strong>in</strong>er Reihe <strong>von</strong> <strong>in</strong>ternen Dokumenten verarbeitet, wie z.B. aus Vorstandsprotokollen,<br />
Investitionsvorlagen, Zielvere<strong>in</strong>barungen der Geschäftsführung <strong>von</strong><br />
EVP mit dem Vorstand der E.ON AG oder Unternehmensdarstellungen. Teilweise<br />
wird aus ihnen zitiert, um eigene Interpretationen dem Leser nachvollziehbarer zu<br />
machen. E<strong>in</strong>em besseren Gesamte<strong>in</strong>druck dient auch der Verweis auf extern<br />
zugängliche Dokumente wie Pressemitteilungen der E.ON AG oder das Zitieren aus<br />
politischen Statements wichtiger Entscheidungsträger des Konzerns.<br />
Da die „wahren“ Motivlagen wichtiger Entscheidungsträger und e<strong>in</strong>zelne Aspekte<br />
der „Bounded Rationality“ nur schwer durch direkte Befragung (Interviews) zu<br />
erschliessen s<strong>in</strong>d, wurde e<strong>in</strong> vertieftes Interview mit dem Leiter Strategie der E.ON<br />
AG zum den allgeme<strong>in</strong>er def<strong>in</strong>ierten Themenbereich „Innovationskultur, alternative<br />
Energieerzeugungstechnologien“ geführt. Ausschnitte aus diesem Interview werden<br />
<strong>in</strong> die Fallstudie an verschiedenen Stellen e<strong>in</strong>gebaut.<br />
Auch Querbezüge zu dem „Schicksal“ <strong>von</strong> VC-E<strong>in</strong>heiten anderer Konzerne (z.B.<br />
Lucent, Nokia) werden hergestellt, um die Gültigkeit <strong>von</strong> Aussagen nicht nur für<br />
den E<strong>in</strong>zelfall E.ON zu zeigen, sondern auch für andere CVC-Programme grosser<br />
Konzerne.<br />
113
6. Fallstudie: Aufbau der CVC-Aktivitäten im E.ON Konzern<br />
114<br />
„E<strong>in</strong> Problem kann nicht mit denselben Denkansätzen gelöst<br />
werden, durch das es entstanden ist“. (Albert E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>)<br />
Den soeben formulierten Anspruch, die Ereignisse für e<strong>in</strong>en Aussenstehenden<br />
möglichst transparent und nachvollziehbar zu machen, wird unter anderem dadurch<br />
Rechnung getragen, dass e<strong>in</strong> dreistufiger Aufbau der Fallstudie gewählt wurde.<br />
Auf der ersten Stufe werden Daten und Fakten, wichtige Meilenste<strong>in</strong>e und<br />
Ereignisse im direkten Zusammenhang mit der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> der CVC-Aktivitäten<br />
dargestellt. Es erfolgt e<strong>in</strong>e Differenzierung nach Initiierungs- und Umsetzungsphase.<br />
Da es Ziel dieses Kapitels ist, die „Geschichte“ (im Bateson’schen S<strong>in</strong>ne) <strong>von</strong> E.ON<br />
<strong>Venture</strong> Partners darzustellen und Erklärungen zu f<strong>in</strong>den, warum das Projekt CVC<br />
gerade diesen Pfad genommen hat, soll auf der zweiten Stufe der Kontext<br />
beschrieben werden. Erst die Kenntnis des Kontextes verleiht e<strong>in</strong>em Verhalten S<strong>in</strong>n.<br />
Dies erfolgt so konzentriert wie möglich. Auf umfangreiche E<strong>in</strong>zelausführungen<br />
(etwas zur Entwicklung des VC-Marktes oder <strong>von</strong> Energie<strong>in</strong>novationen) wird<br />
verzichtet, da hieraus ke<strong>in</strong> Beitrag zur Lösung der Forschungsfrage abgeleitet<br />
werden kann. Ebenso soll <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er umfangreichen Interpretation der Daten auf den<br />
ersten beiden Stufen abgesehen werden, um möglichst gut Fakten und<br />
Beschreibungen <strong>von</strong> Erklärungen und Interpretationen zu trennen. Gleichwohl ist<br />
nicht zu verh<strong>in</strong>dern, dass alle<strong>in</strong> durch die Auswahl und den Umfang der Darstellung<br />
bestimmter Ereignisse und Kontextfaktoren bereits subjektive Elemente e<strong>in</strong>fliessen.<br />
Natürlich hätte man die Wahrnehmung auch auf andere D<strong>in</strong>ge richten können.<br />
Zum<strong>in</strong>dest wird durch Darstellungsform, -<strong>in</strong>halte und -umfang deutlich und<br />
möglicherweise auch nachvollziehbar, welche spezifische Wirklichkeitskonstruktion<br />
der Autor gewählt hat. Auf der dritten Stufe erfolgt die Triangulation der<br />
Ergebnisse. Es werden Beziehungen zwischen projektrelevanten Ereignissen und<br />
Kontextfaktoren hergestellt und Schlussfolgerungen gezogen. Dies ist e<strong>in</strong> zentrales<br />
Kapitel der Arbeit, <strong>in</strong>dem persönliche Interpretationen der Ereignisse erfolgen und<br />
aus der Beantwortung der Forschungsfrage neue Erklärungen gesucht werden.
6.1. Stufe I: Wichtige Ereignisse und Entscheidungen<br />
6.1.1. Initiierungsphase: Von der Initialzündung bis zur Umsetzungsfreigabe<br />
Mit der Initiierungsphase soll jene Phase vom Start des Projektes bis zur<br />
Umsetzungsfreigabe durch den Vorstand der E.ON AG bezeichnet werden. Im<br />
vorliegenden Fall dauerte dies knapp e<strong>in</strong> Jahr und be<strong>in</strong>haltete vier wichtige<br />
Meilenste<strong>in</strong>e (Abb. 6):<br />
Abb. 6: Initiierungsphase CVC: Wichtige Meilenste<strong>in</strong>e<br />
1 9 9 9 2 0 0 0<br />
Okt.<br />
VEBA<br />
Campus<br />
• Initialzündung<br />
VEBA Campus<br />
Veranstaltung<br />
• Bildung Arbeitsgruppe<br />
• Ausarbeitung<br />
Grobkonzept /<br />
Eckpunkte CVC<br />
18.04. 19.05. 24.07. 04.09.<br />
Vorstandssitzung<br />
VEBA<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Pressemitteilung<br />
Ausarbeitung<br />
Detailkonzept:<br />
• Fondstrategie<br />
• Organisation<br />
• Organe / pers.<br />
Besetzung<br />
• Integration<br />
VIAG Invent<br />
Vorstandssitzung<br />
E.ON<br />
Modifikationen:<br />
Vorstandssitzung<br />
E.ON<br />
• Höhe/Auszahlung<br />
Fondsmittel<br />
• Genehmigungsgrenzen•Erfolgsbeteiligung<br />
Mgt.<br />
Der Startschuss für das CVC Projekt erfolgte im Oktober 1999. In e<strong>in</strong>er sog.<br />
„Campus“ - Veranstaltung diskutierten Nachwuchsführungskräfte mit dem<br />
gesamten VEBA-Vorstand, dem neben den Hold<strong>in</strong>gvorständen auch die<br />
Vorstandsvorsitzenden wichtiger Teilkonzerne angehörten, Ansätze zur Förderung<br />
des Unternehmertums im Konzern. Der Vorstand sagte zu, das Projekt mit der<br />
t<br />
115
grössten Unterstützung <strong>in</strong>nerhalb des Kreises der „jungen Wilden“ (so die VEBA<strong>in</strong>terne<br />
Bezeichnung der Nachwuchsführungskräfte) aktiv zu begleiten. Die Wahl fiel<br />
auf „<strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong>“. Dieses Thema wurde <strong>von</strong> dem Autor – damals<br />
noch Leiter „Markt und Wettbewerb“ im Bereich Konzernstrategie der VEBA AG -<br />
vorgestellt und beworben.<br />
Noch während der Campus-Veranstaltung wurde e<strong>in</strong>e fünfköpfige Arbeitsgruppe<br />
gebildet. Sie bestand aus zwei Mitarbeitern der VEBA AG sowie jeweils e<strong>in</strong>em<br />
Mitglied der Teilkonzerne St<strong>in</strong>nes, PreussenElektra und VEBA Oel und erhielt den<br />
Auftrag, Vorschläge für mögliche CVC-Ansätze für das eigene Unternehmen zu<br />
entwickeln und diese dem Vorstand zur Entscheidung vorzulegen. Die Führung des<br />
Projektes auf Vorstandsseite oblag dem für Personal zuständigen Vorstandsmitglied<br />
der VEBA AG. In se<strong>in</strong>er Verantwortung lagen auch die Organisation der Campus-<br />
Veranstaltung und die Betreuung der Führungsnachwuchskräfte.<br />
In den Folgemonaten erörterte das Projektteam <strong>in</strong> Sitzungen, die jeweils 3-4 Stunden<br />
dauerten und im Abstand <strong>von</strong> ca. vier Wochen stattfanden, folgende Themen:<br />
116<br />
Begründung für <strong>Corporate</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Aktivitäten: Warum braucht<br />
VEBA e<strong>in</strong>e CVC-Gesellschaft?<br />
Status-quo <strong>in</strong> Deutschland: Was machen andere Konzerne? 27<br />
Mögliche Aufgaben und Organisationsformen: Welches Konzept verspricht<br />
den grössten Nutzen für alle Beteiligten?<br />
In die Diskussion wurde e<strong>in</strong> Mitarbeiter der Creavis GmbH, e<strong>in</strong>er Tochtergesellschaft<br />
der Degussa/Hüls AG e<strong>in</strong>bezogen. Kernaufgabe dieser Gesellschaft ist der<br />
„Aufbau neuer Geschäftsfelder und die Entwicklung zukunftsweisender Technologieplattformen“<br />
für den Degussa Konzern (www.creavis.com). Diese Gesellschaft<br />
operiert zwar als F&E-Bereich des Konzerns und nicht als CVC-Gesellschaft. Da<br />
jedoch e<strong>in</strong>zelne Geschäftsaktivitäten denen e<strong>in</strong>er <strong>Corporate</strong> Ventur<strong>in</strong>g Gesellschaft<br />
ähnlich s<strong>in</strong>d, sollte über die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>es Mitarbeiters der Creavis das<br />
27<br />
Dieser Aspekt war dem Vorstand besonders wichtig und wurde ausführlicher ausgearbeitet und<br />
dargestellt als ursprünglich beabsichtigt.
vorhandene Know-how im Konzern genutzt werden. Die Arbeitsgruppe erarbeitete<br />
e<strong>in</strong>en Entscheidungsvorschlag. Dieser be<strong>in</strong>haltete zwar noch ke<strong>in</strong> detailliertes<br />
Geschäftskonzept, jedoch Vorschläge zu wichtigen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der<br />
Geschäftstätigkeit:<br />
Fondsmittel <strong>von</strong> 50 Mio. DM für die Beteiligung an technologisch <strong>in</strong>novativen<br />
Start-up-Unternehmen,<br />
Organisation: Eigenständige, „schlank“ organisierte CVC-Gesellschaft mit 4-5<br />
Mitarbeitern,<br />
<strong>in</strong>tensive E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Teilkonzerne: Co-F<strong>in</strong>anzierung/Beteiligung an<br />
e<strong>in</strong>zelnen <strong>Venture</strong>-Projekten.<br />
Diesen Vorschlag sowie weitere Details präsentierten die Mitglieder der Arbeitsgruppe<br />
nach kurzer Vorabstimmung mit dem betreuenden Vorstandsmitglied am 18.<br />
April 2000 dem VEBA Vorstand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em rund e<strong>in</strong>stündigen Vortrag. Erläutert wurden<br />
auch die unterschiedlichen Zielsetzungen <strong>von</strong> CVC (geschäftsstrategische, unternehmenskulturelle<br />
und wirtschaftliche), <strong>von</strong> denen im Ergebnisprotokoll zur<br />
Vorstandssitzung vor allem die strategischen Zielen erwähnt wurden. H<strong>in</strong>sichtlich<br />
der Arbeitsweise der neuen Gesellschaft wurde <strong>in</strong> der anschliessenden Diskussion<br />
vor allem betont, dass e<strong>in</strong>e entsprechende Gesellschaft flexibel und schnell handeln<br />
können müsse; langwierige Abstimmungsrunden durch verschiedene Gremien gelte<br />
es daher möglichst zu vermeiden. Ferne sei die Beteiligung des Managements der<br />
Gesellschaft wie auch der Projektleiter am wirtschaftlichen Risiko entscheidend; nur<br />
hierdurch werde sichergestellt, dass die richtigen Anreize gesetzt und Unternehmerpersönlichkeiten<br />
entdeckt und f<strong>in</strong>anziert28 .<br />
Schliesslich „nimmt der Vorstand das Konzept für die Gründung der <strong>Venture</strong><br />
<strong>Capital</strong> Gesellschaft zustimmend zur Kenntnis“. Die Details für die Aufbau-<br />
/Ablauforganisation, für die Strategie des Fonds und die Besetzung der Gremien<br />
sollten zügig erarbeitet werden.<br />
28 gemäss Ergebnisprotokoll der Vorstandssitzung vom 18. April 2000.<br />
117
Am 19.05.2000 veröffentlichte VEBA e<strong>in</strong>e Pressemitteilung über die Gründung der<br />
neuen <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Gesellschaft:<br />
Unter der Federführung des Autors erarbeitete die Arbeitsgruppe <strong>in</strong> den folgenden<br />
Monaten e<strong>in</strong> Detailkonzept. E<strong>in</strong>e ursprünglich für den 26. Juni vorgesehene<br />
Präsentation vor dem E.ON Vorstand wurde auf den 24. Juli 2000 verschoben.<br />
Inzwischen hatte sich im Zuge der Fusion der VEBA mit der VIAG AG zur neuen<br />
E.ON AG das Entscheidungsgremium personell verändert. Die Vorstandsvorsitzenden<br />
der Teilkonzerne waren nicht länger im E.ON Vorstand vertreten. Dieser<br />
bestand nunmehr aus den ehemaligen Zentral-Vorständen der VEBA und zwei<br />
weiteren Vorstandsmitgliedern der ehemaligen VIAG AG. Die Tagesordnung sah<br />
zunächst e<strong>in</strong>e ca. 30-m<strong>in</strong>ütige Präsentation zu „Detailkonzept und Gründung E.ON<br />
<strong>Venture</strong> Partners GmbH“ vor. Hierauf wurde verzichtet. E<strong>in</strong>e vorstands<strong>in</strong>terne<br />
Diskussion ergab folgende Anpassungen des Konzeptes:<br />
118<br />
„VEBA gründet <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Gesellschaft<br />
Für die Entwicklung neuer <strong>in</strong>novativer Geschäfte wird VEBA <strong>in</strong> Zukunft Risikokapital zur<br />
Verfügung stellen. Das Unternehmen sichert sich so den Zugang zu neuen Technologien<br />
und damit zu wachstumsträchtigen Produkten und Dienstleistungen. Gefördert werden<br />
sollen sowohl <strong>in</strong>terne „Sp<strong>in</strong>-offs“ als auch externe Geschäftsideen. E<strong>in</strong>e <strong>Corporate</strong><br />
<strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Gesellschaft, deren Gründung derzeit vorbereitet wird, stellt <strong>in</strong> Zukunft<br />
das notwendige Startkapital und umfangreiche Managementunterstützung zur Verfügung.<br />
Das Fondsvolumen wird sich auf zunächst 50 Millionen DM belaufen.<br />
Neben der Erzielung e<strong>in</strong>er risikoadäquaten Rendite sollen durch die künftigen <strong>Venture</strong><br />
<strong>Capital</strong> Aktivitäten die Innovationskraft und –geschw<strong>in</strong>digkeit des VEBA-Konzerns<br />
erheblich erhöht werden. Die Investitionsschwerpunkte werden sich daher an den<br />
Aktivitäten des Konzerns, <strong>in</strong>sbesondere Energie und Chemie, orientieren.<br />
Personalvorstand Dr. Manfred Krüper betreut das Projekt auf Vorstandsebene: „Rund um<br />
die Aktivitäten des VEBA-Konzerns gibt es viele kreative Ideen, die <strong>von</strong> jungen<br />
Kle<strong>in</strong>unternehmen schnell und flexibel vorangetrieben werden können. Die Powerl<strong>in</strong>e-<br />
Technologie der Onel<strong>in</strong>e AG, die aus e<strong>in</strong>em VEBA Telecom-Projekt hervorgegangen ist,<br />
beweist das e<strong>in</strong>drücklich. Von der <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Gesellschaft versprechen wir uns<br />
daher wertvolle Impulse für unsere Geschäfte.“<br />
VEBA AG<br />
19. Mai 2000“
Von dem <strong>in</strong> Aussicht gestellten Fondsvolumen <strong>von</strong> 50 Mio. DM sollten<br />
zunächst 10 Mio. DM ausgezahlt werden. Wenn diese voll <strong>in</strong>vestiert s<strong>in</strong>d, soll<br />
der Vorstand über die Freigabe der nächsten Tranche entscheiden,<br />
die vorgeschlagene Genehmigungsgrenze, bis zu der das Management der<br />
CVC-Gesellschaft e<strong>in</strong>e Investitionsentscheidung autonom treffen konnte,<br />
sollte abgesenkt werden. Gleichzeitig sollte das Entscheidungsgremium um<br />
e<strong>in</strong>e Führungskraft aus dem Bereich Controll<strong>in</strong>g aufgestockt werden.<br />
Die vorgeschlagene Beteiligung des Managements der CVC-Gesellschaft am<br />
wirtschaftlichen Erfolg wurde als nicht ausgewogen erachtet und sollte<br />
reduziert werden.<br />
In Abstimmung mit dem Vorstandsmitglied Controll<strong>in</strong>g wurde die Entscheidungsvorlage<br />
überarbeitet. Am 04. September 2000 hat der E.ON Vorstand das Konzept für<br />
die neue Gesellschaft, E.ON <strong>Venture</strong> Partners GmbH, endgültig verabschiedet.<br />
6.1.2. Umsetzungsphase und Gründung E.ON <strong>Venture</strong> Partners<br />
Nach der Umsetzungsfreigabe durch den E.ON Vorstand im September 1999 bestand<br />
die Hauptaufgabe dar<strong>in</strong>, den operativen Geschäftsbetrieb der neuen Gesellschaft<br />
aufzubauen. Dies umfasste <strong>in</strong>sbesondere die folgenden Aktivitäten (s. Abb. 7):<br />
Personelle Ausstattung der Gesellschaft (Geschäftsführung, Mitarbeiter) und<br />
<strong>Corporate</strong> Governance Regelungen (<strong>in</strong>sb. Gremienbesetzungen sowie Festlegung<br />
<strong>von</strong> Zuständigkeiten, z.B. zu genehmigungspflichtigen Geschäften),<br />
Schaffung der physischen Infrastruktur (Wahl <strong>von</strong> Standort/Büro, E<strong>in</strong>richtung/technische<br />
Ausstattung),<br />
Gestaltung der Abläufe (<strong>in</strong>tern und <strong>in</strong>sbesondere gegenüber dem Konzern),<br />
Schaffung der Voraussetzungen für die Akquisition <strong>von</strong> Neugeschäften.<br />
119
Die ersten sechs Monate nach der Umsetzungsfreigabe durch den Vorstand waren<br />
überwiegend durch <strong>in</strong>terne Arbeiten zur Schaffung der Arbeitsgrundlagen geprägt.<br />
Offen war zu diesem Zeitpunkt noch die Gestaltung der Anstellungsverträge des<br />
Managements sowie der Investmentmanager der neuen Gesellschaft, <strong>in</strong>sbesondere<br />
die Ausgestaltung des sog. „Carried Interests“ („CI“). Hierüber sollte - wie <strong>in</strong> der<br />
VC-Branche üblich – das Management an dem aus den getätigten Investitionen<br />
erwirtschafteten Gew<strong>in</strong>n partizipieren. Zur vertraglichen Ausgestaltung hatte E.ON<br />
AG e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> diesen Fragen erfahrene Rechtsanwaltskanzlei beauftragt.<br />
Nach rund neun Monaten waren alle Mitarbeiter rekrutiert: Es bestand Konsens zwischen<br />
allen Beteiligten, dass das neue Unternehmen „schlank“ organisiert se<strong>in</strong> sollte<br />
und das Team zunächst aus e<strong>in</strong>em Geschäftsführer, e<strong>in</strong>em VC erfahrenen Mitarbeiter,<br />
e<strong>in</strong>em Controller und e<strong>in</strong>er Sekretär<strong>in</strong> bestehen sollte. H<strong>in</strong>sichtlich der Person<br />
des Geschäftsführers bestand Konsens zwischen allen Beteiligten, dass der Autor als<br />
Projekt<strong>in</strong>itiator diese Funktion bekleiden sollte. Die offizielle Personalentscheidung<br />
wurde durch den Projektmentor und Personalvorstand getroffen. Unterstützt wurde<br />
120<br />
Abb. 7: Implementierungsphase CVC: Wichtige Meilenste<strong>in</strong>e I<br />
2 0 0 0 2 0 0 1 2 0 0 2<br />
Abstimmung<br />
Dienstvertrag<br />
Rekrutierung Personal<br />
Schaffung der physischen Infrastruktur<br />
(Büro, Ausstattung, Technik, IT, TK)<br />
04.09.<br />
Investmentebene<br />
Juli<br />
Büro D-Hafen<br />
Mai Dez<br />
Juli<br />
1.<br />
Investment<br />
Akquisition und Analyse Dealflow<br />
Due<br />
Due<br />
Diligence<br />
2. und 3.<br />
Investment<br />
Diligence<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
PR: Vorträge, Pressearbeit, Broschüren<br />
Organisatorische<br />
Ebene<br />
4.<br />
Investment<br />
t
sie auch durch den Vorstandsvorsitzenden der E.ON. Die Verbundenheit der Arbeitsgruppe<br />
der Nachwuchsführungskräfte mit dem Projekt sollte so stark se<strong>in</strong>, dass<br />
Mitglieder auch bereit s<strong>in</strong>d, persönlich die Verantwortung für die neuen Aktivitäten<br />
zu übernehmen. In der Vorstandssitzung vom 24. Juli 2000 wurde die Notwendigkeit<br />
e<strong>in</strong>es zweiten Geschäftsführers diskutiert, e<strong>in</strong>e Entscheidung hierzu aber<br />
zurückgestellt.<br />
Die Funktion des Controllers sollte E.ON-<strong>in</strong>tern besetzt werden. Nach Gesprächen<br />
mit mehreren <strong>in</strong>teressierten Bewerbern fiel die Wahl auf e<strong>in</strong>en Abteilungsleiter aus<br />
dem Bereich Beteiligungscontroll<strong>in</strong>g. Zur Besetzung der Stelle als Sekretär<strong>in</strong> wurde<br />
e<strong>in</strong>e externe Stellenausschreibung vorgenommen.<br />
Die Funktion des „Investment Directors“ wurde durch e<strong>in</strong>en Mitarbeiter<br />
wahrgenommen, der bereits viele Jahre für e<strong>in</strong>en deutschen Grosskonzern <strong>in</strong> den<br />
USA <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Investitionen tätigte. Er konnte ab 01. Juli 2001 für den Aufbau<br />
der VC-Aktivitäten des E.ON Konzerns gewonnen werden.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich Zustimmungs- bzw. Genehmigungserfordernissen und der Besetzung<br />
der Gremien (<strong>Corporate</strong> Governance) wurde beschlossen, dass die Genehmigung<br />
<strong>von</strong> Investmentvorlagen mit e<strong>in</strong>em Volumen über 1 Mio. €, <strong>von</strong> Des<strong>in</strong>vestments und<br />
des jährlichen Budgets dem Investitions- und F<strong>in</strong>anzausschuss oblag. Dieser wurde<br />
gebildet aus dem Vorstand F<strong>in</strong>anzen (Vorsitzender), Vorstand Personal, Leiter<br />
Controll<strong>in</strong>g, Leiter Strategie (alle E.ON AG) sowie e<strong>in</strong>em - bei Investmentvorlagen -<br />
assoziierten Mitglied aus dem Teilkonzern. Zuständig für alle Personalfragen<br />
(E<strong>in</strong>stellung und Entlassung <strong>von</strong> Mitarbeitern, Zielvere<strong>in</strong>barungen, Höhe der<br />
Vergütungen) war der aus der Mitte des F<strong>in</strong>anz- und Investitionsausschusses<br />
gebildete Gesellschafterausschuss. Vorsitzender war das Vorstandsmitglied<br />
Personal. Es wurde zudem vere<strong>in</strong>bart, dass EVP zusätzlich e<strong>in</strong>en Beirat erhält.<br />
Diesem Gremium sollten <strong>in</strong>terne und externe Experten aus den Bereichen Technik<br />
und Markt angehören. Die Leitung des Beirates wurde e<strong>in</strong>em im Zuge der Fusion<br />
VEBA/VIAG ausgeschiedenen VIAG-Vorstand übertragen. Vonseiten des operativen<br />
Teilkonzerns wurde der technische Vorstand als Mitglied benannt.<br />
Parallel zu den Personalrekrutierungsaktivitäten wurde e<strong>in</strong> Büro für die neue Gesellschaft<br />
gesucht. Konsens bestand <strong>von</strong> Anfang an darüber, dass der gewünschte hohe<br />
121
Grad an Unabhängigkeit der Gesellschaft und deren Auftrag, abseits vom Tagesgeschäft<br />
<strong>in</strong>teressante Investmentgelegenheiten, neue Technologien und Geschäftsoptionen<br />
zu identifizieren, am besten durch e<strong>in</strong>e physische Trennung <strong>von</strong> Mutterund<br />
operativen Gesellschaften zu realisieren ist. Gleichzeitig wurde aufgrund <strong>von</strong><br />
Abstimmungserfordernissen die Nähe zur Konzernzentrale (Standort: Düsseldorf)<br />
oder zur operativen Gesellschaft (Standort: München) als wichtig erachtet. Die Wahl<br />
fiel schliesslich - ca. 2 km <strong>von</strong> der Unternehmenszentrale entfernt - auf e<strong>in</strong>en<br />
Standort am Düsseldorfer Medienhafen. Dort sassen auch zahlreiche andere VC-<br />
Gesellschaften und Start-up-Unternehmen. E<strong>in</strong>e geeignete Bürofläche konnte am 01.<br />
Juli 2001 bezogen werden.<br />
Die erste Zielvere<strong>in</strong>barung der Geschäftsführung mit dem Vorsitzenden des Gesellschafterausschusses<br />
für das Jahr 2001 sah - nach absteigender Wichtigkeit - folgende<br />
Prioritäten vor: Budgete<strong>in</strong>haltung, operativer Aufbau des Geschäftes/geordnete Geschäftsprozesse,<br />
zwei bis drei Investments und m<strong>in</strong>destens 150 Beteiligungsanfragen.<br />
Schliesslich sollten erste Kommunikationsmassnahmen (wie Internetauftritt,<br />
Netzwerkbildung mit der VC-Industrie, Pressearbeit) umgesetzt se<strong>in</strong>.<br />
Noch bevor der frisch rekrutierte Investment Director an Bord war, das neue Büro<br />
bezogen und der Geschäftsbetrieb offiziell eröffnet worden ist, wurde das erste<br />
Investment getätigt. Ziel dieses Start-up-Unternehmens war es, auf Basis e<strong>in</strong>er<br />
neuartigen Prozesstechnologie hochleistungsfähige Polymer Lithium Ionen Batterien,<br />
etwa für den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Mobiltelefonen und Laptops, zu entwickeln. Motivation für<br />
e<strong>in</strong> Co-Investment durch E.ON <strong>Venture</strong> Partners war neben den lukrativen<br />
Zukunftsperspektiven dieser Technologie auch die Tatsache, <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em erfahrenen<br />
und renommierten VC-Investor zu lernen. Auf Basis e<strong>in</strong>er Präsentation sowie e<strong>in</strong>er<br />
Investmentvorlage wurde die Investition satzungsgemäss durch den Vorsitzenden<br />
des neuen Investitions- und F<strong>in</strong>anzausschusses im Mai 2001 genehmigt. Nach etwa<br />
e<strong>in</strong>em Jahr bahnten sich bei diesem <strong>Venture</strong> die ersten Schwierigkeiten mit der<br />
Umsetzung des verabschiedeten Geschäftsplanes an: Es kam zu Verzögerungen <strong>in</strong><br />
der Endphase der Entwicklung der Produkte und bei e<strong>in</strong>er darauf abgestimmten<br />
Fertigung. Bestimmte Leistungskriterien der Batterien und damit die Zertifizierung<br />
bei wichtigen Kunden konnten nicht erreicht werden. Der F<strong>in</strong>anzbedarf wuchs<br />
aufgrund dieser Verzögerungen. Mitte 2004 entschloss sich EVP, anders als alle<br />
anderen Investoren, an e<strong>in</strong>er weiteren F<strong>in</strong>anzierungsrunde nicht mehr teilzunehmen<br />
122
und bot an, die eigenen Aktien an dem Unternehmen durch die anderen<br />
F<strong>in</strong>anzierungspartnern übernehmen zu lassen. Der Abschreibungsbedarf auf dieses<br />
Investment hielt sich <strong>in</strong> überschaubaren aufgrund e<strong>in</strong>er umfangreichen staatlichen<br />
Ausfallbürgschaft <strong>in</strong> engen Grenzen.<br />
Vor allem seit das neue Büro bezogen wurde, zahlreiche Präsentationen im Rahmen<br />
<strong>von</strong> VC-Veranstaltungen gehalten wurden sowie Broschüren und Internet als<br />
Kommunikationsmittel aktiv genutzt wurden, entwickelte sich der Dealflow, also die<br />
Gesamtheit der e<strong>in</strong>gereichten und im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Risikokapitalf<strong>in</strong>anzierung<br />
geprüften Geschäftskonzepte (Bus<strong>in</strong>esspläne), sehr positiv (Abb. 8).<br />
Abb. 8: Entwicklung Dealflow EVP <strong>in</strong> den Jahren 2000-2003<br />
Anzahl geprüfter<br />
Bus<strong>in</strong>esspläne<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
2000 2001 2002 2003<br />
Die Mehrzahl der Beteiligungsanfragen wurde direkt an die neue Gesellschaft<br />
gerichtet; e<strong>in</strong> hoher Anteil aber auch über das VC-Netzwerk. Andere, klassische VC-<br />
Gesellschaften reichten mangels tiefen Verständnisses der Energiebranche relevante<br />
Geschäftskonzepte zur Prüfung an die neue Gesellschaft weiter und versprachen sich<br />
durch die Involvierung <strong>von</strong> EVP e<strong>in</strong>e sachkundigere Prüfung sowie e<strong>in</strong>en Mehrwert<br />
123
aus der Zusammenarbeit mit e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen. Sie zeigten <strong>in</strong>sgesamt<br />
e<strong>in</strong>e grosse Offenheit für e<strong>in</strong>e Kooperation mit der neuen CVC-Gesellschaft. Die<br />
Nähe zu e<strong>in</strong>em Grosskonzern wurde h<strong>in</strong>gegen <strong>von</strong> vielen Entrepreneuren kritisch<br />
gesehen. Es bedurfte e<strong>in</strong>iger guter Argumente und vertrauensvoller Gespräche,<br />
bevor die Bedenken seitens der Jung-Unternehmer ausgeräumt waren.<br />
Ab August 2001, also schon kurz nach der Aufnahme des Geschäftsbetriebes am<br />
Düsseldorfer Medienhafen, führte EVP e<strong>in</strong>e tiefgehende technische, juristische und<br />
wirtschaftliche Analyse (Due Diligence) zweier Unternehmen durch. Das Management<br />
<strong>von</strong> EVP entschied sich, nur kaufmännische und ke<strong>in</strong>e eigenen technischen<br />
Kompetenzen im Unternehmen vorzuhalten. Letztere sollten über Kooperationen mit<br />
Konzerngesellschaften beigezogen werden. Zwischen den Geschäftsführungen der<br />
Gesellschaften wurde e<strong>in</strong> Format für die technische Due Diligence <strong>von</strong> Start-up-<br />
Unternehmen sowie die Abgeltung dieser Leistungen entwickelt. Je nach zu beurteilender<br />
Technologie bzw. technischer Lösung konnte aus e<strong>in</strong>em Pool <strong>von</strong> mehreren<br />
hundert Spezialisten der für die jeweilige Aufgabe geeignetste Mitarbeiter<br />
identifiziert werden. Auftrag war alle<strong>in</strong> die technische Beurteilung des Geschäftskonzepts.<br />
Die E<strong>in</strong>schätzung wirtschaftlich-kommerzieller Faktoren, e<strong>in</strong>schliesslich<br />
der spezifischen Risikostruktur der <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> F<strong>in</strong>anzierung oblag EVP.<br />
Zwei Beteiligungsangebote wurden durch EVP als besonders viel versprechend<br />
e<strong>in</strong>gestuft und tiefer analysiert Die Geschäftskonzepte dieser beiden Unternehmen<br />
wiesen e<strong>in</strong>e starke Nähe zum Kerngeschäft des E.ON-Konzerns auf. Bei dem e<strong>in</strong>en,<br />
e<strong>in</strong>em US-amerikanischen Unternehmen (2. Investment), handelte es um den<br />
Anbieter e<strong>in</strong>er neuen Software zur Steuerung stark stromverbrauchender Endgeräte.<br />
Hiermit sollte es gel<strong>in</strong>gen, Lastspitzen zu glätten und nachfrageseitig auf e<strong>in</strong>e<br />
effizientere Stromnutzung h<strong>in</strong>zuwirken. Das andere Unternehmen (3. Investment)<br />
war e<strong>in</strong> MBO e<strong>in</strong>es Teams <strong>von</strong> Entwicklungs<strong>in</strong>genieuren e<strong>in</strong>es grossen<br />
Automobilkonzerns. Durch Weiterentwicklung e<strong>in</strong>es vorhandenen Motors sollte e<strong>in</strong>e<br />
Kraft-Wärme-Koppelungse<strong>in</strong>heit (also e<strong>in</strong>er technischen E<strong>in</strong>richtung zur parallelen<br />
Erzeugung <strong>von</strong> Strom und Wärme) mit gegenüber traditionellen Lösungen<br />
überlegenen Eigenschaften entstehen.<br />
Aufgrund der Nähe zum Energiegeschäft der E.ON erbat der Investitions- und<br />
F<strong>in</strong>anzausschuss neben der technischen Due Diligence durch die Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g-<br />
124
Gesellschaft des Konzerns auch die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der operativen Konzerngesellschaft.<br />
Beide Geschäftskonzepte wurden dort zunächst reserviert beurteilt. Nach e<strong>in</strong>igen –<br />
teilweisen konfliktreichen - Abstimmungen mit dem operativen Teilkonzern konnte<br />
schliesslich die Zustimmung erreicht werden. Dem Management der EVP wurde<br />
erlaubt, private Co-Investments zu den durch EVP getätigten Investments zu tätigen.<br />
Die Obergrenze betrug zunächst 20.000 DM und wurde zwischenzeitlich auf 25.000 €<br />
angehoben. Der Vorstand hatte e<strong>in</strong> grosses Interesse an e<strong>in</strong>em signifikanten, das<br />
CVC-Investment flankierenden privaten Engagement des Managements. Dass das<br />
Management der EVP bereit war, <strong>in</strong> hohem Umfang private Co-Investments zu<br />
tätigen, förderte den Zustimmungsprozess auf der Ebene der E.ON AG.<br />
Das nächste, vierte Investment erfolgte <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Unternehmen, das e<strong>in</strong>e neuartige<br />
Technologie zur Tr<strong>in</strong>kwasseraufbereitung entwickelte. Die Zustimmung hierzu<br />
konnte relativ problemlos erreicht werden. Das Unternehmen war dem zuständigen<br />
Teilkonzern aus geme<strong>in</strong>samen Entwicklungsprojekten schon bekannt. Die technische<br />
Due Diligence durch die Ingenieure dieses Teilkonzerns fiel positiv aus.<br />
Am aufwendigsten gestaltete sich der Entscheidungsprozess für die Teilnahme an<br />
der nächsten, planmässigen F<strong>in</strong>anzierungsrunde zum dritten Investment rund 1 ½<br />
Jahre später, obwohl das Unternehmen <strong>in</strong> der Zwischenzeit operative Fortschritte<br />
gemacht und wesentliche Meilenste<strong>in</strong>e erfolgreich genommen hatte. Nicht nur auf<br />
den Zielmärkten, sondern auch auf dem VC-Markt konnte das Unternehmen hohes<br />
Interesse erzeugen. Trotz <strong>in</strong>zwischen schwieriger Marktbed<strong>in</strong>gungen im Private<br />
Equity-/<strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Markt gelang es, die erforderlichen neuen F<strong>in</strong>anzmittel<br />
e<strong>in</strong>zuwerben und dabei die Unternehmensbewertung erheblich zu steigern. Die<br />
Führung der zweiten F<strong>in</strong>anzierungsrunde übernahm e<strong>in</strong>e andere, auf Energie-<br />
Investments spezialisierte VC-Gesellschaft. Der operative Teilkonzern sprach sich<br />
erneut gegen e<strong>in</strong> Folge<strong>in</strong>vestment <strong>von</strong> EVP aus. Die Schärfe der Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
mit EVP und ihrem Investitionsvorschlag nahm dabei zu. Dieses Mal standen<br />
weniger Fragen der technischen Realisierbarkeit bzw. der Erreichung der Kostenziele<br />
im Vordergrund der Diskussion als vielmehr geschäftsstrategische Interessen sowie<br />
Zweifel an der Zukunftsfähigkeit <strong>von</strong> dezentralen Energielösungen im Allgeme<strong>in</strong>en.<br />
Nach zahlreichen vermittelnden Gesprächen, auch auf Vorstandsebene zwischen<br />
dem technischen Vorstand des operativen Teilkonzerns und dem Vorstandsmentor<br />
<strong>in</strong> der Konzernzentrale und schriftlichen Stellungnahmen, die die jeweiligen<br />
125
Positionen und Argumentationen untermauerten, konnte schliesslich die<br />
Genehmigung des Folge<strong>in</strong>vestments doch noch erreicht werden.<br />
Weiterer F<strong>in</strong>anzbedarf ergab sich auch h<strong>in</strong>sichtlich des Investments Nr. 2. Dieses<br />
entwickelte sich nicht wie erwartet. Bereits nach e<strong>in</strong>em halben Jahr nach dem ersten<br />
Investment zeigte sich, dass es das Unternehmen mit der bisherigen Strategie schwer<br />
haben würde, sich am Markt durchzusetzen. Es wurde restrukturiert und e<strong>in</strong><br />
Zusammengehen mit e<strong>in</strong>em anderen Unternehmen angestrebt. Die weitere<br />
F<strong>in</strong>anzierung hierfür sowie die Tatsache, dass Teilabschreibungen auf die bereits<br />
getätigten Investitionen vorgenommen werden mussten, erzeugten <strong>in</strong>tensive<br />
Diskussionen; dieses Mal stärker auf der Ebene der E.ON AG als <strong>in</strong> dem operativen<br />
Teilkonzern. Die Tatsache, Abschreibungen auf e<strong>in</strong>e erst vor kurzer Zeit getätigte<br />
Investition und grundlegende Anpassungen <strong>in</strong> der Strategie dieses Unternehmens<br />
vornehmen zu müssen, irritierte29 . Aber auch diese Entscheidungsvorlage konnte<br />
schliesslich aber genehmigt werden.<br />
Auch wenn schliesslich alle Entscheidungsvorschläge positiv beschieden wurden,<br />
wurde angesichts zahlreicher und zeit<strong>in</strong>tensiver Diskussionen mit den operativen<br />
E<strong>in</strong>heiten und erster Rückschläge (Abschreibungsbedarf auf e<strong>in</strong> Investment) e<strong>in</strong>e<br />
nachlassende Neigung der Entscheidungsträger <strong>von</strong> E.ON spürbar, sich den<br />
Argumentationen <strong>von</strong> EVP anzuschliessen und die Investmentvorschläge positiv zu<br />
begleiten. Kritische Stimmen gegenüber EVP, <strong>in</strong>sbesondere h<strong>in</strong>sichtlich des<br />
e<strong>in</strong>geschlagenen strategischen Kurses, der konzern<strong>in</strong>ternen Kommunikation und<br />
se<strong>in</strong>en Investments wurden lauter.<br />
E<strong>in</strong> guter Indikator für die geänderte Stimmungslage und dafür, wie EVP<br />
konzern<strong>in</strong>tern wahrgenommen wurde, stellen die jeweiligen Zielvere<strong>in</strong>barungen der<br />
Geschäftsführung mit dem Vorsitzenden des Gesellschafterausschusses, zugleich<br />
Vorstand Personal der E.ON AG, für die Jahre 2001-2003 dar. E<strong>in</strong>e gute externe<br />
Positionierung am VC-Markt hatte noch 2001 mit <strong>in</strong>sgesamt 75% e<strong>in</strong> hohes Gewicht,<br />
2002 nur noch rd. 60% (nachträglich nach unten korrigiert). Im Jahr 2003 liess die<br />
relative Bedeutung mit rd. 40% weiter nach. Die Zielerfüllung (<strong>in</strong>sbesondere<br />
Entwicklung Dealflow, externe Kommunikation) lag immer weit über den<br />
29 Die Tatsache, Wertberichtigungen auf Teile des bestehenden Portfolios vornehmen zu müssen,<br />
wurde bei der Feststellung des Zielerreichungsgrades für das Jahr 2003 deutlich negativ vermerkt.<br />
126
Erwartungen. Durchgängig wichtig <strong>in</strong> allen Zielvere<strong>in</strong>barungen war E.ON AG war<br />
die E<strong>in</strong>haltung des vere<strong>in</strong>barten Budgets. Auch hier konnten die gesteckten Ziele<br />
immer erreicht werden. H<strong>in</strong>sichtlich der konzern<strong>in</strong>ternen Kommunikation sowie der<br />
Entwicklung der Investments (Anzahl Neu<strong>in</strong>vestments und Wertentwicklung der<br />
getätigten Investitionen) wurden die Erwartungen der E.ON AG h<strong>in</strong>gegen nicht<br />
immer erfüllt. Die Zielerreichung der Geschäftsführung <strong>von</strong> EVP wurde <strong>in</strong>sgesamt<br />
immer noch als „deutlich über den Erwartungen“ festgelegt. Der ausserordentliche<br />
hohe Wert des Jahres 2001 konnte jedoch <strong>in</strong> 2002 nicht erreicht werden.<br />
In der am 14. Februar 2003 abgeschlossenen Zielvere<strong>in</strong>barung erstmals die<br />
Erarbeitung e<strong>in</strong>er umsetzungfähigen Repositionierung <strong>von</strong> EVP bis Jahresende<br />
aufgenommen und mit e<strong>in</strong>er hohen Gewichtung belegt. Vor allem dieses Ziel sollte<br />
zusammen mit e<strong>in</strong>em, zum 01. Janar 2003 neu angestellten, zweiten Geschäftsführer<br />
erreicht werden. E.ON begründete diesen Schritt mit dem allgeme<strong>in</strong> im Konzern<br />
praktizierten „Vier-Augen-Pr<strong>in</strong>zip“. Der zweite Geschäftsführer sollte neben dem<br />
Projekt „Repositionierung“ u.a. auch die Leitung für die Bereiche Controll<strong>in</strong>g und<br />
<strong>in</strong>terne Kommunikation übernehmen, während der alte Geschäftsführer weiterh<strong>in</strong><br />
die Investments und die externe Kommunikation verantworten sollte.<br />
Im Rahmen der versuchten Repositionierung sollten Mittel und Wege geprüft<br />
werden, die unternehmens<strong>in</strong>terne Akzeptanz <strong>von</strong> EVP zu verbessern und<br />
konfrontative Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit den Teilkonzernen künftig zu vermeiden<br />
oder auf e<strong>in</strong> notwendiges Mass zu reduzieren. Ins Gespräch gebracht wurden<br />
verstärkte <strong>in</strong>terne Ventur<strong>in</strong>g-Ansätze zur Verbesserung der Innovationskraft des<br />
Konzerns. Hierzu wurde das vorhandene Innovationspotenzial im Konzern <strong>in</strong>tensiv<br />
durchleuchtet. Im Ergebnis wurde dieses jedoch als nicht ausreichend erachtet, um<br />
hieraus h<strong>in</strong>reichend neue Geschäftsmöglichkeiten für EVP und den Konzern zu<br />
generieren. Diskutiert wurde auch der Ausbau unternehmens<strong>in</strong>terner Funktionen<br />
zur Verbesserung <strong>von</strong> Innovationsmanagement und Technologiebeobachtung. Diese<br />
Ansätze wurden auf Seiten der E.ON AG positiv aufgenommen. Jedoch wurde die<br />
Wahrnehmung dieser Funktionen eher im Bereich „Strategie“ der E.ON AG gesehen<br />
als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenständigen Gesellschaft. Zudem waren diese Serviceaufgaben nicht<br />
mit dem bestehenden, CI-basierten Vergütungsmodell für die Mitarbeiter <strong>von</strong> EVP<br />
kompatibel.<br />
127
Der externe Fokus der Gesellschaft wurde angesichts dieser konzern<strong>in</strong>ternen<br />
Diskussionen immer unbedeutender, weitere Investitionsmittel vor dem<br />
H<strong>in</strong>tergrund der geführten Grundsatzdiskussionen erst e<strong>in</strong>mal nicht freigegeben. E<strong>in</strong><br />
weiterer, vom CVC-Management als Erfolg versprechend erachteter Investmentvorschlag<br />
(Nr. 5) aus dem Bereich Solarenergie im Herbst 2003 wurde nicht realisiert.<br />
Nach <strong>in</strong>tensiver Diskussion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beiratssitzung und <strong>in</strong>haltlich kontroversen<br />
Me<strong>in</strong>ungen zwischen Beiratsmitgliedern setzte sich im Nachgang der Sitzung e<strong>in</strong>e<br />
ablehnende Haltung durch. Die anfangs positiv gestimmten Beiratsmitglieder<br />
verzichteten darauf, ihre Argumente erneut vorzutragen und ihre Haltung<br />
argumentativ zu verteidigen. Um e<strong>in</strong>e erneute Konfrontation mit der operativen<br />
Teilgesellschaft zu vermeiden, wurde die Investmentvorlage zurückgezogen.<br />
Die ursprüngliche Absicht, e<strong>in</strong>e an den Spielregeln der externen VC-Marktes<br />
orientierte VC-Gesellschaft mit e<strong>in</strong>er starken f<strong>in</strong>anzielle Ausrichtung schaffen zu<br />
wollen, trat immer mehr <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund. Hierfür stand vor allem das Team <strong>von</strong><br />
EVP, allen voran der alte Geschäftsführer. Dafür gewann e<strong>in</strong>e Diskussion an<br />
Bedeutung, EVP über die Zuweisung e<strong>in</strong>er unternehmens<strong>in</strong>ternen Funktion e<strong>in</strong>e<br />
höhere strategische Bedeutung zu geben. Es konnte jedoch gegenüber E.ON AG<br />
nicht vermittelt werden, dass für das Gel<strong>in</strong>gen dieser neuen Ansätze zum<br />
Innovationsmanagement und Technologiebeobachtung e<strong>in</strong>e eigenständige<br />
Gesellschaft, die VC-Investments tätigt, nötig oder zum<strong>in</strong>dest sehr s<strong>in</strong>nvoll wäre. So<br />
wurde zwar über viele neue Aufgaben diskutiert, das alte Kerngeschäft <strong>von</strong> EVP,<br />
nämlich die Investition <strong>in</strong> externe Geschäftskonzepte, vernachlässigt. Es zeichnete<br />
sich <strong>in</strong> den zahlreichen Diskussionen mit dem Vorstand der E.ON AG ab, dass nicht<br />
nur die alte Ausrichtung <strong>von</strong> EVP konzern<strong>in</strong>tern ke<strong>in</strong>e tragfähige Basis mehr<br />
besitzen sollte, sondern auch EVP als gesamtes Unternehmen. Angesichts anderer<br />
Prioritäten und weiter blockierten Fondsmitteln machte die Beschäftigung mit neuen<br />
Geschäftskonzepten wenig S<strong>in</strong>n. Als Konsequenz dieser Entwicklung, die auch den<br />
F<strong>in</strong>anzierungspartnern (andere VC-Gesellschaften, Start-up-Unternehmen) nicht<br />
verborgen blieb, wurde im Juni 2004 zunächst das Büro am Düsseldorfer<br />
Medienhafen aufgegeben. Ende 2005 wurde der operative Geschäftsbetrieb faktisch<br />
e<strong>in</strong>gestellt.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich des bestehenden Beteiligungsportfolios wurden verschiedene<br />
Handlungsoptionen geprüft. E<strong>in</strong>e Präferenz lag <strong>in</strong> der Veräusserung des gesamten<br />
128
Portfolios an e<strong>in</strong>e andere VC-Gesellschaft. Hierfür und für die vorzeitige Abgeltung<br />
der CI-Ansprüche der Mitarbeiter <strong>von</strong> EVP wurde e<strong>in</strong>e aufwändige Bewertung jeder<br />
e<strong>in</strong>zelnen Beteiligung durchgeführt. Die dort ermittelten – teilweise hohen –<br />
Unternehmensbewertungen konnten jedoch am Markt nicht realisiert werden. VC-<br />
Gesellschaften waren lediglich bereit, mit e<strong>in</strong>em hohen Abschlag zum derzeitigen<br />
Marktwert die Beteiligungen zu übernehmen. Aus Gründen der Wertoptimierung<br />
wurde daher beschlossen, das Portfolio nicht vorzeitig zu veräussern, sondern<br />
konzern<strong>in</strong>tern weiter zu betreuen. Die Beteiligung Nr. 4 an e<strong>in</strong>em Unternehmen im<br />
dem Bereich Wasserfiltration konnte zwischenzeitlich erfolgreich und mit e<strong>in</strong>er<br />
hohen Rendite an e<strong>in</strong>en US-amerikanischen Konzern veräussert werden.<br />
Abb. 9 fasst wesentliche Ereignisse und Aktivitäten im zweiten Abschnitt der<br />
Implementierungsphase zusammen.<br />
Abb. 9: Implementierungsphase CVC: Wichtige Meilenste<strong>in</strong>e II<br />
2 0 0 3 2 0 0 4<br />
Bestellung 2.<br />
Geschäftsführer<br />
Auftrag zur Repositionierung EVP<br />
Mitarbeiter: ./. 1 ./. 1 ./. 1 ./. 1<br />
Schliessung<br />
(GF)<br />
Büro D-Hafen<br />
Jan Apr Mai Okt<br />
Akquisition und Analyse Dealflow<br />
DD/Ver-<br />
handlungen<br />
Erster Abschreibungsbedarf/<br />
Strategiewechsel Portfolio-U.<br />
Folge<strong>in</strong>vestments<br />
zu<br />
Nr. 2 u. 3<br />
5. Investment<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Bewertung Portfolio<br />
Prüfung Verwertungsoptionen<br />
Jun<br />
Veräusserung<br />
Nr. 4 (Trade-Sale)<br />
2 0 0 5<br />
Organisatorische<br />
Ebene<br />
Investmentebene<br />
t<br />
129
6.2. Stufe II: Analyse wichtiger Kontextbed<strong>in</strong>gungen<br />
Im vorhergehenden Kapitel wurde dargestellt, welche Ereignisse und Entscheidungen<br />
im direkten Umfeld des CVC-Projektes se<strong>in</strong>en Pfad geprägt haben.<br />
Nachfolgend sollen wichtige Randbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den Jahren 1999/2000 dargestellt<br />
werden, denen die Mitglieder des Top-Managements bei Ihrer Entscheidung h<strong>in</strong>sichtlich<br />
CVC ausgesetzt waren. Sie sollen später für Erklärungen dienen, wie und<br />
warum Entscheidungen zu CVC so (und nicht anders) zustande gekommen s<strong>in</strong>d.<br />
Aus den bereits erwähnten Gründen können nicht alle Randbed<strong>in</strong>gungen beschrieben<br />
werden. Es hat also e<strong>in</strong>e Auswahl nach dem Kriterium der Relevanz zu erfolgen.<br />
Welche Randbed<strong>in</strong>gungen wichtig oder relevant s<strong>in</strong>d, ist das Ergebnis e<strong>in</strong>es subjektiven<br />
Bewertungsprozesses des Autors. Natürlich existieren neben den nachfolgend<br />
beschriebenen noch e<strong>in</strong>e Vielzahl weiterer Faktoren (wie etwa die Wahrnehmung<br />
<strong>von</strong> EVU <strong>in</strong> Gesellschaft und Öffentlichkeit). Diese wurden jedoch als weniger<br />
wichtig erachtet als die hier beschriebenen.<br />
Viele dieser Kontextbed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d auch für e<strong>in</strong>en Aussenstehenden offensichtlich<br />
und direkt nachvollziehbar, wie die historischen Wurzeln des Unternehmens,<br />
se<strong>in</strong>e wirtschaftliche Lage, das Markt- und Wettbewerbsumfeld sowie bestimmte Ereignisse<br />
im Umfeld des Unternehmens. E<strong>in</strong>ige der Kontextbed<strong>in</strong>gungen (wie Prioritäten<br />
des Managements) s<strong>in</strong>d Dritten weniger zugänglich. Gleichwohl wurde<br />
versucht, das jeweilige Umfeld so plausibel wie möglich zu beschreiben.<br />
Historie E.ON / VEBA 30<br />
Der Preussische Landtag beschloss am 01.03.1929 die Zusammenlegung der vier<br />
Unternehmen Preussische Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, Preussische Bergwerksund<br />
Hütten-Aktiengesellschaft, Bergwerks-Aktiengesellschaft Reckl<strong>in</strong>ghausen und<br />
Bergwerksgesellschaft Hibernia zur neuen VEBA AG. Der erste Vorstand bestand<br />
aus zwei Staatsf<strong>in</strong>anzräten, die hauptberuflich die Preussische Staatsbank leiteten.<br />
Nebenberuflich und ehrenamtlich verwalteten diese e<strong>in</strong>es der grössten preussischen<br />
30 Die Darstellung basiert auf e<strong>in</strong>em VEBA-<strong>in</strong>ternen, nicht publizierten, Dokument „VEBA – e<strong>in</strong><br />
Konzern im Wandel“<br />
130
Unternehmen mit mehr als 200.000 Mitarbeitern. Zentrale Herausforderung <strong>in</strong> dieser<br />
Zeit war die F<strong>in</strong>anzierung der aufgrund ihres Wachstums an die Grenze ihrer<br />
Kapitaldecke stossenden Gesellschaften. Die konzern<strong>in</strong>terne Umschichtung der<br />
erwirtschafteten Überschüsse war e<strong>in</strong>e wichtige Aufgabe des VEBA-Vorstandes. Bis<br />
<strong>in</strong> die sechziger Jahre fungierte VEBA vorwiegend als F<strong>in</strong>anzhold<strong>in</strong>g. Die<br />
Teilkonzerne genossen e<strong>in</strong>e hohe strategische und operative Autonomie.<br />
1964 beschloss die Bundesregierung, die VEBA AG <strong>in</strong> mehreren Teilschritten zu<br />
privatisieren. Rudolf <strong>von</strong> Bennigsen-Förder wurde zum Generalbevollmächtigten<br />
der VEBA ernannt. 1987 gab der Bund die letzten VEBA-Anteile ab. Der Druck auf<br />
das VEBA-Management wuchs. Zwar konnte e<strong>in</strong> guter Cash-Flow aus dem Kerngeschäft<br />
Strom generiert werden. Es fehlte aber dort an guten Wachstums- und<br />
Investitionschancen. Die Gew<strong>in</strong>ne des Strombereiches wurden zunehmend <strong>in</strong> anderen<br />
Sparten <strong>in</strong>vestiert und die Diversifikation – e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Trend dieser Zeit -<br />
vorangetrieben. Die Teilkonzerne agierten noch immer weitgehend eigenständig.<br />
VEBA entwickelte sich zur Management-Hold<strong>in</strong>g. Die Vorstandsvorsitzenden der<br />
wichtigsten Teilkonzerne gehörten zugleich dem Konzernvorstand der VEBA an, um<br />
auf diese Weise ihre Identifikation mit den Strategien und Zielen des Konzerns zu<br />
erreichen. Durchgängige Führungs<strong>in</strong>strumente fehlten. Der Konzern wurde primär<br />
durch e<strong>in</strong> Netzwerk personeller Interaktion geführt.<br />
Nachdem 1989 Bennigsen-Förder überraschend verstorben war, wurde Klaus Piltz<br />
zu se<strong>in</strong>em Nachfolger bestimmt. Doch dieser verunglückte bereits 1993 ebenso<br />
überraschend bei e<strong>in</strong>em Law<strong>in</strong>enunglück tödlich. Der bisherige F<strong>in</strong>anzvorstand<br />
Ulrich Hartmann folgte ihm als Vorstandsvorsitzender nach. Die Frankfurter<br />
Allgeme<strong>in</strong>e bemerkte zu dem Führungswechsel an der Spitze der Veba: "Mit der<br />
allgeme<strong>in</strong> erwarteten Entscheidung für Hartmann hat sich der Veba-Aufsichtsrat<br />
deutlich für e<strong>in</strong>e Kont<strong>in</strong>uität <strong>in</strong> der Konzern-Führung ausgesprochen. Im Denken<br />
verwandt, dürfte Hartmann zunächst das Werk se<strong>in</strong>es Vorgängers fortsetzen und<br />
dabei auch die gegenwärtige Diskussion um e<strong>in</strong>en Konsens <strong>in</strong> der Energiepolitik <strong>in</strong><br />
dessen S<strong>in</strong>ne weiterführen." (Frankfurter Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung vom 24. April 1993).<br />
Die frühen 90er Jahre waren durch die konsequente Kapitalmarktausrichtung der<br />
VEBA gekennzeichnet. Pionierhaft <strong>in</strong> Deutschland implementiert VEBA konzernweit<br />
Cash-Flow orientierte Steuerungs- und Mess<strong>in</strong>strumente. Zur Mittelallokation wur-<br />
131
den klare Kapitalkosten- und andere Ziele für jeden Teilkonzern und se<strong>in</strong>e<br />
Geschäftsfelder festgelegt. Das stark diversifizierte Geschäftsportfolio erfüllte die<br />
neuen <strong>in</strong>ternen Anforderungen und auch die des Kapitalmarktes nicht mehr. Die<br />
hieraus resultierende Bewertung des Gesamtkonzerns mit e<strong>in</strong>em „Conglomerat<br />
Discount“ 31 sollte schnellstmöglich beseitigt werden. E<strong>in</strong>e Fokussierungs- und<br />
Wachstumsstrategie stand fortan im Mittelpunkt der Konzernstrategie. Aktives<br />
Portfoliomanagement war e<strong>in</strong>e der Kernaufgaben der VEBA AG. Der Ausbau des<br />
Kerngeschäftes Energie hatte seitdem absolute Priorität. Prägend für die 90er Jahre<br />
war e<strong>in</strong> starker Kompetenzaufbau bei der Führungsgesellschaft, VEBA AG. Rund<br />
80% der Führungskräfte wurden ausgetauscht. Vor allem junge Führungsnachwuchskräfte<br />
verstärkten als strategisch besonders wichtig erachtete Funktionen; etwa<br />
Controll<strong>in</strong>g, Investor Relation, Strategie, Recht, Wirtschaftspolitik.<br />
Wirtschaftliche Situation E.ON AG / VEBA AG<br />
Die wirtschaftliche Situation der E.ON AG bzw. ihrer Vorgängergesellschaft VEBA<br />
AG ist traditionell durch e<strong>in</strong>e sehr gute Ergebnislage bei relativer Konstanz<br />
gekennzeichnet: Das Betriebsergebnis betrug <strong>in</strong> den Jahren 1996 bis 1999 rund 2 Mrd.<br />
€. Die Dividende konnte permanent erhöht werden. Auch das Ergebnis je Aktie stieg<br />
– mit Ausnahme des Jahres 1998 - permanent, seit 1999 sogar erheblich. Die<br />
Ergebnisstruktur ist traditionell durch hohe Ergebnisbeiträge und Cash-Überschüsse<br />
des Strombereiches geprägt. Im Jahr 2000 trug der Strombereich zwar nur 14,3% zum<br />
Konzernumsatz <strong>von</strong> 93,24 Mrd. € bei, stellte aber 62,4% des Konzernbetriebsergebnisses.<br />
In den Jahren zuvor war der Beitrag der Stromsparte zum<br />
Konzernbetriebsergebnis noch höher: 1999 betrug er bei E.ON AG 89,7%, 1998 bei<br />
der VEBA AG 96,35% 32 . Als Grund für den Rückgang des auch nom<strong>in</strong>ellen<br />
Rückgangs des Betriebsergebnisses des Strombereiches <strong>von</strong> 2,47 Mrd. € <strong>in</strong> 1999 auf<br />
1,73 Mrd. € <strong>in</strong> 2000 wird im Geschäftsbericht ausgeführt: „Die Liberalisierung des<br />
deutschen Strommarktes wirkte sich im Jahr 2000 erstmals <strong>in</strong> vollem Umfang auf e<strong>in</strong><br />
ganzes Geschäftsjahr aus. Das Betriebergebnis <strong>in</strong> unserem Strombereich lag wegen<br />
der deutlichen Strompreissenkungen trotz verstärkter Gegensteuerung auf der<br />
31 E<strong>in</strong> „Conglomerate Discount“ ergibt sich, wenn die rechnerische Summe der E<strong>in</strong>zelbewertungen<br />
der Teilkonzerne als (virtuelle) eigenständige Geschäftse<strong>in</strong>heiten („sum-of-the-parts Bewertung“)<br />
höher ist als die Bewertung des gesamten VEBA-Konzerns am Kapitalmarkt.<br />
32 Geschäftsbericht E.ON AG (2000), S. 30, Geschäftsbericht VEBA AG (1999), S. 20<br />
132
Kostenseite und der Absatzsteigerung um 15 Prozent mit 1.725 Mio € um 30 Prozent<br />
unter dem Vorjahresniveau. 33 Die angesprochenen Gegensteuerungsmassnahmen<br />
be<strong>in</strong>halteten die Stilllegung <strong>von</strong> Kraftwerkskapazitäten <strong>in</strong> Höhe <strong>von</strong> 4.800 MW, die<br />
Positionierung <strong>von</strong> E.ON als Premiummarke mithilfe e<strong>in</strong>er „ergebnisorientierten<br />
Vertriebsstrategie34 und umfangreiche Kostensenkungen durch Fusionssynergien.<br />
Der deutsche Stromerzeugungsmarkt im Jahr 2000 35<br />
Der Primärenergieverbrauch <strong>in</strong> Deutschland lag mit rd. 484 Mio t Ste<strong>in</strong>kohle-<br />
E<strong>in</strong>heiten auf dem Niveau des Vorjahres (Abb. 10). Der Stromverbrauch aus dem<br />
Netz der öffentlichen Versorgung betrug rund 490 Mrd. kWh. Dies stellte e<strong>in</strong>e<br />
Steigerung <strong>von</strong> rd. 2% gegenüber dem Vorjahr dar. Dieser Bedarf wurde zu 95%<br />
Abb. 10: Stromerzeugung Deutschland vs. E.ON Energie<br />
Deutschland: Nettostromerzeugung<br />
im Jahr 2000 (öffentliche Versorgung)<br />
gesamt: 466,8 Mrd. kWh (TWh)<br />
Ste<strong>in</strong>kohle<br />
25%<br />
Wasserkraft<br />
5%<br />
Erdgas<br />
7%<br />
Sonstige *)<br />
2%<br />
Braunkohle<br />
27%<br />
*) W<strong>in</strong>dkraft und sonstige Stromerzeugungsanlagen<br />
**) <strong>in</strong>kl. Öl<br />
Quelle: E.ON AG<br />
33 E.ON AG, Geschäftsbericht 2000, S. 30<br />
34 E.ON AG, Gechäftsbereicht 2000, S. 44<br />
Kernenergie<br />
34%<br />
Ste<strong>in</strong>kohle<br />
35%<br />
E.ON Energie: Primärenergieträger<br />
an der Eigenerzeugung<br />
Wasserkraft<br />
7,4%<br />
Erdgas**)<br />
4%<br />
Braunkohle<br />
10%<br />
Kernenergie<br />
45%<br />
133
durch Produktion <strong>in</strong> deutschen Kraftwerken gedeckt. Die Kernenergie stellt hierbei<br />
mit rund 34% den bedeutendsten Energieträger dar. Energieerzeugung aus regenerativen<br />
Quellen (hier verstanden als solche aus Solar- und W<strong>in</strong>dkraft) spielte <strong>in</strong><br />
Deutschland kaum, bei E.ON so gut wie gar ke<strong>in</strong>e Rolle. E.ON ist gemessen am<br />
Stromabsatz <strong>in</strong> Deutschland die Nr. 2 (211 Mrd. kWh), knapp h<strong>in</strong>ter RWE mit 218<br />
Mrd. kWh. Die beiden Unternehmen dom<strong>in</strong>ieren den deutschen Strommarkt. In<br />
Europa s<strong>in</strong>d nur die (staatliche) EdF (Frankreich) mit 460 Mrd. kWh und ENEL<br />
(Italien) mit 225 Mrd. Mrd. KWh grösser.<br />
Fusion VEBA-VIAG<br />
Der wohl bedeutendste Meilenste<strong>in</strong> nicht nur <strong>in</strong> der Geschichte des Unternehmens,<br />
sondern auch <strong>in</strong> der deutschen Stromwirtschaft stellte die Fusion zwischen den<br />
beiden Energieversorgungskonzernen VEBA und VIAG dar. Diese wurde am 21.<br />
Dezember 1999 mit Unterzeichnung des Verschmelzungsvertrages beschlossen und<br />
am 16. Juni 2000 vollzogen. Gleichzeitig wurde das neue Unternehmen <strong>in</strong> E.ON<br />
umbenannt. Die Vorbereitung, Planung und Umsetzung der Fusion absorbierte<br />
e<strong>in</strong>en hohen Teil der Managementkapazität <strong>in</strong> den Jahren 1999 und 2000, vor allem<br />
auf der Ebene der VEBA, die die Fusion <strong>in</strong>itiierte und federführend begleitete. Die<br />
Aufgaben bestanden <strong>in</strong>sbesondere dar<strong>in</strong>,<br />
134<br />
Konkrete Fusionsziele zu def<strong>in</strong>ieren (E<strong>in</strong>sparungen, Verbesserung der<br />
strategischen Position),<br />
e<strong>in</strong>en Massnahmenplan zu erarbeiten, wie die neuen Ziele und Synergien<br />
realisiert werden können,<br />
durch Zusammenlegung <strong>von</strong> Funktionsbereichen notwendig werdende<br />
Personalentscheidungen auf Führungskräfteebene vorzubereiten (Durchführung<br />
<strong>von</strong> Management-Audits) und f<strong>in</strong>al zu treffen,<br />
die Kommunikation nach aussen zu steuern und <strong>in</strong>haltlich vorzunehmen<br />
(Pressemitteilungen, Treffen mit F<strong>in</strong>anzanalysten, Erfüllung gesetzlicher<br />
Auflagen, z.B. Erstellung Verschmelzungsbericht).<br />
35 Die Mehrzahl der nachfolgenden Daten wurden dem E.ON Geschäftsbericht 2000 entnommen.
Die beiden jeweils vierköpfigen Hold<strong>in</strong>g-Vorstandsgremien wurden zu e<strong>in</strong>em neuen,<br />
fünfköpfigen Konzernleitungsgremium umgebaut. Dem neuen Vorstand gehörten<br />
neben den beiden Vorstandsvorsitzenden der Vorgängergesellschaften VEBA und<br />
VIAG als Vorsitzende noch drei weitere Vorstände an. Zwei da<strong>von</strong> stammten <strong>von</strong><br />
VEBA, darunter auch der Vorstandsmentor für das CVC-Projekt, e<strong>in</strong>er <strong>von</strong> VIAG.<br />
Gross<strong>in</strong>vestitionen /-des<strong>in</strong>vestitionen<br />
Die Zeit zwischen 1999 und 2000 war durch umfangreiche Des<strong>in</strong>vestitionen und<br />
weniger durch grosse Neu<strong>in</strong>vestitionen - wie <strong>in</strong> den Jahren zuvor - geprägt. Die bei<br />
VEBA e<strong>in</strong>geschlagene konsequente Fokussierungsstrategie auf das Kerngeschäft<br />
Energie wurde unter E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der VIAG-Geschäftsbereiche weiter<br />
vorangetrieben. B<strong>in</strong>nen kurzer Zeit wurden zahlreiche Beteiligungen veräussert; die<br />
meisten da<strong>von</strong> (fast 90%) betrafen den Telekommunikationsbereich:<br />
Tab. 3: Grössere Divestments VEBA/E.ON <strong>in</strong> den Jahren 2000/2001<br />
Divestment Transaktionsvolumen Datum (Clos<strong>in</strong>g)<br />
E-Plus 4,3 Mrd. € 02/2000<br />
Cablecom 1,0 Mrd. € 03/2000<br />
VEBA Electronics 2,6 Mrd. € 10/2000<br />
Orange 1,8 Mrd. € 11/2000<br />
VIAG Interkom 11,4 Mrd. € 02/2001<br />
Summe 21,1 Mrd. €<br />
Quelle: E.ON AG<br />
Damit hatte E.ON die 1994 gestartete Diversifikation <strong>in</strong> die Telekommunikationsbranche<br />
beendet. Dieser Schritt konnte unter Wertgesichtspunkten als sehr erfolgreich<br />
bezeichnet werden. Nicht zuletzt war der Veräusserungszeitpunkt (grösstenteils<br />
2000) sehr günstig gewählt. Am Kapitalmarkt wurden solche Unternehmen sehr<br />
hoch bewertet. Die damaligen hohen Erwartungen und strategischen wie operativen<br />
135
Synergien an diesen Sektor konnten h<strong>in</strong>gegen nicht erfüllt werden. Das für die<br />
erfolgreiche strategische Führung und den Ausbau dieses Geschäftes notwendige<br />
Wissen und Verständnis konnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>von</strong> hoher Dynamik und immer stärker<br />
werdendem Wettbewerbsdruck geprägten Markt nur teilweise aufgebaut werden. So<br />
stellt VEBA im Geschäftsbericht 1999 fest: „Insgesamt hat VEBA die gesteckten<br />
strategischen Ziele <strong>in</strong> der Telekommunikation nicht erreicht.“ 36<br />
Kapitalmarkt und Aktienkursentwicklung<br />
VEBA gilt lange Zeit als Vorreiter des Shareholder Value Ansatzes <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Insbesondere <strong>in</strong> der Düsseldorfer Führungsgesellschaft wurde hoher Wert auf e<strong>in</strong>e<br />
kont<strong>in</strong>uierliche Steigerung <strong>von</strong> Aktienkurs und Unternehmenswert gelegt. Die<br />
operative Performance war auch <strong>in</strong> den Jahren 1999 und 2000 gut, die Profitabilität<br />
traditionsgemäss hoch und auch der geschäftliche Ausblick war viel versprechend.<br />
36 VEBA AG, Geschäftsbericht 1999, S. 60<br />
136<br />
Abb. 11 : Aktienkursentwicklung E.ON vs. DAX<br />
Quelle: Datastream<br />
VEBA-<br />
Campus<br />
1.Vorstandspräsentation<br />
Umsetzungsfreigabe
Trotz der e<strong>in</strong>hellig als sehr attraktiv bewerteten Fusion zwischen VIAG und VEBA<br />
sowie der Tatsache, dass die zum Verkauf stehenden Telekommunikationsaktivitäten<br />
e<strong>in</strong>e immer höhere Bewertung durch den Kapitalmarkt erfuhren, gab der<br />
Kurs der VEBA-Aktie <strong>in</strong> der zweiten Jahreshälfte 1999 stark nach. Die Aktie verlor,<br />
wie <strong>in</strong> Abb. 11 dargestellt, zwischen 01.01.1999 und 04.09.2000, dem Zeitpunkt der<br />
Freigabe der CVC-Aktivitäten, rd. 20% an Wert. Im gleichen Zeitraum gewann der<br />
DAX <strong>in</strong> diesem Zeitraum fast 50%. Insbesondere <strong>in</strong> der ersten Hälfte des Jahres 2000<br />
war e<strong>in</strong>e starke Divergenz zwischen den Aktienkursentwicklungen aller DAX-<br />
Unternehmen und der der VEBA festzustellen. Dies war Ausdruck e<strong>in</strong>er zu dieser<br />
Zeit starken Präferenz des Kapitalmarktes <strong>von</strong> Wachstumsunternehmen <strong>in</strong> den<br />
Branchen Telekommunikation, IT und Hochtechnologie. Diese konnten hohe<br />
Kursgew<strong>in</strong>ne verzeichnen; nicht zuletzt weil Gelder aus traditionellen, reifen und<br />
unzyklischen Geschäften abgezogen und dort <strong>in</strong>vestiert wurden.<br />
Während die traditionsreiche VEBA-Aktie an Wert verlor, erreichten neue<br />
Unternehmen wie Intershop im gleichen Zeitraum höchste Wertsteigerungen und<br />
schliesslich e<strong>in</strong>e Unternehmensbewertung <strong>in</strong> Milliardenhöhe. Die<br />
Unternehmensbewertungen waren Ausdruck der allgeme<strong>in</strong>en, <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />
Abb. 12: Aktienkursentwicklung Intershop AG<br />
Quelle: Datastream<br />
VEBA-<br />
Campus<br />
1.Vorstandspräsentation<br />
Umsetzungsfreigabe<br />
137
wahrnehmbaren Bevorzugung <strong>von</strong> Start-up-Unternehmen: Sie rückten nicht nur<br />
h<strong>in</strong>sichtlich ihrer f<strong>in</strong>anziellen Bewertung <strong>in</strong> Augenhöhe zu grossen etablierten<br />
Unternehmen, sondern fühlten sich immer stärker durch die Gesellschaft legitimiert.<br />
Abb. 12 zeigt die Aktienkursentwicklung der Intershop-Aktie im gleichen Zeitraum.<br />
Das Beispiel „Intershop“ wurde aus mehreren Gründen gewählt: Erstens wurde dieses<br />
Unternehmen <strong>in</strong> der Wirtschaftspresse immer als Musterbeispiel erfolgreichen<br />
Jungunternehmertums <strong>in</strong> Deutschland dargestellt. Hiermit zusammenhängend lud<br />
zweitens der VEBA-Vorstand den kaufmännischen Vorstand und Mitgründer dieses<br />
Unternehmens, Anfang 2000 zu e<strong>in</strong>er Führungskräfteveranstaltung e<strong>in</strong>, um mit ihm<br />
se<strong>in</strong>e und die Erfolgsgeschichte <strong>von</strong> Intershop sowie die Übertragbarkeit <strong>von</strong> Erfolgsfaktoren<br />
auf den VEBA-Konzern zu diskutieren. Drittens war auch die grösste<br />
deutsche CVC-Gesellschaft, T-<strong>Venture</strong> (Deutsche Telekom AG), massgeblich an<br />
diesem Unternehmen beteiligt und konnte aus der Investition <strong>in</strong> dieses Unternehmen<br />
zu diesem Zeitpunkt e<strong>in</strong>en (Buch-) Gew<strong>in</strong>n <strong>von</strong> über 700 Mio € vorweisen. Somit war<br />
im Jahr 2000 mit dem Namen Intershop auch e<strong>in</strong>e Erfolgsgeschichte e<strong>in</strong>er deutschen<br />
CVC-Gesellschaft verbunden.<br />
Die starke Betonung neuer Geschäftskonzepte durch die Verbreitung des Internet<br />
(z.B. e-commerce) <strong>in</strong> der öffentlichen Wahrnehmung sowie am Kapitalmarkt führte zu<br />
vermehrten konzern<strong>in</strong>ternen Aktivitäten. In e<strong>in</strong>igen Bereichen, etwa im E<strong>in</strong>kauf (eprocurement),<br />
begann man, über die Auswirkungen der neu propagierten Werte auf<br />
den Konzern und Wege, diese stärker bei der eigene Arbeit zu berücksichtigen,<br />
nachzudenken.<br />
Markt für VC-F<strong>in</strong>anzierungen<br />
Als VC-Branche wird fortan e<strong>in</strong> organisatorisches Feld bezeichnet, <strong>in</strong> dessen<br />
Zentrum klassische VC-Gesellschaften und deren Kapitalgeber stehen. Ihm gehören<br />
auch CVC-Gesellschaften und spezialisierte Dienstleister, etwa M&A-Berater, Investmentbanken,<br />
Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Personalberater, an.<br />
<strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong>-F<strong>in</strong>anzierungen s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong>e hohe Zyklizität gekennzeichnet<br />
(Gaba, 2002). Sie weisen e<strong>in</strong>e hohe Korrelation mit der allgeme<strong>in</strong>en Entwicklung <strong>von</strong><br />
138
Aktien- und IPO-Märkten auf. Nicht zuletzt stellt e<strong>in</strong>er der wichtigsten Exitkanäle<br />
für die gehaltenen Beteiligungen der Börsengang der f<strong>in</strong>anzierten Gesellschaft dar<br />
(Gompers/Lerner, 1999; Gompers, 1994). Wenn Aktien<strong>in</strong>vestments allgeme<strong>in</strong> und e<strong>in</strong><br />
IPO oder Trade Sale im Besonderen hohe Renditen versprechen, dann wächst das<br />
Interesse an VC-F<strong>in</strong>anzierungen sowohl angebots- wie nachfrageseitig. Die Tatsache,<br />
dass etablierte Konzerne den VC-Markt erst mit e<strong>in</strong>er Verzögerung betraten, aber als<br />
erste bei e<strong>in</strong>er Krisensituation wieder verlassen haben, verstärken die Zyklizität des<br />
VC-Geschäftes (Gompers/Lerner, 1999).<br />
Nach e<strong>in</strong>igen kle<strong>in</strong>eren Wellen Anfang der 70er und Anfang der 80er Jahren erlebten<br />
VC-Märkte vor allen D<strong>in</strong>gen seit Mitte der 90er Jahre e<strong>in</strong>en starken Boom, der im 1.<br />
Halbjahr 2000 se<strong>in</strong>en Höhepunkt erreichte. B<strong>in</strong>nen zwei Jahren verzehnfachten sich<br />
beispielsweise <strong>in</strong> den USA die VC-Investments (Gompers, 2002). Hohe Erwartungen<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Geschäftsaussichten der Branchen IT, e-commerce, Internet nährten<br />
die Hoffnung auf hohe Gew<strong>in</strong>ne der Investoren. Auch die CVC–Investments verdoppelten<br />
sich <strong>in</strong> den <strong>von</strong> 1994 bis 2000 jedes Jahr. Sie stellten – wiederum bezogen<br />
auf den US-Markt – ca. 1/3 der Gesamt<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> VC (<strong>Venture</strong> Economics,<br />
2000). Haupt<strong>in</strong>vestitionsfelder waren mit Abstand die Branchen IT sowie die Biotechnologie.<br />
Investitionen <strong>in</strong> die Energiebranche spielten nur e<strong>in</strong>e sehr ger<strong>in</strong>ge Rolle.<br />
Mit dem starken Erfolg zahlreicher Start-up-Unternehmen standen auf e<strong>in</strong>mal auch<br />
die sie f<strong>in</strong>anzierenden <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong>-Gesellschaften im Vordergrund. Es gelang<br />
diesen, im allgeme<strong>in</strong>en Boom der Branchen IT, Internet, Telekommunikation<br />
<strong>in</strong>nerhalb kurzer Zeit zahlreiche Portfolio-Unternehmen an die Börse zu br<strong>in</strong>gen und<br />
hohe Beteiligungsgew<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>zustreichen. CVC-Gesellschaften wurden <strong>von</strong> vielen<br />
Grosskonzernen als Wege gesehen, e<strong>in</strong>erseits an dem f<strong>in</strong>anziell höchst lukrativ<br />
ersche<strong>in</strong>enden <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Markt und andererseits <strong>von</strong> der praktizierten und<br />
neuerd<strong>in</strong>gs hochgelobten Start-up-Kultur zu partizipieren.<br />
Daimler-Chrysler AG und die Deutsche Telekom AG waren die ersten deutschen<br />
Grosskonzerne, die eigene <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Töchter etablierten. Es folgten <strong>in</strong> 1999<br />
Siemens sowie Inf<strong>in</strong>eon (Abb. 13):<br />
139
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />
140<br />
Abb. 13: CVC-Aktivitäten ausgewählter deutscher Konzerne<br />
VEAG / Vattenfall<br />
Daimler-Chrysler<br />
VEBA / E.ON<br />
Deutsche Telekom<br />
RWE<br />
EnBW<br />
Siemens<br />
Inf<strong>in</strong>eon<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
BASF<br />
MVV<br />
Allianz<br />
Zusammen mit der e<strong>in</strong>er im Lauf des Jahres 2000 e<strong>in</strong>setzenden und bis Mitte 2003<br />
anhaltenden Korrekturphase am Aktienmarkt – der DAX verlor <strong>von</strong> se<strong>in</strong>em Höchststand<br />
im 1. Quartal 2000 rund 66% - g<strong>in</strong>gen auch die VC-Investitionen schlagartig<br />
zurück. Erste Grossunternehmen überdachten <strong>in</strong> den darauf folgenden Jahren ihr Engagement<br />
im Bereich CVC. Viele lösten ihre CVC-E<strong>in</strong>heit wieder auf, oder reduzierten<br />
ihr Engagement im Zuge e<strong>in</strong>er Restrukturierung (z.B. T-<strong>Venture</strong>, RWE, MVV).<br />
Innovationspotenzial im Energiesektor<br />
Die Energiebranche birgt hohes Innovationspotenzial: Nach dem World Energy<br />
Investment Outlook 2003 (International Energy Agency, 2003, S. 25) 37 beläuft sich der<br />
gesamte weltweite Investitionsbedarf für Energieversorgungs<strong>in</strong>frastruktur 2001-2030<br />
auf <strong>in</strong>sgesamt 16 Billionen (amerikanisch: „trillion“) USD. Unterstellt wird e<strong>in</strong><br />
37 Nachfolgend werden die zum Zeitpunkt der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC zur Verfügung stehenden und<br />
den damaligen Kontext charakterisierenden Informationen dargestellt, auch wenn die Daten aus<br />
heutiger Sicht veraltet s<strong>in</strong>d oder ergänzt werden müssten.<br />
MBO
Wachstum des globalen Energiemarktes <strong>von</strong> 1,7% p.a.. Circa 10 Billionen USD sollen<br />
<strong>in</strong> Energieerzeugungsanlagen <strong>in</strong>vestiert werden, 49% da<strong>von</strong> <strong>in</strong> den Ausbau, 51% <strong>in</strong><br />
den Ersatz <strong>von</strong> Altanlagen. Es wird prognostiziert, dass die Investitionen <strong>in</strong> den<br />
nächsten 30 Jahren dreimal grösser se<strong>in</strong> werden als die <strong>in</strong> den vergangenen 30 Jahren<br />
(International Energy Agency, 2003, S. 26-28).<br />
Es werden jedoch nicht nur stark steigende Investitionen, sondern auch signifikante<br />
strukturelle Änderungen erwartet. Nahezu alle Prognosen gehen da<strong>von</strong> aus, dass <strong>in</strong><br />
der Zukunft Investitionen <strong>in</strong> regenerative bzw. dezentrale Energieerzeugungstechnologien<br />
stark ansteigen werden. Die Schätzungen, wie sich die Märkte im E<strong>in</strong>zelnen<br />
entwickeln, gehen stark ause<strong>in</strong>ander. E<strong>in</strong>e Auswertung <strong>von</strong> Studien führender Investmentbanken<br />
ergab, dass der Konsens h<strong>in</strong>sichtlich der prognostizierten jährlichen<br />
Wachstumsraten für dezentrale Energieerzeugungssysteme (Photovoltaik, W<strong>in</strong>d,<br />
Brennstoffzelle, Mikroturb<strong>in</strong>en, Biomasse) bei ca. 16% bis 2010 lag (z.B. Lehman<br />
Brothers, 2001). Es wurde zu dieser Zeit da<strong>von</strong> ausgegangen, dass im Jahr 2010<br />
bereits 25-30% der gesamten Energieerzeugung aus dezentralen/regenerativen<br />
Quellen stammen werden.<br />
Trotz des hohen Innovationspotenzials <strong>in</strong> der Branche <strong>in</strong>vestiert die Energiebranche<br />
im Vergleich zu anderen Branchen recht wenig. Die F&E Intensität (def<strong>in</strong>iert als<br />
Aufwendungen <strong>in</strong> Forschung und Entwicklung <strong>in</strong> % des Umsatzes) ist mit 0,5% <strong>in</strong><br />
der Energiebranche extrem niedrig (Margolis/Kammen, 1999, S. 691). Als e<strong>in</strong> Grund<br />
wird die Unsicherheit h<strong>in</strong>sichtlich des Deregulierungspfades angeführt. Aufgrund<br />
der langen Kapitalb<strong>in</strong>dung der bestehenden Erzeugungsanlagen wird erwartet, dass<br />
sich dieses Verhalten h<strong>in</strong>sichtlich F&E auch <strong>in</strong> der Zukunft kaum ändern wird.<br />
Das Interesse an der Energiebranche <strong>von</strong>seiten VC-Gesellschaften war bis 2002 recht<br />
begrenzt. Lediglich rd. 1% der gesamten <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong>-Investitionen entfielen auf<br />
Energieunternehmen (Henig, 2003, S. 35). Als Gründe für die<br />
Investitionszurückhaltung werden vor allem folgende Faktoren angeführt:<br />
• Hohe Kapital<strong>in</strong>tensität,<br />
• lange Entwicklungszeiten („Time to market“) <strong>von</strong> Innovationen,<br />
• unklare Kundenvorteile,<br />
• unklare Regulierungspfade.<br />
141
Die Marktbed<strong>in</strong>gungen entwickeln sich jedoch sowohl angebots- wie nachfrageseitig<br />
zunehmend besser. Im Bereich der dezentralen Energieerzeugungstechnologien s<strong>in</strong>d<br />
grosse technische Fortschritte bei neuen Technologien wie W<strong>in</strong>d, Photovoltaik, Mikroturb<strong>in</strong>en,<br />
Biomasse, sowie - mit E<strong>in</strong>schränkungen – Brennstoffzelle festzustellen.<br />
Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach sauberen Energien sowohl quantitativ als<br />
auch qualitativ. Die spezifischen Vorzüge dezentraler Konzepte ggü.<br />
Grosskraftwerken (z.B. höhere Flexibilität, ger<strong>in</strong>ge Vorlaufzeiten) werden<br />
zunehmend stärker beachtet. Angesichts <strong>in</strong>tensiverer Diskussionen über knappe und<br />
teure fossile Brennstoffe, Versorgungssicherheit sowie Notwendigkeiten e<strong>in</strong>es<br />
verstärkten Umweltschutzes wird alternativen Energieerzeugungstechnologien auch<br />
<strong>in</strong> der Gesellschaft und Politik zunehmende Bedeutung beigemessen. Deutschland<br />
gilt als Pionier für die Förderung regenerativer Energien.<br />
Gleichzeitig werden die Liberalisierungspfade deutlicher und es erfolgt e<strong>in</strong>e zunehmende<br />
Konkretisierung politischer Ziele h<strong>in</strong>sichtlich der Bedeutung alternativer<br />
Energien sowie die Art und Umfang der Förderung. Ausfälle <strong>in</strong> der Stromversorgung<br />
und e<strong>in</strong> weltweit steigender Energiebedarf haben das Interesse der VC-Branche<br />
an der Energiebranche wachsen lassen und die Marktbed<strong>in</strong>gungen für neue Anbieter<br />
verbessert. Ausserdem s<strong>in</strong>d die meisten klassischen VC-Gesellschaften mit e<strong>in</strong>em<br />
Kapitalüberschuss und Schwierigkeiten konfrontiert, <strong>in</strong> anderen Branchen attraktive<br />
Investmentopportunitäten zu f<strong>in</strong>den. Setzt man den derzeitigen technischen<br />
Entwicklungstand und das prognostizierte Marktpotenzial für Erneuerbare Energien<br />
zu den Investitionen der Energiebranche <strong>in</strong> solche Technologien <strong>in</strong> Bezug, ergibt sich<br />
e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzierungslücke, die branchenfremde Investoren nutzen könnten. Die damit<br />
verbundenen Geschäftschancen erkennen zunehmend auch VC-Gesellschaften.<br />
Engagement VEBA / E.ON im Bereich Energie<strong>in</strong>novationen<br />
VEBA bzw. E.ON engagierten sich – entsprechend dem allgeme<strong>in</strong>en Branchentrend -<br />
nur sehr vere<strong>in</strong>zelt bei Energie<strong>in</strong>novationen. Zwar wurden im Rahmen des F&E-<br />
Budgets zahlreiche Projekte f<strong>in</strong>anziert. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch,<br />
dass viele dieser Aktivitäten die Optimierung und Effizienzverbesserung der<br />
vorhandenen Grosskraftwerke betreffen.<br />
142
E<strong>in</strong> nennenswertes Engagement im Bereich diskont<strong>in</strong>uierlicher Innovationen waren<br />
die 1989 unter Initiative der Bayernwerk AG, geme<strong>in</strong>sam mit Siemens gestarteten<br />
Solaraktivitäten. Die geme<strong>in</strong>schaftlich gehaltene Gesellschaft entwickelte sich zu<br />
e<strong>in</strong>em der weltweit grössten Produzenten <strong>von</strong> Photovoltaikzellen und -modulen mit<br />
rd. 600 Mitarbeitern an Standorten <strong>in</strong> den USA, Deutschland, Portugal, Indien,<br />
S<strong>in</strong>gapur und Japan. Im April 2001 trat Shell dem Jo<strong>in</strong>t <strong>Venture</strong> bei. Aus Sicht der<br />
Bayernwerk AG sollten so die Risiken des Engagements stärker gestreut werden.<br />
Nach der Fusion zwischen VIAG und VEBA zur E.ON AG wurde dieses<br />
Engagement durch E.ON aus geschäftsstrategischen Gründen beendet. Das<br />
Engagement verursachte bei E.ON Energie e<strong>in</strong>en hohen Abschreibungsbedarf. Die<br />
Beendigung dieses Engagements Ende 2001 fiel zeitlich zusammen mit der<br />
operativen Aufbauphase <strong>von</strong> EVP.<br />
Ausserdem engagierte sich E.ON, nachdem andere EVU (<strong>in</strong>sbesondere RWE bzw.<br />
MVV) schon umfangreiche Investments getätigt haben, im Bereich der Powerl<strong>in</strong>e-<br />
Kommunikation. Kurz vor Aufnahme der Geschäftsaktivitäten <strong>von</strong> EVP wurde die<br />
Onel<strong>in</strong>e AG gegründet. Dieses Unternehmen entstand aus e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternen Projekt<br />
des Telekommunikationsbereiches der VEBA AG. Es hat die Entwicklung und<br />
Vermarktung e<strong>in</strong>er Technologie zum Inhalt, Stromnetze zur Datenübertragung für<br />
Telefonie- und Datendienste zu nutzen. Die thematische Nähe zu EVP wurde auch <strong>in</strong><br />
der Pressemitteilung der VEBA vom 19.05.2000 betont. Die Geschäftsaktivitäten <strong>von</strong><br />
Onel<strong>in</strong>e AG wurden Ende 2001 beendet, nachdem der neue Geschäftsplan als nicht<br />
Erfolg versprechend erachtet worden ist. Es wurde bezweifelt, dass mit Hilfe der<br />
Powerl<strong>in</strong>e-Technologie e<strong>in</strong> profitables Geschäft aufgebaut werden kann.<br />
Regulierung im Energiebereich<br />
Der politische E<strong>in</strong>fluss auf EVU ist sehr hoch, da diese Dienstleistungen mit hoher<br />
volks- und e<strong>in</strong>zelwirtschaftlicher Bedeutung erbr<strong>in</strong>gen. Lange Zeit wurde die<br />
gesamte Wertschöpfung der EVU als natürliches Monopol betrachtet. Mahon/<br />
Murray (1981) zeigen, dass Regulierung das Verhalten und die f<strong>in</strong>anzielle<br />
Performance e<strong>in</strong>es Unternehmens bee<strong>in</strong>flussen. Die Situation der deutschen EVU bis<br />
Anfang der 90er Jahre lässt sich folgendermassen charakterisieren:<br />
143
144<br />
Die Versorgungsgebiete waren monopolartig geschützt. Es existieren hohe<br />
Markte<strong>in</strong>trittsbarrieren,<br />
grössere Differenzierungsversuche e<strong>in</strong>zelner EVU gibt es nicht, da ke<strong>in</strong><br />
Wettbewerb existierte,<br />
das Geschäftsumfeld wurde als relativ stabil und gut beherrschbar angesehen,<br />
starke <strong>in</strong>stitutionelle Kräfte sorgen für <strong>in</strong>terorganisatorische Homogenität,<br />
die EVU konnten hohe Gew<strong>in</strong>ne erzielen, da Preiswettbewerb fehlte.<br />
Die 90er Jahre waren durch zunehmende Bestrebungen gekennzeichnet, die<br />
Energieversorgungsmärkte nach Wettbewerbspr<strong>in</strong>zipien zu organisieren. Umfangreiche<br />
Deregulierungsmassnahmen wurden beschlossen. Die Umsetzung dieser<br />
Massnahmen erfolgte jedoch recht zögerlich. Die Unternehmen hatten Zeit, auf die<br />
Änderungen zu reagieren und diese noch <strong>in</strong> ihrem S<strong>in</strong>ne zu bee<strong>in</strong>flussen.<br />
Mit zunehmender Deregulierung der Energiemärkte Ende der 90er Jahre begannen<br />
Wettbewerber und neue Marktteilnehmer erstmals, <strong>in</strong> die angestammten Versorgungsgebiete<br />
e<strong>in</strong>zudr<strong>in</strong>gen und Marktnischen zu besetzen. Es kam zu ersten<br />
Differenzierungsstrategien, etwa h<strong>in</strong>sichtlich des Preises („Yello“) oder der Marke/<br />
Anmutung („E.ON – neue Energie“). Die Marktanteile veränderten sich jedoch nur<br />
m<strong>in</strong>imal. Insbesondere aus dem politischen und gesellschaftlichen Umfeld verstärkten<br />
sich bald die Stimmen nach e<strong>in</strong>er schnelleren und umfassenderen Deregulierung<br />
im Energiebereich. Im Zuge dieser Diskussionen kam es zu e<strong>in</strong>er starken Polarisierung<br />
der Me<strong>in</strong>ungen zwischen EVU und Gesellschaft über die Art und Weise der<br />
Leistungserstellung (z.B. Quellen/Technologien der Energieerzeugung), Fragen der<br />
angemessenen Vergütung für die Leistung der EVU (Preiserhöhungsdiskussionen)<br />
bzw. e<strong>in</strong>e gerechte Verteilung des E<strong>in</strong>kommensstromes (Diskussionen über nicht<br />
h<strong>in</strong>reichende Investitionen <strong>in</strong> die Versorgungssicherheit/Stromübertragungsnetze).<br />
EVU sehen sich zunehmendem öffentlichen Druck und e<strong>in</strong>em Liberalisierungspfad,<br />
der zunehmend konsequenter umgesetzt wird, ausgesetzt. Dies erhöht die Geschäftsrisiken<br />
für traditionelle EVU und ihre Investoren. Auch das Image der EVU<br />
verschlechtert sich. Angesichts immer noch hoher, teilweise noch weiter steigender<br />
Gew<strong>in</strong>ne der EVU werden Rufe nach staatlichen Gegensteuerungsmassnahmen<br />
lauter.
