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AUSBILDUNGSUMLAGE Fakten und Argumente ... - DGB-Jugend

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<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong><br />

<strong>Fakten</strong> <strong>und</strong> <strong>Argumente</strong>


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Deutscher Gewerkschaftsb<strong>und</strong><br />

B<strong>und</strong>esvorstand<br />

Henriette-Herz-Platz 2<br />

10178 Berlin<br />

Tel.: 030 – 240 60 – 371<br />

Verantwortlich:<br />

Ingrid Sehrbrock<br />

Redaktion:<br />

Abteilung Bildung <strong>und</strong> Qualifizierung <strong>und</strong> Abteilung <strong>Jugend</strong><br />

Layout:<br />

Heiko von Schrenk<br />

Druck:<br />

Toennes Druck+Medien GmbH<br />

Titelmotiv:<br />

BBKG Berliner Botschaft<br />

Homepage:<br />

www.bbig-reform.de<br />

Stand: Mai 2004


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong><br />

<strong>Fakten</strong> <strong>und</strong> <strong>Argumente</strong><br />

Broschüre des <strong>DGB</strong>,<br />

Abteilung Bildung <strong>und</strong> Qualifizierung<br />

<strong>und</strong> Abteilung <strong>Jugend</strong>


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

4 INHALTSVERZEICHNIS<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort des <strong>DGB</strong>-B<strong>und</strong>esvorstandes von Ingrid Sehrbrock 5<br />

Einleitung: Ein B<strong>und</strong>esgesetz zur Ausbildungsplatzumlage:<br />

Wofür <strong>und</strong> warum wir es brauchen von Dr. Henning Schierholz 6<br />

I. Dokumente 11<br />

1. Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung <strong>und</strong> Förderung des Fachkräftenachwuchses<br />

<strong>und</strong> der Berufsausbildungschancen der jungen Generationen (Berufsausbildungssicherungsgesetz<br />

– BerASichG) der Fraktionen SPD <strong>und</strong> Bündnis 90 / Die Grünen<br />

vom 30. März 2004 12<br />

2. Eckpunkte des <strong>DGB</strong> zur Finanzierung einer Ausbildungsumlage,<br />

Beschluss des <strong>DGB</strong>-B<strong>und</strong>esvorstandes vom 7. Oktober 2003 19<br />

3. Vorschlag von Bündnis 90 / Die Grünen für eine »Stiftung Betriebliche Bildungschance«<br />

vom 20. Mai 2003 20<br />

4. Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung <strong>und</strong> Förderung der betrieblichen Berufsausbildung<br />

(Berufsausbildungsfinanzierungsgesetz – BAFinG) der SPD-Fraktion<br />

vom 2.Oktober 1997 22<br />

5. Prof. Mückenberger, Ulrich: »Die Ausbildungspflicht der Unternehmen nach dem<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz: Rechtsgutachten«, Zusammenfassung in Thesen, S. 123–132,<br />

von 1986 27<br />

6. Auszüge aus dem Urteil vom B<strong>und</strong>esverfassungsgericht »Berufsausbildungsabgabe«<br />

(BVerfGE 55, 274) vom 10. Dezember 1980 32<br />

7. Auszug (§§ 85-89) aus dem Gesetzentwurf zur Förderung des Angebots an<br />

Ausbildungsplätzen in der Berufsausbildung (Ausbildungsplatzförderungsgesetz)<br />

vom 7. September 1976 36<br />

8. Auszüge aus den Kieler Entschließungen der Sozialausschüsse der CDA<br />

vom 15. Juni 1975 39<br />

II. Anhang 41<br />

Stellungnahme des <strong>DGB</strong> zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD <strong>und</strong> Bündnis 90 / Die<br />

Grünen zum Berufsausbildungssicherungsgesetz – BerASichG; sowie zum Antrag<br />

der Fraktion der FDP »Ausbildungsplatzabgabe verhindern – Wirtschaft nicht weiter<br />

belasten – Berufsausbildung stärken« vom 23. April 2004 42<br />

Die Berufsbildungsabgabe in der deutschen <strong>und</strong> amerikanischen Bauwirtschaft <strong>und</strong> in<br />

Dänemark sowie die Weiterbildungsabgabe in Frankreich; von Prof. Dr. Gerhard<br />

