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Arbeits- und Dienstkleidung - Christliche Initiative Romero

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<strong>Arbeits</strong>‐ <strong>und</strong> <strong>Dienstkleidung</strong><br />

Christiane Schnura, Koordinatorin der Kampagne für Saubere Kleidung<br />

Die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign = CCC) engagiert sich seit 1996 für die<br />

Einhaltung von Sozialstandards in der weltweiten Textil‐ <strong>und</strong> Bekleidungsindustrie (T&B).<br />

In enger Kooperation mit Organisationen in südlichen Ländern erarbeitete sie den<br />

„<strong>Arbeits</strong>verhaltenskodex für die Bekleidungsindustrie einschließlich Sportkleidung“, der sich auf<br />

Konventionen der Internationalen <strong>Arbeits</strong>organisation (ILO) stützt <strong>und</strong> Folgendes festschreibt:<br />

• Organisationsfreiheit<br />

• Recht auf Tarifverhandlungen<br />

• Verbot von Zwangsarbeit<br />

• Mindestalter<br />

• Antidiskriminierung<br />

• angemessenen Lohn<br />

• <strong>Arbeits</strong>st<strong>und</strong>enregelung<br />

• Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit am <strong>Arbeits</strong>platz<br />

Ferner beinhaltet der CCC‐Modellkodex Beschwerdesysteme für die Beschäftigten, unabhängige<br />

Kontrollsysteme etc. Seit 2004 beschäftigt sich die CCC intensiv mit dem Thema<br />

„Verantwortungsvolles Beschaffungswesen“. Nachdem einige Kirchenobere die enorme<br />

Einkaufsmacht der Kirchen als Motor für Nachhaltigkeit erkannt haben <strong>und</strong> öffentlichkeitswirksame<br />

Beschlüsse <strong>und</strong> Empfehlungen verabschiedet haben, gilt es nun, diese in die Praxis umzusetzen. Faire<br />

<strong>und</strong> nachhaltige Beschaffung kann nur dann funktionieren, wenn es auch ein entsprechendes<br />

Angebot gibt.<br />

Menschenunwürdige <strong>Arbeits</strong>bedingungen in der Textilproduktion<br />

Trotz einer Vielzahl von <strong>Initiative</strong>n zivilgesellschaftlicher Organisationen zum Thema „öko‐soziale<br />

Beschaffung“ wissen EinkäuferInnen kaum, woher die Ware stammt, die für die Gemeinde,<br />

Krankenhäuser, Kindergärten <strong>und</strong> andere kirchliche <strong>und</strong> diakonische Einrichtungen eingekauft<br />

werden. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Produkte wird in so genannten Billiglohnländern in<br />

Südostasien, Mittelamerika <strong>und</strong> Osteuropa hergestellt. Der Groß‐ <strong>und</strong> Einzelhandel in Deutschland<br />

vergibt die Aufträge an Produzenten in diesen Ländern. Die deutschen mittelständischen<br />

Unternehmen (Produzenten, Händler, Import‐/Exportfirmen etc.) kümmern sich in der Regel nicht<br />

(oder nur unzureichend) um die sozialen <strong>und</strong> ökologischen Bedingungen, unter denen ihre Ware<br />

hergestellt wird. Recherchen der CCC zeigen auf, dass zum Beispiel bei der Herstellung der Bekleidung<br />

in diesen Ländern massiv Menschen‐ <strong>und</strong> <strong>Arbeits</strong>rechte verletzt werden (Verbot von Vereinigungen<br />

wie Gewerkschaften, ges<strong>und</strong>heitsschädliche <strong>Arbeits</strong>bedingungen, <strong>Arbeits</strong>st<strong>und</strong>en zwischen 60 <strong>und</strong> 80<br />

St<strong>und</strong>en/Woche sind keine Seltenheit, Zahlung eines Lohns, der nicht zum Überleben ausreicht <strong>und</strong><br />

vieles mehr).<br />

Ebenso wie die Bekleidungsindustrie in Deutschland in den 70er Jahren verlagerten auch die<br />

<strong>Arbeits</strong>bekleidungsunternehmen ihre Produktion nach <strong>und</strong> nach in die sogenannten Billiglohnländer.<br />

