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Das sei wohl »seinen Intimen«, also vor allem <strong>de</strong>n Herren Glücksmann und Birinski,<br />

bekannt gewesen, aber nicht <strong>de</strong>m großen Publikum; das nun ein Beispiel<br />

hat. Die Bühnenarbeit sei ihm nicht jene Ausdrucksform gewesen,<br />

mit <strong>de</strong>ren Mitteln er sein Ich bis in <strong>de</strong>ssen Wurzeln und tiefste<br />

Heimlichkeiten hätte ausströmen können.<br />

Das ist ihm mit <strong>de</strong>r Isol<strong>de</strong> offenbar gelungen. Der Zwang <strong>de</strong>s Theaters aber<br />

wi<strong>de</strong>rstrebte seiner stolzen Herrennatur, weil man »um eine bestimmte Stun<strong>de</strong>«<br />

Kunst geben mußte. Darum sei er oft »hundsmiserabel in <strong>de</strong>rselben<br />

Rolle« gewesen, »<strong>de</strong>r die zünftigen Rhadamanten keine genug begeisterten<br />

Hymnen anstimmen konnten«. (Aber warum Rhadamanten? Das riecht nach<br />

Obolus und ist ein Plural von jenem Rhadamanthys, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Direktion Pluto<br />

keine Tantiemen nahm und überhaupt nicht <strong>de</strong>n Schatten von einer Ähnlichkeit<br />

mit einem Wiener Kritiker hatte.) Nun weiß man freilich, wodurch<br />

Kainz abgelenkt war. Er sei oft »von Palette, Klavier o<strong>de</strong>r Schreibtisch weg«<br />

in die Gar<strong>de</strong>robe gestürzt, »durch <strong>de</strong>n Kommandoruf <strong>de</strong>r Pflicht aufgeschreckt«,<br />

<strong>de</strong>r verhaßten bittern Pflicht, wie Isol<strong>de</strong>.<br />

Denn sein Ingenium strahlte wie das <strong>de</strong>r Renaissancemenschen<br />

eine Summe von Fähigkeiten nach verschie<strong>de</strong>nen Richtungen<br />

aus ... Er zeichnete, malte und mo<strong>de</strong>llierte, er musizierte, komponierte<br />

und dichtete, nichts als tappen<strong>de</strong>r Dilettant, alles mit <strong>de</strong>r<br />

bewußten Zielsicherheit, mit <strong>de</strong>r sprö<strong>de</strong>n Schamhaftigkeit <strong>de</strong>s Berufenen<br />

und Begna<strong>de</strong>ten.<br />

Sowohl als auch. Herr Glücksmann, <strong>de</strong>r ganz sicher als Dichter ebenso begna<strong>de</strong>t<br />

ist, teilt noch mit, daß er auch ein interessantes Skizzenbuch, Bildnisse,<br />

Figurinen und ein paar Ansätze zu Kompositionen von Kainz besitze. Dieser<br />

plante ferner Byrons »Manfred« zu übersetzen, <strong>de</strong>n er »gern in würdigem<br />

sprachlichen Glanze <strong>de</strong>n Deutschen geschenkt hätte«. Das läßt sich glauben;<br />

aber Herr Glücksmann, <strong>de</strong>r ihn selbst zur Übersetzung von »Figaros Hochzeit«<br />

angeregt haben will — er spricht da von »translatorischen« Werken —,<br />

hat natürlich auch nicht die geringste Ahnung, daß er <strong>de</strong>n Dichter Kainz<br />

durch übel angewandte Phrasen und mißverstan<strong>de</strong>ne Ausdrücke ebenso sicher<br />

bloßstellt wie durch die Publikation seiner Verse, ja daß er durch diese<br />

Enthüllung eines vielseitigen Dilettantismus sogar <strong>de</strong>n Bühnenmenschen<br />

Kainz zum Problem auch für <strong>de</strong>ssen fanatischeste Anhänger macht. Die Handschriften<br />

mögen, da er ja in seinen Grenzen, nicht in seinem Reichtum, eine<br />

ungewöhnliche Erscheinung war, großen Liebhaberwert besitzen, einen<br />

künstlerischen Wert haben sie keineswegs. Herr Glücksmann sollte sie bewahren,<br />

damit sie am En<strong>de</strong> nicht so verschleu<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n wie seine eigenen<br />

Autogramme, die noch vor einem Jahr in <strong>de</strong>r Auslage am Kärntnerring mit 1 K<br />

50 angeschrieben waren. Wer sich damals einge<strong>de</strong>ckt hätte!<br />

Goetheaffen<br />

Und kann ich die Talente nicht verleihen,<br />

Verborg' ich wenigstens das Kleid.<br />

Nun tragen sie's und wer<strong>de</strong>n täglich dreister.<br />

Der legt <strong>de</strong>n abgelegten Schlafrock an,<br />

<strong>de</strong>r hat sich eingespielt in Wilhelm Meister<br />

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