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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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205<br />

4. Vom Umgang der klassischen Philologie mit dem neuen Mythos- <strong>und</strong><br />

<strong>Antike</strong>verständnis<br />

Creuzers Werk blieb nicht ohne Wirkung unter den Altphilologen, obgleich<br />

die meisten Reaktionen Hohn <strong>und</strong> Unterschätzung verraten. <strong>Die</strong> Veröffentlichung<br />

der Symbolik nötigte einerseits die Gelehrtenwelt zur Auseinandersetzung mit Er-<br />

scheinungen der alten, ,klassischen‘ Kultur, die dem geläufigen Verständnis der<br />

<strong>Antike</strong> zutiefst zuwiderzuliefen, ja es gar umzukehren schienen; andererseits<br />

stellte gerade die damals neue Wissenschaftlichkeit der klassischen Philologie<br />

moderne Methoden <strong>und</strong> Verfahren zur Verfügung, die den Erwerb genauerer <strong>und</strong><br />

historisch gesicherterer Einblicke in die realia der antiken Kultur <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

gewährten. Bestritten wurde nicht, daß das Altertum orgiastische <strong>und</strong> mysterien-<br />

artige Glaubensformen kannte, sondern, daß man historisch verifizierbare Sach-<br />

verhalte <strong>und</strong> Phänomene in einen breiteren, nicht demonstrierbaren mystischen<br />

Zusammenhang hineindeuten konnte. Trotz der vielen gegen Creuzer gerichteten<br />

Schriften [darunter auch Lobecks (1781-1860) Aglaophamus, über den Nietzsche<br />

sein vernichtendes Urteil von „verächtlichem Geschwätz“ verhängt hat] 603 beein-<br />

flußt die von Creuzer ausgesprochen ,romantische‘ Auffassung von der <strong>Antike</strong> die<br />

zeitgenössische Altertumsk<strong>und</strong>e, obgleich die Altertumswissenschaftler es nicht<br />

unterlassen, bei jeder Gelegenheit die Distanz zu Creuzer erneut zu betonen. Das<br />

Interesse für die im Dunkeln liegenden Ursprünge der antiken Kultur darf auch als<br />

Folge des neuen historischen Bewußtseins des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts angesehen wer-<br />

den: Je genauer <strong>und</strong> tiefer die historische Methode das Altertum zu erforschen<br />

vermochte, desto schärfer wurde die Grenze zwischen Historie <strong>und</strong> Vergangen-<br />

heit, zwischen dem durch schriftliche Zeugnisse überlieferten Geschehenen <strong>und</strong><br />

603 F. Nietzsche, „Was ich den Alten verdanke“, a. a. O., Bd. 6, S. 152: „Der berühmte<br />

Lobeck zumal, der mit der ehrwürdigen Sicherheit eines zwischen Büchern ausgetrockneten<br />

Wurms in diese Welt geheimnissvoller Zustände hineinkroch <strong>und</strong> sich überredete,<br />

damit wissenschaftlich zu sein, dass er bis zum Ekel leichtfertig <strong>und</strong> kindisch war,<br />

– Lobeck hat mit allem Aufwande von Gelehrsamkeit zu verstehen gegeben, eigentlich<br />

habe es mit allen diesen Curiositäten Nichts auf sich.“ Dazu aber auch Wilamowitz, a. a.<br />

O., S. 50. Nietzsches Urteil über Lobeck bestätigt Fritz Graf gr<strong>und</strong>sätzlich im Artikel<br />

„Karl Otfried Müller: ‚Eleusinien‘ (1840)“, in: W. M. Calder/R. Schlesier (Hrsg. unter<br />

Mitwirkung von S. Gödde), a. a. O., S. 223 („Voss wie Lobeck reagierten auf die Creuzerschen<br />

Exzesse mit dem Appell, nichts aus den Texten zu lesen, was sie nicht hergaben,<br />

blieben dann allerdings in <strong>ihre</strong>m ängstlichen Eifer, Spekulationen zu vermeiden, oft

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