6.3. Stufe III: Erklärungsansätze<br />
In den vorangegangenen Kapiteln ist mit der Beschreibung der Ereignisse im<br />
direkten Zusammenhang mit dem CVC-Projekt (Stufe I) sowie entscheidungsrelevanter<br />
Kontextbed<strong>in</strong>gungen (Stufe II) die Informationsgrundlage dafür gelegt<br />
worden, den erklärenden Teil der Forschungsfrage zu beantworten. Nicht nur aus<br />
Ereignissen im engen Umfeld des Projektes, sondern aus der Kenntnis des gesamten<br />
Entscheidungsumfeldes, <strong>in</strong> dem sich die Führungskräfte se<strong>in</strong>erzeit befunden haben,<br />
soll dargelegt werden, was dazu beigetragen hat, CVC auf die Agenda des Top-<br />
Managements zu br<strong>in</strong>gen und welche Faktoren den Pfad des Projektes bee<strong>in</strong>flusst<br />
haben. Es werden Verb<strong>in</strong>dungen zwischen wichtigen Ereignissen, Kontextfaktoren<br />
und Entscheidungen zu CVC hergestellt.<br />
Die Analyse baut unmittelbar auf den theoretischen Ausführungen <strong>in</strong> Kapitel 4 auf.<br />
E<strong>in</strong>e Verdichtung der Ergebnisse erfolgte <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er graphischen Darstellung<br />
(Abb. 5). Es wurde gezeigt, welche Faktoren und Beziehungen <strong>von</strong> Relevanz für<br />
Entscheidungen <strong>in</strong> dem hier untersuchten Kontext se<strong>in</strong> können. Ziel der nächsten<br />
Abschnitte wird es se<strong>in</strong>, diejenigen Kontextfaktoren und Beziehungen zu identifizieren,<br />
die im hier vorliegenden Fall Entscheidungen und Ereignisse <strong>in</strong> besonderer<br />
Weise geprägt haben dürften. Es wird versucht, diese Spezifizierung auch graphisch<br />
darzustellen, da sich hierdurch bestimmte, wichtige Entscheidungen zu CVC prägende<br />
„Konstellationen“ besonders anschaulich beschreiben lassen. Ziel ist es also,<br />
möglichst genau die zu verschiedenen Zeiten auf das hier untersuchte Projekt (<strong>in</strong> der<br />
Initiierungsphase) bzw. das Unternehmen (<strong>in</strong> der Umsetzungsphase) wirkenden<br />
Kräfte zu beschreiben, um daraus Antworten ableiten zu können, warum Entscheidungen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Weise getroffen worden s<strong>in</strong>d. Die Begründungen<br />
werden sehr filigran se<strong>in</strong>, weil sie nicht nur e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>von</strong> Verb<strong>in</strong>dungen auf und<br />
zwischen den drei Analyseebenen (Individuum, Unternehmen, externes Umfeld),<br />
sondern auch die Entwicklung dieser Beziehungen über die Zeit berücksichtigen.<br />
Dieser Schritt ist nicht möglich, ohne persönliche Wertungen vorzunehmen. Genau<br />
genommen s<strong>in</strong>d die Erklärungen, wie bestimmte Entscheidungen im Zusammenhang<br />
mit CVC zustande gekommen s<strong>in</strong>d, das Ergebnis e<strong>in</strong>er doppelten Interpretation<br />
<strong>von</strong> Ereignissen: Indem der Autor vermutet, dass Entscheidungsträger <strong>von</strong><br />
145
E.ON die <strong>in</strong> Kapitel 6.3 thematisierten Kontextfaktoren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Weise<br />
gedeutet haben, werden Schlussfolgerungen aus zwei h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander geschalteten<br />
Wahrnehmungsprozessen gezogen. Dies ist jedoch nicht ungewöhnlich <strong>in</strong> der<br />
wissenschaftlichen Forschung.<br />
Ungewöhnlicher h<strong>in</strong>gegen ist der Versuch, an e<strong>in</strong>igen Stellen Analogien zu<br />
Phänomenen <strong>in</strong> anderen Diszipl<strong>in</strong>en aufzuzeigen. Da das angewandte Erkenntnismodell<br />
die Anwendung <strong>von</strong> Pr<strong>in</strong>zipien der Systemtheorie be<strong>in</strong>haltet und diese nicht<br />
nur für Unternehmen gelten, kann es lohnenswert se<strong>in</strong>, nach verb<strong>in</strong>denden Mustern<br />
zu suchen. Die aufgezeigten Analogien sollten als erste, zaghafte Versuche e<strong>in</strong>er<br />
holistischen Problemanalyse verstanden werden. Ke<strong>in</strong>eswegs soll damit e<strong>in</strong> Zusammenhang<br />
tatsächlich behauptet oder gar nachgewiesen werden. Es soll lediglich<br />
gezeigt werden, dass <strong>in</strong> anderen Diszipl<strong>in</strong>en (etwa der Mediz<strong>in</strong>, der Psychologie, der<br />
Biologie) Zusammenhänge existieren, die möglicherweise vergleichbar mit denen des<br />
Untersuchungsgegenstandes s<strong>in</strong>d. Es könnte Gegenstand weiterer Forschung se<strong>in</strong>,<br />
zu erkunden, ob, <strong>in</strong> welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen<br />
Forschungsergebnisse aus anderen Diszipl<strong>in</strong>en tatsächlich als Basis für<br />
Problemlösungsansätze <strong>in</strong> sozialen Systemen (z.B. Unternehmen) dienen könnten.<br />
6.3.1. Von der Initialzündung bis zur ersten Entscheidungsvorlage<br />
Ziel <strong>in</strong> dieser zeitlichen Phase <strong>von</strong> Oktober 1999 bis April 2000 (erster Abschnitt der<br />
<strong>in</strong> Kapitel 6.1.1. beschriebenen Initiierungsphase, vgl. Abb. 14) ist es, diejenigen<br />
Kräfte zu identifizieren, die dazu geführt haben, dass dem Projekt CVC <strong>von</strong>seiten<br />
des Top-Managements überhaupt e<strong>in</strong>e Relevanz beigemessen wurde. Immerh<strong>in</strong><br />
wurde es so bedeutungsvoll, dass es auf die Agenda des Top-Managements gelangen<br />
konnte. Um dies erklären, soll zunächst zusammenfassend dargestellt werden,<br />
welchen Reizen aus dem externen Umfeld sich die Führungskräfte <strong>von</strong> E.ON im<br />
Oktober 1999 konfrontiert sahen. Anschliessend soll zunächst ebenso gesamthaft der<br />
Blick auf den Zustand des Unternehmens E.ON gelenkt werden. Aus dieser Darstellung<br />
werden erste Schlussfolgerungen gezogen, ob und wie die dargestellten Reize<br />
aus dem externen Umfeld vom Unternehmen aufgenommen und bewertet wurden.<br />
Es geht auf dieser Stufe der Analyse vor allem um die Wahrnehmung und Selektierung<br />
bestimmter Informationen und um die Konsequenzen für das Thema CVC.<br />
146
Nach diesem ersten Schritt schliesst sich e<strong>in</strong>e Detailanalyse des <strong>in</strong>neren Systems an.<br />
Hier werden bedeutungsvolle Faktoren und Beziehungen auf Mikroebene beschrieben,<br />
um zu erklären, wie aus e<strong>in</strong>em zunehmend relevant gewordenen Thema CVC<br />
e<strong>in</strong>e konkrete Entscheidung geworden ist. Die Erklärungsansätze dieses Abschnittes<br />
sollen vor allen D<strong>in</strong>gen zur Beantwortung der Forschungsfrage F1 dienen.<br />
1 9 9 9 2 0 0 0<br />
Okt.<br />
VEBA<br />
Campus<br />
Abb. 14: Von der Initialzündung bis zur ersten<br />
Entscheidungsvorlage<br />
• Initialzündung<br />
VEBA Campus<br />
Veranstaltung<br />
• Bildung Arbeitsgruppe<br />
• Ausarbeitung<br />
Grobkonzept /<br />
Eckpunkte CVC<br />
18.04. 19.05. 24.07. 04.09.<br />
Vorstandssitzung<br />
VEBA<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Pressemitteilung<br />
Ausarbeitung<br />
Detailkonzept:<br />
• Fondstrategie<br />
• Organisation<br />
• Organe / pers.<br />
Besetzung<br />
• Integration<br />
VIAG Invent<br />
Vorstandssitzung<br />
E.ON<br />
Modifikationen:<br />
Vorstandssitzung<br />
E.ON<br />
• Höhe/Auszahlung<br />
Fondsmittel<br />
• Genehmigungsgrenzen•Erfolgsbeteiligung<br />
Mgt.<br />
Externer Status quo: Welchen Reizen aus dem äusseren Umfeld sahen sich wichtige<br />
Entscheidungsträger ausgesetzt?<br />
In Kapitel 6.2. wurden wichtige Kontextbed<strong>in</strong>gungen beschrieben: Das äussere<br />
Umfeld war <strong>in</strong>sgesamt <strong>von</strong> unterschiedlicher Dynamik gekennzeichnet: Im direkten<br />
Branchenumfeld begannen e<strong>in</strong>erseits Wettbewerber, mit aufwendigen Market<strong>in</strong>gkampagnen<br />
(z.B. Yello) die sich aus der Liberalisierung des Strommarktes ergebenden<br />
Chancen zu nutzen und aktiv Kunden zu werben. Die Branche ist durch die<br />
t<br />
147
neuen Spielregeln der Deregulierung <strong>in</strong> Bewegung gekommen. Gleichwohl verschoben<br />
sich dadurch die Marktanteile nur ger<strong>in</strong>gfügig. H<strong>in</strong>sichtlich des <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Umfeldes s<strong>in</strong>d zwar grössere Änderungen angekündigt und e<strong>in</strong>ige substanzielle<br />
Änderungen im H<strong>in</strong>blick auf die Öffnung der Märkte vorgenommen worden. Tempo<br />
und Umfang dieser Veränderungen hielten sich jedoch <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
begrenzten Rahmen.<br />
Die grösste Dynamik herrschte ausserhalb des engen organisatorischen Feldes: Den<br />
Themen Internet und e-commerce wurden <strong>in</strong> der Öffentlichkeit zunehmende<br />
Beachtung geschenkt. Im Mittelpunkt des Interesses standen - wie zuvor ausführlich<br />
erläutert worden ist - auf e<strong>in</strong>mal nicht mehr etablierte, traditionelle Unternehmen<br />
wie VEBA/E.ON, sondern junge, hochdynamische Start-up-Unternehmen, die die<br />
aus neuen Technologien (etwa Internet, Biotechnologie, IT) erwachsenden Geschäftschancen<br />
zu nutzen versuchten. Innerhalb kürzester Zeit schienen viele traditionelle<br />
Werte an Bedeutung zu verlieren und neue Aktivitäten, neue Unternehmen und<br />
neue Managementpr<strong>in</strong>zipien gesellschaftliche Legitimation erfahren zu haben.<br />
Es stellt sich die Frage, welche der dargestellten Reize aus dem äusseren Umfeld <strong>von</strong><br />
den Führungskräften überhaupt wahrgenommen wurden und ggf. als besonders<br />
relevant erachtet wurden. Diese Frage ist nur zu beantworten, wenn e<strong>in</strong> Blick auf den<br />
Zustand des Unternehmens zu dieser Zeit geworfen wird und daraus die Reaktion<br />
auf bestimmte Vorgänge und Ereignisse aus dem externen Umfeld erklärt wird.<br />
Innerer Zustand des Systems: Wie lässt sich das Unternehmen VEBA/E.ON zu dieser Zeit<br />
charakterisieren? Welche Verhaltensweisen konnten hieraus erwartet werden?<br />
Das Unternehmen VEBA/E.ON befand sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ausgezeichneten<br />
Ergebnissituation ( 6.2.). Vor allem der Kernbereich Strom trug nach wie vor<br />
erheblich zu diesem guten Konzernergebnis bei. Die 1998 beschlossene Liberalisierung<br />
des Strommarktes und die Initiativen der Wettbewerber wurden aufmerksam<br />
beobachtet. Aufgrund der gefestigten und sehr guten Marktstellung wurde die<br />
e<strong>in</strong>setzende Dynamik im Wettbewerbs- und <strong>in</strong>stitutionellen Umfeld als beherrschbar<br />
angesehen. E<strong>in</strong> grösserer Handlungsdruck wurde hieraus nicht wahrgenommen.<br />
Innerhalb des Führungsgremiums bestand Konsens über die Unternehmensstrategie<br />
148
und die e<strong>in</strong>hellige Überzeugung, für die Markt- und <strong>in</strong>stitutionellen Herausforderungen<br />
gut vorbereitet zu se<strong>in</strong>. Das Unternehmen war nicht nur f<strong>in</strong>anziell, sondern<br />
auch personell gut aufgestellt. VEBA/E.ON AG hat <strong>in</strong> den 90er Jahren mit guten<br />
Karriere- und Gehaltsperspektiven viele hochqualifizierte Nachwuchskräfte für das<br />
Unternehmen gew<strong>in</strong>nen können. Diese „Slack Resources“ sollten dazu beitragen, das<br />
bestehende Geschäftsmodell abzusichern. Vor allem durch e<strong>in</strong>en starken Kompetenzaufbau<br />
<strong>in</strong> den Bereichen Wirtschaftspolitik, Controll<strong>in</strong>g, Recht sowie Strategie<br />
wollte man sich für die bevorstehenden markt- und wettbewerblichen Herausforderungen<br />
wappnen.<br />
Divergierende Strömungen bzw. Interessenlagen waren <strong>in</strong> dem recht hierarchisch<br />
organisierten Konzern nicht wahrnehmbar. Die „jungen Wilden“, die ihre Vorschläge<br />
<strong>in</strong> der beschriebenen Campus-Veranstaltung im Oktober 1999 artikulierten,<br />
wurden als <strong>in</strong>teressante Impulsgeber für e<strong>in</strong>e als geschlossen und <strong>in</strong> sich stimmig<br />
erachtete Unternehmensstrategie verstanden. Auch die Aktionäre waren mit der<br />
Kursentwicklung und Unternehmensstrategie des Konzerns zufrieden. Allenfalls<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Randaktivitäten waren leichte „Vibrationen“ des ansonsten sehr<br />
stabilen <strong>in</strong>neren Zustandes des Unternehmens wahrzunehmen. Die Telekommunikationsaktiväten<br />
entwickelten sich nicht so wie geplant und es wurde der Verkauf<br />
dieses Geschäftes ( Tab. 3) angekündigt. Da jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>von</strong> hoher Marktdynamik<br />
und Überhitzungstendenzen gekennzeichneten Branche schon absehbar<br />
war, dass e<strong>in</strong>e hohe Bewertung der bestehenden Beteiligungen realisiert werden<br />
konnte, waren Management, Aktionäre und F<strong>in</strong>anzanalysten mit diesem strategischen<br />
Schritt zufrieden, auch wenn <strong>in</strong>sgesamt die strategischen Ziele hier nicht erreicht<br />
werden konnten. Insofern waren auch hieraus ke<strong>in</strong>e grösseren <strong>in</strong>nere Unruheoder<br />
Spannungszustände festzustellen. Der Konzern befand sich weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
selbstbewussten Zustand. Notwendigkeiten, grössere Änderungen im Geschäftsmodell<br />
oder der strategischen Ausrichtung vorzunehmen, wurden nicht gesehen.<br />
Der grosse Erfolg des Konzerns sowie die Überzeugung, dass dieser auch <strong>in</strong> der<br />
Zukunft anhält, führten zu e<strong>in</strong>er hohen <strong>in</strong>neren Stabilität und Robustheit des<br />
Unternehmens gegenüber Aussene<strong>in</strong>flüssen. In e<strong>in</strong>er solchen Situation sollte<br />
eigentlich das Pr<strong>in</strong>zip der negativen Rückkoppelungen ausreichen, den gefundenen<br />
Gleichgewichtszustand und die – populationsökonomisch - sehr vorteilhafte Stellung<br />
im Gesamtsystem zu erhalten. Für Veränderungen (als Ergebnis <strong>von</strong> positiven<br />
149
Rückkoppelungen) wurde ke<strong>in</strong> Bedarf gesehen. Diese Charakterisierung galt vor<br />
allem für E<strong>in</strong>flüsse aus dem direkten Branchen- und <strong>in</strong>stitutionellen Umfeld.<br />
Reize, die das Unternehmen <strong>von</strong> ausserhalb des direkten Wettbewerbs- und<br />
<strong>in</strong>stitutionellen Umfeldes empf<strong>in</strong>g, werden anders bewertet als jene aus dem<br />
direkten Branchenumfeld. Das durch konsequente Ausrichtung am Shareholder<br />
Value geprägte Unternehmen schmerzte es besonders, dass sich auch am<br />
Kapitalmarkt die im Oktober gerade e<strong>in</strong>setzende Schere <strong>in</strong> der Bewertung zwischen<br />
traditionsreichen Konzernen und Start-up-Unternehmen bzw. zwischen<br />
Unternehmen mit alten und neuen Geschäftskonzepten ( Abb. 11, 12) immer weiter<br />
öffnete. Dies dokumentierte e<strong>in</strong>drucksvoll die allgeme<strong>in</strong>e Präferenz für Start-up-<br />
Unternehmen zu dieser Zeit. Durch diese Entwicklungen wurden Reizen aus diesem<br />
Umfeld fortan e<strong>in</strong>e besondere Bedeutung beigemessen. Sie wurden zu relevanten<br />
Informationen, die e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tensiven S<strong>in</strong>ngebungsprozess auslösten. Viele dieser<br />
Informationen passten nicht <strong>in</strong> das vorhandene Interpretationsschema und lösten<br />
Irritationen aus. Die Standardlösungsansätze, sie zu negieren bzw. sich mit aller<br />
Macht dieser Entwicklung entgegen zu stemmen (negative Rückkopplungen), sollten<br />
nicht oder zu kurz greifen. Ihr E<strong>in</strong>fluss konnte als nicht ausreichend erachtet worden<br />
angesichts e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Kreisen der Aktionäre, F<strong>in</strong>anzanalysten, der Öffentlichkeit bzw.<br />
Gesellschaft sich immer mehr verfestigenden Me<strong>in</strong>ung zur relativen Vorteilhaftigkeit<br />
<strong>von</strong> jungen, dynamischen Unternehmen gegenüber Grosskonzernen. Diesem<br />
übermächtigen Druck konnte – wie selten zuvor - <strong>von</strong>seiten des Konzerns wenig<br />
entgegengesetzt werden. Nicht nur, dass e<strong>in</strong>e solche Reaktion <strong>in</strong> dieser Situation<br />
nicht Erfolg versprechend se<strong>in</strong> sollte. Es hätte ausserdem die Gefahr bestanden,<br />
Legitimitätse<strong>in</strong>bussen zu erleiden und dadurch grossen Schaden zu nehmen. In<br />
Kapitel 4.4.3. wurde ausgeführt, dass Unternehmen, die sich gegen den deutlich<br />
spürbaren gesellschaftlichen Konsens stemmen, sich schnell mit Fragen ihrer<br />
Dase<strong>in</strong>sberechtigung konfrontiert sehen. Als sehr traditionsreiches, ehemals<br />
staatliches Unternehmen war VEBA/E.ON schon immer <strong>in</strong> hohem Mass an<br />
gesellschaftlichem Konsens <strong>in</strong>teressiert38 .<br />
E<strong>in</strong>e alternative Handlungsweise bestand dar<strong>in</strong>, sich dem starken Druck zu beugen<br />
und erste Anpassungsschritte an neue externe Umfeldbed<strong>in</strong>gungen zu <strong>in</strong>itiieren.<br />
38<br />
Dies zeigt sich auch daran, dass selbst umfangreiche Kostensenkungsmassnahmen <strong>in</strong> der<br />
Vergangenheit immer höchst „sozialverträglich“ umgesetzt wurden.<br />
150
Diese Umstände waren der „Türöffner“ für das Thema CVC. Durch e<strong>in</strong>e vertiefte<br />
Analyse der Mikroprozesse im Unternehmen VEBA/E.ON soll jetzt verdeutlicht<br />
werden, wie das Thema CVC allmählich an Relevanz gewann.<br />
Detailanalyse: Beziehungen und Abläufe im Unternehmen, die CVC begünstigten<br />
Wenn es das Top-Managements als grundsätzlich richtig erachtete, auf die<br />
geschilderten Ereignisse im externen Umfeld nicht mit negativen Rückkoppelungen,<br />
sondern mit adaptiven Schritten zu reagieren, muss jetzt die Frage gestellt werden,<br />
wie sich die Themen Entrepreneurship, neue Geschäftsmodelle, Internet/IT und<br />
schliesslich auch <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> im Unternehmen VEBA allmählich verankern und<br />
konkrete Massnahmen hierzu beschlossen werden konnten.<br />
E<strong>in</strong>e kritische Reflektion möglicher Konsequenzen (Chancen/Risiken) aus den<br />
geschilderten Entwicklungen im externen Umfeld für das Unternehmen hat<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich jede verantwortungsbewusste Führungskraft für sich selbst<br />
vorgenommen. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensiver Kommunikationsprozess h<strong>in</strong>gegen hatte noch nicht<br />
stattgefunden. Möglicherweise trugen Zeitrestriktionen und auch andere Prioritäten<br />
zu dieser Zeit dazu bei, dass <strong>in</strong>nerhalb des Vorstandsgremiums dieses Thema nicht,<br />
oder zum<strong>in</strong>dest nicht „offiziell“, diskutiert wurde. E<strong>in</strong>e wichtige Rolle für die<br />
Verankerung der „neuen Ideen“ spielte die Campus-Veranstaltung. Diese<br />
Veranstaltung hatte den Zweck, aktuelle, für den Konzern wichtige Themen <strong>in</strong>tensiv<br />
und unvore<strong>in</strong>genommen im Kreis der Führungsnachwuchskräfte zu diskutieren.<br />
Angesichts e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiven öffentlichen Diskussionen und Berichterstattung sollte es<br />
nicht verwundern, dass die Themen „Entrepreneurship, Internet/IT und neue<br />
Technologien und Geschäftsmodelle“ im Mittelpunkt der Veranstaltung standen. Schnell<br />
wurde auch CVC als e<strong>in</strong>e mögliche Handlungsoption, diesen Entwicklungen<br />
Rechnung zu tragen bzw. die sich bietenden Chancen zu nutzen, <strong>in</strong>s Gespräch<br />
gebracht. Dieser Ansatz verkörperte die neuen Themen <strong>in</strong> besonderer Weise. CVC<br />
war zum Platzhalter dessen geworden, was neuerd<strong>in</strong>gs gesellschaftlich erwünscht<br />
war.<br />
Der neue „Virus“ hat zunächst die Führungsnachwuchskräfte erreicht. Dies<br />
überrascht <strong>in</strong>sofern nicht, als jüngere Führungskräfte als generell neuen Ideen aufge-<br />
151
schlossenere Gruppe im Unternehmen gelten können. Die neuen Ideen bee<strong>in</strong>flussten<br />
ihr persönliches Interpretationsschema stärker als das der älteren Kollegen. Da das<br />
natürliche Immunsystem des Unternehmens (negative Rückkoppelungen)<br />
unterdrückt wurde, konnte der neue Virus dann auch das System Unternehmen<br />
befallen. Die erste grössere „Andockstation“ war die Campus-Veranstaltung. Diese<br />
Veranstaltung befand sich unter der besonderen Obhut des Vorstands und konnte<br />
daher <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens als legitimiert gelten, neue Ideen zu entwickeln.<br />
Die Grundvoraussetzungen zur weiteren Verbreitung der Idee <strong>von</strong> CVC im<br />
Unternehmen waren somit gut: Der Vorstand war <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong>tensiv <strong>in</strong> die Campus-<br />
Veranstaltung e<strong>in</strong>gebunden und hatte zum Ausdruck gebracht, das vielversprechendste<br />
Projekt aus dem Kreis der Nachwuchsführungskräfte aktiv zu<br />
unterstützen zu wollen. Ausserdem konnte aus dem Vorstandskreis schnell e<strong>in</strong><br />
Sponsor für die Idee gefunden werden. Dieser sorgte dafür, dass das Thema ständig<br />
präsent gehalten wurde und der Aufmerksamkeit des Vorstandes nicht entwich.<br />
Ausserdem sorgte er als „early adaptor“ für die weitere Verbreitung der Idee im<br />
Unternehmen. Wie CVC durch den Mentor aufgenommen und im Unternehmen<br />
sukzessive Verbreitung erfahren hat, soll <strong>in</strong> Abb. 15 dargestellt werden.<br />
Der Übersichtlichkeit halber werden jetzt aus vielen möglichen Vernetzungen<br />
zwischen e<strong>in</strong>zelnen Objekten nur diejenigen näher beleuchtet, die aus Sicht e<strong>in</strong>er<br />
Führungskraft (hier: des Vorstandsmentors) zu der damaligen Zeit als besonders<br />
relevant erachtet wurden. Andere Faktoren s<strong>in</strong>d grau h<strong>in</strong>terlegt und werden nicht<br />
weiter vertieft. E<strong>in</strong> grüner Pfeil soll <strong>in</strong>duzieren, dass das Ausgangsobjekt das (durch<br />
die Pfeilspitze gekennzeichnete) Zielobjekt (h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>es positiven E<strong>in</strong>flusses<br />
auf das CVC-Projekt) verstärkt; e<strong>in</strong> roter, dass das Zielobjekt geschwächt bzw.<br />
negativer E<strong>in</strong>fluss auf dieses ausgeübt wird. E<strong>in</strong> blassroter Pfeil signalisiert, dass die<br />
eigentlich negativ geprägte Beziehung <strong>in</strong> der derzeitigen Kräftekonstellation nicht<br />
zum Tragen kommt. Die beim Thema CVC endenden Pfeile s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Indikator für die<br />
zu dieser Zeit auf das Projekt wirkenden Kräfte: Grüne Pfeile treiben das Projekt,<br />
rote Pfeile bee<strong>in</strong>trächtigen dieses39 .<br />
39 Ziel dieser sowie ähnlicher nachfolgenden Abbildungen ist weniger, jeden e<strong>in</strong>zelnen Pfeil<br />
nachzuvollziehen als vielmehr auf e<strong>in</strong>en Blick zu verdeutlichen, wo die CVC begünstigenden und<br />
erschwerenden Kräfte herrühren und <strong>in</strong> welcher Vernetzung diese Kräfte im Unternehmen spürbar<br />
werden..<br />
152
Abb. 15: Starker externer Druck wurde <strong>von</strong> „early adaptors“<br />
aufgenommen. Diese treiben CVC im Unternehmen.<br />
Externer<br />
Status quo<br />
Gesellschaft c<br />
a<br />
b1<br />
d<br />
VC<br />
IT/ Internet<br />
Start-up<br />
Wettbewerber<br />
• Bandwagon<br />
Effekt<br />
i<br />
g<br />
Aktionäre<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
e<br />
k<br />
h<br />
j<br />
l<br />
b<br />
v<br />
r<br />
n<br />
Menschen<br />
• Kollegen<br />
CVC<br />
u<br />
Interner<br />
Status quo<br />
t<br />
Org.struktur<br />
•Org. Slack<br />
Erfahrung<br />
Motivation<br />
Rout<strong>in</strong>en<br />
Org. „Akte“<br />
Rolle<br />
Org.kultur<br />
Sichtweise<br />
Vorstandsmentor<br />
Zunächst soll die Graphik zeigen, dass die Ursache dafür, dass das Thema CVC im<br />
Unternehmen e<strong>in</strong>e Relevanz entwickeln konnte, vor allem starker Druck aus dem<br />
äusseren Umfeld war. Dies sollen die zahlreichen Pfeile verdeutlichen, die aus dem<br />
externen Umfeld auf das System Unternehmen wirken (a-h/15,16). E<strong>in</strong>ige „Early<br />
adaptors“ im Unternehmen, namentlich die Gruppe der Führungsnachwuchskräfte,<br />
<strong>in</strong>nerhalb dieser vor allem der Initiator des CVC-Projektes, nutzen die positive,<br />
extern freigesetzte Energie, das Projekt im Unternehmen voranzutreiben; entweder<br />
aufgrund e<strong>in</strong>er sich neu ergebenden, attraktiven Karriereoption oder <strong>in</strong><br />
Wahrnehmung ihrer Rolle/Funktion im Unternehmen und/oder getrieben <strong>von</strong> der<br />
Idee, Vorreiter e<strong>in</strong>er neuen Bewegung im Unternehmen zu se<strong>in</strong>. Auch der<br />
zuständige Vorstandspate hatte e<strong>in</strong>e hohe persönliche Motivation (r,s,t/15). Nach<br />
e<strong>in</strong>er Abwägung <strong>von</strong> Chancen und Risiken erschien es lohnenswert, durch e<strong>in</strong> neues<br />
Projekt CVC erstens den Erwartungen der Öffentlichkeit sowie die der Aktionäre<br />
(b1,g1/15) Tribut zu zollen und gleichzeitig die sich hieraus ergebenden Chancen im<br />
S<strong>in</strong>ne des Unternehmen und se<strong>in</strong>er Akteure zu nutzen.<br />
g1<br />
o<br />
f<br />
p<br />
s<br />
q<br />
153
E<strong>in</strong>en verstärkenden Effekt hatte die Tatsache, dass – wie <strong>in</strong> Abb. 13 gezeigt - auch<br />
andere etablierte (DAX-) Unternehmen bzw. nahezu alle anderen grossen<br />
Energieversorgungsunternehmen entweder CVC schon etabliert hatten (EnBW,<br />
BEWAG/Vattenfall) bzw. <strong>in</strong> Begriff waren, e<strong>in</strong>en solchen Ansatz umzusetzen (RWE)<br />
(i-l/15,16). Dies war auch e<strong>in</strong>e weitere Motivationsquelle für den Vorstandsmentor,<br />
im Bereich CVC aktiv zu werden (n/15).<br />
Die Gefahr, e<strong>in</strong>em Bandwagon-Druck zu erliegen, ist im vorliegenden Fall besonders<br />
gross. Alle <strong>in</strong> Kapitel 4.4.3.1. dargestellten, e<strong>in</strong>en solchen Effekt begünstigenden<br />
Faktoren (Risikoaversion, Branchenvernetzung, Mehrdeutigkeit/Fremdartigkeit der<br />
Innovation) s<strong>in</strong>d hier stark ausgeprägt: Die Organisation ist traditionell durch e<strong>in</strong><br />
hohes Mass an Risikoaversion geprägt. Da sie das Risiko e<strong>in</strong>er im Vergleich zu<br />
Wettbewerbern schlechteren Erfolgslage höher bewerten als die Chance e<strong>in</strong>er<br />
aufgrund <strong>von</strong> Differenzierungsmassnahmen überlegenen Renditeposition, werden<br />
solche Führungskräfte eher geneigt se<strong>in</strong>, Massnahmen, die andere Unternehmen<br />
bereits umgesetzt haben, ebenfalls e<strong>in</strong>zuführen, um nicht Gefahr zu laufen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
schlechtere Position als der Branchendurchschnitt zu geraten. Die deutsche<br />
Energiebranche ist ausserdem recht überschaubar und gegenseitig gut <strong>in</strong>formiert.<br />
E<strong>in</strong>e starke Vernetzung besteht auch zwischen den DAX-Unternehmen; nicht zuletzt<br />
aufgrund der starken Verflechtung der deutschen Gross<strong>in</strong>dustrie über deren<br />
Aufsichtsräte. Die relevanten Marktteilnehmer kennen sich; jeder Schritt e<strong>in</strong>es<br />
Wettbewerbers oder anderen grossen Unternehmens wird aufmerksam verfolgt. Und<br />
schliesslich ist der Faktor Unsicherheit bei e<strong>in</strong>er Entscheidung h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
Adaption e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes besonders hoch. Kaum e<strong>in</strong> Geschäft ist für e<strong>in</strong><br />
Energieunternehmen fremdartiger als das e<strong>in</strong>er Hochtechnologieunternehmen<br />
f<strong>in</strong>anzierenden Risikokapitalgesellschaft. Da es für die Entscheidungsträger zu<br />
aufwendig wäre, das spezifische Geschäftsumfeld und -modell <strong>von</strong> CVC zu<br />
verstehen, neigen sie dazu, den Entscheidungen anderer Unternehmen zu folgen und<br />
die Implementierung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes positiv zu begleiten.<br />
Auf Basis dieser hohen, vor allem extern stimulierten Schubkräfte und erster Adaptoren<br />
im Unternehmen gelang es, den neuen Ideen im Allgeme<strong>in</strong>en und CVC im<br />
Besonderen unternehmens<strong>in</strong>tern e<strong>in</strong>e gewisse Geltung zu verschaffen. Den Diffusionsprozess<br />
begünstigte die Tatsache, dass sich die traditionell eher Aussene<strong>in</strong>flüssen<br />
gegenüber verschlossene Organisation auch an anderen Stellen zunehmend<br />
154
externen E<strong>in</strong>flüssen öffnete. Zum Beispiel wurde der F<strong>in</strong>anzvorstand <strong>von</strong> Intershop<br />
e<strong>in</strong>geladen, im Rahmen e<strong>in</strong>er Führungskräftetagung se<strong>in</strong>e „Erfolgsgeschichte“ zu<br />
präsentieren (u/15). In Form e<strong>in</strong>er Fallstudie wurde das Unternehmen VEBA bzw.<br />
immer mehr Führungskräfte an die neuen Ideen und „Spielregeln“ <strong>von</strong> Start-up-<br />
Unternehmen herangeführt (v/15). Ziel dieser Veranstaltung war, das Wahrnehmungs-<br />
und Interpretationsschema der anwesenden Führungskräfte herauszufordern<br />
und Ansatzpunkte zu identifizieren, aus dem Fall Intershop zu lernen. Gleichzeitig<br />
wurde den Pr<strong>in</strong>zipien <strong>von</strong> Start-up-Unternehmen sowie den damit verbundenen<br />
Rout<strong>in</strong>en, Glaubensgrundsätzen im Unternehmen weiter Geltung verschafft.<br />
Hier<strong>von</strong> profitierte auch CVC40 .<br />
Weitere Massnahmen als Reaktion auf die starke Betonung der Themen Internet, ecommerce<br />
oder IT befanden sich <strong>in</strong> der Umsetzung: Im E<strong>in</strong>kauf („e-procurement“)<br />
begann man beispielsweise zu dieser Zeit, sich mit der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> <strong>in</strong>ternetbasierten<br />
Lösungen zu beschäftigen. Hier konnte auch am ehesten e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung<br />
zwischen traditionellen Funktionen und Denkmustern und den <strong>in</strong>novativen Lösungen<br />
hergestellt werden. Auch h<strong>in</strong>sichtlich der Namensgebung für den neuen, nach<br />
der Fusion <strong>von</strong> VEBA und VIAG entstandenen Konzern, war man bereit, den gesellschaftlichen<br />
Erwartungen Tribut zu zollen. Bei der Vorstellung des neuen Namens<br />
E.ON vor den Mitarbeitern Anfang 2000 wurde darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass e<strong>in</strong>e positive<br />
Assoziation sowohl des Buchstabens „e“ wie auch den nachfolgenden „.on“ mit<br />
dem Gedankenguts der „New Economy“ (e-commerce, onl<strong>in</strong>e) durchaus beabsichtigt<br />
war. E<strong>in</strong>e weitere, eher symbolische Implementierung des neuen New-Economy<br />
Gedankengutes war die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> des „Casual Fridays“. Immerh<strong>in</strong> bedeutete dies<br />
e<strong>in</strong> klarer Bruch mit e<strong>in</strong>er bis dato sehr starken Tradition. Diese be<strong>in</strong>haltete <strong>in</strong><br />
besonderem Masse e<strong>in</strong>e korrekte, konservative Kleidung. Es bleibt also festzustellen,<br />
dass neue Spielregeln und Gedanken durchaus E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> e<strong>in</strong> etabliertes und<br />
ansonsten <strong>von</strong> starken Traditionen geprägtes Unternehmen E<strong>in</strong>zug gehalten haben.<br />
Aus e<strong>in</strong>er rückblickenden Sichtweise fällt auf, dass im vorliegenden Fall vor allem <strong>in</strong><br />
Randbereichen Veränderungsschritte h<strong>in</strong>sichtlich der Akzeptanz der neuen Spiel-<br />
40 Indem Erfolgsrezepte – etwa durch diese Veranstaltung - weitergegeben werden, wurde<br />
gleichzeitig der Prozess der Institutionalisierung dieser Praktiken nicht nur im Unternehmen, sondern<br />
<strong>in</strong>sgesamt beschleunigt (Lounsbury/Glynn, 2001, S. 545).<br />
155
egeln geprüft und umgesetzt wurden und viele der Massnahmen eher symbolischen<br />
Charakter hatten. Im Kerngeschäft h<strong>in</strong>gegen war e<strong>in</strong>e weitaus schwächere Bereitschaft<br />
zu verspüren, Anpassungsschritte zu prüfen. Beispielsweise erfolgte der<br />
Ausbau e<strong>in</strong>er Internetpräsenz als Plattform für das Angebot standardisierter<br />
Stromprodukte bzw. für die Gew<strong>in</strong>nung <strong>von</strong> Kunden (Vertragsabschluss bzw. –<br />
änderungen via Internet) sehr zaghaft. Die grundlegenden Prozesse, gewohnten<br />
Rout<strong>in</strong>en wurden nicht geändert; die traditionellen Erfolgsfaktoren nicht <strong>in</strong> Frage<br />
gestellt. Das System E.ON gab also an eher unbedeutenden Randbereichen dem<br />
Druck nach, schien aber gleichzeitig die Abwehrhaltung <strong>in</strong> den Kerngeschäftsbereichen<br />
zu verstärken41 .<br />
Diese Beobachtung steht im E<strong>in</strong>klang mit den Erkenntnissen <strong>von</strong> Thompson (1967,<br />
2003), der zeigt, dass rational handelnde Unternehmen für ihre Kernkompetenzen<br />
e<strong>in</strong> kontrolliertes Umfeld bevorzugen und dieses gegen Aussene<strong>in</strong>flüsse stark<br />
abschirmen, während sie gleichzeitig an anderen Stellen der Organisation äusserem<br />
Druck nachzugeben bereit s<strong>in</strong>d, wenn dieser zu gross wird. Er br<strong>in</strong>gt damit die bis<br />
dato als unvere<strong>in</strong>bar betrachteten Sichtweisen zusammen, nach denen Unternehmen<br />
e<strong>in</strong>erseits offene, andererseits aber geschlossene Systeme darstellen können.<br />
Mit starken treibenden Kräften, vorwiegend aus dem externen Umfeld des<br />
Unternehmens, die durch e<strong>in</strong>ige „Early Adaptors“ im Unternehmen aufgenommen<br />
worden s<strong>in</strong>d, wurde begründet, dass das Thema CVC im Unternehmen zunehmend<br />
relevant wurde. Jedoch reicht diese Begründung noch nicht aus, um auch zu zeigen,<br />
dass es zu e<strong>in</strong>em ersten positiven Beschluss zu CVC kam. Beschlüsse werden<br />
üblicherweise e<strong>in</strong>stimmig gefasst. Sie erfordern die Zustimmung aller am<br />
Entscheidungsprozess Beteiligter. Bisher wurde nur die positive Aufnahme des<br />
Themas CVC durch e<strong>in</strong>ige, wenige Führungskräfte belegt. Sie waren nicht nur <strong>von</strong><br />
Vorteilen e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes überzeugt, sondern fühlten sich auch aus weiteren<br />
Gründen (Karriere, Status, funktionale und Vorreiterrolle) dem CVC-Projekt<br />
41 Dieses Verhalten ist <strong>in</strong>teressanterweise auch <strong>in</strong> anderen Gebieten festzustellen; etwa bei der<br />
militärischen Kriegsführung: Kommen die eigenen Truppen zunehmend unter Druck, besteht e<strong>in</strong>e<br />
Strategie dar<strong>in</strong>, den <strong>in</strong>neren Schutzr<strong>in</strong>g zu verstärken und dabei auch Verluste <strong>in</strong> den äusseren<br />
Bereichen zu akzeptieren. Ähnlich reagiert der menschliche Organismus. Bei e<strong>in</strong>er körperlichen<br />
Überforderung (z.B. beim Bergsteigen) schaltet der Organismus Funktionen aus bzw. konzentriert die<br />
Durchblutung auf die unbed<strong>in</strong>gt lebensnotwendigen Bereiche.<br />
156
esonders verbunden. Das Element der persönlichen Motivation, e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz<br />
positiv zu begleiten, fehlte bei e<strong>in</strong>igen Entscheidungsträgern. Tatsächlich beurteilten<br />
e<strong>in</strong>ige <strong>von</strong> ihnen das Projekt <strong>von</strong> Anfang an neutral bis skeptisch. Es stellt sich die<br />
Frage, was dafür ausschlaggebend war, dass sie schliesslich doch CVC zustimmten.<br />
Abb. 16: Externer Druck und günstige org. Voraussetzungen<br />
sorgten auch bei Skeptikern für e<strong>in</strong> positives Votum<br />
Externer<br />
Status quo<br />
Gesellschaft<br />
a<br />
VC<br />
IT/ Internet<br />
Start-up<br />
Wettbewerber<br />
• Bandwagon<br />
Effekt<br />
i<br />
c<br />
d<br />
b<br />
g<br />
Aktionäre<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
e<br />
k<br />
j<br />
h<br />
l<br />
b2<br />
Menschen<br />
• Kollegen<br />
CVC<br />
w<br />
Interner<br />
Status quo<br />
• freie F<strong>in</strong>anzmittel<br />
• andere Themen/<br />
Prioritäten<br />
• Problem?<br />
Org.struktur<br />
•Org. Slack<br />
Erfahrung<br />
Motivation<br />
Rout<strong>in</strong>en<br />
Org. „Akte“<br />
Rolle<br />
Org.kultur<br />
Sichtweise<br />
kritischer Entscheidungsträger<br />
Zunächst e<strong>in</strong>mal konnten auch sie sich dem starken externen Druck nicht entziehen,<br />
der durch die Gesellschaft, Aktionäre und andere Interessengruppen (a-h/16) sowie<br />
durch e<strong>in</strong> gleichgerichtetes Verhalten anderer etablierter Unternehmen (i-l/16)<br />
aufgebaut und gegenseitig verstärkt wurde. Auch die Tatsache, dass Intershop se<strong>in</strong>e<br />
Erfahrungen im Rahmen e<strong>in</strong>er E.ON-Veranstaltung präsentieren konnte, übte<br />
weiteren Druck aus (b2/w/1642 ). Ausserdem zeigte die Organisation an verschiedenen<br />
Stellen bereits e<strong>in</strong> begrenztes Mass an Adaptionswilligkeit h<strong>in</strong>sichtlich der neu pro-<br />
42 Diese (bestärkenden) Pfeile s<strong>in</strong>d als Verlängerung des <strong>in</strong> Abb. 15 <strong>in</strong> Richtung „Kollegen“<br />
aufgetragenen Pfeils v zu verstehen. Der <strong>in</strong> dieser Darstellung kritische Vorstand ist <strong>in</strong> Abb. 15<br />
„Kollege“, steht aber <strong>in</strong> Abb. 16 im Zentrum)<br />
z<br />
<br />
o<br />
v<br />
f<br />
p<br />
y<br />
x<br />
u<br />
t<br />
157
pagierten Ideen und Werte. Den Blickw<strong>in</strong>kel e<strong>in</strong>es diesbezüglich eher neutral bis<br />
skeptisch e<strong>in</strong>gestellten Entscheidungsträgers e<strong>in</strong>nehmend, soll <strong>in</strong> Abb. 16 auch<br />
gezeigt werden, dass es zudem e<strong>in</strong>e Reihe unternehmens<strong>in</strong>terner Gründe dafür gab,<br />
dass auch diese dem Projekt zugestimmt haben:<br />
158<br />
E<strong>in</strong> wichtiger Grund für e<strong>in</strong>e positive Begleitung waren freie Ressourcen. Zunächst<br />
standen durch die hervorragende Ergebnissituation h<strong>in</strong>reichend f<strong>in</strong>anzielle<br />
Ressourcen zur Verfügung, um die neuen Aktivitäten zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />
Es fiel dem Vorstand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation leichter, e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz<br />
zu erwägen als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er angespannten Ergebnislage. Zudem trug auch die<br />
personelle Ausstattung <strong>in</strong>nerhalb der Managementgesellschaft (Organizational<br />
Slack) dazu bei, dass die Idee <strong>von</strong> CVC haus<strong>in</strong>tern zur Entfaltung kommen<br />
konnte. Zwar wurden freie Ressourcen ursprünglich zur Verteidigung des traditionellen<br />
Geschäftsmodells genutzt. Im Zuge der neuen Umweltsituation<br />
konnte e<strong>in</strong>e Umwidmung festgestellt werden. Entweder aufgrund persönlicher<br />
Motivation bestimmter Akteure, ausgelöst durch die wahrgenommenen<br />
Veränderungen im externen Umfeld (f/15) oder auf Basis expliziter Beauftragung<br />
e<strong>in</strong>zelner Vorstandsmitglieder (q/15), wurden zahlreiche Veränderungsprojekte,<br />
so auch das CVC-Projekt, gestartet. Ohne die Möglichkeit, abseits<br />
vom Kerngeschäft – etwa im Rahmen der VEBA-Campus Veranstaltung – zunächst<br />
im Kreis der Führungsnachwuchskräfte und dann zusammen mit dem<br />
Vorstand über neue Projekte zu diskutieren, hätte die CVC-Idee nicht entwickelt<br />
und detailliert ausgearbeitet werden können. Die High-Potentials erfüllten<br />
dann jene Aufgaben der verstärkten <strong>in</strong>haltlichen Ause<strong>in</strong>andersetzung,<br />
<strong>in</strong> die sich das Top-Management nicht h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>arbeiten wollte bzw. - aus Zeitgründen<br />
- konnte. Das Projektteam stärkte durch die Ergebnisse ihrer Arbeit<br />
nicht nur abstrakt das Thema CVC im Unternehmen (p/15,16), son-dern<br />
bee<strong>in</strong>flusste – protegiert durch den Vorstandsmentor - mit den positiven<br />
Ergebnissen ihrer Analyse auch weitere Führungskräfte (o/15,16).<br />
Die vorherrschende Unternehmenskultur sowie die praktizierten Rout<strong>in</strong>en<br />
spielten e<strong>in</strong>e wichtige Rolle im unternehmens<strong>in</strong>ternen Diffusionsprozess. E<strong>in</strong><br />
Teil der Rout<strong>in</strong>en im Unternehmen bestand dar<strong>in</strong>, immer wieder konzern<strong>in</strong>terne<br />
Foren zu schaffen, um Themen <strong>von</strong> Relevanz zu diskutieren. Die<br />
beschriebene Forum-Veranstaltung war e<strong>in</strong> Teil dieser Rout<strong>in</strong>en. Es entsprach
auch allgeme<strong>in</strong> geübter Praxis und dem gewohnt guten Umgang mite<strong>in</strong>ander,<br />
dass man den Ergebnissen der Arbeitsgruppe Aufmerksamkeit schenkte (tv/16).<br />
Unternehmenskultur und Rout<strong>in</strong>en bildeten also den Transmissionsriemen,<br />
um die Gedanken und Schlussfolgerungen <strong>von</strong> Arbeitsgruppe und<br />
e<strong>in</strong>iger persönlich motivierter Führungs(nachwuchs)kräfte im Unternehmen<br />
zu verbreiten. Aufgrund des zuvor beschriebenen hohen Grades an gegenseitigem<br />
Vertrauen und Konsens im Vorstandskreis (ö/16) bestand weder die<br />
allgeme<strong>in</strong>e Neigung noch e<strong>in</strong>e konkrete Veranlassung anderer Vorstandsmitglieder,<br />
die Ergebnisse zu CVC <strong>in</strong> Frage zu stellen. All dies (x,y /15) sorgte<br />
dafür, dass auch die kritischer e<strong>in</strong>gestellten Entscheidungsträgern zur Unterstützung<br />
des Entscheidungsvorschlages zu CVC bewegt werden konnten.<br />
Zu diesem billigenden Verhalten trug noch e<strong>in</strong> weiterer Faktor bei: Die<br />
Prioritäten der Entscheidungsträger lagen auf anderen Gebieten. Zwar<br />
existiert ke<strong>in</strong> unmittelbarer Zugang zu den persönlichen Prioritäten der<br />
Entscheidungsträger. Gleichwohl ergeben sich aus den <strong>in</strong> Kapitel 6.2.<br />
beschriebenen Umständen (<strong>in</strong>sb. Fusion VEBA/VIAG, Gross<strong>in</strong>vestitionen/des<strong>in</strong>vestitionen,<br />
Kapitalmarkt), aus dem Wissen der Agenden (etwa der<br />
Vorstandssitzungen, persönlichen Term<strong>in</strong>kalendern) und aus persönlichen<br />
Gesprächen Anhaltspunkte dafür, welche Themen im Vordergrund standen<br />
und Priorität genossen. Dies soll Abb. 17 verdeutlichen.<br />
Ende 1999/Anfang 2000 stand die grösste Fusion <strong>in</strong> der Unternehmensgeschichte<br />
der VEBA im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Diesem<br />
Projekt wurde die grösste Bedeutung beigemessen. Ebenfalls hohe Priorität<br />
hatten zu dieser Zeit die umfangreichen Des<strong>in</strong>vestitionen, <strong>in</strong>sbesondere der<br />
Telekommunikationsaktivitäten. Traditionell hohe Bedeutung genossen die<br />
Verfolgung der Entwicklung des Aktienkurses sowie gezielte kommunikative<br />
wie strategische Massnahmen zur Steigerung des Unternehmenswertes. Dies<br />
wurde zuvor bereits als e<strong>in</strong> wichtiger Grund dafür genannt, dass die Themen<br />
Entrepreneurship, neue Geschäftsmodelle überhaupt als relevant wahrgenommen<br />
wurden. Ansonsten hätten diese Themen nur e<strong>in</strong>e untergeordnete<br />
Bedeutung für die meisten Führungskräfte besessen. Da sich die Prioritäten<br />
des Top-Managements im Laufe der Zeit stark verändern, wird deutlich, dass<br />
manchmal auch das Tim<strong>in</strong>g über den Ausgang e<strong>in</strong>es Entscheidungsprozesses<br />
159
160<br />
bestimmt (w,z,/16). Führungskräfte haben zu bestimmten Zeiten weder Zeit<br />
und Lust, e<strong>in</strong>e vertiefte Analyse des Entscheidungsumfeldes vorzunehmen<br />
und entscheiden dann „rout<strong>in</strong>emässig“.<br />
Abb. 17: Prioritäten des Top-Managements <strong>von</strong> VEBA<br />
Technologische<br />
Trends (Clean<br />
Energy etc.)<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Start-up-Unternehmen/<br />
Entrepreneurship<br />
Fusion<br />
VEBA/<br />
VIAG<br />
Gross<strong>in</strong>vestments/<br />
Des<strong>in</strong>vestments<br />
Kapitalmarkt/<br />
Aktienkurs<br />
VC-Branche<br />
Zusammenfassung der Kontextbed<strong>in</strong>gungen zum Zeitpunkt der ersten Vorstandsentscheidung<br />
und kritische Würdigung<br />
In erster L<strong>in</strong>ie waren es externe E<strong>in</strong>flüsse, die starken (Anpassungs-) Druck auf die<br />
Entscheidungsträger ausübten. E<strong>in</strong>ige unternehmens<strong>in</strong>terne Faktoren trugen dazu<br />
bei, dass die Idee <strong>von</strong> CVC gut im Unternehmen aufgenommen wurde: Zum Beispiel<br />
e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>sgesamt spürbare Tendenz zur verstärkten Öffnung der Organisation für die<br />
gesellschaftlich artikulierten neuen Werte, freie f<strong>in</strong>anzielle und personelle Ressourcen,<br />
e<strong>in</strong>e konsensorientierte Unternehmenskultur, geübte Rout<strong>in</strong>en sowie andere<br />
Prioritäten zu dieser Zeit. E<strong>in</strong> hohes Mass an <strong>in</strong>nerer Überzeugung <strong>von</strong> den Vorteilen<br />
<strong>von</strong> CVC war allenfalls bei den „Early Adaptors“ vorhanden. Sie konnte mit<br />
Sicherheit <strong>in</strong> der beschriebenen, rund e<strong>in</strong>stündigen Vorstandspräsentation kaum bei
allen Entscheidungsträgern vermittelt werden und damit wohl kaum der<br />
Hauptgrund für e<strong>in</strong>e positive Umsetzungsentscheidung gewesen se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>ige<br />
Führungskräfte zeigten zu dieser Zeit e<strong>in</strong>e eher neutrale bis kritische Haltung<br />
gegenüber CVC. Wenn sie trotzdem den Entscheidungsvorschlag zu CVC <strong>in</strong>haltlich<br />
billigten, dann als weitere Massnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em grösseren Aktionsplan, um<br />
Konformität zu gesellschaftlichen Erwartungen zu demonstrieren und auf die neue<br />
Entwicklung im externen Umfeld zu reagieren. Dies bildete den geme<strong>in</strong>samen<br />
<strong>in</strong>haltlichen Nenner im Entscheidungsgremium. E<strong>in</strong> positives Votum zu CVC konnte<br />
<strong>in</strong>tern und über die Unternehmensgrenzen h<strong>in</strong>weg als positives Signal verstanden<br />
werden, die neuen „Spielregeln“ zu akzeptieren. Indem e<strong>in</strong>e für vertrauenswürdig<br />
erachtete Arbeitsgruppe auf Basis tiefer Beschäftigung mit diesem Thema e<strong>in</strong>e<br />
Umsetzungsempfehlung aussprach, verlieh dies auch dem Projekt e<strong>in</strong> bestimmtes<br />
Mass an Legitimation. Gleichzeitig waren auch alle Sorgfaltspflichten e<strong>in</strong>er<br />
professionell agierenden Unternehmensleitung erfüllt. Daneben sprachen noch e<strong>in</strong>e<br />
Reihe anderer, nicht weiter vertiefter Gründe dafür, das Projekt nach vorne zu<br />
treiben: Der CVC-Ansatz versprach auch e<strong>in</strong> hohes Renditepotenzial, sodass<br />
zum<strong>in</strong>dest <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er langfristigen Eigenf<strong>in</strong>anzierung der Aktivitäten, wenn nicht<br />
sogar <strong>von</strong> positiven f<strong>in</strong>anziellen Ergebnisbeiträgen ausgegangen werden konnte.<br />
Schliesslich hatte sich ja der Vorstand im Rahmen der Campus-Veranstaltung zu<br />
dem CVC-Projekt bekannt und zugesagt, es positiv zu begleiten. Wie <strong>in</strong> Kapitel 4.2.2.<br />
dargelegt, tendieren Entscheidungsträger dazu, sich vorangegangenen<br />
Entscheidungen besonders verbunden zu fühlen, da sie glauben, diese rechtfertigen<br />
zu müssen; vor sich selbst und vor Dritten („Escalation of Commitment“).<br />
Potenzielle Kritiker im Vorstand hielten sich also vor dem H<strong>in</strong>tergrund vieler guter<br />
Argumente und unterstützenden Stimmen für e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz im H<strong>in</strong>tergrund.<br />
E<strong>in</strong>e tiefere Diskussion des CVC-Ansatzes im Allgeme<strong>in</strong>en, sowie der strategischen<br />
Wertbeiträge im Besonderen, sollte auch angesichts anderer Prioritäten nicht lohnen.<br />
Da ke<strong>in</strong>e gravierenden Probleme des Unternehmens <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Markt- und Wettbewerbsumfeld<br />
gesehen wurden, wurde es auch nicht als notwendig erachtet,<br />
hierüber lange Diskussionen zu führen. Es reichte aus zu zeigen, dass CVC <strong>in</strong> der<br />
Lage war, das Kerngeschäft generell zu unterstützen. Dies wurde durch die<br />
Ergebnisse der Arbeitsgruppe bestätigt. Und solange die <strong>in</strong>tendierte positive Entscheidung<br />
zu CVC nicht <strong>in</strong> Gefahr war, bestand auch auf Seiten der Arbeitsgruppe<br />
ke<strong>in</strong>e Veranlassung, <strong>in</strong> Detaildiskussionen zu verfallen („Pr<strong>in</strong>zip der Sparsamkeit“).<br />
161
Während die Abb. 15 und 16 wichtige Beziehung und E<strong>in</strong>flüsse auf bestimmte „Objekte“<br />
skizzieren sollten, wird <strong>in</strong> Abb. 18 der Versuch gemacht, summarisch die<br />
wahrgenommene Schubkraft des Projektes darzustellen. Zwar könnte alle<strong>in</strong> aus der<br />
Anzahl und der Dicke der grünen Pfeile im Verhältnis zu den roten bereits aus Abb.<br />
15 und 16 e<strong>in</strong>e Abschätzung der aus der jeweiligen „Konstellation“ resultierenden<br />
Schubkräfte abgeleitet werden. Der Übersicht halber sollen diese - differenziert nach<br />
externen und <strong>in</strong>ternen Quellen – noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenständigen Graphik aufgetragen<br />
werden. Der rote Punkt auf der rechten Seite der Graphik stellt die Summation<br />
der Effekte auf der l<strong>in</strong>ken Seite dar. Die Graphik wird <strong>in</strong> den weiteren<br />
Ausführungen noch e<strong>in</strong>e höhere Aussagekraft gew<strong>in</strong>nen, wenn die Schubkräfte zu<br />
verschiedenen Zeitpunkten zue<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Bezug gesetzt werden.<br />
Die Behauptung, dass die erste Entscheidung des Vorstandes nicht auf Basis e<strong>in</strong>er<br />
<strong>in</strong>neren Überzeugung <strong>von</strong> den Vorteilen e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes erfolgte, sondern<br />
CVC als Massnahme beschlossen wurde, bestimmten Erwartungen im externen<br />
Umfeld Rechnung zu tragen, stellt e<strong>in</strong>e wichtige Antwort für die Forschungsfrage<br />
F1 und e<strong>in</strong>e der zentralen Thesen dieser Arbeit dar. Es wird behauptet, dass e<strong>in</strong>e<br />
162<br />
+<br />
e<br />
x t<br />
e r<br />
n<br />
-<br />
+<br />
i<br />
n t<br />
e r<br />
n<br />
-<br />
Abb. 18: Zusammenfassung der treibenden Kräfte zum<br />
Zeitpunkt der ersten Vorstandspräsentation<br />
<br />
<br />
• Innovationsthemen mit<br />
hoher Akzeptanz (Gesellschaft/Stakeholder)<br />
• Mimetisches Verhalten<br />
der Branche<br />
+<br />
• persönliche Motivation<br />
e<strong>in</strong>zelner Akteure<br />
• Slack Resources<br />
• Rout<strong>in</strong>en/U.kultur<br />
• andere Prioritäten<br />
des Top-Managements<br />
• „CVC kann nicht<br />
schaden“<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
+<br />
0<br />
-<br />
Schubkraft des Projektes<br />
<br />
<br />
t 0<br />
Positives Votum!<br />
t
<strong>in</strong>haltliche Verankerung des Themas CVC bei den Top-Entscheidungsträgern<br />
weder durchgängig vorhanden noch tiefgreifend war.<br />
Aufgrund der Bedeutung dieser These für die weiteren Ausführungen soll der<br />
Versuch gemacht werden, diese Schlussfolgerungen durch allgeme<strong>in</strong> anerkannte<br />
Ergebnisse der Innovationsforschung abzusichern.<br />
In e<strong>in</strong>em Standardwerk im Innovationsmanagement, „Diffusion of Innovation“<br />
(2003, S. 172ff.), bezeichnet Rogers als wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche<br />
Verankerung e<strong>in</strong>er Innovation drei Arten <strong>von</strong> Wissen über die Innovation:<br />
„Awareness knowledge“: Bewusstse<strong>in</strong> für die S<strong>in</strong>nhaftigkeit der Innovation,<br />
„How-to knowledge“: Wissen über die richtige Anwendung der Innovation,<br />
„Pr<strong>in</strong>ciples-knowledge“: Wissen über die Funktionsweise der Innovation.<br />
Zunächst könnte man argumentieren, dass angesichts des wahrgenommenen starken<br />
Drucks <strong>von</strong> aussen e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> durchaus vorhanden war, dass die Innovation<br />
CVC <strong>in</strong> der beschriebenen Situation S<strong>in</strong>n macht. Bei genauerer Betrachtung ergibt<br />
sich jedoch e<strong>in</strong> differenziertes Bild: Als s<strong>in</strong>nvoll erachtet wurde e<strong>in</strong>e Massnahme, um<br />
dem zunehmenden externen Druck zu begegnen. Nicht explizit für s<strong>in</strong>nvoll erachtet<br />
wurde das Geschäftsmodell <strong>von</strong> CVC. Spezifiziert man an dieser Stelle weiter, wird<br />
behauptet, dass die Erzielbarkeit hoher Renditen zu dieser Zeit höher bewertet worden<br />
ist als die <strong>von</strong> strategischen Wertbeiträgen. Der Erfolg <strong>von</strong> Intershop, die hohen<br />
Börsenbewertungen, sowie die damit verbundene Erfolgsgeschichte e<strong>in</strong>er CVC-Gesellschaft<br />
(T-<strong>Venture</strong>) bee<strong>in</strong>druckten die Führungskräfte zu dieser Zeit und dürften<br />
e<strong>in</strong> starker Treiber <strong>von</strong> CVC gewesen se<strong>in</strong>. Darauf h<strong>in</strong> deutet auch der <strong>in</strong> Kap. 6.1.<br />
beschriebene H<strong>in</strong>weis im Vorstandsprotokoll, dass die Beteiligung des Managements<br />
der Gesellschaft wie auch der Projektleiter am wirtschaftlichen Risiko entscheidend<br />
sei und nur so die richtigen Anreize gesetzt und Unternehmerpersönlichkeiten<br />
entdeckt und f<strong>in</strong>anziert werden könnten. Strategische Ziele wurden zwar ebenfalls <strong>in</strong><br />
dem zitierten Vorstandsprotokoll erwähnt, aber kaum diskutiert bzw. <strong>in</strong> den ersten<br />
Zielvere<strong>in</strong>barungen nicht adressiert. Die mangelnde <strong>in</strong>haltliche Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
mit dem Thema CVC, <strong>in</strong>sbesondere unter strategischen Gesichtspunkten, wurde<br />
eben damit erklärt, dass ke<strong>in</strong>e Notwendigkeit erkannt wurde, über stärkere<br />
Veränderungen im Kerngeschäft zu diskutieren. Das Unternehmen befand sich zum<br />
163
Zeitpunkt der Entscheidung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr stabilen <strong>in</strong>neren Zustand. Echte<br />
Managementprobleme, vor allem im Stromgeschäft, konnten nicht identifiziert<br />
werden. Mangels Problem kann es auch ke<strong>in</strong> Bedürfnis nach e<strong>in</strong>er Lösung geben.<br />
Hass<strong>in</strong>ger argumentiert, dass Menschen sich Informationen h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er<br />
Innovation nur aussetzen, wenn sie e<strong>in</strong>e Notwendigkeit bzw. e<strong>in</strong> Bedürfnis für diese<br />
Innovation verspüren und wenn diese mit dessen E<strong>in</strong>stellungen und<br />
Glaubensgrundsätzen konsistent ist (Hass<strong>in</strong>ger, 1959, S. 52). Hieraus lässt sich<br />
ableiten, dass dem Kern der Innovation CVC, zum<strong>in</strong>dest was den strategischen Teil<br />
betrifft, ke<strong>in</strong>e Relevanz beigemessen wurde. CVC wurde nicht aus e<strong>in</strong>em Bedürfnis<br />
nach dieser Lösung heraus wahrgenommen, sondern deswegen, weil das äussere<br />
Umfeld diesem Ansatz e<strong>in</strong>e Bedeutung zukommen lies und e<strong>in</strong>e Erwartungshaltung<br />
aufbaute43 .<br />
CVC hatte den Charakter e<strong>in</strong>er symbolischen Massnahme, und wurde eher <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Randbereich des Unternehmens gesehen, als im Kerngeschäft. E<strong>in</strong> hohes<br />
Mass an „Awareness Knowledge“ über CVC war zum damaligen Zeitpunkt bei den<br />
Entscheidungsträgern nicht vorhanden.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der beiden letztgenannten, für die Verankerung <strong>von</strong> Innovationen relevanten<br />
Wissenskategorien („how to- und „pr<strong>in</strong>ciples knowledge“) muss festgestellt<br />
werden, dass <strong>in</strong>nerhalb des Entscheidungsgremiums so gut wie ke<strong>in</strong>e Detailkenntnisse<br />
über CVC vorhanden waren. Angesichts mangelnder Awareness sche<strong>in</strong>t dies<br />
nicht überraschend. Dieses Wissen zu schaffen wurde an die Arbeitsgruppe delegiert.<br />
E<strong>in</strong>e Beschäftigung mit dem Thema CVC erfolgte <strong>von</strong> Seiten des Vorstandes –<br />
wie oben gezeigt wurde - nicht durchgängig, sondern nur fallweise. Dann, wenn<br />
Vorlagen zur Entscheidung anstanden, wurde die Aufmerksamkeit vorübergehend<br />
auf dieses Thema gelenkt. Bei diesen Anlässen waren zudem <strong>in</strong> der Regel nur wenige<br />
Vorstandsmitglieder aktiv <strong>in</strong> die Diskussion <strong>in</strong>volviert. Durch die schon zeitlich sehr<br />
begrenzten Ause<strong>in</strong>andersetzung mit diesem Thema (<strong>in</strong>sgesamt maximal 2 Stunden)<br />
kann nicht da<strong>von</strong> ausgegangen werden, dass das gesamte how to-Wissen der<br />
Arbeitsgruppe auf die Entscheidungsträger übertragen werden konnte.<br />
Möglicherweise konnten grundlegende Ideen vermittelt werden, nicht jedoch Details<br />
43 Dass andererseits <strong>in</strong> der offiziellen Pressemitteilung der VEBA die Absicht, mit CVC strategische<br />
Wertbeiträge erzielen, explit erwähnt wurde, muss ke<strong>in</strong>en Widerspruch zu dieser Behauptung<br />
darstellen. Projekte werden <strong>in</strong> der Aussendarstellung <strong>in</strong> aller Regel strategisch begründet.<br />
164
der Arbeit wie z.B. die CVC zugrunde liegende Philosophie, die Basisprämissen bei<br />
der Analyse und Bewertung <strong>von</strong> Unternehmen, die Risikostruktur <strong>von</strong> Investments<br />
oder die Pr<strong>in</strong>zipien bei der Führung des Beteiligungsportfolios. Es muss ferner<br />
da<strong>von</strong> ausgegangen werden, dass viele Informationen bei deren Übermittlung<br />
verloren g<strong>in</strong>gen, weil sie auf Empfängerseite entweder nicht wahrgenommen<br />
wurden (mangelnde Relevanz) oder anders als erwartet <strong>in</strong>terpretiert wurden.<br />
Informationen könnten ausgeblendet worden se<strong>in</strong>, weil sie <strong>in</strong> Konflikt zu bekannten<br />
und bewährten Praktiken standen. Zudem fehlte aufgrund des persönlichen<br />
H<strong>in</strong>tergrundes e<strong>in</strong>zelner Vorstände das nötige Erfahrungswissen, um die<br />
Informationen sachgerecht e<strong>in</strong>zuordnen und bewerten zu können: Die<br />
Vorstandsmitglieder der E.ON AG verfügen als Hold<strong>in</strong>gvorstände weder über<br />
operative Verantwortung noch über das Verständnis tiefer technologischer<br />
Zusammenhänge. Die wesentlichen geschäftsstrategischen Entscheidungen werden<br />
durch die Vorstände der Teilkonzerne getroffen. Lediglich über Gross<strong>in</strong>vestitionen<br />
bzw. jährliche Strategiegespräche ist der Hold<strong>in</strong>gvorstand <strong>in</strong> die langfristige und<br />
grundlegende geschäftspolitische Ausrichtung der Teilkonzerne <strong>in</strong>volviert. Die<br />
strategische Management Hold<strong>in</strong>g hat sich traditionell nur am Rande mit<br />
technologischen Trends im Energiebereich beschäftigt, etwa im Kontext e<strong>in</strong>zelner<br />
Projekte zur „Technologiefolgenabschätzung“ oder im Zusammenhang konkreter<br />
Fragen <strong>von</strong> Gross<strong>in</strong>vestitionen bei Analystenkonferenzen. E<strong>in</strong> zentraler F&E Bereich<br />
existiert auf Ebene der E.ON AG nicht. Selbst auf Teilkonzernebene existiert diese<br />
Funktion nur e<strong>in</strong>geschränkt, da sich E.ON (Energie) weniger als<br />
Technologieentwickler, sondern als „friendly user“ <strong>von</strong> Technologie verstanden hat.<br />
Es muss bezweifelt werden, dass viele strategische Argumente <strong>von</strong> CVC, etwa die<br />
Möglichkeiten, hiermit neue Technologien besser zu beobachten („W<strong>in</strong>dows on<br />
technology“) sowie frühzeitig Geschäftsoptionen für e<strong>in</strong>en späteren E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> neue<br />
Märkte erwerben zu können, so nicht h<strong>in</strong>reichend gewürdigt werden konnten. Viele<br />
dieser Vorzüge wurden wohl als irrelevant erachtet.<br />
Dies kann auch als Erklärung dienen, warum zu dem damaligen Zeitpunkt die mit<br />
der CVC zu verfolgenden Ziele (Gewichtung <strong>von</strong> strategischen vs. f<strong>in</strong>anziellen Zielen)<br />
noch sehr vage waren.<br />
165
6.3.2. Von der ersten Entscheidungsvorlage bis Umsetzungsfreigabe<br />
Nach e<strong>in</strong>er stark positiven Resonanz des Vorstandes auf die am 18. April 2000<br />
vorgestellten Ergebnisse der Arbeitsgruppe wurde die beschriebene Pressemitteilung<br />
zur Gründung e<strong>in</strong>er neuen CVC-Gesellschaft veröffentlicht. Die anschliessende<br />
Phase war durch die Erarbeitung und haus<strong>in</strong>terne Abstimmung e<strong>in</strong>es<br />
Detailkonzeptes geprägt. Die Resonanz auf die zweite Präsentation war verhaltener.<br />
Es schien so, als ob die Relevanz des Themas CVC <strong>in</strong> der Zwischenzeit etwas<br />
nachgelassen und das Projekt an Schubkraft verloren hat: In Kapitel 6.1. wurde<br />
beschrieben, dass vorgesehene Präsentationsterm<strong>in</strong>e verschoben und auf e<strong>in</strong>e<br />
geschlossene Darstellung unter Involvierung der Arbeitsgruppe verzichtet wurde.<br />
Die Entscheidungsträger h<strong>in</strong>terfragten vorgeschlagene Gestaltungsmerkmale kritisch<br />
und forderten die dargestellten Modifikationen. Die Zustimmung zu dem Konzept<br />
war nicht mehr so ungeteilt wie bei der ersten Präsentation. Gleichwohl wurde mit<br />
Vorstandsbeschluss vom 04. September 2000 die formale Umsetzungsfreigabe erteilt.<br />
166<br />
1 9 9 9 2 0 0 0<br />
Okt.<br />
VEBA<br />
Campus<br />
Abb. 19: Von der Entscheidungsvorlage bis zur<br />
Umsetzungsfreigabe<br />
• Initialzündung<br />
VEBA Campus<br />
Veranstaltung<br />
• Bildung Arbeitsgruppe<br />
• Ausarbeitung<br />
Grobkonzept /<br />
Eckpunkte CVC<br />
18.04. 19.05. 24.07. 04.09.<br />
Vorstandssitzung<br />
VEBA<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Pressemitteilung<br />
Ausarbeitung<br />
Detailkonzept:<br />
• Fondstrategie<br />
• Organisation<br />
• Organe / pers.<br />
Besetzung<br />
• Integration<br />
VIAG Invent<br />
Vorstandssitzung<br />
E.ON<br />
Modifikationen:<br />
Vorstandssitzung<br />
E.ON<br />
• Höhe/Auszahlung<br />
Fondsmittel<br />
• Genehmigungsgrenzen•Erfolgsbeteiligung<br />
Mgt.<br />
t
Hieraus ergeben sich zwei Fragen:<br />
1. Was führte dazu, dass das Projekt zwischenzeitlich an Schubkraft verloren<br />
hatte?<br />
2. Wie konnte es, trotz der artikulierten Zweifel, doch noch zu e<strong>in</strong>em positiven<br />
Umsetzungsbeschluss kommen?<br />
Entsprechend der bisherigen Vorgehensweise wird zunächst auf die externen Kontextbed<strong>in</strong>gungen<br />
e<strong>in</strong>gegangen, <strong>in</strong>sbesondere auf Veränderungen gegenüber der<br />
ersten Entscheidungssituation, bevor dann deren Wirkung auf das System Unternehmen<br />
bzw. se<strong>in</strong>e Führungskräfte analysiert werden. In diesem Zusammenhang<br />
werden auch e<strong>in</strong>ige entscheidungsrelevante <strong>in</strong>terne Veränderungen thematisiert.<br />
Der Kontext hat sich seit der ersten Vorstandspräsentation zwar nicht grundlegend,<br />
aber doch spürbar geändert. Zunächst muss als gravierendste Änderung konstatiert<br />
werden, dass sich die externen Umfeldbed<strong>in</strong>gungen – ehemals Haupttreiber des<br />
CVC-Projektes – gewandelt haben. H<strong>in</strong>sichtlich der Bewertung der Themen „Internet,<br />
e-commerce und Entrepreneurship“ verlangsamte sich die Spirale der gegenseitigen<br />
Verstärkung. Zunehmend waren kritische Stimmen zu vernehmen, die vor<br />
Übertreibungen und e<strong>in</strong>er spekulativen Blase warnten. Die <strong>in</strong> Kapitel 6.2.<br />
dargestellten Aktienkursentwicklungen <strong>von</strong> E.ON vs. DAX e<strong>in</strong>erseits bzw. Intershop<br />
andererseits (Abb. 11 und 12) belegen die geänderte Stimmungslage sehr gut. Die<br />
Zeit zwischen der ersten Präsentation und der endgültigen Umsetzungsphase ist<br />
geprägt <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em anfänglich starken, schon etwas vorher e<strong>in</strong>setzenden E<strong>in</strong>bruch<br />
beim DAX. Noch stärker war die Korrektur bei Intershop. Es schloss sich e<strong>in</strong>e starke<br />
Seitwärtsbewegung bei allerd<strong>in</strong>gs hoher Volatilität an. In der gleichen Zeit schien es,<br />
als war der seit Anfang September 1999 feststellbare Abwärtstrend der E.ON Aktie<br />
beendet sei. Nach dem Erreichen des Tiefpunktes Mitte Februar 2000 befand sich die<br />
E.ON Aktie ebenfalls <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Seitwärtsbewegung mit leicht positiver Tendenz.<br />
Zum Zeitpunkt der Umsetzungsfreigabe konnte der ca. im März 2000 e<strong>in</strong>setzende<br />
Kurse<strong>in</strong>bruch bei New Economy Aktien nicht nur als e<strong>in</strong>e vorübergehende, technische<br />
Korrekturphase <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ungebrochenen Aufwärtstrend bewertet werden, sondern<br />
als e<strong>in</strong>e Phase fundamentaler Neubewertung dieser Unternehmen, auch <strong>in</strong> Relation<br />
zu traditionellen Unternehmen wie E.ON. Die hohen Volatilitäten <strong>in</strong> den Aktien-<br />
167
kursentwicklungen deuteten darauf h<strong>in</strong>, dass diese Neubewertungsphase noch nicht<br />
abgeschlossen, sondern noch e<strong>in</strong> hohes Mass an Unsicherheiten im Markt vorhanden<br />
war.<br />
E<strong>in</strong>e wichtige Frage ist, wie diese Veränderungen <strong>in</strong> den externen<br />
Umfeldbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens aufgenommen worden s<strong>in</strong>d. Das<br />
Entscheidungsgremium hat sich zwischenzeitlich auch verändert, da im Zuge der<br />
Fusion <strong>von</strong> VEBA und VIAG zur neuen E.ON das Vorstandsgremium grundlegend<br />
umgestaltet wurde.<br />
Die Abb. 20 und 21 fassen die <strong>in</strong> der neuen Konstellation wirkenden treibenden, aber<br />
auch erste hemmende bzw. beharrende Kräfte zusammen; e<strong>in</strong>mal wieder aus der<br />
Sicht des Vorstandsmentors, stellvertretend für alle persönlich motivierten und<br />
<strong>in</strong>haltlich überzeugten Führungskräfte, zum anderen aus der Sicht e<strong>in</strong>es dem Projekt<br />
168<br />
Abb. 20: Nachlassender externer Druck, teilweise<br />
kompensiert durch erhöhte persönliche Motivation<br />
Externer<br />
Status quo<br />
Gesellschaft<br />
VC<br />
IT/ Internet<br />
Start-up<br />
Wettbewerber<br />
• bandwagon<br />
Effekt<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Aktionäre<br />
Menschen<br />
• neue Kollegen<br />
CVC<br />
a<br />
Interner<br />
Status quo<br />
•Notwendigkeit?<br />
Org.struktur<br />
•Org. Slack<br />
Erfahrung<br />
Motivation<br />
•„Escalation of<br />
comitment“<br />
Rout<strong>in</strong>en<br />
b<br />
Sichtweise<br />
Vorstandsmentor<br />
Org. „Akte“<br />
Rolle<br />
c<br />
d<br />
Org.kultur<br />
• Verlässlichkeit
traditionell eher neutral bis skeptisch gegenüber stehenden Entscheidungsträgers.<br />
Zwei neue Vorstände waren <strong>in</strong> das Projekt bisher nicht e<strong>in</strong>gebunden.<br />
In beiden Abbildungen s<strong>in</strong>d die grünen Pfeile aus dem externen Umfeld <strong>in</strong> Richtung<br />
Unternehmen <strong>in</strong> Berücksichtigung der geänderten Bed<strong>in</strong>gungen dünner dargestellt.<br />
Erste Belastungsfaktoren für CVC traten auf (rote Pfeile ausserhalb des<br />
Unternehmenssystems44 ). Die Wahrnehmung dieser veränderten Situation<br />
unterscheidet sich jedoch zwischen den <strong>von</strong> CVC überzeugten und den weniger<br />
überzeugten Entscheidungsträgern. Entsprechend s<strong>in</strong>d die grünen und roten Pfeile<br />
<strong>in</strong> Abb. 20 und 21 unterschiedlich stark dargestellt45 .<br />
Abb. 21: Zunehmende Störsignale, letztlich jedoch auch<br />
Zustimmung der Skeptiker, vor allem aus Verbundenheit<br />
Externer<br />
Status quo<br />
Gesellschaft<br />
VC<br />
IT/ Internet<br />
Start-up<br />
Wettbewerber<br />
• band waggon<br />
Effekt<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Aktionäre<br />
Menschen<br />
• neue Kollegen<br />
CVC<br />
h<br />
i<br />
Interner<br />
Status quo<br />
•Notwendigkeit?<br />
l<br />
v<br />
Org.struktur<br />
•Org. Slack<br />
Erfahrung<br />
Motivation<br />
•„Escalation of<br />
comitment“<br />
Rout<strong>in</strong>en<br />
Org. „Akte“<br />
Rolle<br />
•alternative<br />
Mittelverwendung<br />
•Kontrolle<br />
Org.kultur<br />
• Verlässlichkeit<br />
• Loyalität<br />
u<br />
Sichtweise<br />
kritischer<br />
Entscheidungsträger<br />
44 Da <strong>von</strong>seiten anderer Konzerne noch ke<strong>in</strong>e Signale wahrnehmbar waren, die auf e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>stellung<br />
der CVC-Aktivitäten h<strong>in</strong>deuteten, wurden aus dieser Richtung noch ke<strong>in</strong>e roten Pfeile aufgetragen.<br />
45 Auf e<strong>in</strong>e detaillierte Beschriftung wurde dieses Mal aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet.<br />
Dieser Teil der Abbildung entspricht weitgehend der Darstellung <strong>in</strong> den Abb. 15, 16. Die Pfeile u und<br />
v wurden <strong>in</strong> Abb. 15 entfernt, weil dieser Effekt zwischenzeitlich verhallt ist; ebenso entsprechende<br />
die Pfeile b2 und w <strong>in</strong> Abb. 16<br />
j<br />
y<br />
t<br />
k<br />
x<br />
169
Da sich die Befürworter bereits <strong>in</strong> der Vergangenheit stark für das Projekt e<strong>in</strong>gesetzt<br />
hatten, fühlten sie sich e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong>nerlich stark mit dem diesem verbunden. E<strong>in</strong>zelne<br />
Akteure hatten nach wie vor e<strong>in</strong>e hohe, teilweise erhöhte persönliche Motivation<br />
(a/20), das Projekt weiterh<strong>in</strong> zu unterstützen. Der Autor und Projekt<strong>in</strong>itiator wollte<br />
e<strong>in</strong>e hochattraktiv e<strong>in</strong>geschätzte Karriereoption und neue Herausforderung im Konzern<br />
annehmen. Das Vorstandsmitglied Personal sah – auch <strong>in</strong> Wahrnehmung se<strong>in</strong>er<br />
Funktion (b/20) - die Chance, im Rahmen des CVC-Programmes gleichzeitig <strong>in</strong>novative<br />
Vergütungs- und <strong>Corporate</strong> Governance-Modelle <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>em Rahmen zu<br />
erproben und Erfahrung für e<strong>in</strong>en potenziellen E<strong>in</strong>satz im Konzern zu sammeln. Die<br />
bisherigen Unterstützer des Projekts wollten zudem als verlässlich <strong>in</strong> ihrem Denken<br />
und Handeln e<strong>in</strong>schätzt werden. Dies ist nicht nur e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Triebfeder menschlichen<br />
Handelns, sondern wird auch zur Wahrung <strong>von</strong> Status und Rolle im Unternehmen<br />
als bedeutungsvoll erachtet. Ausserdem ist Verlässlichkeit e<strong>in</strong>e der<br />
Grundtugenden des preussischen Unternehmens, sodass auch die herrschende<br />
Unternehmenskultur diese, vorangegangene Entscheidungen bekräftigende, Verhaltensweise<br />
zusätzlich förderte. Persönliche Motivation, Rolle im Unternehmen und<br />
Unternehmenskultur verstärkten sich also gegenseitig (b,c,d/20). Verlorene Schubkraft<br />
aus dem externen Umfeld konnte zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Teilen kompensiert werden.<br />
Aufkommende Zweifel an der Nachhaltigkeit der hohen Bewertung der Themen<br />
Internet, Entrepreneurship und VC extern und der <strong>in</strong>ternen Notwendigkeit <strong>von</strong> CVC<br />
werden zwar wahrgenommen, aber so <strong>in</strong>terpretiert, dass sie e<strong>in</strong>igermassen vere<strong>in</strong>bar<br />
s<strong>in</strong>d mit der persönlichen Intention. Die bestehenden Unsicherheiten h<strong>in</strong>sichtlich<br />
e<strong>in</strong>er angemessenen Bewertung <strong>von</strong> Start-up-Unternehmen am Kapitalmarkt ermöglichten<br />
vielfältige Interpretationen. Noch war nicht absehbar, welche Argumentation<br />
sich als zutreffend erweisen sollte.<br />
Für die ggü. CVC eher neutral bis kritisch e<strong>in</strong>gestellten Vorstandsmitglieder ergibt<br />
sich e<strong>in</strong> anderes Bild. Sie nahmen die negativen Veränderungen im externen Umfeld<br />
