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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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außerhalb der ästhetischen <strong>und</strong> philosophischen Theoretisierung, durch Anwen-<br />

dung von antiken Quellen das Dionysische in seiner Artikulation im Ausdruck der<br />

Mysterienriten zu beschreiben. Das Werk Creuzers fußt auf der Unterscheidung<br />

von symbolischer Handlung <strong>und</strong> mythischer Distanzierung. Das in der unmittelba-<br />

ren Anschauung des symbolischen Bildes enthaltene Wesen des Göttlichen er-<br />

schließt sich allein den Eingeweihten, den Teilnehmern an den mysterischen Tie-<br />

fen des Orgiasmus, des Rausches <strong>und</strong> der Ekstase. Trotz der Unterschiede <strong>und</strong><br />

Eigentümlichkeiten kann man daher den ganzen mythologischen Prozeß als Mani-<br />

festation ein<strong>und</strong>derselben Gottheit unter vielen Völkern <strong>und</strong> zu verschiedenen<br />

Zeiten auffassen; von den eleusinischen Mysterien spannt sich ein Bogen bis zum<br />

Christentum, dessen Botschaft auch den Kern der Mysterien ausmachte, <strong>und</strong> zwar<br />

die Wiederkunft der Götter <strong>und</strong> die Palingenesis der Welt. In klarer Verbindung<br />

mit Creuzers Werk steht auch Görres’ Mythengeschichte, in der es um eine Aus-<br />

breitung der Religion vom Orient zum Okzident <strong>und</strong> um die Bedeutung des Phal-<br />

los als erstes Symbol des Göttlichen geht. Solche synkretistischen Gedankengänge<br />

sind zum Teil auf die Rezeption der indischen Veden in der ersten Hälfte des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts zurückzuführen.<br />

Obwohl man zweifelsohne behaupten kann, daß mit Creuzer der Mythos <strong>und</strong><br />

die Mysterienreligion zum Gegenstand der damaligen Forschung wurden, stieß<br />

sein Werk auf heftige Kritik, die teilweise von Klassizisten, wie etwa Voß, teil-<br />

weise aus dem Lager der Altertumswissenschaft stammte. Creuzers Einfluß auf<br />

die späteren Entwicklungen der Altphilologie steht außer Frage, jedoch waren sei-<br />

ne in einen breiteren mystischen Zusammenhang eingebetteten Ansichten über<br />

antike Religionen auf die Dauer mit strengeren Anforderungen der neuen Wissen-<br />

schaft nicht in Einklang zu bringen. <strong>Die</strong> klassische Philologie verdankt Creuzer,<br />

daß er als erster neue <strong>und</strong> zuvor unerforschte, unklassische Aspekte der antiken<br />

Kultur an das Tageslicht brachte; dennoch lehnte die Wissenschaft „die Lehre“ der<br />

Symbolik ab, welche man aus der Analyse der alten Quellen <strong>und</strong> Zeugnisse nicht<br />

akzeptieren zu können glaubte. Der Blick der Philologie wandte sich von den ro-<br />

mantischen, mystischen Aspekten dieser Theorien auf die Untersuchung der realia<br />

der antiken Welt <strong>und</strong> zielte auf eine genauere historische Rekonstruktion der Ver-<br />

gangenheit, welche von mystischen Spekulationen nicht beeinträchtigt werden<br />

durfte.

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