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Die äußeren Aspekte der deutschen Einheit

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things are going our way.“ 128 Manchmal schien die Bundesrepublik auch die eigenen<br />

Möglichkeiten bzw. die Gestaltungsaussichten in bestimmten Situationen zu überschätzen. Als<br />

Kohl und Teltschik das Treffen im Kreml am 10./11. Februar 1990 bereits als grünes Licht für<br />

die <strong>Einheit</strong> und eine deutsche NATO-Mitgliedschaft erklärten, bestand dazu faktisch überhaupt<br />

keine Rechtfertigung. <strong>Die</strong> interne Zustimmung Moskaus fiel erst wesentlich später. 129<br />

3.2.5 Das Rollenkonzept <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Aus dem zugänglichen Material läßt sich nicht eindeutig ableiten, ob und welches<br />

Rollenkonzept die Bundesrepublik für sich selbst im Kontext <strong>der</strong> <strong>Einheit</strong> eingenommen hat.<br />

Vor allem zu Beginn erkannte Bonn das gestalterische Potential für die eigene Politik nur<br />

unzureichend und trat hinter die wegbereitenden Initiativen des Partners USA zurück. Später<br />

hat man den Prozeß dann aktiv geleitet und versucht, dem Lauf <strong>der</strong> Dinge Richtung zu geben.<br />

<strong>Die</strong> Bundesregierung ist dabei z.T. sehr selbstbewußt als Anwalt deutscher Interessen<br />

aufgetreten. Bereits lange vor <strong>der</strong> Vollendung <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Einheit</strong> fühlte sich die<br />

Bundesrepublik de facto als souveräner Staat und wollte diesen Status auch völkerrechtlich<br />

festschreiben. Daher erklärt sich auch die bisweilen überbetonte For<strong>der</strong>ung Genschers nach<br />

absoluter Gleichberechtigung während <strong>der</strong> Verhandlungen, also bereits bevor die volle<br />

Souveränität mit <strong>der</strong> Abtretung <strong>der</strong> Vier-Mächte-Rechte an das vereinte Deutschland<br />

übertragen wurde.<br />

Bonn hat sich allerdings häufig auch zum Anwalt internationaler Interessen und zum Vermittler<br />

zwischen Ost und West gemacht. <strong>Die</strong> weitreichenden Bemühungen <strong>der</strong> Bundesregierung, zu<br />

einer Transformation <strong>der</strong> Bündnisse und zum Aufbau einer gesamteuropäischen<br />

Friedensordnung beizutragen, waren sicher ein Preis, <strong>der</strong> für die Zustimmung <strong>der</strong> <strong>Einheit</strong> zu<br />

entrichten war. Allerdings hat sich die Bundesrepublik über das dazu notwendige Maß hinaus<br />

zum konzeptionellen Anbieter/Konstrukteur neuer gesamteuropäischer Strukturen gemacht.<br />

Das Bemühen, die eigenen Ziele auf eine Art und Weise zu erreichen, die mit den Zielen<br />

an<strong>der</strong>er europäischer Nationen vereinbar sein konnte und die vor allem <strong>der</strong> Sowjetunion einen<br />

Gesichtsverlust ersparen würde, weist die Bundesrepublik im Kontext <strong>der</strong> <strong>Einheit</strong> als<br />

Zivilmacht aus.<br />

3.2.6 Rollenerwartungen <strong>der</strong> Bundesrepublik an den Partner USA<br />

Natürlich hätten die USA die <strong>Einheit</strong> nicht verhin<strong>der</strong>n können. Aber sie besaßen die kritische<br />

Masse, den diplomatischen Einfluß einer Supermacht, um die <strong>Einheit</strong> zu ermöglichen. <strong>Die</strong><br />

Bundesregierung wußte sehr genau, daß sich Deutschland ohne die aktive Unterstützung des<br />

Partners Amerika nicht gegenüber seinen europäischen Partnern, insbeson<strong>der</strong>e Frankreich und<br />

Großbritannien, und vor allem natürlich nicht gegenüber <strong>der</strong> Sowjetunion mit dem Wunsch<br />

nach staatlicher <strong>Einheit</strong> hätte durchsetzen können. Verständlich wird daher auch das<br />

bundesdeutsche Zögern im Spätsommer 1989. Erst nachdem man eindeutige Signale aus<br />

Washington empfangen hatte, begann die Bundesregierung mit eigenen diplomatischen<br />

Initiativen. In den USA sah Bonn also den zentralen Kooperationspartner, <strong>der</strong> es den<br />

Deutschen ermöglichen konnte, das eigene Ziel <strong>der</strong> Vereinigung zu verwirklichen. <strong>Die</strong>se<br />

Erwartung an amerikanische Rückendeckung und engen Schulterschluß deutete <strong>der</strong><br />

Bundeskanzler in einem Telefonat vom 28. November Bush gegenüber an: „History left us<br />

128 <strong>Die</strong>ses Zitat stammt aus einem Treffen Genschers mit Scowcroft vom 21. November 89, zitiert in:<br />

Zelikow/Rice, 1995, S. 114, Fn. 38.<br />

129 Für die Kontroverse über die richtige Interpretation des Treffens vgl. Zelikow/Rice, 1995, S. 189-190, Fn.<br />

66.

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