als signifikanter wahr, auch <strong>in</strong> Relation zu den CVC treibenden Kräften. Konservative,<br />
stark an traditionellen Werten orientierte Entscheidungsträger mögen sogar die<br />
starken Bewertungskorrekturen zum Anlass genommen haben, ihrem alten Interpretationsschema,<br />
das zwischenzeitlich erschüttert war, wieder Geltung zu verschaffen.<br />
Sie fühlen sich durch die jüngsten, externen Ereignisse erneut <strong>in</strong> ihrem Denken und<br />
Handeln bestätigt. E<strong>in</strong> solches Umfeld öffnet den Raum, eigene, latent vorhandene<br />
Bedenken zum beschlossenen CVC-Ansatz zu artikulieren (h/21). Kritische Fragen<br />
170
konnten auch besser vorgebracht werden, weil zwischenzeitlich das Entscheidungsgremium<br />
grundlegend umgestaltet wurde. Wichtige, CVC unterstützende Kräfte aus<br />
den Teilkonzernen gehörten dem neuen E.ON Vorstand nicht mehr an (j/21). Zwei<br />
neue Vorstände, ehemals VIAG, traten e<strong>in</strong>. Diese fühlten sich dem Projekt weniger<br />
verpflichtet. Somit ist <strong>in</strong>sgesamt im E.ON Vorstand der Grad an Verbundenheit mit<br />
dem Projekt gesunken; e<strong>in</strong>zelne kritische Stimmen wurden lauter (i/21).<br />
Es gibt noch e<strong>in</strong>en weiteren Grund, warum zunehmend kritische Fragen laut wurden.<br />
Es fällt leichter, e<strong>in</strong>er Idee Sympathie entgegenzubr<strong>in</strong>gen als e<strong>in</strong>e konkrete Umsetzungsentscheidung<br />
zu treffen. Die Zeit zwischen der ersten Präsentation und der<br />
Umsetzungsfreigabe war dadurch geprägt, dass e<strong>in</strong>e zuvor abstrakt formulierte Idee<br />
jetzt zu e<strong>in</strong>em konkreten Organisationsvorschlag weiterentwickelt wurde. CVC<br />
wurde also nicht mehr länger losgelöst vom System E.ON betrachtet, sondern sollte<br />
jetzt mit diesem organisatorisch vernetzt und mit Ressourcen ausgestattet werden<br />
(Fondsmittel, Budget, Personal). Da Ressourcen trotz guter Ergebnislage immer<br />
knapp s<strong>in</strong>d und alternative Verwendungsmöglichkeiten existieren, wird spätestens<br />
zu diesem Zeitpunkt e<strong>in</strong> CVC-Ansatz im Vergleich zu Investitionsvorschlägen anderer<br />
Organisationse<strong>in</strong>heiten gesehen. E<strong>in</strong>e zentrale Aufgabe e<strong>in</strong>er strategischen Managementhold<strong>in</strong>g,<br />
<strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>zelner Vorstandsmitglieder, ist es, für die beste Allokation<br />
der vorhandenen F<strong>in</strong>anzmittel zu sorgen und Prioritäten zu setzen. Aus der<br />
Abwägung <strong>von</strong> Alternativen können Entscheidungsträger – je nach persönlichen<br />
Präferenzen – zu unterschiedlichen Bewertungen kommen. Kritische Fragen e<strong>in</strong>zelner<br />
Vorstandsmitglieder zum CVC-Ansatz generell sowie zum dah<strong>in</strong>ter liegenden<br />
Detailkonzept können die Folge se<strong>in</strong>; etwa zu Fragen der allgeme<strong>in</strong>en Kontrolle der<br />
neuen Gesellschaft, der Entscheidungsbefugnisse oder der Entlohnung des Managements<br />
(k/21). Gerade aufgrund der Fremdartigkeit des Geschäftsansatzes CVC sowie<br />
e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong> hohen Grades an Risikoaversion des Managements sollte dieses<br />
Verhalten nicht überraschen.<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund all dieser Belastungsfaktoren für das Projekt stellt sich wie<br />
bereits bei der ersten Entscheidungssituation die Frage, warum die neutral e<strong>in</strong>gestellten<br />
Vorstandsmitglieder schliesslich dennoch dem Projekt zugestimmt haben.<br />
Grundsätzlich hat das im Zusammenhang mit der ersten Präsentation erklärte Verhaltensmuster<br />
– vor allem die beschriebenen Zusammenhänge zwischen Unternehmenskultur,<br />
Rout<strong>in</strong>en und Motivation - Gültigkeit. Dies wird durch die grünen, jetzt<br />
171
etwas dünner aufgetragenen Pfeile <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmenssystems angedeutet<br />
(t,u,v,x,y/21). Allerd<strong>in</strong>gs ergeben sich aufgrund der Änderungen <strong>in</strong> den Kontextbed<strong>in</strong>gungen<br />
e<strong>in</strong>ige Modifikationen. Die traditionell gepflegte Verbundenheit mit e<strong>in</strong>er<br />
vorgegangenen Entscheidung nimmt üblicherweise im Zeitablauf ab, sodass man<br />
geneigt se<strong>in</strong> könnte, hier<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Grund für die nachlassende Unterstützung des<br />
Projektes zu f<strong>in</strong>den. Die Tatsache, dass das CVC-Engagement bereits durch e<strong>in</strong>e<br />
Pressemitteilung kommuniziert worden, wirkte dem allerd<strong>in</strong>gs entgegen und förderte<br />
e<strong>in</strong>e positive Entscheidung. Dem Management war sehr daran gelegen, als <strong>in</strong><br />
den Handlungen konsistent wahrgenommen zu werden und ke<strong>in</strong>en Vertrauensverlust,<br />
<strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens, aber vor allen D<strong>in</strong>gen extern zu riskieren. Dies<br />
schliesst die kritisch e<strong>in</strong>gestellten Entscheidungsträger ausdrücklich e<strong>in</strong>. Da es zudem<br />
e<strong>in</strong> prägendes Element der Unternehmenskultur ist, e<strong>in</strong> gegebenes Wort pr<strong>in</strong>zipiell<br />
zu halten, war die Schwelle, e<strong>in</strong>e vorherige Entscheidung zu revidieren, recht<br />
hoch. Die gleiche stabilisierende Wirkung hatte die traditionell gepflegte Verbundenheit<br />
mit Kollegen, auch wenn dieser E<strong>in</strong>flussfaktor – vor allem <strong>in</strong> Beziehung zu<br />
anderen Faktoren - <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em personell veränderten Vorstandsgremium wohl etwas<br />
schwächer ausgeprägt war. E<strong>in</strong>e nach wie vor konsensorientierte und <strong>von</strong> hoher<br />
Loyalität geprägte Kultur erschwerte es, das Projekt e<strong>in</strong>es Kollegen abzulehnen,<br />
wenn nicht sehr schwerwiegende Gründe dagegen sprechen. Das vorliegende Projekt<br />
wurde – wie vorh<strong>in</strong> gezeigt wurde – erstens als nicht wichtig genug erachtet, um<br />
e<strong>in</strong>e solche schwerwiegende Entscheidung zu rechtfertigen bzw. <strong>in</strong> tiefere Diskussionen<br />
mit e<strong>in</strong>em Vorstandskollegen zu verfallen46 . Aufgrund e<strong>in</strong>er bis dato harmonischen<br />
Zusammenarbeit gab es zweitens auch ke<strong>in</strong>e Veranlassung, das Projekt CVC<br />
zum Anlass für <strong>in</strong>tensivere Diskussionen zwischen e<strong>in</strong>zelnen Vorstandsmitgliedern<br />
zu nehmen. Es wurde <strong>von</strong> allen Beteiligten als ausreichend und akzeptabel betrachtet,<br />
den geäusserten Bedenken durch Modifikationen im Konzept Rechnung zu<br />
tragen. Somit konnten Bed<strong>in</strong>gungen geschaffen werden, unter denen sich eigentlich<br />
kritisch e<strong>in</strong>gestellte Vorstandsmitglieder zu e<strong>in</strong>em neutralen, billigenden Abstimmungsverhalten<br />
entschliessen konnten (l/21) und mit denen die Befürworter des<br />
Projektes „leben konnten“. Auch hier zeigt sich sehr deutlich, dass <strong>in</strong> das Entscheidungskalkül<br />
weitaus mehr als die Sachargumente für und gegen CVC e<strong>in</strong>geflossen<br />
46 Damit zeigt sich, dass die niedrig erachtete Wichtigkeit des Projektes zwar kurzfristig half, die<br />
Freigabe des CVC-Projektes zu erhalten. Aus e<strong>in</strong>er längerfristigen Betrachtungsperspektive muss die<br />
Tatsache der niedrigen Relevanz des Projektes als e<strong>in</strong>e wichtige Ursache für den späteren Misserfolg<br />
<strong>von</strong> CVC bewertet werden.<br />
172
e<br />
x t<br />
e r<br />
n<br />
i<br />
n t<br />
e r<br />
n<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
<br />
<br />
Abb. 22: Die Kraft des Projektes reichte<br />
noch für e<strong>in</strong> positives Umsetzungsvotum<br />
- zunehmend kritischere E<strong>in</strong>schätzung<br />
Internet/IT/VC („spekulative Blase“)<br />
+<br />
- zunehmende Konkretisierung<br />
- Kritiker werden stärker<br />
- Unterstützer werden weniger<br />
<br />
t 0 t1<br />
+ Eskalation <strong>von</strong> Comitment<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
<br />
Schubkraft des Projektes<br />
s<strong>in</strong>d. Es können starke Parallelen zu dem <strong>in</strong> Kapitel 4.4. allgeme<strong>in</strong> dargestellten<br />
Modell <strong>von</strong> March/Olsen zur Entscheidungsf<strong>in</strong>dung hergestellt werden. E<strong>in</strong>e Entscheidung<br />
reflektiert demnach das Ergebnis e<strong>in</strong>es sozialen Prozesses. Hierbei steht<br />
nicht nur die Problemlösung CVC im Vordergrund sondern unter anderem auch die<br />
negativen Auswirkungen e<strong>in</strong>er negativen Umsetzungsentscheidung auf e<strong>in</strong>er übergeordneten<br />
Ebene (z.B: Vertrauensverlust, veränderte Beziehungen zu Kollegen).<br />
Zusammenfassend sollte damit erklärt werden, dass sich bei dem anfangs mit sehr<br />
viel Energie gestarteten Projekt CVC die hohen Schubkräfte - nicht zuletzt aufgrund<br />
der Entwicklung im externen Umfeld und der aufgezeigten Auswirkungen auf das<br />
und <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens - nicht aufrechterhalten liess. Trotz erster negativer<br />
Rückkoppelungen im Bezug auf das CVC-Projekt und nachlassender positiver<br />
Energie war per saldo die Energie noch so hoch, dass damit e<strong>in</strong>e positive<br />
Entscheidung verbunden war, wenn auch knapp und unter Auflagen. Abb. 22 soll<br />
diesen Zusammenhang graphisch verdeutlichen.<br />
+<br />
0<br />
-<br />
<br />
<br />
t 0<br />
<br />
<br />
<br />
t 1<br />
Knappes positives Votum<br />
unter Auflagen!<br />
t<br />
173
6.3.3. Umsetzungsphase<br />
An der bisherigen Vorgehensweise, die Kontextbed<strong>in</strong>gungen zu bestimmten<br />
Zeitpunkten zu beschreiben, ggf. zu vergleichen und zu bewerten, um daraus<br />
Erklärungen abzuleiten, welchen E<strong>in</strong>fluss diese auf das Projekt CVC hatten und<br />
warum – daraus resultierend - Entscheidungen so und nicht anders getroffen worden<br />
s<strong>in</strong>d, wird festgehalten. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Entscheidungssituation jetzt etwas anders<br />
def<strong>in</strong>iert. Während es vorher darum g<strong>in</strong>g, positive Entscheidungen zu begründen, ist<br />
die Umsetzungsphase dadurch geprägt, dass positive Entscheidungen meist nicht<br />
ausdrücklich bestätigt werden. Die Revidierung e<strong>in</strong>er Entscheidung erfolgt h<strong>in</strong>gegen<br />
explizit.<br />
Abb. 23 skizziert die potenziellen Pfade, die das CVC-Projekt nach Umsetzungsfreigabe<br />
nehmen kann. Der „Pfad des Projektes“ ergibt sich, wenn zu verschiedenen<br />
Zeitpunkten der Saldo zwischen CVC treibenden (grüne Pfeile <strong>in</strong> der bisherigen<br />
Darstellungsform) und belastenden Kräften (rote Pfeile) ermittelt wird und <strong>in</strong> Bezug<br />
174<br />
+<br />
-<br />
<br />
t 0<br />
Abb. 23: Potenzielle Pfade <strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> der<br />
Umsetzungsphase<br />
Schubkraft<br />
<br />
t 1<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
t x<br />
<br />
?<br />
<br />
Akzeptanz!<br />
Beobachtung!<br />
Beendigung!<br />
t
zue<strong>in</strong>ander gesetzt werden. Er veranschaulicht die Entwicklung der (Netto-)<br />
Schubkräfte im Zeitablauf.<br />
Ziel dieses Abschnittes ist es zu zeigen, warum im Fall E.ON die Schubkräfte so stark<br />
nachliessen und sich e<strong>in</strong>e Entscheidungssituation ergab, die die Beendigung der<br />
CVC-Aktivitäten zur Folge hatte. Entscheidungen s<strong>in</strong>d das Ergebnis e<strong>in</strong>es Wahrnehmungs-<br />
und Interpretationsprozesses der Entscheidungsträger; zuerst auf <strong>in</strong>dividueller,<br />
dann auf kollektiver Ebene. Die zentrale Frage ist, warum sich die Wahrnehmung<br />
<strong>von</strong> CVC <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es recht kurzen Zeitraumes – zwischen der Umsetzungsfreigabe<br />
und der Schliessung des Büros lagen gerade drei Jahre – so schnell<br />
ändern konnte. Mehrere Interpretationen bzw. Erklärungsansätze s<strong>in</strong>d möglich: Hat<br />
sich das Geschäftsumfeld <strong>von</strong> CVC fundamental geändert? Gab es im weiteren<br />
Umfeld neue Informationen und Belastungsfaktoren? Oder haben die gleichen<br />
Informationen im Laufe der Zeit e<strong>in</strong>e andere Bewertung erfahren? Hat die<br />
Motivation der Initiatoren bzw. der Unterstützer im Unternehmen aus anderen<br />
Gründen (etwa andere Prioritäten) nachgelassen? Haben sich im Laufe der<br />
Zusammenarbeit resistente Kräfte gegen die neue CVC-E<strong>in</strong>heit im Unternehmen<br />
entwickelt? Die möglichen Erklärungsansätze s<strong>in</strong>d nicht überschneidungsfrei.<br />
Nachfolgend soll der Versuch gemacht werden, Antworten auf diese Fragen zu<br />
f<strong>in</strong>den. Hierfür wird die bisherige Vorgehensweise folgendermassen weitergeführt:<br />
Zunächst soll auf die allgeme<strong>in</strong>en Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Umsetzung e<strong>in</strong>es<br />
CVC-Ansatzes e<strong>in</strong>gegangen werden. Losgelöst vom hier betrachteten Fall sollen<br />
strukturelle Merkmale, die typisch für e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz s<strong>in</strong>d, erläutert werden.<br />
Von besonderer Bedeutung ist die Frage, welche Kontextbed<strong>in</strong>gungen CVC benötigt,<br />
um überhaupt erfolgreich zu se<strong>in</strong>. Die Beantwortung dieser Frage def<strong>in</strong>iert die Soll-<br />
Bed<strong>in</strong>gungen für die erfolgreiche Umsetzung. Es wird ferner untersucht, wie die<br />
strukturelle Robustheit des Konzeptes gegenüber Aussene<strong>in</strong>flüssen zu beurteilen ist<br />
und welche Möglichkeiten und „Stellschrauben“ die CVC-E<strong>in</strong>heit besitzt, um ihren<br />
Erfolg aktiv zu bee<strong>in</strong>flussen.<br />
Gemessen an diesen allgeme<strong>in</strong>en Start-Voraussetzungen e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes<br />
werden im nächsten Schritt die Ist-Bed<strong>in</strong>gungen im Fall E.ON analysiert. Erste<br />
Diskrepanzen und damit Problemfelder werden identifiziert. Sie stellen quasi die<br />
„Geburtsfehler“ der neuen Gesellschaft dar. Es schliesst sich dann – wie bereits zu-<br />
175
vor praktiziert – e<strong>in</strong>e Charakterisierung der treibenden und ggf. CVC bee<strong>in</strong>trächtigenden<br />
Kräfte über die Zeit an. Aus der Analyse lassen sich drei Phasen<br />
unterscheiden, die durch unterschiedliche Wirkungszusammenhänge und<br />
Kräftekonstellationen im Unternehmen charakterisiert s<strong>in</strong>d.<br />
6.3.3.1. Allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen: Natürliches Spannungsfeld zwischen den<br />
Erwartungen der VC-Branche und denen des Konzerns<br />
E<strong>in</strong>e erfolgreiche Umsetzung <strong>von</strong> CVC be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e stabile Verankerung des<br />
neuen Unternehmens im System. Besonders <strong>in</strong>nerhalb der VC-Branche sowie des<br />
etablierten Konzerns muss CVC e<strong>in</strong>e Rolle f<strong>in</strong>den, die <strong>von</strong> allen Beteiligten als<br />
s<strong>in</strong>nvoll bzw. nützlich erachtet wird. Sie gehen dann mit der CVC-E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>e Art<br />
symbiotische Beziehung e<strong>in</strong>. Idealerweise entwickelt sich diese Beziehung <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er<br />
(lockeren) Allianz, <strong>in</strong> der alle Beteiligten Nutzen aus e<strong>in</strong>er Kooperation mit der CVC-<br />
E<strong>in</strong>heit ziehen, aber auch ohne die Beziehung lebensfähig s<strong>in</strong>d, zu e<strong>in</strong>er wahren<br />
Symbiose („Eusymbiose“), bei der die Partner so viel gegenseitigen Nutzen aus der<br />
Kooperation ziehen, dass sie nur noch schwer ohne diese Beziehungen leben<br />
können47 .<br />
Grosse strukturelle und Interessensunterschiede erzeugen e<strong>in</strong> Spannungsfeld<br />
Diese, aus der Populationsökonomie abgeleitete Beschreibung kennzeichnet die<br />
Ausgangssituation <strong>von</strong> CVC zu Beg<strong>in</strong>n der Umsetzungsphase sehr gut. Für die CVC-<br />
E<strong>in</strong>heit ist es aufgrund e<strong>in</strong>iger Spezifika nicht leicht, e<strong>in</strong>e solche symbiotische<br />
Partnerschaft zu entwickeln und e<strong>in</strong>e stabile Gleichgewichtsposition zu f<strong>in</strong>den. Sie<br />
steht zum e<strong>in</strong>en vor der Herausforderung, sich gleichzeitig <strong>in</strong> zwei organisatorischen<br />
Feldern, nämlich <strong>in</strong> der VC-Branche und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Energiekonzern stabil zu<br />
positionieren. Die beiden Branchen unterscheiden sich strukturell <strong>in</strong> vielerlei<br />
47 In der Biologie existieren zahlreiche Beispiele für solche eusymbiotischen Beziehungen. Bestimmte<br />
Ameisen z.B. kultivieren <strong>in</strong> ihrem Bau Pilze, die als Nahrungsgrundlage für sie dienen. Die Pilze<br />
selbst s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> der Lage, sich ohne die Ameisen zu vermehren. E<strong>in</strong>e Übertragung dieser<br />
Pr<strong>in</strong>zipien <strong>von</strong> biologischen auf soziale Systeme wurde <strong>von</strong> e<strong>in</strong>igen Autoren bereits aufgegriffen (z.B.<br />
Wüstenhagen, 2000, S. 159; Dyllick, 1982, S. 272; Norgaard, 1994)<br />
176
H<strong>in</strong>sicht; z.B. bezüglich ihrer Umweltdynamik, dem <strong>in</strong>stitutionellen E<strong>in</strong>fluss,<br />
wichtiger Erfolgsfaktoren für das Geschäft oder Managementpr<strong>in</strong>zipien (z.B.<br />
schnelles, flexibles Handeln vs. tiefe Analyse und konsequente Umsetzung). Wenn<br />
die CVC-Gesellschaft ausserdem zwei Ziele, nämlich f<strong>in</strong>anzielle und strategische,<br />
verfolgt, die teilweise <strong>in</strong> konfliktärem Verhältnis zue<strong>in</strong>ander stehen, und die Akteure<br />
<strong>in</strong> den beiden organisatorischen Feldern unterschiedliche Grund<strong>in</strong>teressen verfolgen<br />
und Erwartungen an die neue CVC-E<strong>in</strong>heit formulieren, erhöht dies die Komplexität<br />
weiter. E<strong>in</strong>e erfolgreiche Verankerung der CVC-Aktivitäten <strong>in</strong> beiden<br />
organisatorischen Feldern hängt da<strong>von</strong> ab, ob es gel<strong>in</strong>gt, die natürlichen<br />
Interessenlagen und Erwartungen der Akteure an die neue Gesellschaft so zu<br />
justieren, dass e<strong>in</strong>e stabile Gleichgewichtsposition für CVC möglich wird.<br />
Abb. 24 gibt e<strong>in</strong>en Überblick über dieses Beziehungsgeflecht unterschiedlicher<br />
Abb. 24: F<strong>in</strong>anzielle und strategische Ziele erzeugen e<strong>in</strong><br />
Spannungsfeld<br />
Externer<br />
Status quo<br />
<strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong>-<br />
Gesellschaften<br />
Banken/<br />
Berater<br />
a<br />
b<br />
Aktionäre<br />
g<br />
Start-up-<br />
Unternehmen<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
f<br />
i<br />
j<br />
m<br />
f<strong>in</strong>anz. d<br />
Ziele e<br />
c<br />
h<br />
l<br />
k<br />
Kollegen<br />
n<br />
p q<br />
Management<br />
strat.<br />
Ziele<br />
VC-Gesellschaft<br />
Interner<br />
Status quo<br />
Erfahrung<br />
Org.struktur<br />
Motivation<br />
Rout<strong>in</strong>en<br />
Sichtweise<br />
Vorstandsmentor<br />
Org. „Akte“<br />
Rolle<br />
Org.kultur<br />
Interessen und verdeutlicht graphisch das Spannungsfeld, das sich alle<strong>in</strong>e aus e<strong>in</strong>er<br />
groben Unterscheidung <strong>von</strong> f<strong>in</strong>anziellen und strategischen Zielsetzungen der CVC-<br />
s<br />
o<br />
r<br />
177
E<strong>in</strong>heit ergibt. Ohne die Verfolgung f<strong>in</strong>anzieller Ziele ist e<strong>in</strong>e CVC-Gesellschaft <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er <strong>von</strong> hoher Renditeorientierung geprägten VC-Branche nicht stabil zu verankern<br />
(a,b/24). E<strong>in</strong>e gute Vernetzung mit dieser ist unabd<strong>in</strong>gbar, da nur so h<strong>in</strong>reichend<br />
viele Beteiligungsmöglichkeiten („Dealflow“) an die neue CVC-Gesellschaft<br />
herangetragen werden. E<strong>in</strong> hoher Dealflow und die damit verbundene tiefe<br />
Beschäftigung mit neuen Geschäftskonzepten ist der Schlüssel dafür, dass erstens die<br />
f<strong>in</strong>anziell besonders attraktiven Beteiligungsmöglichkeiten identifiziert werden<br />
können und damit e<strong>in</strong>e hohe Portfoliorendite erzielt werden kann und zweitens e<strong>in</strong>e<br />
gute Transparenz über den Zielmarkt und die sich dort anbahnenden Innovationen<br />
erreicht werden kann. Die Verfolgung f<strong>in</strong>anzieller Ziele ist also auch<br />
Grundvoraussetzung dafür, strategische Wertbeiträge für den Konzern (z.B.<br />
„W<strong>in</strong>dow on technology“) erbr<strong>in</strong>gen zu können (c/24). Es besteht hier also e<strong>in</strong>e<br />
komplementäre Zielbeziehung. Umgekehrt können strategische Zielsetzungen auch<br />
den f<strong>in</strong>anziellen Erfolg begünstigen (d,h,i/24), wenn es gel<strong>in</strong>gt, durch e<strong>in</strong>e enge<br />
Verzahnung mit dem etablierten Unternehmen das Start-up-Unternehmen zu<br />
fördern. Es kann z.B. auf den Erfahrungsschatz des Konzerns <strong>in</strong> Bezug auf Kunden,<br />
Technologien, Prozessen, Lieferanten zurückgreifen.<br />
Leider s<strong>in</strong>d die Zusammenhänge <strong>in</strong> der Realität nicht so e<strong>in</strong>fach. Es ist der Grad der<br />
Verzahnung mit der VC-Branche e<strong>in</strong>erseits und dem Unternehmensverbund<br />
andererseits, der darüber entscheidet, ob sich die dargestellten Komplementaritäten<br />
erzielen lassen. Wenn aus Mangel an strategischem Interesse der Konzern mit dem<br />
Start-up-Unternehmen oder gar mit der CVC-Gesellschaft nicht kooperieren möchte,<br />
dann kann der für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Positionierung <strong>in</strong> der VC-Branche so wichtige<br />
Zusatznutzen nicht dargestellt werden. Problematisch ist auch der Fall, wenn<br />
strategische Zielsetzungen des Konzerns zu stark adressiert werden (f,g/24). Dann<br />
fürchten sowohl Start-up Unternehmen als auch andere, mitf<strong>in</strong>anzierende VC-<br />
Gesellschaften um die Erreichung ihrer Renditeziele, (m/24). Interessenskonflikte<br />
können auch entstehen, wenn sich der Konzern bei e<strong>in</strong>em besonders Erfolg<br />
versprechenden Start-up-Unternehmen Sonderrechte wie Vorkaufsrechte oder<br />
Exklusivitäten e<strong>in</strong>räumen lässt (e/24). Die neue CVC-Gesellschaft muss <strong>von</strong> Anfang<br />
versuchen, e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>en deutlichen wahrnehmbaren Zusatznutzen durch die<br />
Anb<strong>in</strong>dung an e<strong>in</strong>en etablierten Konzern zu erbr<strong>in</strong>gen, gleichzeitig aber die<br />
Vernetzung mit dem Konzern nicht so stark voranzutreiben, dass die Gefahr e<strong>in</strong>er<br />
Dom<strong>in</strong>ierung der gesamten Investmentbeziehung besteht. Die „Stellschrauben“, um<br />
178
diese Konstellation zu erreichen, liegen <strong>in</strong> der Ausbalancierung <strong>von</strong> strategischen vs.<br />
f<strong>in</strong>anziellen Zielen; dies nicht nur zwischen VC-Branche und Konzern, sondern auch<br />
<strong>in</strong>nerhalb des Konzerns. Der Grad der jeweiligen Zielverfolgung bestimmt das<br />
Ausmass der mobilisierbaren Partial<strong>in</strong>teressen und damit den Grad der Motivation,<br />
den Führungskräfte des Konzerns entwickeln, die nötige Vernetzung mit der neuen<br />
CVC-Gesellschaft anzustreben.<br />
Detailanalyse: F<strong>in</strong>anzielle vs. strategische Ziele <strong>in</strong> Bezug zu den dah<strong>in</strong>ter liegenden<br />
Interessen und Motiven des Konzerns und se<strong>in</strong>er Entscheidungsträger<br />
Bisher wurde – stark vere<strong>in</strong>fachend und pauschal – <strong>von</strong> der Existenz <strong>von</strong> strategischen<br />
bzw. f<strong>in</strong>anziellen Zielen oder Interessen ausgegangen. Nun soll der Versuch<br />
gemacht werden, die Analyse dah<strong>in</strong>gehend zu vertiefen, als aus den jeweiligen<br />
Zielen genauer die Motive der Führungskräfte des Konzerns abgeleitet werden<br />
sollen, e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>anziell oder strategisch motivierten CVC-Ansatz zu unterstützen.<br />
Entscheidungsträger präferieren nicht e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>anziell oder strategisch motivierten<br />
CVC-Ansatz als mehr oder weniger abstrakte Idee, sondern weil sie über das Vehikel<br />
CVC bestimmte Ziele zu erreichen und gleichzeitig andere, negative Folgen für sich<br />
und das Unternehmen zu m<strong>in</strong>imieren versuchen. Je nachdem wie gut sie glauben,<br />
dass dies gel<strong>in</strong>gt, bemisst sich ihre Motivation, e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz zu fördern.<br />
Die Betonung f<strong>in</strong>anzieller Ziele dürfte nur e<strong>in</strong>e schwache Motivationsbasis bei den<br />
Entscheidungsträgern des Konzerns darstellen, die neue CVC-Gesellschaft zu unterstützen.<br />
Die Gefahr, dass aufgrund fehlender Motivation des Konzerns bzw. se<strong>in</strong>er<br />
Entscheidungsträger CVC ernsthaft <strong>in</strong> Frage gestellt wird, ist aus mehreren Gründen<br />
gegeben:<br />
Gemessen an der Grösse und Ertragskraft e<strong>in</strong>es etablierten Konzerns wird<br />
selbst bei hocherfolgreicher Tätigkeit der Ergebnisbeitrag der CVC-E<strong>in</strong>heit<br />
nur als marg<strong>in</strong>al erachtet werden. Er bef<strong>in</strong>det sich unterhalb der<br />
Wahrnehmungs- oder Berichtsschwelle,<br />
179
180<br />
die Verfolgung e<strong>in</strong>es f<strong>in</strong>anziell motivierten VC-Ansatzes wirft aus Sicht der<br />
Aktionäre die Frage auf, ob dies zum Geschäft e<strong>in</strong>es Energiekonzerns48 gehört.<br />
Wenn e<strong>in</strong>zelne Aktionäre Investitionen <strong>in</strong> die sehr spezielle Anlageklasse<br />
Private Equity/<strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> wünschen, sollten sie selbst über diese<br />
Möglichkeit entscheiden können (Chesbrough, 2002).(j/24): Die<br />
Entscheidungsträger werden realisieren, (l/24), dass Aktionäre nur an<br />
strategisch motivierten CVC-Ansätzen <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d (k/24),<br />
e<strong>in</strong>em hohen Renditepotential steht im Anlagesegment „Risikokapital“<br />
def<strong>in</strong>itionsgemäss e<strong>in</strong> höheres Risiko gegenüber. Wie im Kapitel 3.2.1.<br />
dargelegt, verhalten sich Führungskräfte allerd<strong>in</strong>gs traditionell risikoavers.<br />
Dies gilt <strong>in</strong> besonderem Masse für die Energiebranche. Sie messen also e<strong>in</strong>em<br />
Verlust e<strong>in</strong>e grössere Bedeutung bei als e<strong>in</strong>em korrespondierenden Gew<strong>in</strong>n.<br />
Ausserdem streben sie nach Ergebniskont<strong>in</strong>uität (Kahneman/Tversky, 1979).<br />
Die Zahlungsströme e<strong>in</strong>er VC-Gesellschaft gestalten sich h<strong>in</strong>gegen sehr volatil<br />
und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> hohem Masse abhängig vom erzielten Exiterlös.<br />
VC-Gesellschaften erzielen E<strong>in</strong>zahlungen üblicherweise erst gegen Ende der<br />
Fondslaufzeit aus der Veräusserung <strong>von</strong> erfolgreichen Beteiligungen. Daher<br />
ist es schwierig, den Nachweis f<strong>in</strong>anziellen Erfolgs vor Ablauf der<br />
Fondslaufzeit zu erbr<strong>in</strong>gen. Etablierte Unternehmen s<strong>in</strong>d selten bereit, so<br />
lange auf den Erfolgsnachweis zu warten, vor allen D<strong>in</strong>gen dann nicht, wenn<br />
<strong>in</strong> den ersten Jahren recht hohe Kosten und vor allen D<strong>in</strong>gen Abschreibungen<br />
für Fehl<strong>in</strong>vestitionen anfallen. Diese nähren oft schon früh Zweifel an dem<br />
gewählten CVC-Ansatz. Die benötigte Frist für den Erfolgsnachweis <strong>von</strong> CVC<br />
ist somit grösser als die ihr vom Konzern zugebilligte,<br />
die Tatsache, dass das Management der EVP am wirtschaftlichen Erfolg des<br />
VC-Unternehmens über Carried Interest Strukturen partizipierte, kann<br />
Diskussionen bei anderen Konzernführungskräften über gerechte und<br />
adäquate Vergütungsstrukturen verursachen und so Harmonie und <strong>in</strong>ternes<br />
Gleichwicht im Unternehmen stören.<br />
48 Ob <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> zu den durch E.ON vorzuhaltenden Kernkompetenzen gehöre oder die<br />
erwünschten Effekte auch durch e<strong>in</strong>e Kooperation mit e<strong>in</strong>er klassischen VC-Gesellschaft darstellbar<br />
seien, wurde vom neuen Vorstandsvorsitzenden der E.ON AG immer wieder thematisiert.
E<strong>in</strong> CVC-Ansatz, der ausschliesslich oder <strong>in</strong> hohem Masse die Verfolgung f<strong>in</strong>anzieller<br />
Ziele vorsieht, würde Gefahr laufen, dass die Entscheidungsträger im Konzern<br />
diesen langfristig nicht mittragen (n,o/24). Die persönliche Angreifbarkeit für die<br />
Entscheidung zur <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC aus f<strong>in</strong>anziellen Motiven heraus ist – <strong>in</strong>sbesondere<br />
im Misserfolgsfall - hoch. Aber auch unter der Prämisse erfolgreicher<br />
Aktivität könnten e<strong>in</strong>zelne Gestaltungselemente, etwa die <strong>in</strong> Kap. 6.1. näher<br />
erläuterte, stark performanceorientierte Vergütung des CVC-Managements<br />
Rechtfertigungsbedarf auslösen. Die Entscheidungsträger werden immer mehr<br />
realisieren, dass sie mit ihrem Engagement für CVC viel verlieren, aber nur wenig<br />
gew<strong>in</strong>nen können. Dies wird ihre Motivation bee<strong>in</strong>trächtigen. Früher oder später<br />
werden sie ihre Energie anderen, Erfolg versprechenderen Aktivitäten im<br />
Unternehmen widmen. Unternehmens<strong>in</strong>tern ist CVC nur über die Erwartung<br />
strategischer Wertbeiträge zu begründen (r,s/24).<br />
Die empirische CVC-Forschung sche<strong>in</strong>t diese Schlussfolgerungen zu bestätigen.<br />
Gompers/Lerner (1998) stellen fest, dass CVC-Programme mit schwachem strategischem<br />
Fokus dazu tendieren, weniger stabil zu se<strong>in</strong>. Ebenso Dushnitsky/Lenox<br />
(2004a, S. 14), die feststellen, dass unter sonst gleichen Bed<strong>in</strong>gungen strategisch<br />
fokussierte CVC Investments e<strong>in</strong>en grösseren Wert für e<strong>in</strong> etabliertes Unternehmen<br />
br<strong>in</strong>gen als f<strong>in</strong>anziell fokussierte. Anders ausgedrückt: Der Beitrag <strong>von</strong> CVC für das<br />
Mutterunternehmen ist am grössten, wenn der Fokus auf W<strong>in</strong>dow on Technology<br />
liegt anstatt lediglich auf ROI begrenzt.<br />
Auch das Beispiel Lucent New <strong>Venture</strong> Group zeigt, dass selbst dann, wenn die Ventur<strong>in</strong>g<br />
Aktivitäten f<strong>in</strong>anziell hocherfolgreich s<strong>in</strong>d - die Lucent New <strong>Venture</strong> Group<br />
erzielte zwischen 1996 und Ende 2001 e<strong>in</strong>en IRR <strong>von</strong> 46% - <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Krisensituation<br />
der CVC-Ansatz <strong>in</strong> Frage gestellt werden kann. (Chesbrough/Socolof, 2003). Die<br />
Muttergesellschaft befand sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong> sehr schwierigen Marktumfeld,<br />
war mit signifikanten Umsatzrückgängen konfrontiert, musste 29.000 Mitarbeiter<br />
entlassen und kämpfte um das eigene Überleben. In dieser Situation wurden die<br />
Aktivitäten der New <strong>Venture</strong> Group als nicht überlebensnotwendig klassifiziert und<br />
die gebundenen f<strong>in</strong>anziellen Mittel an anderer Stelle benötigt. Zudem verschlechterte<br />
sich auch das Marktumfeld für VC-F<strong>in</strong>anzierung zunehmend. Schliesslich wurden<br />
181
die Aktivitäten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kooperation mit e<strong>in</strong>er unabhängigen <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong><br />
Gesellschaft e<strong>in</strong>gebracht.<br />
Andererseits wurde bereits gezeigt, dass auch die alle<strong>in</strong>ige Verfolgung <strong>von</strong><br />
strategischen Zielsetzungen unter Ausblendung der f<strong>in</strong>anziellen Zielsetzungen ke<strong>in</strong><br />
tragfähiges Konzept für e<strong>in</strong>e CVC-E<strong>in</strong>heit darstellt. Begründet wurde dies eben mit<br />
den Erwartungen seitens der VC-Branche. Aber auch konzern<strong>in</strong>tern spricht e<strong>in</strong>iges<br />
dafür, zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad f<strong>in</strong>anzielle Ziele zu verfolgen: Zunächst e<strong>in</strong>mal stellt<br />
die Beteiligung am f<strong>in</strong>anziellen Erfolg der CVC-Gesellschaft oder der e<strong>in</strong>zelnen<br />
<strong>Venture</strong>s e<strong>in</strong> gutes Mittel zur Motivation des Managements der CVC-Gesellschaft<br />
dar, die vielversprechendsten Investmentopportunitäten zu identifizieren. E<strong>in</strong>e<br />
unmittelbare Beteiligung am Erfolg der selbst <strong>in</strong>itiierten Beteiligungen ist überzeugender<br />
(p/24) als die an e<strong>in</strong>em – schwer zu fassenden – strategischen Wertbeitrag des<br />
Konzerns (q/24). Je mehr qualitativ hochwertige Geschäftspläne <strong>von</strong> Start-up-<br />
Unternehmen gesichtet werden können, desto höher ist <strong>in</strong>gesamt auch der daraus<br />
ableitbare strategische Nutzen für das etablierte Unternehmen. Auf der Ebene e<strong>in</strong>es<br />
e<strong>in</strong>zelnen Geschäftsplanes besitzen auch Informationen über diejenigen Start-up-<br />
Unternehmen e<strong>in</strong>en besonders hohen strategischen Wert, denen besonders gute<br />
Markt- bzw. damit verbunden Renditechancen e<strong>in</strong>geräumt werden. F<strong>in</strong>anzielle<br />
Attraktivität ist e<strong>in</strong> Indikator für erwarteten Markterfolg. Schliesslich s<strong>in</strong>d<br />
traditionsgemäss die stärksten Argumente für e<strong>in</strong>e Beteiligung an e<strong>in</strong>em Start-up-<br />
Unternehmen immer noch „harte Zahlen, Daten und Fakten“. Es zeigt sich immer<br />
wieder, dass e<strong>in</strong>e gute Renditeperspektive bei e<strong>in</strong>er Entscheidung über e<strong>in</strong>e<br />
Investitionsvorlage überzeugender wirkt als vage strategische Argumente. Strategische<br />
Argumente besitzen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konzern sogar den Makel e<strong>in</strong>er Rechtfertigung<br />
<strong>von</strong> Entscheidungen, die auf andere Art nicht zu begründen s<strong>in</strong>d. Diese Argumentation<br />
wird auch durch die Observation gestützt, dass bei der Entscheidung über VC-<br />
Investments durch E.ON <strong>Venture</strong> Partners der Höhe der privaten Co-Investments<br />
e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung zugemessen wurde.<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Alle<strong>in</strong> aus f<strong>in</strong>anziellen Zielsetzungen lassen<br />
sich CVC-Aktivitäten für e<strong>in</strong>en etablierten Konzern nicht rechtfertigen. Es entstehen<br />
grosse Instabilitäten dadurch, dass die Entscheidungsträger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten<br />
Unternehmen mangels Motivation e<strong>in</strong>en solchen Ansatz langfristig nicht tragen<br />
werden. E<strong>in</strong> Konzern darf CVC nur aus strategischen Gründen betreiben. Nur wenn<br />
182
e<strong>in</strong> strategischer Wertbeitrag ableit- und darstellbar ist, ist dieser Ansatz für e<strong>in</strong> etabliertes<br />
Unternehmen vertretbar, nicht zuletzt gegenüber se<strong>in</strong>en Aktionären. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
dürfen f<strong>in</strong>anzielle Ziele nicht vollends ausgeblendet werden, da sie nützlich<br />
oder teilweise sogar Voraussetzung für die Erreichung strategischer Ziele s<strong>in</strong>d.<br />
Die CVC-Gesellschaft hat e<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> Erwartungen der Akteure als<br />
Randbed<strong>in</strong>gungen zu akzeptieren. Der natürliche Lebensraum für die CVC-<br />
Gesellschaft ist - ebenso wie ihre Handlungsfreiheiten - stark e<strong>in</strong>geschränkt. Die<br />
Gewichtung <strong>von</strong> strategischen und f<strong>in</strong>anziellen Zielen ist nicht frei wählbar, wie oft<br />
<strong>in</strong> der CVC-Literatur unterstellt wird, sondern ergibt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em so komplexen<br />
und sensibel aufe<strong>in</strong>ander reagierenden System implizit aus diesem<br />
Spannungsverhältnis. Zu e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt gibt es nur begrenzte<br />
Komb<strong>in</strong>ationen der Gewichtung der beiden Zielgrössen, mit der sich e<strong>in</strong>e<br />
Gleichgewichtssituation erreichen lässt. Anders als <strong>in</strong> der Biologie können sich im<br />
Fall CVC im Laufe der Zeit die Kontextfaktoren und damit die strategischen<br />
Freiheitsgrade für die CVC-Gesellschaft allerd<strong>in</strong>gs stark verändern.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel für sich ergebende grössere Freiheitsgrade <strong>von</strong> CVC: In den Boomzeiten<br />
<strong>von</strong> Internet, IT und VC (1999-2000) sahen viele klassische VC-Gesellschaften die<br />
CVC-Gesellschaften kritisch. Sie galten als zu schwerfällig und unberechenbar <strong>in</strong><br />
ihren Entscheidungen. Ihr Zusatznutzen wurde angesichts ohneh<strong>in</strong> hervorragender<br />
Marktbed<strong>in</strong>gungen für nicht allzu wertvoll erachtet. E<strong>in</strong> Erfolgsfaktor dieser Zeit<br />
war es, <strong>in</strong> kürzester Zeit die Beteiligungsunternehmen an die Börse zu br<strong>in</strong>gen und<br />
die Anteile zu e<strong>in</strong>em hohen Wert zu veräussern. Mit Beendigung der Phase<br />
exzessiver Bewertungen verschlechterten sich die Umfeldbed<strong>in</strong>gungen für IPOs oder<br />
attraktive Trade-Sales stark. Damit sanken auch die Renditeerwartungen <strong>in</strong> der VC-<br />
Branche. Die Kooperation mit längerfristig orientierten und strategisch motivierten<br />
CVC-Gesellschaften gewann an Attraktivität für klassische VC-Gesellschaften. Unter<br />
den gegebenen Umständen ist die Veräusserung <strong>von</strong> Beteiligungen an e<strong>in</strong>en Konzern<br />
jetzt e<strong>in</strong>e präferierte Exitoption geworden. Den CVC-Gesellschaften wurde die<br />
Verfolgung strategischer Ziele <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise zugebilligt, wie sie noch vor wenigen<br />
Monaten völlig undenkbar gewesen wäre. Ohne aktives Zutun <strong>von</strong> CVC hatten sich<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hochdynamischen Umfeld <strong>in</strong>nerhalb kurzer Zeit die „biologischen<br />
Lebensbed<strong>in</strong>gungen“ stark verändert.<br />
183
6.3.3.2. Sehr schwere Ausgangsbed<strong>in</strong>gungen im Fall E.ON: Vage Vorstellungen<br />
über strategische Wertbeiträge und Betonung f<strong>in</strong>anzieller Ziele<br />
E<strong>in</strong>e Schlussfolgerung aus der vorangegangenen Diskussion war, dass sich CVC <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Konzern nicht über die Verfolgung f<strong>in</strong>anzieller, sondern vor allem durch se<strong>in</strong>e<br />
strategischen Wertbeiträge rechtfertigen lässt. Die Voraussetzungen dafür, dass CVC<br />
diese erbr<strong>in</strong>gen kann, s<strong>in</strong>d auf den ersten Blick gut. In der Innovations- bzw.<br />
Organisationsforschung wird argumentiert, dass e<strong>in</strong> Unternehmen gerade <strong>in</strong> Zeiten<br />
dynamischen Wandels vermehrt Informationen benötigt, um Unsicherheiten <strong>in</strong> der<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung zu verr<strong>in</strong>gern und die Entscheidungsqualität zu verbessern.<br />
Die Energiebranche ist tatsächlich durch e<strong>in</strong>ige Dynamik geprägt, verursacht durch<br />
Änderungen des <strong>in</strong>stitutionellen Rahmens und durch die zunehmende Marktreife<br />
neuer Technologien. An der Schnittstelle des Konzerns nach aussen könnte – gut<br />
vernetzt mit der VC-Branche – die CVC-Gesellschaft tatsächlich wertvolle<br />
Informationen liefern und strategische Wertbeiträge erbr<strong>in</strong>gen. Etwa so lautet auch<br />
die Standardargumentation, um die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes zu begründen.<br />
Während im letzten Abschnitt die h<strong>in</strong>ter den f<strong>in</strong>anziellen Zielsetzungen liegende<br />
Motivationsbasis, abgeleitet aus Vor- und Nachteilen für den Konzern sowie se<strong>in</strong>er<br />
Führungskräfte tiefer analysiert wurde, ist dies für die strategischen Ziele noch nicht<br />
erfolgt. Üblicherweise wirken die <strong>in</strong> den Entscheidungsvorlagen vorgetragenen,<br />
sachlogisch hergeleiteten, allgeme<strong>in</strong>en strategischen Begründungen schon so<br />
überzeugend, dass die im E<strong>in</strong>zelfall vorliegenden Motive und tatsächlich erzielbaren<br />
strategischen Ziele oftmals nicht analysiert oder h<strong>in</strong>terfragt werden. Dies ist e<strong>in</strong><br />
schwerer Fehler. Genauso wie f<strong>in</strong>anzielle stellen strategische Ziele selbst noch ke<strong>in</strong>en<br />
Wert dar, sondern s<strong>in</strong>d lediglich Platzhalter oder Etikett für damit verbundene<br />
Motive und Absichten <strong>von</strong> Unternehmen oder Führungskräften. Die blosse<br />
Argumentation mit strategischen Effekten ist zu pauschal, oberflächlich und wenig<br />
differenzierend. Dies hat sich auch im Fall E.ON gezeigt.<br />
Vergessen wird zudem der Faktor der subjektiven Wahrnehmung. Zwar könnte <strong>in</strong><br />
Zeiten dynamischen Wandels CVC tatsächlich wertvolle Informationen beisteuern.<br />
Wenn allerd<strong>in</strong>gs Entscheidungsträger ke<strong>in</strong> Problem erkennen bzw. Unsicherheiten<br />
verspüren, dann wird auch Daten und Fakten aus dem äusseren Umfeld auch ke<strong>in</strong>e<br />
Bedeutung beigemessen. Sie werden im Zuge des Informationsselektionsprozess<br />
184
ignoriert oder ihnen wird ke<strong>in</strong>e hohe Relevanz beigemessen. Die Erzielung <strong>von</strong><br />
strategischen Wertbeiträgen ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation nicht möglich. E<strong>in</strong>e CVC-<br />
E<strong>in</strong>heit kann nur als wertvoll erachtet werden, wenn sie <strong>in</strong> der Lage ist, für die<br />
jeweiligen Entscheidungsträger wichtige, also relevante Informationen zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
Zwischen dem theoretischen Potenzial für die Erzielung strategischer Wertbeiträge<br />
und der faktischen Wahrnehmung <strong>von</strong> CVC klaffte im Fall E.ON zu Beg<strong>in</strong>n der<br />
Umsetzungsphase e<strong>in</strong>e grosse Lücke. Es wird e<strong>in</strong> erstes Dilemma für die neue CVC-<br />
E<strong>in</strong>heit deutlich: Die Initiierung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes erfolgte e<strong>in</strong>erseits vor allem<br />
aufgrund e<strong>in</strong>es externen Drucks, verstärkt durch Bandwagon-Effekte. Die<br />
<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> wurde als symbolische Massnahme verstanden. Dies führte dazu, dass<br />
wichtige strategische Fragen aus der Diskussion ausgeblendet wurden. Die<br />
Notwendigkeit der Erörterung solcher Wertbeiträge wurde auch aufgrund des noch<br />
grossen Erfolgs der VEBA/E.ON nicht wahrgenommen. Externer Druck erleichtert<br />
damit zwar e<strong>in</strong>e positive Grundsatzentscheidung zu CVC, erschwert aber deren<br />
Umsetzung. Oder anders ausgedrückt: Bei extern stimulierten Ansätzen muss CVC<br />
<strong>in</strong> der Umsetzungsphase zur eigenen Existenzberechtigung strategische Wertbeiträge<br />
nachweisen, die anfangs nicht als notwendig erachtet bzw. im Detail diskutiert<br />
wurden. Die Notwendigkeit der Argumentation mit strategischen Wertbeiträgen<br />
wird dann besonders gross, wenn die ursprüngliche positive Unterstützung aus dem<br />
externen Umfeld (wie im hier vorliegenden Fall) ger<strong>in</strong>ger wird und schliesslich sogar<br />
zu e<strong>in</strong>em Belastungsfaktor geworden ist. Der überzeugende Nachweis solcher<br />
strategischen Wertbeiträge ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation besonders schwer.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der Erwartungen des E.ON Konzerns an die neue CVC-E<strong>in</strong>heit ergibt<br />
sich also e<strong>in</strong> diffuses Bild. Wenn ke<strong>in</strong>e strategischen Wertbeiträge im Detail<br />
diskutiert wurden, konnten auch ke<strong>in</strong>e Erwartungen über e<strong>in</strong>e als angemessen<br />
erachtete Gewichtung <strong>von</strong> f<strong>in</strong>anziellen und strategischen Zielen formuliert werden.<br />
Daraus resultierte e<strong>in</strong> vages, teilweise sogar widersprüchliches Bild über Ziele,<br />
Funktion respektive Auftrag der neuen CVC-E<strong>in</strong>heit. Es wurde <strong>in</strong> Kapitel 6.1.<br />
gezeigt, dass der Protokollant der Vorstandssitzung vom 18. April 2000 e<strong>in</strong>erseits<br />
stärker die strategischen Zielsetzungen betont, gleichzeitig aber auch den<br />
Kommentar e<strong>in</strong>es Vorstandsmitgliedes festhält, das Management der CVC-<br />
Gesellschaft müsse stärker am wirtschaftlichen Risiko der <strong>Venture</strong>-Unternehmen<br />
beteiligt werden. Private Co-Investitionen des Managements zu Investitionen <strong>von</strong><br />
185
EVP wurden nicht nur zugelassen, sondern <strong>in</strong> hohem Masse erwünscht; die<br />
anfängliche Obergrenze <strong>von</strong> 10.000 Euro wurde – wie beschrieben - später sogar auf<br />
25.000 Euro pro E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>vestment angehoben. Auch starke, am f<strong>in</strong>anziellen Erfolg<br />
der Beteiligungen orientierte Entlohnungselemente untermauern die faktische<br />
Renditeorientierung der Gesellschaft. Anreize für die Erreichung strategischer<br />
Zielsetzungen des Konzerns gab es – wie die erste Zielvere<strong>in</strong>barung belegt - zunächst<br />
nicht. Erst <strong>in</strong> den Zielvere<strong>in</strong>barungen späterer Jahre wurden auch strategische<br />
Wertbeiträge adressiert.<br />
Die Anreizsysteme (CI-Beteiligung, private Co-Investments, Zielvere<strong>in</strong>barungen)<br />
trugen dazu bei, dass e<strong>in</strong> anfängliches Vakuum h<strong>in</strong>sichtlich der Ziele der<br />
Gesellschaft durch e<strong>in</strong>e immer stärkere Renditeorientierung ausgefüllt wurde. Auch<br />
die bei der Gründung der Gesellschaft vorhandenen Kontextbed<strong>in</strong>gungen haben<br />
diese Entwicklung gefördert. Die <strong>in</strong> kürzester Zeit erzielbaren, hohen<br />
Unternehmensbewertungen <strong>von</strong> Start-up-Unternehmen erzeugte sowohl beim<br />
Unternehmen, wie auch beim designierten CVC-Management e<strong>in</strong>e hohe Motivation,<br />
an diesem Renditepotenzial partizipieren zu wollen. Strategische Zielbeiträge für<br />
den Konzern traten <strong>in</strong> dieser Situation <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund.<br />
Damit erschwerten zusammenfassend zwei „Geburtsfehler“ e<strong>in</strong>e langfristig<br />
erfolgreiche Verankerung der CVC-Gesellschaft im Unternehmen und damit das<br />
Überleben der Gesellschaft: Zum e<strong>in</strong>en wurde es durch die Umstände der Initiierung<br />
des CVC-Ansatzes versäumt, die durch CVC zu erzielenden strategischen<br />
Wertbeiträge <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> konkreten Vorgaben zu fassen. Anstatt diesen Fehler zu<br />
heilen, setzte die Gesellschaft zweitens auf e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle Ausrichtung, die – wie<br />
gezeigt wurde – zu e<strong>in</strong>er nachlassenden Motivation im Unternehmen zur<br />
Unterstützung der CVC-Gesellschaft und damit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e „Sackgasse“ führen sollte.<br />
Es stellt sich die Frage, wann das beschriebene, durch die speziellen Umstände der<br />
Initiierung <strong>von</strong> CVC (starker externer Druck, ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Überzeugung <strong>von</strong> den<br />
strategischen Vorzügen <strong>von</strong> CVC) ausgelöste Dilemma, offenkundig wurde. Die<br />
nachfolgende Analyse wird zeigen, dass dieses im Fall EVP erst recht spät der Fall<br />
war. Zunächst überwogen positive Schubkräfte auf Basis <strong>von</strong> Vertrauen und erster<br />
Markterfolge.<br />
186
6.3.3.3. Phase I: Interne Vorbereitung und Vertrauensvorschuss<br />
Die erste Phase nach positiver Umsetzungsentscheidung prägte auf der Ebene der<br />
CVC-Gesellschaft e<strong>in</strong> hohes Mass an operativen Aktivitäten und Dynamik: Wie <strong>in</strong><br />
Kapitel 6.1 ausführlicher beschrieben, g<strong>in</strong>g es darum, neuartige Anstellungsverträge<br />
zu formulieren und abzustimmen (neu war die starke Koppelung an die f<strong>in</strong>anzielle<br />
Performance der Gesellschaft), Personal zu rekrutieren und die physische<br />
Infrastruktur zu schaffen. Kurzum: Es galt, aus e<strong>in</strong>em Konzept e<strong>in</strong> funktionierendes<br />
Unternehmen zu machen. Die Umsetzungsmassnahmen hatten zunächst stark<br />
<strong>in</strong>ternen Fokus. H<strong>in</strong>sichtlich der CVC treibenden vs. belastenden Kräfte <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>von</strong> E.ON war diese Phase h<strong>in</strong>gegen durch e<strong>in</strong>e recht ger<strong>in</strong>ge Dynamik<br />
gekennzeichnet. Der Vorstandsmentor unterstützte nach wie vor das Projekt stark<br />
und hatte – ebenso wie das CVC-Management – e<strong>in</strong>e hohe Motivation, dieses<br />
erfolgreich umzusetzen. Die übrigen Entscheidungsträger empf<strong>in</strong>gen ke<strong>in</strong>erlei<br />
Signale, die geeignet waren, ihre Haltung zu dem CVC-Ansatz zu revidieren. Mit<br />
dem Umsetzungsbeschluss verschwand zunächst das Thema CVC <strong>von</strong> ihrer Agenda.<br />
04.09.<br />
Abb. 25: Vertrauensvorschuss und erste Markterfolge<br />
schirmen CVC zunächst <strong>von</strong> Störungen ab<br />
Phase I: Interne Vorbereitung<br />
und Vertrauensvorschuss<br />
2 0 0 0 2 0 0 1 2 0 0 2<br />
Abstimmung<br />
Dienstvertrag<br />
Rekrutierung Personal<br />
Schaffung der physischen Infrastruktur<br />
(Büro, Ausstattung, Technik, IT, TK)<br />
Investmentebene<br />
Juli<br />
Büro D-Hafen<br />
Mai Dez<br />
Juli<br />
1.<br />
Investment<br />
Akquisition und Analyse Dealflow<br />
Due<br />
Due<br />
Diligence<br />
2. und 3.<br />
Investment<br />
Diligence<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Phase II: Erste Markterfolge<br />
PR: Vorträge, Pressearbeit, Broschüren<br />
Organisatorische<br />
Ebene<br />
4.<br />
Investment<br />
t<br />
187
Der Vorstand war bereit, der neuen CVC-Gesellschaft die nötige Zeit für den Aufbau<br />
des Geschäftsbetriebes zu gewähren. Indem das neue CVC-Management an e<strong>in</strong>zelne<br />
Vorstandsmitglieder periodische Statusberichte über den Fortschritt des<br />
Geschäftsaufbaus übermittelte, vermittelte man das Gefühl, dass die CVC-<br />
Gesellschaft auf e<strong>in</strong>em guten Weg war. Format und Inhalte des Statusberichtes<br />
waren den Mitgliedern des Vorstandes vertraut. Es waren die üblichen und<br />
bekannten Umsetzungsschritte bei der Gründung e<strong>in</strong>es neuen Unternehmens, über<br />
die berichtet wurde. Das Konzept konnte weitgehend störungsfrei wie zwischen<br />
CVC-Management und Vorstandspaten besprochen umgesetzt werden. Innerhalb<br />
des gesetzten Rahmens konnte die CVC Geschäftsführung weitgehend eigenständig<br />
agieren.<br />
Das erste Investment im Mai 2001 fällt <strong>in</strong> die frühe Aufbauphase. Die <strong>in</strong>terne<br />
Genehmigung gestaltete sich recht unproblematisch. Aufgrund e<strong>in</strong>es nur mittelbaren<br />
Bezugs zum E.ON-Kerngeschäft waren ke<strong>in</strong>e grösseren konzern<strong>in</strong>ternen<br />
Abstimmungen nötig. Zum anderen blieben angesichts des noch vorhandenen<br />
Vertrauensvorschusses für die neue CVC-Gesellschaft allzu kritische Fragen aus;<br />
sicherlich auch deshalb, um den Start der neuen Gesellschaft nicht zusätzlich zu<br />
erschweren und nach aussen irritierende Signale zu setzen. Das e<strong>in</strong>gangs dieses<br />
Kapitels adressierte Dilemma h<strong>in</strong>sichtlich der Darstellung strategischer Wertbeiträge<br />
wurde noch nicht offenkundig.<br />
Die Phase der Vorbereitung des Markte<strong>in</strong>trittes dauerte rund neun Monate und<br />
endete mit dem Bezug des neuen Büros am Düsseldorfer Medienhafen. Dies war der<br />
offizielle Start der neuen Gesellschaft. Je stärker die Aufbauphase vorangeschritten<br />
war, umso stärker wurde der Vertrauensvorschuss durch e<strong>in</strong>e Erwartung erster<br />
Erfolge der Gesellschaft abgelöst (<strong>in</strong> Abb. 25 ausgedrückt durch e<strong>in</strong>e abnehmende<br />
Gelbfärbung).<br />
6.3.3.4. Phase II: Erste Markterfolge<br />
Es gelang nach e<strong>in</strong>er Phase der <strong>in</strong>ternen Aufbauarbeit, die Gesellschaft durch e<strong>in</strong>ige<br />
kommunikative Massnahmen - vor allem Unternehmensdarstellungen <strong>in</strong> Internet,<br />
Broschüren und durch Vorträge - schnell bekannt zu machen. Sie erfuhr e<strong>in</strong>e gute<br />
188
Akzeptanz <strong>in</strong> der VC-Branche. Die Beteiligungsanfragen konntem kont<strong>in</strong>uierlich<br />
gesteigert und die ohneh<strong>in</strong> ehrgeizigen Ziele noch übertroffen werden. Obwohl die<br />
neue CVC-Gesellschaft gleichermassen offen für E.ON-<strong>in</strong>terne wie externe Geschäftspläne<br />
war, zeigte sich schon schnell, dass vor allem externe kapitalsuchende Entrepreneure<br />
den Kontakt zu der neuen Gesellschaft suchten. Ideen und Managementteams<br />
hatten e<strong>in</strong>en grösseren Reifegrad. Also konzentrierte sich EVP zunächst auf<br />
externe Geschäftsideen und hatte reichlich damit zu tun, die zahlreich e<strong>in</strong>gehenden<br />
Geschäftspläne zu prüfen. Vertrauensbildend wirkte bei Start-up-Unternehmen und<br />
anderen VC-Gesellschaften, die vermehrt Geschäftspläne aus den Bereichen Energie<br />
an EVP weiterreichten, dass die neue Gesellschaft e<strong>in</strong>e starke Renditeorientierung<br />
besass. Dieser Aspekt wurde <strong>von</strong>seiten der CVC-E<strong>in</strong>heit auch immer betont.<br />
Dass EVP schnell e<strong>in</strong>e gute Marktpräsenz erreichen und den Dealflow kont<strong>in</strong>uierlich<br />
steigern konnte, führte auch E.ON <strong>in</strong>tern zu e<strong>in</strong>em Vertrauenszuwachs; vor allem<br />
beim Vorstandsmentor. Indem dieser periodisch im Vorstand über den Fortschritt<br />
der Gesellschaft berichtete, konnte auch die Überzeugung der übrigen Entscheidungsträger<br />
<strong>in</strong> das neue Unternehmen und se<strong>in</strong> Management gesteigert werden. Die<br />
Abb. 26: Zu Beg<strong>in</strong>n der Umsetzungsphase begünstigten<br />
erste Markterfolge die <strong>in</strong>terne Verankerung <strong>von</strong> CVC<br />
Sichtweise<br />
Kollegen<br />
Vorstands-<br />
•Hold<strong>in</strong>g: loyal<br />
• Teilkonzern: Erste<br />
Diskussionen<br />
Org.struktur<br />
mentor<br />
p<br />
q b<br />
m<br />
e<br />
l<br />
Org. „Akte“<br />
CVC-<br />
Erfahrung<br />
VC-Gesell-<br />
Gesellschaft<br />
c<br />
schaften r • Eigenmotivation<br />
a<br />
• Management<br />
g<br />
Motivation<br />
Rolle<br />
gute Akzeptanz EVP s<br />
• schwierigeres Umfeld i<br />
• pers. Überzeugung<br />
k •Verlässlichkeit<br />
h<br />
t<br />
d<br />
o n<br />
j<br />
Org.kultur<br />
Start-up-<br />
Interner<br />
•Verlässlichkeit<br />
Unternehmen<br />
Status quo<br />
•Loyalität<br />
• andere Prioritäten<br />
Externer<br />
Status quo<br />
Banken/<br />
Berater<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Rout<strong>in</strong>en<br />
189
vor allem durch externe Markterfolge erzeugte positive Energie für CVC war auch<br />
sehr hilfreich, Bedenken und Zweifel <strong>von</strong>seiten des operativen Teilkonzerns an den<br />
beabsichtigten Investitionen Nr. 2 und 3 auszuräumen. Aufgrund mangelnder technischer<br />
bzw. Marktkenntnisse konnten die formalen Entscheidungsträger <strong>in</strong> der Führungsgesellschaft<br />
diese Entscheidungsvorlagen nur schlecht beurteilen. Zudem wiesen<br />
die Investitionen <strong>in</strong> die beiden Unternehmen e<strong>in</strong>en hohen Bezug zum Kerngeschäft<br />
der operativen Gesellschaften auf. Beides führte dazu, dass zum ersten Mal<br />
Führungskräfte aus dem operativen Teilkonzern <strong>in</strong> die Entscheidungsf<strong>in</strong>dung h<strong>in</strong>zugezogen<br />
wurden. Diese beurteilten beide Geschäftskonzepte reserviert; <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>en<br />
Fall vor allen D<strong>in</strong>gen deshalb, weil <strong>in</strong> Europa ke<strong>in</strong> Markt für die neuen, angebotenen<br />
Lösungen gesehen wurde. In dem anderen Fall, weil sich das Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
noch frühen Entwicklungsphase befand und noch ke<strong>in</strong>en Prototyp vorweisen konnte.<br />
Bezweifelt wurden die technische Realisierbarkeit des Plans respektive die Erreichung<br />
der gesetzten Kostenziele. Im Grunde wurden hier <strong>in</strong> starkem Masse allgeme<strong>in</strong>e<br />
Risiken <strong>von</strong> VC-F<strong>in</strong>anzierungen adressiert und weniger spezifische Attribute der<br />
vorliegenden Geschäftskonzepte. Nach e<strong>in</strong>igen Gesprächen und vertrauensbildenden<br />
Massnahmen, auch auf Vorstandsebene unter Vermittlung des Vorstandsmentors,<br />
konnten die Bedenken des Teilkonzerns abgeschwächt und die Zustimmung zu<br />
den Investitionen erreicht werden. Die Motivation des Vorstandsmentors zur Vermittlung<br />
und Durchsetzung der Investitionen wäre wohl nicht so hoch gewesen, hätten<br />
Zweifel und Bedenken an der Richtigkeit des e<strong>in</strong>geschlagenen Pfades <strong>von</strong> EVP<br />
se<strong>in</strong> Denken und Handeln bestimmt. Auch die Tatsache, dass das Management der<br />
EVP starke argumentative Unterstützung der Investitionen betrieb und bereit war,<br />
hohe private Co-Investitionen zu tätigen, erwies sich als vertrauensbildend.<br />
Die auf die neue CVC-Gesellschaft wirkenden positiven Schubkräfte, erzeugt aus<br />
ersten externen Markterfolgen waren <strong>in</strong> dieser Phase so hoch, dass erste Störungen<br />
aus dem Umfeld des operativen Teilkonzerns absorbiert werden konnten. Das Image<br />
<strong>von</strong> E.ON <strong>Venture</strong> Partners war zwischenzeitlich so gut, dass im Juni 2002 e<strong>in</strong><br />
Portrait der Gesellschaft49 <strong>in</strong> der Mitarbeiterzeitschrift des operativen Teilkonzerns<br />
erschien. Hier konnten sogar die ursprünglich so kritisch beurteilten Investitionen<br />
vorgestellt werden. Diese Maßnahme als Zeichen e<strong>in</strong>er tiefen <strong>in</strong>neren Überzeugung<br />
zu bewerten, wäre jedoch voreilig. Im Grunde kann diese Veröffentlichung - genauso<br />
49 beigefügt als Anlage zu dieser Dissertation<br />
190
wie die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC selbst - als symbolischer Akt bewertet werden. Es wurde<br />
offensichtlich der Tatsache Sympathie entgegen gebracht, dass EVP an <strong>in</strong>teressanten<br />
Zukunftsthemen des Konzerns arbeitet. Das Image der Gesellschaft passte auch<br />
sehr gut zu der zur gleichen Zeit aktiven Imagekampagne <strong>von</strong> E.ON („Neue<br />
Energie“).<br />
E<strong>in</strong> zusammenfassendes Bild über die diese Phase prägenden Kräfte gibt Abb. 26.<br />
Nach wie bezog CVC se<strong>in</strong>e Schubkraft aus e<strong>in</strong>em hohem Grad an traditioneller<br />
Verbundenheit zwischen den persönlich überzeugten Entscheidungsträgern, Vorstandskollegen<br />
und mit dem CVC-Management (a-e/26). Beim CVC-Management<br />
war e<strong>in</strong>e natürliche Motivation vorhanden, das Projekt zum Erfolg zu führen; ebenso<br />
beim Vorstandsmentor (g,h/26). Externe Erfolge der CVC-Gesellschaft erhöhten die<br />
Motivation der „Early adaptors“ weiter (i,j,r,t/26). Die schwierigeren<br />
Marktbed<strong>in</strong>gungen wurden nicht als besonders relevant erachtet (k,s/26). Ebenso<br />
konnten durch den hohen Grad an persönlicher Motivation erste Störungen aus dem<br />
Umfeld des Teilkonzerns abgepuffert werden (l,m/26). Auf die Sichtweise der eher<br />
neutral bis skeptisch e<strong>in</strong>gestellten Entscheidungsträger wird nicht explizit<br />
e<strong>in</strong>gegangen, weil auch <strong>in</strong> dieser Phase wenig darauf h<strong>in</strong>deutet, dass sich ihre<br />
Wahrnehmung <strong>von</strong> der CVC-Gesellschaft verändert hat. Ihre Haltung wird<br />
zusammenfassend <strong>in</strong> Abb. 26 <strong>in</strong>tegriert50 : Angesichts anderer Prioritäten (n,o/26)<br />
erreichten e<strong>in</strong>erseits diese Vorstände Informationen über externe Markterfolge nur<br />
am Rande (p/26). Andererseits wurden deshalb auch die erschwerten<br />
Marktbed<strong>in</strong>gungen nur schwach wahrgenommen (q/26). Die Reize aus dem Umfeld,<br />
<strong>in</strong>sbesondere negativer Art, waren nicht so gross, dass diese e<strong>in</strong>en Prozess der<br />
Neubewertung ausgelöst hätten. Konzern<strong>in</strong>terne Feedbacks über die Arbeit der<br />
neuen Gesellschaft fehlten zu dieser Zeit noch, weil sich EVP zu dieser Zeit<br />
vornehmlich im VC-Markt zu positionieren versuchte.<br />
6.3.3.5. Phase III: Immer grössere Schwierigkeiten und Beendigung<br />
Während die ersten Investitionen noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Phase starker Schubkräfte vorgenommen<br />
werden konnten und sich nur wenige, schliesslich beherrschbare Störfaktoren<br />
50 Die gestrichelte Kennzeichnung signalisiert, dass diese Effekte –streng genommen – hier nicht<br />
e<strong>in</strong>getragen werden dürften, da die Abbildung die Sichtweise des Vorstandsmentors veranschaulicht.<br />
191
zeigten, wurden die Umfeldfeldbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> der Folgezeit zunehmend<br />
schwieriger. Schliesslich mussten die CVC-Aktivitäten wieder beendet werden.<br />
Was passierte im E<strong>in</strong>zelnen, um diese Veränderung der Wahrnehmung <strong>von</strong> CVC zu<br />
erklären? Es wird argumentiert, dass - ausgelöst durch e<strong>in</strong> bestimmtes negatives Ereignis<br />
– e<strong>in</strong>e Eskalationsspirale <strong>in</strong> Gang gesetzt wurde, aus der starke, CVC bee<strong>in</strong>trächtigende<br />
Kräfte freigesetzt wurden, die nicht mehr beherrschbar waren. Es wurden<br />
– stark zusammengefasst - Inkompatibilitäten zu gefestigtem Wissen und<br />
Werten festgestellt. Starke Netzwerkeffekte trugen dazu bei, dass diese gleichzeitig<br />
auf mehreren <strong>in</strong>haltlichen und organisatorischen Ebenen offenkundig wurden. Die<br />
damit ausgelösten Irritationen und Konflikte wurden so schwerwiegend, dass die<br />
Führungskräfte glaubten, ihr <strong>in</strong>neres Gleichgewicht und das des Unternehmens nur<br />
dadurch zurückgew<strong>in</strong>nen zu können, <strong>in</strong>dem sie die E<strong>in</strong>stellung der CVC-Aktivitäten<br />
beschliessen. Bestätigung für ihre Entscheidung fanden sie auch <strong>in</strong> Entwicklungen<br />
im externen Umfeld. E<strong>in</strong>en Überblick über diese Eskalationsspirale gibt Abb. 27.<br />
192<br />
2 0 0 3 2 0 0 4<br />
Mitarbeiter: ./. 1 ./. 1 ./. 1 ./. 1<br />
Schliessung<br />
(GF)<br />
Büro D-Hafen<br />
Jan Apr Mai Okt<br />
Akquisition und Analyse Dealflow<br />
DD/Ver-<br />
handlungen<br />
Abb. 27: Stärkere unternehmens<strong>in</strong>terne Widerstände ab<br />
Ende 2002 / Anfang 2003<br />
Phase III: E<strong>in</strong>setzende Eskalationsspirale<br />
Bestellung 2.<br />
Geschäftsführer<br />
Auftrag zur Repositionierung EVP<br />
Erster Abschreibungsbedarf/<br />
Strategiewechsel Portfolio-U.<br />
Folge<strong>in</strong>vestments<br />
zu<br />
Nr. 2 u. 3<br />
5. Investment<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Bewertung Portfolio<br />
Prüfung Verwertungsoptionen<br />
Jun<br />
Veräusserung<br />
Nr. 4 (Trade-Sale)<br />
2 0 0 5<br />
Organisatorische<br />
Ebene<br />
Investmentebene<br />
t
Abb. 28: Phase III <strong>in</strong> der Umsetzung: Eskalationsspirale<br />
Erster Abschreibungsbedarf<br />
umstrittene Investments<br />
Welche Vorgänge im E<strong>in</strong>zelnen stattfanden und wie die Verhaltensreaktionen im<br />
Detail aussahen, soll nachfolgend erläutert werden.<br />
Erster Abschreibungsbedarf<br />
Entwicklungen im externen Umfeld<br />
Erhalt des <strong>in</strong>neren Gleichgewichts!<br />
Herausforderung<br />
Tradition/Status quo<br />
Inkompatibilitäten: Managementphilosophien,<br />
Grundprämissen<br />
Wahrnehmung<br />
Abwägung<br />
E<strong>in</strong>stellung CVC<br />
Bestätigung<br />
Entscheidung<br />
Nutzen/Rolle<br />
<strong>von</strong> CVC?<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Neben ersten Anfangserfolgen bestimmten bald auch kritische Ereignisse das Bild<br />
<strong>von</strong> EVP: H<strong>in</strong>sichtlich des ersten, im Mai 2001 abgeschlossenen Investments <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
Unternehmen, das an der Herstellung <strong>von</strong> Polymer-Lithium-Ionen-Batterien<br />
arbeitete, mussten operative Rückschläge berichtet werden. Aufgrund der Tatsache,<br />
dass EVP hier nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Co-Investor war und schon bald e<strong>in</strong>e - vom Konzern<br />
mitgetragene - Risiken m<strong>in</strong>imierende Gegensteuerungsstrategie verfolgte, hielt sich<br />
die Kritik an EVP <strong>von</strong>seiten des Mutterkonzerns <strong>in</strong> Grenzen. Die kritischen Stimmen<br />
wurden lauter, als sich auch das Investment Nr. 3, das sich mit der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong><br />
technischen Lösungen zur Erhöhung der Energieeffizienz befasste, nicht<br />
plankonform entwickelte. Erschwerend kam hier h<strong>in</strong>zu, dass zur Rettung des<br />
193
Beteiligungsunternehmens e<strong>in</strong>e grundlegende Neuausrichtung notwendig wurde,<br />
die weitere F<strong>in</strong>anzmittel erforderte. EVP beteiligte sich als Lead<strong>in</strong>vestor massgeblich<br />
an dieser Neupositionierung und plädierte für das Zusammengehen mit e<strong>in</strong>em<br />
anderen Unternehmen. Diese im Vergleich zur Verfahrensweise im Fall des ersten<br />
Investments weitaus offensivere und risikobewusste Handlungsweise erzeugte<br />
heftige Widerstände im Konzern.<br />
Im Abschnitt 6.3.3.1 s<strong>in</strong>d zahlreiche Gründe angeführt worden, warum e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anziell<br />
motivierter CVC-Ansatz Gefahr läuft, schnell <strong>in</strong>stabil zu werden. Dieser auch<br />
empirisch nachgewiesene Zusammenhang hat sich auch im Fall E.ON bewahrheitet.<br />
Hier waren es die für VC-typischen, aber für e<strong>in</strong>en Konzern ungewohnte Struktur<br />
der Zahlungsströme, die Irritationen erzeugten. Während die e<strong>in</strong>e positive Rendite<br />
erzeugenden E<strong>in</strong>zahlungen über die erfolgreiche Veräusserung <strong>von</strong> Beteiligungen<br />
allgeme<strong>in</strong> erst verhältnismässig spät zu erwarten s<strong>in</strong>d, ist es bei<br />
Risikokapitalf<strong>in</strong>anzierungen kaum auszuschliessen, dass e<strong>in</strong>zelne Investitionen sich<br />
nicht wie erwartet entwickeln und möglicherweise auch Abschreibungsbedarfe<br />
auslösen. Dies war auch bei EVP der Fall. Zunächst entwickelte sich Investment Nr. 1<br />
nicht erwartungsgemäss. Wenig später stellte sich heraus, dass auch beim zweiten<br />
Investment Teilabschreibungen erforderlich waren und die Markte<strong>in</strong>trittsstrategie<br />
dieses Unternehmens grundlegend geändert werden musste.<br />
Wahrnehmung unterschiedlicher Managementphilosophien/Inkompatibilitäten<br />
Die entstandenen, frühen Abschreibungsbedarfe und Restrukturierungsnotwendigkeiten<br />
wurden nicht verstanden und lösten Rechtfertigungszwang aus. Zunächst<br />
weniger gegenüber dem gesamten Entscheidungsgremium – hierfür war die<br />
Dimension <strong>in</strong>sgesamt zu ger<strong>in</strong>g – als vielmehr gegenüber dem bisherigen<br />
Hauptunterstützer, dem Vorstandsmentor (v,w/30). In das bisher so positive Bild<br />
<strong>von</strong> CVC mischten sich vermehrt kritische Untertöne. Nicht nur die Tatsache e<strong>in</strong>es<br />
Abschreibungsbedarfes wurde kritisch betrachtet, sondern der gemessen an<br />
traditionellen Konzernstandards ungewohnte Umgang mit ihm durch die CVC-<br />
Gesellschaft. EVP zeigte – verglichen mit dem vom Konzern erwarteten Verhalten –<br />
e<strong>in</strong>e rechte offensive Haltung hierzu: Es wurde argumentiert, dass es gerade bei<br />
Frühphasenf<strong>in</strong>anzierungen immer wieder zu gravierenden Abweichungen vom<br />
194
Geschäftsplan und zu Abschreibungen kommen könne. Diese gelte es frühzeitig zu<br />
erkennen, zu akzeptieren und gegen zu steuern, etwa wie im Falle des Investments<br />
Nr. 2. Der Grosskonzern konnte dieses Verhalten nur schwer nachvollziehen. Se<strong>in</strong>em<br />
Verständnis nach sollte erste Priorität die Vermeidung <strong>von</strong> Abschreibungen haben.<br />
Es herrscht dort die Überzeugung vor, dass sich durch e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichend sorgfältige<br />
Analyse im Vorfeld der Investition unliebsame Überraschungen hätten vermieden<br />
werden können. Und sollte es dennoch zu e<strong>in</strong>er Abschreibung kommen, so müsse<br />
erste Priorität die Schadensm<strong>in</strong>imierung haben (und nicht maximale zukünftige<br />
Chancen). Im Zuge dieser Diskussion offenbarten sich noch andere, sehr<br />
fundamentale Unterschiede <strong>in</strong> den Managementphilosophien. So hielt sich z.B. -<br />
trotz zahlreicher Überzeugungsversuche seitens EVP – die Erwartungshaltung, dass<br />
jedes e<strong>in</strong>zelne Investment <strong>von</strong> EVP erfolgreich se<strong>in</strong> müsse und nicht – wie <strong>von</strong> EVP<br />
gefordert – die übergeordnete Portfolio-Rendite. Die wichtigsten Unterschiede <strong>in</strong> den<br />
Managementphilosophien beider Unternehmen wurden <strong>in</strong> Tab. 4 zusammengefasst.<br />
Tab. 4: Unterschiedliche Managementphilosophien (Teil I):<br />
Schwierigkeiten des Konzerns mit dem Geschäftsmodell CVC<br />
Grundhaltung<br />
Beherrschung<br />
Unsicherheit<br />
F<strong>in</strong>anzierung<br />
Messung des<br />
Erfolgs<br />
risikoavers<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Konzern CVC-E<strong>in</strong>heit<br />
• tiefe thematische Durchdr<strong>in</strong>gung<br />
/ Detailanalyse<br />
• Festhalten am Plan<br />
• Volle Handlungsfreiheit;<br />
Beteiligungshöhe: 100%<br />
• auskömmliche Budgets<br />
• Performance = CFROI<br />
• „go<strong>in</strong>g concern“<br />
• „jedes Investment muss<br />
erfolgreich se<strong>in</strong>“<br />
risikobewusst<br />
• Ständiges Infragestellen<br />
der Basisprämissen<br />
• Flexibilität (trial and error)<br />
• Risikoteilung/-streuung<br />
Beteiligungshöhe: 5-20%<br />
• knappe Tranchen<br />
• Performance=Total Value<br />
• Ausstieg ständig geprüft<br />
• „Portfoliorendite muss<br />
zufriedenstellend se<strong>in</strong>“<br />
195
Sie be<strong>in</strong>halten grundsätzlich andere Grundhaltungen, wie mit Risiken und<br />
Unsicherheiten umgegangen und der Erfolg der Unternehmense<strong>in</strong>heit abgeleitet<br />
bzw. gemessen werden soll.<br />
Da diese Unterschiede <strong>in</strong> der Initiierungsphase nie Gegenstand e<strong>in</strong>er tiefen<br />
Diskussion waren, wurden sie auf Seiten des Konzerns als überraschend empfunden.<br />
Mehr noch: Es fehlte jegliche Orientierungshilfe, wie mit diesen - e<strong>in</strong>en Teil des<br />
strategischen Wertbeitrages ausmachenden - Managementpr<strong>in</strong>zipien umgegangen<br />
werden sollte.<br />
CVC besass als neues Unternehmen selbst noch ke<strong>in</strong>e Legitimation im Konzern und<br />
konnte diese Orientierungshilfe nicht h<strong>in</strong>reichend überzeugend geben. Es wäre<br />
Aufgabe des Projektteams <strong>in</strong> der Initiierungsphase gewesen, diese „Leitplanken“<br />
vorher zu erarbeiten und Aufgabe des Vorstandes, diesen Legitimation im Unternehmen<br />
zu verleihen. So konnten trotz vieler Erklärungsversuche durch die CVC-<br />