Bosch, aus: Stellungnahme zum Entwurf des Berufsausbildungssicherungsgesetzes<br />

vom 23. April 2004 45<br />

Ein zuverlässiges Angebot an Ausbildungsplätzen für junge Menschen<br />

vom 3. März 2004, <strong>DGB</strong> 48<br />

Die häufigsten Einwände gegen eine Ausbildungsumlage – <strong>und</strong> was der <strong>DGB</strong><br />

dazu sagt, vom 18. Februar 2004 50<br />

Tabelle des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln »Maßnahmen zur Steigerung<br />

des Ausbildungsangebots« aus dem Heft IW-Trends, Ausgabe 2/2003, S. 10 52<br />

Untersuchung des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung (BIBB) zu Maßnahmen zur<br />

Steigerung des betrieblichen Ausbildungsplatzangebotes aus dem Heft BWPplus,<br />

Ausgabe 1/2003, S. 4 53<br />

Eckpunkte zur Novellierung des Berufsbildungsgesetzes,<br />

Beschluss des <strong>DGB</strong>-B<strong>und</strong>esvorstandes vom 7. Oktober 2003 54


Vorwort des <strong>DGB</strong>-B<strong>und</strong>esvorstandes<br />

Ausbildungsumlage einführen<br />

<strong>Fakten</strong> <strong>und</strong> <strong>Argumente</strong><br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Ingrid Sehrbrock<br />

Mitglied des Geschäftsführenden<br />

<strong>DGB</strong>-B<strong>und</strong>esvorstandes<br />

Der Rückgang der betrieblichen Ausbildungsplätze ist den Gewerkschaften schon lange ein Dorn<br />

im Auge. Um sie zu erhöhen wurde die Ausbildungsumlage entwickelt. Nach vielen Anläufen<br />

ist heute die Chance zum Greifen nahe, sie gesetzlich zu verankern. Die parlamentarischen Beratungen<br />

werden in den nächsten Wochen intensiv zu begleiten sein. Hierzu sind <strong>Fakten</strong> <strong>und</strong> <strong>Argumente</strong><br />

wichtig.<br />

Die vorliegende Broschüre enthält eine Reihe wichtiger Dokumente. Sie sollen helfen die Debatte<br />

zu versachlichen. Wie wichtig das ist, zeigen viele Anfragen, die der <strong>DGB</strong> in den letzten Wochen zum<br />

Thema Ausbildungsumlage erhalten hat. Eine sei dabei besonders erwähnt. Joseph A. bat um <strong>DGB</strong> –<br />

Informationsmaterial zur Ausbildungsumlage. Seine Reaktion auf das ihm zugesandte Material kam<br />

prompt. Er schrieb: »Alles Quatsch, der <strong>DGB</strong> soll mit gutem Beispiel vorangehen in Sachen ›Ausbildungsplätze‹<br />

<strong>und</strong> nicht den anderen ›Versagen‹ vorwerfen. Ich mag Ihre Parolen nicht mehr hören.«<br />

Die Reaktion von Joseph A. scheint für die augenblickliche Debatte um die Ausbildungsumlage symptomatisch<br />

zu sein.<br />

Der Sachverhalt, um den es geht, ist einfach zu beschreiben. Nur noch 23% von 2,1 Mio. Betrieben<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland bilden aus. Über Dreiviertel aller Betriebe ziehen Wettbewerbsvorteile<br />

aus dieser Verteilung der Ausbildungskosten. Auch 700.000 Betriebe die ausbilden dürften,<br />

tun dies nicht. Die Zahl betrieblicher Ausbildungsplätze ist deshalb dramatisch gesunken. Immer mehr<br />

junge Menschen bleiben aufgr<strong>und</strong> dieser Situation ohne Berufsabschluss. Jahr für Jahr müssen B<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> Länder hohe Summen an Steuergeldern aufwenden, um durch Programme die Folgen zu mildern.<br />

Die <strong>Argumente</strong> der Arbeitgeberverbände sind nicht stichhaltig: Schuld an der Misere auf dem<br />

