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Band I/ 2013 (6,7mb) - critica – zeitschrift für philosophie ...

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jektivierenden Perspektive, innerhalb<br />

derer die Möglichkeit mit der<br />

Verfügbarkeit, d. h. mit der Reduktion<br />

auf ein bloß Berechenbares,<br />

identifiziert wird. Unter dem Gesichtspunkt<br />

des Wirklichen/Möglichen<br />

wäre also die Technik die<br />

Wirklichkeit der Entbergung, die<br />

einzige ontologische Wirklichkeit,<br />

die es zulässt, das Sein als das enteignende<br />

Ereignen des Ereignisses<br />

zu denken. Jedoch wird Heidegger<br />

dadurch einer Grundthese seiner<br />

Philosophie nicht gerecht, der er<br />

immer getreu bleiben wollte, und<br />

zwar der These des Vorrangs <strong>–</strong> und<br />

nicht einfach des Vortritts <strong>–</strong> der<br />

Möglichkeit vor der Wirklichkeit:<br />

»höher als die Wirklichkeit steht<br />

die Möglichkeit« (ebd. , 38). In der<br />

als Weise der Entbergung aufgefassten<br />

Technik begeht paradoxerweise<br />

Heidegger einen kleinen Verrat<br />

an sich selbst, indem das Prinzip<br />

Wirklichkeit in seiner Starrheit<br />

gegen die Dynamik des Wesens der<br />

Möglichkeit zur Geltung gebracht<br />

wird.<br />

Während das Prinzip Wirklichkeit<br />

einem potentiell ‚implosiven‘<br />

Denken zugrunde liegt, das sich<br />

darauf beschränkt, ein solches<br />

Prinzip zu beschreiben, aktiviert<br />

die Möglichkeit eine Besinnung,<br />

die versucht, deren immer neuen<br />

Ausprägungen gerecht zu werden.<br />

Dieses Paradox eröffnet zwar keine<br />

unmittelbar positive bzw. versöhnliche<br />

Interpretation des Phänomens<br />

und des Begriffs der modernen<br />

Technik, vermag aber, im Horizont<br />

des heideggerschen Denkens<br />

die Technik unter einem weiteren<br />

Gesichtspunkt erscheinen zu lassen<br />

und zu problematisieren.<br />

Das ist aber wohl nicht das einzige<br />

problematische Element im<br />

Hinblick auf diese Frage. Es ist ja<br />

bekannt, dass die heideggersche<br />

Technikauffassung <strong>–</strong> genauso genial<br />

wie einseitig <strong>–</strong> auch heftig kritisiert<br />

worden ist, weil sie manchmal<br />

als die bloße Aufnahme eines<br />

unabwendbaren und irreversiblen<br />

Faktums beurteilt wurde, das als<br />

solches dem menschlichen Handeln<br />

kaum Spielraum gestattet. In dieser<br />

Hinsicht wurden Einwände insbesondere<br />

gegen die Unmöglichkeit<br />

erhoben, eine Ethik 1 zu gründen <strong>–</strong><br />

es sei denn, man thematisiert eine<br />

ursprüngliche und ontologische,<br />

ziemlich unfassbare Ethik wie im<br />

Brief über den Humanismus (Heidegger<br />

1996, 353ff.), die eben jede weitere<br />

Ethik unmöglich macht. Erst<br />

eine Ontologisierung kann laut<br />

Heidegger eine Reduktion der Ethik<br />

zu einer Disziplin vermeiden, die<br />

einfach dazu bestimmt ist, »zu predigen<br />

und moralische Zensuren zu<br />

erteilen« (Heidegger 1988, 104). Die<br />

Ethik darf nämlich nicht als eine<br />

Lehre aufgefasst werden, die Regeln<br />

aufstellt, die ein Handeln als<br />

»Vollbringen« (Heidegger 1996, 313)<br />

leiten, denn die Ethik betrifft das<br />

Denken, das nur insofern »handelt,<br />

indem es denkt« (ebd.). Heidegger<br />

weist deutlich auf die Grenzen jeder<br />

Ethik hin, wenn er behauptet,<br />

dass wir die Technik nicht moralisch<br />

überwinden« (Heidegger 1986, 433)<br />

1 Zur Frage nach der Ethik bei<br />

Heidegger vgl. wenigstens: Riedel 1972;<br />

Riedel 1974; Werner 1983; Gethmann-<br />

Siefert/Pöggeler 1989; Brandner 1992.<br />

I | 13 CRITICA<strong>–</strong>ZPK<br />

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