Gab es noch vor einigen Jahren eine Vielzahl von regionalen Anbietern, nimmt die Zahl der<br />

international arbeitenden <strong>Arbeits</strong>bekleidungsunternehmen zu. Kleinere regionale Anbieter werden<br />

verdrängt. In der Vergangenheit hatten die Unternehmen oft eigene Produktionsstätten in Osteuropa,<br />

Nordafrika <strong>und</strong> Fernost. Zunehmend gehen die Unternehmen dazu über, Aufträge an unabhängige<br />

Zulieferbetriebe zu vergeben.<br />

Befragungen ergaben, dass die Waren auch aus zahlreichen Billiglohnländern wie Polen, Slowenien,<br />

Litauen, Moldawien, Weißrussland sowie China, Indien, Pakistan <strong>und</strong> Bangladesch kommen.<br />

<strong>Arbeits</strong>‐ <strong>und</strong> <strong>Dienstkleidung</strong>, ein Produkt ohne einheitliches Siegel<br />

Im Einkauf von GroßeinkäuferInnen wie der Kirche haben wir die Situation, dass die Berücksichtigung<br />

sozialer Vergabekriterien bei den Transfair gelabelten Produkten wie Kaffee, Orangensaft etc. relativ


einfach zu bewerkstelligen ist. Bei ungelabelten Produkten, wie zum Beispiel bei der <strong>Arbeits</strong>‐ <strong>und</strong><br />

Dienstbekleidung, ist dies bedeutend schwieriger. Die Textilbranche arbeitet bereits seit den 70er<br />

Jahren global. Die einzelnen Etappen der textilen Produktionskette verteilen sich über den ganzen<br />

Erdball. So wird z.B. die Baumwolle in Indien angebaut, das Garn in der Türkei gesponnen, der Stoff in<br />

Taiwan gewebt <strong>und</strong> in Polen gefärbt, zusammengenäht wird das Kleidungsstück in Bangladesch <strong>und</strong><br />

landet dann endlich in Deutschland auf dem Ladentisch. Zigtausende von Kilometern haben textile<br />

Produkte bereits hinter sich gebracht. Diese komplizierte Produktionskette ist ein Hauptgr<strong>und</strong> für die<br />

schwierige Kontrolle der Umweltauflagen <strong>und</strong> <strong>Arbeits</strong>rechte.<br />

Bis zur Konfektionierung, also dem Zusammennähen, sind abgesehen vom Baumwollanbau in den<br />

Entwicklungsländern vorwiegend automatisierte <strong>Arbeits</strong>schritte notwendig. Erst bei der<br />

Konfektionierung wird wieder vorwiegend per Hand gearbeitet. Daher beschäftigt sich die CCC<br />

vorrangig mit den <strong>Arbeits</strong>bedingungen <strong>und</strong> <strong>Arbeits</strong>rechten der NäherInnen in der weltweiten T&B<br />

Industrie.<br />

Der Siegeldschungel<br />

Auch im Bekleidungssektor gibt es mittlerweile eine Vielzahl von unternehmenseigenen Siegeln, wie<br />

z.B. Pure Wear von OTTO, UmweltButton von Neckermann etc. Diese Siegel haben zwar häufig hohe<br />

Ansprüche, da aber ihre Einhaltung nicht unabhängig kontrolliert wird, ist die Aussagekraft derartiger<br />

Siegel fragwürdig. Viele der Siegel beziehen sich ausschließlich auf Umweltaspekte. Bei den<br />

VerbraucherInnen wird jedoch häufig der Eindruck erweckt, „bio“ sei gleich „fair“. Dies ist aber nicht<br />

zwangsläufig der Fall. Fakt ist, dass es kein einheitliches Sozialsiegel für Textilien gibt. Dies ist aber<br />

genau das, was die BeschafferInnen auch im kirchlichen Einkauf fordern, um relativ einfach beim<br />

Einkauf auswählen zu können.<br />

Doch eines sollte klar sein, ein einheitliches Siegel muss hohen ethischen Anforderungen gerecht<br />

werden.<br />

Ethisch korrekt heißt konkret:<br />

• Einhaltung des CCC‐Verhaltenskodex. Über die Kernarbeitsnormen der Internationalen<br />

<strong>Arbeits</strong>organisation (ILO) hinausgehend fordert die CCC auch einen existenzsichernden Lohn<br />