Ausbildungsmarkt seien die schlechte Konjunktur <strong>und</strong> die hohen Ausbildungsvergütungen. Für die<br />

lahmende Konjunktur wären die staatlich gesetzten Rahmenbedingungen verantwortlich. Da kurzfristig<br />

kein Aufschwung zu erwarten sei, müssten die Kosten gesenkt werden, um Betriebe zu motivieren,<br />

wieder mehr auszubilden. Deshalb fordern sie, die Ausbildungsvergütungen zu senken. Die jungen<br />

Menschen werden zu Verantwortlichen der Misere gemacht. Das ist Stimmungsmache. Die Arbeitgeber<br />

versuchen von ihrem eigenen Versagen abzulenken.<br />

Wir brauchen ein solidarisches Finanzierungssystem in der beruflichen Bildung, um wieder mehr<br />

Betriebe für eine Ausbildung zu gewinnen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, Betriebe können<br />

zur Ausbildung motiviert werden, wenn man sie finanziell unterstützt. Eine Mehrheit der Ausbildungsbetriebe<br />

befürwortet sicherlich auch deshalb die Ausbildungsabgabe. Die Umfrage der Arbeitgeberseite<br />

wird im Anhang dieser Broschüre in Auszügen dokumentiert.<br />

Mit dieser Broschüre gibt der <strong>DGB</strong> einen Überblick zum Thema Ausbildungsumlage. Dargestellt<br />

wird, welche Ansätze es bereits gegeben hat. Die Informationen sollen helfen, die Debatte um den<br />

Entwurf des Berufsausbildungssicherungsgesetz der B<strong>und</strong>estagsfraktionen von SPD <strong>und</strong> Bündnis 90 /<br />

Die Grünen mit zu gestalten.<br />

VORWORT<br />

5


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

6 EINLEITUNG<br />

Einleitung<br />

Ein B<strong>und</strong>esgesetz zur Ausbildungsplatzumlage:<br />

Wofür <strong>und</strong> warum wir es brauchen<br />

Für manche Beobachter mutet es an wie die unendliche Geschichte: Über eine gerechte Finanzierungsregelung<br />

für die berufliche Erstausbildung wird jetzt seit einigen Jahren kontrovers diskutiert,<br />

ohne dass sich in der Sache bisher Fortschritte ergeben haben.<br />

Die <strong>Argumente</strong> Für <strong>und</strong> Wider sind seit Jahren vorgetragen <strong>und</strong> ausgetauscht worden; die jeweils<br />

politisch Verantwortlichen haben es mit wechselnden Begründungen aber dann doch unterlassen,<br />

praktische Konsequenzen zu ziehen.<br />

Im Frühjahr 2004 geht die Debatte angesichts von bilanztechnisch mehr als 30.000 pro Jahr fehlenden<br />

betrieblichen Ausbildungsplätzen (faktisch sind es erheblich mehr!) sowie die Ende März 2004<br />

von der SPD-B<strong>und</strong>estagsfraktion vorgelegten Gesetzesinitiative im Deutschen B<strong>und</strong>estag in eine neue<br />

entscheidende R<strong>und</strong>e:<br />

Die beiden Regierungsparteien haben auf ihren Parteitagen (in Cottbus Sommer 2003 <strong>und</strong> Bochum<br />

November 2003) entsprechende Beschlüsse gefasst, die nunmehr gegen den hinhaltenden Widerstand<br />

aus den Unternehmerverbänden, von Teilen der B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esländer der<br />

Umsetzung harren. Mit dieser Dokumentation sollen einige zentrale <strong>Argumente</strong> der Debatte vertieft<br />

<strong>und</strong> insbesondere darauf hingewiesen werden, dass auch in historischer Perspektive Erfahrungen mit<br />

»Umlagegesetzen« vorliegen, derer sich auch die breite Öffentlichkeit intensiver vergewissern sollte.<br />

Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung <strong>und</strong> das Ausbildungs-<br />

Engagement vieler Unternehmen ist unterentwickelt<br />

Kernpunkt der Debatte ist der Tatbestand, dass sich die deutschen Unternehmen <strong>und</strong> Betriebe aus ihrer<br />

Verantwortung für die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl qualifizierter betrieblicher Ausbildungsplätze<br />

für die junge Generation seit mehreren Jahren immer weiter zurückziehen. In das duale<br />

System der Berufsausbildung münden nach dem 10. Schulbesuchsjahr in den meisten B<strong>und</strong>esländern<br />