Gesellschaft die Irritationen über die ersten Abschreibungen nicht ausgeräumt<br />
werden. Ganz im Gegenteil. Man konnte den E<strong>in</strong>druck gew<strong>in</strong>nen, dass die Zweifel<br />
eher grösser als ger<strong>in</strong>ger geworden s<strong>in</strong>d und sich nicht nur auf die Investments<br />
bezogen, sondern zunehmend auf die Arbeitsweise der CVC-Gesellschaft <strong>in</strong>sgesamt.<br />
a) Herausforderung traditioneller Werte und Bedrohung des Status quo<br />
Zunehmende Unsicherheiten und Zweifel im Umgang mit der fremdartigen<br />
Managementphilosophie prägten <strong>in</strong> der Folgezeit das Bild der neuen CVC-<br />
Gesellschaft. Diese Wahrnehmung beschränkte sich zunächst auf die Führungskräfte<br />
im Konzern, die engen Kontakt mit EVP pflegten und – offiziell oder <strong>in</strong>offiziell - <strong>in</strong><br />
die Entscheidungsf<strong>in</strong>dung über neue Investmentvorlagen oder die Führung der<br />
bestehenden Beteiligungen <strong>in</strong>volviert waren. Zunächst waren dies der<br />
Vorstandsmentor sowie der Vorsitzende des F<strong>in</strong>anz- und Investitionsausschusses. Je<br />
mehr die neue CVC-Gesellschaft mit anderen Mitarbeitern im Konzern<br />
zusammenarbeitete, etwa im Zusammenhang mit Stellungnahmen zu neuen<br />
Entscheidungsvorlagen, desto mehr verbreiteten sich diese Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich<br />
grundlegender Basisprämissen der Arbeit zwischen der CVC-Gesellschaft und dem<br />
Rest des Konzerns <strong>in</strong> der Organisation.<br />
196
Verstärkt wahrgenommen wurden nicht nur Irritationen über die Arbeitsweise der<br />
CVC-Gesellschaft selbst, sondern auch zunehmend h<strong>in</strong>sichtlich der getätigten<br />
respektive beabsichtigten Investitionen. Viele Investmentopportunitäten der CVC-<br />
Gesellschaft be<strong>in</strong>halteten alternative Strom-/Wärmeerzeugungskonzepte (etwa<br />
Stromerzeugung auf Basis regenerativer Energien wie W<strong>in</strong>d, Sonne, Biomasse etc.<br />
oder andere dezentrale Erzeugungskonzepte wie Brennstoffzellen) oder technologische<br />
Lösungen zur Verbesserung der Energieeffizienz. Hierzu gehörten auch die<br />
Investitionen Nr. 2 und 3, für die zu dieser Zeit Folgef<strong>in</strong>anzierungen anstanden. Da<br />
die technologisch weniger erfahrenen Hold<strong>in</strong>gvorstände Führungskräfte des<br />
operativen Teilkonzerns <strong>in</strong> den Entscheidungsprozess e<strong>in</strong>bezogen, kam ihrer<br />
Beurteilung der Investitionen durch schriftliche Stellungnahmen e<strong>in</strong>e hohe, wenn<br />
nicht sogar massgebliche Bedeutung zu.<br />
Vor allem die Argumentation zur Nachf<strong>in</strong>anzierung der Investition Nr. 3 lässt darauf<br />
schliessen, dass es zwischen Konzern und CVC-Gesellschaft bzw. dem Geschäftsplan<br />
der f<strong>in</strong>anzierten Beteiligungsgesellschaft fundamentale Unterschiede <strong>in</strong> den<br />
Basisprämissen gab. Die Argumentation unterschied sich stark zu der im Rahmen<br />
der ersten F<strong>in</strong>anzierungsrunde. Dort wurden – wie beschrieben – eher allgeme<strong>in</strong>e,<br />
VC-typische Risiken adressiert. Jetzt argumentierten die Führungskräfte aus dem<br />
operativen Teilkonzern stärker gegen die Inhalte der jeweiligen Geschäftskonzepte;<br />
im Fall der Investition Nr. 3 beispielsweise damit, dass dezentrale<br />
Energieerzeugungskonzepte ihrer Me<strong>in</strong>ung nach nur durch staatliche Zuschüsse<br />
(z.B. im Rahmen des Energiee<strong>in</strong>speisegesetzes) lebensfähig seien und schon alle<strong>in</strong>e<br />
wegen e<strong>in</strong>er chronisch angespannten Haushaltslage der öffentlichen Hand nicht <strong>von</strong><br />
e<strong>in</strong>er langfristigen Subventionierung ausgegangen werden könne. Wenn man diese<br />
Basisprämissen zu Grunde legt, kann man e<strong>in</strong>e Investition <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Unternehmen, das<br />
dezentrale Energieerzeugungssysteme vermarkten möchte, nicht vertreten. Die CVC-<br />
Gesellschaft sowie das Start-up-Unternehmen selbst g<strong>in</strong>gen natürlich <strong>von</strong> anderen<br />
Basisprämissen aus. Sie argumentierten, dass langfristig die Wettbewerbsfähigkeit<br />
ohne staatliche Subventionierung gegeben ist. An diesem Beispiel zeigt sich, dass<br />
sich CVC-Gesellschaft und Start-up-Unternehmen e<strong>in</strong>erseits sowie Konzern<br />
andererseits <strong>in</strong> verschiedenen Kontexten befanden. Oder anders ausgedrückt: Aus<br />
Sicht des Konzerns fehlte e<strong>in</strong> Kontext, <strong>in</strong>nerhalb dessen sich die F<strong>in</strong>anzierung solcher<br />
Energie<strong>in</strong>novationen als s<strong>in</strong>nvoll erwies. Mit dem bisherigen Interpretationsschema<br />
waren solche Investitionen nicht zu fassen bzw. zu begründen.<br />
197
Das im direkten Zusammenhang mit den Investitionsvorlagen Nr. 2 und 3 gezeigte<br />
Verhalten ist symptomatisch. Im engen S<strong>in</strong>n bezog es sich auf die konkret<br />
beabsichtigten Investitionen. Im weiteren S<strong>in</strong>ne charakterisiert es die allgeme<strong>in</strong>e<br />
Haltung zu (disruptiven) Innovationen im Energiebereich.<br />
Me<strong>in</strong>ungs- und Schriftführer <strong>in</strong> dieser Diskussion war der technische Vorstand der<br />
E.ON Energie AG, zugleich Mitglied des <strong>Venture</strong> Boards <strong>von</strong> E.ON <strong>Venture</strong><br />
Partners. Das nachfolgende Zitat reflektiert se<strong>in</strong>e Haltung im Jahre 2005. Es darf<br />
da<strong>von</strong> ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Umsetzungsphase <strong>von</strong> EVP die<br />
ablehnende Haltung gegenüber Erneuerbaren Energien noch ausgeprägter war.<br />
198<br />
„E<strong>in</strong>e neue Energiepolitik für Deutschland – Abkehr <strong>von</strong> Illusionen<br />
Prof. Ra<strong>in</strong>er Frank Elsässer 51<br />
Die energiepolitischen Bed<strong>in</strong>gungen haben sich <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
grundlegend verändert. Der Rahmen, der der Energiewirtschaft durch die Politik vorgegeben<br />
wird, ist verzerrt und zumeist e<strong>in</strong>seitig ideologisch geprägt. Darüber h<strong>in</strong>aus ist die<br />
Energiepolitik der jetzigen Bundesregierung geprägt durch zahlreiche Widersprüche:<br />
Ehrgeizige CO2-M<strong>in</strong>derungsziele sollen erreicht werden und dennoch wird an dem<br />
Ausstieg aus der Kernenergie festgehalten.<br />
Der Ausbau der regenerativen Energien soll weiter forciert werden, ohne die<br />
massive Belastung der Netz<strong>in</strong>frastruktur und die s<strong>in</strong>kende Versorgungssicherheit zu<br />
thematisieren.<br />
Auf der e<strong>in</strong>en Seite soll der Energiemix aus e<strong>in</strong>igen wenigen ausgewählten<br />
Energieträgern bestehen, gleichzeitig soll die Sicherheit der Energieversorgung<br />
erhalten bleiben.<br />
Die andauernden E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> den Markt <strong>in</strong> Form regelmässiger Erhöhungen der<br />
staatlichen Belastungen (z.B. EEG, KWK, Ökosteuer) führen zwangsläufig und<br />
gewollt zu e<strong>in</strong>er Verteuerung der Energie. Dieser Effekt wird jedoch <strong>von</strong> der Politik<br />
geleugnet und gleichzeitig niedrigere Strompreise gefordert.<br />
Die angestrebte zweifelhafte Vorreiterrolle <strong>in</strong> Klima- und Umweltschutzbelangen<br />
führt zu überhöhten Umwelt-Standards, Subventionen für bestimmte<br />
Erzeugungsformen und vielfältigen anderen Belastungen des Standortes. Dadurch<br />
51 als Vorsitzender des Ausschusses für Energie- und Rohstoffpolitik des Wirtschaftsbeirates der<br />
Union e.V. ; Mitglieder-Information Nr. 7-8/2005; Das nachfolgende Statement wird ungekürzt<br />
wiedergegeben, um nicht dem Vorwurf der gezielten Selektion <strong>von</strong> aus dem Zusammenhang<br />
gerissenen Aussagen ausgesetzt zu se<strong>in</strong>
verändert sich ständig das energiewirtschaftliche Umfeld – trotzdem wird erwartet,<br />
dass unter diesen unsicheren Rahmenbed<strong>in</strong>gungen Milliarden-Investitionen mit<br />
jahrzehntelanger Kapitalb<strong>in</strong>dung entschieden werden.<br />
Es zeigt sich, dass die eigentlich angestrebte Liberalisierung des Strommarktes zunehmend<br />
durch e<strong>in</strong>e Reregulierung konterkariert wird. Es fehlt an e<strong>in</strong>em stabilen und<br />
realitätsbezogenen energiepolitischen Rahmen, denn die bestehende Ungewissheit lähmt<br />
die Investitionstätigkeit der Unternehmen, anstatt sie anzukurbeln. E<strong>in</strong>e solche Entwicklung<br />
ist kontraproduktiv. Denn gerade die energiewirtschaftliche Infrastruktur, die Basis unserer<br />
Versorgungssicherheit ist, erfordert e<strong>in</strong> baldiges Handeln. In den Bereichen Kraftwerke und<br />
Netzanlagen stehen umfangreiche Investitionsentscheidungen an. Da mehrjährige Planungsund<br />
Genehmigungsphasen sowie lange Bauzeiten zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d, müssen erste<br />
Investitionsentscheidungen bereits <strong>in</strong> unmittelbarer Zukunft getroffen werden. Fehlt aber e<strong>in</strong><br />
verlässlicher ordnungspolitischer Rahmen, stehen absehbar Qualität und Sicherheit unserer<br />
Versorgungs-Infrastruktur auf dem Spiel.<br />
Die gewaltige Zunahme des Investitionsbedarfs bei den Netzen liegt nicht zuletzt an der<br />
forcierten Förderung der regenerativen Energien. Die ständig zunehmende W<strong>in</strong>denergie-<br />
E<strong>in</strong>speisung hat das deutsche Stromnetz mittlerweile <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Regionen an die Grenzen<br />
se<strong>in</strong>er Belastbarkeit gebracht, die Aufrechterhaltung der Netzstabilität wird immer mehr zum<br />
Problem. Schon heute ist Deutschland W<strong>in</strong>dkraft-Weltmeister mit rund 16.500 MW<br />
<strong>in</strong>stallierter Leistung, für das Jahr 2020 werden sogar 35.000 MW prognostiziert. Dies<br />
erfordert gewaltige Investitionen <strong>in</strong> das deutsche Höchstspannungsnetz zum Abtransport des<br />
nur im Norden anfallenden W<strong>in</strong>dstroms.<br />
Wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Szenario e<strong>in</strong>e sichere Stromversorgung gewährleistet werden könnte,<br />
ist heute noch nicht abzusehen. Deshalb haben wir das Thema „Konsequenzen der dena-<br />
Netzstudie für die deutsche Gesetzgebung“ auch zum Inhalt unserer letzten<br />
Energieausschuss-Sitzung des Wirtschaftsbeirates am 26. Juli 2005 gemacht. Die<br />
Diskussion machte deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber dr<strong>in</strong>gend gefordert ist, hier<br />
unverzüglich zu handeln. Notwendig ist e<strong>in</strong>e gesetzliche Regelung, die den absoluten<br />
Vorrang der erneuerbaren Energien im Versorgungssystem e<strong>in</strong>schränkt, um wieder e<strong>in</strong>e<br />
Balance zwischen dem wirtschaftlichen Interesse der W<strong>in</strong>denergiee<strong>in</strong>speiser und dem<br />
volkswirtschaftlichen Interesse an e<strong>in</strong>er optimalen Netz<strong>in</strong>frastruktur zu f<strong>in</strong>den.<br />
Um die notwendigen Investitionsentscheidungen vernünftig treffen zu können und e<strong>in</strong>e<br />
sichere, preisgünstigere und umweltverträgliche Energieversorgung bereitstellen zu können,<br />
braucht die Energiewirtschaft e<strong>in</strong>e neue Energiepolitik. Diese muss langfristige und<br />
zuverlässige Rahmenbed<strong>in</strong>gungen gewährleisten, über Legislaturperioden h<strong>in</strong>aus Bestand<br />
haben und neben dem Klimaschutz den Zielen der Wettbewerbsfähigkeit und der<br />
199
200<br />
Versorgungssicherheit wieder e<strong>in</strong>en gleichen Rang e<strong>in</strong>räumen. Es ist offenkundig, dass sich<br />
Deutschland e<strong>in</strong>e Fortsetzung des bisherigen Weges nicht leisten kann. Die neue<br />
Energiepolitik, die wir wirklich brauchen, ist die Abkehr <strong>von</strong> den Illusionen der letzen Jahre.<br />
Erst wenn sämtliche Ungereimtheiten beseitigt s<strong>in</strong>d, die bestehenden Instrumente<br />
mite<strong>in</strong>ander harmonisiert wurden und der notwendige ordnungspolitische Rahmen<br />
geschaffen worden ist, werden Marktprozesse wirksam greifen.<br />
Diese Rahmenbed<strong>in</strong>gungen langfristig verlässlich zu gestalten, gehört zu den grossen<br />
Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts. Aus diesem Grund haben wir begleitend zum<br />
Energieausschuss des Wirtschaftsbeirates e<strong>in</strong>en Beraterkreis gegründet. Er besteht aus<br />
dem Vorsitzenden und se<strong>in</strong>en beiden Stellvertretern sowie erfahrenen Vertretern der Strom-,<br />
Gas- und M<strong>in</strong>eralölwirtschaft. Ziel dieses Beraterkreises ist es, abseits des Tagesgeschäftes<br />
aktuelle und langfristig bedeutsame energiepolitische Fragestellungen zu diskutieren,<br />
positive Lösungsansätze zu entwickeln und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em konstruktiven Dialog mit Politik und<br />
Verwaltung e<strong>in</strong>zutreten. Angesichts der aktuellen Entwicklungen und der vorgezogenen<br />
Wahl im Herbst dieses Jahres haben wir die Gelegenheit genutzt, die zukünftigen politischen<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e nachhaltige Energieversorgung mit der Politik zu diskutieren.<br />
Am 8. Juli 2005 war Frau Gerda Hasselfeldt MdB, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der<br />
CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zuständig für den Fachbereich Energie, unser Gast. In<br />
e<strong>in</strong>em sehr konstruktiven Gespräch konnten wir ihr die akuten Probleme und<br />
Fragestellungen der Energiewirtschaft nahe br<strong>in</strong>gen und damit – so hoffen wir – e<strong>in</strong>ige<br />
positive Denkanstösse setzen.“<br />
Die zentrale Frage ist, welche tieferen Erklärungen sich dafür f<strong>in</strong>den lassen, dass die<br />
durch EVP f<strong>in</strong>anzierten dezentralen Energieerzeugungssysteme auf starke<br />
Ablehnung im Konzernumfeld stiessen.<br />
Um diese Frage zu beantworten, soll nachfolgend besonders tief analysiert werden,<br />
welche Werte und Errungenschaften des Konzerns exakt durch die Philosophie der<br />
neuen CVC-Gesellschaft herausgefordert wurden und wodurch der Kontext der<br />
Führungskräfte im Konzern charakterisiert war. Da e<strong>in</strong> Interpretationsrahmen – wie<br />
gezeigt wurde – vor allem durch die Vergangenheit (eigene Erfahrung,<br />
Historie/“Akte“ des Unternehmens) geprägt wird, soll zunächst durch e<strong>in</strong>en<br />
geschichtlichen Exkurs zur Entstehung traditioneller Energieversorgungssysteme<br />
gezeigt werden, welche Erfahrungen traditioneller Konzerne allgeme<strong>in</strong> bee<strong>in</strong>flussen.<br />
Danach werden auf Basis der Analyse des gegenwärtigen Status-quo weitere, den<br />
Kontext <strong>von</strong> Führungskräften def<strong>in</strong>ierende Faktoren thematisiert. Hier wird vor<br />
allem auf das <strong>in</strong> Diskussionen zu Entscheidungsvorlagen ebenfalls benutzte
Argument der Kannibalisierung <strong>von</strong> bestehendem Geschäft e<strong>in</strong>gehender beleuchtet.<br />
Im Fall des Investments Nr. 3 wurde nicht nur argumentiert, dass uns<strong>in</strong>nigerweise –<br />
eigentlich <strong>in</strong>effiziente – dezentrale Anlagen subventioniert werden würden, sondern<br />
dass E.ON durch die f<strong>in</strong>anzielle Förderung dieser – nicht gewollten – Anlagen e<strong>in</strong>er<br />
Entwicklung noch Vorschub leistet, die den Auslastungsgrad der bestehenden<br />
Grosskraftwerke unter Umständen gefährden könne. Damit werde sicheres<br />
derzeitiges Geschäft ohne Grund <strong>in</strong> Frage gestellt bzw. kannibalisiert.<br />
Starke Verbundenheit mit traditionellen Werten<br />
Exkurs: Historische Entwicklung der derzeit dom<strong>in</strong>ierenden Energieversorgungssysteme<br />
(Hughes, 1983)<br />
Die derzeit dom<strong>in</strong>ierenden Energieversorgungsstrukturen stellen e<strong>in</strong> über viele Jahrzehnte gewachsenes<br />
System dar. Thomas P. Hughes (1983) hat die Erforschung der Geschichte <strong>von</strong><br />
Technologien mit se<strong>in</strong>em Werk „Networks of Power“ erheblich bereichert. Bis dato hat sich die<br />
Forschung auf die Person des Erf<strong>in</strong>ders und auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelne technische Erf<strong>in</strong>dung fokussiert.<br />
Hughes brachte die System-Perspektive e<strong>in</strong>. Er stellte die e<strong>in</strong>zelne technische Erf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> den<br />
Kontext e<strong>in</strong>es diese Erf<strong>in</strong>dung umgebenden Systems. Neben technischen Faktoren waren<br />
Gegenstand se<strong>in</strong>er Forschung vor allem organisatorische Aspekte sowie wirtschaftliche und<br />
politische Kräfte und Strukturen.<br />
Ausgangspunkt der historischen Rekonstruktion <strong>von</strong> Hughes s<strong>in</strong>d die technischen Erf<strong>in</strong>der und<br />
deren Eigenschaften, die sie erfolgreich machen. Sie managen das technologische Subsystem.<br />
Auf Basis se<strong>in</strong>er Beobachtungen zu Stromversorgungssystemen <strong>von</strong> 1880 bis 1930 <strong>in</strong> den<br />
USA, Frankreich und Deutschland identifizierte Hughes drei Phasen der Entwicklung <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er<br />
lokalen Lösung zu e<strong>in</strong>em regionalen oder gar nationalen System:<br />
Entwicklung <strong>von</strong> der (radikalen) Erf<strong>in</strong>dung zu e<strong>in</strong>em funktionierenden, neuen technologischen<br />
System: E<strong>in</strong> wichtiger Erfolgsfaktor dieser Phase ist die E<strong>in</strong>bettung der Erf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en wirtschaftlichen und politischen Kontext. Erst wenn dies erfolgreich gelungen ist, wird<br />
aus der Erf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>e Innovation, die wirtschaftliche Anwendung f<strong>in</strong>den kann. Treibende<br />
Kraft <strong>in</strong> dieser Phase ist der technische Entrepreneur. Im Gegensatz zu <strong>in</strong>krementellen<br />
Innovationen, bei denen kritische technische Probleme durch die technische Expertise der<br />
das Systeme managenden Organisation identifiziert und gelöst werden, werden radikale<br />
Erf<strong>in</strong>dungen <strong>von</strong> unabhängigen professionellen Erf<strong>in</strong>dern getätigt.<br />
Transfer / Übertragung der Lösung auf andere Märkte: In dieser Phase erfolgt die Anpassung<br />
der technologischen Lösung an verschiedene geographische, politische, juristische<br />
und historische Umweltbed<strong>in</strong>gungen. Diese s<strong>in</strong>d üblicherweise anders, als die, <strong>in</strong> der das<br />
System ursprünglich entwickelt worden ist. Hughes führt den Begriff des „technologischen<br />
styles“ e<strong>in</strong>, um zu erklären, dass e<strong>in</strong> und dieselbe Technologie unterschiedlich aufgenommen<br />
wird, je nach Umfeldbed<strong>in</strong>gungen: z.B. haben die Briten aufgrund der lokalen<br />
Verwaltungsstrukturen e<strong>in</strong>e grössere natürliche Aff<strong>in</strong>ität zu kle<strong>in</strong>en, dezentralen Energieversorgungse<strong>in</strong>heiten,<br />
während <strong>in</strong> Frankreich oder Deutschland eher zentrale<br />
Grosskraftwerke anzutreffen s<strong>in</strong>d.<br />
Wachstum, Wettbewerb und schliesslich Konsolidierung des Marktes: Konnte sich die<br />
Innovation <strong>in</strong> verschiedenen geographischen, politischen und juristischen<br />
Umfeldbed<strong>in</strong>gungen behaupten, stehen Fragen der Rationalisierung, Effizienz und<br />
Kapital<strong>in</strong>tensität im Vordergrund. Dies ist der Zeitpunkt, wo der technische Entrepreneur<br />
mehr und mehr durch den kaufmännischen bzw. „Manager“-Entrepreneur oder<br />
F<strong>in</strong>anzspezialisten abgelöst wird.<br />
201
Aus dieser historischen Analyse wird zunächst deutlich, dass dem Management des<br />
<strong>in</strong>stitutionellen Umfeldes <strong>in</strong> etablierten Energiekonzernen e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung<br />
zukommt (a,b/30). Traditionsgemäss werden umfangreiche Stäbe, etwa im Bereich<br />
„Wirtschaftspolitik“ vorgehalten, um die Errungenschaften der Vergangenheit zu<br />
verteidigen (c1,c2/30), den e<strong>in</strong>geschlagenen, <strong>in</strong> der Vergangenheit hocherfolgreichen<br />
202<br />
Die bestehenden Energieversorgungssysteme haben e<strong>in</strong>e lange Tradition. Sie s<strong>in</strong>d Ergebnis<br />
technischer Notwendigkeiten und Opportunitäten, aber auch limitierender E<strong>in</strong>flüsse aus dem<br />
gesellschaftlichen und politischen Umfeld. Die traditionellen Energieversorgungsunternehmen<br />
haben gelernt, diese Umfeldfaktoren <strong>in</strong> ihrem S<strong>in</strong>n zu steuern und mit verschiedenen<br />
Interessenslagen umzugehen, wenn e<strong>in</strong> technisches System immer grösser wird und die sie<br />
produzierenden Unternehmen immer stärker wachsen. Die Reaktionen aus dem<br />
gesellschaftlichen und politischen Umfeld bee<strong>in</strong>flussen den Pfad der technischen Systeme.<br />
Hughes beschreibt dieses Phänomen mit „reverse salients“ *) . Dieses s<strong>in</strong>d technische oder<br />
organisatorische Anomalien, die aus der ungleichen Ausarbeitung oder Weiterentwicklung e<strong>in</strong>es<br />
technischen Systems entstehen. Fortschritte an der e<strong>in</strong>en Front stehen Rückschläge an anderer<br />
Stelle gegenüber. Energieversorgungsunternehmen haben <strong>in</strong> langer Tradition gelernt, welche<br />
Faktoren den weiteren Fortschritt blockieren und mit welchen Mitteln das Problem zu lösen ist.<br />
Mit dieser Kompetenz treiben sie die technische Weiterentwicklung und das Wachstum des<br />
technischen Systems **)<br />
Neben „reverse salients“ bee<strong>in</strong>flusst nach Hughes auch der Nutzungsgrad (= tatsächlicher<br />
Output e<strong>in</strong>es Systems im Verhältnis zum maximal möglichen Output während e<strong>in</strong>er Zeitperiode)<br />
die Entwicklung <strong>von</strong> grossen technischen Systemen. Hersteller und Betreiber <strong>von</strong> Systemen<br />
s<strong>in</strong>d dadurch getrieben, den Nutzungsgrad und damit die Wirtschaftlichkeit der Anlagen<br />
permanent zu verbessern. Dies ist e<strong>in</strong> Treiber <strong>von</strong> kapital<strong>in</strong>tensiven technischen Systemen <strong>in</strong><br />
kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen. Letztlich führt dieses Konzept zurück<br />
zum technischen Kern. Ausserdem lassen sich andere Konzepte wie „economies of scale“ und<br />
Motive wie das Bestreben nach persönlicher Macht und organisatorischem Aufstieg letztlich<br />
dah<strong>in</strong>ter verstecken.<br />
Während reverse salients und Nutzungsgrad die <strong>in</strong>terne Dynamik bestimmen und so die<br />
Entwicklung <strong>von</strong> grossen technischen Systemen bee<strong>in</strong>flussen, bezeichnet Hughes mit<br />
Momentum e<strong>in</strong>en externen Erfolgsfaktor. Das „Momentum“ gibt grossen technischen Systemen<br />
ihre Autonomie und determ<strong>in</strong>istische Kraft. Es ist abhängig <strong>von</strong> der Grösse der technischen<br />
Lösung, der Anzahl und dem E<strong>in</strong>fluss derjenigen, die Bestandteil dieses Systems s<strong>in</strong>d, und wie<br />
die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen <strong>in</strong> diesem System gelagert<br />
s<strong>in</strong>d. Damit wird die Entwicklung der eigentlichen Technologie zu e<strong>in</strong>em zweitrangigen Problem<br />
bzw. kann als reaktiv h<strong>in</strong>sichtlich der jeweiligen Umfeldbed<strong>in</strong>gungen bezeichnet werden. Mit<br />
dem Faktor Momentum kann auch erklärt werden, warum es alles andere als e<strong>in</strong>e ausgemachte<br />
Sache ist, dass die beste Technologie siegreich se<strong>in</strong> wird.<br />
*) Reverse salients ist e<strong>in</strong> Ausdruck, der se<strong>in</strong>en Ursprung <strong>in</strong> der militärischen Kriegsführung<br />
hat. Er bezeichnet e<strong>in</strong>e Situation, bei der der Fe<strong>in</strong>d durch widerspenstiges Verhalten weiteres<br />
Vorrücken an der Front verh<strong>in</strong>dert. Um diese Situation zu lösen und e<strong>in</strong>en Fortschritt zu<br />
erzielen, werden Ressourcen <strong>in</strong>tern umdisponiert<br />
**) Hierdurch wird im Übrigen auch erklärt, wie es zu ähnlichen technischen Lösungen an verschiedenen<br />
Orten kommt, wenn erst e<strong>in</strong>mal das zugrunde liegende Problem identifiziert und<br />
verstanden wurde. Beispiel: gleichzeitige Erf<strong>in</strong>dung der Glühbirne durch Swan und Edison.
Pfad fort zu setzen und die Verbreitung ihrer technischen Lösung weiter<br />
voranzutreiben. Diese Kernkompetenzen werden selbst mit zunehmender<br />
Liberalisierung weiter entwickelt. Frankenberger (2006) zeigt, dass die Strategie <strong>von</strong><br />
E.ON immer noch sehr stark durch regulatorische Kräfte bee<strong>in</strong>flusst wird.<br />
Engelhardt (2005) befragte die Führungskräfte deutscher Energiekonzerne zu ihren<br />
politischen Aktivitäten. Dabei kommt er u.a. zu dem Schluss, dass mehr als die<br />
Hälfte der Befragten politische Strategien für m<strong>in</strong>destens gleich bedeutend erachten<br />
wie Marktstrategien. „W<strong>in</strong>dow on technology“ sche<strong>in</strong>t gemessen an „W<strong>in</strong>dow on<br />
regulation“ <strong>von</strong> untergeordneter Bedeutung zu se<strong>in</strong> (b/30).<br />
Die Ausführungen <strong>von</strong> Hughes zeigen ausserdem, dass e<strong>in</strong> Erfolgsfaktor <strong>in</strong> der<br />
Vergangenheit dar<strong>in</strong> bestand, die bestehenden Anlagen weiter auszubauen, zu<br />
perfektionieren und effizienter zu machen. Höchste Effizienz sollte vor allem durch<br />
Grösse („economies of scale“) erreicht werden. Im Zentrum der Geschäftsaktivitäten<br />
<strong>von</strong> VEBA/E.ON befand sich immer die Stromversorgung. Die operativen Gesellschaften<br />
wurden traditionell durch Kraftwerks<strong>in</strong>genieure geführt. Denken und<br />
Interpretationsschemen grosser Teile der Führungskräfte s<strong>in</strong>d damit stark bee<strong>in</strong>flusst<br />
durch die Glaubensgrundsätze der Kraftwerks<strong>in</strong>genieure. Edgar Sche<strong>in</strong> hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Analyse des Unternehmens DEC (2003) den E<strong>in</strong>fluss <strong>von</strong> Ingenieuren auf die<br />
Unternehmenskultur sehr anschaulich beschrieben:<br />
„Electrical eng<strong>in</strong>eers are pragmatic t<strong>in</strong>kerers. One can try different k<strong>in</strong>ds of circuits<br />
and see what works. If th<strong>in</strong>gs work on a small scale, they can be scaled up and will<br />
still work … if the experiments work on a small scale, they can become full-scale<br />
products. An important tacit assumption of the eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g culture is that elegance<br />
of solution is always preferable to mere practicality. If one has an elegant product<br />
that really works, it is assumed that this product will sell itself”.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund überrascht es nicht, dass die zentralen<br />
Energieversorgungsanlagen als ausgereift, technisch überlegen, effizienter und<br />
zuverlässiger angesehen werden als die durch die CVC-Gesellschaft geförderten<br />
dezentralen Konzepte. Zu e<strong>in</strong>er Diskussion, ob die neuen, dezentralen Anlagen<br />
substitutiven oder komplementären Charakter haben, kam es erst gar nicht, weil der<br />
grundsätzliche Zugang zum Interpretationsschema dieser, <strong>in</strong> traditionellen Erfolgsfaktoren<br />
und <strong>in</strong> grossen Systemen denkenden Führungskräfte fehlte. Für sie stand es<br />
203
ausser Frage, dass der richtige zukünftige Pfad dar<strong>in</strong> besteht, e<strong>in</strong>e zuverlässige und<br />
erprobte Technologie weiter zu entwickeln. Gerade ältere, operative tätige Führungskräfte<br />
s<strong>in</strong>d geprägt <strong>von</strong> dieser Grunde<strong>in</strong>stellung. Bei der Diskussion darüber, wie<br />
gross (technische) Systeme idealerweise se<strong>in</strong> sollten, entbrennt fast schon e<strong>in</strong><br />
ideologischer Streit. Während „th<strong>in</strong>k big!“ die geistige Grundhaltung der (Gross-)<br />
Kraftwerks<strong>in</strong>genieure beschreibt, charakterisiert „small is beautiful“ die Haltung der<br />
Anhänger dezentraler Energieerzeugungskonzepte. Letztere behaupten, dass <strong>in</strong>folge<br />
grosser technologischer Fortschritte sich neuerd<strong>in</strong>gs auch kle<strong>in</strong>e Anlagen wirtschaftlich<br />
betreiben lassen. Sogenannte „Kraft-Wärme-Koppelungs-Anlagen“ werden<br />
sogar h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Effizienz als gegenüber Grosskraftwerken überlegen<br />
betrachtet. Diese Informationen werden <strong>von</strong> traditionellen Kraftwerks<strong>in</strong>genieuren<br />
ausgeblendet, weil sie fundamentale Prämissen ihres Interpretationsschemas <strong>in</strong><br />
Frage stellen würden (y/30). Es ist daher schwer, auf dieses Bewertungsschema<br />
E<strong>in</strong>fluss zu nehmen; vor allem für e<strong>in</strong>e CVC-Gesellschaft, die neu ist und noch<br />
ke<strong>in</strong>erlei Legitimation erworben hat.<br />
Als <strong>in</strong> hohem Masse unternehmens<strong>in</strong>tern legitimiert h<strong>in</strong>gegen gelten die aus den<br />
traditionellen Erfolgsfaktoren entwickelten Rout<strong>in</strong>en. Diese werden konsequent<br />
weiterentwickelt. Alte Muster und Erfahrungen aus der Vergangenheit werden so<br />
„konserviert“. Personen und Strukturen bestärken sich im Unternehmenssystem<br />
gegenseitig (<strong>in</strong> Abb. 30 ausgedrückt durch die blau h<strong>in</strong>terlegten Beziehungen). Die<br />
Organisationsstruktur ist dadurch geprägt, die bestehenden technischen Lösungen<br />
weiterzuentwickeln und zu optimieren. Insgesamt überwiegen bürokratische<br />
Strukturen, da die Überzeugung vorherrscht, dass mit Arbeitsteilung und<br />
Massenproduktion die höchste Effizienz erreichbar ist. Die bisherige Beherrschbarkeit<br />
e<strong>in</strong>es <strong>von</strong> hoher Stabilität geprägten Umfeldes hat dazu geführt, dass<br />
Flexibilitäten nur begrenzt notwendig waren. Gegen diese bewahrenden Kräfte<br />
anzutreten, zudem noch ohne expliziten strategischen Auftrag, ist e<strong>in</strong> schwieriges,<br />
wenn nicht sogar unmögliches Unterfangen (d/30).<br />
Die allgeme<strong>in</strong>e Verhaftung <strong>von</strong> etablierten EVU mit traditionellen Werten und<br />
Erfolgsfaktoren dürfte im Fall VEBA/E.ON besonders stark ausgeprägt se<strong>in</strong>. Der<br />
Konzern hat se<strong>in</strong>e Wurzeln <strong>in</strong> der preussischen Staatsverwaltung. Damit ist die<br />
Unternehmenskultur auch geprägt durch Werte, die als „Preussische Tugenden“<br />
bezeichnet werden; etwa exemplarisch Geradl<strong>in</strong>igkeit, Pflichtbewusstse<strong>in</strong>, Fleiss,<br />
204
Ordnungss<strong>in</strong>n, Zuverlässigkeit, Treue. Diese Werte entfalten e<strong>in</strong>e zweifache<br />
Wirkung. Erstens erschweren sie Veränderungsversuche der Organisation allgeme<strong>in</strong>,<br />
da loyales Verhalten sowie die Weiterverfolgung des e<strong>in</strong>geschlagenen Pfades<br />
besonders stark belohnt wird und e<strong>in</strong> kritisches H<strong>in</strong>terfragen des bisher Erreichten<br />
als eher unerwünscht, wenn nicht sogar illoyal gilt. Zum zweiten zeigen diese Werte<br />
<strong>in</strong> besonderem Masse die Inkompatibilität mit wesentlichen Grundpr<strong>in</strong>zipien der<br />
Arbeit der CVC-Gesellschaft. Ständiges In-Frage-Stellen <strong>von</strong> Basisprämissen der<br />
f<strong>in</strong>anzierten Geschäftskonzepte und e<strong>in</strong> hohes Mass an Flexibilität („trial and error“)<br />
stehen im Gegensatz zum allgeme<strong>in</strong>en Managementstil <strong>von</strong> E.ON (Tab. 4). Den<br />
Erwartungen entsprechen würde eher e<strong>in</strong> Verhalten, bei dem durch Fleiss, tiefe<br />
Analyse e<strong>in</strong> Problem systematisch und gut durchdrungen wird, die vorgeschlagene<br />
Lösung durch harte Daten und Fakten „abgesichert“ ist und der auf dieser Basis<br />
entwickelte Plan konsequent e<strong>in</strong>gehalten und diszipl<strong>in</strong>iert umgesetzt wird (e/30).<br />
Die Tatsache, dass <strong>von</strong> Seiten e<strong>in</strong>es Vorstandsmitglieds mehrfach die Erwartung<br />
gegenüber dem Management der CVC-E<strong>in</strong>heit zum Ausdruck gebracht wurde, dass<br />
nach se<strong>in</strong>em Verständnis nicht nur die übergeordnete Portfolio-Rendite zufriedenstellend,<br />
sondern auch jedes e<strong>in</strong>zelne Investment erfolgreich se<strong>in</strong> müsse, unterstreicht<br />
die starke Verhaftung <strong>von</strong> Führungskräften mit traditionellen Werten und<br />
Glaubensmuster bzw. die Stärke des existierenden Kontextes. Dass diese Forderung<br />
mit der Idee <strong>von</strong> VC nicht vere<strong>in</strong>bar ist, wurde zwar <strong>von</strong>seiten des CVC-Managements<br />
ebenso häufig vorgebracht, aber nicht ver<strong>in</strong>nerlicht respektive akzeptiert.<br />
Der Bestand und die Überzeugung <strong>von</strong> der Gültigkeit der alten „Spielregeln“ wird<br />
auch durch die Struktur des organisatorischen Feldes gestärkt. Im hier vorliegenden<br />
Fall prägen wenige Unternehmen dieses organisatorische Feld. Diese verhalten sich<br />
<strong>in</strong> höchstem Masse isomorph und sorgen damit für e<strong>in</strong>e hohe Stabilität des Systems<br />
(j/30). Gerade die Energiebranche ist durch e<strong>in</strong> hohes Mass an gleichgerichtetem<br />
Verhalten und Ähnlichkeiten h<strong>in</strong>sichtlich Strukturen, Abläufen und teilweise auch<br />
Strategien gekennzeichnet. So verfolgten RWE und E.ON trotz aller Rivalität im<br />
Kerngeschäft e<strong>in</strong>e ähnliche, teilweise sogar geme<strong>in</strong>same Diversifikationsstrategie <strong>in</strong><br />
die Telekommunikation. E<strong>in</strong> weiteres Beispiel für ähnliche Verhaltensmuster ist<br />
deren Strategie für den Unternehmensbereich Öl. Kurz nachdem RWE z.B. se<strong>in</strong> DEA-<br />
Tankstellennetz an den Shell-Konzern veräussert hatte, verkaufte E.ON diese Bereiche<br />
an den BP-Konzern. Es wurde <strong>in</strong> Kapitel 4.4. gezeigt, dass Änderungen e<strong>in</strong>es so<br />
205
geprägten organisatorischen Feldes sehr unwahrsche<strong>in</strong>lich s<strong>in</strong>d. E.ON bzw. die<br />
Vorgängergesellschaft VEBA ist nicht nur e<strong>in</strong> Teil dieses organisatorischen Feldes,<br />
sondern bef<strong>in</strong>det sich aufgrund se<strong>in</strong>er hohen Marktstellung im Mittelpunkt. Aus<br />
e<strong>in</strong>er makroökonomischen Perspektive wird damit e<strong>in</strong> weiteres Argument geliefert,<br />
warum Veränderungen im Fall E.ON besonders unwahrsche<strong>in</strong>lich s<strong>in</strong>d. Sollte jedoch<br />
e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Verhaltensanpassung anpassen, etwa weil die Eigenschaften dezentraler<br />
Anlagen die grundsätzliche Annahme erschüttern, dass Grösse immer besser bzw.<br />
effizienter ist, dann wird diese Änderung umso heftiger se<strong>in</strong> (4.4.2.2.).<br />
Im Fall E.ON erschweren zudem e<strong>in</strong>ige „bl<strong>in</strong>de Flecken“, resultierend aus<br />
schlechten Erfahrungen <strong>in</strong> der Vergangenheit, die sachliche und unvore<strong>in</strong>genommene<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung mit anderen Technologien bzw. Geschäften zusätzlich<br />
(a,b/30). Die Ablehnung e<strong>in</strong>es durch die CVC-Führung vorgeschlagenen Investments<br />
im Bereich Solarenergie im Oktober 2003 wurde auch dadurch begründet, dass E.ON<br />
erheblichen Abschreibungsbedarf und auch teilweise Imageverlust im<br />
Zusammenhang mit dem Ausstieg aus der Solarzellenfertigung, e<strong>in</strong>em bedeutenden,<br />
geme<strong>in</strong>sam mit Siemens und Shell getätigten Engagement, verkraften musste. E<strong>in</strong>e<br />
Facette <strong>in</strong> der Argumentation gegen das vorgesehene Investment war, dass es weder<br />
<strong>in</strong>tern noch extern verstanden werden würde, schon kurz nach dem Misserfolg<br />
dieses Engagements erneut Investitionen <strong>in</strong> die Solartechnologie vorzunehmen.<br />
Ebenso beendet wurden die Powerl<strong>in</strong>e-Aktivitäten des Konzerns. Damit wurde<br />
erneut e<strong>in</strong> Investment <strong>in</strong> „Zukunftstechnologien“ zum Misserfolg. Diese Erfahrung<br />
prägte auch die Möglichkeiten der Wahrnehmung neuer Investitionschancen durch<br />
die CVC-Gesellschaft.<br />
Zusammenfassend sollten die Ausführungen zeigen, welches Interpretationsschema<br />
sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten EVU wie E.ON über viele Jahre herausgebildet hat und dass<br />
dieses nicht kompatibel mit dem der CVC-E<strong>in</strong>heit ist. Die Unterschiede zu den durch<br />
die CVC-Gesellschaft vertretenen Werten s<strong>in</strong>d so gross, dass es dem Konzern<br />
schwerfällt, hierfür Verständnis aufzubr<strong>in</strong>gen oder diese gar <strong>in</strong> das vorhandene<br />
Interpretationsschema zu <strong>in</strong>tegrieren. Erschwerend kommen „bl<strong>in</strong>de Flecken“ aus<br />
der Vergangenheit h<strong>in</strong>zu <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> schlechten Erfahrungen mit als ähnlich<br />
empfundenen Kontexten. All dies wirkte irritierend oder gar bedrohend auf viele<br />
Führungskräfte des etablierten Konzerns.<br />
206
Inkompatibilität mit dem Status quo: Furcht vor Kannibalisierung des Stammgeschäftes<br />
Während eben der Fokus auf historischen Begründungen für bestimmte, CVC<br />
erschwerende Grunde<strong>in</strong>stellungen lag, soll nun der Blickw<strong>in</strong>kel auf<br />
Verhaltensweisen gelenkt werden, die alle<strong>in</strong>e aus dem Status-quo des Unternehmens<br />
erklärt werden können52 . Negative Rückkoppelungen können der CVC-Gesellschaft<br />
oder der durch sie f<strong>in</strong>anzierten Energie<strong>in</strong>novationen entgegen gebracht werden, weil<br />
Interessenskonflikte wahrgenommen werden; etwa wenn e<strong>in</strong> – evtl. noch über die<br />
eigene CVC-Gesellschaft f<strong>in</strong>anziertes - <strong>Venture</strong>-Unternehmen auf e<strong>in</strong>en Markt zielt,<br />
den das etablierte Unternehmen schon bedient (z,q,r/30). Dies war im<br />
Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er Investmententscheidung (Investment Nr. 3) deutlich zu<br />
spüren. Der Widerstand gegen diese Investition war weitaus grösser als gegen e<strong>in</strong>e<br />
Investition <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Start-up-Unternehmen, das nur am Rande der E.ON Aktivitäten<br />
anzusiedeln war. 53 Das Kannibalisierungsargument wurde oft bedient, um<br />
Investitionsvorschläge der CVC-E<strong>in</strong>heit abzulehnen. Die h<strong>in</strong>ter diesem Argument<br />
stehenden Inkompatibilitäten und E<strong>in</strong>flüsse auf das Wahrnehmungsschema im<br />
Konzern sollen daher e<strong>in</strong>gehend analysiert werden.<br />
Die theoretischen Wurzeln der (Produkt-) Kannibalisierung liegen <strong>in</strong> der Kreuz-<br />
Elastizität der Nachfrage. Hiernach wird die Preisänderung des nachgefragten<br />
Produktes A durch die prozentuale Änderung des Preises <strong>von</strong> Produkt B bee<strong>in</strong>flusst<br />
(Ker<strong>in</strong>/Harvey/Rothe, 1978, S. 25). Wenn die Nachfrageabhängigkeiten der zwei<br />
Produkte substitutiv s<strong>in</strong>d, spricht man <strong>von</strong> möglichen „Kannibalisierungseffekten“.<br />
Durch die Senkung des Preises für Produkt A wird die Nachfrage nach Produkt B<br />
bee<strong>in</strong>trächtigt. Ähnliche Effekte werden nicht nur auf Ebene e<strong>in</strong>zelner Produkte,<br />
sondern ganzer Technologien diskutiert.<br />
52 Begründungen auf Basis historischer Entwicklungen e<strong>in</strong>erseits und mit dem Status quo auf der<br />
anderen Seiten lassen sich <strong>in</strong>des nicht völlig isolieren, da der Status quo aus <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
getroffenen (Investitions-) Entscheidungen resultiert.<br />
53 Der Widerstand des Teilkonzerns gegen Folge<strong>in</strong>vestition Nr. 3 war grösser als gegen die zeitgleich<br />
stattf<strong>in</strong>dende Folge<strong>in</strong>vestition Nr. 2, obwohl sich im ersten Fall das Unternehmen gut entwickelt und<br />
wichtige Meilenste<strong>in</strong>e erfolgreich genommen hat sowie die Unternehmensbewertung erheblich<br />
gesteigert werden konnte. Im zweiten Fall g<strong>in</strong>g dem Folge<strong>in</strong>vestment e<strong>in</strong>e Restrukturierung mit<br />
Teilabschreibung voraus. Allerd<strong>in</strong>gs zielte das Unternehmen alle<strong>in</strong> auf den US-amerikanischen Markt.<br />
207
H<strong>in</strong>ter dem „Kannibalisierungsargument“ verbergen sich meist zwei<br />
unterschiedliche Motive:<br />
208<br />
1. E<strong>in</strong> sachlich-rationales Motiv, bei der es <strong>in</strong> der Tat um E<strong>in</strong>bussen für das<br />
traditionelle Geschäft durch die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> des neuen Produktes geht,<br />
2. e<strong>in</strong> nicht mehr sachlich zu erklärendes Motiv, bei dem das Argument der<br />
Kannibalisierung <strong>in</strong> bestimmten Situationen als Vorwand für emotionale<br />
Ängste benutzt wird.<br />
Sachlich-rationale Motive s<strong>in</strong>d dadurch getrieben, dass E.ON wie die meisten<br />
Unternehmen danach strebt, die derzeitige Wettbewerbsposition zu erhalten oder zu<br />
verbessern, um damit künftige Gew<strong>in</strong>ne zu maximieren (Kogut, 1988). Ausgangssituation<br />
und Optimierungskalkül s<strong>in</strong>d verglichen mit e<strong>in</strong>em Start-up Unternehmen<br />
sehr unterschiedlich. Während das junge Unternehmen „auf der grünen Wiese“<br />
startet, noch ke<strong>in</strong>e Marktposition errungen und zu verteidigen hat und sich nur<br />
wenigen Randbed<strong>in</strong>gungen für die Optimierung <strong>von</strong> Unternehmenswert respektive<br />
Gew<strong>in</strong>n ausgesetzt sieht, hat E.ON bereits umfangreiche Investitionen <strong>in</strong> Anlagen<br />
zur Energieerzeugung getätigt. Aus der damit errungenen Marktposition resultiert<br />
e<strong>in</strong> Umsatz- und Gew<strong>in</strong>nstrom. Die gew<strong>in</strong>nmaximale Strategie <strong>von</strong> E.ON hat die<br />
bisher <strong>in</strong>vestierten Mittel <strong>in</strong> der Art zu berücksichtigen, dass Änderungen des bisher<br />
generierten E<strong>in</strong>kommensstromes, etwa durch neue, saubere/dezentrale<br />
Energieerzeugungstechnologien, <strong>in</strong> das Entscheidungskalkül e<strong>in</strong>zubeziehen s<strong>in</strong>d.<br />
Kannibalisierungseffekte können dann auftreten, wenn die neue Technologie<br />
tatsächlich ganz oder <strong>in</strong> Teilen die konventionelle Produktlösung substituiert und<br />
dadurch der konventionelle Energieerzeugungspark wirtschaftlich entwertet würde.<br />
Nicht zuletzt mit dieser Argumentation wurde auch die ablehnende Haltung zu<br />
Folge<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> Unternehmen Nr. 3 begründet.<br />
Es ist auch herrschende Me<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> der Literatur, dass führende Unternehmen<br />
aufgrund des negativen Effektes auf die bestehenden Assets grundsätzlich weniger<br />
Anreize besitzen, <strong>in</strong> neue, „next-generation“ Produkte zu <strong>in</strong>vestieren bzw. diese<br />
aktiv zu fördern (Re<strong>in</strong>ganum, 1983, 1985; Kamien/Schwartz, 1978). Conner leitet auf<br />
Basis e<strong>in</strong>es quantitativen Modells her, dass die optimale Strategie e<strong>in</strong>es führenden<br />
Unternehmens dar<strong>in</strong> besteht, mehr als se<strong>in</strong>e Wettbewerber <strong>in</strong> die neue Technologie<br />
zu <strong>in</strong>vestieren, dann aber mit der Produkte<strong>in</strong>führung so lange zu warten, bis e<strong>in</strong>
Konkurrenzprodukt auf den Markt kommt (Conner, 1988). Ghemawat beschreibt<br />
anhand e<strong>in</strong>es mathematischen Modells, unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen Marktführer<br />
idealerweise e<strong>in</strong>e Produkte<strong>in</strong>führung verzögern. Er kommt zu dem Ergebnis, dass je<br />
stärker die <strong>in</strong> Frage stehende Innovation die Wettbewerbspositionen auf dem Markt<br />
verändern, desto grösser die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit ist, dass die Innovation durch die<br />
Marktführer verzögert wird (Ghemawat, 1991). Auch Hellmann zeigt auf Basis e<strong>in</strong>es<br />
quantitativen Modells, dass <strong>in</strong> der Tat Interessenskonflikte zwischen e<strong>in</strong>em<br />
etablierten Unternehmen und e<strong>in</strong>em jungen Unternehmen, das etwa e<strong>in</strong>e neuartige<br />
Technologie auf den Markt br<strong>in</strong>gen möchte, bestehen können, wenn die Technologie<br />
des Start-up Unternehmens substituierenden Charakter hat (Hellmann, 2002). Er<br />
empfiehlt aufgrund <strong>von</strong> schwer lösbaren Interessenskonflikten für die<br />
kapitalsuchenden Unternehmen, unter bestimmten Umständen e<strong>in</strong>e Kooperation mit<br />
e<strong>in</strong>er unabhängigen VC-Gesellschaft (zum<strong>in</strong>dest als Lead-Investor) anzustreben.<br />
Je ger<strong>in</strong>ger die Bereitschaft des Grossunternehmens zur Kannibalisierung des<br />
bestehenden Geschäftes ausgeprägt ist, desto höher ist das Konfliktpotential<br />
(Chandy/Tellis, 1988). In welchem Masse das Unternehmen bereit ist, den derzeitigen<br />
oder potenziellen Wert se<strong>in</strong>er getätigten Investitionen <strong>in</strong> Frage zu stellen, hängt <strong>von</strong><br />
der Höhe der möglicherweise zur Disposition stehenden Investitionen, <strong>von</strong><br />
haus<strong>in</strong>ternen Wettbewerbsmechanismen und vom Vorhandense<strong>in</strong> <strong>von</strong> Personen <strong>in</strong><br />
führenden Positionen ab, die neue, unkonventionelle Lösungen propagieren<br />
(Chandy/Tellis, 1998, S. 477f.). Diese Voraussetzungen lassen im Fall E.ON auf e<strong>in</strong>e<br />
sehr ger<strong>in</strong>ge Neigung schliessen, e<strong>in</strong>e Kannibalisierung ihrer bestehenden<br />
Investitionen zu dulden. Stattdessen wendet E.ON – so wie viele andere traditionelle<br />
EVU - zur Absicherung der bestehenden Technologien „ökologische<br />
Marktabsicherungsstrategien“ an. Das Unternehmen versucht, auf die politische und<br />
öffentliche Me<strong>in</strong>ungsbildung e<strong>in</strong>zuwirken, um so den ökologischen<br />
Transformationsprozess (hier <strong>in</strong>sbesondere Förderung dezentraler, auf alternativen<br />
Energiequellen basierende Energieerzeugungsanlagen) zu verlangsamen,<br />
aufzuhalten bzw. <strong>in</strong> die mit bestehenden Interessen am ehesten vertretbare Richtung<br />
zu lenken (Dyllick/Belz/Schneidew<strong>in</strong>d 1997, S. 81).<br />
Die nicht mehr sachlich zu erklärende Motive h<strong>in</strong>ter dem Kannibalisierungsargument<br />
betreffen <strong>in</strong>nere Widerstände und Ängste, sich mental <strong>von</strong> alten Entscheidungen<br />
oder ihrem bisherigen Interpretationsmodell zu lösen. Führungskräfte iden-<br />
209
tifizieren sich durch ihre Aufgabe im Unternehmen und auch persönlich so stark mit<br />
den bisherigen Investments, dass suboptimale oder gar irrationale Entscheidungen<br />
die Folge se<strong>in</strong> können (Chandy/Tellis, 1998). Sie führen unter bestimmten Umständen<br />
altbekannte Handlungsweisen fort, auch wenn diese irrational s<strong>in</strong>d und werden<br />
bei ihren Zukunftsentscheidungen dadurch bee<strong>in</strong>flusst, welche Ausgaben sie bereits<br />
getätigt haben, auch wenn diese eigentlich nicht <strong>in</strong> das Entscheidungskalkül e<strong>in</strong>gehen<br />
sollten („sunk costs fallacy“). Dieser Sachverhalt wurde durch Forschung <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Diszipl<strong>in</strong>en aufgegriffen. Psychologen begründen dieses Phänomen des<br />
pathologischen Verhaltens erstens mit „secondary ga<strong>in</strong>s“, also Gew<strong>in</strong>nen an anderer<br />
Stelle, etwa <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Anerkennung oder anderer Formen der Belohnung. Oder<br />
die grundlegende Motivation zur Verhaltensänderung fehlt deswegen, weil das Lernen<br />
e<strong>in</strong>es neuen Verhaltens (zu) schwierig ersche<strong>in</strong>t oder Ängste auslöst. „Manchmal<br />
leben die Menschen mit ihren Konflikten und Pathologien, weil es zu teuer ist, diese<br />
aufzugeben“ (Sche<strong>in</strong>, 2003a, S. 24). In ähnlicher Weise kann e<strong>in</strong>e reife Organisation<br />
mit e<strong>in</strong>er starken Kultur wohl sehr gut wahrnehmen, was geändert werden sollte,<br />
aber dennoch kommt ke<strong>in</strong>e Verhaltensänderung zustande, weil die Motivation, der<br />
Wille und/oder die Fähigkeiten fehlen, zwischen Alternativen abzuwägen. Diese<br />
Ausführungen führen direkt auf die theoretischen Ausführungen <strong>in</strong> Kapitel 4<br />
zurück. Es wurde gezeigt, dass Unternehmen oftmals nicht <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, ihre traditionellen<br />
Handlungsweisen abzustreifen, wenn es darum geht, auf geänderte Umweltbed<strong>in</strong>gungen<br />
zu reagieren. Die bestehenden gebundenen Ressourcen und Verhaltensweisen<br />
schränken also die Fähigkeit des Unternehmens <strong>in</strong> der Zukunft e<strong>in</strong>,<br />
neue Lösungen objektiv zu evaluieren und umzusetzen. Dies heisst mit anderen<br />
Worten: Führungskräfte bzw. Unternehmen können gar nicht offen für neue<br />
Lösungen se<strong>in</strong>, selbst wenn sie es wollten. Erschwerend kommt h<strong>in</strong>zu, dass oft das<br />
operative Management Informationen im Vorfeld so filtert, dass die bereits getätigten<br />
Investitionen bestätigt und nicht etwa <strong>in</strong> Frage gestellt werden (Brockner/Rub<strong>in</strong>,<br />
1985). Fühlen sich Entscheidungsträger durch e<strong>in</strong>e neue Technologie, etwa angeboten<br />
durch e<strong>in</strong> Start-up Unternehmens, bedroht, konnte Gilbert zeigen, dass diese<br />
zunehmend starr reagieren, d.h. noch stärker auf den bisher e<strong>in</strong>geschlagenen Pfad<br />
setzen (Gilbert, o.J. (1)). Ursprüngliche Antwort- und Verhaltensmuster werden nicht<br />
geändert. Die Top-Entscheider konzentrieren sich auf das, was sie am besten können<br />
und replizieren bekannte Verhaltensweisen54 . Die Diskussion der nicht mehr sachlich<br />
54<br />
Auf diese Zusammenhänge wird im Kapitel 7.2.1.2. im Kontext der Diskussion über das richtige<br />
Tim<strong>in</strong>g <strong>von</strong> CVC-Aktivitäten noch vertiefter e<strong>in</strong>gegangen.<br />
210
zu begründenden Motive h<strong>in</strong>ter dem Kannibalisierungsargument zeigt, dass auch<br />
dann, wenn Begründungen <strong>von</strong> Verhaltensweisen aus dem derzeitigen Status quo<br />
gesucht werden, doch letztlich vergangene Erfahrungen oder Ereignisse des<br />
Unternehmens oder Führungskraft se<strong>in</strong> Verhalten prägen.<br />
Fazit<br />
Mithilfe e<strong>in</strong>es historischen Exkurses sollten <strong>in</strong> der Vergangenheit begründete<br />
Verhaltensweisen <strong>von</strong> etablierten Unternehmen und grosser Teile se<strong>in</strong>er<br />
Führungskräfte erklärt werden. Es hat sich gezeigt, dass CVC und Konzern nicht nur<br />
<strong>von</strong> unterschiedlichen Basisprämissen <strong>in</strong> der Steuerung ihrer Geschäfte i.e.S. (Tab.<br />
4) ausgehen, sondern auch bei Entscheidungen – etwa zu Investitionsvorlagen –<br />
grundlegend verschiedene Annahmen über Erfolgsfaktoren des Energiegeschäftes<br />
allgeme<strong>in</strong> und i.w.S. zu Grunde legen (Tab. 5) Beide Abbildungen verdeutlichen<br />
Tab. 5: Unterschiedliche Managementphilosophien (Teil II):<br />
Schwierigkeiten des Konzerns mit den Geschäfts<strong>in</strong>halten CVC<br />
Erfolgsfaktor<br />
der Branche<br />
Technische<br />
Lösung der<br />
Zukunft<br />
Optimierungskalkül<br />
Wettbewerbsstrategie<br />
Konzern<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Management des<br />
<strong>in</strong>stitutionellen Umfeldes<br />
(Regulierung)<br />
Perfektionierung/Effizienzerhöhung<br />
Grosskraftwerke<br />
(„economies-of-scale“)<br />
Berücksichtigung getätigter<br />
Investitionen/Verh<strong>in</strong>derung<br />
Kannibalisierung<br />
Marktabsicherungsstrategie<br />
CVC-E<strong>in</strong>heit /<br />
Start-up-Unternehmen<br />
Technologische<br />
Überlegenheit<br />
(Wettbewerb)<br />
Neue, dezentrale Anlagen<br />
zu Energieerzeugung/KWK<br />
Energieeffizienz<br />
„Grüne-Wiese-Ansatz“<br />
ohne limitierende<br />
Randbed<strong>in</strong>gungen<br />
Differenzierungsstrategie<br />
211
starke Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich der Werte bzw. Kontexte zwischen Konzern und<br />
CVC-Gesellschaft. Die Inkompatibilitäten h<strong>in</strong>sichtlich der Managementphilosophie<br />
dürften <strong>in</strong>des vom Konzern als weniger dramatisch erachtet worden se<strong>in</strong> als jene<br />
h<strong>in</strong>sichtlich grundlegender Erfolgsfaktoren des Geschäfts. Zusammen mit der bereits<br />
mehrfach erwähnten Neigung <strong>von</strong> Unternehmen, ihr Kerngeschäft besonders zu<br />
verteidigen (Thompson, 1967, 2003), ist anzunehmen, dass Führungskräfte des<br />
Konzerns e<strong>in</strong>e besonders grosse Abwehrhaltung gegenüber den neuen, nicht zuletzt<br />
auch durch die CVC-Gesellschaft vertretenen Werten und Grundprämissen<br />
entwickelt haben. Die neue CVC-Gesellschaft sowie die durch sie f<strong>in</strong>anzierten Startup-Unternehmen<br />
besitzen e<strong>in</strong> – verglichen mit dem traditionellen Konzern – völlig<br />
anderes Optimierungskalkül: Der Markterfolg soll nicht durch e<strong>in</strong> geschicktes<br />
Management des <strong>in</strong>stitutionellen Umfeldes, sondern durch Beweis der<br />
technologischen Überlegenheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wettbewerbsumfeld gewährleistet werden.<br />
Es soll demonstriert werden, dass kle<strong>in</strong>e, dezentrale Anlagen e<strong>in</strong>ige spezifische<br />
Vorzüge besitzen und durchaus mit Grosskraftwerken konkurrieren können. Und<br />
sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage, ihren Geschäftsansatz mit voller Kraft und ohne limitierende<br />
Randbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> bereits getätigten Investitionen umzusetzen.<br />
Mit zunehmender Vernetzung der CVC-Gesellschaft im Konzern haben e<strong>in</strong>erseits<br />
mehr Führungskräfte die dargestellten Inkompatibilitäten wahrgenommen und diese<br />
als unvere<strong>in</strong>bar mit dem bisherigen Interpretationsschema klassifiziert. Indem sich<br />
diese Wahrnehmungen nicht mehr nur auf die Spezifika des CVC-Geschäfts<br />
bezogen, sondern sich im Zuge der Diskussion konkreter Investitionsvorlagen auf<br />
elementare Grundprämissen des Energiegeschäftes ausweiteten, wurden die<br />
gefühlten Differenzen und – hierdurch ausgelöst – auch die Neigung, ihr<br />
Kerngeschäft verteidigen zu müssen, immer stärker wahrgenommen.<br />
Diese Entwicklung begünstigte noch e<strong>in</strong> weiterer Umstand, der im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> als<br />
schwerer handwerklicher Fehler bewertet werden muss: Um der neuen CVC-E<strong>in</strong>heit<br />
Profil zu geben, wurden sowohl <strong>von</strong> der CVC-E<strong>in</strong>heit als auch auf Seiten des<br />
Konzerns <strong>von</strong> Anfang an die sie <strong>von</strong> anderen Konzerne<strong>in</strong>heiten unterscheidenden<br />
Merkmale betont. Die Betonung <strong>von</strong> Unterschieden erschwerte den Aufbau e<strong>in</strong>er<br />
geme<strong>in</strong>samen Gesprächsbasis mit anderen Konzernunternehmen und Führungskräften<br />
und dürfte e<strong>in</strong> Grund dafür gewesen se<strong>in</strong>, warum der Widerstand der operativen<br />
E<strong>in</strong>heiten immer grösser wurde. Es reichte nicht, dass <strong>von</strong> CVC propagierten Werte<br />
212
und Grundhaltungen nicht <strong>in</strong> das vorhandene, traditionell geprägte Interpretationsschema<br />
passten; es wurden die Unterschiede noch explizit betont. Dieses Verhalten<br />
konnte als Angriff auf die traditionellen Werte betrachtet werden und zu e<strong>in</strong>er<br />
verstärkten Polarisierung <strong>von</strong> Positionen und Grundhaltungen führen. Der Zugang<br />
zu eher traditionell geprägten Entscheidungsträgern wurde zusätzlich erschwert.<br />
Dies begünstigte die Entwicklung e<strong>in</strong>er heftigen Eskalationsspirale zusätzlich.<br />
b) Nutzen/ Rolle CVC?<br />
Die Tatsache, dass immer mehr und stärker grosse Unterschiede <strong>in</strong> der Arbeitsweise<br />
zwischen der CVC-Gesellschaft und dem Rest des Konzerns wahrgenommen und<br />
Kritik an e<strong>in</strong>zelnen Investitionen laut wurde, führte nicht nur im Unternehmen<br />
zunehmend zu Irritationen, Diskussionen und kritischen Stimmen (a1/25,26). Sie<br />
belasteten auch das Bild <strong>von</strong> CVC bei den Personen im Konzern, die bisher e<strong>in</strong>e<br />
entscheidende Rolle als treibende Kraft auf der Seite des Unternehmens gespielt<br />
haben, nämlich Vorstandsmentor und andere zuvor noch positiv e<strong>in</strong>gestellte<br />
Führungskräfte. Ausgelöst durch immer stärker werdende Inkompatibilitäten auf<br />
Basis eigener Wahrnehmung (b1/29,30) oder derer anderer Konzernkollegen<br />
(d1/29,30), mehren sich die Zweifel an der Richtigkeit des Ansatzes. Sie werden zu<br />
e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt die weitere Unterstützung des CVC-Ansatzes vom<br />
Ergebnis e<strong>in</strong>er Abwägung <strong>von</strong> Kosten und Nutzen abhängig machen. Nur wenn<br />
Investitionen <strong>von</strong> persönlicher Energie und Zeit aus Sicht des Vorstandsmentors<br />
oder anderer unterstützender Kräfte S<strong>in</strong>n machen, lohnt es sich auch, Konflikte –<br />
<strong>in</strong>tern und mit operativen E<strong>in</strong>heiten - auszutragen, sich schützend vor die CVC-<br />
E<strong>in</strong>heit zu stellen und deren Geschäftsansatz weiterh<strong>in</strong> zu unterstützen. Welchen<br />
Aufwand es bedeutete, Investitionsvorlagen zu verteidigen und dem Druck<br />
<strong>von</strong>seiten der operativen E<strong>in</strong>heiten stand zu halten, wurde sehr schnell deutlich. Er<br />
wuchs <strong>von</strong> Investmentvorlage zu Investmentvorlage, da die wahrgenommenen<br />
Inkompatibilitäten immer grösser wurden und mangels Akzeptanzwillens zu<br />
Widerstand führten.<br />
Weniger offensichtlich war der Nutzen dieses Aufwands. Strategische Ziele s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
der Initiierungsphase kaum diskutiert worden. Zwar wurden die strategisch erzielbaren<br />
Effekte – so wie <strong>in</strong> Tab. 1 dargestellt – bei der ersten Präsentation erwähnt. Es<br />
213
wurde – wie bereits erwähnt - versäumt, diese zu konkretisieren und hieraus e<strong>in</strong>e<br />
auf die spezifische Situation des E.ON Konzern angepasste Rolle und Funktion<br />
abzuleiten. Zudem war aufgrund e<strong>in</strong>er <strong>von</strong> Anfang an starken f<strong>in</strong>anziellen<br />
Ausrichtung, gefördert durch die Anreizsysteme, auch das CVC-Management wenig<br />
motiviert, diese strategische Rolle klarer zu def<strong>in</strong>ieren. Mit der Begründung e<strong>in</strong>er<br />
schnellen Handlungsfähigkeit und der Idee, möglichst abseits vom Tagesgeschäft potenzielles<br />
Neugeschäft für den Konzern entwickeln zu können, wurde die CVC-Gesellschaft<br />
weder <strong>in</strong> die Berichtssysteme, noch <strong>in</strong> den <strong>in</strong>ternen Strategie- bzw. Ressourcenallokationsprozess<br />
des Konzerns e<strong>in</strong>bezogen. E<strong>in</strong>e starke Vernetzung mit<br />
dem Konzern wurde also bewusst nicht angestrebt. Die Kehrseite hoher Freiheitsgrade<br />
und Flexibilitäten für die Gesellschaft war e<strong>in</strong> Vakuum h<strong>in</strong>sichtlich der spezifischen<br />
Rolle, des Nutzens und des konkret erwarteten Wertbeitrages der CVC-Gesellschaft<br />
für den Konzern. Die e<strong>in</strong>gangs dieses Kapitels dargestellten „Geburtsfehler“<br />
(mangelhafte Adressierung strategischer Wertbeiträge, Betonung f<strong>in</strong>anzieller<br />
Zielsetzungen) wurden auf e<strong>in</strong>en Schlag offenkundig und zu e<strong>in</strong>em Problem.<br />
E<strong>in</strong>e fehlende strategische Verankerung erzeugte diffuse Zielvorstellungen über S<strong>in</strong>n<br />
und Zweck der CVC-Gesellschaft und den künftig e<strong>in</strong>zuschlagenden Kurs. Es wurde<br />
immer offensichtlicher, dass der vom Management verfolgte und durch die Anreizsysteme<br />
unterstützte f<strong>in</strong>anzielle Ansatz auf Dauer <strong>von</strong> den Unterstützern im etablierten<br />
Unternehmen nicht mitgetragen werden würde. Dies konnte nicht die Triebfeder<br />
e<strong>in</strong>er hohen Motivation zur Unterstützung des CVC-Ansatzes <strong>in</strong> dieser Phase<br />
se<strong>in</strong>. Wenn zudem noch Abschreibungsbedarf offenkundig wird, ist selbst die Erreichung<br />
e<strong>in</strong>er guten Rendite nach dem traditionellen Verständnis des Konzerns <strong>in</strong><br />
Frage gestellt. Die traditionellen Unterstützer <strong>von</strong> CVC im Konzern begannen<br />
zunächst, die Lücke fehlender klarer übergeordneter Ziele durch eigene Ziele, die sie<br />
mit der CVC-E<strong>in</strong>heit für das Unternehmen zu erreichen versuchten, zu füllen. Diese<br />
(z.B. stärkerer <strong>in</strong>terner Fokus der CVC-Gesellschaft) waren jedoch nicht immer<br />
kompatibel mit den Interessen anderer Beteiligter, etwa dem Management der CVC-<br />
Gesellschaft. Es entstanden dann (weitere) Konflikte (e1/29), deren Lösung auf allen<br />
Seiten weitere Energien erforderte. Indes wurde klar, dass sich die ursprünglichen,<br />
mit der CVC verbundenen Ziele (Erprobung neuer Vergütungsstrukturen)<br />
angesichts grosserer Widerstände des Konzerns gegen die neue CVC-Gesellschaft<br />
nicht erreichen lassen (g/29).<br />
214
Alle Effekte (zunehmender Druck <strong>von</strong>seiten der operativen E<strong>in</strong>heiten aufgrund <strong>von</strong><br />
wahrgenommenen Inkompatibilitäten, zunehmendes Bewusstse<strong>in</strong> über das Fehlen<br />
e<strong>in</strong>er Rolle bzw. e<strong>in</strong>es konkreten Nutzens der CVC-Gesellschaft und sich<br />
entwickelnde <strong>in</strong>terne Konflikte über den richtigen Kurs der Gesellschaft) führten<br />
dazu, dass selbst die traditionellen Förderer des Projektes ihre Haltung zu der neuen<br />
CVC-E<strong>in</strong>heit grundsätzlich überdachten und sich fragten, ob es unter den gegebenen<br />
Umständen noch S<strong>in</strong>n machte bzw. lohnenswert erschien, die CVC-Aktivitäten<br />
fortzuführen.<br />
Erhalt des <strong>in</strong>neren Gleichgewichtes wichtiger als CVC<br />
Die bisherigen Unterstützer im Unternehmen befanden sich zu dieser Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
schwierigen Situation: Bekennen sie sich zu den traditionellen Werten, könnte dieses<br />
Verhalten als illoyal gegenüber der CVC-Gesellschaft (d,e/29) bewertet werden.<br />
Abb. 29: Zunehmende Irritationen und Zweifel im<br />
Konzern erreichen auch die Unterstützer<br />
Externer<br />
Status quo<br />
VC-Gesellschaften<br />
• gute Akzeptanz EVP<br />
• schwierigeres Umfeld<br />
Banken/<br />
Berater<br />
Wettbewerber<br />
Start-up-<br />
Unternehmen<br />
• erste Rückschläge<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
l<br />
m<br />
n<br />
v<br />
CVC-<br />
Gesellschaft<br />
• Eigenmotivation<br />
• Abschreibungen<br />
•F<strong>in</strong>anz. Ziele<br />
• Abstimmung<br />
E`vorlagen<br />
j<br />
w<br />
Kollegen<br />
• TK: Kritik an E`vorlagen<br />
• Hold<strong>in</strong>g: Escalation<br />
of comitment<br />
a1<br />
h<br />
d<br />
e1<br />
Interner<br />
Status quo<br />
• andere Prioritäten<br />
d1<br />
Erfahrung<br />
Motivation<br />
• pers. Verbundenheit<br />
• divergierende Ziele<br />
• Nutzen CVC?<br />
k<br />
i<br />
e<br />
Org.struktur<br />
f<br />
Rout<strong>in</strong>en<br />
g<br />
Sichtweise<br />
Vorstandsmentor<br />
Org. „Akte“<br />
Rolle<br />
•Imageverlust?<br />
• Ziele nicht<br />
realisierbar<br />
Org.kultur<br />
•Loyalität ggü. Konzern<br />
• Loyalität ggü. CVC<br />
215
Dieser würde die Existenzgrundlage entzogen werden. Unterstützen Sie die CVC-<br />
Gesellschaft jedoch weiterh<strong>in</strong>, wäre dies zwar konsistent mit dem bisherigen<br />
Verhalten (h/29), könnte aber als allgeme<strong>in</strong>e Schwächung <strong>von</strong> und als e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />
persönliche Verb<strong>in</strong>dung zu den traditionellen, im Konzern vorherrschenden Werten,<br />
im Extremfall als Illoyalität gegenüber dem Konzern (f/29) gedeutet werden. In<br />
jedem Fall wären Konflikte mit Kollegen vorprogrammiert; entweder mit dem CVC-<br />
Management oder mit anderen Kollegen im Konzern.<br />
Aufgrund der Tatsache, dass die wesentliche Grundprämissen der Arbeit der CVC-<br />
Gesellschaft als so grundsätzlich und unvere<strong>in</strong>bar mit denen des übrigen Konzerns<br />
betrachtet wurden, schien es ke<strong>in</strong>en Weg zu geben, den <strong>in</strong>haltlichen Konflikt zu<br />
lösen. Es gab ke<strong>in</strong>en Leitfaden, wie mit den – aus e<strong>in</strong>er übergeordneten strategischen<br />
Sicht S<strong>in</strong>n machenden - systematischen Unterschieden bezüglich wichtiger<br />
Basisprämissen umzugehen war. Diese Orientierungshilfe hätte, wie bereits erwähnt,<br />
im Zuge der Konkretisierung der strategischen Wertbeiträge <strong>in</strong> der Initiierungsphase<br />
erarbeitet und verabschiedet werden müssen.<br />
Da e<strong>in</strong>e Vermittlung zwischen beiden Positionen schwer bzw. aussichtslos erschien,<br />
blieb nur die Alternative für den Vorstandsmentor und andere (ehemalige)<br />
Unterstützer, sich entweder gegen den immer stärker werdenden Druck<br />
aufzubäumen oder diesem nachzugeben und CVC zu „opfern“.<br />
In dieser Entscheidungssituation war CVC <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ungünstigen Position. Ohne klare<br />
Rolle und Funktion im Konzern fehlten aus Sicht des Unternehmens wichtige<br />
Argumente, um diesen Ansatz weiterh<strong>in</strong> zu unterstützen. Und wenn CVC für das<br />
Unternehmen ke<strong>in</strong>en grossen Nutzen erwarten liess, dann sollte es sich auch für<br />
e<strong>in</strong>zelne Entscheidungsträger aus persönlichen Gründen (Macht, Reputation, b/28)<br />
nicht lohnen, hier noch viel Zeit und Energie zu <strong>in</strong>vestieren. Dies wäre jedoch <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em immer stärkeren Ausmass nötig gewesen, um den CVC-Ansatz nach <strong>in</strong>nen<br />
und gegenüber dem Teilkonzern – nicht zuletzt im Kontext umstrittener<br />
Investitionsvorlagen – zu verteidigen. Würde sich im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> herausstellen, dass<br />
man sich für die falsche Sache e<strong>in</strong>gesetzt hatte, müsste m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> persönlicher<br />
Imageverlust befürchtet werden (g/29).<br />
216
Gleichzeitig dürfte sich trotz Mentorenrolle e<strong>in</strong> Vorstandsmitglied mit den<br />
traditionellen Werten des Konzerns stärker verbunden fühlen, da sie <strong>in</strong> hohem<br />
Masse begründend für den Erfolg des Unternehmens und ihre eigene Karriere<br />
waren55 . Das Interpretationsschema des Konzerns hatte sich über e<strong>in</strong>e lange Zeit<br />
entwickelt und durch die bestehende Kultur (f/29,30), Rout<strong>in</strong>en (i/29,30), grosse Teile<br />
der Führungskräfte (c/29,30), gleichgerichtetes Verhalten anderer Unternehmen der<br />
Branche (j/29,30) und den anhaltenden eigenen Markterfolg Bestätigung erfahren.<br />
Die durch die CVC-Gesellschaft propagierten Werte und Grundprämissen h<strong>in</strong>gegen<br />
hatten ihre Gültigkeit <strong>in</strong> der Praxis noch nicht bewiesen. Es lagen wenig stichhaltige<br />
Gründe vor, die Konzernwerte vorzeitig für e<strong>in</strong>e noch unbewiesene Sache<br />
aufzugeben. Sich <strong>in</strong> dem etablierten Kontext zu bewegen und Entscheidungen mit<br />
dem alten Interpretationsschema zu treffen, sollte nach wie vor als beste<br />
Orientierungshilfe bei unsicheren Entscheidungen gelten56 . Zudem begünstigt dieses<br />
Verhalten gute Beziehungen zu Kollegen. Aus all diesen Gründen lässt sich erklären,<br />
dass selbst bei den bisherigen Unterstützern <strong>von</strong> CVC die Motivation nachliess, die<br />
neue CVC-Gesellschaft zu stützen.<br />
Die Begründung wurde bisher alle<strong>in</strong> aus dem direkten Entscheidungsumfeld<br />
abgeleitet, das durch e<strong>in</strong>e Problemlösung im Umgang mit divergierenden Werten<br />
gekennzeichnet war. Der bisherigen Sichtweise folgend, dass Entscheidungen e<strong>in</strong>er<br />
Führungskraft sich (noch) besser verstehen lassen, wenn sie aus e<strong>in</strong>em breiter<br />
gefassten Kontext begründet werden, soll nachfolgend noch auf den Bezug der sich<br />
anbahnenden Entscheidungssituation <strong>von</strong> CVC zu anderen Themen bzw. Personen<br />
im Unternehmen hergestellt werden. Führungskräfte tendieren dazu, nicht e<strong>in</strong>zelne<br />
Entscheidungen, sondern e<strong>in</strong> „Set“ <strong>von</strong> Entscheidungen bzw. ihr Beziehungsnetzwerk<br />
zu optimieren. Es wurde bereits <strong>in</strong> Kapitel 6.3.1 gezeigt, dass CVC im Vergleich<br />
zu anderen Themen e<strong>in</strong>e untergeordnete Bedeutung besass. Damals wurde<br />
argumentiert, dass die schwache Relevanz des Themas e<strong>in</strong>e Ursache dafür war, dass<br />
das Thema nicht ausgiebig diskutiert wurde, Kritiker sich zurückhielten und e<strong>in</strong>e<br />
55 E<strong>in</strong>e Führungskraft kann umso besser die Unterstützer- bzw. Mentorenrolle im Unternehmen<br />
übernehmen, je besser er selbst <strong>in</strong>s Unternehmen <strong>in</strong>tegriert ist und dort Akzeptanz erfahren hat. Diese<br />
ist am ehestens durch die Identifikation mit traditionellen Werten und Rout<strong>in</strong>en zu erreichen.<br />
56 Die Tatsache, dass alle Versuche, <strong>in</strong>novative Geschäfte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hochdynamischen<br />
(Telekommunikation, Powerl<strong>in</strong>e, Solar) zu steuern, misslangen, könnte e<strong>in</strong>erseits Zweifel an der<br />
Gültigkeit des alten Interpretationsschema auslösen, andererseits gleichzeitig als Begründung dienen,<br />
„Zuflucht“ <strong>in</strong> alten Kontexten und bewährten S<strong>in</strong>ngebungsverfahren zu suchen.<br />
217
starke Orientierung am Verhalten anderer Unternehmen (bandwagon-Effekt)<br />
erfolgte. Während <strong>in</strong> der Initiierungsphase die mangelnde Wichtigkeit des Themas<br />
die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC begünstigte, wirkte <strong>in</strong> der Umsetzungsphase dieser<br />
Umstand für CVC belastend. Aufgrund der nachlassenden Schubkräfte für CVC und<br />
der zunehmenden Konflikte ist – gemessen an der Situation <strong>in</strong> der Initiierungsphase<br />
– da<strong>von</strong> auszugehen, dass die Wichtigkeit <strong>von</strong> CVC im Kreis des Entscheidungsgremiums<br />
als tendenziell ger<strong>in</strong>ger erachtet worden ist. Wenn dies der Fall ist, dann<br />
ist e<strong>in</strong>e Führungskraft schon alle<strong>in</strong> deshalb geneigt, Entscheidungen zu Lasten <strong>von</strong><br />
CVC zu treffen, um <strong>in</strong> anderer Sache und bei als wichtiger erachteten Themen ihre<br />
Interessen umso besser durchsetzen zu können. Negative Entscheidungen bzw. e<strong>in</strong>e<br />
nachlassende Motivation können also nicht nur aus dem engen Kontext, <strong>in</strong> dem es<br />
um e<strong>in</strong>e Problemlösung im Umgang mit divergierenden Werten g<strong>in</strong>g, begründet<br />
werden, sondern auch aus e<strong>in</strong>em übergeordneten Blickw<strong>in</strong>kel. Dies verstärkte die<br />
Abwärtsspirale im Fall CVC (k/29).<br />
E<strong>in</strong> weiterer Grund für e<strong>in</strong>e zunehmende Eskalation liegt <strong>in</strong> der Tatsache, dass<br />
