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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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verw<strong>und</strong>ete Demeter Heilende, die zürnende Besänftigende …<strong>und</strong><br />

der Hauptinhalt der Feier in den Mysterien, <strong>und</strong> zwar den heiligsten,<br />

den in Eleusis begangenen, [war] eben die Geburt <strong>und</strong> das Kommen,<br />

oder, um einen feierlichen Ausdruck zu gebrauchen, die Zukunft, die<br />

Kunft, der Advent dieses dritten Dionysos. 569<br />

193<br />

Dionysos <strong>und</strong> Christus seien beide die verheißenen, kommenden Götter, die<br />

längst in den alttestamentlichen Prophezeiungen <strong>und</strong> in den heiligen, heidnischen<br />

Riten verkündeten Götterkinder, welche die Palingenesis der Welt mit sich<br />

brächten. Sie seien die Bleibenden, deren Zeit nie zu Ende gehen werde: „Eben<br />

dieser Gott“, schreibt Schelling in Bezug auf den dritten Dionysos, „der als realer<br />

in die Vergangenheit zurücktritt, gibt sich selbst als dieser nun auf, um sich in ei-<br />

ner dritten Gestalt als den seyenden <strong>und</strong> bleibenden, als den über Verwande-<br />

lung <strong>und</strong> Untergang erhabenen Geist zu setzen.“ (SW II/3, S. 473) Durch das<br />

Abendmahl überdauern die in den Mysterien gefeierten Gaben der Mutter Erde<br />

<strong>und</strong> des Dionysos, Brot <strong>und</strong> Wein, im Christentum <strong>und</strong> besiegeln somit den B<strong>und</strong><br />

zwischen Menschen <strong>und</strong> Gott, das wiederhergestellte goldene Zeitalter, die Wie-<br />

dergeburt der griechischen Kultgemeinschaft im Christus Sotér:<br />

Ich brauche nicht zu bemerken, wie gleichsam nothwendig am Eingang<br />

der Geschichte des in die Welt tretenden Christenthums das<br />

W<strong>und</strong>er des Pfingstfestes ist, die Gabe der Sprache, die, wie man sie<br />

auch übrigens sich denke, die Wirkung hatte, daß Menschen von verschieden<br />

redenden, durch Sprache zertrennten Völkerschaften jeder<br />

dieselbe Rede in seiner Sprache zu hören glaubte.<br />

Ich nehme daher keinen Anstand zu erklären, daß der letzte Inhalt der<br />

Mysterien allerdings eine völlige Ueberwindung des Polytheismus,<br />

eine vollkommene Befreiung von diesem, <strong>und</strong> daher Monotheismus<br />

vorzüglich in dem Sinn war, daß eine dem ganzen Menschengeschlecht<br />

gemeinschaftliche Religion als zukünftig, als gewiß einst<br />

kommend gezeigt wurde. 570<br />

Wie Hölderlin glaubt auch Schelling, die alte Mythologie erreiche mit der Ge-<br />

burt des Messias <strong>ihre</strong> Erfüllung <strong>und</strong> ihr Ende, 571 die Verwirklichung der in der<br />

569 SW II/2, S. 635.<br />

570 SW II/3, S. 524.<br />

571 Zu entgegengesetzten Ergebnissen kommt hingegen Burkerts Untersuchung der<br />

antiken Mysterien (<strong>Antike</strong> Mysterien, a. a. O., S. 86): „Daß die Konzeption des Neuen<br />

Testaments von heidnischer Mysterienlehre direkt abhängig sei, ist philologischhistorisch<br />

bislang unbeweisbar; um so weniger sollte man sie zum eigentlichen Schlüssel<br />

für Ritual <strong>und</strong> Verkündigung der älteren Mysterien machen.“ In seinem Buch unterstreicht<br />

Burkert nachdrücklich die Unterschiede zwischen Christentum <strong>und</strong> Mysterien:<br />

letztere hätten weder mit dem Christentum auch nur im geringsten vergleichbaren Organisationsformen<br />

noch eine Theologie entwickelt, sondern seien eher individuelle religiö-

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