(nicht nur in Ostdeutschland) nur noch weniger als die Hälfte der nachfragenden <strong>Jugend</strong>lichen ein,<br />

der Rest geht weiter zur (Berufs-) Schule, wird in eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (schulisch<br />

oder außerbetrieblich), in die Benachteiligten- bzw. Behindertenausbildung gesteckt oder landet<br />

in einem der Plätze der zahlreichen Sonderprogramme wie Gemeinschaftsinitiative Ost«Arbeit <strong>und</strong><br />

Qualifizierung für <strong>Jugend</strong>liche, Kooperationsmodell Schule-Wirtschaft etc. Mit ca. 200 Euro pro Monat<br />

entlohnt, bisweilen aber auch gar nicht oder bestenfalls mit einer »Mobilitätshilfe« aus dem Europäischen<br />

Sozialfonds bleiben sie auch nach »Maßnahmeantritt« auf der Suche <strong>und</strong> brechen nicht<br />

selten schon nach kurzer Zeit ihren Lehrgang oder ihr Vollzeitberufsschulangebot wieder ab, sobald<br />

sich eine Alternative bietet. Ein großer Teil von ihnen taucht nach einem Jahr wieder als »Ausbildungsplatzsuchende/r«<br />

auf; verschämt unter »Altnachfrager/in« einsortiert (die mittlerweile fast 50 % aller<br />

Nachfragenden ausmachen!).<br />

Da sich Angebote für <strong>Jugend</strong>liche zwischen betrieblichen <strong>und</strong> außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen<br />

(u.a. in Berufsschulen, Berufsfachschulen, Schulen des Ges<strong>und</strong>heitswesens) erheblich verschoben<br />

haben, wird seit langem eingefordert, in allen Landesausschüssen für Berufsbildung eine detaillierte<br />

Bestandsaufnahme über die Kostenverteilung in der beruflichen Erstausbildung zu erheben –<br />

bislang siegten dort aber die Bedenkenträger <strong>und</strong> Verniedlicher. Denn die spezifische Verantwortung<br />

für ein ausreichendes Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen liegt (nach wie vor) bei der gesellschaftlichen<br />

Gruppe der Arbeitgeber, so dass der Staat nach dem Urteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichtes<br />

vom Dezember 1980 erwarten können muss, dass diese die praxisbezogene Berufsausbildung<br />

der <strong>Jugend</strong>lichen nach Maßgabe ihrer objektiven Möglichkeiten so erfüllen, damit gr<strong>und</strong>sätzlich alle<br />

ausbildungsinteressierten <strong>Jugend</strong>lichen die Chance erhalten, einen qualifizierten Ausbildungsplatz bekommen.<br />

»Das gilt auch dann, wenn das freie Spiel der Kräfte zur Erfüllung der übernommenen Aufgaben<br />

nicht mehr ausreichen sollte« (B<strong>und</strong>esverfassungsgericht). Dieses Argument ist in der Sache ein<br />

energisches, also auch juristisch abgesichertes Argument für eine »Ausbildungsplatzumlage« unter<br />

den betroffenen Betrieben. Unter ihnen hat sich aber sowohl die Rückzugs- als auch die Trittbrettfahrermentalität<br />

explosionsartig ausgebreitet; sie ziehen es vor, andere für sich ausbilden zu lassen oder


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

mithilfe staatlich subventionierter Aus- oder Weiterbildung die gut ausgebildeten Kräfte zu nutzen,<br />

aber die Steuerzahler-Allgemeinheit dafür bezahlen zu lassen. Der Gesetzgeber ist geradezu verpflichtet<br />

dieser Mentalität entgegenzuwirken.<br />

So fehlen in Deutschland mittlerweile (2003/04) nicht nur die am 30. September offiziell registrierten<br />

ca. 30.000 Ausbildungsplätze, sondern das fünf- oder sechsfache, um ein auswahlfähiges <strong>und</strong><br />

qualifiziertes Angebot zur Verfügung zu stellen.<br />

Angesichts des Tatbestandes, dass bis mindestens zum Jahre 2006 (bis zu dem die Ausbildungsnachfrage<br />

gesamtdeutsch weiter wachsen wird) ein ausreichendes betriebliches Ausbildungsplatzangebot<br />

nach Lage der Dinge nicht bereitgestellt werden wird, sind zusätzliche Anreize für ausbildungswillige<br />