wichtige Entscheidungen Kollektiventscheidungen darstellen. Die vorangegangen<br />
218<br />
Abb. 30: Starke Abwehrhaltungen vor allem der operativen<br />
Gesellschaften gegen die CVC-E<strong>in</strong>heit und ihre Investitionen<br />
Externer<br />
Status quo<br />
VC-Gesellschaften<br />
• gute Akzeptanz EVP<br />
• schwierigeres Umfeld<br />
Banken/<br />
Berater<br />
Wettbewerber<br />
(org.Feld)<br />
Start-up-<br />
Unternehmen<br />
• dezentrale Systeme<br />
l<br />
m<br />
n<br />
CVC-<br />
Gesellschaft<br />
• Eigenmotivation<br />
•Attraktive Deals<br />
• Abstimmung<br />
E`vorlagen<br />
j<br />
z<br />
Kollegen<br />
• Teilkonzern:Riege<br />
erfahrener Techniker<br />
• Hold<strong>in</strong>g: Vorstandspate<br />
c1<br />
a1<br />
e1<br />
d1<br />
q r<br />
Interner<br />
Status quo<br />
• getätigte Invest.<br />
(Kannibalisierung)<br />
b<br />
Erfahrung<br />
(analog „Org.Akte“)<br />
Motivation<br />
•Bestätigung<br />
•Machterhalt<br />
Org.struktur<br />
•org. Slack<br />
y<br />
c2<br />
a<br />
Sichtweise<br />
techn. Vorstand<br />
operative Ges.<br />
Org.„Akte“<br />
• Mgt. des <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Umfeldes!<br />
•Grösse = Erfolg<br />
• „bl<strong>in</strong>de Flecken“<br />
Rolle<br />
•Anspruch auf<br />
techn. Kompetenz<br />
•friendly user<br />
e f Org.kultur<br />
•Hohe Loyalität<br />
d<br />
i<br />
•Kraftwerksmentalität<br />
• starke Hierachien<br />
•Preuss.Tugend<br />
Rout<strong>in</strong>en<br />
• Effiziente Abläufe<br />
•Bürokratie<br />
Quelle: eigene Darstellung
Ausführungen haben gezeigt, dass Entscheidungen zu Investitionsvorlagen de facto<br />
Gruppenentscheidungen darstellen, selbst wenn formaler Entscheidungsträger e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>zelne Person ist. Wenn z.B. die technische Kompetenz e<strong>in</strong>es Entscheidungsträgers<br />
nicht ausreicht, basiert diese ihre Entscheidung oft auf E<strong>in</strong>schätzungen anderer<br />
Personen ihres engen Netzwerkes. Vorgetragene Sachargumente (etwa im Zusammenhang<br />
mit CVC-Investitionsentscheidungen) werden dann <strong>in</strong>direkt durch die<br />
Brille dieser „vertrauten“ Personen gesehen (4.3.2.) Je weniger Zugang das CVC-<br />
Management zum Netzwerk des Entscheidungsträgers besitzt, desto schwerer<br />
berechen- und bee<strong>in</strong>flussbar ist der Ausgang der Entscheidung. Andere Personen<br />
avancieren faktisch zu Schlüsselpersonen bei der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung. Es wäre<br />
irrig anzunehmen, dass mit e<strong>in</strong>er guten Beziehung zu dieser Person auch Entscheidungen<br />
zu CVC weitgehend kontrollierbar s<strong>in</strong>d. Die Stärke der Beziehung zu e<strong>in</strong>er<br />
Entscheidungsperson muss also immer <strong>in</strong>s Verhältnis zu se<strong>in</strong>en anderen Beziehungen<br />
gesetzt werden. Wenn die dom<strong>in</strong>ierende Koalition aus Traditionalisten<br />
besteht, dann wird es schwer se<strong>in</strong>, die für die Genehmigung e<strong>in</strong>es CVC-Investmentvorschlages<br />
erforderliche Zustimmung zu erhalten, selbst wenn die formale<br />
Schlüsselperson noch weiterh<strong>in</strong> positiv gegenüber CVC e<strong>in</strong>gestellt wäre. Die<br />
resultierende Gruppenentscheidung reflektiert dann weitaus mehr als den re<strong>in</strong>en<br />
Sachverhalt der Investmentvorlage, sondern berücksichtigt jede potenzielle<br />
Veränderung des gesamten Beziehungsgeflechtes. Dieser Zusammenhang zeigt<br />
zweierlei: Erstens, dass für e<strong>in</strong>e Rettung <strong>von</strong> CVC nicht nur e<strong>in</strong> gleich bleibendes,<br />
sondern sogar erhöhtes Mass an unterstützender Energie <strong>von</strong>seiten des<br />
Vorstandsmentors nötig gewesen wäre, um sich gegen die beharrenden Kräften, die<br />
durch die gewohnten Rout<strong>in</strong>en und Prozesse Verbreitung und Gewicht bekommen<br />
haben, durchzusetzen. Zweitens wird hierdurch deutlich, dass Traditionalisten<br />
durch ihre rout<strong>in</strong>emässig gepflegte Teilnahme <strong>in</strong> Entscheidungssituationen de facto<br />
nicht nur über e<strong>in</strong>zelne Investmentvorlagen entscheiden können, sondern faktisch<br />
über das Schicksal der CVC-Gesellschaft. Ablehnende Haltungen zu Entscheidungsvorlagen<br />
(wie z.B. jene über das Solar<strong>in</strong>vestment) erhalten durch die bestehenden<br />
Rout<strong>in</strong>en im Unternehmen hohes Gewicht, bee<strong>in</strong>trächtigen die Handlungsfähigkeit<br />
der CVC-Gesellschaft und beschädigen ihre Reputation im VC-Markt. Auch hier<br />
kommt es dann regelmässig zu Instabilitäten und Irritationen.<br />
CVC geriet so zunehmend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Abwärtsspirale, <strong>in</strong> der – genährt durch<br />
zunehmende Irritationen im Konzern über die Philosophie der CVC-Gesellschaft –<br />
219
auch zunehmend Zweifel bei gegenüber CVC aufgeschlossenen Führungskräften<br />
aufkamen, ob es s<strong>in</strong>nvoll ist, CVC auch weiterh<strong>in</strong> ihre Unterstützung zu geben. Die<br />
Widerstände wurden immer grösser, während jegliche Unterstützungsenergie<br />
zurückg<strong>in</strong>g. Die Standpunkte zwischen CVC-Gesellschaft und dem Rest des<br />
Konzerns verhärteten sich zunehmend. Vermittelnde Kräfte wie noch bei den ersten<br />
Nachf<strong>in</strong>anzierungen <strong>von</strong> Investment 2 und 3, waren nicht mehr vorhanden. Durch<br />
die Polarisierung der Weltanschauungen, e<strong>in</strong>er traditionellen, durch den Konzern<br />
vertretenen und e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>novativen, durch CVC vertretenen Welt, kam es immer mehr<br />
zu Entfremdungen zwischen der CVC-E<strong>in</strong>heit und dem Rest des Konzerns (<strong>in</strong>kl. des<br />
Vorstandsmentors). Beide Lager hatten ihre <strong>in</strong> sich geschlossene Sichtweise der Welt,<br />
<strong>von</strong> der Relevanz bestimmter Ereignisse und <strong>von</strong> Erfolgsstrategien. Die <strong>in</strong> Kapitel<br />
4.3. dargestellten Hypothesen <strong>von</strong> March/Olsen (1975) sche<strong>in</strong>en durch diesen Fall<br />
Bestätigung zu f<strong>in</strong>den: Die Nicht-Integration <strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> die Konzernwelt führte<br />
dazu, dass mit der Zeit auf beiden Seiten vor allen D<strong>in</strong>gen wahrgenommen wurden,<br />
die nicht gemocht wurden bzw. dass das, was gesehen wurde, nicht gemocht wurde.<br />
Da sich auch die Unterstützer aus verschiedenen, durchaus nachvollziehbaren<br />
Gründen (nicht zuletzt spielten auch Karriereaspekte e<strong>in</strong>e Rolle), dem traditionellen<br />
Lager eher verbunden fühlten, bröckelte fortan auch das Vertrauen zur CVC-E<strong>in</strong>heit<br />
als anonyme E<strong>in</strong>heit, sondern auch zu den handelnden Personen57 . Zunächst wurde<br />
die e<strong>in</strong>vernehmliche Trennung <strong>von</strong> dem Investment Direktor vere<strong>in</strong>bart. Schliesslich<br />
wurde e<strong>in</strong> zweiter Geschäftsführer e<strong>in</strong>gesetzt. Aus den langen Ausführungen zur<br />
e<strong>in</strong>setzenden Eskalationsspirale und den dort wirkenden Kräften lassen sich die <strong>in</strong><br />
Abb. 29 und 30 dargestellten Bilder entwickeln, e<strong>in</strong>mal wieder aus Sicht des<br />
Vorstandsmentors und dann aus der Sicht e<strong>in</strong>er Führungskraft des operativen<br />
Teilkonzerns.<br />
Bestätigung durch Entwicklungen im Umfeld VC / anderer Konzerne<br />
Wenn <strong>in</strong> der eben beschriebenen Situation noch die ursprüngliche starke Begründung<br />
für CVC aus dem externen Umfeld entfallen ist, dann wird e<strong>in</strong>e sich<br />
anbahnende Entscheidung, CVC aufzugeben, noch weiter bestärkt. Genau dies ist<br />
hier geschehen: In der VC-Branche, am Kapitalmarkt sowie <strong>in</strong> der öffentlichen<br />
57 Da Vertrauen e<strong>in</strong>e Quelle <strong>von</strong> Legitimität darstellt, wird deutlich, dass der Versuch <strong>von</strong> CVC, e<strong>in</strong>e<br />
Verankerung im Unternehmen zu erreichen, hierdurch zusätzlich erschwert wurde.<br />
220
Wahrnehmung haben sich die Bed<strong>in</strong>gungen für VC-Investitionen zunehmend verschlechtert.<br />
(l,m,n/28). Zwar war dies bereits schon längere Zeit der Fall; jedoch s<strong>in</strong>d<br />
diese Ereignisse im Zuge e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong> positiven E<strong>in</strong>stellung zu CVC nicht als so<br />
relevant erachtet bzw. ausgeblendet worden. Je mehr Zweifel an der Richtigkeit des<br />
e<strong>in</strong>geschlagenen Kurses der neuen Gesellschaft aufkommen, umso mehr Argumente<br />
wurden – auch aus dem externen Umfeld – wahrgenommen, um diese zu bestätigen.<br />
Die Bewertung <strong>von</strong> Technologieunternehmen erreichte <strong>in</strong> der ersten Jahreshälfte<br />
2003 se<strong>in</strong>en Tiefpunkt. Glynn/Marquis (2004) stellten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Forschungsbeitrag zur<br />
symbolischen „illegitimacy“ <strong>in</strong> Organisationen fest, dass die De<strong>in</strong>stitutionalisierung<br />
genauso wie die vorherige Institutionalisierung <strong>von</strong> Symbolen wie „dot.com“ im<br />
Internettempo erfolgte. Viele Internet-Unternehmen änderten ihren Namen erneut<br />
und verzichteten bewusst auf den Namenszusatz „dot.com“, um ke<strong>in</strong>e negativen<br />
Assoziationen auszulösen. Der mit der Entwicklung der allgeme<strong>in</strong>en Aktienmärkte<br />
stark korrelierende VC-Markt zeigte sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sehr schwachen Verfassung. Hohe<br />
Abschläge bei den Bewertungen vieler Portfolio-Unternehmen führten zu hohem<br />
Abschreibungsbedarf und deutlich nach unten revidierten Renditeperspek-tiven. Die<br />
schwierigen Marktbed<strong>in</strong>gungen boten nicht nur wenige Chancen für attraktive<br />
Veräusserungen <strong>von</strong> Beteiligungen, sondern auch schlechte Bed<strong>in</strong>gungen für die<br />
F<strong>in</strong>anzierung neuer Engagements. Auch Entrepreneure hielten sich mit<br />
Unternehmensneugründungen und Beteiligungsanfragen zurück. In dieser Situation<br />
begannen viele grosse Unternehmen (Allianz, Inf<strong>in</strong>eon, Daimler-Chrysler) ihr CVC-<br />
Engagement zu überdenken.<br />
Aus all diesen Ereignissen im externen Umfeld erhielten die Führungskräfte des<br />
Konzerns die letztendliche Bestätigung dafür, Schritte58 zur E<strong>in</strong>stellung der CVC-<br />
Aktivitäten tatsächlich zu beschliessen. Die Begründung mit Entwicklungen aus dem<br />
externen Umfeld senkt die aufgrund <strong>von</strong> Verbundenheit mit dem CVC-<br />
Management, anderen Vorstandsmitgliedern, oder mit der eigenen Entscheidung <strong>in</strong><br />
der Vergangenheit vorhandenen Vorbehalte, e<strong>in</strong>e negative Entscheidung zu treffen.<br />
Die Interpunktion kann so gewählt werden, dass die Begründung für diese negative<br />
Entscheidung vorwiegend aus externen Entwicklungen abgeleitet werden kann, und<br />
nicht aus Fehlern oder Fehle<strong>in</strong>schätzungen e<strong>in</strong>zelner Führungskräfte.<br />
58<br />
Die E<strong>in</strong>stellung <strong>von</strong> CVC wurde schrittweise beschlossen; <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> reduzierten Budgets,<br />
Freisetzung <strong>von</strong> Mitarbeitern und Auslotung <strong>von</strong> strategischen Alternativen<br />
221
6.4. Fazit: Warum war die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC bei E.ON nicht<br />
erfolgreich?<br />
Bevor die Ergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en übergeordneten Zusammenhang gestellt und<br />
Verallgeme<strong>in</strong>erungen geprüft werden, soll hier zusammenfassend die Frage<br />
beantwortet werden, woran es lag, dass im vorliegenden Fall die CVC-Aktivitäten<br />
frühzeitig abgebrochen wurden. Wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitraffer wird noch e<strong>in</strong>mal der Pfad,<br />
den das Projekt <strong>von</strong> Anfang an genommen hat, dargestellt und ebenso die<br />
begründenden Ereignisse respektive Konstellationen. Schliesslich sollen – wie<br />
bereits zuvor - die gefundenen Ergebnisse und Erklärungen an den Erkenntnissen<br />
der Innovationsforschung gespiegelt (Rogers, 2003) werden.<br />
6.4.1. Antworten aus der Fallstudie: CVC als sozialer Prozess<br />
Die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC war stark durch externe Kräfte getrieben. Viele Faktoren<br />
trugen dazu bei, dass E.ON - wie viele andere grosse Unternehmen zu dieser Zeit -<br />
e<strong>in</strong>em Bandwagon-Effekt erlag: Man glaubte, auf den starken gesellschaftlichen<br />
Druck und der auch am Kapitalmarkt spürbaren Bevorzugung <strong>von</strong> jungen<br />
Technologieunternehmen reagieren zu müssen. CVC wurde nicht e<strong>in</strong>geführt, weil<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terner Bedarf hierfür im Unternehmen verspürt wurde – E.ON operierte<br />
hocherfolgreich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Markt und befand sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er stabilen, robusten<br />
Verfassung –, sondern man reagierte auf e<strong>in</strong>en allgeme<strong>in</strong>en Trend dieser Zeit. E<strong>in</strong>ige<br />
strukturelle Faktoren (Risikoaversion, e<strong>in</strong> hohes Mass an Unsicherheit bezüglich<br />
CVC und e<strong>in</strong>e hohe Vernetzung des Unternehmens) begünstigten dies.<br />
Die damit verbundenen hohen Schubkräfte für das Projekt – verantwortlich für e<strong>in</strong>e<br />
erste positive Entscheidung zu CVC im Vorstand - konnten bis zur<br />
Umsetzungsfreigabe nicht ganz aufrechterhalten werden. Im externen Umfeld hatten<br />
sich e<strong>in</strong>ige CVC belastende Entwicklungen ergeben und <strong>von</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />
Entscheidungsträgern wurden erste kritische Fragen gestellt. Gleichwohl konnte e<strong>in</strong>e<br />
positive Umsetzungsentscheidung bewirkt werden, wenn auch unter Auflagen. Da<br />
das Projekt stark durch Entwicklungen im externen Unternehmensumfeld getrieben<br />
worden ist, wurden Fragen der <strong>in</strong>ternen Notwendigkeit ausgeklammert. Es wurde<br />
versäumt, <strong>in</strong>sbesondere die mit CVC zu verfolgenden strategischen Ziele zu<br />
222
konkretisieren. Die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC konnte als Massnahme verstanden werden,<br />
den Entwicklungen <strong>in</strong> Gesellschaft und im Umfeld des Unternehmens Rechnung zu<br />
tragen. Der Nachweis <strong>von</strong> strategischen Wertbeiträgen ist jedoch das Lebenselixier<br />
<strong>von</strong> CVC. Die alle<strong>in</strong>ige Verfolgung f<strong>in</strong>anzieller Ziele birgt e<strong>in</strong>e hohe Gefahr, dass<br />
Führungskräfte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Grossunternehmen diesen Ansatz langfristig nicht mittragen.<br />
E.ON <strong>Venture</strong> Partners besass jedoch – gestützt durch starke, an der Erreichung<br />
f<strong>in</strong>anzieller Ziele orientierte Vergütungselemente - <strong>von</strong> Anfang an e<strong>in</strong>e starke Renditeorientierung.<br />
Hierdurch gelang es, sich schnell und gut <strong>in</strong> der VC-Branche zu<br />
etablieren. Aufgrund erster Erfolge erfuhr die CVC-Gesellschaft auch E.ON-<strong>in</strong>tern<br />
e<strong>in</strong>e gute Akzeptanz. Der Makel fehlender strategischer Erwartungen an die neue<br />
Gesellschaft bei gleichzeitiger starker Betonung f<strong>in</strong>anzieller Ziele wurde zunächst<br />
nicht offenkundig.<br />
Erste Rückschläge <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> sich nicht planmässig entwickelnden<br />
Beteiligungsunternehmen führten zu ersten Kratzern im bis dato so positiven Bild<br />
der neuen CVC-Gesellschaft. Abschreibungsbedarfe wurden <strong>von</strong> CVC-Gesellschaft<br />
und Konzernzentrale sehr unterschiedlich <strong>in</strong>terpretiert. Auch die sonstige<br />
risikobewusste, schnell und flexibel auf Umweltveränderungen reagierende<br />
Arbeitsweise der neuen CVC-Gesellschaft irritierte. Die Genehmigung neuer<br />
Investitionsvorlagen konnte – nicht zuletzt aufgrund der hohen Verbundenheit des<br />
Vorstandsmentors mit dem Projekt – trotz kritischer Stimmen aus den operativen<br />
Teilkonzernen zwar erreicht werden. Sie gestaltete sich jedoch zunehmend<br />
schwieriger. Je mehr die neue CVC-Gesellschaft mit anderen Konzerne<strong>in</strong>heiten<br />
kooperierte, etwa im Zuge <strong>von</strong> Stellungnahmen zu technischen Merkmalen<br />
<strong>in</strong>novativer Geschäftskonzepte, desto mehr wurden die Unterschiede <strong>in</strong> der<br />
Arbeitsweise bzw. Managementphilosophie sowie grundlegenden Basisprämissen<br />
der Gesellschaften deutlich. CVC-Gesellschaft und Rest des Konzerns befanden sich<br />
<strong>in</strong> gänzlich anderen Kontexten. Während der des Grossunternehmens durch<br />
traditionelle Erfolgsfaktoren (Management des <strong>in</strong>stitutionellen Umfeldes,<br />
Effizienzerhöhung <strong>von</strong> Grosskraftwerken) und das Bestreben, Kannibalisierungseffekte<br />
zu verh<strong>in</strong>dern und die vorhandenen Technologien noch so lange wie möglich<br />
abzusichern, geprägt war, bauten die jungen Unternehmen auf den Faktor der<br />
technologischen Überlegenheit, auf die Vorzüge kle<strong>in</strong>er, dezentraler Anlagen und<br />
darauf, ohne Altlasten an e<strong>in</strong>er „besseren“ Lösung zu arbeiten. Die beiden Kontexte<br />
wurden als unvere<strong>in</strong>bar angesehen. Entscheidungsvorlagen über neue Investitionen<br />
223
durch CVC setzten immer stärker Grundsatzdiskussionen <strong>in</strong> Gang, die – mangels<br />
Vorbereitung – schwer beherrschbar wurden. Es fehlte e<strong>in</strong> Leitfaden, wie<br />
Investitionen <strong>in</strong> neue Geschäftsfelder strategisch zu begründen waren. Diese<br />
Orientierungshilfe konnte trotz vielfältiger Versuche die neue Gesellschaft mangels<br />
Legitimation nicht geben. So fanden die Diskussionen mit operativen E<strong>in</strong>heiten über<br />
neue Investitionsvorlagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em strategischen Kontext statt, der alle<strong>in</strong> durch die<br />
traditionellen Werte geprägt war. Die Widerstände gegen neue Investitionen wurden<br />
<strong>von</strong>seiten des Teilkonzerns immer grösser. Es bedurfte immer grösserer Energie,<br />
hiergegen anzugehen.<br />
Diese Situation war auch der Auslöser dafür, dass auch die bisher positiv gegenüber<br />
CVC e<strong>in</strong>gestellten Kräfte im Konzern, namentlich der Vorstandsmentor, ihre<br />
Haltung überdachten. E<strong>in</strong>e weitere Unterstützung sollte nur dann lohnenswert se<strong>in</strong>,<br />
wenn sich aus CVC e<strong>in</strong> konkreter Wertbeitrag bzw. Nutzen für das Unternehmen<br />
und se<strong>in</strong>e Akteure ableiten lässt. Dies war der Augenblick, an dem die<br />
„Geburtsfehler“ der Gesellschaft offenkundig wurden. Angesichts hoher<br />
Unklarheiten bezüglich der eigentlichen Aufgabe, Rolle und Funktion der CVC-<br />
E<strong>in</strong>heit wurde es als nicht lohnenswert erachtet, weitere Ressourcen (Geld,<br />
persönliche Energie) <strong>in</strong> die Unterstützung e<strong>in</strong>es ansonsten re<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anziell orientierten<br />
CVC-Ansatzes zu stecken. Zudem fühlten sich selbst wichtige Unterstützer<br />
persönlich dem traditionellen Kontext mehr verbunden als dem neuen, durch die<br />
CVC-Gesellschaft propagierten. Die hohe Unterstützung des Vorstandsmentors war<br />
e<strong>in</strong>e der wesentlichen unternehmens<strong>in</strong>ternen Triebfedern des CVC-Ansatzes. Als<br />
diese ausblieb, war der CVC-Ansatz nicht mehr zu halten. Es gewannen die<br />
beharrenden, den Erfolg alter Geschäftsmodelle betonenden Kräfte zunehmend die<br />
Oberhand. Die wahrgenommenen Inkompatibilitäten wuchsen und führten zu e<strong>in</strong>er<br />
zunehmenden Entfremdung <strong>von</strong> der CVC-Gesellschaft und ihren Ideen. Es kam zu<br />
e<strong>in</strong>er Polarisierung und schliesslich zur Isolierung <strong>von</strong> EVP. Die letzten Versuche<br />
<strong>von</strong> CVC selbst, e<strong>in</strong>e offene Ause<strong>in</strong>andersetzung mit Zukunftsthemen der<br />
Energieversorgung anzustossen, waren zum Scheitern verurteilt.<br />
Abb. 31 fasst den Pfad, den CVC <strong>in</strong> der Umsetzung genommen hat, noch e<strong>in</strong>mal<br />
graphisch zusammen.<br />
224
Abb. 31: Drei Phasen <strong>in</strong> der Umsetzung <strong>von</strong> CVC<br />
Schubkraft / Unterstützung durch den Konzern<br />
Stabilisierung<br />
und Aufbau<br />
<br />
t 1<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Erste<br />
Markterfolge<br />
Interne<br />
Probleme<br />
6.4.2. Antworten aus der Innovationsforschung: Attribute der Innovation CVC<br />
In den vorangegangen Abschnitten wurde versucht, die frühe Beendigung der CVC-<br />
Aktivitäten als Ergebnis e<strong>in</strong>es sozialen Prozesses zu erklären, <strong>in</strong> dem die bremsenden<br />
Kräfte zunehmend an E<strong>in</strong>fluss gewonnen haben und die treibenden Kräfte<br />
schwächer geworden s<strong>in</strong>d. Aufgrund der Wichtigkeit dieser Erkenntnisse sollen<br />
diese Erklärungen – entsprechend dem bisherigen Vorgehen – an den Erkenntnissen<br />
der Innovationsforschung gespiegelt werden. Rogers (1995, S. 222ff.) unterscheidet<br />
h<strong>in</strong>sichtlich des Charakters <strong>von</strong> Innovationen fünf Attribute, die entscheidend dazu<br />
beitragen, ob e<strong>in</strong>e Innovation angenommen wird oder nicht:<br />
- Relativer Vorteil<br />
- Kompatibilität<br />
- Komplexität<br />
- Möglichkeit des Versuchs/Experimentierens<br />
- Beobachtbarkeit<br />
<br />
t x<br />
<br />
?<br />
<br />
t<br />
225
Diese Attribute werden nachfolgend auf den vorliegenden CVC-Ansatz angewendet.<br />
Im Mittelpunkt steht die Betrachtung durch das etablierte Unternehmen und die<br />
Frage der Wahrnehmung durch die dortigen Führungskräfte. Die nachfolgenden Ausführungen<br />
erheben nicht den Anspruch e<strong>in</strong>er ausgewogenen, umfassenden Analyse<br />
aller Teilaspekte des vorliegenden Falles. Dies würde den Umfang dieser Dissertation<br />
sprengen. Vielmehr soll gezeigt werden, dass auch aus Sicht der Innovationsforschung<br />
vieles gegen e<strong>in</strong>e erfolgreiche Verankerung <strong>von</strong> CVC bei E.ON sprach.<br />
Relativer Vorteil<br />
Der relative Vorteil beschreibt das Mass, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e Innovation als besser wahrgenommen<br />
wird als die Idee, die sie ersetzt bzw. verdrängt. Grundsätzlich ersetzt<br />
CVC ke<strong>in</strong>e andere Idee, da e<strong>in</strong> solches Konzept für die meisten Unternehmen neu ist.<br />
Aber CVC verdrängt andere Verwendungsmöglichkeiten für knappe Ressourcen<br />
(personell, f<strong>in</strong>anziell). Höhe und Bewertung dieser Opportunitätskosten hängt <strong>von</strong><br />
der Bewertung der mit CVC erreichbaren Ziele ab. Wenn im Fokus der CVC-Gesellschaft<br />
tatsächlich die Renditeorientierung steht, könnten über dieses Vehikel Ergebnisbeiträge<br />
aus dem Engagement <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bisher vernachlässigten Anlagesegment<br />
Privat Equity/VC erzielt werden; etwa zur Optimierung des Geschäftsportfolios.<br />
<strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Anlagen besitzen e<strong>in</strong>e ganz besondere Risikostruktur, <strong>in</strong>dem sehr<br />
hohen Renditeperspektiven auch deutlich höhere Risiken gegenüberstehen. Es<br />
wurde jedoch bereits argumentiert, dass e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Renditeorientierung (auch unter<br />
übergeordneten f<strong>in</strong>anzstrategischen Zielen der Portfoliooptimierung) ke<strong>in</strong>e gute<br />
Grundlage für e<strong>in</strong>e stabile Verankerung der CVC-Gesellschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Grossunternehmen se<strong>in</strong> kann. Es muss auch bezweifelt werden, dass durch das<br />
CVC-Engagement e<strong>in</strong>e Höherbewertung der Aktie <strong>von</strong> E.ON am Kapitalmarkt<br />
erfolgen konnte. Hierfür war das Engagement zu kle<strong>in</strong> (das Fondsvolumen betrug<br />
nur 25 Mio. €). E<strong>in</strong>e Reaktion des Aktienkurses auf die Pressemitteilung zum Start<br />
<strong>von</strong> CVC-Aktivitäten war weder bei E.ON noch bei anderen deutschen<br />
Unternehmen, feststellbar gewesen. Insofern dürfte <strong>in</strong>sgesamt gesehen aus der<br />
Verfolgung f<strong>in</strong>anzieller Ziele ke<strong>in</strong> relativer Vorteil abzuleiten se<strong>in</strong>. H<strong>in</strong>sichtlich der<br />
strategischen Ziele besitzt CVC bessere Voraussetzungen, e<strong>in</strong>en relativen Vorteil<br />
darzustellen. Die potenziellen, mit CVC erzielbaren strategischen Effekte (Abb. 1)<br />
s<strong>in</strong>d zwar <strong>in</strong> der Initiierungsphase erwähnt, aber nie konkretisiert worden. Die<br />
226
Wahrnehmung e<strong>in</strong>er relativen Vorteilhaftigkeit hat sich damit immer auf e<strong>in</strong>er<br />
allgeme<strong>in</strong>en Ebene vollzogen. Es wurde versäumt, der neuen CVC-E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>e<br />
überzeugende Rolle bzw. Funktion für das etablierte Unternehmen zuzuweisen. So<br />
bleibt der konkrete strategische Nutzen zum<strong>in</strong>dest vage. Allenfalls das Image des<br />
Konzerns durch F<strong>in</strong>anzanalysten sowie der Öffentlichkeit konnte mithilfe der neuen<br />
CVC-Aktivitäten verbessert werden.<br />
Kompatibilität<br />
Die Innovation „CVC“ besitzt drei Ausprägungen: Neu ist das Unternehmen, se<strong>in</strong><br />
Geschäftskonzept und das, womit sich CVC <strong>in</strong>haltlich befasst. Die Wahrnehmung,<br />
ob die neue Gesellschaft zu dem traditionellen Unternehmen kompatibel ist, leitet<br />
sich <strong>in</strong> hohem Masse aus dem E<strong>in</strong>druck der Kompatibilität <strong>von</strong> Geschäftskonzept<br />
und –<strong>in</strong>halten mit den bisherigen Rout<strong>in</strong>en, Werten und Glaubensmustern ab.<br />
Es wurde bereits im vorigen Abschnitt e<strong>in</strong>gehend thematisiert, dass das Geschäftskonzept<br />
e<strong>in</strong>er <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong>-Gesellschaft und se<strong>in</strong>e Philosophie schwer zum Rest<br />
des Konzerns passen. Noch gravierender dürften die Unterschiede <strong>in</strong> fundamentalen<br />
Basisprämissen h<strong>in</strong>sichtlich der künftigen technologischen Entwicklung und wichtiger<br />
Erfolgsfaktoren der Energiebranche wahrgenommen worden se<strong>in</strong>, da hiermit das<br />
– unter besonderem Schutz stehende - Kerngeschäft des Konzerns tangiert wurde.<br />
Da e<strong>in</strong>e starke Tradition bzw. umfangreiche, <strong>in</strong> der Vergangenheit getätigte<br />
Investitionen durch die neue CVC-Gesellschaft und die durch sie propagierten Werte<br />
herausgefordert wurden und gleichzeitig auch ke<strong>in</strong> Leitfaden existierte, wie mit<br />
diesen Inkompatibilitäten umgegangen werden sollte, wurde die Akzeptanz der<br />
Innovation CVC alle<strong>in</strong> schon aufgrund mangelnder Kompatibilität erschwert. Die<br />
<strong>in</strong>tendierten Verhaltensanpassungen im Konzern konnten nicht erfolgen.<br />
Komplexität<br />
E<strong>in</strong>e weitere Determ<strong>in</strong>ante, ob e<strong>in</strong>e Innovation angenommen wird, stellt ihre<br />
Komplexität dar, verstanden als das Mass dafür, für wie schwierig es die Mitglieder<br />
e<strong>in</strong>es sozialen Systems halten, e<strong>in</strong>e Innovation zu verstehen bzw. zu benutzen<br />
227
(Rogers, 1995, S. 257). Es ist <strong>in</strong> den vorangegangen Abschnitten schon gezeigt<br />
worden, dass CVC aus dem Kontext e<strong>in</strong>es traditionellen Energieunternehmens<br />
heraus <strong>in</strong>sgesamt, also h<strong>in</strong>sichtlich des Geschäftsmodells wie auch h<strong>in</strong>sichtlich des<br />
gewählten <strong>in</strong>haltlichen Kontextes, als strukturell komplex und schwierig bezeichnet<br />
werden muss. Nicht zuletzt aufgrund der dargestellten, starken Inkompatibilitäten<br />
werden Informationen, die notwendig s<strong>in</strong>d, um den S<strong>in</strong>n und die Funktionsweise<br />
<strong>von</strong> CVC zu verstehen, aus der Wahrnehmung ausgeblendet oder falsch<br />
<strong>in</strong>terpretiert.<br />
Man könnte <strong>in</strong>des argumentieren, dass h<strong>in</strong>sichtlich der durch CVC repräsentierten<br />
disruptiven Innovationen im Energiebereich der traditionelle Konzern besonders gute<br />
Voraussetzungen bietet, e<strong>in</strong>e technische Lösung und den Erfolg e<strong>in</strong>es jungen, <strong>in</strong> den<br />
Markt des etablierten Konzerns strebenden Unternehmens gut beurteilen kann. Viele<br />
Energie<strong>in</strong>novationen s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong>e hohe Komplexität gekennzeichnet, da sie ihre<br />
Wirkung oft nicht isoliert, sondern nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em übergeordneten System entfalten<br />
können: E<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>dkraftanlage macht <strong>in</strong> ökonomisch am meisten S<strong>in</strong>n, wenn diese <strong>in</strong><br />
das vorhandene Netz <strong>in</strong>tegriert werden kann, also physisch-technische Fragen<br />
geklärt s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>telligente Prognose-, Regel- und Steuerungsmechanismen bestehen,<br />
um e<strong>in</strong>e bessere Gesamtoptimierung betreiben zu können. Idealerweise stehen<br />
zusätzlich Technologien zur Verfügung, Strommengen, die zu e<strong>in</strong>er bestimmten Zeit<br />
zwar produziert, aber nicht benötigt werden, zu speichern. Brennstoffzellen<br />
benötigen zudem noch e<strong>in</strong>e ausgebaute Wasserstoff<strong>in</strong>frastruktur, um sie<br />
wirtschaftlich betreiben zu können. Eigentlich sollten EVU wie E.ON aufgrund ihrer<br />
bestehenden Erfahrung, technischen Kenntnissen und der Nähe zum Regulator am<br />
besten <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, diese Zusammenhänge zu erkennen und sachgerecht zu<br />
beurteilen. In dieser Leistung liegt auch e<strong>in</strong> wesentlicher Teil des Zusatznutzens,<br />
den CVC-Gesellschaften für andere VC-Gesellschaften erbr<strong>in</strong>gen können.<br />
Das Problem s<strong>in</strong>d hier nicht fehlende Fähigkeit oder Kenntnisse, sondern die<br />
fehlende Motivation, sich mit „konkurrierenden“ und das Kerngeschäft<br />
bedrohenden Innovationen ause<strong>in</strong>ander zu setzen. Wenn das Verständnis fehlt oder<br />
nicht geschaffen wird, dass es S<strong>in</strong>n macht, sich mit disruptiven Innovationen<br />
frühzeitig zu beschäftigen, kann auch dem dafür geschaffenen Instrument CVC ke<strong>in</strong>e<br />
Bedeutung zugemessen werden. Es erfährt ke<strong>in</strong>e Akzeptanz.<br />
228
Möglichkeit des Versuchs/Experimentierens<br />
Die Möglichkeit, sich an e<strong>in</strong>e Innovation durch Versuchen/Experimentieren<br />
heranzutasten, erleichtert se<strong>in</strong>e Akzeptanz. Neuartige, nicht <strong>in</strong> das bisherige<br />
Interpretationsschema passende Informationen können wohldosiert die<br />
Entscheidungsträger erreichen. Diese können so mit abweichenden Informationen<br />
aus dem Umfeld besser umgehen als wenn sie mit Reizen überflutet werden.<br />
Bei disruptiven Innovationen im Energiebereich ist die Möglichkeit des Versuchs/<br />
Experimentierens gegeben bzw. geradezu notwendig für e<strong>in</strong>e gute Abschätzung der<br />
Marktchancen sowie e<strong>in</strong>e erfolgreiche Integration <strong>in</strong> das bestehende System.<br />
Tatsächlich werden heute schon zahlreiche Feldversuche – etwa bei Brennstoffzellen<br />
– durchgeführt. Aus der Tatsache, hier Erfahrungen sammeln zu wollen, lässt sich<br />
jedoch noch nicht zwangsläufig ableiten, dass etablierte Energieunternehmen auch<br />
<strong>in</strong>nerlich vom Erfolg der neuen Technologien überzeugt s<strong>in</strong>d.<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf das Geschäftsmodell CVC ist die Möglichkeit des Experimentierens<br />
weniger gegeben. E<strong>in</strong> Erfolgsfaktor des (C)VC Geschäftes ist e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichend hohe<br />
Fondsgrösse. Sie ist erstens Voraussetzung dafür, <strong>in</strong> der VC-Branche als<br />
F<strong>in</strong>anzierungspartner ernsthaft wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Nur mit<br />
e<strong>in</strong>er ausreichenden Fondsgrösse können zweitens auch Folge<strong>in</strong>vestments getätigt<br />
werden. Dies ist e<strong>in</strong> wichtiges Argument für Start-up- und andere VC-Unternehmen<br />
bei der Wahl des F<strong>in</strong>anzierungspartners. Drittens ist e<strong>in</strong> grösseres Fondvolumen<br />
auch Voraussetzung dafür, dass auf der Portfolio-Ebene der CVC-Gesellschaft<br />
Risiken h<strong>in</strong>reichend gestreut werden können. Viertens lässt sich e<strong>in</strong> selbst bei<br />
Zugrundelegung e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>destbetriebsgrösse verbundener Sockelbetrag für<br />
Verwaltungsaufwendungen (Büromiete, Gehälter, EDV, Büroausstattung,<br />
Prüfungskosten) erst ab e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destgeschäftsvolumen betriebswirtschaftlich<br />
rechtfertigen. Aus all diesen Gründen erfordert e<strong>in</strong> ernsthafter CVC-Ansatz<br />
zum<strong>in</strong>dest die grundsätzliche Bereitschaft des Managements, e<strong>in</strong>en nennenswerten<br />
Betrag <strong>in</strong> CVC zu <strong>in</strong>vestieren. E<strong>in</strong>e Fondsgrösse <strong>von</strong> 25 Mio. € gilt <strong>in</strong> der VC-Branche<br />
als Untergrenze. Natürlich besteht die Möglichkeit, die Mittel nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Summe,<br />
sondern tranchenweise auszureichen und notfalls auch e<strong>in</strong>e Revidierung der<br />
Grundsatzentscheidung vorzunehmen. Diese Möglichkeit des Herantastens an die<br />
Innovation CVC erleichtert ihre Akzeptanz. Tatsächlich war dies e<strong>in</strong>e der Lösungen,<br />
229
um die Zustimmung der zunehmend kritischen Entscheidungsträger zur<br />
Umsetzungsfreigabe im Fall E.ON zu erreichen. Die Fondsmittel wurden <strong>in</strong><br />
Tranchen zu 10 Mio. € ausgezahlt.<br />
Beobachtbarkeit<br />
E<strong>in</strong>e tranchenweise Auszahlung der F<strong>in</strong>anzmittel begünstigt e<strong>in</strong>erseits die<br />
Akzeptanz <strong>von</strong> CVC aus den eben genannten Gründen; allerd<strong>in</strong>gs nur<br />
vordergründig. Führt man den Gedanken des Experimentierens fort, macht die<br />
stufenweisen Freigabe der Fondsmittel nur dann S<strong>in</strong>n, wenn nach jeder Tranche auch<br />
Schlussfolgerungen über die Arbeit der CVC-Gesellschaft und die erzielten Effekte<br />
gezogen werden können und e<strong>in</strong>e gute Informationsbasis für die Entscheidung über<br />
die Freigabe weiterer Mittel besteht. E<strong>in</strong>e Beurteilung, ob die CVC-Gesellschaft auf<br />
gutem Wege ist, die f<strong>in</strong>anziellen Ziele der Gesellschaft zu erreichen, ist vor Ablauf<br />
der Fondslaufzeit aufgrund der typischen Zahlungsströme e<strong>in</strong>er VC-Gesellschaft<br />
jedoch nicht möglich. Hierauf wurde mehrfach h<strong>in</strong>gewiesen. Da die <strong>in</strong>tendierten<br />
strategischen Effekte meist auf Verhaltensänderungen <strong>in</strong> dem etablierten<br />
Unternehmen h<strong>in</strong>auslaufen und diese nur langfristig erreichbar s<strong>in</strong>d, muss auch<br />
unter dem Blickw<strong>in</strong>kel strategischer Ziele e<strong>in</strong>er CVC-Gesellschaft bezweifelt werden,<br />
dass sich <strong>in</strong> den Zeiträumen bis zur Freigabe der nächsten Tranchen (bei E.ON alle 9-<br />
12 Monate) aussagekräftige Schlussfolgerungen ziehen lassen. Die vorangegangene<br />
Analyse hat gezeigt, dass strategische Lernprozesse, die das In-Frage-Stellen und<br />
möglicherweise die Abkehr <strong>von</strong> traditionellen Denkschemata zu Inhalt haben, sehr<br />
lange dauern. Selbst die gesamte übliche Fondslaufzeit <strong>von</strong> sieben Jahren dürfte sehr<br />
knapp bemessen se<strong>in</strong>, um diese Verhaltensänderungen zu bewirken. Erschwerend<br />
kommt h<strong>in</strong>zu, dass sich die Erreichung strategischer Effekte ohneh<strong>in</strong> schwer messen<br />
und bestimmten Massnahmen (etwa CVC) zuschreiben lässt.<br />
Da CVC kurzfristig ke<strong>in</strong>e belastbaren Ergebnisse vorweisen kann, benötigt e<strong>in</strong> CVC-<br />
Ansatz vor allem viel Vertrauen bei den Entscheidungsträgern <strong>in</strong> die Richtigkeit des<br />
Ansatzes.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der durch CVC f<strong>in</strong>anzierten Geschäftskonzepte ist es e<strong>in</strong> prägendes<br />
Element bei e<strong>in</strong>er Risikokapitalf<strong>in</strong>anzierung, dass die f<strong>in</strong>anzierten Start-up-<br />
230
Unternehmen meist noch nichts „Greifbares“ vorweisen können wie etwa e<strong>in</strong>en<br />
Prototypen. Meist liegen nur gute Ideen, Patente, Blaupausen und e<strong>in</strong> überzeugendes<br />
Management-Team vor. Viele Unsicherheiten erschweren die Beurteilung der<br />
Erfolgsaussichten. Doch während CVC-Gesellschaften gewohnt s<strong>in</strong>d, mit solchen<br />
Unsicherheiten umzugehen, fällt es vor allem Technikern aus e<strong>in</strong>em traditionellen<br />
Unternehmen schwer, Innovationen zu so e<strong>in</strong>em frühen Zeitpunkt sachgerecht zu<br />
beurteilen.<br />
Fazit<br />
E<strong>in</strong>e (zugegebenermassen) kurze Analyse jener fünf Attribute, die gemäss Rogers<br />
<strong>von</strong> herausragender Bedeutung dafür s<strong>in</strong>d, ob e<strong>in</strong>e Innovation angenommen wird,<br />
hat gezeigt, dass CVC ke<strong>in</strong>e guten Voraussetzungen dafür bietet, Akzeptanz <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Grossunternehmen zu erfahren. In Übere<strong>in</strong>stimmung mit der Fallanalyse, <strong>in</strong><br />
der die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC als sozialer Prozess betrachtet wurde, kann festgestellt<br />
werden, dass vor allem diffuse Vorstellungen über den relativen Vorteil der CVC-<br />
Aktivitäten und starke Imkompatibilitäten mit traditionellen Lösungen und<br />
Interpretationsmustern die Verankerung <strong>von</strong> CVC im Konzern bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />
Letztere erschweren es auch, die naturgemäss hohe Komplexität des Ansatzes zu<br />
beherrschen und CVC <strong>in</strong>haltlich zu verstehen. Die Tatsache, dass im Grunde nicht<br />
nur e<strong>in</strong>e Innovation, sondern gleichzeitig drei Innovationen verstanden und<br />
akzeptiert werden müssen, erschwert die Verankerung <strong>von</strong> CVC zusätzlich. Die<br />
Möglichkeit, all diese Intransparenzen, Inkompatibilitäten und Komplexitäten<br />
dadurch zu beherrschen, dass man sich stufenweise an die Innovation CVC wie auch<br />
an die durch sie repräsentierten Innovationen herantastet, s<strong>in</strong>d leider nur begrenzt<br />
möglich. Der Erfolg <strong>von</strong> CVC ist erst langfristig messbar und der Zeithorizont, den<br />
Führungskräfte <strong>in</strong> etablierten Unternehmen üblicherweise e<strong>in</strong>er neuen Gesellschaft<br />
zum Nachweis ihres Erfolges e<strong>in</strong>räumen, ist meistens kürzer als der benötigte.<br />
231
7. Übergeordnete Schlussfolgerungen<br />
Üblicherweise wird die Vorteilhaftigkeit <strong>von</strong> CVC durch funktionale oder<br />
ökonomische Vorteile erklärt, die der neue Ansatz absolut oder im Vergleich zu<br />
e<strong>in</strong>em anderen bietet. Mit dieser Arbeit wurde der Versuch gemacht, diese als<br />
Ergebnis e<strong>in</strong>es sozialen Prozess herzuleiten. Nach diesem prozessualen Blickw<strong>in</strong>kel<br />
bestimmen permanente Feedbackschleifen zwischen der neuen CVC-E<strong>in</strong>heit und<br />
dem <strong>in</strong>ner- und ausserbetrieblichen Umfeld den Pfad der Innovation und<br />
letztendlich den Erfolg dieser Aktivitäten.<br />
Nicht immer s<strong>in</strong>d es also die Inhalte e<strong>in</strong>es Konzeptes, die über se<strong>in</strong>en Erfolg<br />
entscheiden, sondern es ist der soziale Prozess, wie die Umsetzung stattf<strong>in</strong>det. Dies<br />
sche<strong>in</strong>t nicht nur bei <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC e<strong>in</strong>e Rolle zu spielen, sondern auch <strong>in</strong><br />
anderen Bereichen. So schreibt Johannes Leithäuser am 26. März 2007 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Leitartikel der Frankfurter Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung über die Berl<strong>in</strong>er (EU-) Erklärung: „Die<br />
Bemerkungen der Bundeskanzler<strong>in</strong> sollten die Festtagsstimmung so aufladen, dass<br />
neue politische Energie für den erschöpften Reformprozess <strong>in</strong> der EU freigesetzt<br />
wird.“ (Leithäuser, 2007)<br />
Projekte können also mangels Schubkraft scheitern. Ebenso können sie aus e<strong>in</strong>er<br />
starken Motivation der Beteiligten so viel Energie beziehen, dass damit deren Erfolg<br />
sichergestellt werden kann, auch wenn noch nicht alle <strong>in</strong>haltlichen Details geklärt<br />
s<strong>in</strong>d bzw. passen.<br />
Ziel dieses Kapitels ist es, aus den im Fall E.ON gewonnenen Erkenntnissen<br />
Erklärungen mit allgeme<strong>in</strong>gültigem Charakter abzuleiten, warum CVC-Programme<br />
<strong>in</strong> der Praxis so oft scheitern ( F2). Interessant – und im Übrigen auch<br />
motivierender – könnte es se<strong>in</strong>, hieraus Empfehlungen für die erfolgreiche<br />
<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC-Programmen abzuleiten. Es soll – vor allem zur Beantwortung<br />
der Forschungsfrage F3 - versucht werden, <strong>in</strong> Kenntnis der allgeme<strong>in</strong>en Gefahren,<br />
denen CVC ausgesetzt s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>en Leitfaden für das Vorgehen e<strong>in</strong>es etablierten<br />
Unternehmens <strong>in</strong> Sachen CVC zu entwickeln. In diesem sollen besonders typische<br />
Situationen beschrieben werden, die CVC treiben, aber auch teilweise erschweren<br />
können.<br />
232
7.1. Warum laufen CVC-Programme Gefahr zu scheitern? 59<br />
Im vorangegangen Kapitel s<strong>in</strong>d zahlreiche Gründe genannt worden, warum bei<br />
E.ON die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> der CVC-Aktivitäten nicht gelungen ist. Es stellt sich die Frage,<br />
welche der vorgenannten Ausführungen allgeme<strong>in</strong>gültigen Charakter haben und<br />
welche <strong>in</strong> den Spezifika des Falls E.ON begründet lagen. Auf erstere soll nachfolgend<br />
der Fokus gelegt werden.<br />
Versucht man, den Blick <strong>von</strong> den detaillierten, und viele E<strong>in</strong>zelentscheidungen<br />
begründenden Beziehungsgeflecht zu lösen und die gewonnenen Informationen zu<br />
verdichten, lassen sich zwei wichtige Gründe f<strong>in</strong>den, warum CVC-Programme<br />
Gefahr laufen zu scheitern ( F2):<br />
1. CVC-Programme scheitern, weil die hohe strukturelle Komplexität des<br />
Instruments nicht verstanden und/oder beherrscht wird,<br />
2. CVC-Programme scheitern, weil (typische) Verhaltensmerkmale <strong>von</strong><br />
Unternehmen die Realisierung der <strong>in</strong>tendierten Effekte verh<strong>in</strong>dern. Dies<br />
be<strong>in</strong>haltet auch Unterschiede im Verhalten <strong>von</strong> CVC-E<strong>in</strong>heit und Konzern<br />
aufgrund stark abweichender <strong>in</strong>haltlicher Vorstellungen/Prämissen, Markt-<br />
/Kontextbed<strong>in</strong>gungen oder andere Zeithorizonte.<br />
Auf diese beiden Thesen wird nachfolgend detailliert e<strong>in</strong>gegangen.<br />
7.1.1. Hohe strukturelle Komplexität<br />
Auf die Schwierigkeit der E<strong>in</strong>bettung <strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> zwei organisatorische Felder,<br />
nämlich VC-Branche und Unternehmen wurde bereits h<strong>in</strong>gewiesen (6.4.3.1.).<br />
Teilweise schwer mite<strong>in</strong>ander vere<strong>in</strong>bare Erwartungen erzeugen für CVC e<strong>in</strong><br />
Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen der Akteure. Diese def<strong>in</strong>ieren den<br />
59 Die nachfolgenden Ausführungen stellen e<strong>in</strong>e Sichtweise und E<strong>in</strong>sichten zu CVC dar, die - nach<br />
Kenntnisstand des Autors - auf ke<strong>in</strong>em existierenden Forschungsstrang zu CVC aufsetzen. Sie haben<br />
den Charakter <strong>von</strong> ersten Vermutungen oder Behauptungen, s<strong>in</strong>d daher als hoch experimentell zu<br />
bezeichnen und benötigen zur Validierung weitere Forschung.<br />
233
Rahmen, <strong>in</strong> dem sich CVC stabil verankern kann. Es sche<strong>in</strong>t so, dass zu bestimmten<br />
Zeiten die natürlichen Lebensbed<strong>in</strong>gungen für CVC stark limitiert s<strong>in</strong>d. Das<br />
Management der CVC-E<strong>in</strong>heit hat nur begrenzte Möglichkeiten, diese aktiv zu<br />
bee<strong>in</strong>flussen.<br />
Im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtung steht alle<strong>in</strong> die Verankerung im<br />
Unternehmen. Die Analyse des Fallbeispiels hat e<strong>in</strong>es sehr deutlich gemacht: E<strong>in</strong>e<br />
positive Entscheidung zur <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes ist noch lange ke<strong>in</strong><br />
Erfolgsgarant; <strong>in</strong>sbesondere dann nicht, wenn das Projekt durch starken externen<br />
Druck <strong>in</strong>itiiert wird. Um aus e<strong>in</strong>er guten Idee e<strong>in</strong> funktionierendes Instrument zu<br />
machen, bedarf es zunächst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>iger Kenntnis darüber, wie der Prozess der<br />
Umsetzung stattf<strong>in</strong>det, welche Kräfte auf das Projekt wirken und wie diese se<strong>in</strong>en<br />
Erfolg bee<strong>in</strong>flussen.<br />
Die Unterscheidung <strong>von</strong> zwei Phasen, nämlich e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> die Phase, <strong>in</strong> der<br />
Initialzündung und Entscheidungsf<strong>in</strong>dung für das Projekt erfolgen, und die darauf<br />
folgende Phase, <strong>in</strong> der die Umsetzung des beschlossenen Projektes vorgenommen<br />
wird, hat sich als sehr hilfreich erwiesen: Es konnte gezeigt werden, dass <strong>in</strong> beiden<br />
Phasen sehr unterschiedliche Kräfte auf das Projekt CVC e<strong>in</strong>wirken. Dies wird oft<br />
übersehen, wenn <strong>in</strong> der Literatur nur <strong>von</strong> der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC gesprochen wird.<br />
Hierauf, sowie <strong>in</strong>sbesondere auf die Konsequenzen für die Erfolgschancen <strong>von</strong> CVC,<br />
soll nun e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />
Wurden <strong>in</strong> den vorangegangen Abschnitten <strong>in</strong>tensiv und filigran externe und<br />
<strong>in</strong>nerbetriebliche Kräfte diskutiert, die im Fall E.ON auf das CVC Projekt wirkten<br />
und se<strong>in</strong>en Pfad bestimmt haben, sollen diese jetzt nach Art der Begründung<br />
aggregiert werden. Es werden politische und marktstrategische Motive<br />
unterschieden60 .<br />
Als politisch motiviert werden jene, das CVC-Projekt fördernde Kräfte verstanden,<br />
die als Reaktion auf Umstände ausserhalb des eigenen Markt- und<br />
Wettbewerbsumfeldes entstanden s<strong>in</strong>d. Im vorliegenden Fall s<strong>in</strong>d dies z.B. die<br />
60 Nicht immer ist es e<strong>in</strong>fach, diese Trennschärfe herzustellen und Kräfte klar zuzuordnen,<br />
<strong>in</strong>sbesondere wenn man – wie hier die systemische, populationsökologische Sichtweise e<strong>in</strong>nimmt.<br />
234
Erwartungshaltungen <strong>von</strong> Gesellschaft oder anderen Interessensgruppen. Auch<br />
daraus resultierende unternehmens<strong>in</strong>terne Kräfte können politischen Motiven<br />
zugeordnet werden; wenn z.B. e<strong>in</strong>e Führungskraft im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em<br />
allgeme<strong>in</strong>en Trend e<strong>in</strong>e hohe Eigenmotivation für CVC entwickelt.<br />
Als marktstrategisch werden solche Kräfte bezeichnet, die aufgrund e<strong>in</strong>er puren<br />
Markt- und Wettbewerbslogik das CVC-Projekt unterstützen. Solche Motive wären<br />
z.B. Komplementaritäten zum bestehenden Geschäft, Verbesserung der strategischen<br />
Wettbewerbsposition oder die Aussicht, über CVC frühzeitig und zu e<strong>in</strong>em<br />
günstigen Preis neue Geschäftsoptionen wahrzunehmen.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich der zeitlichen Differenzierung bleibt es bei der bisher praktizierten<br />
Unterscheidung <strong>von</strong> Initiierungs- und Umsetzungsphase. Mit dieser<br />
Betrachtungsweise soll versucht werden, möglicherweise viele CVC- oder auch<br />
andere Innovationsprojekte charakterisierende Verläufe zu beschreiben. Da die<br />
Erkenntnisse lediglich aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Fall abgeleitet werden und nicht empirisch<br />
abgesichert s<strong>in</strong>d, besitzen die nachfolgenden Aussagen nur den Charakter <strong>von</strong><br />
Hypothesen. Im nächsten Kapitel 8 werden konkrete Ansatzpunkte diskutiert, um<br />
diese oder die diesen zugrunde liegenden Prämissen e<strong>in</strong>er empirischen Überprüfung<br />
zuzuführen.<br />
7.1.1.1. Diskont<strong>in</strong>uitäten bei extern getriebenen CVC-Projekten<br />
Die Initialzündung für Projekte erfolgt entweder <strong>von</strong> <strong>in</strong>nen, also aus dem<br />
Unternehmensumfeld, oder – wie im vorliegenden Fall – <strong>von</strong> aussen61 . Dies macht<br />
h<strong>in</strong>sichtlich des <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sprozesses und der treibenden Kräfte e<strong>in</strong>en grossen<br />
Unterschied.<br />
Zunächst wird der Fall angenommen, dass die Initiative für e<strong>in</strong> Projekt <strong>von</strong> <strong>in</strong>nen<br />
ausgeht. Dies ist für CVC vielleicht e<strong>in</strong> hypothetischer Fall, aber für andere<br />
61 Auch wenn <strong>in</strong> der Realität häufig Mischformen auftreten, also Projekte aus e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation <strong>von</strong><br />
externem und <strong>in</strong>ternem Impuls entstehen können, werden nachfolgend die beiden Re<strong>in</strong>formen<br />
dargestellt, um deren unterschiedlichen Charakter im H<strong>in</strong>blick auf die das Projekt treibenden Kräfte<br />
im Zeitablauf darzustellen.<br />
235
(Innovations-) Projekte der übliche Weg. In diesem Fall s<strong>in</strong>d zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>ige<br />
Akteure im Unternehmen überzeugt, dass die Innovation für das Unternehmen S<strong>in</strong>n<br />
macht. Dies verleiht ihr bzw. dem mit ihr verbundenen Projekt e<strong>in</strong> Ausgangniveau<br />
an <strong>in</strong>terner Schubkraft. Um e<strong>in</strong>e positive Entscheidung im Unternehmen zu<br />
erreichen, werben die Initiatoren aktiv um ihre Idee. Dies geschieht durch e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>tensive <strong>in</strong>nerbetriebliche Diskussion <strong>von</strong> Argumenten für und gegen das Projekt.<br />
Der Nachweis der <strong>in</strong>ternen Notwendigkeit respektive S<strong>in</strong>nhaftigkeit der Innovation<br />
ist Teil des unternehmens<strong>in</strong>ternen Überzeugungsprozesses. Im Zuge der Diskussion<br />
werden schnell markt- und unternehmensstrategische Gründe die Oberhand<br />
gew<strong>in</strong>nen. Gel<strong>in</strong>gt es, h<strong>in</strong>reichend viele Akteure <strong>von</strong> der Idee zu überzeugen, wird<br />
das Projekt beschlossen. Zum Zeitpunkt des Beschlusses s<strong>in</strong>d viele, aber längst noch<br />
nicht alle strategischen Fragen angesprochen und zufriedenstellend beantwortet<br />
worden. Es herrscht jedoch die Überzeugung vor, dass auf Basis der vorliegenden<br />
Informationen und Diskussionen die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> der Innovation lohnenswert<br />
ersche<strong>in</strong>t. Mit dem <strong>in</strong>ternen Überzeugungsprozess ist bereits viel <strong>in</strong>terne Schubkraft<br />
erzeugt worden. Die Implementierungsphase be<strong>in</strong>haltet die Realisierung des zuvor<br />
bereits ausgiebig diskutierten Plans. Bei allen Beteiligten besteht e<strong>in</strong> hohes Mass an<br />
Klarheit über Konzept, zu verfolgende Ziele und Rolle/Funktion der Innovation im<br />
Unternehmen. Üblicherweise s<strong>in</strong>d die gleichen Personen, die dem Projekt se<strong>in</strong>e<br />
anfängliche Schubkraft verliehen, auch die Treiber <strong>in</strong> der Umsetzungsphase. Der<br />
zuvor bereits e<strong>in</strong>geleitete und praktizierte Prozess der Bildung e<strong>in</strong>es belastbaren<br />
Netzwerks für die Idee wird weiter vorangetrieben. Je mehr die Organisation den<br />
Akteuren, die die Idee verkörpern vertraut, desto besser gel<strong>in</strong>gt dies. Das<br />
Unternehmen ist auf die neue Organisationse<strong>in</strong>heit vorbereitet. Grössere<br />
Unsicherheiten bestehen nicht, da wesentliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen vorher geklärt<br />
wurden und die Umsetzungsphase dafür genutzt wird, diesen <strong>in</strong>haltlich<br />
abgesteckten und unternehmens<strong>in</strong>tern kommunizierten Rahmen auszugestalten und<br />
Details abzustimmen.<br />
Geht die Initiative für das Projekt <strong>von</strong> aussen aus, läuft der Prozess anders: Das<br />
Projekt bezieht se<strong>in</strong>e Schubkraft auf dem externen Umfeld bzw. <strong>von</strong> anonymen<br />
Kräften. Die Analyse, ob CVC speziell für das etablierte Unternehmen s<strong>in</strong>nvoll oder<br />
notwendig ist bzw. warum sich gerade dieses Unternehmen mit der Innovation<br />
beschäftigen sollte, bleibt - wie auch die Fallanalyse gezeigt hat – meist sehr<br />
oberflächlich. Mehr oder wenig zufällig ergibt sich e<strong>in</strong>e Konstellation, <strong>in</strong> der <strong>in</strong>terne<br />
236
Akteure e<strong>in</strong>en allgeme<strong>in</strong>en Trend aufgreifen oder sich <strong>von</strong> diesem „<strong>in</strong>fizieren“<br />
lassen. Strategische Überlegungen s<strong>in</strong>d jedenfalls nicht der Haupttreiber.<br />
Orientierungsgrössen s<strong>in</strong>d externe Faktoren wie gesellschaftliche Erwartungen,<br />
politischer Druck oder das Verhalten anderer Unternehmen. Alle<strong>in</strong> diese Tatsache<br />
verleiht dem Projekt e<strong>in</strong>en gewissen Grad an Legitimität und ist Grund genug für<br />
das etablierte Unternehmen, die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> der Innovation zu beschliessen. CVC<br />
wird als symbolischer Akt e<strong>in</strong>geführt. Übergeordnete politische Überlegungen<br />
begründen e<strong>in</strong>e positive <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sentscheidung. Marktstrategische Überlegungen<br />
spielen für die Entscheidung ke<strong>in</strong>e oder allenfalls e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle. Ist der<br />
externe Druck gross genug, ist e<strong>in</strong>e positive <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sentscheidung nicht all zu<br />
schwer zu erreichen.<br />
Die Gefahr, dass Innovationen aufgrund e<strong>in</strong>es starken externen Drucks <strong>in</strong>itiiert<br />
werden, ist gross. Es wurde gezeigt, dass (C)VC Konzepte aufgrund der hohen<br />
Korrelation zu der allgeme<strong>in</strong>en Entwicklung <strong>von</strong> Aktienmärkten, <strong>in</strong>sbesondere im<br />
Hochtechnologiesektor, e<strong>in</strong>en stark zyklischen Charakter besitzen. Zyklizität<br />
be<strong>in</strong>haltet sich verstärkende aufwärts-, aber auch abwärtsgerichteten Wellen<br />
gleichartigen Verhaltens. Auch andere Innovationen, wie z.B. die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> der<br />
Matrixorganisation, die Verfolgung <strong>von</strong> Diversifikationsstrategien oder auch<br />
Prozess<strong>in</strong>novationen wie Bus<strong>in</strong>ess Process Reeng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d stark <strong>von</strong> externen<br />
Kräften getrieben worden. Die wenigsten Projekte werden unter bewusster<br />
Wahrnehmung e<strong>in</strong>es politischen Drucks beschlossen. Fast immer werden<br />
marktstrategische Begründungen die „offizielle“ Begründung für<br />
Innovationsprojekte se<strong>in</strong>. Dies war auch im hier vorliegenden Fall so.<br />
Die Ausgangskonstellation für die sich anschliessende Implementierungsphase kann<br />
– verglichen mit e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tern <strong>in</strong>itiierten Projekt – kaum unterschiedlicher se<strong>in</strong>. Im<br />
vorliegenden Fall wurde gezeigt, dass die neue Gesellschaft zunächst ohne<br />
strategischen Auftrag operierte. Marktstrategische Überlegungen haben ja <strong>in</strong> der<br />
Initiierungsphase ke<strong>in</strong>e Rolle gespielt. Möglicherweise fällt dies längere Zeit nicht<br />
auf. Wenn sich die neue CVC-Gesellschaft z.B. am externen VC-Markt gut<br />
positioniert, kann dies sogar e<strong>in</strong> „Strohfeuer“ <strong>in</strong>terner Schubkraft auslösen. Aber<br />
noch immer bezieht das Projekt se<strong>in</strong>e Energie aus externen Kräften. Da CVC jedoch –<br />
wie gezeigt worden ist - langfristig nur überlebensfähig ist, wenn die Aktivitäten der<br />
neuen Gesellschaft (markt)strategisch begründet werden, muss es früher oder später<br />
237
zur Adressierung solcher Fragestellungen kommen. Das politisch motivierte Projekt<br />
muss also im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> als strategisch s<strong>in</strong>nvolles Projekt umdef<strong>in</strong>iert werden. Dies<br />
ist e<strong>in</strong> schwieriges Unterfangen, da CVC-Gesellschaft, Hold<strong>in</strong>ggesellschaft sowie<br />
operative Gesellschaften solche Fragestellungen recht unvorbereitet treffen. Der<br />
Prozess, e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Überzeugung im Unternehmen h<strong>in</strong>sichtlich des<br />
(marktstrategischen) Nutzens <strong>von</strong> CVC herzustellen, ist ausserordentlich<br />
anspruchsvoll. Von Anfang an <strong>in</strong>nerlich (d.h. ohne die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es externen<br />
Stimulus) Überzeugte gibt es nicht; schon gar nicht e<strong>in</strong> belastbares Netzwerk <strong>von</strong><br />
„Sympathisanten“ für die Idee. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund e<strong>in</strong>es fehlenden,<br />
vorherigen Überzeugungsprozesses ad hoc e<strong>in</strong> Argumentarium für CVC aufgebaut<br />
wird. Dieses wirkt – <strong>in</strong>sbesondere dann, wenn die Initiative <strong>von</strong> der CVC-E<strong>in</strong>heit<br />
selbst ausgeht und nicht <strong>von</strong> der Unternehmensleitung - wenig überzeugend und<br />
vertrauensbildend. Es ist auch versäumt worden, <strong>in</strong> wichtigen Fragen e<strong>in</strong>en Konsens<br />
auf oberster Ebene zu schaffen und die strategischen und auch organisatorischen<br />
„Leitplanken“ zuvor zu def<strong>in</strong>ieren. Stattdessen werden – wie hier im Fall <strong>von</strong> CVC -<br />
e<strong>in</strong>zelne Entscheidungsvorlagen über neue Investments zu Foren, über solche sehr<br />
grundsätzliche Fragen zu diskutieren. Auf die h<strong>in</strong>sichtlich des Prozesses diszipl<strong>in</strong>ierende<br />
und h<strong>in</strong>sichtlich der Inhalte legitimierende Wirkung des Vorstandes bei der<br />
Erarbeitung und Beantwortung marktstrategischer und organisatorischer Grundsatzentscheidungen<br />
kann nicht mehr gebaut werden, da das Projekt schon längst<br />
genehmigt worden ist und damit nicht mehr im Mittelpunkt se<strong>in</strong>er Aufmerksamkeit<br />
steht. Vorstandsmentoren sowie ggf. das CVC-Management können nur versuchen,<br />
gleichzeitig zur Genehmigung der Entscheidungsvorlage e<strong>in</strong>en – damit<br />
zusammenhängenden - Prozess der nachträglichen <strong>in</strong>ternen Legitimation <strong>von</strong> CVC<br />
<strong>in</strong>sgesamt zu erreichen. Die Erfolgschancen hierfür s<strong>in</strong>d jedoch sehr ger<strong>in</strong>g.<br />
Es bleibt als Zwischenfazit festzuhalten, dass extern stimulierte Projekte im Vergleich<br />
zu <strong>in</strong>tern stimulierten Projekten durch e<strong>in</strong>e grosse Diskont<strong>in</strong>uität beim Übergang<br />
<strong>von</strong> der Initiierungs- <strong>in</strong> die Umsetzungsphase charakterisiert s<strong>in</strong>d. Abb. 32 versucht,<br />
diesen Zusammenhang graphisch zu erläutern. Es werden zwei idealtypische<br />
Projekte unterschieden: Projekt 1 (rot gekennzeichnet) besitzt anfänglich ausschliesslich<br />
politische Begründungen, Projekt 2 (grün gekennzeichnet) bezieht se<strong>in</strong>e Schubkräfte<br />
kont<strong>in</strong>uierlich und alle<strong>in</strong>e auf Basis <strong>von</strong> marktstrategischen Überlegungen.<br />
Wenn e<strong>in</strong>e erfolgreiche Verankerung e<strong>in</strong>es Projektes dadurch gekennzeichnet ist,<br />
dass nur marktstrategische Kräfte dieses begründen und ke<strong>in</strong>erlei politische Kräfte<br />
238
Abb. 32: Idealtypischer Pfad zweier Innovationsprojekte<br />
hoch<br />
Politische<br />
Begründung<br />
niedrig<br />
hoch<br />
Strategische<br />
Begründung<br />
niedrig<br />
Grad der Motivation<br />
t 1<br />
Projekt <br />
Projekt <br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
<strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sbeschluss<br />
(roter Zielpunkt <strong>in</strong> Abb. 32), dann ergibt sich <strong>in</strong> dem Augenblick der Umsetzungsentscheidung<br />
oder etwas später (wie im Fall E.ON) e<strong>in</strong>e Diskont<strong>in</strong>uität für das<br />
politisch begründete Projekt, weil e<strong>in</strong>e marktstrategische Begründung <strong>von</strong> Grund auf<br />
(also startend bei „0“) erarbeitet werden muss, während das marktstrategisch<br />
begründete Projekt den bisher e<strong>in</strong>geschlagenen Pfad fortführt. Nur wenn also der<br />
Übergang <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er politischen zu e<strong>in</strong>er marktstrategischen Begründung schnell<br />
gel<strong>in</strong>gt, kann die Schubkraft des Projektes erhalten bleiben und die Umsetzung<br />
erfolgreich gemeistert werden. Dies stellt jedoch e<strong>in</strong>e hohe Herausforderung dar.<br />
Für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Verankerung s<strong>in</strong>d also politische Begründungen wenig<br />
geeignet oder können sogar dysfunktional wirken. Es kann vermutet werden, dass je<br />
stärker der externe, politisch <strong>in</strong>duzierte Stimulus ist, desto schneller erfolgt die<br />
Umsetzungsentscheidung und desto weniger Fragen der marktstrategischen<br />
Notwendigkeit werden adressiert. Für CVC ergibt sich <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
e<strong>in</strong> erstes Paradoxon.<br />
<br />
Erfolgreiche<br />
Verankerung<br />
Ziel<br />
t<br />
239
7.1.1.2. Paradoxon Nr. 1: CVC soll eigentlich Innovationen erleichtern, kann aber<br />
das Gegenteil bewirken.<br />
Man könnte <strong>in</strong>tuitiv vermuten, dass es vergleichsweise leicht fallen sollte, e<strong>in</strong>e<br />
überzeugende strategische Begründung zu f<strong>in</strong>den, selbst wenn die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> als<br />
politische Massnahme beschlossen wurde. Immerh<strong>in</strong> lag <strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Form bereits<br />
e<strong>in</strong> strategisches Begründungsmuster (template) vor. Die Aufgabe sollte dar<strong>in</strong><br />
bestehen, das Versäumnis der Konkretisierung der allgeme<strong>in</strong>en Ziele nachzuholen.<br />
Die Zusammenhänge sche<strong>in</strong>en jedoch etwas komplizierter zu se<strong>in</strong>.<br />
Es wird behauptet, dass die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC als symbolische Massnahme bzw.<br />
politischer Akt den Prozess der Herleitung strategischer Wertbeiträge nicht erleichtert,<br />
sondern erschwert. Es wurde im Fall E.ON e<strong>in</strong> zunehmender externer Druck<br />
beobachtet, den neuerd<strong>in</strong>gs gesellschaftlich erwünschten Werten Rechnung zu tragen.<br />
Im Mittelpunkt des Interesses standen damals die Themen Internet, IT und<br />
hieraus abgeleitete, üblicherweise <strong>von</strong> Start-up-Unternehmen wahrgenommene,<br />
neue Geschäftsansätze. Es konnte ebenfalls festgestellt werden, dass E.ON <strong>in</strong> Randbereichen<br />
bereit war, diesem Druck nachzugeben und Anpassungen zu beschliessen<br />
(e-procurement, Namensgebung E.ON, Casual Friday). Im Kerngeschäft h<strong>in</strong>gegen<br />
wurden Anpassungsmassnahmen nicht, oder nur sehr zögerlich beschlossen. Man<br />
hatte den E<strong>in</strong>druck, dass auch deshalb <strong>in</strong> Randbereichen extern <strong>in</strong>duzierte Veränderungen<br />
erfolgten, um den Kernbereich umso stärker gegen Aussene<strong>in</strong>flüsse abzuschirmen62<br />
. Ähnliche Verhaltensweisen f<strong>in</strong>den sich auch bei Thompson (1967, 2003).<br />
Wenn die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC als symbolische Massnahme verstanden wird,<br />
externem Druck nachzugeben, dann könnte man daraus folgern, dass CVC selbst <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Randbereich des Unternehmens verortet wird und mit dieser Massnahme die<br />
Kernbereiche vor Veränderungen geschützt werden sollen. Wenn dies der Fall ist<br />
und die (unterschwellige) Intention war, wird es nachher umso schwerer, strategische<br />
Wertbeiträge, die <strong>in</strong> der Regel auf Veränderungen im Kernbereich des<br />
Unternehmens h<strong>in</strong>auslaufen, zu erzielen. Man könnte sogar soweit gehen, zu<br />
behaupten, dass sich mit e<strong>in</strong>er politisch motivierten Entscheidung zur <strong>E<strong>in</strong>führung</strong><br />
<strong>von</strong> CVC die Chancen, später Veränderungen zu erzielen, nicht nur nicht verbessern,<br />
62 Es sollte an dieser Stelle lohnenswert se<strong>in</strong>, nach weiteren Analogien <strong>in</strong> anderen Kontexten und<br />
Systemen zu suchen, etwa <strong>in</strong> der Biologie oder Mediz<strong>in</strong> oder bei der militärischen Kriegsführung.<br />
240
sondern sogar verschlechtern. CVC wird dann – entgegen der eigenen strategischen<br />
Intention - zum Instrument, das Kerngeschäft des Unternehmens gegen<br />
Aussene<strong>in</strong>flüsse abzuschirmen.<br />
7.1.1.3. Paradoxon Nr. 2: CVC soll die Werte herausfordern, die gleichzeitig Basis<br />
se<strong>in</strong>er Legitimation bilden<br />
Der Geschäftsauftrag <strong>von</strong> CVC ist höchst problematisch. Se<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />
Umsetzung erfordert e<strong>in</strong>e Gratwanderung: Die neue CVC-E<strong>in</strong>heit muss – wie gezeigt<br />
wurde - zuerst im Unternehmen akzeptiert werden und <strong>in</strong>terne Legitimation<br />
erfahren, um überhaupt irgende<strong>in</strong>e Wirkung im System Unternehmen zu entfalten.<br />
Dies gel<strong>in</strong>gt nur, wenn sie sich weitestgehend konform zu existierenden Normen<br />
und Rout<strong>in</strong>en verhält und die bestehenden Verhaltensgrundsätze und „Spielregeln“<br />
akzeptiert (4.4.3.). CVC erhält genau dann aus dem konventionellen System, das<br />
die Basis für ihre Legitimation bildet, den Auftrag, die traditionellen Rout<strong>in</strong>en, Denkund<br />
Handlungsmuster dieses Systems herauszufordern. Dies ist im Grunde e<strong>in</strong>e<br />
paradoxe Handlungsempfehlung. E<strong>in</strong> Auftrag <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es klar umrissenen<br />
Bezugsrahmens, bestehend aus bestimmten traditionellen Rout<strong>in</strong>en, Verhaltensweisen<br />
und Wertvorstellungen, den Bezugsrahmen selbst zu ändern, also den<br />
Bezugsrahmen neu zu def<strong>in</strong>ieren, ist e<strong>in</strong> unmögliches Unterfangen. „Ke<strong>in</strong>e Aussage,<br />
die <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Bezugsrahmen gemacht wird, kann gleichzeitig sozusagen aus<br />
diesem System heraustreten und sich selbst negieren.“ Watzlawick hat diese Aussage<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganz anderen Kontext gemacht und als Beispiel die logische Sackgasse<br />
angeführt, <strong>in</strong> der sich diejenigen befanden, die im Jahr 1616 auf Veranlassung der<br />
japanischen Obrigkeiten durch folgenden paradoxen Eid ihrem christlichen Glauben<br />
abschwören sollten: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes,<br />
der heiligen Maria und aller Engel .. und wenn ich diesen Eid breche, so möge ich die<br />
Gnade Gottes auf ewig verlieren …“ Das Paradoxe hieran war, dass die Eidesformel<br />
„nämlich ihre b<strong>in</strong>dende Gewalt aus der Anrufung gerade jener Gottheit erhalten<br />
(sollte), der durch den Eid abgeschworen wurde. Mit anderen Worten es handelte<br />
sich um e<strong>in</strong>e Aussage <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es klar umrissenen Bezugsrahmens (der<br />
christlichen Glaubenslehre), die etwas über diesen Bezugsrahmen und daher über<br />
sich selbst aussagt, nämlich den Rahmen und damit den Schwur selbst negierte“<br />
(Watzlawick, 2003, S.187).<br />
241
Diese Analogie, übertragen auf den hier vorliegenden Kontext, könnte e<strong>in</strong> elementares<br />
Problem <strong>von</strong> CVC-Ansätzen auf den Punkt br<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sog. Doppelb<strong>in</strong>dung<br />
gefangene CVC-E<strong>in</strong>heit läuft also Gefahr, für ihre Erkenntnisse aus der<br />
Beschäftigung mit Zukunftsthemen des Konzerns bestraft bzw. als illoyal gegenüber<br />
dem Rest des Unternehmens bezeichnet zu werden. Sie wagt es, auftragsgemäss<br />
e<strong>in</strong>getretene strategische Pfade zu verlassen und mit alten Glaubensmustern zu<br />
brechen. Damit entsteht e<strong>in</strong>e starke Diskrepanz zwischen ihrer Sichtweise der D<strong>in</strong>ge<br />
und der, was sie wahrnehmen sollte. Letzteres def<strong>in</strong>iert die Erwartungen des<br />
Unternehmens und ist e<strong>in</strong>e Voraussetzung dafür, <strong>in</strong> dieses <strong>in</strong>tegriert zu se<strong>in</strong>. (4.3.,<br />
March/Olsen, 1975, S. 163). Hier könnte der Kern des Problems und e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Ursache für das Scheitern so vieler CVC-Programme liegen.<br />
In Doppelb<strong>in</strong>dungen gefangen s<strong>in</strong>d auch diejenigen Führungskräfte des etablierten<br />
Unternehmens, die Entscheidungen über grössere CVC Investments treffen müssen.<br />
Von diesen Personen wird erwartet, dass sie zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> der Phase der Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
den „alten“ Kontext des Unternehmens verlassen und sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
neuen Kontext h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>denken, der andersartiger kaum se<strong>in</strong> könnte als der traditionelle.<br />
Mehr noch: Es wird erwartet, dass sie die <strong>in</strong> der Entscheidungsvorlage und<br />
auf grundlegenden Prämissen des neuen Kontextes entwickelten Argumentationen<br />
durch Zustimmung zu dem Investment noch ausdrücklich bestätigen. Im Grunde<br />
wird <strong>von</strong> der Führungskraft, die ebenso ihre Legitimation aus dem „alten“ Kontext<br />
bezieht und sich diesem verpflichtet fühlen muss, e<strong>in</strong> schizophrenes Verhalten<br />
erwartet. Dies br<strong>in</strong>gt die Entscheidungsträger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Konflikt; sie fühlen<br />
sich gefangen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Doppelb<strong>in</strong>dung. Wie verhalten sich diese Führungskräfte <strong>in</strong><br />
dieser Situation? Sie werden nicht zuletzt deswegen versuchen, die erwartete positive<br />
Entscheidung zu e<strong>in</strong>er VC-F<strong>in</strong>anzierung möglichst breit durch Stellungnahmen<br />
<strong>von</strong> operativen E<strong>in</strong>heiten und Involvierung anderer Personen abzusichern. Damit<br />
wird aber das Problem nicht wirklich gelöst. Ganz im Gegenteil: Es wird im Konzern<br />
ausgerollt und damit werden Doppelb<strong>in</strong>dungen an anderer Stelle erzeugt. E<strong>in</strong>e solche<br />
