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aber mein Freund, <strong>de</strong>r Vater <strong>de</strong>r Ban<strong>de</strong>, lächelt: »Es sieht nur so<br />

bedrohlich aus. Die Kin<strong>de</strong>r haben das oft erprobt. Erica spielt<br />

Breitbart«.<br />

Ernst, aber zuversichtlich, fügt Großmann hinzu: »Ein Breitbartgeschlecht<br />

wächst da empor«. Wiewohl also immerhin noch Hoffnung wäre gegenüber<br />

<strong>de</strong>r Möglichkeit eines Großmanngeschlechts, ist natürlich kein Wort wahr,<br />

das heißt, dann schon gar nicht, wenn es wahr sein sollte und Erica wirklich<br />

Breitbart gespielt hätte. Man glaubt's ihm eben nicht. Großmann versucht's<br />

darum vor einem Auslagefenster, und zwar eines Blumenla<strong>de</strong>ns. Diskret <strong>de</strong>utet<br />

er die .....gasse an. Denn zwischen <strong>de</strong>n Blumen sind Holzschnitte und Photographien<br />

schöner Frauen, und er ist <strong>de</strong>likat.<br />

Unter <strong>de</strong>m Holzschnitt ist mit einem Reißnagel ein kleiner Zettel<br />

befestigt: »Verkäuflich.« Er ist ein bißchen unor<strong>de</strong>ntlich angebracht.<br />

Unzweifelhaft gilt <strong>de</strong>r Zettel nur <strong>de</strong>m Holzschnitt. Aber<br />

die Hälfte <strong>de</strong>s Zettels reicht zum Damenporträt hinüber. Nun, es<br />

ist je<strong>de</strong>nfalls ein verlocken<strong>de</strong>s Auslagefenster.<br />

Versteht man? Also Großmann meint — also man versteht. Und man fragt nur<br />

noch, ob die Blume, durch die er es sagt, und jene, vor <strong>de</strong>nen er gestan<strong>de</strong>n<br />

ist, nicht a tempo verwelkt sind. Dann aber wird er indiskreter. Es treibt ihn<br />

nämlich in die Hofapotheke, <strong>de</strong>nn er will uns einre<strong>de</strong>n:<br />

Ich wollte doch abends meinen Freun<strong>de</strong>n ein paar Flaschen Wein<br />

mitbringen.<br />

Weil es aber Sonntag ist und alle Lä<strong>de</strong>n geschlossen sind, versucht er in <strong>de</strong>r<br />

Hofapotheke drei Flaschen Muskateller aufzutreiben. Da er bekanntlich am<br />

äußersten Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r sozial<strong>de</strong>mokratischen Partei steht, kommt's ja nicht<br />

mehr drauf an. Die junge Verkäuferin sagt: »Wählen Sie.« Und nun entspinnt<br />

sich <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong> Dialog:<br />

Während die Flaschen aus <strong>de</strong>m Keller gebracht wer<strong>de</strong>n, kann ich<br />

mich nicht enthalten, zu sagen: »Wie schön, daß Sie auch diese<br />

Heilmittel führen.«<br />

Die junge Dame erwi<strong>de</strong>rt: »Man kuriert sich nicht nur mit Medizinen.«<br />

Dazu ein sehr taktvolles, sehr liebenswürdiges, halb—ernstes<br />

Blick—Lächeln. Ich bin versucht zu sagen: »Auch ein freundlicher<br />

Blick kann heilen«, aber ich verschluck es. Man soll nicht alles<br />

zu Wort machen.<br />

Also das verdient schon mehr als drei Flaschen Muskateller. Das ist zu süß.<br />

Und wem sich etwa <strong>de</strong>r Magen umdreht, kuriere sich mit Medizinen. Wo gibts<br />

das heute noch? Nur ein Hauch, ein Duft, und man weiß alles. Verhalten, und<br />

doch. Entsagen<strong>de</strong>r Charmeur. Nicht mehr Pagenstreiche, son<strong>de</strong>rn Sonnenthal,<br />

Hartmann, älterer Bonvivant mit Glücksverzicht am Schluß. O<strong>de</strong>r vielmehr<br />

eine Kreuzung, die das feinere Lustspiel bisher noch nicht gekannt hat:<br />

ganz zart ange<strong>de</strong>uteter, aber hinreißend mieser Baldower. Die Partnerin ist<br />

natürlich fürs Leben zu bedauern. Wenn es sich überhaupt zugetragen hat,<br />

müßte man ihre Darstellung hören, vielleicht verschluckt sie nichts und macht<br />

alles zu Wort.<br />

Ja, am wirksamsten ist Großmann halt doch, wenn er unter all <strong>de</strong>r Heiterkeit,<br />

die er ausströmt, die Träne nicht verbirgt. Denn er hat sie; er hat <strong>de</strong>n<br />

Herzenston. Nimmt man dazu die schlichte Gradheit, so kann man sich schon<br />

<strong>de</strong>nken, daß sich da ein Philippe Derblay herauswächst, vielleicht ein Risler.<br />

Über das Maß bürgerlicher Tragik wird er nicht hinauskommen, <strong>de</strong>r heroische<br />

Zug scheint ihm zu fehlen. Seine Force ist wie gesagt die Träne; aber<br />

nur eine. Wenn er versuchte zu verschwen<strong>de</strong>n, so ergäbe sich vielleicht <strong>de</strong>r<br />

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