Unternehmen zu schaffen.<br />

Die umstrittenen Punkte der Ausbildungsplatzumlage<br />

Die Pläne zur Einführung einer gerechten <strong>und</strong> solidarischen Finanzierungsregelung in der beruflichen<br />

Erstausbildung werden mit einem Sturm der Entrüstung <strong>und</strong> des Protestes aus bestimmten Ecken begleitet,<br />

natürlich mit dem Ziel, eine b<strong>und</strong>esgesetzliche Regelung zu verhindern.<br />

Neben berechtigten Sachargumenten wird dabei auch gezielt Stimmungsmache betrieben, werden<br />

Drohkulissen aufgebaut <strong>und</strong> Scheinargumente vorgetragen. Für alles gilt: Wenn der politische<br />

Wille zu einer sachgerechten Regelung vorhanden ist, dann wird der eklatante Ausbildungsplatzmangel<br />

auch durch gemeinsame Anstrengungen zu bewältigen sein.<br />

Unbestritten ist dabei, dass freiwillige Regelungen in den jeweiligen Branchen durch Tarifverträge<br />

zwischen den Sozialparteien Vorrang haben. Das bedeutet: Wo sie wirksam greifen <strong>und</strong> ein auswahlfähiges<br />

qualifiziertes Ausbildungsplatzangebot bereitgestellt wird, bedarf es keiner gesetzlichen Umlageregelung.<br />

Nur – auch wenn jetzt manche das Gegenteil behaupten: In vielen Regionen der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland (darunter interessanterweise allen sozialdemokratisch regierten B<strong>und</strong>esländern<br />

) liegt im Jahre 2003/04 die offiziell registrierte »Ausbildungsplatzversorgung« am gesetzlich<br />

festgelegten Stichtag (30. september) unter 100 %; von 112,5 % für ein »auswahlfähiges« Angebot<br />

sind mehr als drei Viertel (weit) entfernt.<br />

Wie bei jedem Gesetzentwurf gibt es zudem zahlreiche umstrittene Einzelfragen<br />

eines Gesetzes:<br />

Welches sind die »Auslösekriterien« (Termin 30. September wie gesetzlich vorgesehen; nach welchen<br />

Bezugsgrößen in einem Betrieb wird wann <strong>und</strong> wie eine Umlage erhoben)?<br />

Für wen gelten Ausnahmen/Härtefälle (in jedem Fall für Kleinbetriebe <strong>und</strong> Existenzgründer)?<br />

Wie können Möglichkeiten zum Freikauf vermieden oder zumindest unattraktiv gemacht werden?<br />

All dies sind berechtigte <strong>und</strong> sachlich nach der besten Lösung trachtende Fragen, die durchaus zu<br />

Kontroversen Anlass geben können, die aber in keinem Falle an dem Punkt enden, an dem es heißt:<br />

Das ganze ist zu kompliziert, also lassen wir es.<br />

Sehr viel gr<strong>und</strong>sätzlicher ist der Einwand, mit einer gesetzlichen Umlageregelung werde ein Eingriff<br />

in die unternehmerische Freiheit vorgenommen. Hier ist zum einen auf die Argumentation des<br />

B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts von Dezember 1980 zu verweisen, das sehr deutlich – <strong>und</strong> hochaktuell –<br />

die unternehmerische Verantwortung herausgestellt hat, für eine ausreichende Zahl betrieblicher<br />

Ausbildungsplätze zu sorgen, was leider von vielen – keineswegs allen – Inhabern der unternehmerischen<br />

Freiheit seit einigen Jahren auf die leichte Schulter genommen worden ist. Die Vorgabe von Artikel<br />

14 des Gr<strong>und</strong>gesetzes: »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit<br />

dienen« beinhaltet neben unbestrittenen Privilegien auch Verpflichtungen <strong>und</strong> die Wahrnehmung<br />

von Verantwortung. Erst wenn Unternehmer/n dieser nicht nachkommen – <strong>und</strong> für die<br />

Ausbildungsplätze erleben wir dies seit Jahren – ist der Gesetzgeber zum Handeln genötigt – <strong>und</strong> diesen<br />