<strong>und</strong> ein festes, sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis.<br />

• Transparenz: Lückenlose Veröffentlichung aller LieferantInnen <strong>und</strong> ihrer <strong>Arbeits</strong>bedingungen.<br />

• Regelmäßiges Monitoring <strong>und</strong> unabhängige Verifizierung: Durchführung qualifizierter,<br />

glaubhafter <strong>und</strong> unangekündigter Sozialaudits in Zusammenarbeit mit lokalen Fachleuten<br />

<strong>und</strong> zivilgesellschaftlichen Gruppen. Durch Mitgliedschaft in sogenannten Multi‐Stakeholder‐<br />

<strong>Initiative</strong>n, wie zum Beispiel die Fair Wear Fo<strong>und</strong>ation, wird die Einhaltung von<br />

Verhaltenskodizes unabhängig kontrolliert.<br />

• Finanzielle Hauptverantwortung der Unternehmen aus Industrieländern bei der<br />

Verbesserung der <strong>Arbeits</strong>bedingungen in Zulieferfabriken.<br />

• Fair gehandelte <strong>und</strong> „kontrolliert biologisch“ angebaute Rohstoffe.<br />

• Möglichst geringe Umweltbelastung während des gesamten Produktionsprozesses. Viele<br />

verschiedene, oft firmeneigene Kennzeichnungen erschweren die Empfehlung eines Siegels<br />

bezüglich ökologischer Anforderungen. Am ehesten kommen „Naturtextil IVN Best“ (nur für<br />

Naturfasern) <strong>und</strong> das Europäische Umweltzeichen (EU‐Blume) in Frage, da sie über<br />

gesetzliche Mindestanforderungen hinausgehen <strong>und</strong> unabhängig kontrolliert werden.<br />

Alternativen zum Siegel<br />

Aufgr<strong>und</strong> der komplexen Produktionskette bei T&B‐Produkten wird es wahrscheinlich auf absehbare<br />

Zeit kein einheitliches Sozialsiegel geben. Dennoch gibt es auch für den kirchlichen Einkauf die<br />

Möglichkeit, ein hohes Maß an Sicherheit beim fairen <strong>und</strong> nachhaltigen Einkauf zu erhalten. So z.B.,<br />

wenn der Lieferant Mitglied in einer Multi‐Stakeholder‐<strong>Initiative</strong> (MSI), wie z.B. der Ethical Trading<br />

<strong>Initiative</strong> (ETI), der Fair Labour Association (FLA) oder der Fair Wear Fo<strong>und</strong>ation (FWF) ist <strong>und</strong> die<br />

Einhaltung von Sozialstandards durch sie unabhängig kontrollieren lässt. Dank der gemischten


Trägerstruktur der MSIs genießen ihre Aussagen hohe Glaubwürdigkeit. Ihre <strong>Arbeits</strong>weise zeichnet<br />

sich durch die Beteiligung glaubwürdiger, lokaler Akteure des jeweiligen Produktionslandes aus.<br />

Vergaberichtlinien müssen ökologische <strong>und</strong> soziale Kriterien erfüllen, die entweder durch ein Label<br />

oder die Mitgliedschaft in einer anerkannten Multi‐Stakeholder‐<strong>Initiative</strong> oder aber den Nachweis der<br />

Zulieferer, dass sie die in den Vergaberichtlinien geforderten Kriterien erfüllen, nachgewiesen werden<br />

Dazu braucht es:<br />

– mehr Transparenz bei den Zulieferern (Berichtswesen)<br />

– Beschwerdeinstanzen<br />

– Veränderung der Einkaufspraktiken: Langfristige Lieferbeziehungen, gute<br />

Abnahmepreise statt billig <strong>und</strong> schnell.<br />

– externe <strong>und</strong> unabhängige Auditierung<br />

– Erlaubnis zur unangemeldeten Kontrolle der Zulieferunternehmen<br />

Weitere Informationen finden Sie im Internet<br />

Kampagne für Saubere Kleidung:<br />

www.saubere‐kleidung.de<br />

<strong>Christliche</strong> <strong>Initiative</strong> <strong>Romero</strong>:<br />

www.ci‐romero.de<br />

Fair Wear Fo<strong>und</strong>ation<br />

www.fairwear.org

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