Konfliktsituation wird dann immer weniger beherrschbar und möglicherweise<br />
e<strong>in</strong> zusätzlicher Grund für die im Fall E.ON festgestellte Eskalationsspirale.<br />
Interessant ist es, <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Rolle der traditionellen Rout<strong>in</strong>en auf<br />
den Gang der CVC-<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> zu analysieren. Im Fall E.ON konnte gezeigt werden<br />
242
(Abb. 15), dass die bestehenden Rout<strong>in</strong>en zunächst die Diffusion e<strong>in</strong>es CVC-<br />
Ansatzes im Unternehmen begünstigten und dazu beitrugen, dass selbst die<br />
kritischen Kräfte im Unternehmen diesen unterstützten. Die Unterstützung <strong>von</strong> CVC<br />
war e<strong>in</strong> Auftrag <strong>in</strong>nerhalb des bestehenden Kontextes und im Rahmen der<br />
bestehenden Rout<strong>in</strong>en. Als jedoch <strong>in</strong> der Umsetzungsphase offenkundig wurde, dass<br />
viele traditionelle Werte und auch Rout<strong>in</strong>en durch die neue CVC-E<strong>in</strong>heit<br />
herausgefordert wurden, wirkten die bestehenden Rout<strong>in</strong>en <strong>in</strong> die andere Richtung<br />
und bestärkten die Abwehrhaltung des Systems; se<strong>in</strong> „Immunsystem“ gegen den<br />
CVC-Ansatz (Abb. 25 und 26) wurde aktiviert. Die hierdurch ausgelöste, oben<br />
beschriebene Eskalationsspirale – kann als Rout<strong>in</strong>e zur Mobilisierung <strong>von</strong><br />
Abwehrkräften gegen die durch CVC neu propagierten Werte verstanden werden. Je<br />
stärker der Zusammenhalt des Unternehmens, die Loyalität se<strong>in</strong>er Führungskräfte<br />
und geme<strong>in</strong>sam gepflegte Rout<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d, desto stärker wird den vorherrschenden<br />
Pr<strong>in</strong>zipien Geltung verschafft und desto schneller und stärker entwickeln sich<br />
Abwehrmechanismen gegen neuen, ebendiese vorherrschenden Rout<strong>in</strong>en <strong>in</strong> Frage<br />
stellenden Ideen und Pr<strong>in</strong>zipien.<br />
7.1.1.4. Paradoxon Nr. 3: CVC benötigt zum Gel<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong> Unternehmensumfeld, das<br />
durch CVC erst geschaffen werden soll.<br />
Die dritte logische Paradoxie zeigt sich, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Grossunternehmen Schwächen<br />
im Innovationsprozess tatsächlich erkannt werden und CVC e<strong>in</strong>geführt wird,<br />
um diesen entgegenzuwirken. Dies sollten eigentlich nach den obigen Ausführungen<br />
ideale Erfolgsvoraussetzungen se<strong>in</strong>, da hier tatsächlich die strategische Notwendigkeit<br />
gesehen wird. Möglicherweise vergessen wird die Tatsache, dass der Erfolg der<br />
CVC-Aktivitäten nur durch e<strong>in</strong>e grundsätzlich offene E<strong>in</strong>stellung des etablierten Unternehmens<br />
für Innovationsthemen zu erreichen ist. Damit setzt das CVC-Konzept<br />
etwas voraus, was hierdurch erst geschaffen werden soll. Dies er<strong>in</strong>nert an e<strong>in</strong> ähnliches<br />
Verhaltensmuster <strong>von</strong> E.ON im Zusammenhang mit dem Aufbau der<br />
Telekommunikationsaktivitäten63 :<br />
63 Der nachfolgende Exkurs basiert auf <strong>in</strong>ternen, unveröffentlichten Dokumenten und Papieren der<br />
VEBA AG.<br />
243
Exkurs: Der Diversifikationsschritt <strong>von</strong> VEBA <strong>in</strong> die Telekommunikation<br />
Viele Gründe sprachen für e<strong>in</strong>e Diversifikation <strong>in</strong> die Telekommunikation. Dieser strategische<br />
Schritt der VEBA wurde vorgenommen, da dieser Branche e<strong>in</strong>erseits hohe globale<br />
Wachstumsperspektiven zugesprochen wurden und zum anderen wesentliche operative<br />
Erfolgsfaktoren und Kompetenzen, um das Geschäft nachhaltig erfolgreich zu entwickeln und zu<br />
betreiben, im VEBA-Konzern als vorhanden betrachtet wurden: Know how zu Netzstrukturen,<br />
Kapazitätsmanagement und Logistik. E<strong>in</strong>e gewisse Nähe der Telekommunikation zum Kerngeschäft<br />
Stromversorgung wurde dar<strong>in</strong> gesehen, dass beides kapital<strong>in</strong>tensive Geschäfte mit<br />
hohen E<strong>in</strong>trittsbarrieren und ausgeprägten politischen Elementen <strong>in</strong> Bezug auf Lizenzerhalt und<br />
Regulierung darstellen. Die Grösse, F<strong>in</strong>anzkraft und das politische Gewicht <strong>von</strong> VEBA wurden als<br />
e<strong>in</strong>deutiger Wettbewerbsvorteil betrachtet. Unterschätzt wurde jedoch die hohe Marktdynamik<br />
sowie die Tatsache, dass die Telekommunikation – anders als das Stromgeschäft - e<strong>in</strong> stark<br />
marktgetriebenes Dienstleistungsgeschäft ist. Market<strong>in</strong>gfähigkeiten bestimmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohen<br />
Mass Kapazitätsauslastung und damit Profitabilität. Diese erfolgskritische Market<strong>in</strong>gkom-petenz<br />
fehlte jedoch. Zunächst ist es nicht verwunderlich, dass vor dem geschilderten H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>genieurgeprägte Organisation diese Eigenschaften nicht besitzt. Ed Sche<strong>in</strong> (2003, S. 44) br<strong>in</strong>gt<br />
es auf die kurze Formel: „Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g culture disda<strong>in</strong>s market<strong>in</strong>g“. Das Fehlen <strong>von</strong><br />
Market<strong>in</strong>geigenschaften wurde aber falsch <strong>in</strong>terpretiert. Man erhoffte sich damals die fehlenden<br />
Kompetenzen gerade durch das Engagement <strong>in</strong> der Telekommunikation zu erwerben und diese<br />
evtl. später auch im Strombereich nutzen zu können. Man übersah dabei, dass Voraussetzung für<br />
e<strong>in</strong> erfolgreiches Engagement e<strong>in</strong>e starke Orientierung an Markt- und Kundenbedürfnissen ist<br />
bzw. Market<strong>in</strong>gkenntnisse s<strong>in</strong>d. Nicht zuletzt hieran scheiterte der nachhaltige Aufbau e<strong>in</strong>er<br />
Telekommunikationssparte.<br />
Damit sche<strong>in</strong>en sich Muster zu wiederholen. Aus den Erfahrungen <strong>von</strong> E.ON im<br />
Telekommunikationsbereich können zwei unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen<br />
werden. Diese s<strong>in</strong>d für die Abschätzung der Erfolgschancen e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes<br />
bedeutungsvoll. Erstens kann argumentiert werden, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em stark an traditionellen<br />
Werten orientierten Energiekonzern Geschäfte, die andere Erfolgsfaktoren besitzen<br />
und für die andere Interpretationsschemen nötig s<strong>in</strong>d, nicht betrieben werden<br />
können und kaum Aussicht auf Erfolg haben. Alle<strong>in</strong> erfolgversprechend wäre demnach<br />
e<strong>in</strong>e Bes<strong>in</strong>nung auf die Kernkompetenzen. Diese Argumentation würde CVC<br />
den Boden für e<strong>in</strong>e unternehmens<strong>in</strong>terne Legitimation entziehen. Es könnte andererseits<br />
argumentiert werden, die Erfahrung im Bereich der Telekommunikation signalisieren,<br />
dass Verhaltensänderungen nötig s<strong>in</strong>d, um anderen Umfeldbed<strong>in</strong>gungen<br />
Rechnung zu tragen und nach anderen Pr<strong>in</strong>zipien funktionierende Geschäfte erfolgreich<br />
betreiben zu können. Möglicherweise können beide Sichtweisen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang gebracht<br />
werden, wenn man das Kriterium der Fristigkeit <strong>in</strong> die Diskussion e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt.<br />
E<strong>in</strong>erseits ist es unwahrsche<strong>in</strong>lich, dass traditionelle Werte kurzfristig geändert werden<br />
können. Der Sprung <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er zur anderen Verhaltensform war ganz offenbar<br />
244
im Fall Telekommunikation zu gross bzw. schneller nötig als operativ machbar. Andererseits<br />
sollte es langfristig zum<strong>in</strong>dest möglich se<strong>in</strong>, Verhaltensänderungen zu<br />
bewirken und auf veränderte Umfeldbed<strong>in</strong>gungen adäquat zu reagieren. Hier könnte<br />
CVC ansetzen. Unterschiedliche Vorstellungen h<strong>in</strong>sichtlich des Zeitbedarfs für<br />
Verhaltensänderungen, die e<strong>in</strong>en Teil der strategischen Effekte <strong>von</strong> CVC ausmachen,<br />
können h<strong>in</strong>gegen für CVC zum Belastungsfaktor werden. Auf diese, mit dem Faktor<br />
Zeit zusammenhängende, und andere Verhaltensmuster wird jetzt e<strong>in</strong>gegangen.<br />
7.1.2. Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>von</strong> CVC durch bestimmte Verhaltensmuster<br />
Mit der eben beschriebenen strukturellen Komplexität und se<strong>in</strong>en Paradoxi sollten<br />
Schwierigkeiten beschrieben werden, die im geschäftsstrategischen Auftrag <strong>von</strong> CVC<br />
bed<strong>in</strong>gt s<strong>in</strong>d und allgeme<strong>in</strong> gültigen Charakter haben. Grundsätzlich haben alle<br />
CVC-Programme mit diesen (abstrakt) vorhandenen Problemen zu kämpfen. Anders<br />
zu beurteilen s<strong>in</strong>d bestimmte Verhaltensmuster. Diese können die Akzeptanz e<strong>in</strong>es<br />
CVC-Ansatzes zusätzlich erschweren oder auch erleichtern. Wie die jeweiligen<br />
Verhaltensmuster ausgeprägt s<strong>in</strong>d, hängt stark vom konkreten E<strong>in</strong>zelfall ab. 64<br />
7.1.2.1. Fehlendes Problembewusstse<strong>in</strong> (Konzern)<br />
Ausgelöst durch die jeweiligen Umfeldfaktoren können sowohl etabliertes Unternehmen<br />
als auch CVC-Gesellschaft Verhaltensweisen entwickeln, die die Realisierung<br />
der für die eigene Legitimation so dr<strong>in</strong>gend benötigten strategischen Wertbeiträge<br />
– oft unbewusst – erschweren. CVC-Programme können z.B. daran scheitern,<br />
dass ke<strong>in</strong> strategisches Problem beim etablierten Unternehmen erkannt wird. Das<br />
Unternehmen bef<strong>in</strong>det sich beispielsweise – wie E.ON - <strong>in</strong> stabilem Fahrwasser und<br />
erwirtschaftet hervorragende Erträge. Den über CVC bereitgestellten Informationen<br />
oder strategischen Optionen wird ke<strong>in</strong> Wert beigemessen. Die Argumentation des<br />
fehlenden oder nicht adressierten strategischen Nutzens zog sich wie e<strong>in</strong> roter Faden<br />
durch die Analyse und soll daher an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Die<br />
Tatsache, dass die Wahrnehmung e<strong>in</strong>es strategischen Nutzens durch das Unterneh-<br />
64 Verhaltensmerkmale und e<strong>in</strong>e hohe strukturelle Komplexität s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>des nicht überschneidungsfrei.<br />
Bestimmte Verhaltensweisen können z.B. die Wahrnehmung der Paradoxien verändern und damit<br />
das Ausmass, <strong>in</strong> dem strukturelle Faktoren e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz fördern oder erschweren, bee<strong>in</strong>flussen.<br />
245
men im Zeitablauf starke Veränderungen erfährt und daher das richtige strategische<br />
Tim<strong>in</strong>g des CVC-Projektes e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt, wird <strong>in</strong> Kapitel 7.2.1.2. vertieft.<br />
7.1.2.2. Falsche Erwartungen und Vorstellungen <strong>von</strong> CVC (Konzern)<br />
Man könnte <strong>in</strong>des auch argumentieren, dass – anders als <strong>in</strong> dem hier vorliegenden<br />
Fall – auch zu hohe Erwartungen an die durch CVC erzielbaren Effekte geschürt<br />
worden seien. Die <strong>in</strong> der Endphase der Internet-Euphorie feststellbaren, <strong>in</strong>nerhalb<br />
kürzester Zeit erzielten Renditen <strong>von</strong> mehreren hundert, teilweise tausend Prozent<br />
wurden <strong>von</strong> vielen Marktteilnehmern damals nicht mehr als exzessive Übertreibungen<br />
gewertet, sondern als Paradigmenwechsel und künftige Normalität. Es schien<br />
zunächst, dass nach vielen exogenen Schocks tatsächlich e<strong>in</strong>e Stufenfunktion stattgefunden<br />
und das System e<strong>in</strong>en neuen Gleichgewichtszustand angestrebt hatte. E<strong>in</strong>ige<br />
Monate später zeigte sich jedoch, dass tatsächlich ke<strong>in</strong>e neue Stabilität erreicht<br />
wurde, sondern das System wieder <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en alten Gleichgewichtszustand zurückfiel;<br />
mit der Folge <strong>von</strong> drastischen Verlusten bei Unternehmensbewertungen und<br />
Kapitalverz<strong>in</strong>sungen (gemessen an dem erreichten Niveau). Ähnlich wie bei den f<strong>in</strong>anziellen<br />
Zielen könnte es sich bei den Erwartungen h<strong>in</strong>sichtlich der strategischen<br />
Zielsetzungen verhalten. Wenn CVC-Ansätze zu bestimmten Zeiten <strong>in</strong> vielen Unternehmen<br />
gleichzeitig enthusiastisch e<strong>in</strong>geführt werden, dann besteht die Gefahr überzogener<br />
Erwartungen h<strong>in</strong>sichtlich des Umfangs der erzielten Effekte. CVC kann<br />
schnell zum „Allheilmittel“ bzw. zur „Wunderwaffe“ gegen Innovationsmüdigkeit<br />
avancieren. Bei e<strong>in</strong>er nüchterner Betrachtungsweise wird deutlich, dass erstens die<br />
Möglichkeit des strategischen E<strong>in</strong>flusses e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en CVC-Teams auf e<strong>in</strong>en<br />
Grosskonzern begrenzt ist. Die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ansonsten recht stabilen System mobilisierbare<br />
Energie ist begrenzt und nur <strong>in</strong> der Lage, Veränderungsimpulse <strong>in</strong> die Organisation<br />
zu geben. Es müssen weitere (prozessuale) Voraussetzungen erfüllt se<strong>in</strong>, damit<br />
das Grossunternehmen diese Impulse aufnimmt und Verhaltensänderungen erfolgen<br />
können (7.2.2.2.). Des Weiteren hat die Analyse gezeigt, dass CVC <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en höchst<br />
komplexen <strong>in</strong>nerbetrieblichen (Innovations-) Prozess e<strong>in</strong>gebunden ist. Ergebnisse<br />
hieraus lassen sich nur schwer prognostizieren und abschätzen. Ebenso lassen sich<br />
Kausalitäten zwischen bestimmten Massnahmen und erreichten Zielen schwer<br />
nachweisen. All dies erschwert den Erfolgsnachweis <strong>von</strong> CVC.<br />
246
E<strong>in</strong>e weitere Gefahr, worunter CVC-Programme <strong>in</strong> der Praxis leiden können, ist die<br />
Tatsache, dass nicht nur die Höhe des durch CVC erreichbaren Effekts überschätzt<br />
wird, sondern auch die Schnelligkeit der Erreichbarkeit. H<strong>in</strong>sichtlich der f<strong>in</strong>anzieller<br />
Ziele wurde bereits gezeigt, dass Führungskräfte des etablierten Konzerns die<br />
typischen Zahlungsströme e<strong>in</strong>er VC-Gesellschaft (Abschreibungen <strong>in</strong> frühen Phasen,<br />
Erlöse aus der erfolgreichen Veräusserung <strong>von</strong> Beteiligung am Ende der<br />
Fondslaufzeit) nicht verstehen und dazu tendieren, vorschnell über den f<strong>in</strong>anziellen<br />
Erfolg e<strong>in</strong>er VC-Gesellschaft zu urteilen.<br />
E<strong>in</strong> Grossteil der strategisch beabsichtigen Effekte be<strong>in</strong>haltet Verhaltensänderungen,<br />
etwa h<strong>in</strong>sichtlich der E<strong>in</strong>stellung gegenüber anderen Lösungsansätzen (wie z.B. im<br />
Fall E.ON zu dezentralen Energieerzeugungssystemen). Die geübten Praktiken und<br />
Rout<strong>in</strong>en haben sich über viele Jahre entwickelt. Es ist offensichtlich, dass e<strong>in</strong> solcher<br />
Änderungsprozess langfristiger Natur ist. Veränderungen können nicht <strong>in</strong>nerhalb<br />
weniger Monate oder Jahre erreicht werden. Insgesamt sche<strong>in</strong>t der Zeitbedarf zur<br />
Erreichung sowohl der strategischen wie f<strong>in</strong>anziellen Ziele grösser zu se<strong>in</strong>, als das<br />
Zeitbudget, dass das Grossunternehmen bereit ist, dem neuen Unternehmen<br />
e<strong>in</strong>zuräumen. CVC-Programme laufen Gefahr, e<strong>in</strong>gestellt zu werden, bevor sie<br />
überhaupt e<strong>in</strong>en Effekt zeigen können.<br />
7.1.2.3. Zu späte Adressierung des strategischen Wertbeitrages (CVC)<br />
E<strong>in</strong>e weitere Komplexität ergibt sich dadurch, dass sich CVC gleichzeitig <strong>in</strong> zwei<br />
organisatorischen Feldern verankern muss. Auf die damit verbundenen Herausforderungen<br />
aufgrund unterschiedlicher Motivationen und Ziele wurde bereits ausgiebig<br />
e<strong>in</strong>gegangen. Aus der Notwendigkeit e<strong>in</strong>er stabilen Vernetzung <strong>in</strong>nerhalb der<br />
VC-Branche ergibt sich noch e<strong>in</strong>e weitere Implikation: Da die Sichtung möglichst vieler<br />
Geschäftspläne <strong>von</strong> jungen Unternehmen <strong>in</strong> der Zielbranche der wichtigste Erfolgsschlüssel<br />
sowohl zur Erreichung der f<strong>in</strong>anziellen wie strategischen Ziele ist, besteht<br />
die Gefahr, dass die neue CVC-E<strong>in</strong>heit nach erfolgtem Umsetzungsbeschluss<br />
ihre gesamte Energie darauf konzentriert, sich stabil <strong>in</strong> der VC-Branche zu verankern.<br />
Da die dortigen Marktteilnehmer vorwiegend an f<strong>in</strong>anziellem Erfolg orientiert<br />
s<strong>in</strong>d, tendiert die CVC-E<strong>in</strong>heit dazu, Renditeziele (noch) stärker zu adressieren, anstatt<br />
zu versuchen, strategische Wertbeiträge für den Konzern darzustellen. Die Ver-<br />
247
ankerung mit der VC-Branche wird dadurch gefördert, die mit dem Konzern jedoch<br />
erschwert. Wenn zudem noch der Umsetzungsbeschluss politisch motiviert war,<br />
wird CVC hierdurch auf den falschen Kurs gebracht und droht daran zu scheitern,<br />
dass e<strong>in</strong>e marktstrategische Begründung <strong>von</strong> CVC nicht mehr erreicht werden kann.<br />
7.1.2.4. Falsches Vorgehen bei der Realisierung strategischer Effekte<br />
Die Tatsache, dass Bewusstse<strong>in</strong>sveränderungen nicht durch abrupte Abkehr <strong>von</strong><br />
gewohnten Mustern, sondern langsam und unter Berücksichtigung der kumulierten<br />
Erfahrung erfolgen, erfordert sowohl durch CVC wie auch <strong>von</strong>seiten des etablierten<br />
Konzerns e<strong>in</strong> höchst sensibles Vorgehen. Im Fall E.ON zeigte sich z.B., dass im S<strong>in</strong>ne<br />
e<strong>in</strong>er klaren Positionierung der neuen E<strong>in</strong>heit die Unterschiede <strong>in</strong> der Geschäftsphilosophie<br />
und <strong>in</strong> grundlegenden Basisprämissen der Arbeit zu stark betont<br />
werden. Dieses Verhalten hat beim Empfänger zu (zusätzlichen) Irritationen, Polarisierungen<br />
und Entfremdungen geführt. Diese Erfahrung lehrt, dass es nicht ausreicht,<br />
die Unterschiedlichkeit der Ansätze zu betonen und die Interpretation der<br />
Daten alle<strong>in</strong>e den Empfängern zu überlassen, sondern dass es notwendig ist, den<br />
dazugehörenden Kontext zu erzeugen. Die Realisierung der strategischen Effekte<br />
benötigt <strong>in</strong>strumentelle und personelle Unterstützung. Nur wenn mit den beschriebenen<br />
Unterschieden h<strong>in</strong>sichtlich Managementphilosophien und Basisprämissen<br />
höchst sensibel umgegangen wird, können Verhaltensänderungen erreicht werden.<br />
Es muss gel<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong>e Integration der beiden Kontexte kognitiv zu erreichen und die<br />
Unterschiede so darzustellen, dass sie <strong>in</strong> das bisherige Interpretationsschema passen.<br />
Auf diesen Erfolgsfaktor wird im folgenden Kapitel noch vertieft e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Es gibt also viele Gründe, woran CVC scheitern kann. Wenn CVC-Projekte extern<br />
stimuliert werden, was ke<strong>in</strong> unwahrsche<strong>in</strong>licher Fall ist, dann besteht die Gefahr,<br />
dass die beschriebene Diskont<strong>in</strong>uität nicht beherrscht wird. CVC hat ferner mit<br />
e<strong>in</strong>igen, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em spezifischen Ansatz liegenden Paradoxien zu kämpfen, die es<br />
erschweren, wertvolle Nutzenbeiträge für den Konzern zu erbr<strong>in</strong>gen. Schliesslich<br />
kann CVC an mangelndem Problembewusstse<strong>in</strong>, fehlenden oder „falschen“ Erwartungen<br />
seitens des Grossunternehmens scheitern. Auf Seiten der CVC-Gesellschaft<br />
liegt die Gefahr, ke<strong>in</strong>en (h<strong>in</strong>reichenden) Lösungsbeitrag für den Konzern zu erbr<strong>in</strong>gen,<br />
<strong>in</strong>dem sie f<strong>in</strong>anzielle Ziele zu stark adressiert oder ke<strong>in</strong>en Zugang zu den sich <strong>in</strong><br />
248
e<strong>in</strong>em anderen Kontext bef<strong>in</strong>dlichen Führungskräften f<strong>in</strong>det. Damit CVC erfolgreich<br />
ist, müssen also viele Bed<strong>in</strong>gungen erfüllt se<strong>in</strong>. Abb. 33 soll dies noch e<strong>in</strong>mal<br />
graphisch verdeutlichen.<br />
Abb. 33: Erfolg <strong>von</strong> CVC benötigt die Erfüllung vieler Bed<strong>in</strong>gungen<br />
und die Beherrschung der strukturellen Komplexität<br />
Strategische Ebene<br />
Probleme und<br />
Erwartungen<br />
Konzern<br />
Operative Ebene<br />
Lösungsbeitrag<br />
CVC-Gesellschaft<br />
Quelle: eigene Abbildung<br />
Ke<strong>in</strong>Problem<br />
Projektidee CVC<br />
nicht konform mit<br />
Erwartungen<br />
Problem<br />
Fokus auf<br />
f<strong>in</strong>anz. Ziele<br />
konform mit<br />
Erwartungen<br />
Friktionen im<br />
Prozess<br />
Fokus auf<br />
strat. Ziele<br />
• Diskont<strong>in</strong>uität / pol. Begründung<br />
• Paradoxi<br />
Effektiver<br />
Prozess<br />
249
7.2. Wie können CVC-Programme erfolgreicher umgesetzt werden?<br />
Die vorangegangene Analyse hat gezeigt, dass e<strong>in</strong>ige Voraussetzungen im<br />
Unternehmen im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> notwendigen, aber nicht h<strong>in</strong>reichenden Bed<strong>in</strong>gungen gegeben<br />
se<strong>in</strong> müssen, damit CVC funktioniert. Gleichzeitig existieren e<strong>in</strong>ige limitierende<br />
strukturelle Randbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Paradoxien und ggf. Diskont<strong>in</strong>uitäten,<br />
die die Umsetzung erschweren können. Es stellt sich die Frage, wie diese Kenntnisse<br />
helfen können, CVC künftig besser <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Grossunternehmen zu verankern.<br />
Zur Beantwortung dieser Frage sollte es helfen, sich noch e<strong>in</strong>mal sehr grundsätzlich<br />
zu vergegenwärtigen, was passiert, wenn e<strong>in</strong> neues Projekt wie CVC <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Unternehmen gestartet wird. Es beg<strong>in</strong>nen zwei soziale Kräfte zu wirken: Die e<strong>in</strong>e<br />
Kraft steht für die Stabilität des bestehenden sozialen Systems. Diese Kräfte s<strong>in</strong>d<br />
Ausdruck e<strong>in</strong>es hohen Interesses an dem Erhalt des Status quo. Sie werden CVC<br />
kritisch sehen. Die andere Kraft steht für Wandel und drückt e<strong>in</strong> hohes Interesse an<br />
Änderungen im System aus. Diese Änderung kann CVC selbst se<strong>in</strong> oder andere<br />
erwünschte Änderungen, auf die sich e<strong>in</strong> CVC-Ansatz positiv auswirkt.<br />
Beide Kräfte können gleichzeitig wirken. E<strong>in</strong> Beispiel: Das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
grossen F&E-Abteilung beim etablierten Unternehmen könnte als grundsätzliche<br />
Offenheit h<strong>in</strong>sichtlich neuer Technologien <strong>in</strong>terpretiert werden. Den – oftmals auch<br />
technischen – Informationen der CVC-E<strong>in</strong>heit kann ausserdem e<strong>in</strong> höherer Wert e<strong>in</strong>geräumt<br />
werden. Aufgrund e<strong>in</strong>er guten Beurteilungskompetenz ist es besser<br />
möglich, das durch CVC generierte Know-how zu bewerten und zu nutzen. All dies<br />
s<strong>in</strong>d eigentlich gute Voraussetzungen für e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz. Andererseits kann CVC<br />
für die zentrale F&E Abteilung als Konkurrenz empfunden werden und daher<br />
Abwehrhaltungen erzeugen. Möglicherweise werden die CVC-Aktivitäten als<br />
„Wildern“ im eigenen, eigentlich abgesteckten Kompetenzfeld und als Konkurrent<br />
im Werben um knappe Ressourcen empfunden.<br />
Letztlich bestimmt der Saldo <strong>von</strong> treibenden und beharrenden Kräften beim Start des<br />
Projektes das Ausgangsniveau an Schubkraft und die Veränderung des Saldos im<br />
Zeitablauf se<strong>in</strong>en Pfad. Dies war auch der gewählte Ansatz <strong>in</strong> der Fallstudie. Dieser<br />
Gedanke soll jetzt wieder aufgegriffen und vertieft werden. So lautet die erste<br />
Empfehlung, vor dem Start e<strong>in</strong>es CVC-Projektes e<strong>in</strong>e umfangreiche Unternehmens-<br />
250
analyse durchzuführen, mit der e<strong>in</strong> Bild über die Anfangskonstellation <strong>von</strong> im Fall<br />
der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC zu erwartenden treibenden und beharrenden Kräften<br />
gewonnen werden kann.<br />
Diese Analyse startet mit e<strong>in</strong>er gesamthaften Abschätzung, ob aufgrund der<br />
beschriebenen strukturellen Komplexitäten (Diskont<strong>in</strong>uität, Paradoxien) die Gefahr<br />
e<strong>in</strong>er gestörten Kommunikation zwischen CVC-E<strong>in</strong>heit und Grossunternehmen<br />
besteht. Werden sie im E<strong>in</strong>zelfall als besonders gravierend und h<strong>in</strong>dernd erachtet<br />
werden, kann es schon alle<strong>in</strong> hieraus zu e<strong>in</strong>em ungünstigen Verhältnis zwischen<br />
treibenden und beharrenden Kräften kommen. Die Realisierung der <strong>in</strong>tendierten<br />
Wertbeiträge kann im Extremfall massgeblich bee<strong>in</strong>trächtigt werden. Im Fall E.ON<br />
führte e<strong>in</strong> hoher politischer Druck zu e<strong>in</strong>er Diskont<strong>in</strong>uität, die dann nicht mehr<br />
beherrscht worden ist. Im Wissen dieser Zusammenhänge lautet die Empfehlung<br />
<strong>in</strong>des nicht, den externen Stimulus für die Initiierung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes zu<br />
unterdrücken. Dies wäre weder realistisch noch s<strong>in</strong>nvoll. Erstens wird der stark<br />
zyklische Charakter <strong>von</strong> CVC immer externe Stimuli auslösen, denen sich Führungskräfte<br />
realistischerweise kaum entziehen. Ausserdem erhalten Führungskräfte aus<br />
der externen Umwelt oft auch positive Impulse für e<strong>in</strong> erfolgreiches Management<br />
ihrer Unternehmen. Es lässt sich <strong>in</strong> den meisten Fällen erst ex post feststellen, welche<br />
Kräfte positiv und welche eher dysfunktional wirkten. Die Empfehlungen beschränken<br />
sich also zunächst darauf, sich e<strong>in</strong> möglichst gutes Bild über daraus möglicherweise<br />
resultierende, im Unternehmen wirkende Kräfte zu machen. Alle<strong>in</strong> die<br />
Erkenntnis, dass sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Umfeldsituation Führungskräfte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
bestimmten Weise verhalten, stellt bereits e<strong>in</strong>en Wert dar. Die gleiche Analyse<br />
könnte h<strong>in</strong>sichtlich der anderen, als besonders erfolgkritisch e<strong>in</strong>geschätzten<br />
Verhaltensmerkmalen des Grossunternehmens erfolgen. Es lohnt sich, zu studieren,<br />
ob das Unternehmen überhaupt e<strong>in</strong> Problem sieht, das es mit CVC zu lösen gilt, wie<br />
konform die Gedanken <strong>von</strong> CVC zu den dom<strong>in</strong>ierenden Vorstellungen und<br />
Erwartungen im Unternehmen s<strong>in</strong>d und ob es bereits Sympathisanten für die CVC-<br />
Idee gibt.<br />
251
Die Kenntnis dieser erwarteten Reaktionen ist die Basis für e<strong>in</strong>e weitere Differenzierung<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der auf CVC wirkenden Kräfte. Diese erfolgt h<strong>in</strong>sichtlich der (erwarteten)<br />
Bee<strong>in</strong>flussbarkeit. E<strong>in</strong> Grossteil der beschriebenen Kräfte wirkt automatisch<br />
und ist schwer kontrollierbar65 . Auch der Faktor Zeit bee<strong>in</strong>flusst die auf CVC<br />
wirkenden Kräfte. Sichere Prognosen s<strong>in</strong>d kaum zu treffen. Aber der Pfad <strong>von</strong> CVC<br />
kann aktiv bee<strong>in</strong>flusst werden, wenn es gel<strong>in</strong>gt, im Unternehmen Kräfte zur Unterstützung<br />
des CVC-Ansatzes zu mobilisieren. Sie s<strong>in</strong>d auch geeignet, Störungen aus<br />
dem Konzernumfeld abzufedern. Das Ausmass dieser mobilisierbaren Kräfte hängt<br />
<strong>von</strong> verschiedenen Faktoren ab: Zunächst <strong>von</strong> der Anzahl der motivierbaren<br />
Mitarbeiter im Unternehmen und <strong>von</strong> der Güte des Prozesses, aus motivierbaren<br />
auch motivierte Mitarbeiter zu machen und diese <strong>von</strong> den Ideen <strong>von</strong> CVC zu<br />
überzeugen und zu vernetzen. E<strong>in</strong>e klare, gute def<strong>in</strong>ierte und nachvollziehbare Rolle<br />
der neuen Unternehmen sowie gute <strong>in</strong>strumentelle und personelle Flankierung<br />
wirken unterstützend. Aus beiden Analyseschritten (E<strong>in</strong>schätzung des Unternehmenssituation<br />
sowie der mobilisierbaren Kräfte) sollte sich e<strong>in</strong> gutes Gesamtbild<br />
65 Dies ist auch die Basisprämisse beim ersten Analyseschritt, der Unternehmensanalyse.<br />
252<br />
Abb. 34: Modellhafte Ableitung <strong>von</strong> Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit,<br />
Chancen und Risiken e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes<br />
E<strong>in</strong>schätzung<br />
Beharrende Kräfte Treibende Kräfte<br />
Unternehmensanalyse Diskont<strong>in</strong>uität?<br />
Paradoxi?<br />
Problembewusstse<strong>in</strong>?<br />
Erwartungen?<br />
Sympatisanten/Sponsor?<br />
mobilisierbare Kräfte<br />
(durch CVC-E<strong>in</strong>heit)<br />
Projektidee CVC<br />
- +<br />
motivierbare Mitarbeiter?<br />
def<strong>in</strong>ierter Prozess?<br />
klare Rolle/Funktion?<br />
Instrumente?<br />
Quelle: eigene Darstellung
über die Chancen und Risiken für CVC <strong>in</strong> dem betrachteten Unternehmen ergeben.<br />
E<strong>in</strong>e Entscheidung, ob es zum Zeitpunkt der Analyse überhaupt Erfolg versprechend<br />
ist, e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz zu <strong>in</strong>itiieren und welche Treiber und Gefahren <strong>in</strong> der<br />
Umsetzung zu erwarten s<strong>in</strong>d, kann dann fundierter als bislang üblich getroffen<br />
werden. Abb. 34 gibt e<strong>in</strong>en Überblick über e<strong>in</strong>e solche Analyse.<br />
7.2.1. Schritt 1: Detaillierte Analyse des Unternehmensumfeldes<br />
Nachdem die vorangegangenen Ausführungen durch e<strong>in</strong>en hohen Grad an Allgeme<strong>in</strong>heit<br />
gekennzeichnet waren, soll nun wieder versucht werden, sehr konkrete<br />
Situationen oder Zustände des Unternehmens zu beschreiben, die bestimmte treibende<br />
oder auch beharrende Kräfte erwarten lassen und damit die Erfolgschancen e<strong>in</strong>es<br />
CVC-Ansatzes positiv oder negativ bee<strong>in</strong>flussen. Sie unterscheiden sich sehr stark<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Ausprägungen Problembewusstse<strong>in</strong> und Konformität zu bestehenden<br />
Vorstellungen und Erwartungen. Natürlich kann ke<strong>in</strong>e Beschreibung aller Umstände<br />
erfolgen, auf die CVC im Unternehmen treffen kann. Auch hier gilt das schon<br />
Erwähnte, dass jede Beschreibung nur ausschnitthaft erfolgen kann und der<br />
gewählte Ausschnitt sich aus dem ergibt, was der Autor als berichtenswert erachtet.<br />
Abb. 35 könnte als <strong>in</strong>haltliche Checkliste kann verstanden werden. Mit ihr sollen für<br />
e<strong>in</strong>e stabile Verankerung <strong>von</strong> CVC wichtige Themenfelder adressiert werden. Je nach<br />
Ausprägung des e<strong>in</strong>zelnen Kriteriums kann im Falle der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC <strong>von</strong><br />
günstigen bzw. ungünstigen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen oder <strong>von</strong> tendenziell fördernden<br />
bzw. eher beharrenden Kräften ausgegangen werden. Die Tatsache, dass viele<br />
Faktoren mite<strong>in</strong>ander vernetzt s<strong>in</strong>d zeigt sich auch dar<strong>in</strong>, dass es schwer ist,<br />
bestimmte Themenfelder (z.B. Unternehmenskultur, organisatorische Akte,<br />
Unternehmensorganisation) scharf <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander abzugrenzen, <strong>in</strong>sbesondere wenn<br />
man es nicht bei e<strong>in</strong>er blossen Beschreibung der Ausprägung belässt, sondern nach<br />
deren Bestimmungsfaktoren sucht.<br />
253
Die Analyse erfolgt – entsprechend der bisherigen Vorgehensweise, allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong><br />
umgekehrter Reihenfolge – auf verschiedenen Ebenen. Zunächst werden aus den Beziehungen<br />
des Unternehmens mit dem externen Umfeld und ihrer Wahrnehmung<br />
durch das Unternehmen, erste Situationen def<strong>in</strong>iert, die die Erfolgschancen e<strong>in</strong>es<br />
CVC-Ansatzes bee<strong>in</strong>flussen dürften. Es schliesst sich e<strong>in</strong>e summarische Analyse <strong>von</strong><br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen an, die den <strong>in</strong>neren Zustand des Unternehmens und die Beziehungen<br />
der Akteure untere<strong>in</strong>ander betreffen. Auch hieraus ergeben sich e<strong>in</strong>ige<br />
Anhaltspunkte zu erwartbaren beharrenden vs. treibenden Kräften. Schliesslich sollen<br />
auf <strong>in</strong> persönlichen Motivstrukturen der Entscheidungsträger liegende Gründe<br />
e<strong>in</strong>gegangen werden, die entweder kompatibel mit e<strong>in</strong>em CVC-Ansatz s<strong>in</strong>d und<br />
diesen daher fördern oder Widerstände gegen e<strong>in</strong>en solchen Ansatz erwarten lassen.<br />
In die Analyse werden bereits e<strong>in</strong>ige Empfehlungen h<strong>in</strong>sichtlich Erfolg versprechender<br />
Gestaltungselemente (etwa die Gewichtung strategischer vs. f<strong>in</strong>anzielle Ziele,<br />
Umgang mit existierenden Normen und Werten) e<strong>in</strong>geflochten. Jeder Abschnitt<br />
schliesst mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Katalog <strong>von</strong> Kontrollfragen. Die Antworten darauf soll-<br />
254<br />
Abb. 35: Unternehmensanalyse (CVC relevante Themen)<br />
Beziehung zwischen<br />
Unternehmen und Umfeld<br />
Marktcharakteristika<br />
wahrgenommene<br />
Marktdynamik<br />
Innerer Zustand<br />
des Unternehmens<br />
Unternehmenskultur/<br />
Risikoaversion<br />
Organisatorische Akte/<br />
Status quo<br />
Unternehmensorganisation/<br />
Machtkonstellation<br />
Innere Motivation<br />
der Akteure<br />
Änderungsnotwendigkeit<br />
des Unternehmens<br />
eigene Chancen/Risiken<br />
Beharrende Kräfte Treibende Kräfte<br />
• Monopol/Oligopol<br />
• kaum technologisches<br />
Innovationspotenzial<br />
• hohe Stabilität<br />
• „Erfolg ist nicht gefährdet“<br />
• akute Unternehmenskrise<br />
• Bürokratie, starre Rout<strong>in</strong>en/Abläufe<br />
• Perfektionismus<br />
• Risikoaversion/Fehlervermeidung<br />
• Kontrolle<br />
• Lange Tradition/Geschichte<br />
• starke Dogmen /„bl<strong>in</strong>de Flecken“<br />
• angespannte F<strong>in</strong>anzlage<br />
• gebundene Assets/Kannibalisierung<br />
• starke Hierarchie/Machtkonzentration<br />
• stabile Machtkonstellationen<br />
• Harmonie im Top-Management<br />
• Unklare Vorstellungen über den<br />
Grad notwendiger Flexibilität<br />
• Spezialisten-Ansatz<br />
• änderungsresistente Traditionalisten<br />
• ke<strong>in</strong>e Personen mit org. Alternativen<br />
• Hohe Wettbewerbs<strong>in</strong>tensität<br />
• vielfältige technologische<br />
Möglichkeiten<br />
• e<strong>in</strong>setzende Dynamik<br />
• zunehmende Zweifel an der<br />
Nachhaltigkeit des Erfolgs<br />
• Netzwerke, <strong>in</strong>formelle Kontakte<br />
• Flexibilität<br />
• Risikobewusstse<strong>in</strong>/Experimente<br />
• Vertrauen<br />
• Junge(s) Unternehmen/Branche<br />
• Offen-/Unvore<strong>in</strong>genommenheit<br />
• freie Ressourcen<br />
• Unterstützung Kerngeschäft<br />
• flache Hierarchien<br />
• divergierende Strömungen<br />
• <strong>in</strong>formelle Netzwerke<br />
• klare Konzernstrategie<br />
• Überschusskapazitäten<br />
• Generalisten-Ansatz<br />
• „e<strong>in</strong>sichtige“ Traditionalisten<br />
• starke, CVC-aff<strong>in</strong>e Koalitionen
ten helfen, die Erfolgschancen <strong>von</strong> CVC im E<strong>in</strong>zelfall besser zu beurteilen. Die mit<br />
der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC betraute Führungskraft muss letztlich darüber entscheiden,<br />
welche Punkte ihrer Me<strong>in</strong>ung nach im Fall des betrachteten Unternehmens<br />
besonders erfolgskritisch s<strong>in</strong>d und besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.<br />
7.2.1.1. Grundlegende Marktcharakteristiken: Branche und Wettbewerbsstruktur<br />
E<strong>in</strong> <strong>Venture</strong> <strong>Capital</strong> Ansatz besitzt e<strong>in</strong>en besonders hohen strategischen Wert, wenn<br />
e<strong>in</strong> umfangreicher Markt für <strong>in</strong>novative Lösungen und e<strong>in</strong>e grosse Anzahl <strong>von</strong><br />
Marktteilnehmern existiert. CVC kann e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e hohe Markttransparenz<br />
schaffen, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong>e grosse Anzahl <strong>von</strong> Geschäftsplänen gesichtet wird, die<br />
ansonsten für das Mutterunternehmen nicht zugänglich wären. Gleichzeitig lassen<br />
sich über e<strong>in</strong>e Auswertung des Dealflows oder e<strong>in</strong>e VC-F<strong>in</strong>anzierung wertvolle<br />
Informationen gew<strong>in</strong>nen und strategische Optionen über neuartige Geschäftsansätze<br />
erschliessen. Die Vernetzung mit dem VC-Markt verursacht hohe Kosten<br />
(Fondsmittel, laufende Budgets, personelle Ressourcen). Diese gilt es <strong>in</strong> jedem<br />
E<strong>in</strong>zelfall mit dem erwarteten Nutzen abzuwägen. Nicht immer würde die<br />
Gegenüberstellung <strong>von</strong> Kosten und Nutzen e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz rechtfertigen.<br />
Branchen unterscheiden sich sehr stark <strong>in</strong> ihrem Level technologischer Möglichkeiten<br />
(Klevorick et al., 1995). In Industrien mit grösseren technologischen Möglichkeiten ist<br />
die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit höher, dass Unternehmer wertvolle Innovationen<br />
identifizieren und angesichts dieser Chancen e<strong>in</strong> <strong>Venture</strong> starten (Shane, 2001).<br />
Damit ist auch das Reservoir an potenziell für den Konzern wertvollem externem<br />
Know-how grösser. Eher <strong>in</strong>novations- und/oder technologieschwache Branchen<br />
(etwa Rohstoff-, Getränke-, Bau<strong>in</strong>dustrie) dürften sich daher grundsätzlich weniger<br />
für e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz eignen.<br />
Das Vorliegen <strong>von</strong> Wettbewerbsmärkten, sollte förderlich für die Realisierung e<strong>in</strong>es<br />
CVC-Ansatzes se<strong>in</strong>. Sie s<strong>in</strong>d auch kompatibel mit dem Selektions- und Unternehmensbewertungsmechanismus,<br />
den Private Equity Investoren bei der Auswahl der<br />
vielversprechendsten Geschäftspläne anwenden. Wenn die Märkte des etablierten<br />
Unternehmen nicht nach Wettbewerbsgesichtspunkten organisiert s<strong>in</strong>d, etwa monopolistisch<br />
oder oligopolistisch, erschwert dies die Durchsetzung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes:<br />
E<strong>in</strong>mal dadurch, dass es wenig Entrepreneure <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em regulierten und damit nur<br />
255
egrenzt bee<strong>in</strong>flussbaren Marktumfeld wagen, e<strong>in</strong> neues technisches oder Geschäftskonzept<br />
zu verfolgen und noch weniger, mit e<strong>in</strong>em marktbeherrschenden Unternehmen<br />
zusammen zu arbeiten. Das Interesse der VC-Branche an so organisierten<br />
Märkten und Branchen ist ebenfalls ger<strong>in</strong>g; nicht nur, weil es nicht genügend<br />
aussichtsreiche Start-up-Unternehmen gibt, sondern auch, weil die Renditeperspektiven<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Marktumfeld – nicht zuletzt wegen regulatorischer<br />
Unsicherheiten - besonders schwer prognostizierbar s<strong>in</strong>d.<br />
Auf der anderen Seite könnte – vor allem aus Sicht <strong>von</strong> Start-up- und VC-Unternehmen<br />
- argumentiert werden, dass Monopolstrukturen langfristig viel „aufgestautes<br />
Innovationspotenzial“ be<strong>in</strong>halten und daher e<strong>in</strong> VC-Ansatz besonders attraktiv<br />
se<strong>in</strong> könnte. Dies führt zurück zur eben getroffenen Aussage, dass der marg<strong>in</strong>ale<br />
Nutzen <strong>von</strong> CVC grösser ist, wenn vielfältige technologische Opportunitäten vorhanden<br />
s<strong>in</strong>d, (Dushnitsky/Lenox, 2005; Cohen, 1995). Es ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Wissenschaft<br />
umstrittene Frage, ob <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Monopolmarkt technologische Opportunitäten und<br />
damit die Innovationsanreize grösser s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong> Wettbewerbsmärkten (Henderson,<br />
1993). Nach Arrow (1962) haben Unternehmen <strong>in</strong> Wettbewerbsmärkten deutlich höhere<br />
Investitionsanreize als Unternehmen <strong>in</strong> Märkten mit Monopolstrukturen. Gilbert/Newbery<br />
(1982) stimmen der These zu, schränken aber e<strong>in</strong>, dass dies nur gilt,<br />
wenn im Monopolfall der Markte<strong>in</strong>tritt blockiert ist. Existiert freier Marktzugang,<br />
dann werden etablierte Unternehmen mit Monopolmacht versuchen, e<strong>in</strong>em Investment<br />
e<strong>in</strong>es neuen Unternehmens zuvor zu kommen, um weiterh<strong>in</strong> <strong>von</strong> der bestehenden<br />
Marktmacht zu profitieren. Dasgubta und Stieglitz (1980) kommen zum gegenteiligen<br />
Schluss: Würde man unterschiedliche Märkte mit gleicher Preiselastizität der<br />
Nachfrage mite<strong>in</strong>ander vergleichen, dann ist <strong>in</strong> Märkten mit wenigen Anbietern e<strong>in</strong>e<br />
höhere Forschungs<strong>in</strong>tensität zu erwarten als <strong>in</strong> Märkten mit vielen Anbietern. Spätere<br />
Forschungsansätze beschäftigten sich mit der Frage, <strong>in</strong>wieweit mit der Innovation<br />
bestehende Marktmacht zerstört und der derzeitige E<strong>in</strong>kommensstrom kannibalisiert<br />
wird. Hieraus lässt sich erklären, dass e<strong>in</strong> neues Unternehmen schon deshalb<br />
grundsätzlich höhere Investitionsanreize als der Monopolist besitzt, weil letzterer<br />
e<strong>in</strong>en (Monopol-) Gew<strong>in</strong>n erzielt, den er mit e<strong>in</strong>er Innovation eventuell gefährden<br />
würde. E<strong>in</strong> neues Unternehmen kann das volle Potenzial aus e<strong>in</strong>er Innovation ausschöpfen<br />
und ist <strong>in</strong> der Lage, hiermit erst e<strong>in</strong>e Monopolsituation zu se<strong>in</strong>en Gunsten<br />
zu schaffen. Insgesamt ist die wissenschaftliche Diskussion zu diesem Thema eher<br />
256
geeignet, Verwirrungen zu erzeugen, als Orientierungshilfen zu geben. Anlass zur<br />
Diskussion geben weniger die Ergebnisse als vielmehr die Basisannahmen.<br />
Auf Basis der Praxiserfahrung <strong>in</strong> der Energiebranche sollen noch e<strong>in</strong>ige ergänzende<br />
H<strong>in</strong>weise gegeben werden: Die Energiebranche ist traditionell durch e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />
Innovationsdynamik gekennzeichnet. EVU nehmen <strong>in</strong> nur sehr ger<strong>in</strong>gem Umfang<br />
Investitionen <strong>in</strong> F&E vor. Solange gefestigte, monopolartige Marktstrukturen<br />
existieren, besitzen junge Unternehmen nur ger<strong>in</strong>ge Anreize, konkurrierende<br />
Lösungen anzubieten. Die Markte<strong>in</strong>trittsbarrieren sowie die damit verbundenen<br />
Geschäftsrisiken werden als zu hoch empfunden. Nur wenige Kapitalgeber würden<br />
dieses unter solchen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen f<strong>in</strong>anzieren. So wird der Innovationspfad<br />
weitgehend durch die EVU und ihr Bestreben nach ständigen Effizienzverbesserungen<br />
ihrer bestehenden Grossanlagen bestimmt. Liberalisierungspfade,<br />
die jetzt deutlicher formuliert und konsequenter umgesetzt werden, sollten die<br />
Chancen für neue Anbieter verbessern, mit <strong>in</strong>novativen Lösungen Marktanteile zu<br />
gew<strong>in</strong>nen. Dies verbessert die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für neue Anbieter. Hieraus<br />
ergibt sich e<strong>in</strong> hohes Innovationspotenzial. Es sche<strong>in</strong>t so, dass dieses Potenzial bzw.<br />
die Entwicklung <strong>von</strong> Energie<strong>in</strong>novationen zunehmend durch branchenfremde<br />
Kapitalgeber (etwa VC-Gesellschaften) und die Politik (über Subventionsanreize)<br />
getrieben wird. Hohe Investitionen zeigen Früchte, <strong>in</strong>dem bestimmte Technologien<br />
(z.B. W<strong>in</strong>d, Solar) allmählich die Marktreife erreichen und Eigenschaften vorweisen<br />
können, die sie weniger abhängig <strong>von</strong> Lenkungsmassnahmen machen. Dies erzeugt<br />
<strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> Momentum für die noch junge „alternative“ Energiebranche. Für<br />
traditionelle EVU h<strong>in</strong>gegen besteht die Gefahr, dass diese trotz ihrer momentan<br />
dom<strong>in</strong>anten Marktstellung zunehmend die Kontrolle über die Innovationstätigkeiten<br />
<strong>in</strong> ihrer Branche verlieren. Dies vergrössert die Unsicherheiten bei der E<strong>in</strong>schätzung<br />
der Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit alternativer Energiekonzepte und des (Stellen-) Wertes<br />
der bestehenden Investitionen. Bestrebungen, bestimmte Innovationen aus geschäftsstrategischen<br />
Gründen zu be- oder verh<strong>in</strong>dern, werden immer weniger effektiv.<br />
Bezogen auf die Ebene e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen, CVC erwägenden Unternehmens hat der Fall<br />
E.ON gezeigt, dass sich das Management <strong>von</strong> Unternehmen <strong>in</strong> regulierten Branchen<br />
<strong>von</strong> dem <strong>in</strong> unregulierten Märkten stark unterscheidet (Mahon/Murray, 1981).<br />
Erfolg <strong>in</strong> Branchen mit hohem regulatorischen E<strong>in</strong>fluss hängt stark <strong>von</strong> der Entwicklung<br />
des regulatorischen Rahmens ab. E<strong>in</strong>e erfolgskritische Kompetenz <strong>in</strong> diesen<br />
257
Branchen liegt <strong>in</strong> der Fähigkeit, diese Entwicklungen antizipieren und durch e<strong>in</strong><br />
gutes Beziehungsmanagement bzw. Lobby<strong>in</strong>g strategisch bee<strong>in</strong>flussen zu können.<br />
Das Management des Regulierers wird zu e<strong>in</strong>em wichtigen Erfolgsfaktor <strong>in</strong> regulierten<br />
Branchen. Es herrscht oft die Erkenntnis vor, dass laufende Gew<strong>in</strong>ne und die<br />
Nachhaltigkeit des E<strong>in</strong>kommensstromes stärker durch die Fähigkeit des Unternehmens<br />
bestimmt werden, die Regulierung zu managen als durch überlegene Technologien<br />
oder e<strong>in</strong>e bessere Positionierung beim Kunden. Für e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz bedeutet<br />
dies aus Sicht des etablierten Unternehmens zweierlei: Ihm wird möglicherweise<br />
ke<strong>in</strong> hoher strategischer Problemlösungsbeitrag zugesprochen, weil den durch CVC<br />
adressierten Themen der technologischen Überlegenheit und der Nutzung <strong>von</strong><br />
Chancen aus sich daraus ergebender, neuer Geschäftsmodelle ke<strong>in</strong> Wert beigemessen<br />
wird. E<strong>in</strong>e CVC-E<strong>in</strong>heit könnte sogar als Bedrohung verstanden werden, weil sie<br />
es wagt, die bisherigen Errungenschaften und den Status quo <strong>in</strong> Frage zu stellen und<br />
e<strong>in</strong>en neuen Kontext für künftigen Erfolg <strong>in</strong> der Branche zu def<strong>in</strong>ieren. Dies könnte<br />
starke Abwehrhaltungen erzeugen.<br />
In e<strong>in</strong>er solchen Situation könnte es CVC schwer haben, <strong>in</strong>terne Akzeptanz zu<br />
erhalten. Aus e<strong>in</strong>er längerfristigen Perspektive und <strong>in</strong> Erwartung <strong>von</strong> Änderungen <strong>in</strong><br />
der Marktstruktur könnte selbst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em oligopolistisch oder monopolistisch<br />
geprägten Markt auch vieles für e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz sprechen. Wenn sich jedoch die<br />
eben beschriebenen E<strong>in</strong>sichten durchsetzen, dass Innovationen langfristig nicht<br />
verh<strong>in</strong>dert, sondern zunehmend extern f<strong>in</strong>anziert werden, dann werden hierdurch<br />
gute Argumente für die Verfolgung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes geliefert. Die zentrale Frage<br />
hierbei ist, wann sich diese E<strong>in</strong>sichten durchsetzen. Dies führt unmittelbar zu der<br />
Frage des Tim<strong>in</strong>gs, auf die im folgenden Abschnitt stärker e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />
Kritische Fragen:<br />
258<br />
- Eignet sich „me<strong>in</strong>e“ Branche überhaupt für e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz? Gibt es vielfältige<br />
technologische Möglichkeiten; s<strong>in</strong>d grundlegend neue Geschäftsmodelle zu erwarten?<br />
- Wie sieht die Private Equity/VC-Branche me<strong>in</strong>e Branche? Existiert hier (schon) e<strong>in</strong><br />
funktionierender Risikokapitalmarkt?<br />
- Hat das Unternehmen überhaupt e<strong>in</strong> übergeordnetes Interesse, das Thema Innovation<br />
zu fördern oder fühlt es sich anderweitig – etwa durch Monopole, Patente – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er
„geschützten“ Marktposition? Welche besonderen Charakteristika weist der Markt<br />
auf?<br />
- im Fall regulierter Märkte: Wie wird sich nach Me<strong>in</strong>ung wichtiger Führungskräfte im<br />
Unternehmen und auch externer Experten das Marktumfeld entwickeln? Welche<br />
Veränderungen zeichnen sich im Ausland ab? Gibt es bereits Kräfte oder<br />
Unternehmen, die die bisherige Marktstruktur herausfordern?<br />
- Lässt me<strong>in</strong>e spezielle Marktstellung <strong>in</strong> der Branche Probleme bei der Vernetzung mit<br />
der VC-Branche respektive Start-up-Unternehmen erwarten? Welches Image hat das<br />
Unternehmen <strong>in</strong> der Öffentlichkeit und damit eventuell später im VC-Markt?<br />
7.2.1.2. Wahrgenommene Marktdynamik: Die Frage des richtigen „Tim<strong>in</strong>gs“<br />
Aus dem oben Dargelegten ergeben sich wichtige Implikationen der externen<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen auf die Innovationstätigkeit <strong>in</strong> der Zielbranche und CVC: Je<br />
dynamischer die Umwelt/Zielbranche, umso mehr kann CVC grundsätzlich nützlich<br />
se<strong>in</strong> (siehe Resource Dependence Model <strong>in</strong> Pfeffer/Salancik, 1978; Teece/Pisano/<br />
Shuen, 1997, S. 510; Henderson/Cockburn, 1994, S. 68). Das oft übersehene Problem<br />
hierbei ist, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation zwar CVC gute Voraussetzungen besitzt,<br />
wichtige neue Informationen zur Verfügung zu stellen. Allerd<strong>in</strong>gs muss auch e<strong>in</strong><br />
Bedarf für diese Informationen artikuliert werden. Wenn die Lernfähigkeit des<br />
Unternehmens zur Assimilierung externer Ressourcen tatsächlich allgeme<strong>in</strong> und vor<br />
allem <strong>in</strong> grossen Unternehmen blockiert ist (Gompers 2002, S. 3), dann auch<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Fähigkeit, mit den durch CVC generierten Informationen<br />
umzugehen. Es wäre also zu kurz gegriffen, auf Basis der Analyse der<br />
Kontextbed<strong>in</strong>gungen lediglich e<strong>in</strong>en verstärkten (abstrakten) Informationsbedarf<br />
aufgrund grösserer Unsicherheiten (etwa <strong>in</strong> Deregulierungsphasen) oder vielfältiger<br />
technischer Opportunitäten nachzuweisen. Entscheidend ist die Wahrnehmung e<strong>in</strong>es<br />
konkreten Bedarfs nach neuem Wissen, etwa auf Grund <strong>von</strong> gefühlten<br />
Informationsdefiziten bei den Entscheidungsträgern. Erst wenn Informationen als<br />
relevant erachtet werden, wird ihnen e<strong>in</strong> Wert beigemessen.<br />
259
CVC kommt zu früh („Icarus-Paradox“): Es wird noch ke<strong>in</strong> Bedarf gesehen<br />
Wie die Analyse gezeigt hat, stellen disruptive Innovationen besonders grosse<br />
Herausforderungen an e<strong>in</strong> etabliertes Unternehmen. Viele scheitern daran, die<br />
nötigen Veränderungen vorzunehmen (Tushman/Anderson, 1986; Hannan/Freeman,<br />
1984; Meyer/Brooks/Goes, 1990), <strong>in</strong>terpretieren <strong>in</strong> solchen Situationen die<br />
Zusammenhänge „falsch“ 66 oder reagieren auf Basis „falscher“ bzw. unangepasster<br />
Mechanismen. Institutionalisierte Entscheidungsmechanismen, die sich <strong>in</strong> der<br />
Vergangenheit bewährt haben und die allgeme<strong>in</strong> akzeptiert s<strong>in</strong>d, können sich <strong>in</strong> dem<br />
neuen Kontext als unbrauchbar erweisen.<br />
Es wurde bereits auf viele Gründe e<strong>in</strong>gegangen, warum Anpassungen unterbleiben<br />
oder zu spät erfolgen (4.4.3). E<strong>in</strong> weiterer liegt dar<strong>in</strong>, dass die (disruptive)<br />
Innovation oft nicht den etablierten Markt attackiert. Charakteristisch für viele neue<br />
Technologien ist es, dass diese ihren vollen Wert <strong>in</strong> neu entstehenden Märkten<br />
entfalten (Christensen/Bower, 1996; Foster, 1986). Diese erodieren dann zunehmend<br />
die traditionellen Märkte. Die etablierten Unternehmen wähnten sich (zu) lange <strong>in</strong><br />
der trügerischen Sicherheit, das traditionelle Geschäft unter Kontrolle und es mit<br />
vernachlässigbaren Nischenaktivitäten <strong>von</strong> Wettbewerbern zu tun zu haben. Die<br />
abnehmende (zunehmende) Bedeutung etablierter (neuer) Märkte hat <strong>in</strong> vielen<br />
Industrien dazu geführt, dass die etablierten Marktführer an Bedeutung verloren<br />
und neue Wettbewerber sich etablieren konnten: Dies wurde <strong>in</strong> den Branchen<br />
Computer, Computer Laufwerke, Transportsysteme, Baufahrzeuge,<br />
betriebswirtschaftliche Software nachgewiesen (Christensen/Rosenbloom, 1995;<br />
Christensen, 1997; Cooper/Schendel, 1976). Auch Meyer/Zucker (1989) belegen durch<br />
zahlreiche Beispiele, dass gut positionierte Unternehmen zu „Underperformern“<br />
wurden, weil sie nicht <strong>in</strong> der Lage waren, sich an die Veränderungen des Umfeldes<br />
anzupassen. Oder <strong>in</strong> Miles and Snow`s Worten: „The Prospector is likely to become<br />
a Defender and, <strong>in</strong> the face of change, possibly a Reactor, a process to which they<br />
implicity allude“ (Miles/Snow 1978, zitiert <strong>in</strong> Kondra/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, 1998).<br />
66 Anstatt falsch, was e<strong>in</strong>e Wertung be<strong>in</strong>haltet, sollte eigentlich besser der Ausdruck „anders als (<strong>von</strong><br />
der CVC-E<strong>in</strong>heit) erwartet“ hier stehen. Aus Gründen der Kürze und des allgeme<strong>in</strong>en Sprachgebrauchs<br />
soll es jedoch weiterh<strong>in</strong> bei dieser Wortwahl bleiben. Der Tatsache der mangelhaften Präzision <strong>in</strong> der<br />
Sprache soll durch Anführungszeichen Rechnung getragen werden.<br />
260
Die Gefahr, notwendige Anpassungen und Verhaltensänderungen aufgrund <strong>von</strong><br />
disruptiven Innovationen nicht oder nicht rechtzeitig vorzunehmen, ist besonders<br />
gross, wenn Unternehmen <strong>in</strong> ihren Märkten hocherfolgreich s<strong>in</strong>d. Erfolg <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
kann zu Selbstzufriedenheit/-gefälligkeit führen. Es fehlt die Motivation,<br />
über Alternativen zum so erfolgreichen derzeitigen Geschäftsmodell nachzudenken.<br />
Die bisher erfolgreiche Strategie wird um jeden Preis weiterbetrieben; Alternativen<br />
werden ausgeblendet. Die Folge ist, dass Unternehmensstrategien immer weniger<br />
ausbalanciert s<strong>in</strong>d. Die Umsetzung der Strategien erfolgt über die bestehenden<br />
Rout<strong>in</strong>en. Je erfolgreicher die Strategie, umso stärker prägt sie wiederum die Rout<strong>in</strong>en.<br />
Es kommt so zu e<strong>in</strong>er wechselseitigen Bestätigung. Dies führt dazu, dass immer<br />
weniger <strong>in</strong> Frage gestellt und immer mehr für selbstverständlich h<strong>in</strong>genommen wird<br />
(„Strukturelles Gedächtnis <strong>von</strong> Unternehmen“, Miller 1990). Das bisherige „Weltbild“<br />
wird immer mehr bestätigt. Organisatorisches Lernen f<strong>in</strong>det nicht statt und<br />
jegliche Flexibilität geht verloren. Die Gültigkeit bewährter Praktiken und Rout<strong>in</strong>en<br />
wird bestätigt. Anstatt über <strong>in</strong>novative Lösungen nachzudenken, wird die bisherige<br />
Kernkompetenz weiter ausgebaut. Die <strong>in</strong>ternen Prozesse und Abläufe werden weiter<br />
perfektioniert. Erfolg <strong>in</strong> der Vergangenheit führt zu Spezialisierung, Übertreibung,<br />
(falschem) Vertrauen, zu Dogmen und Ritualen (Miller, 1990, S. 3-4). Er bee<strong>in</strong>trächtigt<br />
auch die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit <strong>von</strong> riskantem Verhalten <strong>in</strong> der Zukunft (Bromiley,<br />
1991). Dieser Zusammenhang ist gerade im Kontext der Bewertung der<br />
Erfolgschancen e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes wichtig.<br />
Diesen Zusammenhang zwischen Markterfolg und Veränderungsresistenz bezeichnet<br />
Miller (1990) als „Icarus Paradox“. Die personelle Seite dieser Entwicklung besteht<br />
dar<strong>in</strong>, dass erfolgreiche Führungskräfte nach Miller (1990, S. 16ff) <strong>von</strong> ihren<br />
Unternehmen gefeiert werden. Sie werden selbstverliebt, egoistisch und <strong>in</strong>tolerant.<br />
Sie scharen ( 4.3.) e<strong>in</strong>e Reihe gleichges<strong>in</strong>nter Personen um sich herum, die wenig <strong>in</strong><br />
Frage stellen. Es entsteht e<strong>in</strong>e monolithische, zunehmend <strong>in</strong>tolerante Kultur.<br />
Erfolgreiche Führungskräfte und Abteilungen unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation<br />
auch ke<strong>in</strong>e Schritte, um die Strategie oder erprobte Praktiken <strong>in</strong> Frage zu stellen,<br />
die sie selbst erfolgreich gemacht haben. Dies würde auch ihren Status erodieren. Die<br />
Organisation ist quasi e<strong>in</strong>gefroren. Es fehlen jegliche Änderungsimpulse bzw. diese<br />
werden vollends ausgeblendet.<br />
261
Diese E<strong>in</strong>schätzung <strong>von</strong> Miller (1990) beantwortet die im vergangenen Abschnitt<br />
gestellte Frage nach der Motivation <strong>von</strong> Führungskräften zu organisatorischen<br />
Änderungen im Kontext e<strong>in</strong>er CVC-<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>deutig. CVC wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
solchen Umfeld nur ger<strong>in</strong>ge Chancen haben, irgende<strong>in</strong>e positive Wirkung im System<br />
Unternehmen zu entfalten.<br />
CVC kommt zu spät (Panik): In e<strong>in</strong>er Krise wird <strong>in</strong> CVC ke<strong>in</strong> Wert mehr gesehen<br />
Anders könnte sich die Situation aussehen, wenn sich das Unternehmensumfeld<br />
stark wandelt, die Ergebnissituation sich zunehmend verschlechtert und sich die<br />
Unternehmensleitung mit fundamentalen Herausforderungen konfrontiert sieht. Auf<br />
den ersten Blick könnte e<strong>in</strong>e solche Bedrohungssituation gute Voraussetzungen für<br />
e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz bieten.<br />
Die Wahrnehmung e<strong>in</strong>er Bedrohung ist gekennzeichnet durch e<strong>in</strong>en negativen<br />
Fokus, die Betonung <strong>von</strong> Verlusten and das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren<br />
(Jackson/Dutton 1988; Dutton/Jackson 1987). E<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Krise kann als<br />
Katalysator für e<strong>in</strong>e Handlung dienen (Hurst/Rush, 1995). Psychologen haben<br />
gezeigt, dass e<strong>in</strong> typisches Antwortmuster auf Situationen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> Verlust<br />
erwartet wird, e<strong>in</strong>e erhöhte Bereitschaft ist, Ressourcen zu <strong>in</strong>vestieren (Mittal/Ross,<br />
1998). Auch <strong>in</strong> entscheidungstheoretischen Forschungsbeiträgen konnte gezeigt<br />
werden, dass Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er potenziellen Verlustsituation bereit s<strong>in</strong>d, aggressiver<br />
zu <strong>in</strong>vestieren als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er korrespondierenden Gew<strong>in</strong>nsituation (Kahneman/<br />
Tversky, 1984; Mittal/Ross, 1998).<br />
Dies s<strong>in</strong>d trotzdem ke<strong>in</strong>e guten Voraussetzungen für CVC. E<strong>in</strong>e<br />
Bedrohungssituation führt zwar, wie eben gezeigt wurde, zu e<strong>in</strong>em erhöhten<br />
Ressourcene<strong>in</strong>satz, aber auch zu e<strong>in</strong>er höheren Starrheit. Diese wurde im<br />
Zusammenhang mit verme<strong>in</strong>tlichen Widersprüchlichkeiten <strong>in</strong> psychologischen<br />
Forschungsergebnissen gezeigt. Gilbert identifiziert drei typische Verhaltensweisen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bedrohungssituation (Gilbert, o. J. (2), S. 21):<br />
262
Bereitschaft, erhebliche Mittel zu <strong>in</strong>vestieren: Personen <strong>in</strong>vestieren<br />
tatsächlich aggressiver, wenn sie mit e<strong>in</strong>em potentiellem Verlust konfrontiert<br />
s<strong>in</strong>d verglichen mit dem potenziellen Gew<strong>in</strong>nfall (Kahneman/Tversky, 1984),<br />
Fokus auf bestehende Ressourcen: Dieser Mehre<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Mitteln f<strong>in</strong>det im<br />
Kontext der erlernten Verhaltensweisen statt. Ursprüngliche Antwort- und<br />
Verhaltensmuster werden also nicht geändert. Die Bedrohungssituation<br />
veranlasst Führungskräfte, noch stärker auf den bereits e<strong>in</strong>geschlagenen Pfad<br />
zu setzen. In e<strong>in</strong>er Bedrohungssituation wird alle Aufmerksamkeit und<br />
Energie jenen Ressourcen gewidmet, deren Verlust droht und nicht dem<br />
Ressourcen, die gewonnen werden können, da letzere oft neu und andersartig<br />
s<strong>in</strong>d (Hartman/Nelson, 1996; Mittal/Ross, 1998; Dutton, 1992). Führungskräfte<br />
fokussieren sich auf die Verteidigung des alten Geschäftsmodell und der<br />
traditionellen Ressourcenbasis (Tripsas/Gavetti, 2000). Dieses Verhalten steht<br />
im starken Gegensatz zu den Empfehlungen <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der <strong>Corporate</strong><br />
Innovation- und Entrepreneurship-Literatur, dass Führungskräfte sich<br />
bietende Gelegenheiten ungeachtet der derzeit gebundenen Investitionen<br />
nutzen sollten (Stevenson/Jarillo, 1990),<br />
Zusammenziehen <strong>von</strong> Autorität: In e<strong>in</strong>er Krisen- oder Bedrohungssituation<br />
ist e<strong>in</strong>e erhöhte Zentralisierung <strong>von</strong> Macht, e<strong>in</strong> stärkerer Formalisierungsgrad<br />
und e<strong>in</strong>e verstärkte Standardisierung <strong>von</strong> Abläufen feststellbar. (Staw/<br />
Sandelands/Dutton, 1981, S. 513; Hermann, 1963). Führungskräfte fokussieren<br />
sich auf das, was sie am besten können und replizieren bekannte Verhaltensweisen.<br />
In bestimmten Krisensituationen mag dies das richtige Vorgehen se<strong>in</strong><br />
(Hurst/Rush, 1995; Kotter, 1996). Wenn aber die übliche Antwort nicht zur<br />
neuen Umfeldsituation passt, wird e<strong>in</strong> Verhalten nach dem üblichen Muster<br />
zu dysfunktionalem Verhalten führen (Prahalad/Bettis, 1986; Leonard-Barton,<br />
1992; Staw/Sandelands/Dutton, 1981). Abweichende Me<strong>in</strong>ungen werden<br />
weniger akzeptiert (Janis, 1972). Während Situationen, <strong>in</strong> denen ke<strong>in</strong>e<br />
Bedrohung gespürt wird, den operativen E<strong>in</strong>heiten mehr Freiheitsgrade<br />
e<strong>in</strong>geräumt werden (Nutt, 1984; M<strong>in</strong>tzberg/Rais<strong>in</strong>ghani/Theoret, 1976), erfolgt<br />
<strong>in</strong> Bedrohungssituation die Entscheidungsf<strong>in</strong>dung meist zentral.<br />
263
Diese typischen Verhaltensmuster bei Bedrohungssituationen stehen im<br />
Widerspruch zu wesentlichen Grundpr<strong>in</strong>zipien bei CVC: Anstatt aggressiver Investitionen<br />
präferiert CVC die vorsichtige, an die Erfüllung <strong>von</strong> Meilenste<strong>in</strong>en gekoppelte<br />
Mittelausreichung. Zusammenziehen <strong>von</strong> Autorität steht im Gegensatz zum strategischen<br />
Ansatz <strong>von</strong> CVC, aus der Zusammenarbeit mit e<strong>in</strong>em <strong>Venture</strong> Unternehmen<br />
über die Zeit Lerneffekte zu erzielen und diese mit dem Unternehmen zu teilen. Und<br />
schliesslich stehen im Mittelpunkt <strong>von</strong> CVC nicht bestehende Ressourcen, sondern<br />
neue Ressourcen und Geschäftsopportunitäten (Gilbert o.J. (1), S. 5). Die<br />
üblicherweise feststellbaren Verhaltensweisen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bedrohungssituation können<br />
mit den Grundpr<strong>in</strong>zipen <strong>von</strong> <strong>Corporate</strong> Ventur<strong>in</strong>g nicht <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang gebracht<br />
werden. E<strong>in</strong> solcher Ansatz ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation als nicht zielführend.<br />
Schlussfolgerung für das ideale Tim<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes<br />
Es ist anzunehmen, dass weder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Phase, <strong>in</strong> der das etablierte Unternehmen<br />
noch erfolgsverwöhnt ist noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er akuten, massiven Bedrohungssituation, der<br />
264<br />
Abb. 36: Gute Erfolgschancen für CVC nur <strong>in</strong> bestimmten<br />
Unternehmensphasen<br />
Grad der Offenheit<br />
des Unternehmens<br />
für Veränderungen<br />
hoch<br />
niedrig<br />
„e<strong>in</strong>gefrorene Org.“<br />
Selbstgefälligkeit<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Zeitfenster für Veränderungen<br />
= Zeitfenster für CVC<br />
Starrheit<br />
Krise<br />
t: zunehmender<br />
Druck auf das<br />
Stammgeschäft
strategische Wert <strong>von</strong> CVC <strong>von</strong> weiten Teilen der Führungskräfte erkannt bzw.<br />
h<strong>in</strong>reichend gewürdigt wird. Entweder wird ke<strong>in</strong> Problem erkannt, das es zu lösen<br />
gilt oder es wird e<strong>in</strong>e andere Art der Problemlösung bevorzugt.<br />
Das ideale Zeitfenster für die Initiierung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes sche<strong>in</strong>t dann zu se<strong>in</strong>,<br />
wenn zwar das Unternehmen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kerngeschäft noch sehr erfolgreich operiert,<br />
aber zunehmend kritische Fragen zur Nachhaltigkeit dieses E<strong>in</strong>kommensstromes<br />
gestellt werden und dazu, ob das Unternehmen optimal h<strong>in</strong>sichtlich der Bewältigung<br />
der Zukunftsaufgaben positioniert ist. Abb. 36 verdeutlicht diese Zusammenhänge<br />
noch e<strong>in</strong>mal graphisch.<br />
In dieser Situation kommen bei e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedern des Top-Managements erste<br />
Zweifel auf, ob das Ergebnisniveau gehalten werden kann und die Herausforderungen<br />
auf Basis alter Verhaltenweisen, Geschäftsmodelle gemeistert werden<br />
können. Der <strong>in</strong> der Vergangenheit geübte Konsens <strong>in</strong> der Organisation wird gestört,<br />
bisherige Erfolgsfaktoren, Interpretationsschemen und Rout<strong>in</strong>en werden <strong>in</strong> Frage<br />
gestellt und damit Handlungsdruck erzeugt.<br />
In e<strong>in</strong>em Interview im Juni 2006 beschreibt der Leiter des Bereichs Strategie der<br />
E.ON AG, e<strong>in</strong>e solche Situation im Zusammenhang mit der Strategieentwicklung zu<br />
Erneuerbaren Energien:<br />
„… das ist e<strong>in</strong>e Generationenfrage. Sie konnten, als wir die Strategie für die<br />
Erneuerbaren (Energien) präsentiert haben, feststellen, dass für alle, die oberhalb 50<br />
waren, dies alles ideologisch geprägte Themen waren, während die unter 50-jährigen<br />
alle mit e<strong>in</strong>em völlig anderen Selbstverständnis (an dieses Thema) herangegangen<br />
s<strong>in</strong>d. Die s<strong>in</strong>d mit dem gesellschaftlichen Aspekt da rangegangen und haben gesagt:<br />
Das ist e<strong>in</strong>fach etwas, was wir machen; da brauchen wir nicht weiter darüber zu<br />
diskutieren. Erneuerbare Energien gehören zum festen Bestandteil unserer<br />
Gesellschaftsstruktur. Damit brauchen wir uns nur noch über die Frage zu<br />
unterhalten, wie wir das machen und nicht ob wir das machen, während die über 50jährigen<br />
alle noch fragten, ob wir es überhaupt machen.“<br />
Ganz offensichtlich kam es bei E.ON <strong>in</strong> der jüngsten Zeit – ausgelöst vor allem durch<br />
die jüngeren Führungskräfte – zu e<strong>in</strong>em Prozess des Umdenkens h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
265
Haltung zu Erneuerbaren Energien. Strategien und Strukturen im Unternehmen<br />
müssen dann neu ausgerichtet werden, um Dissonanzen <strong>in</strong>nerhalb der Organisation<br />
zu vermeiden (Burgelman/Grove, 1996) und Organisation und Umwelt h<strong>in</strong>sichtlich<br />
der Elemente der Unternehmensstrategie und Strukturen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen<br />
(Venkatraman, 1989; Miller, 1992). Es kommt dann zu Anpassungen im <strong>in</strong>ternen<br />
Unternehmenssystem. Frankenberger (2006) hat bei E.ON zu bestimmten Zeiten<br />
Veränderungen <strong>in</strong> der „Konsistenz-Kurve“ festgestellt und mit e<strong>in</strong>em veränderten<br />
Konsensniveau zwischen den Akteuren im Unternehmen erklärt. Wenn sich das<br />
Umfeld ändert, gibt es <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens unterschiedliche Auffassungen<br />
über den richtigen strategischen Pfad des Unternehmens („Bewahrer“ vs.<br />
„<strong>in</strong>novative Koalitionen“). Autonomes Verhalten wird öfter stattf<strong>in</strong>den und mit der<br />
offiziellen Unternehmensstrategie kollidieren.<br />
CVC kann <strong>in</strong> dieser Situation, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>zelne Führungskräfte andere Sichtweisen<br />
entwickeln, e<strong>in</strong>en hohen Wertbeitrag liefern; etwa <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Informationen über<br />
disruptive Innovationen, E<strong>in</strong>schätzungen zur künftigen Entwicklung der Branche, zu<br />
neuen Geschäftsmodellen, Marktsegmenten und Erfolgsfaktoren. Zudem können<br />
über CVC mit begrenzten Mitteln und Risiko abseits vom Kerngeschäft erste<br />
Investments „testweise“ <strong>in</strong> neue Märkte getätigt werden. Ausnahmsweise können <strong>in</strong><br />
diesem Fall schon alle<strong>in</strong>e die „Rohdaten“ e<strong>in</strong>en Wert besitzen. Die Führungskräfte<br />
des Grossunternehmens übernehmen hier <strong>in</strong> Verfolgung ihrer Eigen<strong>in</strong>teressen die<br />
wichtige und sensitive Funktion, e<strong>in</strong>en unternehmens<strong>in</strong>ternen Überzeugungsprozess<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der „besseren“ Zukunftsstrategie durchzuführen. Dieser Gedanke wird<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der nächsten Abschnitte im Zusammenhang mit der Erörterung <strong>von</strong><br />
unternehmensorganisatorischen und machtpolitischen Aspekten weiter geführt.<br />
Kritische Fragen:<br />
266<br />
Wie ist die derzeitige Erfolgslage? Welche Konstanz weist diese Entwicklung aus?<br />
Wie lässt sich die derzeitige Unternehmenssituation gesamthaft charakterisieren?<br />
(anhaltender Erfolg, akute Krise, Aufbruchstimmung)?<br />
im Erfolgsfall: Wird auch <strong>in</strong> Zukunft <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em anhaltendem Erfolg ausgegangen?<br />
Wor<strong>in</strong> werden die Herausforderungen des Unternehmens gesehen?<br />
im Krisenfall: Als wie fundamental wird diese Krise erachtet? Welche Lösungsansätze<br />
werden verfolgt?
