kinderleicht 1/2009 - Bergmoser + Höller Verlag AG
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Unser Rubrik Thema<br />
Die Bedeutung von Musikerfahrung<br />
für Kinder<br />
„Frühförderung“ heißt das allgegenwärtige Zauberwort, mit dem unser etwas in Schräglage geratenes<br />
Bildungssystem unter Zuhilfenahme nun auch neurowissenschaftlicher Erkenntnisse möglichst schnell<br />
wieder aufgerichtet werden soll. Aber haben die Hirnforscher in den letzten Jahren tatsächlich etwas anderes<br />
als das herausgefunden, was die meisten Eltern und Erzieher/-innen eigentlich schon immer wussten:<br />
Nie wieder im späteren Leben ist ein Mensch so neugierig und so offen, so lernfähig und so kreativ, ist<br />
er ein so großer Entdecker und Nachmacher wie während der Phase seiner frühen Kindheit. Was also soll<br />
hier gefördert werden? Geht es nicht vielmehr darum zu verhindern, dass dieser Schatz, den alle kleinen<br />
Kinder noch besitzen, allzu schnell verloren geht, dass das kleine Pflänzchen mit all seinem Wissensdurst<br />
und seiner Entdeckerfreude verkümmert, bevor es in die Schule kommt?<br />
Das Gras wächst nicht schneller,<br />
wenn man daran zieht.“ So lautet<br />
eine alte Indianerweisheit und die<br />
Erkenntnis, dass ein zartes Pfl änzchen<br />
nur um so schneller verkümmert,<br />
je heftiger man daran zieht, zählt<br />
wohl auch schon zum Weltwissen<br />
der meisten Siebenjährigen. Wenn<br />
also immer wieder Kinder in die Schule<br />
kommen, die ihre Neugierde, ihren<br />
Entdeckergeist und ihre Lernfreude<br />
bereits verloren haben (oder<br />
denen all das im Laufe der ersten<br />
Schuljahre verloren geht), so muss<br />
nicht etwas gefördert, sondern etetwas, was diese Verluste erzeugt,<br />
beseitigt werden. Die Gehirne der<br />
4 <strong>kinderleicht</strong> 1/09<br />
Kinder – und das ist sicher die wichtigste<br />
Erkenntnis der Hirnforscher – sind jedenfalls<br />
nicht die Ursache dieses leider allzu<br />
häufi g auftretenden Phänomens.<br />
Kindergehirne entwickeln sich nicht dadurch,<br />
dass man sie möglichst früh mit<br />
möglichst viel Sachwissen vollstopft. Damit<br />
es unseren Kindern gelingt, in ihrem<br />
Gehirn all die vielen komplexen<br />
Netzwerke herauszuformen, die erforderlich<br />
sind, um sich später im<br />
Leben zurechtzufi nden, brauchen<br />
sie unsere Hilfe. Wir müssen ihnen<br />
zeigen und sie ermutigen, all<br />
das zu erlernen, worauf es im<br />
Leben ankommt. Dabei geht<br />
von Professor<br />
Gerald Hüther<br />
es weniger um den Erwerb von Wissen,<br />
sondern vor allem um die Aneignung all<br />
jener Fähigkeiten und Kompetenzen, die<br />
sie in die Lage versetzen, sich mit der<br />
Welt in Beziehung zu setzen und sich dabei<br />
selbst Wissen anzueignen und eigene<br />
Erfahrungen zu sammeln. Alles, was die<br />
Beziehungsfähigkeit von Kindern – zu sich<br />
selbst, zu anderen Menschen, zur Natur<br />
und zur Kultur in der sie leben – verbessert,<br />
ist deshalb die wichtigste „Entwicklungshilfe“,<br />
die wir unseren Kindern bieten<br />
können. Indem Kinder gleichzeitig<br />
mit sich selbst, mit anderen Menschen<br />
und dem was sie umgibt, in Beziehung<br />
treten, stellen sie auch in ihrem Gehirn<br />
Beziehungen zwischen den dabei gleich-