Er hat so Heimweh gehabt - Welcker-online.de
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Urteil über jene <strong>so</strong> wesentlich geän<strong>de</strong>rt habe wie sie über mich, ich wür<strong>de</strong><br />
aber <strong>de</strong>n Humor dieser <strong>de</strong>n besten jüdischen Vorbil<strong>de</strong>rn abgelauschten Wandlungsfähigkeit<br />
erst dann voll auszuschöpfen bemüßigt sein, wenn Kasma<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>ssen Können noch immer nicht seiner Perfidie gewachsen ist und <strong>de</strong>ssen<br />
satirische Ambition mich je<strong>de</strong>smal an eine Annonce »Steirer macht letzten<br />
Versuch« erinnert, fortfahren <strong>so</strong>llte, in meine Riechweite zu streben. Wenn<br />
etwa ein Analphabetentum, das <strong>de</strong>n Druckfehlerteufel nicht an die Wand malen<br />
<strong>so</strong>llte, da es ihm, unersättlich nach Ohas, wirklich passiert ist, einen Einsen<strong>de</strong>r<br />
zu »treffen<strong>de</strong>n, aktuellen, kürzen Zeitgedichten, Sinnsprüchen, Satieren«<br />
zu ermuntern, sich noch einmal erfrechen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>shalb weil ich in <strong>de</strong>r<br />
Frie<strong>de</strong>nswelt gegen die ästhetische Pein <strong>de</strong>s geistigen Greislertums bei aller<br />
Mißachtung nicht <strong>so</strong> heftig reagieren konnte wie gegen das Kulturgift <strong>de</strong>r<br />
großen Preßgeschäfte, von »Anbie<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Zornes wie <strong>de</strong>r Liebe« zu re<strong>de</strong>n.<br />
Gewiß, wenn man das, was in <strong>de</strong>n Fackeljahrgängen gegen die jüdische<br />
Presse gesagt ist, mit <strong>de</strong>n Läppereien <strong>de</strong>s Antisemitismus vergleicht, <strong>so</strong> könnte<br />
dieser in einer Anwandlung von Größenwahn mich als Bun<strong>de</strong>sgenossen reklamieren.<br />
Aber das in eben jenen Jahrgängen gegen die Preßchristen Gesagte<br />
konnte, losgelöst von <strong>de</strong>m wichtigeren Kampfe, beiweitem hinlangen, um<br />
selbst <strong>de</strong>n dümmsten Kerl von Wien, eben jenen, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r christlich<strong>so</strong>zialen<br />
Presse seinen Ausdruck fin<strong>de</strong>t, richtig zu orientieren. Daß die Enthusiasmen<br />
<strong>de</strong>r Reichspost für meine Vorträge von mir als persönlicher Schimpf empfun<strong>de</strong>n<br />
wur<strong>de</strong>n und als dieselbe Behelligung, wie an<strong>de</strong>re Schmierereien in Lob<br />
und Ta<strong>de</strong>l, die ich zur Darstellung <strong>de</strong>r publizistischen Reichweite <strong>de</strong>r Fackel<br />
zitiert habe, läßt sich beweisen. Keiner an<strong>de</strong>ren Anbie<strong>de</strong>rung bin ich mir weiß<br />
Gott bewußt als <strong>de</strong>r christlichen <strong>Er</strong>gebung in diese Pein, von <strong>de</strong>r ich <strong>so</strong>gar gestehe,<br />
daß sie einem politisch zugerichteten Urteil erlaubt <strong>hat</strong>, das polemische<br />
Bild <strong>de</strong>r Fackel noch mehr zu verzerren als es schon von dummheitswegen<br />
geschah — nur nicht <strong>de</strong>r christlich<strong>so</strong>zialen Journalistik, die bei aller<br />
Wehrlosigkeit vor <strong>de</strong>r Lüge nicht behaupten dürfte, daß es in fünfzehn Jahren<br />
zwischen mir und ihr irgen<strong>de</strong>twas von einer Verbindung o<strong>de</strong>r Verständigung<br />
gegeben <strong>hat</strong>. Nein, dieses Verhältnis war <strong>so</strong> wenig vorhan<strong>de</strong>n, daß <strong>de</strong>r<br />
Wunsch, nicht unter <strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n gegrüßt zu wer<strong>de</strong>n, schon wegen <strong>de</strong>r Un<strong>de</strong>nkbarkeit<br />
einer persönlichen Bekanntschaft unterdrückt wer<strong>de</strong>n mußte.<br />
Wie? Weil es mir gewährt war, die Schöpfung eines we<strong>de</strong>r jüdischen noch<br />
christlich<strong>so</strong>zialen Gottes <strong>so</strong> zu betrachten, daß mir ihr Geistiges über <strong>de</strong>n trügerischen<br />
Werten <strong>de</strong>r Intelligenz stand, hätte ich die Partei <strong>de</strong>r Unintelligenz<br />
genommen? Was mit unbeschreiblicher, aber doch schreibbarer Flachheit und<br />
Roheit, oft aus <strong>de</strong>m Neid um das Weltgeschäft, nie aus <strong>de</strong>m innern Drang<br />
nach Wahrheit <strong>de</strong>n Mächten wi<strong>de</strong>rstrebte, wi<strong>de</strong>r sie strebte, die mir das Wesentliche<br />
zu bedrohen schienen — das hätte mir höhere Achtung eingeflößt<br />
als die vor <strong>de</strong>m Hausknecht, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Einbrecher fertig wer<strong>de</strong>n <strong>so</strong>ll? Bin<br />
ich ihm, wo es ihm sichtbar mißlang, meinen Ta<strong>de</strong>l schuldig geblieben und wo<br />
er verdächtig war, selbst einbrechen zu wollen, meine Verachtung? Und als er<br />
Verwirrung stiftete, um es endlich zu vollbringen, in Kompagnie mit jenem,<br />
meinen Zorn? Wo gäbs da Schein und Sc<strong>hat</strong>ten einer Sympathie? Und weil ich<br />
ein schmerzliches Ohr für <strong>de</strong>n wi<strong>de</strong>rlichsten Weltton habe, <strong>so</strong>llte es <strong>de</strong>m gräßlichsten<br />
Geräusch einer Stadt verschlossen sein? Und nicht daß Wiener Stimmen<br />
lauter wur<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Grund meines Mißbehagens, <strong>so</strong>n<strong>de</strong>rn eine Entschließung,<br />
eine politische Wendung, ein Gesinnungswechsel, ein Gelüste in die<br />
Machtregion, <strong>de</strong>ssen die Tölpel mich für fähig halten? Nein, bloß die hoffnungslose<br />
Stupidität, die sich selbst nicht verantwortlich weiß für das was sie<br />
druckt und die nie lernen wird, <strong>de</strong>n rechten Gebrauch von ihrer Tücke zu ma-<br />
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