Werden unterschiedliche strategische Optionen ausgewogen und unvore<strong>in</strong>genommen<br />
diskutiert?<br />
S<strong>in</strong>d diese kompatibel mit den Ideen <strong>von</strong> CVC? Welche Fristigkeit haben<br />
Entscheidungen <strong>in</strong> der derzeitigen Situation tendenziell?<br />
Welche aussermarktlichen, externen E<strong>in</strong>flüsse auf das Unternehmen s<strong>in</strong>d spürbar?<br />
Formuliert die Gesellschaft oder andere Interessengruppen (zunehmend) bestimmte<br />
Erwartungen an das Unternehmen?<br />
7.2.1.3. Unternehmenskultur und Risikoaversion<br />
Es liegt <strong>in</strong> der Natur jedes Unternehmens (wie jedes Systems), zunächst e<strong>in</strong><br />
resistentes Verhalten auf Veränderungen zu zeigen. Negative Rückkopplungen s<strong>in</strong>d<br />
zur Erhaltung der Stabilität jedes Systems notwendig. Die Ausführungen zum<br />
optimalen „Tim<strong>in</strong>g“ <strong>von</strong> CVC haben gezeigt, dass Unternehmen zu verschiedenen<br />
Zeiten e<strong>in</strong>en unterschiedlichen Grad an Offenheit und Veränderungsbereitschaft<br />
zeigen und unterschiedliche Vorstellungen darüber entwickeln, für welche Ideen<br />
und Lösungen sie empfänglich s<strong>in</strong>d. Es hängt <strong>in</strong> starkem Masse <strong>von</strong> der<br />
vorherrschenden Unternehmenskultur ab, ob die durch CVC propagierten Werte<br />
E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> das Interpretationsschema der Führungskräfte f<strong>in</strong>den.<br />
Mechanistische Strukturen sorgen durch e<strong>in</strong>en hohen Formalisierungsgrad, e<strong>in</strong>en<br />
unpersönlichen Führungsstil, nicht-partizipative, hierarchische Systeme und starke<br />
Kontrollelemente vor allen D<strong>in</strong>gen bei stabilen Umweltbed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e hohe<br />
<strong>in</strong>nere Stabilität des Unternehmens (Abernathy, 1978). Höchste Effizienz steht im<br />
Mittelpunkt. Diese Situation charakterisiert die Unternehmenskultur <strong>in</strong> der eben<br />
erläuterten, erfolgsverwöhnten Unternehmensphase. Organische Strukturen<br />
h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d wesentlich flexibler, durch e<strong>in</strong> hohes Mass an Partizipation, e<strong>in</strong>en<br />
ger<strong>in</strong>gen Formalisierungsgrad und niedriger ausgeprägten Kontrollelementen<br />
geprägt. Die Verbundenheit des Unternehmens mit den derzeitigen Werten ist<br />
weitaus schwächer als im erstgenannten Fall. E<strong>in</strong> hohes Mass an Unsicherheit und<br />
Dynamik im Marktumfeld treibt die Unternehmensstrukturen <strong>in</strong> Richtung organisch<br />
(M<strong>in</strong>tzberg, 1979), da diese e<strong>in</strong>e bessere Fähigkeit zur Informationsverarbeitung und<br />
Anpassung an diskont<strong>in</strong>uierliche Innovationen besitzen. Organisationsökonomen<br />
schlagen vor, dass die <strong>in</strong>terne Vielfalt („diversity“) <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens mit<br />
der externen Turbulenz korrespondieren muss, um auf die Dynamik <strong>in</strong> der Umwelt<br />
267
angemessen reagieren zu können (McGrath, 1998). Für CVC ergibt sich hieraus e<strong>in</strong><br />
Dilemma: E<strong>in</strong>erseits ist es schwierig, <strong>in</strong> formalistischen Organisationsstrukturen Fuss<br />
zu fassen und Aufmerksamkeit für Innovationsthemen zu erzeugen, obgleich <strong>in</strong><br />
Zeiten verstärkten Wandels der Bedarf an neuen Informationen aus dem externen<br />
Umfeld wächst. Organische, stark vernetzte, weniger hierarchisch geprägte<br />
Unternehmensstrukturen s<strong>in</strong>d im Allgeme<strong>in</strong>en offener für neue Ideen. In e<strong>in</strong>em<br />
solchen Umfeld ist es für e<strong>in</strong>e CVC-E<strong>in</strong>heit wesentlich leichter, Adressaten für ihre<br />
Ideen zu f<strong>in</strong>den und sich mit dem etablierten Unternehmen zu verb<strong>in</strong>den.<br />
Andererseits zeigen Organisationen, die auch nach aussen gut vernetzt s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>en<br />
ger<strong>in</strong>geren Bedarf für CVC, weil relevante Informationen auch anderweitig zu<br />
ger<strong>in</strong>gen Kosten beschafft werden können.<br />
E<strong>in</strong> zur Beurteilung der Erfolgschancen <strong>von</strong> CVC-Ansätzen wichtiges Element der<br />
Unternehmenskultur ist die allgeme<strong>in</strong>e Risikoe<strong>in</strong>stellung des Unternehmens bzw.<br />
se<strong>in</strong>er Führungskräfte. Im Rahmen der Fallstudie wurde gezeigt, dass sich<br />
Führungskräfte grosser, etablierter Unternehmen üblicherweise risikoavers verhalten<br />
und dadurch getrieben s<strong>in</strong>d, Fehler um jeden Preis zu vermeiden. Dieses Verhalten<br />
ist mit der risikobewussten und Fehler ausdrücklich e<strong>in</strong>kalkulierenden Managementphilosophie<br />
<strong>von</strong> CVC nicht kompatibel. Innovative Unternehmen bestrafen ihre<br />
Entrepreneure für „Fehler“ nicht (Jel<strong>in</strong>ek/Schoonhoven, 1990; Garud/Van de Ven,<br />
1992). Stattdessen fördern sie e<strong>in</strong>en Prozess, aus diesen Fehlern zu lernen (L<strong>in</strong>dblom,<br />
1959; Qu<strong>in</strong>n, 1978; Chakravarthy, 1982). Wenn Fehler nicht toleriert werden und die<br />
Me<strong>in</strong>ung vorherrscht, dass diese möglichst im Vorfeld durch e<strong>in</strong>e besonders<br />
fundierte Analyse auszuschliessen s<strong>in</strong>d, dann hat CVC e<strong>in</strong>en schwierigen Stand.<br />
Man könnte <strong>in</strong>des argumentieren, dass e<strong>in</strong> CVC-Ansatz sehr gut mit e<strong>in</strong>em<br />
risikoaversen Verhalten <strong>von</strong> Führungskräften vere<strong>in</strong>bar ist, <strong>in</strong>dem der hilft,<br />
Unsicherheiten zu reduzieren. Durch frühzeitige Information („w<strong>in</strong>dow on<br />
technology“) können aus dem Marktumfeld erwachsende Risiken besser erkannt<br />
werden. Dies hilft, die Entscheidungssituation besser zu def<strong>in</strong>ieren. Entscheidungsträger<br />
könnten jedoch geneigt se<strong>in</strong>, diese langfristig Risiken reduzierende Wirkung<br />
<strong>von</strong> CVC nicht h<strong>in</strong>reichend zu würdigen. Sie werden im Zusammenhang mit der<br />
Genehmigung <strong>von</strong> Investitionsvorlagen kurzfristig mit e<strong>in</strong>er naturgemäss<br />
hochriskanten Anlageklasse konfrontiert und bewerten die Kosten, Investitionsentscheidungen<br />
tätigen oder mittragen zu müssen, die aktuell durch e<strong>in</strong> hohes Mass an<br />
268
Unsicherheit und Risiken geprägt s<strong>in</strong>d, höher als den langfristig Risiken<br />
m<strong>in</strong>imierenden Effekt solcher Investitionen. Risikoaverse Entscheidungsträger<br />
mögen solchen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Entscheidung nicht. Risikokapital und<br />
risikoaverse Anlagen bzw. Verhaltensweisen schliessen e<strong>in</strong>ander aus (Rosenstiel,<br />
1999; Kahneman/Lovallo, 1993).<br />
Es besteht auch die Gefahr, dass auch der potenzielle Nutzen, durch CVC Geschäftsoptionen<br />
für den Konzern „frühzeitig und zu e<strong>in</strong>em noch niedrigen Preis“ zu erschliessen,<br />
<strong>von</strong> risikoaversen Entscheidungsträgern nicht gewürdigt wird. Sie empf<strong>in</strong>den<br />
– so die Praxiserfahrung des Autors – die Bewertung <strong>von</strong> Frühphasenunternehmen<br />
angesichts fehlender „belastbarer“ Erfolgsnachweise bzw. e<strong>in</strong>es technischen<br />
Prototypes oft für überzogen. E<strong>in</strong> risikoaverser Investor diskontiert Zahlungsströme<br />
höher ab als e<strong>in</strong> risikoerfahrener. Er wird den <strong>von</strong> der CVC-E<strong>in</strong>heit für e<strong>in</strong>e Beteiligung<br />
an e<strong>in</strong>em Frühphasenunternehmen gezahlten Marktpreis meist für zu hoch halten.<br />
Hat sich allerd<strong>in</strong>gs das Unternehmen erfolgreich am Markt durchsetzen können,<br />
dann zahlen Grosskonzerne üblicherweise mehr als andere VC- oder f<strong>in</strong>anzielle Investoren.<br />
E<strong>in</strong> Grund hierfür dürfte <strong>in</strong> zusätzlichen strategischen Nutzenpotenzialen<br />
für das etablierte Unternehmen liegen. Gompers (2002, S. 2) hat e<strong>in</strong>e andere Erklärung<br />
für die gezahlten Bewertungsprämien. Er argumentiert, dass unabhängige VC-<br />
Gesellschaften Beteiligungsmöglichkeiten an Start-up-Unterneh-men den CVC-<br />
Gesellschaften erst <strong>in</strong> späteren F<strong>in</strong>anzierungsrunden e<strong>in</strong>räumen, wenn grosse Cash-<br />
Beträge aufgebracht werden müssen. Nicht zuletzt um die Beteiligungsquoten der<br />
Erst<strong>in</strong>vestoren hoch zu halten, werden die Bewertungen hoch geschraubt.<br />
Die spezifische, e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz erschwerende Nutzenfunktion risikoavers<br />
e<strong>in</strong>gestellter Führungskräfte e<strong>in</strong>es etablierten Konzerns wird <strong>in</strong> Abb. 37 graphisch<br />
dargestellt. Die beiden Iso-Nutzenfunktionen kennzeichnen Komb<strong>in</strong>ationen<br />
zwischen Unternehmensrisiko des Start-up-Unternehmens und se<strong>in</strong>er<br />
Unternehmensbewertung, die für e<strong>in</strong>e bestimmte Partei (hier: VC-Investor, Konzern)<br />
gleichen Nutzen stiften. E<strong>in</strong> risikoaverser Konzern wird weniger als e<strong>in</strong> erfahrener,<br />
risikobewusster Investor für e<strong>in</strong> Unternehmen zu bezahlen bereit se<strong>in</strong>, das noch hohe<br />
Unternehmensrisiken aufweist und dessen Markterfolg <strong>in</strong> höchstem Masse unsicher<br />
ist. Dies charakterisiert die Situation e<strong>in</strong>es Frühphasenunternehmens („Seed“, T0/32).<br />
Mit zunehmendem technischem Fortschritt und Markterfolg s<strong>in</strong>ken die Geschäftsrisiken.<br />
Gleichzeitig steigt se<strong>in</strong>e Bewertung („Start-up“, T1/32). Noch immer<br />
269
270<br />
Abb. 37: Je nach Risikoaversion unterscheidet sich der wahrgenommene<br />
Nutzen <strong>in</strong> verschiedenen F<strong>in</strong>anzierungsphasen<br />
Unternehmensrisiko<br />
Konzern<br />
Vom Konzern<br />
empfundene<br />
Überbewertung<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Iso-Nutzenfunktion<br />
VC-Investor<br />
T 0 (Seed)<br />
T 1 (Start-up)<br />
G<br />
T 2 (pre-IPO)<br />
t x<br />
Unternehmensbewertung<br />
wird der Konzern e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Zahlungsbereitschaft als der VC-Investor aufweisen;<br />
allerd<strong>in</strong>gs werden die Unterschiede (graue, gestrichelte L<strong>in</strong>ie) ger<strong>in</strong>ger. Wenn e<strong>in</strong>e<br />
hohe Aussicht besteht, dass sich das Unternehmen erfolgreich am Markt etablieren<br />
kann („pre-IPO“, T2/32), dann wird auch das Unternehmen vom Konzern als relevant<br />
wahrgenommen. Aufgrund der erwähnten Komplementaritäten zum bestehenden<br />
Geschäft, oder um negative Auswirkungen auf dieses aus dem Markte<strong>in</strong>tritt des<br />
neuen Unternehmens zu verh<strong>in</strong>dern oder zu kompensieren, s<strong>in</strong>d Konzerne bereit,<br />
dann sogar mehr zu zahlen als F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>vestoren. Je stärker sich die Iso-Nutzenfunktion<br />
<strong>von</strong> erfahrenem VC-Investor gleichen, umso ähnlicher der „M<strong>in</strong>dset“ <strong>von</strong><br />
Konzern und VC-Investor im Bezug auf die Bewertung der Chancen und Risiken <strong>von</strong><br />
Start-up-Unternehmen. Weichen aufgrund e<strong>in</strong>er extrem hohen Risikoaversion des<br />
Konzerns die Nutzenfunktion signifikant <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander ab, wird es schwer, dass die<br />
<strong>von</strong> durch die CVC-E<strong>in</strong>heit getätigten Frühphasen<strong>in</strong>vestitionen als relevant bzw.<br />
<strong>in</strong>teressant erachtet werden. So wird auch CVC nicht als nützlich erachtet. Die exakte<br />
Ausprägung der Iso-Nutzenfunktion durch das Interpretationsschema der<br />
Führungskräfte stark geprägt und damit mit durch den Glauben an alte Werte und
Erfolgsmuster. Werden diese als weiterh<strong>in</strong> gültig erachtet, wird auch jede<br />
Alternative als hochriskant e<strong>in</strong>geschätzt werden.<br />
Kritische Fragen 67 :<br />
- Wie gross s<strong>in</strong>d die Kulturunterschiede; e<strong>in</strong>erseits zwischen etabliertem<br />
Unternehmen und CVC und andererseits <strong>in</strong>nerhalb des etablierten Unternehmens?<br />
- Gibt es e<strong>in</strong>e homogene Kultur im Unternehmen; werden fremde Strömungen<br />
gefördert, respektiert oder möglichst unterbunden?<br />
- In welchem Mass ist die grundsätzliche Philosophie <strong>von</strong> CVC mit der bestehenden<br />
Unternehmenskultur <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen? Wo stecken die grössten Risiken?<br />
- Wird das E<strong>in</strong>gehen <strong>von</strong> Risiken belohnt oder bestraft? Werden Fehler toleriert?<br />
Wenn ja, <strong>in</strong> welchem Ausmass?<br />
- Welche Ziele betonen die Anreizsysteme des Unternehmens?<br />
- Herrscht im Unternehmen eher das Pr<strong>in</strong>zip Kontrolle oder Vertrauen vor? Welche<br />
Personen geniessen im Unternehmen Vertrauen? Wie können diese charakterisiert<br />
werden?<br />
- Existieren <strong>in</strong> hohem Masse formalisierte oder bürokratische Abläufe?<br />
- Welchen Stellenwert haben die Werte „Perfektion“ und „Effizienz“ im<br />
Unternehmen? Wie stark prägen sie die Rout<strong>in</strong>en und (damit) das Verhalten der<br />
Entscheidungsträger?<br />
- Welche Bedeutung haben im Unternehmen <strong>in</strong>formelle Berichtswege und<br />
Netzwerke?<br />
7.2.1.4. Organisatorische Akte / Status quo<br />
Dass CVC e<strong>in</strong>en anderen Kontext besitzt als der Rest des Konzerns, ist e<strong>in</strong> prägendes<br />
Element dieses Ansatzes. Erfolgskritisch ist der Grad der Unterschiedlichkeit<br />
komb<strong>in</strong>iert mit der Bereitschaft des etablierten Unternehmens, sich mit dem neuen<br />
Kontext aktiv ause<strong>in</strong>ander zu setzen. Es wurde eben gezeigt, dass letztere durch die<br />
Unternehmenskultur mitbestimmt wird. Der im Unternehmen vorherrschende Grad<br />
der Risikoaversion ist e<strong>in</strong> guter Indikator für die Unterschiedlichkeit <strong>in</strong> der<br />
Wahrnehmung neuer Geschäftsopportunitäten. An dieser Stelle soll analysiert<br />
67 E<strong>in</strong> gutes Hilfsmittel zur Erfassung der Unternehmenskultur bietet Sche<strong>in</strong> (2003b)<br />
271
werden, welche weiteren Faktoren – neben der eben beschriebenen Umweltdynamik<br />
- die Unternehmenskultur und das Verhalten <strong>von</strong> Führungskräften prägen. Im<br />
Rahmen der Fallstudie wurde anhand e<strong>in</strong>er umfangreichen historischen Analyse<br />
gezeigt, dass Erfahrungen <strong>in</strong> der Vergangenheit <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Rout<strong>in</strong>en, Heuristiken<br />
und Glaubensmustern gespeichert werden. Sie werden <strong>von</strong> den meisten Mitarbeitern<br />
im Unternehmen praktiziert und dienen als Orientierungsgrösse, wenn<br />
Unternehmen bzw. ihre Mitarbeiter mit mehrdeutigen und nicht leicht zu<br />
<strong>in</strong>terpretierenden Signalen aus dem externen Umfeld konfrontiert werden ( 4.3.2.).<br />
Auch Alter, Gründungszeitpunkt und Gründer bestimmen <strong>in</strong> starkem Masse die<br />
Unternehmenskultur (Holbrook/Cohen/Hounshell/Klepper, 2000). Je älter und<br />
traditionsreicher e<strong>in</strong> Unternehmen ist, umso grösser ist auch die Gefahr <strong>von</strong><br />
Dogmatisierungen sowie <strong>von</strong> Abschottung <strong>von</strong> externen Informationen. Auch<br />
„bl<strong>in</strong>de Flecken“, etwa resultierend aus schlechten Erfahrungen <strong>in</strong> der<br />
Vergangenheit mit hochdynamischen, <strong>in</strong>novativen Geschäften (im Fall E.ON:<br />
Telekommunikations-, Powerl<strong>in</strong>e-, Solaraktivitäten) verstärken diese Tendenz.<br />
Erfahrungen sammelt das Unternehmen auch aus der Interaktion mit anderen<br />
Unternehmen oder Institutionen <strong>in</strong>nerhalb des organisatorischen Feldes. Auch diese<br />
prägen die Kultur und se<strong>in</strong> Verhalten. E<strong>in</strong> Unternehmen wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er traditionell<br />
stark vernetzten Branche e<strong>in</strong> höheres Mass an isomorphem Verhalten und Risikoaversion<br />
zeigen als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eher losen Verbund ( 4.4.2.1.). Unternehmen, die sich<br />
am Rand e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>stitutionellen Sektors bef<strong>in</strong>den, fühlen sich weniger mit dem<br />
vorherrschenden Muster verbunden und können leichter neue Organisationsmuster<br />
entwickeln also solche, die sich im Zentrum bef<strong>in</strong>den (wie z.B. E.ON).<br />
Die Historie des Unternehmens prägt das Verhalten und dieses wiederum die<br />
Entscheidungen des Unternehmens. Die Summe der <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
getroffenen Entscheidungen reflektiert den Status quo des Unternehmens: se<strong>in</strong>en<br />
Kapitalstock, se<strong>in</strong>e Marktposition, se<strong>in</strong>e Ergebnissituation oder auch die Prioritäten<br />
des Managements. Insofern ist es hilfreich, den Status quo als Ergebnis <strong>von</strong><br />
vergangenem Verhalten und Entscheidungen zu betrachten. Erfolg <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
ist oft verbunden mit e<strong>in</strong>er guten Cash Flow Situation. Solche Unternehmen<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits eher bereit, Geld <strong>in</strong> CVC zu stecken, als solche mit sehr knappen<br />
Mitteln. Zahra (1991) weißt e<strong>in</strong>en positiven Effekt e<strong>in</strong>er hohen F<strong>in</strong>anzkraft/<br />
Entrepreneurship auf <strong>Corporate</strong> Entrepreneurship nach. E<strong>in</strong>e komfortable<br />
272
Ertragslage öffnet nicht nur die Möglichkeiten für Engagements, die bei e<strong>in</strong>er<br />
angespannten F<strong>in</strong>anzlage nicht getätigt werden würden. Sie wirkt auch der eben<br />
beschriebenen starken Risikoaversion entgegen. In e<strong>in</strong>er solchen Situation tendieren<br />
Führungskräfte dazu, <strong>in</strong> begrenztem Rahmen zu experimentieren. Sie s<strong>in</strong>d sogar<br />
bereit, im Falle negativer Entwicklungen e<strong>in</strong> grösseres Durchhaltevermögen zu<br />
zeigen (S<strong>in</strong>gh, 1986, March/Shapira, 1992, Garud/Van de Ven 1992, S. 95).<br />
Andererseits macht aber – wie ebenfalls zuvor gezeigt wurde - Erfolg <strong>in</strong> der<br />
Vergangenheit bl<strong>in</strong>d für Veränderungen. Dann besteht die Gefahr, dass<br />
Unternehmen aufgrund e<strong>in</strong>er guten Erfolgslage leichtfertig die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>es<br />
CVC-Ansatzes beschliessen – entweder <strong>in</strong> Reaktion auf e<strong>in</strong>en externen Druck oder<br />
weil sie CVC als Experiment verstehen - , aber nicht wirklich durch die Realisierung<br />
<strong>von</strong> umfangreichen strategischen Effekten getrieben s<strong>in</strong>d. Das Scheitern des<br />
„Experiments“ wäre dann schon vorprogrammiert.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich des empfundenen E<strong>in</strong>flusses <strong>von</strong> CVC auf das bestehende Kerngeschäft<br />
wurde die Frage der Kannibalisierung schon ausgiebig diskutiert. Es empfiehlt sich<br />
bei diesem immer wieder vorgebrachten Argument gegen bestimmte VC-<br />
Investitionen zwischen den verborgenen Ängsten (weiche Faktoren) und harten<br />
Sachargumenten zu unterscheiden und den wahren Ängsten und Argumente auf die<br />
Spur zu kommen. CVC-Ansätze müssen jedoch ke<strong>in</strong>eswegs den Status quo bzw. den<br />
aktuelle Marktposition immer nur negativ bee<strong>in</strong>flussen. Mithilfe CVC können auch<br />
positive Produktkomplementaritäten genutzt werden. Intel beispielsweise nutzte<br />
se<strong>in</strong>en CVC-Ansatz vor allen D<strong>in</strong>gen dafür, um damit die externe Entwicklung <strong>von</strong><br />
Anwendungen zu fördern, die auf den eigenen Prozessoren basieren und damit ihre<br />
Verbreitung fördern (Gawer/Cusumano, 2002). In ähnlicher Weise f<strong>in</strong>anzierten<br />
grosse Unternehmen wie Palm oder Sony Software-Applikationen für ihren PDA<br />
bzw. die Sony Playstation II (Katz/Shapiro, 1994) und verbessern damit die<br />
Absatzbasis <strong>in</strong> ihren Kerngeschäften. Dies s<strong>in</strong>d nicht die e<strong>in</strong>zigen<br />
Komplementaritäten zum derzeitigen Geschäft des Unternehmens, die CVC stark<br />
begünstigen. Die Motivation <strong>von</strong> etablierten Unternehmen, CVC e<strong>in</strong>zusetzen, kann<br />
auch dar<strong>in</strong> bestehen, damit Zugang zu sonst geschütztem Know-how <strong>von</strong> Start-up<br />
Unternehmen zu erhalten: Je schwächer die Möglichkeiten des <strong>Venture</strong><br />
Unternehmens s<strong>in</strong>d, se<strong>in</strong> Know-how zu schützen, desto lukrativer ist e<strong>in</strong> CVC-<br />
Ansatz für etablierte Unternehmen aus strategischer Sicht (Anand/Galetovic, 2000;<br />
Gans/Stern, 2003). E<strong>in</strong>schränkend muss jedoch hier darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, dass<br />
273
unabhängige VC-Investoren erstens unter f<strong>in</strong>anziellen Gesichtspunkten <strong>Venture</strong><br />
Unternehmen mit gut geschütztem Know-how bevorzugen und zweitens darauf<br />
h<strong>in</strong>wirken werden, dass strategische Interessen des etablierten Unternehmens nicht<br />
zu stark artikuliert werden. E<strong>in</strong>e stabile Zusammenarbeit aller Beteiligten wäre durch<br />
e<strong>in</strong>e zu starke Forcierung dieser Interessen gefährdet.<br />
Kritische Fragen:<br />
274<br />
- Wie würden andere Bereiche, Teilkonzerne auf die E<strong>in</strong>richtung <strong>von</strong> CVC reagieren?<br />
Gibt es eher Komplementaritäten (welche?) oder werden starke Kannibalisierungseffekte<br />
erwartet?<br />
- Wie geht die Unternehmenszentrale mit operativen Bedenken um? Wie hoch ist die<br />
Bereitschaft ausgeprägt, e<strong>in</strong>e Kannibalisierung oder konzern<strong>in</strong>terne Konkurrenz<br />
zuzulassen?<br />
- Welche Erfahrung hat das Unternehmen mit völlig neuen Märkten? Gibt es negative<br />
Lehren? Wie ist das Unternehmen mit Misserfolgen (z.B. gescheiterte Diversifikation)<br />
unternehmens<strong>in</strong>tern und gegenüber Externen (z.B. Aktionären)<br />
umgegangen?<br />
- Was tun andere Unternehmen der Branche oder im weiteren Umfeld? Wie stark<br />
prägt das eigene Unternehmen die Branche oder wird durch diese geprägt?<br />
- Erlaubt die derzeitige Cash-/Erfolgslage e<strong>in</strong> CVC-Investment? Welche alternativen<br />
Investmentmöglichkeiten gibt es? Wie knapp s<strong>in</strong>d die Mittel?<br />
- Wie stabil wird die Cashflow Situation <strong>in</strong> den nächsten Jahren e<strong>in</strong>geschätzt? Hat das<br />
Geschäft des Unternehmens stark zyklischen Charakter? Wie lange dauert e<strong>in</strong><br />
typischer Zyklus?<br />
7.2.1.5. Unternehmensorganisation und Machtkonstellationen 68<br />
Druck <strong>von</strong>seiten des Markt- und <strong>in</strong>stitutionellen Umfeldes kann Auslöser für<br />
notwendige Veränderungen des Unternehmens se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> strategischer Wertbeitrag<br />
<strong>von</strong> CVC ist es, diesen Veränderungsdruck <strong>in</strong> das etablierte Unternehmen zu<br />
transportieren und ggf. zu verstärken. In den vergangenen Kapiteln wurde gezeigt,<br />
dass aber e<strong>in</strong> System, das <strong>in</strong> sich völlig geschlossen, harmonisch und stabil ist, ke<strong>in</strong>e<br />
68<br />
E<strong>in</strong>en guten Überblick gibt Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs (1996). Hierauf basieren auch wesentliche<br />
Aussagen dieses und des nächsten Abschnittes
Motivation für Änderungen entwickelt. Das System ist quasi „e<strong>in</strong>gefroren“. Es<br />
wurde ebenfalls dargelegt, dass sich Änderungsprozesse <strong>von</strong> <strong>in</strong>nen entwickeln und<br />
Mikro- bzw. Rout<strong>in</strong>eprozesse allmählich angepasst werden. Ob tatsächlich<br />
organisatorische Veränderungen stattf<strong>in</strong>den, hängt auch im starken Masse <strong>von</strong> der<br />
Unternehmensorganisation ab. Auf e<strong>in</strong>ige Aspekte ist bereits im Zusammenhang mit<br />
unternehmenskulturellen Merkmalen e<strong>in</strong>gegangen worden. Daher sollen hier stärker<br />
Fragen der Verteilung und Organisation <strong>von</strong> Macht adressiert werden.<br />
E<strong>in</strong> Unternehmen ist e<strong>in</strong> hochkomplexes System unterschiedlicher Gruppen mit<br />
diversen Aufgaben<strong>in</strong>halten und Positionen. Diese Gruppen verhalten sich nicht neutral<br />
oder <strong>in</strong>different zue<strong>in</strong>ander, sondern haben unterschiedliche Sichtweisen, etwa<br />
zum Unternehmenszweck, zu Ereignissen aus dem Markt- bzw. <strong>in</strong>stitutionellen Umfeld,<br />
den daraus erwachsenden Chancen und Risiken (Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, 1996).<br />
Sie versuchen e<strong>in</strong>e ihren Interessen entsprechende Verteilung der (knappen) Ressourcen<br />
des Unternehmens zu erreichen: „Organizations are … arenas <strong>in</strong> which<br />
coalitions with different <strong>in</strong>terests and capacities for <strong>in</strong>fluence vie for dom<strong>in</strong>ance“<br />
(Palmer/Jenn<strong>in</strong>gs/Zhu, 1993).<br />
Mitarbeiter e<strong>in</strong>es Unternehmens können danach unterschieden werden, <strong>in</strong> welchem<br />
Grad sie sich mit dem vorherrschenden Wertesystem verbunden fühlen bzw. dieses<br />
ablehnen. Organisatorischer Wandel kann dann ausgelöst werden, wenn e<strong>in</strong>zelne<br />
Gruppen darüber unzufrieden s<strong>in</strong>d, wie Ihren Interessen im Unternehmen Rechnung<br />
getragen wird. E<strong>in</strong> hohes Mass an Unzufriedenheit ist dann e<strong>in</strong>e Voraussetzung bzw.<br />
e<strong>in</strong> Treiber für Wandel (Covaleski/Dirsmith, 1988; Walsh/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs/Greenwood/<br />
Ranson, 1981). E<strong>in</strong> Wandel wird aber erst dann ausgelöst werden, wenn die sich<br />
benachteiligt fühlenden Gruppen den Zusammenhang zwischen dem<br />
vorherrschenden Organisationsmuster und ihrer Benachteiligung erkennen und die<br />
Möglichkeit e<strong>in</strong>es anderen Organisationsmusters faktisch besteht.<br />
Lew<strong>in</strong> (1951) beschreibt den Prozess des organisatorischen Wandels sehr anschaulich<br />
durch drei Phasen:<br />
- Auftauen: Zunehmender Dissens der Erwartungen über zukünftige<br />
Entwicklungen,<br />
275
276<br />
- Verändern: Bewusster Veränderungswille, Neudef<strong>in</strong>ition <strong>von</strong> Elementen der<br />
Unternehmensstrategie, neue Bewertungsstandards,<br />
- (wieder) E<strong>in</strong>frieren: Erzeugung <strong>von</strong> unterstützenden sozialen Normen und<br />
<strong>von</strong> Kongruenz zwischen der Veränderung und den handelnden Personen.<br />
Sich anbahnende Unternehmenskrisen – dies haben auch die Ausführungen zum<br />
optimalen Tim<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes gezeigt - begünstigen den Prozess <strong>von</strong> Veränderungen<br />
und das In-Frage-Stellen der vorherrschenden Wertesysteme. Sie lösen den<br />
eben beschriebenen Dissens <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens über Stärke, Grund der<br />
Krise und geeigneten Lösungsansätzen aus. Gruppen, die weniger mit dem bestehenden<br />
organisatorischen Muster verbunden s<strong>in</strong>d, fühlen sich zunehmend legitimiert,<br />
alternative Perspektiven zu entwickeln und dafür im Unternehmen zu werben<br />
(Child/Smith, 1987; Oliver, 1992, Pettigrew, 1985; Tushman/Romanelli, 1985) 69 .<br />
In Situationen, bei denen dem alten Organisationsmuster e<strong>in</strong>e Alternative gegenübersteht,<br />
bestimmt die Machtkonstellation darüber, welche Sichtweise dom<strong>in</strong>iert.<br />
Veränderungen können daran scheitern, dass die Macht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen auf<br />
e<strong>in</strong>ige wenige Personen konzentriert ist und diese Personen unverändert die Wichtigkeit<br />
<strong>von</strong> Effizienz und Effektivität des bestehenden organisatorischen Musters<br />
bekräftigen. E<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung, dass ke<strong>in</strong> Wandel stattf<strong>in</strong>det, liegt <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Konstellation, bei der e<strong>in</strong> hoher Widerstand gegen Wandel und e<strong>in</strong>e hohe Konzentration<br />
der Macht existiert, unabhängig <strong>von</strong> den zugrunde liegenden Werten und<br />
Normen der progressiven Kräfte. Organisationen, die starke hierarchische Elemente<br />
betonen, tendieren zu e<strong>in</strong>er Konzentration <strong>von</strong> Macht und damit möglicherweise<br />
auch zu e<strong>in</strong>em grösseren Beharrungsvermögen. Dies würde dann nicht nur Veränderungen<br />
allgeme<strong>in</strong> sondern auch die Umsetzung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes erschweren70 .<br />
69 Diese Erklärung stellt e<strong>in</strong>e Alternative zu der bisher nur aus den Pr<strong>in</strong>zipien der Systemtheorie<br />
begründeten Behauptung dar, dass Veränderungen <strong>in</strong> Unternehmen e<strong>in</strong>e Krise benötigen, um<br />
stattf<strong>in</strong>den zu können.<br />
70 Allerd<strong>in</strong>gs gilt die Aussage, dass stark hierarchische Unternehmensstrukturen e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz<br />
erschweren, nur unter bestimmten Prämissen bzw. Konstellation. Sie stimmt, wenn beispielsweise die<br />
Führungsspitze des Unternehmens stark durch Traditionen bee<strong>in</strong>flusst ist und diese wiederum<br />
geprägt s<strong>in</strong>d durch monopolistische Marktstrukturen. In bestimmten Situationen, etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Turn-<br />
Around-Situation, <strong>in</strong> der das vorhandene Top-Management durch jüngere, Innovationsthemen<br />
offener aufgeschlossenere Führungskräfte ausgetauscht wird, kann e<strong>in</strong>e hierarchische Organisation<br />
die Diffundierung neuen Gedankengutes auch erleichtern. Dies wäre dann als treibende Kraft zu<br />
beurteilen. Diese Kontextabhängigkeit der Bewertung e<strong>in</strong>zelner Faktoren h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Wirkung
E<strong>in</strong> radikaler Wandel wird sich nur e<strong>in</strong>stellen, wenn die Promotoren des Wandels<br />
über h<strong>in</strong>reichend Macht verfügen, die Änderungen umzusetzen, oder diejenigen, die<br />
die Macht derzeit <strong>in</strong>nehaben, mit den organisatorischen Veränderungen e<strong>in</strong>verstanden<br />
s<strong>in</strong>d. Macht spielt also e<strong>in</strong>e zentrale Rolle bei Wandlungsprozessen. Macht wird<br />
grundsätzlich auf Basis des existierenden Normen- und Wertesystems im<br />
Unternehmen verliehen. Die vorhandenen Wertvorstellungen verleihen bestimmten<br />
Gruppen Macht, auch denjenigen, die die Wertvorstellungen selbst ändern wollen.<br />
Insofern ist es nützlich, wenn die veränderungsbereiten Gruppen (zunächst) das alte<br />
Wertesystem stützen, da sie sonst selbst ihre Machtbasis <strong>in</strong> Frage stellen würden.<br />
Dieser Sachverhalt führt zurück auf das beschriebene Dilemma <strong>von</strong> CVC, e<strong>in</strong>erseits<br />
aus den vorgenannten Gründen die vorhandenen Werte und Rout<strong>in</strong>en akzeptieren<br />
zu müssen, die sie andererseits auftragsgemäss herausfordern sollen. E<strong>in</strong>e weitere<br />
Schlussfolgerung für CVC besteht dar<strong>in</strong>, zu erkennen, dass manipulatives Verhalten<br />
echte Neuerungen und/oder e<strong>in</strong>e substanzielle Abkehr <strong>von</strong> der üblichen Praxis<br />
be<strong>in</strong>haltet. Es birgt naturgemäss höheres Konfliktpotenzial und sollte nur dann<br />
gewagt werden, wenn h<strong>in</strong>reichend Unterstützung im Unternehmen für die neuen<br />
Ideen vorhanden s<strong>in</strong>d, also h<strong>in</strong>reichend e<strong>in</strong>flussreichreiche Personen im<br />
Unternehmen die durch CVC propagierten Werte gutheissen. Dies kann die<br />
bestehende Führungsspitze se<strong>in</strong>, die Schwächen im alten System erkennt oder aus<br />
taktischen Gründen die Veränderung akzeptiert, oder „Herausforderer“ im<br />
Unternehmen. Dies führt unmittelbar zu dem nächsten Abschnitt, <strong>in</strong> dem aus dem<br />
Blickw<strong>in</strong>kel der persönlichen Motivation Implikationen für die Erfolgschancen e<strong>in</strong>es<br />
CVC-Ansatzes abgeleitet werden.<br />
Kontrollfragen:<br />
- Wie hoch ist der Konsens <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens (bzw. der Führungskräfte)<br />
<strong>in</strong>sgesamt? Inwieweit werden kritische Stimmen akzeptiert?<br />
- Gibt es verschiedene „Strömungen“ h<strong>in</strong>sichtlich der (Wettbewerbs- und<br />
<strong>in</strong>stitutionellen) Herausforderungen, der Richtigkeit des e<strong>in</strong>geschlagenen Weges<br />
des Unternehmens, <strong>in</strong>sb. im Bezug auf die Art und Weise, wie den<br />
Herausforderungen begegnet wird?<br />
gegenüber CVC verdeutlicht den e<strong>in</strong>gangs beschriebenen Nachteil der Isolierung <strong>von</strong> Faktoren bei<br />
e<strong>in</strong>er systemischen Betrachtungsweise.<br />
277
278<br />
- Mit welcher Stärke und Vehemenz werden andere Werte im Unternehmen<br />
vertreten?<br />
- Wären diese kompatibel mit e<strong>in</strong>em CVC-Ansatz?<br />
- Wie lässt sich die derzeitige Machtkonstellation im Unternehmen beschreiben?<br />
7.2.1.6. Eigene Chancen und Risiken der Entscheidungsträger<br />
Etablierte Organisation werden oft <strong>von</strong> „Traditionalisten“ geprägt, also<br />
Führungskräften, die gute Erfolge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em alten Wettbewerbsumfeld (im<br />
vorliegenden Fall: Monopolstrukturen) erzielt hatten und daher e<strong>in</strong>e grosse<br />
Anerkennung im Unternehmen geniessen. Diese prägen die Organisation/Kultur<br />
und beh<strong>in</strong>dern „out-of-the-box“-Denken (Lev<strong>in</strong>thal/March, 1993; ähnlich Burgelman,<br />
1984; S. 158). Henry Kiss<strong>in</strong>ger (1979) stellte resümierend fest: „top policy-makers are,<br />
basically, strategies-<strong>in</strong>-action whose fundamental strategic premises are a given by<br />
the time they reach their positions”. Aus der soeben geführten Diskussion über<br />
Machtkonstellationen im Kontext <strong>von</strong> Veränderungen ergeben sich hieraus zwei<br />
Ansatzpunkte für <strong>in</strong>nerorganisatorischen Wechsel; und damit Chancen für e<strong>in</strong>e<br />
strategische Begründung <strong>von</strong> CVC.<br />
Die erste Möglichkeit besteht dar<strong>in</strong>, dass die bisherigen Führungskräfte die<br />
Notwendigkeit für Veränderungen erkennen, weil alte Denkschemata und Rout<strong>in</strong>en<br />
sich als nicht geeignet erweisen, den Veränderungen im Umfeld Rechnung zu tragen.<br />
CVC kann <strong>in</strong> dieser Situation für s<strong>in</strong>nvoll und nützlich betrachtet werden, ihre<br />
eigene Machtposition abzusichern, <strong>in</strong>dem sie Veränderungen befürworten und<br />
beg<strong>in</strong>nen, die Organisation h<strong>in</strong>sichtlich dieser zu sensibilisieren. Dies kann e<strong>in</strong><br />
wesentlicher Treiber für e<strong>in</strong>en CVC Ansatz se<strong>in</strong>. Die zweite Möglichkeit e<strong>in</strong>er<br />
Positionierung <strong>von</strong> CVC besteht <strong>in</strong> Zusammenhang mit dem Bestreben <strong>von</strong><br />
Führungskräften, ihren Status (Macht, Anerkennung) im Unternehmen zu<br />
verbessern. Anknüpfend an die Gedanken zu Unternehmensorganisation und<br />
Machtkonstellationen soll hier argumentiert werden, dass CVC e<strong>in</strong>zelnen<br />
Führungskräften helfen kann, ihren Interessen und Positionen im unternehmerischen<br />
Machtkampf besser Nachdruck zu verleihen. Dies kann erhebliche positive Energien<br />
für e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz freisetzen.
Nach Dalton (1959) kann Macht <strong>in</strong> Unternehmen als ständig sich verändernde<br />
Allianzen bestimmter Cliquen im Unternehmen aufgefasst werden. Jede Clique ist<br />
permanent mit anderen Cliquen im Cl<strong>in</strong>ch, um die eigenen Interessen durch zu<br />
setzen. Pfeffer (1981, S. 229) adressiert den gleichen Punkt, formuliert ihn jedoch <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er positiveren Sprache und betrachtet Organisationen als Ressourcenpool für<br />
Teilnehmer an Koalitionen.<br />
Koalitionen und Machtkonstellationen können sich aus Veränderungen des Marktoder<br />
<strong>in</strong>stitutionellen Umfeldes Modifikationen erfahren. (vgl. Resource depencence<br />
model <strong>von</strong> Pfeffer/Salancik, 1978). Während e<strong>in</strong>e „Clique“ die zunehmenden<br />
Marktanteile alternativer Energieerzeugungsformen noch ignoriert, weil die neue<br />
Branche <strong>in</strong> ihren Augen noch ke<strong>in</strong>e Legitimität besitzt, während gleichzeitig die<br />
traditionelle, gut vernetzte Energieerzeugungsbranche als noch hoch legitimiert<br />
betrachtet wird, nimmt e<strong>in</strong>e andere Clique die Veränderungen im Marktumfeld<br />
anders wahr. Sie sieht möglicherweise e<strong>in</strong>en neuen, sich abzeichnenden und verstärkenden<br />
Trend, dem es sich zu stellen gilt. Beide Lager werben <strong>in</strong>tern um ihre<br />
Ideen und versuchen an Macht zu gew<strong>in</strong>nen, um die damit verbundenen Interessen<br />
und Chancen für das Unternehmen und sie selbst bestmöglich zu nutzen. Ob die<br />
Veränderung <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em organisatorischen Muster zu anderen gel<strong>in</strong>gt, hängt auch<br />
da<strong>von</strong> ab, <strong>in</strong>wieweit die neue, propagierte konzeptionelle Richtung begründet, also<br />
argumentativ gut untermauert ist und h<strong>in</strong>reichende Kenntnisse über die neuen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
bestehen. Hier kann CVC wertvolle Detail<strong>in</strong>formationen liefern.<br />
CVC kann <strong>von</strong> den beschriebenen machtpolitischen Überlegungen profitieren.<br />
Bestimmte Führungskräfte gehen mit CVC dann e<strong>in</strong>e symbiotische Beziehung e<strong>in</strong>.<br />
Sie sehen CVC als Instrument zur Absicherung oder Verbesserung ihrer<br />
Machtposition und CVC sieht <strong>in</strong> diesen Führungskräften e<strong>in</strong> Instrument, für se<strong>in</strong>e<br />
Ideen im Unternehmen zu werben.<br />
Kritische Fragen:<br />
Wie gefestigt ist die derzeit dom<strong>in</strong>ierende Koalition, <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens,<br />
und <strong>in</strong> der Wahrnehmung durch Externe (Presse, Kapitalmarkt)?<br />
Gibt es Herausforderer? Wie gross und solidarisiert ist diese Gruppe? Wofür<br />
steht/stehen diese Gruppe(n). Wie würden sie CVC gegenüber stehen?<br />
279
280<br />
S<strong>in</strong>d diese Personen Gruppen entschlossen, ihren Vorstellungen Nachdruck zu<br />
verleihen? Welche persönlichen Eigenschaften haben diese Herausforderer?<br />
Wem könnte CVC helfen? Wem schaden? Wie gross ist deren Macht im<br />
Unternehmen?<br />
7.2.1.7. Wahrnehmung <strong>von</strong> Änderungsnotwendigkeiten<br />
Mitarbeiter <strong>in</strong> etablierten Unternehmen s<strong>in</strong>d dann bereit, e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz mit zu<br />
tragen oder ihn sogar aktiv zu unterstützen, wenn sie hieraus für das Unternehmen<br />
oder für sie selbst e<strong>in</strong>en Nutzen ableiten können. Auf letzteren Aspekt wurde gerade<br />
e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Im ersten Fall ist Triebfeder des Handelns die optimale Erfüllung e<strong>in</strong>er Rolle und der<br />
Erwartung <strong>von</strong> Kollegen oder Aktionären. Sie werden <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em CVC überzeugt<br />
se<strong>in</strong> und ihn stützen, wenn dieser ihnen hilft, die def<strong>in</strong>ierte Konzernstrategie<br />
umzusetzen. Das Problem <strong>in</strong> der Praxis besteht oft dar<strong>in</strong>, dass viel Unkenntnis<br />
darüber besteht, welches Niveau an Veränderungen für e<strong>in</strong> Unternehmen richtig<br />
bzw. optimal ist. Unternehmen haben selbst kaum explizte Vorstellungen darüber,<br />
wann sie Änderungen akzeptieren und wann sie diese ablehnen. Man könnte<br />
glauben, dass diese Entscheidungen immer dann getroffen werden, wenn e<strong>in</strong>e<br />
konkrete Entscheidungssituation gegeben ist. Dieses Verhalten ist wenig strategisch.<br />
Nachfolgend soll versucht werden, die strategische Komponente <strong>von</strong> Veränderungsnotwendigkeiten<br />
stärker zu beleuchten. Möglicherweise resultiert aus diesen<br />
Erkenntnissen unter Anwendung auf die eigene Unternehmenssituation dann e<strong>in</strong><br />
besseres Problembewusstse<strong>in</strong> h<strong>in</strong>sichtlich des strategischen Veränderungsbedarfes.<br />
Im Fall, dass das Fazit negativ wäre, also die beste Strategie dar<strong>in</strong> bestehen würde,<br />
ke<strong>in</strong>e Änderungen zu adaptieren, hätte CVC e<strong>in</strong>en schwierigen Stand; im<br />
umgekehrten Fall gute Argumente <strong>in</strong> der Hand.<br />
Die wissenschaftliche Literatur ist zunächst geprägt durch die Prämisse, dass<br />
Veränderungen (resultierend aus Anpassungen an veränderte Umfeldbed<strong>in</strong>gungen)<br />
grundsätzlich positiv s<strong>in</strong>d und dass es umso besser ist, je schneller diese<br />
Veränderung vorgenommen werden. Nicht-Anpassungen werden negativ, nämlich<br />
als Trägheiten, Starrheiten und Fehler bewertet. Unter Zuhilfenahme der
Systemtheorie können die Zusammenhänge differenzierter betrachtet werden.<br />
Grundsätzlich benötigt die Stabilität e<strong>in</strong>es Systems negative Rückkoppelungen, d.h.<br />
e<strong>in</strong>e gut ausgeprägte Fähigkeit, sich bestimmten, willkürlichen Veränderungen zu<br />
widersetzen. Würde e<strong>in</strong> Unternehmen sich an jede Umfeldveränderung anpassen,<br />
würde dieses ause<strong>in</strong>anderfallen. Veränderungen erzeugen Instabilitäten. Und<br />
Instabilitäten erhöhen die Gefahr der Anfälligkeiten bzw. Verwundbarkeit des<br />
Systems für Störungen, die bis zum organisatorischen Tod führen können.<br />
Veränderungen/Anpassungen werden also erkauft durch e<strong>in</strong>e erhöhte Risikoposition<br />
des Unternehmens. Möglicherweise kann es richtig oder vernünftig se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong><br />
Unternehmens auf e<strong>in</strong>en Veränderungsversuch e<strong>in</strong>e Abwehrhaltung entwickelt.<br />
Wenn man die e<strong>in</strong>schlägige Literatur zu Organizational Change analysiert, sche<strong>in</strong>en<br />
die meisten Ansätze auf e<strong>in</strong>er weiteren Prämisse zu basieren: Es wird implizit da<strong>von</strong><br />
ausgegangen, dass e<strong>in</strong> Mehr <strong>von</strong> Veränderungsbereitschaft immer wünschenswert<br />
ist. Diese Behauptung soll kritisch h<strong>in</strong>terfragt werden. Bereits Bateson hat darauf<br />
h<strong>in</strong>gewiesen, dass es <strong>in</strong> der Biologie ke<strong>in</strong>e monotonen Werte gibt. E<strong>in</strong> „Mehr <strong>von</strong> der<br />
Sache ist eben nicht immer besser als weniger da<strong>von</strong>“ (Bateson, 1987, S. 72). So<br />
könnte auch zuviel Veränderung(sbereitschaft) toxisch wirken.<br />
Tatsächlich besitzen Unternehmen Wahlfreiheiten h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Fähigkeiten, sich<br />
an Veränderungen anzupassen. Auf die Kehrseite e<strong>in</strong>er erhöhten Flexibilität <strong>in</strong> Form<br />
e<strong>in</strong>er erhöhten Risikoposition, ist eben schon e<strong>in</strong>gegangen worden. Flexibilität hat<br />
noch e<strong>in</strong>e weitere Konsequenz: Die Fähigkeit, sich Veränderungen besser<br />
anzupassen (generalistischer Ansatz), ist immer mit erhöhtem Ressourcene<strong>in</strong>satz<br />
verbunden verglichem mit e<strong>in</strong>em starreren, an der optimalen Ausbeutung des<br />
derzeitigen Zustandes orientierten Ansatz (Spezialistenansatz). Es ist a priori nicht<br />
zu bestimmen, welcher Weg der erfolgversprechendere ist. Dies hängt sehr stark<br />
vom Grad der Veränderungen im umgebenden System ab.<br />
Hannan/Freeman (1977) haben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hoch<strong>in</strong>teressanten Forschungsbeitrag die<br />
sog. „Nischentheorie“ entwickelt71 . Das Konzept der „Nische“ besitzt e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Bedeutung <strong>in</strong> der Ökologie. Sie wird <strong>von</strong> den Autoren def<strong>in</strong>iert durch e<strong>in</strong>en<br />
beschränkten Raum, <strong>in</strong> der die Population über alle anderen Populationen überlegen<br />
71 Hierauf basieren auch grosse Teile der nachfolgenden Ausführungen.<br />
281
ist. Jede Population besetzt e<strong>in</strong>e bestimmte Nische. Hier ist e<strong>in</strong>e Population<br />
überlegener Spezialist. Bei <strong>in</strong>stabilen Umwelten verfolgen Unternehmen oft e<strong>in</strong>en<br />
generalistischen Ansatz, der zwar nicht optimal im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e bestimmte<br />
Umweltsituation, aber optimal im H<strong>in</strong>blick auf alle möglichen<br />
Umweltkonfigurationen ist.<br />
Unternehmen besitzen also grundsätzlich Wahlfreiheiten. Die Unterscheidung<br />
zwischen Spezialist und Generalist führt zu der Frage, ob e<strong>in</strong>e Population (Unternehmen)<br />
erfolgreich ist, weil sie die Umfeldbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> maximaler Weise<br />
ausnutzt und das Risiko <strong>in</strong> Kauf nimmt, e<strong>in</strong>er Umfeldänderung zu erliegen (Spezialist)<br />
oder weil sie e<strong>in</strong>en niedrigeren Grad an Ausbeutung wählt, im Gegenzug aber<br />
flexibler ist und damit e<strong>in</strong>e grössere Sicherheit besitzt zu überleben (Hannan/<br />
Freeman 1977, S. 949). Burgelman problematisiert diesen Zusammenhang <strong>in</strong><br />
ähnlicher Weise und weist auf e<strong>in</strong> Position- vs. Competence Dilemma h<strong>in</strong> (Burgelman<br />
2003, S. 22). Unternehmen, die auf e<strong>in</strong>e starke Wettbewerbsposition bauen, schirmen<br />
sich <strong>von</strong> Wettbewerbsdruck ab und haben oftmals schwache Kompetenzen entwickelt,<br />
die Überlebensfähigkeit bei Umfeldveränderungen zu sichern. Diese<br />
Unternehmen s<strong>in</strong>d verwundbar, wenn neue Unternehmen neue Strategien verwenden,<br />
um e<strong>in</strong> etabliertes Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Markt bzw. e<strong>in</strong>er Nische zu attackieren.<br />
Aber auch wenn das Unternehmen solche Kompetenzen vorhält bzw. aufbaut,<br />
ist es verwundbar. Es ist möglicherweise nur „best <strong>in</strong> class“, solange ke<strong>in</strong> neues<br />
Unternehmen mit noch besseren Kompetenzen auf den Markt kommt. (ähnlich<br />
„competency traps“ Levit/March, 1988; „core rigidities“ Leonard-Barton, 1992,<br />
Barnett, 1997).<br />
E<strong>in</strong> Teil der grösseren Effizienz e<strong>in</strong>es Spezialisierungsansatzes resultiert nach den<br />
Autoren aus den niedrigen Anforderungen h<strong>in</strong>sichtlich Überschusskapazitäten<br />
(„excess capacity“) 72 . Die relative Stabilität des Geschäftsumfeldes macht eigentlich<br />
Überschusskapazitäten unnötig. Aufgrund bestimmter regulatorischer oder<br />
Marktunsicherheiten halten jedoch die meisten Organisationen Überschusskapazitäten<br />
vor, um die gute Wettbewerbsposition auch weiterh<strong>in</strong> zu sichern.<br />
Unternehmen allokieren Ressourcen zu Unternehmense<strong>in</strong>heiten, die die Aufgabe<br />
haben, die zentrale Technologie <strong>von</strong> Störungen aus dem Umfeld abzuschirmen. Zum<br />
72 Im Rahmen dieser Arbeit wurde „Organizational Slack“ mehrmals thematisiert. Dies dürfte <strong>in</strong><br />
diesem Zusammenhang der <strong>von</strong> Hannan/Freeman verwendeten excess capacity sehr nahe kommen.<br />
282
Beispiel beschäftigen viele Grosskonzerne umfangreiche Kapazitäten zur<br />
E<strong>in</strong>flussnahme auf der politischen Willensbildung. Diese Ressourcen helfen, das alte<br />
Geschäftsmodell abzusichern.<br />
Dass es auch dann, wenn Unternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em relativ stabilen Umfeld operieren,<br />
durchaus S<strong>in</strong>n machen kann, Überschusskapazitäten vorzuhalten, zeigen auch<br />
Hannan/Freeman (1977). Sie dienen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation dazu, die<br />
organisatorischen Abläufe besser auf e<strong>in</strong>ander abzustimmen. Mit ihrer Hilfe können<br />
Rout<strong>in</strong>en entwickelt und schneller perfektioniert werden. Die Koord<strong>in</strong>ation erfolgt<br />
auf Basis festgelegter Regeln, an die sich alle halten. Ressourcen werden dann dafür<br />
benötigt, das Unternehmen so zu tra<strong>in</strong>ieren, dass alle sich an diese Regeln halten.<br />
Raum für CVC bietet e<strong>in</strong>e solche Umweltkonstellation jedoch nicht. Auf Effizienz<br />
und Perfektionierung e<strong>in</strong>es gewohnten Prozesses zielende Überschusskapazitäten<br />
verstärken das traditionelle Geschäftsmodell und erschweren e<strong>in</strong>e offene Haltung<br />
gegenüber neuen Ansätzen und Lösungen. Die Überschusskapazitäten wirken <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er solchen Situation wie e<strong>in</strong> Schutzschild gegen neue, <strong>in</strong>novative Ansätze, wie sie<br />
durch CVC f<strong>in</strong>anziert werden.<br />
In Situationen starken Wandels ist Überschusskapazität anders def<strong>in</strong>iert: Sie wird<br />
benötigt, um dem Unternehmen Flexibilität zu geben73 . „Überschuss“kapazität<br />
bekommt <strong>in</strong> solchen Zeiten e<strong>in</strong>e aktive Aufgabe und wird genutzt, um aus geübten<br />
Rout<strong>in</strong>en auszubrechen und dem Unternehmen neue Impulse und Schwung zu<br />
verleihen. Dadurch verändert sich die Fähigkeit positiv, mit dem geänderten<br />
Umfeldbed<strong>in</strong>gungen zurecht zu kommen (Thompson, 1967, 2003). Freie Ressourcen<br />
fördern dann die Flexibilität <strong>von</strong> Unternehmen.<br />
Da die mit e<strong>in</strong>em generalistischen Ansatz verbundenen Überschusskapazitäten Geld<br />
kosten, werden bei stabilen Umweltbed<strong>in</strong>gungen die Spezialisten gegenüber den<br />
Generalisten siegreich se<strong>in</strong>. Die Kennzahlen letzterer zur wirtschaftlichen<br />
Leistungsfähigkeit werden schlechter als die der Spezialisten se<strong>in</strong>. Die vorgehaltenen<br />
zusätzlichen Ressourcen werden <strong>von</strong> Aussenstehenden als Geldverschwendung<br />
73 March/Olsen def<strong>in</strong>ierten Organizational Slack damit, dass dadurch immer h<strong>in</strong>reichend Probleme an<br />
viele org. Teilnehmer distribuiert werden. Dies ist mit der hier e<strong>in</strong>genommenen Sichtweise durchaus<br />
kompatibel.<br />
283
ewertet. Diese Unternehmen unterliegen dann der negativen Selektion. Wenn sich<br />
aber das Umfeld ändert, können Generalisten sich besser darauf e<strong>in</strong>stellen und s<strong>in</strong>d<br />
den Spezialisten überlegen.<br />
Dies gilt jedoch nicht immer: Ändert sich das Umfeld häufig und stark, dann nützen<br />
auch die besten Überschusskapazitäten nichts. Sie führen zu e<strong>in</strong>em ständigen<br />
Umorganisieren. Bevor die Früchte dieser Reorganisation geerntet werden können,<br />
hat sich das Umfeld schon wieder geändert. Auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Zustand werden<br />
die Spezialisten siegen. Als gesichert kann jedoch die Erkenntnis angesehen werden,<br />
dass im Fall hoher Unsicherheiten über die künftige Umweltentwicklung die<br />
Handlungen des Unternehmens weniger Rout<strong>in</strong>echarakter haben sollten. In diesem<br />
Fall wäre es kontraproduktiv, Ressourcen <strong>in</strong> die Entwicklung und Erhaltung<br />
bestimmter Rout<strong>in</strong>en zu stecken mit dem Ziel, die Effizienz (weiter) zu erhöhen. Es<br />
ist dann besser, Ressourcen <strong>in</strong> weniger formalisierte Strukturen zu <strong>in</strong>vestieren. Dies<br />
kann neben bestimmten organisatorischen Massnahmen die E<strong>in</strong>richtung <strong>von</strong><br />
Kommitees und Projektteams be<strong>in</strong>halten. E<strong>in</strong>e solche Konstellation begünstigt auch<br />
die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er CVC-E<strong>in</strong>heit.<br />
Folgendes Fazit lässt sich aus diesen, aus der Populationsökonomie auf e<strong>in</strong>e<br />
Unternehmenssituation übertragenen Erkenntnissen ziehen: E<strong>in</strong> Unternehmen hat<br />
Wahlmöglichkeiten h<strong>in</strong>sichtlich der Höhe an Flexibilität. Da Flexibilität und die<br />
Beherrschung <strong>von</strong> Instabilitäten/Risiken im Zusammenhang mit der Umorganisation<br />
durch höhere Ressourcenvorhaltung erkauft werden müssen, sollte sich jedes<br />
Unternehmen über den Grad der gewünschten Spezialisierung bzw. Flexibilität<br />
(generalistischer Ansatz) im Klaren se<strong>in</strong>. In vollständig stabilen Umwelten wären<br />
diese Ressourcen unangebracht. E<strong>in</strong> Spezialist würde <strong>in</strong> der besseren Position se<strong>in</strong><br />
und e<strong>in</strong> durch Überschussressourcen geprägtes Unternehmen aus dem Markt<br />
drängen („Negativselektion“). Fehlen allerd<strong>in</strong>gs bei e<strong>in</strong>er hohen Umweltdynamik<br />
Kompetenzen, um flexibel reagieren zu können, läuft das Unternehmen Gefahr e<strong>in</strong>er<br />
Negativselektion, weil es ihm nicht gel<strong>in</strong>gt, sich an die neuen Gegebenheiten<br />
anzupassen. Je stärker der (Anpassungs-) Druck ist, desto ger<strong>in</strong>ger ist die Flexibilität<br />
des Unternehmens, sich anzupassen und umsowahrsche<strong>in</strong>licher ist, dass die Logik<br />
des Auswahlprozesses der Umwelt zur Entscheidungsf<strong>in</strong>dung angewendet wird<br />
(Hannan/Freeman, 1977).<br />
284
Es ist e<strong>in</strong>e Frage der allgeme<strong>in</strong>en Grunde<strong>in</strong>stellung des Top-Managements und<br />
speziell se<strong>in</strong>er Erwartung h<strong>in</strong>sichtlich des Grades an Veränderungen <strong>in</strong> der Branche,<br />
ob und <strong>in</strong> welchem Masse freie Ressourcen überhaupt vorgehalten werden sollen. Da<br />
erstens die Investitionen <strong>in</strong> CVC den Charakter <strong>von</strong> freien Ressourcen haben und<br />
zweitens weitere freie Ressourcen nötig s<strong>in</strong>d, um die strategischen Effekte zu<br />
erzielen, könnte CVC <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er positiven Grundentscheidung zur Vorhaltung <strong>von</strong><br />
Überschusskapazitäten profitieren.<br />
Die Wirkungszusammenhänge können jedoch noch etwas filigraner betrachtet<br />
werden; nämlich <strong>in</strong> Abhängigkeit da<strong>von</strong>, wie diese Kapazitäten generell genutzt<br />
werden. Sollen die vorgehaltenen freien Ressourcen vor allem das alte Geschäftsmodell<br />
stützen, wirken sie defensiv. Es besteht die Gefahr, dass besonders starke<br />
Kräfte gegen die grundlegende CVC-Idee entwickelt werden, wenn es nicht gel<strong>in</strong>gt,<br />
diese freien Ressourcen umzuwidmen (wie teilweise im Fall E.ON erfolgt). S<strong>in</strong>d sie<br />
<strong>von</strong> vornhere<strong>in</strong> dazu da, Flexibilitäten zu schaffen, dann unterstützen sie die CVC-<br />
Idee <strong>von</strong> Anfang an. CVC wird sich also umsobesser entwickeln können, wenn sich<br />
das etablierte Unternehmen grundsätzlich generalistische Ansätze gegenüber spezialisierten<br />
Ansätzen präferiert. Damit sollte CVC mit der Grundhaltung diversifizierter<br />
Konzerne besser vere<strong>in</strong>bar se<strong>in</strong> als mit der stark fokussierter Unternehmen.<br />
Wenn soeben gezeigt wurde, dass e<strong>in</strong>e wichtige Determ<strong>in</strong>ante für die Entscheidung<br />
zur Vorhaltung <strong>von</strong> Überschusskapazitäten die Dynamik der Umfeldentwicklung ist,<br />
sollte noch e<strong>in</strong>mal darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, dass es die Dynamik der Umfeldentwicklung<br />
nicht gibt, sondern immer nur e<strong>in</strong>e subjektiv wahrgenommene. Die<br />
Klassifizierung ist immer e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung, die vom <strong>in</strong>dividuellen Wahrnehmungsund<br />
Informationsverarbeitungsprozess abhängt. Das Umfeld der Energiebranche<br />
wird <strong>von</strong> traditionell geprägten Führungskräften <strong>von</strong> EVU h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er<br />
Dynamik bzw. Stabilität völlig anders wahrgenommen wird als durch viele Start-up-<br />
Unternehmer. Sie besitzen unterschiedliche Vorerfahrungen, die sehr stark das<br />
prägen, wie die Wirklichkeit wahrgenommen und <strong>in</strong>terpretiert wird. Erschwerend<br />
kommt h<strong>in</strong>zu, dass die Umweltsituation a priori nicht charakterisiert werden kann,<br />
da sie ke<strong>in</strong>e festen, determ<strong>in</strong>istischen Entwicklungspfad nimmt, sondern wiederum<br />
vom Denken und Handeln vieler Akteure abhängt (und dieses ist wieder durch<br />
<strong>in</strong>dividuelle Erwartungen geprägt). Diese zirkulären Schlüsse prägen systemtheoretische<br />
Betrachtungen. E<strong>in</strong>e Unternehmensentscheidung kann also <strong>in</strong> diesem<br />
285
Zusammenhang als Wette h<strong>in</strong>sichtlich des Pfads e<strong>in</strong>er bestimmten Umweltentwicklung<br />
betrachtet werden. In dem Masse wie e<strong>in</strong>e Unternehmensleitung bestimmte<br />
Muster besser74 <strong>in</strong>terpretieren kann, wird diese und das Unternehmen erfolgreicher<br />
se<strong>in</strong> als andere.<br />
Wenn diese grundsätzlichen Fragen h<strong>in</strong>sichtlich der Änderungsnotwendigkeit und<br />
das Vorhalten <strong>von</strong> Überschusskapazitäten zur Erhöhung der Flexibilität auf<br />
Umfeldveränderungen nicht im vorh<strong>in</strong> geklärt s<strong>in</strong>d, besteht die Gefahr, dass diese<br />
im Zusammenhang mit CVC-Investitionen gestellt werden. Mangels e<strong>in</strong>er<br />
strategischen Grundsatzentscheidung s<strong>in</strong>d solche Diskussionen schwer durch CVC<br />
beherrschbar. Werden Veränderungen <strong>von</strong>seiten des etablierten Unternehmens<br />
abgelehnt und stattdessen das bisherige Geschäftsmodell weiter perfektioniert,<br />
besteht die Gefahr, dass sich CVC mit der selbst <strong>in</strong>itiierten Diskussion gleichzeitig<br />
se<strong>in</strong>e eigene Arbeitsgrundlage entzieht. Die für die CVC-E<strong>in</strong>heit lebensnotwendige<br />
Kooperation zwischen ihr bzw. den durch sie f<strong>in</strong>anzierten Start-up-Unternehmen<br />
und dem Konzern kann nicht zustande kommen.<br />
Es macht daher S<strong>in</strong>n, die Frage des gewünschten Grades an Veränderungen so früh<br />
wie möglich zu beantworten und vor die Diskussion über e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz zu<br />
stellen. Dies schafft Klarheit für alle Parteien und erhöht deren Motivation, die<br />
Umsetzung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes zu unterstützen.<br />
Kritische Fragen:<br />
286<br />
Gibt es Aussagen zur Konzernstrategie, aus der sich die generelle Stossrichtung des<br />
Unternehmens (Spezialist vs. Generalist) ableiten lässt?<br />
Welche anderen Anhaltspunkte gibt es dafür zu erkennen, ob die<br />
Unternehmensleitung eher an der (kostenoptimalen) Ausbeutung der derzeitigen<br />
Marktposition <strong>in</strong>teressiert ist, oder auch Ressourcen <strong>in</strong> die Identifikation neuer<br />
Geschäftsansätze <strong>in</strong>vestiert?<br />
Herrscht bei der Verteiung der Budgets eher das Pr<strong>in</strong>zip Kostenm<strong>in</strong>imierung oder<br />
Chancenoptimierung vor?<br />
Im welchem Umfang existieren im Unternehmen freie Ressourcen? Wofür werden Sie<br />
genutzt?<br />
74 Massstab ist der tatsächliche Entwicklungspfad, wie er sich aus e<strong>in</strong>er ex post Betrachtung ergeben<br />
hat.
7.2.2. Schritt 2: Abschätzung der mobilisierbaren Kräfte<br />
Die vorangegangene Unternehmensanalyse hatte das Ziel, unter Berücksichtigung<br />
<strong>von</strong> Marktstruktur, Marktstellung des Unternehmens, wahrgenommener Marktdynamik,<br />
<strong>in</strong>nerer Struktur der Organisation (Unternehmenskultur, -organisation,<br />
Machtkonstellationen), der Historie und den Motivlagen der <strong>in</strong> dieses System<br />
e<strong>in</strong>gebundenen Individuen Situationen zu identifizieren, <strong>in</strong> denen die Realisierung<br />
e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes tendenziell günstig oder ungünstig ist. Es wurde versucht, zu<br />
prognostizieren, welche Kräfte im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Saldos <strong>von</strong> unterstützenden und<br />
beharrenden Kräften <strong>in</strong>sgesamt unter den beschriebenen Kontextbed<strong>in</strong>gungen auf<br />
CVC wirken dürften.<br />
Diese Abschätzung des Nettoeffektes erfolgte implizit unter e<strong>in</strong>er, nicht sehr<br />
realistischen Prämisse: Es wurde da<strong>von</strong> ausgegangen, dass CVC e<strong>in</strong>e „abstrakte<br />
Idee“ darstellt, die quasi „im Raume steht und sich passiv verhält“. In Wirklichkeit<br />
wird e<strong>in</strong> CVC-Ansatz durch Individuen getrieben. Zunächst e<strong>in</strong>mal ist es die CVC-<br />
E<strong>in</strong>heit, selbst, die diese Idee vorantreibt. Allerd<strong>in</strong>gs können drei bis fünf Experten<br />
alle<strong>in</strong>e ke<strong>in</strong>e tiefe Verankerung <strong>von</strong> CVC im Konzern sicherstellen, allenfalls e<strong>in</strong>en<br />
Prozess im Unternehmen, der darauf h<strong>in</strong>ausläuft. Es bedarf im Unternehmen<br />
zahlreicher Multiplikatoren, die für die neuen Ideen mobilisiert und begeistert<br />
werden können. Die Analyse des Fallbeispiels hat gezeigt, dass e<strong>in</strong>ige „Early<br />
Adaptors“ im Unternehmen, vor allem das (künftige) Management der neuen CVC-<br />
Gesellschaft sowie der Vorstandsmentor, e<strong>in</strong>e hohe persönliche Energie entwickeln,<br />
e<strong>in</strong>en solchen Ansatz erfolgreich umzusetzen. Diese frühen Adaptoren der<br />
Innovation können die neue E<strong>in</strong>heit vor Störungen abschirmen und weitere<br />
Sympathisanten für die Idee gew<strong>in</strong>nen. Je besser dies gel<strong>in</strong>gt, desto grössere<br />
Schubkräfte können der neuen E<strong>in</strong>heit verliehen werden. Dies ist bisher noch nicht <strong>in</strong><br />
der Analyse berücksichtigt worden.<br />
In diesem Abschnitt geht es um die Frage, wieviele Kräfte im Unternehmen zur<br />
Unterstützung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes mobilisiert werden können und durch welchen<br />
Prozess dies am besten gel<strong>in</strong>gen kann.<br />
287
7.2.2.1. Potenzial an motivierbaren Mitarbeitern<br />
Die Grundlage jeder Unterstützung ist Motivation. Es stellt sich zunächst die Frage,<br />
wie Führungskräfte motiviert werden können, sich mit dem neuen Konzept zu<br />
identifizieren. Das „wie“ be<strong>in</strong>haltet sowohl die Frage nach der Quelle der Motivation<br />
als auch die Frage des Prozesses. Zunächst wird auf mögliche Motivationsquellen<br />
e<strong>in</strong>gegangen. Fragen der Gestaltung des Prozesses werden dann im nächsten<br />
Abschnitt erörtert.<br />
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Mitarbeiter im Unternehmen zur Unterstützung<br />
der CVC-Idee zu motivieren. E<strong>in</strong>e eher passive Strategie könnte dar<strong>in</strong> bestehen, auf<br />
ihre persönliche Neugier zu bauen. Allerd<strong>in</strong>gs sollte dieser Ansatz nur begrenzt<br />
Erfolg versprechend se<strong>in</strong>. Der neuen CVC-E<strong>in</strong>heit kann damit möglicherweise e<strong>in</strong><br />
gewisses Mass an Sympathie entgegen gebracht werden; mehr jedoch meist nicht.<br />
Führungskräfte haben – auch aufgrund der vorherrschenden Anreizsysteme - meist<br />
andere Prioritäten. Meist steht der Ausbau des Kerngeschäftes im Vordergrund,<br />
nicht die Beschäftigung mit potenziellen Neugeschäften. Angesichts <strong>von</strong> Geschäften<br />
und Ergebnisbeiträgen <strong>in</strong> Grössenordnungen <strong>von</strong> Mrd. € wird jungen Start-up-<br />
Unternehmens oft ke<strong>in</strong>e Bedeutung zugemessen. Erst wenn e<strong>in</strong> neu sich<br />
etablierender Markt e<strong>in</strong>e bestimmte Grösse erreicht hat, beschäftigt sich<br />
üblicherweise e<strong>in</strong> Konzern mit diesem. McK<strong>in</strong>sey stellt fest, dass Konzerne<br />
üblicherweise neue Märkte mit e<strong>in</strong>er Verzögerung <strong>von</strong> drei bis fünf Jahren betreten<br />
(McK<strong>in</strong>sey, 2000). Es sollte also stark begünstigend für CVC wirken, wenn die<br />
Anreizsysteme des Unternehmens die Entwicklung neuer Geschäfte bzw. die<br />
Beschäftigung mit „Zukunftsthemen“ unterstützen. Über die Entlohnung wird die<br />
Aufmerksamkeit auf nach der Überzeugung des obersten Managements wichtige<br />
Themen gelenkt. Mitarbeiter entwickeln also e<strong>in</strong>en Ansporn, sich bestimmten<br />
Themen zuzuwenden, weil es für sie aus monetären Gründen vorteilhaft ist.<br />
E<strong>in</strong>e weitere – und möglicherweise die beste – Motivationsquelle ist die <strong>in</strong>nere<br />
Überzeugung <strong>von</strong> Führungskräften, CVC für das Unternehmen, aber auch für sie<br />
selbst grosse Vorteile bietet. Auf die Möglichkeit, eigene Interessen besser im<br />
Unternehmen durchzusetzen und die Machtposition zu verbessern, wurde bereits<br />
e<strong>in</strong>gegangen. Führungskräfte identifizieren sich mit Innovationen, weil sie <strong>in</strong>nerlich<br />
288
<strong>von</strong> der Richtigkeit e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes überzeugt s<strong>in</strong>d oder weil ihnen diese<br />
Innovation hilft, ihre Interessen <strong>in</strong> anderer Sache besser Nachdruck zu verleihen.<br />
Nicht zuletzt üben F<strong>in</strong>anzanalysten, bedeutende Aktionäre und vermehrt auch<br />
gesellschaftliche, politische Gruppen (wie im Fall E.ON) <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>en hohen<br />
E<strong>in</strong>fluss auf die Unternehmensleitung etablierter Unternehmen aus und formulieren<br />
klare Erwartungen an die strategische Ausrichtung. CVC sowie die f<strong>in</strong>anzierten<br />
Unternehmen mögen sich noch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bef<strong>in</strong>den;<br />
nicht aber die Innovationsthemen.<br />
Der Leiter des Bereichs Strategie der E.ON AG, Dr. Paskert, führt hierzu <strong>in</strong> dem im<br />
Juni 2006 geführten Interview aus:<br />
„Da gibt es e<strong>in</strong>e ganz <strong>in</strong>teressante Entwicklung: Es gibt mittlerweile grosse, sehr<br />
grosse Investoren, mit die grössten, die wir überhaupt haben, die <strong>in</strong> Verbänden <strong>in</strong><br />
den USA zusammengeschlossen s<strong>in</strong>d und die uns permanent nach unseren<br />
Strategien zu CO2–Bilanz und Erneuerbaren Energien fragen und denen gegenüber<br />
wir e<strong>in</strong>e Art Report<strong>in</strong>g machen müssen, wie unser Portfolio-Mix gestaltet ist, um<br />
auch den Nachhaltigkeitseffekt darzustellen. Diese s<strong>in</strong>d dann wiederum selbst<br />
dadurch getrieben, dass sie Investoren haben, die sagen: Wir möchten, dass ihr bitte<br />
Eure Gelder da anlegt, wo nachhaltiges Wirtschaften wirklich auch e<strong>in</strong> Faktor ist….<br />
Es ist <strong>in</strong>teressant, dass es überhaupt diese Fragen gibt. Es ist e<strong>in</strong>s, zwei Jahre her,<br />
dass wir diese Fragen das erste Mal gestellt bekamen. Da hatte man das hier erst e<strong>in</strong><br />
bisschen skeptisch gesehen. Aber wenn man las, wer alles <strong>in</strong> dieser Vere<strong>in</strong>igung<br />
zusammengeschlossen war, dann war das schon beachtlich. Und <strong>von</strong> daher hat das<br />
e<strong>in</strong>e Bedeutung. Und man kann es nicht mehr negieren.“<br />
Alle vier Motivationsquellen bee<strong>in</strong>flussen sich gegenseitig: Die persönliche Neugier<br />
wird besonders gross se<strong>in</strong>, wenn auch andere <strong>in</strong>terne und externe Akteure CVC e<strong>in</strong>e<br />
Bedeutung zukommen lassen. E<strong>in</strong> starker externer Druck führt – wie der Fall E.ON<br />
auch gezeigt hat – dazu, dass bestimmte Führungskräfte im Unternehmen die<br />
gesetzten Erwartungen aus dem Umfeld zur Verbesserung der eigenen Position im<br />
Unternehmen (Status, Karriereperspektiven) aufnehmen oder sie <strong>in</strong> den<br />
Anreizsystemen abbilden.<br />
289
7.2.2.2 Prozess der Überzeugung und Vernetzung: klare Rollen und Aufgaben<br />
E<strong>in</strong>e gute Motivation bietet die Basis für e<strong>in</strong>e Unterstützung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes. Sie<br />
ist jedoch nur e<strong>in</strong>e notwendige und ke<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung für e<strong>in</strong>e stabile<br />
Verankerung im Unternehmen. Aus motivierbaren Mitarbeitern müssen durch e<strong>in</strong>en<br />
Überzeugungsprozess motivierte Mitarbeiter gemacht werden. Intern latent<br />
vorhandene Unterstützungsenergie muss freigesetzt werden. Durch Netzwerkeffekte<br />
kann es gel<strong>in</strong>gen, zusätzliche Schubkräfte für e<strong>in</strong>en CVC-Ansatz zu erzeugen.<br />
Mobilisierung wird durch Leadership erreicht (Greenwood/H<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, 1996, S. 1040).<br />
Letzteres be<strong>in</strong>haltet drei Aktivitäten (Nadler/Tushman, 1990): <strong>in</strong>strumentelle<br />
(Strukturierung, Kontrolle, Belohnungssysteme), <strong>in</strong>stitutionelle (legitimitätsfördernde<br />
Massnahmen zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit) und charismatische Führung<br />
(Vision, Energie, Überzeugungskraft). Je besser diese Aktivitäten im Unternehmen<br />
vorhanden s<strong>in</strong>d oder rechtzeitig vor <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> des CVC-Konzeptes vorliegen,<br />
umso leichter ist es, die Ideen <strong>von</strong> CVC im Unternehmen zu streuen und e<strong>in</strong>e<br />
Wirkung im System zu erzielen<br />
Instrumentelle Aktivitäten be<strong>in</strong>halten das „Management des Umfeldes, um<br />
Bed<strong>in</strong>gungen zu erzeugen, die das gewünschte Verhalten motivieren“<br />
(Nadler/Tushman, 1990, S. 85). Hierzu gehört die Fähigkeit, Teams zu führen, das<br />
Verhalten der Teammitglieder zu analyisieren und mithilfe e<strong>in</strong>es Belohnung-<br />
/Sanktionsmechanismus zu bee<strong>in</strong>flussen. Um effektiv zu se<strong>in</strong>, muss CVC mit e<strong>in</strong>igen<br />
Kompetenzen und Instrumenten ausgestattet se<strong>in</strong>, um die gewünschten Verhaltensweisen<br />
und die nötige Offenheit bei anderen Führungskräften zu erzeugen.<br />
Diese Instrumente wird CVC nur besitzen bzw. anwenden können, wenn die E<strong>in</strong>heit<br />
auch <strong>in</strong>stitutionell verankert ist. Sie muss unternehmens<strong>in</strong>tern Akzeptanz besitzen.<br />
Auf diesen Umstand ist im Rahmen der Arbeit mehrfach h<strong>in</strong>gewiesen worden.<br />
Hilfreich hierfür s<strong>in</strong>d auch symbolische Massnahmen, wie z.B. Information über die<br />
Aktivitäten an prom<strong>in</strong>enter Stelle, die Schirmherrschaft durch e<strong>in</strong>e hochstehende,<br />
anerkannte Führungskraft oder wenn ihr e<strong>in</strong>e konkrete Rolle, z.B. die der „strategischen<br />
Antizipation“ (Nadler/Tushman, 1990, S. 89) zugewiesen wird. E<strong>in</strong>e bessere<br />
<strong>in</strong>stitutionelle Verankerung kann das CVC-Team auch selbst schaffen, <strong>in</strong>dem es aktiv<br />
290
den Kontakt zu anderen Konzerne<strong>in</strong>heiten sucht, sich nicht isoliert bzw. vom Rest<br />
der Organisation absondert und versucht, junge Talente für die Mitarbeit im Team<br />
zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
Die charismatischen Aktivitäten be<strong>in</strong>halten die persönliche Komponente im Prozess<br />
der Mobilisierung <strong>von</strong> Unterstützern für die CVC-Idee. E<strong>in</strong>e geschickte Auswahl<br />
charismatischer, hochmotivierter und geschickt argumentierender Führungskräfte<br />
für das CVC-Teams kann e<strong>in</strong>en wichtigen Schlüssel darstellen, weitere Kräfte im<br />
Unternehmen für CVC und ihre Werte zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
E<strong>in</strong>ige dieser oft recht allgeme<strong>in</strong> formulierten Aktivitäten zur Erzeugung <strong>von</strong><br />
Leadership und zum Aufbau e<strong>in</strong>es belastbaren Netzwerkes im Unternehmen sollen<br />
nun vertieft werden. Es wurde im Rahmen dieser Arbeit mehrmals betont, dass die<br />
eigentliche Herausforderung für CVC nicht nur dar<strong>in</strong> besteht, das etablierte<br />
Unternehmen mit Informationen über disruptive Informationen zu versorgen,<br />
sondern e<strong>in</strong>en Weg zu f<strong>in</strong>den, diese Informationen <strong>in</strong> das bisherige Interpretationsschema<br />
zu <strong>in</strong>tegrieren, sodass e<strong>in</strong>e aktive Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den<br />
Geschäfts<strong>in</strong>halten <strong>von</strong> CVC erfolgen kann. Leider wurde dieser Punkt <strong>in</strong> der CVC-<br />
Forschung bisher so gut wie gar nicht adressiert. Die nachfolgenden Ausführungen<br />
stellen also e<strong>in</strong>en ersten Versuch dar, diesen Prozess der Vernetzung besser zu<br />
verstehen und dabei Ansatzpunkte aufzuzeigen, wie sich dieser effektiv(er) gestalten<br />
lässt. In diesem Zusammenhang wird gleichzeitig e<strong>in</strong>e mögliche Rolle für die neue<br />
CVC-E<strong>in</strong>heit def<strong>in</strong>iert. CVC e<strong>in</strong>e klare Funktion zuzuweisen ist e<strong>in</strong>er der Erfolgsschlüssel<br />
und gleichzeitig viel zu oft das wichtigste Versäumnis <strong>in</strong> grossen<br />
Unternehmen. So wie das Unternehmen <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> der Gesellschaft legitimiert<br />
se<strong>in</strong> muss, so muss auch CVC <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens genau diese<br />
Existenzberechtigung nachweisen. Dies gel<strong>in</strong>gt um so besser, je mehr die neue<br />
E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> der Wahrnehmung der Entscheidungsträger im etablierten Konzern<br />
erstens wichtige Aufgaben erfüllt, zweitens diese bislang <strong>von</strong> den bestehenden<br />
Unternehmense<strong>in</strong>heiten noch nicht oder nur schlecht erfüllt werden und drittens die<br />
neue E<strong>in</strong>heit auch funktional, personell und <strong>in</strong>strumentell so ausgestattet ist, dass die<br />
zugewiesene Aufgabe auch gut bewältigt werden kann.<br />
Vor allem Ansätze <strong>in</strong> der Technologie- und Innovationsmanagement- bzw. der New<br />
Product Development Literatur, die erfolgreiche <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> (disruptiven)<br />
291
Innovationen <strong>in</strong>sbesondere auf die Aktivitäten <strong>von</strong> Individuen zurückführen<br />
(2.1.2.), eignen sich auch gut zur Beschreibung, wie im Unternehmen Akzeptanz<br />
für CVC erzeugt werden kann. Mit dem nachfolgend beschriebenen Prozess -<br />
basierend weitgehend auf den Forschungen <strong>von</strong> Reid/Brentani (2004) - werden zwei,<br />
mite<strong>in</strong>ander vernetzte Ziele verfolgt: Es soll sich im Unternehmen die Überzeugung<br />
verbreiten, dass CVC als Unternehmen und Geschäftsmodell S<strong>in</strong>n macht; ebenso die<br />
Beschäftigung mit den Geschäfts<strong>in</strong>halten <strong>von</strong> CVC. Alle drei Innovationsmerkmale<br />
<strong>von</strong> CVC sollten also idealerweise Akzeptanz erfahren. Der Schlüssel, dies zu<br />
erreichen, kann nur dar<strong>in</strong> liegen, e<strong>in</strong> Verständnis für die Relevanz disruptiver<br />
Innovationen für das Unternehmen zu erzeugen. Gel<strong>in</strong>gt dies über e<strong>in</strong>e<br />
überzeugende Rolle <strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> diesem Prozess, erfährt auch das Geschäftsmodell<br />
und das neue Unternehmen selbst Akzeptanz.<br />
Es dürfte also vor dem H<strong>in</strong>tergrund dieser Argumentation nicht abwegig se<strong>in</strong>,<br />
Forschungsergebnisse, die sich mit Erfolgsfaktoren zur erfolgreichen Generierung <strong>von</strong><br />
disruptiven Innovationen befassen, auch für die Gestaltung des Prozesses zur<br />
erfolgreichen Verankerung <strong>von</strong> disruptiven Innovationen und damit auch <strong>von</strong> CVC<br />
im Unternehmen zu verwenden. E<strong>in</strong>e (generierte) Innovation be<strong>in</strong>haltet – wie im<br />
Kapitel 2.1.1. dargestellt – die Durchsetzung e<strong>in</strong>er neuen Problemlösung am Markt.<br />
Insofern ist mit dieser immer e<strong>in</strong> Überzeugungsprozess verbunden.<br />
Von besonderer Bedeutung für die erfolgreiche Verankerung s<strong>in</strong>d folgende<br />
Funktionen:<br />
292<br />
Boundary spann<strong>in</strong>g: Bestimmte Akteure (Personen, Unternehmense<strong>in</strong>heiten)<br />
haben die Aufgabe, das Unternehmen mit Elementen im Umfeld <strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dung zu br<strong>in</strong>gen (Leifer/Delbecq, 1978; Keller/Holland, 1975),<br />
Informationen mit diesen auszutauschen und frühzeitig Veränderungen <strong>in</strong> der<br />
Umwelt und sich neu herausbildende Muster zu erkennen („pattern<br />
recognition“, Roos, 1996; Veryzer 1998). Bunge (1962) beschreibt Pattern<br />
recognition als Form der Unterscheidungsf<strong>in</strong>dung, bei der Individuen effektiv<br />
relevante <strong>von</strong> irrelevanten H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationen unterscheiden. Dies<br />
geschieht durch e<strong>in</strong>en Prozess der Wahrnehmung, Rekonstruktion und<br />
Klassifikation. Muster werden besonders gut <strong>von</strong> Personen erkannt, die <strong>in</strong> der<br />
Lage s<strong>in</strong>d, schnell potenziell relevante Informationen erkennen, verstehen,
darstellen und <strong>in</strong>terpretieren zu können und darauf aufbauend komb<strong>in</strong>iert<br />
mit kreativem E<strong>in</strong>fallsreichtum Rückschlüsse und Synthesen ziehen. Die<br />
Fähigkeit zur pattern recognition auf <strong>in</strong>dividueller Ebene hat grossen E<strong>in</strong>fluss<br />
auf die Richtung der Informationssuche.<br />
Die CVC-E<strong>in</strong>heit übernimmt e<strong>in</strong>e solche wichtige Boundary Spann<strong>in</strong>g-<br />
Funktion. Damit lässt sich die eben allgeme<strong>in</strong> beschriebene Rolle und<br />
Funktion weiter konkretisieren. CVC könnte zunächst die Rolle als<br />
„Beobachtungsposten und „(Reiz-) Verstärker“ übernehmen. Die E<strong>in</strong>heit<br />
erhält die Aufgabe, durch Vernetzung mit der VC-Branche dynamische<br />
Entwicklungen, die für e<strong>in</strong>e Stufenfunktion sorgen könnten, sensibel wahr zu<br />
nehmen und sich aus dem Marktumfeld herauskristallisierende Muster<br />
frühzeitig und e<strong>in</strong>igermassen zuverlässig wahrzunehmen. Da Kapitalmärkte<br />
als sehr effizient gelten, dürfte diese als besonders wichtige Quelle solcher<br />
Informationen und besonders gutes Frühwarnsystem gelten. CVC wird also<br />
zum Gegenmittel für das Phänomen der selektiven Informationswahrnehmung,<br />
die etablierte und lange Zeit sehr erfolgreiche Unternehmen zeigen.<br />
(„Icarus Parodox“, Miller (1992)). Grobe Suchfelder und Informationsbedarfe<br />
sollten im Voraus im S<strong>in</strong>ne <strong>von</strong> Leitplanken festgelegt werden. So lässt sich<br />
e<strong>in</strong>e mögliche Rolle des „strategischen Antizipators“ besser übernehmen.<br />
Weitere Boundary Spann<strong>in</strong>g-Aktivitäten werden durch andere Organisationse<strong>in</strong>heiten,<br />
etwa Investor Relations, Kommunikation oder Wirtschaftspolitik,<br />
wahrgenommen. Geme<strong>in</strong>sam ist all diese E<strong>in</strong>heiten, dass sie neuartige, aus<br />
dem äusseren Umfeld resultierende Entwicklung schnell erkennen können<br />
und die <strong>in</strong>formatorischen Voraussetzungen schaffen, durch Verbreitung<br />
dieser Erkenntnisse den Ideenfluss im Unternehmen zu bee<strong>in</strong>flussen. Idealerweise<br />
werden die Erkenntnisse zwischen den Boundary Spann<strong>in</strong>g-Funktionen<br />
ausgetauscht und diskutiert, bevor sie <strong>in</strong>s Unternehmen getragen werden. So<br />
wird erstens e<strong>in</strong>e breitere Absicherung/Fundierung der Erkenntnisse erreicht<br />
und es können erste Multiplikatoren für die neuen Ideen gewonnen werden.<br />
Ausserdem wird so das Risiko der Fehle<strong>in</strong>schätzung mit negativen Folgen<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der Glaub- und Vertrauenswürdigkeit der CVC-E<strong>in</strong>heit gesenkt.<br />
293
294<br />
Gatekeep<strong>in</strong>g <strong>in</strong>terface: Der Gatekeeper nimmt die zentrale Rolle e<strong>in</strong>, den<br />
Informationsfluss vom E<strong>in</strong>zelnen auf die Unternehmensebene zu organisieren.<br />
Während Boundary Spann<strong>in</strong>g durch e<strong>in</strong>en kognitiven Prozess die Informationsgrundlagen<br />
schafft, sorgen Gatekeeper für den sozialen Kontext, um die<br />
Erkenntnisse <strong>in</strong>s Unternehmen zu tragen (Van de Ven, 1986). CVC darf ke<strong>in</strong><br />
Naturschutzgebiet oder e<strong>in</strong>e Quarantänestation für verrückte Ideen <strong>in</strong>nerhalb<br />
des Unternehmens werden75 . Reid/Brentani (2004, S. 179) gehen da<strong>von</strong> aus,<br />
dass diese Funktion meist <strong>von</strong> den gleichen Personen wahrgenommen wird,<br />
die auch die boundary spann<strong>in</strong>g-Funktionen übernehmen. Sie besitzen jedoch<br />
e<strong>in</strong>e andere Rolle. Es muss jedoch – nach Me<strong>in</strong>ung des Autors – bezweifelt<br />
werden, dass e<strong>in</strong> und dieselbe Person beide Funktionen effektiv wahrnehmen<br />
kann. Die Praxiserfahrung hat gezeigt, dass oft Personen mit besonders guten<br />
analytischen Fähigkeiten selten gleichzeitig e<strong>in</strong>e ausgeprägte Sensitivität für<br />
soziale Prozesse zeigen76 . Durch letzteren wird versucht, die Inhalte so<br />
überzeugend zu übermitteln, dass e<strong>in</strong>e grosse Akzeptanz erreicht wird. Wie<br />
dies „technisch“ gel<strong>in</strong>gen kann und welche weitere Rolle hieraus für CVC<br />
resultieren kann, wird im nächsten Kapitel vertieft behandelt.<br />
E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es CVC-Team wird diesen Überzeugungsprozess <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Grosskonzern<br />
nur schwer alle<strong>in</strong>e bewältigen können. Zahlreiche Studien belegen,<br />
dass e<strong>in</strong> hohes Mass an <strong>in</strong>ternem und externem Partner<strong>in</strong>g erfolgskritisch für<br />
diskont<strong>in</strong>uitive Innovationen/Entrepreneurship ist (so Rice/O’Connor/Peters/<br />
Morone, 1998; Tsai/Ghoshal, 1998). Es ist Aufgabe der CVC-E<strong>in</strong>heit, schnell<br />
Multiplikatoren im Unternehmen für die eigenen Ideen zu f<strong>in</strong>den. Idealerweise<br />
s<strong>in</strong>d dies Leute, die schon lange im Unternehmen arbeiten, verschiedene<br />
Positionen <strong>in</strong>nehatten, über e<strong>in</strong>e hohe Reputation verfügen und gut<br />
vernetzt s<strong>in</strong>d. Diese Multiplikatoren sorgen nach dem Schneeballpr<strong>in</strong>zip für<br />
e<strong>in</strong>e schnelle Diffusion im Unternehmen und wirken über ihr Ansehen im<br />
Unternehmen vertrauensbildend. Informelle Netzwerke spielen e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Rolle bei der Diffusion <strong>von</strong> CVC-Informationen. Während der Inhalt der Information<br />
noch nicht <strong>von</strong> allen Mitarbeitern bewertet werden kann, erfährt die<br />
75<br />
Dies jedoch sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e reale Gefahr zu se<strong>in</strong> und wird als weiterer Grund angesehen, warum so<br />
viele CVC-Programme scheitern.<br />
76<br />
Diese Tatsache betont die hohe Bedeutung e<strong>in</strong>er gut auf die Rolle <strong>von</strong> CVC abgestimmte<br />
Personalauswahl für das Funktionieren der CVC-E<strong>in</strong>heit
Idee über die sie transportierenden Personen Akzeptanz und Legitimität.<br />
Pfeffer/Salancik (1978) empfehlen, andere Überschusskapazitäten für die<br />
CVC-Aktivitäten e<strong>in</strong>zuspannen. Dies sei der e<strong>in</strong>fachste und flexibelste Weg,<br />
Zugang zu den Ressourcen des Mutterkonzerns zu erhalten und e<strong>in</strong>e stärkere<br />
Vernetzung zu erreichen.<br />
Sponsor/Champions: E<strong>in</strong>e wichtige Funktion kommt der Unterstützung der<br />
neuen Erkenntnisse bzw. der CVC-E<strong>in</strong>heit durch anerkannte Führungspersonen<br />
im Unternehmen zu. Durch die „Schirmherrschaft“ und aktive Unterstützung<br />
e<strong>in</strong>er neuen Initiative bzw. der neuen CVC-E<strong>in</strong>heit erhalten diese<br />
<strong>in</strong>direkt Anerkennung im Unternehmen. In unsicheren Entscheidungssituationen,<br />
die charakteristisch s<strong>in</strong>d für CVC-Aktivitäten oder disruptive Innovationen,<br />
ist es hilfreich für die Verbreitung dieser Ideen, den Mitarbeitern im<br />
Unternehmen klare Signale zu senden, wer das Projekt aktiv unterstützt und<br />
bereit ist, Ressourcen auf Basis e<strong>in</strong>es „guten Gefühls“ zu <strong>in</strong>vestieren. Da viele<br />
Projekte durch die Ritzen bestehender Geschäfte fallen, kämpfen die<br />
Champions um das Überleben des Projektes und für die Unterstützung bzw.<br />
zum<strong>in</strong>dest die Duldung durch die operativen E<strong>in</strong>heiten (McDermott/O`Connor,<br />
2002; Howell/Higg<strong>in</strong>s, 1990; Markham, 1998) Sponsoren haben eher<br />
symbolische Bedeutung. Der ranghöchste Sponsor ist nicht immer der beste<br />
Sponsor, da zeitliche Verfügbarkeit und operative Nähe begrenzt s<strong>in</strong>d und die<br />
Gefahr grösser ist, dass aufgrund <strong>von</strong> Personalwechseln die Unterstützung<br />
der Ideen auf e<strong>in</strong>en Schlag verlorengeht.<br />
Mit den eben beschriebenen Funktionen s<strong>in</strong>d wichtige Voraussetzungen genannt<br />
worden, die e<strong>in</strong>en Diffusionsprozess im Unternehmen begünstigen. Aufgrund der<br />
beschriebenen elementaren Bedeutung der Fähigkeit, weniger mit „harten“ Daten<br />
und Fakten, sondern auf Basis e<strong>in</strong>es sozialen Prozesses Menschen im Unternehmen<br />
überzeugen zu können, soll abschliessend auf die bereits angesprochene Gatekeep<strong>in</strong>g-<br />
Funktion näher e<strong>in</strong>gegangen werden. Dabei soll auch gezeigt werden, wie dieser<br />
Prozess <strong>in</strong>strumentell unterstützt werden kann. Die nachfolgenden Ausführungen<br />
s<strong>in</strong>d auch als konkrete Empfehlung zu verstehen, wie mit den beschriebenen und im<br />
Fall <strong>von</strong> E.ON wahrgenommenen und eskalierend wirkenden Unterschieden <strong>in</strong><br />
wesentlichen Basisprämissen des Geschäfts umgegangen werden kann.<br />
295
7.2.2.3. Instrumentelle Unterstützung des Überzeugungsprozesses<br />
Die eben def<strong>in</strong>ierte Rolle <strong>von</strong> CVC als Reizverstärker wäre nicht effektiv, wenn es<br />
nicht gelänge, diese Reize <strong>in</strong> wertvolle Informationen zu transformieren, die sich tief<br />
bei den Führungskräften des etablierten Unternehmens verankern. Dies ist auch<br />
Inhalt der zweiten Funktion <strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Gatekeepers. Die neue E<strong>in</strong>heit<br />
könnte die Rolle des Übersetzers erhalten, <strong>in</strong>dem die durch ihre Arbeit generierten<br />
„Rohdaten“ <strong>in</strong> die Sprache des etablierten Unternehmens übersetzt werden. Durch<br />
geschickte Rahmung („Fram<strong>in</strong>g“) <strong>von</strong> Informationen kann es gel<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong> das vorhandene<br />
Interpretationsschema <strong>von</strong> Führungskräften e<strong>in</strong>zugreifen und neue Informationen<br />
an bestehendes Wissen „anzudocken“. „Thus, while people make sense of<br />
the new only <strong>in</strong> terms of the old, the design of the new shapes which sense they make<br />
by determ<strong>in</strong><strong>in</strong>g which aspects of the old are <strong>in</strong>voked.” (Hardagon/Douglas, 2001, S.<br />
47977 ). Diesem Aspekt wird <strong>in</strong> der CVC-Literatur ke<strong>in</strong>e Beachtung geschenkt. Der<br />
Wahl e<strong>in</strong>es robusten Designs kommt e<strong>in</strong>e nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.<br />
Leifer (1991) hat aus der Analyse des Verhaltens <strong>von</strong> Schachspielern e<strong>in</strong>ige neue<br />
Schlussfolgerungen gezogen: Bis dato herrschte die Erkenntnis vor, dass gute<br />
Schachspieler versuchen, den künftigen Gang des Spiels aus der Auswertung der<br />
unzähligen Möglichkeiten <strong>von</strong> Zug und möglichem Gegenzug vorherzusagen. Ziel<br />
war die Bestimmung des wahrsche<strong>in</strong>lich nächsten Zugs des Gegners als Ergebnis<br />
e<strong>in</strong>er Abwägung, mit welchen Zügen sich die strategischen Ziele des Mitspielers am<br />
besten erreichen lassen. Leifer h<strong>in</strong>gegen zeigte, dass sich die Spieler weder auf e<strong>in</strong><br />
solch detailliertes Planungssystem verlassen konnten noch kapazitativ <strong>in</strong> der Lage<br />
s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong> solches Planungssystem anzuwenden. Sie müssten letztendlich bei dem<br />
Versuch kapitulieren, auf neu entstehende Situationen und Spielkonstellationen<br />
adäquat zu reagieren. Leifer zeigte vielmehr, dass die Spieler die Züge auswählen,<br />
mit denen e<strong>in</strong>e strategische Situation erreicht werden kann, die durch höchste<br />
Flexibilität auf alle möglichen Reaktionen des Gegners gekennzeichnet ist. Er<br />
bezeichnet diese als „robuste Züge“.<br />
Eccles/Nohria/Berkley (1992) wenden dieses Konzept auf die Entscheidungssituation<br />
e<strong>in</strong>es Managers <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen an. Hiernach ist e<strong>in</strong> Innovationsdesign<br />
77 Auf Hardagon/Douglas (2001) basieren auch Teile der nachfolgenden Ausführungen<br />
296
obust, wenn die Arrangements der Details, die e<strong>in</strong>en neuen Ansatz oder e<strong>in</strong>e<br />
Innovation verkörpern, sofort effektiv s<strong>in</strong>d. Dies ist dann der Fall, wenn e<strong>in</strong> neues<br />
Produkt <strong>in</strong>nerhalb der alten Denk- und Verhaltensmuster positioniert wird, aber<br />
dennoch die Flexibilität erhalten bleibt, um das spätere Verständnis und die<br />
erwünschten Handlungen und Reaktionen zu erreichen. Bestimmte Aspekte der<br />
Innovation müssen <strong>in</strong> der ersten Phase ausgeblendet werden, um ke<strong>in</strong>e Verwirrung<br />
zu erzeugen.<br />
Der Fall Edison<br />
Lange Zeit wurde Edisons elektrische Glühlampe als geniale Erf<strong>in</strong>dung und technologischer<br />
Triumph betrachtet. Die neuere Forschung betont die Rolle <strong>von</strong> traditionellen Institutionen bei der<br />
Gestaltung des neuen elektrischen Systems (McGuire/Granovetter/Schwartz, 1993;<br />
Israel/Nier/Carlat, 1998). Hargadon/Douglas (2001) zeigen, dass der Triumph Thomas Edisons<br />
über die Gas<strong>in</strong>dustrie nicht nur durch die klare Unterscheidung vom traditionellen System erreicht<br />
wurde, sondern durch die anfängliche E<strong>in</strong>hüllung <strong>in</strong> bestehende <strong>in</strong>stitutionelle Normen.<br />
Nachfolgende Ausführungen stellen das Ergebnis ihrer Untersuchung dar.<br />
Thomas Edison hat das Design der Innovation „Glühlampe“ bewusst anfänglich so gewählt, dass<br />
e<strong>in</strong>e starke Nähe vieler Ausprägungen der Innovation zu dem traditionellen, gasbasierten System<br />
vermittelt wurde. Er baute auf dem <strong>in</strong> der Öffentlichkeit vorherrschenden Verständnis der<br />
Technologie, ihres Nutzens und Wertes auf. Das neue System wurde so als Imitation des<br />
bestehenden wahrgenommen. Das neue System konnte mit den bisherigen Rahmen verstanden<br />
werden. Dramatische Veränderungen bei den Gebrauchsgewohnheiten wurden nicht befürchtet.<br />
Die bestehenden Schemen und Skripten für die Gasbeleuchtung haben das Verständnis für die<br />
Innovation bei Kunden, Regulatoren und Investoren sogar noch gestärkt. Trotz der Vision e<strong>in</strong>er<br />
neuen Welt <strong>von</strong> elektrischer Beleuchtung und Haushaltsgeräten spielte er die Innovation künstlich<br />
herunter. Durch Imitation praktisch jedes Aspektes des gewohnten gasbasierten Systems – ausser<br />
den schädlichen Abgasen -, konnte sich Edison sich sicher se<strong>in</strong>, dass die Nutzer den Zweck se<strong>in</strong>er<br />
Innovation verstanden und nicht darüber nachdenken mussten, wie sie das neue System im<br />
täglichen Leben anzuwenden hatten. Der Kampf zwischen dem neuen elektrischen und dem alten,<br />
gasbasierten System <strong>in</strong>klusive se<strong>in</strong>er Institutionen hätte nicht alle<strong>in</strong> aufgrund <strong>von</strong> gravierenden<br />
technische Vorzüge der neuen Technologie gewonnen werden können. Entscheidend war<br />
anfänglich, die Unterschiedlichkeit zwischen der neuen und der alten Technologie<br />
herunterzuspielen. Später h<strong>in</strong>gegen musste die neue Technologie durch ihre überlegene<br />
Performance überzeugen. Thomas Edison wählte e<strong>in</strong> „robustes Design“.<br />
Positiv formuliert geht es nachfolgend um die Frage, wie die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>er neuen<br />
E<strong>in</strong>heit bzw. Innovation so gestaltet werden kann, dass sie Akzeptanz erfährt und<br />
den gewünschten Effekt erzielt. Auf der e<strong>in</strong>en Seite müssen Innovationen neu se<strong>in</strong>,<br />
um überhaupt Aufmerksamkeit zu erregen (Kiesler/Sproull, 1982), andererseits<br />
müssen die Innovatoren den Wert und die Bedeutung der Innovation <strong>in</strong> der Sprache<br />
297
der existierenden Institutionen darstellen, um ihnen den Charakter des Bekannten zu<br />
geben (McK<strong>in</strong>ley/Mone/Moone, 1999). Etwas nur als neu darzustellen, reicht nicht,<br />
weil ke<strong>in</strong>e bestehende Logik existiert, den Wert und den Nutzen der Innovation zu<br />
erkennen. Üblicherweise scheitern solche Innovationen, weil sie überhaupt nicht<br />
wahrgenommen oder deren Wert verkannt werden. Wird die Innovation andererseits<br />
aber als zu nah an den bestehenden Institutionen dargestellt, gehen wertvolle<br />
Detail<strong>in</strong>formationen verloren, die den wahren Innovationscharakter ausmachen.<br />
Dem Innovator muss es also gel<strong>in</strong>gen, se<strong>in</strong>e Ideen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es bestehenden Sets<br />
<strong>von</strong> Verständnis- und Verhaltensmustern zu positionieren, um die anfängliche Aufmerksamkeit<br />
zu erhalten, gleichzeitig aber auch die <strong>in</strong>härenten Unterschiede der<br />
neuen Technologie zu bewahren. Letzteres ist notwendig, um den <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Rahmen später zu verändern. Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Innovation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en sozialen Kontext<br />
ist Gegenstand zahlreicher Forschung (Granovetter, 1985; Dac<strong>in</strong>, 1997; Dac<strong>in</strong>/<br />
Ventresca/Beal, 1999). E<strong>in</strong>e kulturelle Determ<strong>in</strong>ante des (wahrgenommenen) Wertes<br />
e<strong>in</strong>er Innovation ist, wie gut die Öffentlichkeit (Personen/Institutionen) verstehen,<br />
wor<strong>in</strong> die neue Idee besteht und wie sie damit umgehen/antworten müssen. Die<br />
konkreten Details des Designs der Innovation bildet die Basis für dieses Verständnis.<br />
Es wurde gezeigt, dass sich Akteure ihrer bestehenden Denk- und Verhaltensmuster<br />
bedienen, um neue Situationen zu <strong>in</strong>terpretieren und Antworten zu formulieren,<br />
(Schank/Abelson, 1977, S. 67-68, K<strong>in</strong>tsch/Dijk, 1978). Institutionen wie Unternehmen<br />
schärfen das Verhalten ihrer Mitarbeiter dadurch, dass sie e<strong>in</strong> Set <strong>von</strong> möglichen<br />
Interpretationen und möglichen Handlungsalternativen vorgeben. Sie stellen<br />
e<strong>in</strong>erseits Schemen zur Verfügung. Dies s<strong>in</strong>d Wissensstrukturen, die bestimmte<br />
Objekte und Ereignisse repräsentieren und vorgegebene Annahmen über deren<br />
Charakteristiken und Beziehungen unter der Bed<strong>in</strong>gung unvollständiger Information<br />
be<strong>in</strong>halten. Sie sollen helfen, zu sehen (DiMaggio, 1997, S. 269). Darüber h<strong>in</strong>aus<br />
werden Schemen zu Verfügung gestellt, die helfen zu handeln. Dies s<strong>in</strong>d stärker<br />
lokalisierte Formen <strong>von</strong> Schemen, direkte Verhaltensvorschriften und Hilfsmittel<br />
zum Verständnis ganz spezieller Situationen (Barley, 1986; DiMaggio, 1997)<br />
Schemen und Skripten be<strong>in</strong>halten die Mittel, durch die das Verständnis und das<br />
Handeln <strong>in</strong> den bestehenden <strong>in</strong>stitutionellen Kontext e<strong>in</strong>gebettet ist; sowohl auf<br />
<strong>in</strong>dividueller Ebene (DiMaggio, 1997) als auch auf organisatorischer Ebene (Weick,<br />
298
1979; Levitt/March, 1988). Verschiedene Personen haben verschiedene Schemen und<br />
Skripten, teilweise überlappend, teilweise widersprüchlich. Die Interpretation e<strong>in</strong>er<br />
gegebenen Situation und die Ableitung e<strong>in</strong>er adäquaten Handlung hängen <strong>von</strong> der<br />
Wahl des entsprechenden Skripts ab. Hierauf können diejenigen, die Unterstützung<br />
für e<strong>in</strong>e Innovation (hier: CVC) erreichen wollen, aktiv E<strong>in</strong>fluss nehmen. Je früher es<br />
gel<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong> <strong>in</strong> sich stimmiges Bild über den S<strong>in</strong>n und Zweck <strong>von</strong> CVC, se<strong>in</strong>en<br />
Auftrag und se<strong>in</strong>e Ziele im Unternehmen zu vermitteln, umso besser gel<strong>in</strong>gt es,<br />
Verständnis für die Innovation aufzubauen. Im Fall diffuser Zielvorstellungen über<br />
den faktischen Auftrag <strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> der Initiierungsphase wird es h<strong>in</strong>gegen schwer,<br />
<strong>in</strong> der Umsetzungsphase diesen Prozess zu beherrschen und <strong>in</strong> die gewünschte<br />
Richtung zu treiben.<br />
Dougherty/Heller (1994) zeigen, dass die benötigte Zeit für die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Innovation (hier: e<strong>in</strong>es neuen Produktes) positiv korreliert ist mit der Anzahl der<br />
sich ansammelnden Illegitimitäten. Im Zusammenhang mit der Verankerung <strong>von</strong><br />
CVC-Aktivitäten oder anderer Innovationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen ist es<br />
also wichtig, Anzahl und Stärke der „gefühlten“ Illegitimitäten zu verr<strong>in</strong>gern. In der<br />
Mediz<strong>in</strong> gilt: Je genetisch verwandter das Transplantat mit dem Zellgewebe desto<br />
ger<strong>in</strong>ger die Gefahr der Immunisierung. Im Zusammenhang mit CVC gilt es,<br />
(zunächst) die Verbundenheit mit dem derzeitigen Wertesystem zu demonstrieren,<br />
auch wenn dieses (anschliessend) grundlegend verändert oder sogar substituiert<br />
werden soll.<br />
Die Umwelt versucht aus dem Verhalten der Top-Entscheidungsträger h<strong>in</strong>sichtlich<br />
CVC und sowie aus dem Verhalten der neuen E<strong>in</strong>heit selber e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n zu entnehmen<br />
(„sense mak<strong>in</strong>g process“), <strong>in</strong>dem sie Schlussfolgerungen aus den gewonnenen<br />
Beobachtungen zieht. Das Bild und die Wahrnehmung werden alle<strong>in</strong> durch Art und<br />
Weise, wie e<strong>in</strong>e Tatsache dargestellt wird („fram<strong>in</strong>g an issue“) und nicht durch den<br />
tatsächlichen Inhalt, <strong>in</strong>sbesondere beim Fehlen e<strong>in</strong>es objektiven Standards, geprägt<br />
(Tversky/Kahneman, 1981). „Entrepreneurial stories strive to make the unfamiliar<br />
familiar by fram<strong>in</strong>g the new venture (often through metaphor and analogy) <strong>in</strong> terms<br />
that are understandable and thus legitimate (Salancik/Leblebici, 1988). Die CVC-<br />
E<strong>in</strong>heit kann aus der Mehrdeutigkeit bei der Interpretation <strong>von</strong> neuem Verhalten<br />
dadurch profitieren, dass sie ihre Botschaften geschickt verpackt und sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
ganz bestimmten Weise gegenüber den Zielpersonen und –gruppen verhält. Sie<br />
299
etont dann üblicherweise jene Aspekte ihres Handelns und ihrer Motive zur<br />
F<strong>in</strong>anzierung bestimmter Innovationen, die geeignet s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e Identifizierung zu<br />
erzeugen (etwa die mögliche E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>er dezentralen E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> e<strong>in</strong> zentrales<br />
Kraftwerksteuerungssystem). Wenn externe Verlässlichkeitstests nicht zur<br />
Verfügung stehen, ist Kooperation möglich, wenn die D<strong>in</strong>ge simplifiziert, stilisiert,<br />
symbolisiert und ihnen ritueller Ausdruck verliehen wird, sie also nach üblichem<br />
Brauch codiert werden (Hawthorn, 1988). Howell and Higgens (1990) kommen zu<br />
ähnlichen Ergebnissen, <strong>in</strong>dem sie zeigen, dass Entrepreneure überzeugender s<strong>in</strong>d,<br />
wenn sie ihre Innovation breit genug darstellen und dabei <strong>in</strong> existierendes Wissen<br />
e<strong>in</strong>hüllen. Issue Fram<strong>in</strong>g hat e<strong>in</strong>e starke psychologische Wirkung (L<strong>in</strong>k, 1987) sowie<br />
e<strong>in</strong>en hohen Wert als legitimierendes und motivierendes Symbol. Die Wichtigkeit<br />
symbolischer Kommunikation wurde <strong>von</strong> Fiol, Harris and House (1992) nachgewiesen.<br />
Sie zeigten, dass charismatische Führer e<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> spezifischen rhetorischen<br />
Techniken benutzen um soziale Normen zu verändern, etwa die Benutzung<br />
der „wir“-Form (anstatt „ich“ und „du“) sowie e<strong>in</strong>es hohen Abstraktionslevels beim<br />
Issue Fram<strong>in</strong>g, durch den e<strong>in</strong>e hilfreiche Zweideutigkeit erzeugt wird.<br />
Die CVC-E<strong>in</strong>heit tätigt Investitionen <strong>in</strong> Geschäftskonzepte, die noch mit sehr<br />
grossen Unsicherheiten verbunden s<strong>in</strong>d. Die <strong>in</strong>stitutionelle Unterstützung – etwa für<br />
Erneuerbare Energien – ist noch nicht stabil. Die traditionelle (EVU-/Energie-)<br />
Branchen attackieren (noch) die neuen Geschäftsmodelle bzw. Technologien und<br />
viele <strong>Venture</strong> Unternehmen konkurrieren um den Erfolg versprechendsten Pfad,<br />
e<strong>in</strong>e lukrative Nische oder mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neu entstehenden Markt zu besetzen. Die<br />
Herausforderung besteht für CVC-E<strong>in</strong>heit und Start-up-Unternehmen dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e<br />
Wissensbasis aufzubauen, die e<strong>in</strong> Aussenstehender als gültig akzeptiert. Sie müssen<br />
die wirklich radikale Natur/Idee ihrer Aktivität und die Herausforderungen, die<br />
diese für die etablierte Unternehmen bedeutet, verkleiden und gleichzeitig<br />
herausstellen, dass dieser Fall doch so unterschiedlich ist, dass dadurch e<strong>in</strong><br />
Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann.<br />
Da es noch ke<strong>in</strong>e extern validierten Argumente gibt, müssen sie auf alternative<br />
Kommunikationsformen ausweichen, z.B. auf Geschichten/Erzählungen („narratives“),<br />
durch die das <strong>Venture</strong> bzw. die CVC-Aktivitäten so dargestellt wird, dass<br />
dies kompatibel mit allgeme<strong>in</strong> gängigen Praktiken und Aktivitäten ist. Rationale<br />
Argumentation basiert auf Denkvorgängen, die reiflich überlegt s<strong>in</strong>d und<br />
300
Schlussfolgerungen be<strong>in</strong>halten. Erzählungen wirken durch Unterstellungen<br />
(„suggestion“) und Identifikation. (Aldrich/Fiol, 1994, S. 652). Geschichten stellen<br />
e<strong>in</strong>en Weg dar etwas zu erklären, ohne zuvor h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es bestimmten<br />
Kriteriums Übere<strong>in</strong>stimmung erzielt zu haben. Die Gültigkeit e<strong>in</strong>er Geschichte hängt<br />
nicht <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Set an externen Kriterien ab, sondern da<strong>von</strong>, <strong>in</strong> welchem Grad die<br />
Geschichte <strong>in</strong> sich stimmig und frei <strong>von</strong> Widersprüchen ist (Fisher, 1985). Howell<br />
und Higg<strong>in</strong>s ziehen aus ihrer Studie über Champions technologischer Innovationen<br />
den Schluss, dass die grundlegenden Erfolgskomponenten bei der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Innovation <strong>in</strong> der Artikulation e<strong>in</strong>er überzeugenden Vision h<strong>in</strong>sichtlich des<br />
Potenzials der Innovation für das eigene Unternehmen liegt, <strong>in</strong> dem Ausdruck <strong>von</strong><br />
Vertrauen <strong>in</strong> andere, dass diese effektiv bei dieser Initiative mitarbeiten und im<br />
Aufzeigen <strong>von</strong> kreativen Massnahmen, mit denen die Ziele erreicht werden sollen<br />
(Howell/Higg<strong>in</strong>s, 1990, S. 336).<br />
301
7.3. Fazit: Welche Lehren können aus dem Fall E.ON gezogen werden?<br />
Durch die Analyse e<strong>in</strong>es Praxisbeispiels der (gescheiterten) <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>es CVC-<br />
Ansatzes konnten zahlreiche Herausforderungen aufgezeigt werden, die CVC während<br />
des Prozesses der Verankerung mit e<strong>in</strong>em Grossunternehmen meistern muss.<br />
Mithilfe e<strong>in</strong>er neuen Betrachtungsperspektive, <strong>in</strong> der die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC als<br />
sozialer Prozess verstanden wurde, konnten auch e<strong>in</strong>ige neue Begründungen gefunden<br />
werden, woran es liegen könnte, warum so viele CVC-Programme scheitern. Es<br />
sollte lohnenswert se<strong>in</strong>, diese Erkenntnisse zu vertiefen und zu versuchen, die auf<br />
Basis e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>zelfalls gewonnenen Ergebnisse empirisch abzusichern.<br />
Der zweite Teil der Forschungsfrage umfasste die Ableitung <strong>von</strong> Empfehlungen, wie<br />
CVC künftig erfolgreicher umgesetzt werden kann. An dieser Stelle soll kritisch<br />
überprüft werden, ob dies gelungen ist. Die Antwort kann differenziert ausfallen; je<br />
nach Anspruchsniveau: Möglicherweise konnten – auch gemessen an den bisherigen<br />
Forschungsbeiträgen zu CVC - tatsächlich e<strong>in</strong>ige wertvolle H<strong>in</strong>weise und Gestaltungsempfehlungen<br />
gegeben werden. Sollte der Anspruch dar<strong>in</strong> bestanden haben,<br />
Führungskräften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten Grossunternehmen e<strong>in</strong>e sehr pragmatische<br />
Orientierungshilfe im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es „Erfolgsrezeptes“ für künftige CVC-<strong>E<strong>in</strong>führung</strong>en<br />
an die Hand zu geben, dann konnten diese Erwartungen möglicherweise nicht vollends<br />
erfüllt werden. Natürlich liegt die Frage nahe, warum dies nicht gelungen ist.<br />
Tatsächlich wurde der Versuch gemacht, nicht zuletzt <strong>in</strong> Form der <strong>in</strong> Abb. 31<br />
aufgeführten „Checkliste“ und Kontrollfragen, besonders wichtige Themenfelder zu<br />
durchdr<strong>in</strong>gen und möglichst konkrete, praktische Empfehlungen hieraus abzuleiten.<br />
Die anfänglich als Orientierungshilfe gedachte Gliederung der Checkliste erwies sich<br />
zunehmend als Belastungsfaktor, weil es schwer wurde, Themen wirklich scharf<br />
abzugrenzen. Dass dies <strong>in</strong>des ke<strong>in</strong> „handwerklicher Fehler“ war, sondern natürliche<br />
Folge der gewählten, systemischen Betrachtungsweise, wurde schnell klar. Der<br />
Fokus dieser Arbeit lag immer auf Beziehungen zwischen Objekten und nicht auf<br />
den Objekten selbst. Im Rahmen der Fallanalyse wurden Erklärungen aus der<br />
Vernetzung <strong>von</strong> verschiedenen Faktoren abgeleitet; alles ist mit allem verbunden.<br />
Daher musste der Versuch, Erfolgsfaktoren zu isolieren und sehr konkrete<br />
Empfehlungen zu formulieren, <strong>von</strong> vornhere<strong>in</strong> als schwierig erachtet werden. In<br />
Teilen ist es möglich, e<strong>in</strong> Problem wirklich zu isolieren. So konnten z.B. im letzten<br />
302
Kapitel e<strong>in</strong>ige sehr konkrete H<strong>in</strong>weise gegeben werden, wie durch E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong><br />
bestimmten Hilfsmitteln und Techniken der Kontext und die „Geschichte“ der<br />
Entscheidungsträger im etablierten Unternehmen bee<strong>in</strong>flusst werden können. In den<br />
allermeisten Fällen ist es <strong>in</strong>des nicht möglich, das Problem so zurechtzuschneiden<br />
und damit e<strong>in</strong>er Lösung zuzuführen, ohne dass wichtige Informationen verloren<br />
g<strong>in</strong>gen. Es wird schwer, den Erfolg e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes sicherzustellen, wenn CVC<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Umfeld e<strong>in</strong>gebettet ist, das den Regeln der Systemtheorie folgt. Permanente<br />
Rückkoppelungseffekte und Adjustierungen des Systems machen es unmöglich,<br />
sichere Prognosen zu treffen; schon gar nicht auf e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en, vom E<strong>in</strong>zelfall<br />
abstrahierenden Ebene. Diese Erfahrung bei dem Versuch, konkrete<br />
Gestaltungsh<strong>in</strong>weise zu geben, ist e<strong>in</strong>e Bestätigung des <strong>in</strong> Kapitel 4.1.1. theoretisch<br />
dargelegten Pr<strong>in</strong>zips der Ganzheit. So können e<strong>in</strong>erseits die Gestaltungsh<strong>in</strong>weise <strong>in</strong><br />
diesem Kapitel als Versuch e<strong>in</strong>es so konkret wie möglich formulierten Leitfadens<br />
verstanden werden. Man kann sie andererseits aber auch nur als weitere Geschichte<br />
sehen, das Umfeld <strong>von</strong> CVC zu beschreiben.<br />
Mit dieser zweiten Interpretation wird e<strong>in</strong> weiterer möglicher, übergeordneter<br />
Praxisnutzen angesprochen. Es sollte mit dieser Arbeit versucht vor allem werden,<br />
e<strong>in</strong> besseres Verständnis für die Umfeldbed<strong>in</strong>gungen <strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Unternehmen zu vermitteln und das Bewusstse<strong>in</strong> zu schärfen, was es heisst, e<strong>in</strong>e<br />
CVC-E<strong>in</strong>heit im Unternehmen zu gründen und welche Probleme <strong>in</strong> diesem<br />
Zusammenhang zu lösen s<strong>in</strong>d. Es hat sich immer mehr gezeigt, dass die Probleme<br />
<strong>von</strong> CVC <strong>in</strong> der Praxis stark mit übergeordneten Problemen des Unternehmens<br />
verknüpft s<strong>in</strong>d, nämlich Offenheit für Innovationen bzw. – noch allgeme<strong>in</strong>er<br />
formuliert – für Veränderungen zu erzeugen. Der Versuch, e<strong>in</strong> recht stabiles und sich<br />
teilweise sehr widerspenstig verhaltendes Unternehmenssystem zu bee<strong>in</strong>flussen,<br />
stellt e<strong>in</strong>e grosse Herausforderung dar und ist sicherlich nur <strong>in</strong> begrenztem Umfang<br />
möglich; schon gar nicht <strong>in</strong> dem Zeitrahmen, den Führungskräfte der CVC-E<strong>in</strong>heit<br />
zum Nachweis ihres Erfolges zubilligen. E<strong>in</strong> erfolgreich operierendes Unternehmen<br />
stellt se<strong>in</strong> bewährtes Geschäftsmodell nicht ohne Not selbst <strong>in</strong> Frage. Das gleiche gilt<br />
für bislang sich als richtig erwiesene Praktiken, Interpretationsschemen und<br />
Wertvorstellungen. Es sollte ferner akzeptiert werden, dass das etablierte<br />
Unternehmen (zunächst) Abwehrreaktionen gegenüber Veränderungen entwickelt.<br />
Diese und viele andere Faktoren determ<strong>in</strong>ieren letztendlich die Haltung e<strong>in</strong>er<br />
Führungskraft zu bestimmten Themen (z.B. Innovation), Ereignissen und<br />
303
schlussendlich auch zu CVC. Den übergeordneten Kontext, <strong>in</strong> dem sich e<strong>in</strong>e<br />
Führungskraft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen typischerweise bef<strong>in</strong>det, so<br />
anschaulich wie möglich darzustellen, war e<strong>in</strong> wichtiges Ziel dieser Arbeit. Die<br />
Beschreibung erfolgte mithilfe <strong>von</strong> zwei „Geschichten“. Die erste war die e<strong>in</strong>er<br />
konkreten Praxise<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes. Sie hatte stark chronologischen<br />
Charakter und war e<strong>in</strong>zelfallbezogen. Die zweite war allgeme<strong>in</strong>er formuliert und<br />
stellte die Ergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en übergeordneten, nach Themengebieten sortierten<br />
Zusammenhang. Durch beide Geschichten und noch besser durch die Verknüpfung<br />
der beiden Geschichten sollte gezeigt werden, welche Vielzahl <strong>von</strong> Beziehungen<br />
zwischen Objekten existiert und wie das Netz beschaffen ist, <strong>in</strong> das Entscheidungen<br />
zu CVC e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d.<br />
Die <strong>in</strong> der Vorbemerkung zu dieser Arbeit geäusserte Hoffnung, dass sich durch tiefe<br />
Analyse des Untersuchungsgegenstandes übergeordnete Muster ableiten lassen,<br />
könnte sich erfüllt haben. Es konnten Muster <strong>von</strong> <strong>in</strong> bestimmten Situationen<br />
besonders relevanten Beziehungen identifiziert werden und gleichzeitig Muster <strong>in</strong><br />
Form <strong>von</strong> diese Beziehungen verändernden, typischen Verhaltensweisen. Im<br />
Erkennen bestimmter Mustern lag die Basis vieler Erklärungen. Dies hat die<br />
Fallstudie gezeigt. Und letztlich basierten auch die Gestaltungsh<strong>in</strong>weise dieses<br />
Kapitels auf e<strong>in</strong>er Deutung <strong>von</strong> Mustern, auch wenn dies nicht immer explizit<br />
herausgestellt worden ist. Bei der Ableitung <strong>von</strong> Empfehlungen wurde versucht,<br />
zunächst e<strong>in</strong> (schemenhaftes) Bild über bestimmte Zusammenhänge <strong>in</strong> bestimmten<br />
Situationen zu gew<strong>in</strong>nen und gleichzeitig darüber, wie konstant oder veränderlich<br />
dieses Bild über die Zeit ist. Die Veränderungen können entweder aufgrund <strong>von</strong><br />
Umwelte<strong>in</strong>flüssen oder eigener Anstrengungen erfolgen. In Abhängigkeit dieser<br />
E<strong>in</strong>schätzung wurden dann Handlungsempfehlungen abgeleitet, die sich im Grunde<br />
auf folgende Basisstrategien zurückführen lassen:<br />
304<br />
Es wurde versucht, auf die (Beziehungs-) Muster selbst E<strong>in</strong>fluss zu nehmen<br />
und diese zu verändern. Diese Arbeit hat gezeigt, dass es nicht leicht ist,<br />
Muster zu bee<strong>in</strong>flussen, weil viele ihren Ursprung <strong>in</strong> der Historie des<br />
Unternehmens und lange geübten Praktiken haben. Sie s<strong>in</strong>d meist nur<br />
langfristig veränderbar. Die <strong>in</strong> Kapitel 7.2.1.7. empfohlenen strategischen<br />
Direktiven, <strong>in</strong> der die Unternehmensleitung erstens Stellung zum<br />
gewünschten Grad an Flexibilität – und damit auch an Offenheit für
Innovationen - bezieht und zweitens se<strong>in</strong>en Führungskräften e<strong>in</strong>en<br />
Orientierungsrahmen an die Hand gibt, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Beispiel dafür, wie Muster<br />
zum<strong>in</strong>dest langfristig bee<strong>in</strong>flusst werden können. Wenn bestimmte<br />
Reaktionen des Unternehmens stark durch das Verhalten e<strong>in</strong>zelner Personen<br />
geprägt s<strong>in</strong>d, können Muster im Unternehmen durch Personalveränderungen<br />
auch kurzfristig relativ leicht Veränderungen erfahren,<br />
zweitens wurde versucht, Lösungswege dadurch aufzuzeigen, dass<br />
Innovationsprojekte begünstigende Situationen bzw. Situationenmuster<br />
abgewartet werden. Wenn die Überzeugung vorherrscht, dass für CVC<br />
momentan ungünstige Kräftekonstellationen vorherrschen und diese Muster<br />
tatsächlich schwer zu verändern s<strong>in</strong>d, könnte es e<strong>in</strong>e Strategie se<strong>in</strong>, mit<br />
bestimmten Projekten auf e<strong>in</strong>e besonders gute Konstellationen<br />
unterstützender (im Verhältnis zu den beharrenden) Kräfte zu warten. Dem<br />
richtigen Tim<strong>in</strong>g <strong>von</strong> Projekten kommt dann e<strong>in</strong>e entscheidende Bedeutung<br />
zu. Das Warten auf e<strong>in</strong>en günstigen Zeitpunkt besitzt e<strong>in</strong>e strategische und<br />
e<strong>in</strong>e taktische Komponente: Auf die erste, <strong>in</strong> der derzeitigen<br />
Unternehmenssituation (zwischen erfolgsverwöhnt und krisengeschüttelt)<br />
liegenden Dimension ist im Kapitel 7.2.1.2. ausgiebig e<strong>in</strong>gegangen worden.<br />
H<strong>in</strong>ter der taktischen verbergen sich z.B. Fragen der derzeitigen Prioritäten<br />
des Managements, auf die immer wieder im Rahmen der Fallstudie<br />
e<strong>in</strong>gegangen wurde.<br />
Drittes wurde versucht, e<strong>in</strong> Gegenmuster zu entwickeln. Hier werden die<br />
bestehenden Muster so akzeptiert wie sie s<strong>in</strong>d und vor allem versucht, die<br />
negativen Kräfte zu beherrschen. Dies erfolgt <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Antwortmusters,<br />
das nach dem „Schlüssel-Schloss-Pr<strong>in</strong>zip“ funktioniert. Dieses Pr<strong>in</strong>zip ist <strong>in</strong><br />
vielen biologischen Systemen anzutreffen und wird auch <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong><br />
angewendet. Bei der Immunisierung erhält beispielsweise e<strong>in</strong>e Person e<strong>in</strong><br />
Antigen, das sich dadurch auszeichnet, dass es exakt auf das Muster bzw. die<br />
Struktur der körpereigenen Antikörper angepasst ist. So kann die Produktion<br />
<strong>von</strong> Antikörper angeregt werden und die gewünschte Immunisierung erreicht<br />
werden. Übertragen auf die Innovationsproblematik würde dies bedeuten,<br />
dass <strong>in</strong> genauer Kenntnis (oder bestmöglicher Abschätzung) potenzieller<br />
Reaktionen des Unternehmens auf die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> e<strong>in</strong>es CVC-Ansatzes<br />
305
306<br />
hierauf e<strong>in</strong> optimal abgestimmtes Antwortmuster entwickelt wird. Durch<br />
dieses sollen unerwünschte negative Rückkopplungen neutralisiert und<br />
vorhandene Schubkräfte Geltung verschafft werden. Das <strong>in</strong> Kapitel 7.2.2.3.<br />
beschriebene Issue-Fram<strong>in</strong>g erfüllt viele Anforderungen an e<strong>in</strong> solches, nach<br />
dem Schlüssel-Schloss-Pr<strong>in</strong>zip funktionierenden Antwortmuster.<br />
Der letztgenannte Ansatzpunkt, Lösungen mithilfe <strong>von</strong> Gegenmustern zu<br />
entwickeln, bietet zahlreiche Möglichkeiten der weiteren Erforschung. So könnte es<br />
sehr <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>, die Erkenntnisse aus schon wesentlich besser erforschten<br />
Systemen (Biologie, Mediz<strong>in</strong>) auf deren Nutzbarkeit <strong>in</strong> Zusammenhang sozialen<br />
Systemen stärker zu prüfen. Leider konnte dies im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr<br />
geschehen. Hierauf wird aber im nachfolgenden Abschnitt noch e<strong>in</strong>mal kurz Bezug<br />
genommen.<br />
Diese Art des Erkenntnisgew<strong>in</strong>ns hat zugegebenermassen stark experimentellen<br />
Charakter und unterscheidet sich <strong>von</strong> den traditionellen Forschungsansätzen sehr<br />
stark. Dieses Vorgehen hat <strong>in</strong>des den gesamten Stil dieser Arbeit geprägt. Es wurde<br />
versucht, e<strong>in</strong>en neuen Weg <strong>in</strong> der Erforschung <strong>von</strong> CVC zu beschreiten, dabei<br />
Wissen neu zu komb<strong>in</strong>ieren, und an möglichst vielen Stellen neue<br />
Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Gefahr dieser Vorgehensweise ist, dass bei dieser<br />
Neukomb<strong>in</strong>ation <strong>von</strong> Wissen auch leicht Fehler passieren können; etwa <strong>in</strong> Form <strong>von</strong><br />
logischen Trugschlüssen oder weil auf wenig abgesicherten Erkenntnissen im<br />
Bereich CVC aufgebaut wurde. Diese Fehler können wohl nie ganz ausgeschlossen<br />
werden. So bleibt zum<strong>in</strong>dest die Hoffnung, dass <strong>in</strong>sgesamt die Bilanz aus Nutzen<br />
und Kosten e<strong>in</strong>en positiven Saldo aufweist und e<strong>in</strong>ige dieser „Experimente“ sich als<br />
gelungen erweisen. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, wird sich nicht zuletzt im<br />
Rahmen weiterer Forschungen, <strong>in</strong>sbesondere zur empirischen Absicherung vieler<br />
Schlussfolgerungen zeigen<br />
Wenn abschließend versucht wird, alle Ergebnisse dieser Arbeit zusammenzufassen,<br />
sowohl <strong>in</strong> digitaler Sprache als auch <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er (analogen) Abbildung, so kann e<strong>in</strong><br />
wichtiger Erfolgsfaktor <strong>von</strong> CVC wie auch die verwendete Analysemethode<br />
möglicherweise auf den folgenden geme<strong>in</strong>samen Nenner gebracht werden:
The art of pattern recognition<br />
307
8. Weiterführende Forschungsansätze<br />
Die Analyse des Praxisbeispiels E.ON bietet vielfältige Anknüpfungspunkte für<br />
weitere Forschungsansätze. Die sich aus den Ergebnissen dieser Arbeit stellenden<br />
Fragen werden nachfolgend nach dem „Grad der Offensichtlichkeit“ vorgestellt.<br />
Übertragbarkeit der aus e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>zelfall gewonnenen Ergebnisse zu CVC?<br />
Angesichts der schmalen empirischen Fundierung der Forschungsergebnisse (e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>ziger Fall, e<strong>in</strong>e beobachtende Person, aktive Involvierung dieser Person <strong>in</strong> den<br />
beschriebenen sozialen Prozess), liegt es nahe, die Verallgeme<strong>in</strong>erbarkeit der gefundenen<br />
Zusammenhänge zu prüfen. Kritische Wissenschaftler könnten eben diese <strong>in</strong><br />
Zweifel ziehen und Beispiele f<strong>in</strong>den, dass es auch ganz andere Erklärungen als die<br />
hier vorgetragenen geben könnte und viele Begründungen ihre Ursachen <strong>in</strong> den<br />
ganz besonderen Umständen des Falls haben könnten. Aufgrund dessen wurde versucht,<br />
<strong>in</strong> den vorangegangenen Abschnitten die eigenen Schlussfolgerungen durch<br />
möglichst viele Argumente und Begründungen zu fundieren und nachvollziehbar zu<br />
machen. Ke<strong>in</strong>esfalls soll hierdurch der Anspruch auf (absolute) Richtigkeit erhoben<br />
werden. Nach Bateson kann die Wissenschaft ohneh<strong>in</strong> nichts beweisen, sondern<br />
lediglich sondieren. Die Erkenntnisse müssen selbst für den untersuchten Fall nicht<br />
„richtig“ se<strong>in</strong>. Es handelt sich vielmehr um die Deutung der D<strong>in</strong>ge und Ereignisse<br />
durch den Autor.<br />
Es wäre <strong>in</strong>teressant zu wissen und könnte Gegenstand weiterer Forschung se<strong>in</strong>,<br />
<strong>in</strong>wieweit nicht nur die Schlussfolgerungen, sondern die diesen zugrundliegenden<br />
Prämissen allgeme<strong>in</strong> gelten. Viele Prämissen wurden nicht immer kritisch h<strong>in</strong>terfragt.<br />
Exemplarisch soll anhand der Ausführungen <strong>in</strong> Kapitel 7.1.1.1. gezeigt werden,<br />
welche Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e empirische Überprüfung bestimmter Aussagen (A1-<br />
A5) bestehen:<br />
308<br />
A1: E<strong>in</strong> Projekt besitzt beim Start gleichzeitig politische und marktstrategische<br />
Treiber.
Anders als die beiden <strong>in</strong> Abb. 28 aufgezeigten idealtypischen Projekte, die<br />
entweder nur politische oder marktstrategische Treiben besitzen, wird<br />
jedes Projekt e<strong>in</strong> bestimmtes Mass an politischen und marktstrategischen<br />
Treiber besitzen. Es bezieht se<strong>in</strong>e Schubkraft aus zwei Quellen, wird also<br />
zweigleisig angetrieben.<br />
A2: Im Implementierungsprozess werden die politischen Treiber ger<strong>in</strong>ger und die<br />
marktstrategischen Treiber gew<strong>in</strong>nen an Bedeutung.<br />
Wenn Innovationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen verankert werden<br />
sollen, dann ist dies eher durch strategische als durch politische<br />
Begründungen zu erreichen. Letztere mögen zwar das e<strong>in</strong>zelne Projekt<br />
treiben, s<strong>in</strong>d aber eher geeignet, negative Rückkoppelungen des Systems<br />
Unternehmen zu erzeugen.<br />
A3: E<strong>in</strong> Projekt ist dann am besten verankert, wenn Treiber ausschliesslich<br />
strategische und ke<strong>in</strong>erlei politischen Gründe (mehr) s<strong>in</strong>d.<br />
Diese Hypothese befasst sich mit der Geraden, die <strong>in</strong> Abb. 32 als „Ziel“<br />
bezeichnet worden ist. Gilt diese Hypothese immer oder nur für<br />
bestimmte Innovationen? Zweifel könnten beispielsweise aufkommen,<br />
wenn es sich um e<strong>in</strong>e Innovation handelt, deren Erfolg <strong>von</strong> starken<br />
Netzwerkeffekten im externen Umfeld abhängt.<br />
A4: E<strong>in</strong> Projekt besitzt dann e<strong>in</strong> besonders grosses Risiko zu scheitern, wenn die<br />
Lücke zwischen politischer und strategischer Begründung gross ist.<br />
Die Fallanalyse hat gezeigt, dass e<strong>in</strong> Kernproblem der stabilen Verankerung<br />
<strong>von</strong> CVC war, dass dieses Anfangs se<strong>in</strong>e Schubkraft aus dem<br />
externen, politischen Umfeld bezog und diese nach dem Umsetzungsbeschluss<br />
durch marktstrategische Schubkräfte ersetzt werden musste.<br />
Diese waren jedoch zum Zeitpunkt des Umsetzungsbeschlusses nur sehr<br />
schwach vorhanden. Dieser Zustand wird def<strong>in</strong>iert als grosse Lücke zwischen<br />
politischer und strategischer Begründung. Wenn e<strong>in</strong>e Innovation<br />
als sozialer Prozess verstanden wird, und e<strong>in</strong>e solche Diskont<strong>in</strong>uität bzw.<br />
309
310<br />
e<strong>in</strong> Zustand der Übertragung <strong>von</strong> Schubkräften <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Objekt auf e<strong>in</strong><br />
anderes existiert, dann ist diese Situation als <strong>in</strong>stabil zu bezeichnen. Die<br />
Gefahren <strong>von</strong> Störungen dieses Prozesses s<strong>in</strong>d gross.<br />
A5: Je stärker e<strong>in</strong> Projekt politisch begründet ist, umso früher erfolgt der<br />
Umsetzungsbeschluss<br />
Diese Hypothese zielt auf Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich des Zeitpunktes des<br />
Umsetzungsbeschlusses, je nachdem, ob es stark politischen oder ausschliesslich<br />
marktstrategisch getrieben ist. Es wird – gestützt durch die<br />
Erfahrung der Fallanalyse – vermutet, dass der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sbeschluss<br />
früher fällt, wenn das Projekt politisch gefördert wird und strategische<br />
Fragestellungen nur schwach adressiert werden. Das Risiko des<br />
Scheiterns des Projektes ist dann besonders gross; ebenso die Lücke<br />
zwischen politischer und strategischer Begründung für das Projekt.<br />
Umgekehrt könnte erwartet werden, dass je schwächer die politische<br />
Begründung ist, desto später f<strong>in</strong>det der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sbeschluss statt und<br />
desto kle<strong>in</strong>er ist die Lücke zwischen politischer und strategischer<br />
Begründung. Dies sollte die Erfolgschance des Projektes erhöhen.<br />
Abb. 38: Hypothese: Je stärker die politische Begründung<br />
für e<strong>in</strong> Projekt, desto früher der <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sbeschluss<br />
hoch<br />
Politische<br />
Begründung<br />
niedrig<br />
hoch<br />
Strategische<br />
Begründung<br />
niedrig<br />
Grad der Motivation<br />
t 1<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
t2 t3 <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sbeschluss<br />
<br />
Erfolgreiche<br />
Verankerung<br />
Ziel<br />
t
Übertragbarkeit der Erkenntnisse zu CVC auf übergeordnete Innovationsfragen?<br />
Die Dissertation befasste sich vor allem mit den strategischen Nutzenpotenzialen <strong>von</strong><br />
CVC für das etablierte Unternehmen. Dies war nicht unbed<strong>in</strong>gt anfangs <strong>in</strong>tendiert,<br />
ergab sich jedoch immer mehr im Laufe der Analyse, da diese e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle bei<br />
der erfolgreichen Verankerung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen spielen.<br />
Der Bezug zum übergeordneten Innovationsmanagement lässt sich auf mehrere<br />
Arten und Weisen herstellen; durch den Innovationscharakter der CVC-E<strong>in</strong>heit<br />
selbst <strong>in</strong>klusive der durch sie repräsentierten Innovationen sowie ihre strategische<br />
Rolle im etablierten Unternehmen. Die stärke Beleuchtung des im Kontext <strong>von</strong><br />
Innovationen stattf<strong>in</strong>denden sozialen Prozesses könnte neue Erkenntnisse nicht nur<br />
für die <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>von</strong> CVC, sondern auch h<strong>in</strong>sichtlich der Adaption <strong>von</strong><br />
Innovationen überhaupt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etablierten Unternehmen br<strong>in</strong>gen. Auf e<strong>in</strong>er noch<br />
weiter aggregierten Stufe könnten sich sogar Ansatzpunkt zum besseren<br />
Management <strong>von</strong> Projekten, die Berater geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> als „Change Projekte“<br />
bezeichnen, ergeben. Auf der allgeme<strong>in</strong>sten Ebene g<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> der Dissertation darum<br />
aufzuzeigen, wie Führungskräfte <strong>in</strong> etablierten Unternehmen mit Veränderungen,<br />
etwa <strong>in</strong>duziert aus dem externen Umfeld umgehen bzw. das System „Unternehmen“<br />
hierauf reagiert. Aus der besseren Kenntnis des Mikroprozesses lässt sich auch das<br />
Verhalten des Unternehmens <strong>in</strong>sgesamt besser verstehen.<br />
Dieses Verständnis könnte <strong>in</strong> vielerlei H<strong>in</strong>sicht genutzt werden. Erstens könnte<br />
damit die Effektivität der bisherigen lenkungspolitischen Massnahmen, etwa zur<br />
Förderung e<strong>in</strong>er sauberen, nachhaltigen Energieerzeugung, besser und<br />
differenzierter beurteilt werden. Vielleicht lässt sich die Erkenntnis, dass e<strong>in</strong><br />
Misserfolgsfaktor <strong>von</strong> CVC dar<strong>in</strong> lag, dass im Laufe des <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sprozesses<br />
Unvere<strong>in</strong>barkeiten wahrgenommen und Polarisierungen, erzeugt worden s<strong>in</strong>d,<br />
dafür nutzen, alternative Wege aufzuzeigen, wie die Interessen <strong>von</strong><br />
Gesellschaft/Politik und der der Energiekonzerne besser <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang gebracht<br />
werden können. Die aufgezeigte Strategie des „robusten Designs“ sowie des „Issue<br />
fram<strong>in</strong>gs“ könnte auch Anwendungsmöglichkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Kontext f<strong>in</strong>den.<br />
311
Auch aus dem Blickw<strong>in</strong>kel e<strong>in</strong>es übergeordneten Innovationsmanagements bieten<br />
sich durch die oben aufgezeigten Strategien zahlreiche Ansatzpunkte, neue<br />
Erklärungen zu f<strong>in</strong>den. Wenn man sich mit der Frage beschäftigt, warum im Bereich<br />
des Fahrzeugsantriebs die technisch weniger anspruchsvollere Hybrid-Technologie<br />
derzeit e<strong>in</strong>e so grosse Verbreitung erfährt und sich gleichzeitig die Markte<strong>in</strong>führung<br />
<strong>von</strong> technisch anspruchsvolleren, mit Milliardensummen vorangetriebene<br />
Brennstoffzellentechnologien so schwierig gestaltet, können die Konzepte des<br />
„robusten Designs“ sowie des „issue fram<strong>in</strong>gs“ hier wichtige, nach Me<strong>in</strong>ung des<br />
Autors vernachlässigte Erklärungen liefern.<br />
Übertragbarkeit <strong>von</strong> systemtheoretischen Erkenntnissen aus anderen Diszipl<strong>in</strong>en auf<br />
Unternehmenssituationen?<br />
Die Ideen der Systemtheorie konnten <strong>in</strong> dieser Arbeit nur angerissen werden. Der<br />
Bezug zu anderen Diszipl<strong>in</strong>en wurde durch e<strong>in</strong>zelne Analogieschlüsse nur<br />
angedeutet. E<strong>in</strong>e sehr spannende Aufgabe könnte dar<strong>in</strong> bestehen, systematisch zu<br />
erforschen, ob und <strong>in</strong>wieweit wichtige Erkenntnisse aus anderen Diszipl<strong>in</strong>en,<br />
<strong>in</strong>sbesondere jene, die sich aus der Anwendung systemtheoretischer Pr<strong>in</strong>zipien<br />
ergeben, auf Unternehmenssituationen übertragen werden können. Wenn sich<br />
(selbst) Ingenieure im Flugzeugbau an den Flugeigenschaften und konstruktiven<br />
Elementen <strong>von</strong> Vögeln orientieren, sollte es nicht abwegig se<strong>in</strong>, auch <strong>in</strong> anderen<br />
naturwissenschaftlichen oder sozialen Systemen feststellbare Phänomene auf deren<br />
Anwendung im Unternehmenszusammenhang zu prüfen. So könnte es S<strong>in</strong>n machen,<br />
Forschungsergebnisse etwa aus der Biologie zu Populationen <strong>von</strong> Tieren, Ko-<br />
Evolution <strong>von</strong> Pflanzen genauer zu studieren, um daraus Erkenntnisse für (positive<br />
wie negative) Ausleseprozesse <strong>von</strong> Unternehmen zu gew<strong>in</strong>nen. Wenn <strong>in</strong> dieser<br />
Arbeit <strong>von</strong> paradoxen oder schizophrenen Handlungsanweisungen im<br />
Zusammenhang mit dem CVC-Auftrag gesprochen wurde, könnte man sich <strong>in</strong><br />
psychotherapeutische Behandlungsmethoden (etwa zu Borderl<strong>in</strong>e-Störungen)<br />
verstärkt e<strong>in</strong>arbeiten, um die Erkenntnisse <strong>in</strong> den Zusammenhang der<br />
Unternehmenspraxis zu stellen. Die Psychologie ist durch systemtheoretischkybernetische<br />
Gedanken geradezu geprägt (z.B. Piaget).<br />
312
Um allzustarke „Abschweifungen“ <strong>von</strong> der Forschungsfrage zu vermeiden, konnten<br />
die gerade erwähnten Ansatzpunkte nicht sonderlich stark vertieft werden.<br />
Angesichts der Tatsache, dass der Vernetzungsgedanke der Systemtheorie <strong>in</strong> der<br />
betriebswirtschaftlichen, immer noch thematisch fragmentierten Ausbildung stark<br />
vernachlässigt wird und auch recht schwache Verbreitung <strong>in</strong> der<br />
betriebswirtschaftlichen Forschung gefunden hat, sollte hier die Basis, grundlegend<br />
neue Erkenntnisse zu erzielen, hier besonders gut se<strong>in</strong>.<br />
313
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10. Anhang<br />
Unternehmensportrait E.ON <strong>Venture</strong> Partners <strong>in</strong> der Mitarbeiterzeitschrift<br />
der E.ON Energie AG (Juni 2002)<br />
337
338
339
Lebenslauf<br />
16. März 1965 geboren <strong>in</strong> Bad Kreuznach (Deutschland)<br />
Schulbildung<br />
1971-1975 Grundschule Hackenheim<br />
1975-1984 Gymnasium an der Stadtmauer, Bad Kreuznach<br />
Lehre<br />
1984-1986 Sparkasse Bad Kreuznach, Ausbildung zum Bankkaufmann<br />
Wehrdienst<br />
1986-1987 Ableistung Grundwehrdienst<br />
Grund-/Hauptstudium<br />
1987-1991 Universität Mannheim, Studium der Wirtschaftswissenschaften<br />
(BWL)<br />
Beruf<br />
1991-1996 A.T. Kearney, Düsseldorf: Unternehmensberater<br />
1997-2000 VEBA / E.ON AG: Leiter „Markt und Wettbewerb“,<br />
Bereich Konzernstrategie<br />
2000-2005 E.ON <strong>Venture</strong> Partners GmbH: Geschäftsführer<br />
Promotionsstudium<br />
2006-2007 Universität St. Gallen (HSG), Promotion zum Dr. oec.<br />
340