Punkt haben wir nunmehr erreicht.<br />

Ebenso wichtig zu nehmen sein wird der Vorbehalt, dass eine wirksame <strong>und</strong> auch die Unterschiede<br />

über das B<strong>und</strong>esgebiet hinweg ausgleichende Regelung einer Zustimmung <strong>und</strong> Beteiligung der<br />

B<strong>und</strong>esländer bedarf. Gerade aus dem Kreis der B<strong>und</strong>esländer waren in denen letzten Wochen kritische<br />

Stimmen zu einer b<strong>und</strong>esgesetzlichen Ausbildungsumlageregelung zu hören, bei denen bisweilen<br />

aber nicht deutlich wurden, mit welcher Motivation <strong>und</strong> Stoßrichtung sie vorgebracht wurde. So<br />

sei etwa darauf verwiesen, dass im B<strong>und</strong>esland Bremen die Ausbildungsversorgung mit betrieblichen<br />

Ausbildungsplätzen im Jahre 2002 bei 96 %, im Jahre 2003 sogar noch darunter lag; im Land Schles-<br />

EINLEITUNG<br />

7


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

8<br />

EINLEITUNG<br />

wig-Holstein war – trotz gegenteiliger Bek<strong>und</strong>ungen der dort amtierenden Ministerpräsidentin –<br />

ebenfalls nach den b<strong>und</strong>esgesetzlichen Kriterien ein erheblicher betrieblicher Ausbildungsstellenmangel<br />

(2003: 96,9 %) zu verzeichnen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass gemäß Art 74 GG<br />

dann die B<strong>und</strong>esratspflicht eines Umlagegesetzes eintreten würde, wenn durch die gesetzliche Regelung<br />

Behörden auf Landesebene in den Erhebungs- <strong>und</strong> Verteilungsmechanismus eines Gesetzes eingeschaltet<br />

würden. Rechtliche Beurteilungen der nunmehr im Gespräch befindlichen Regelungen –<br />

über die Berufsgenossenschaften, die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit oder das B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung<br />

– kommen aber eindeutig zu dem Schluss, dass auch nicht b<strong>und</strong>esratspflichtige Lösungen<br />

denkbar <strong>und</strong> möglich sind.<br />

Schon weniger Ernst zu nehmen ist der gegenüber einer gesetzlichen Umlage ständig vorgebrachte<br />

Bürokratie-Vorwurf, selbst wenn er nicht vornehmlich von denjenigen vorgebracht würde, die sich<br />

im Bürokratie-Dschungel hervorragend eingenistet haben <strong>und</strong> in oder von ihm leben. Jede gesetzliche<br />

Schutzvorschrift, erst recht jeder gesetzliche Umverteilungsmechanismus von Ressourcen ist mit Verwaltungsaufwand<br />

verb<strong>und</strong>en; dieser Aufwand würde im Falle einer b<strong>und</strong>esgesetzlichen Umlage bei<br />

Ausbildungsplätzen also tatsächlich entstehen. Es wäre ein zusätzlicher Aufwand, der zu vertreten ist.<br />

Allein der öffentliche Druck auf Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungen, die nicht ausbilden, dürfte erheblich<br />

steigen, so dass schon aus diesem Gr<strong>und</strong>e mit einem Umlagegesetz die Ausbildungskapazitäten anwachsen<br />

können. Es ist ihr Problem., wenn für das Umlageverfahren zusätzliche Verwaltungskapazitäten<br />

mobilisiert <strong>und</strong> bereitgestellt werden müssten. Es wäre auch durch ihr verstärktes Engagement<br />

möglich, zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.<br />

Und der Gipfel: Schuld sind die <strong>Jugend</strong>lichen selbst<br />

Geradezu von bodenloser Geschmacklosigkeit sind allerdings in jüngster Zeit auftauchende Behauptungen,<br />

die betroffenen <strong>Jugend</strong>lichen seien selbst Schuld, dass sie keine qualifizierte Ausbildungsmöglichkeit<br />

finden. Verwiesen wird auf die Ergebnisse von PISA-Studien <strong>und</strong> Testverfahren zur Ausbildungsreife,<br />

wonach bis zu 20 % eines Geburtenjahrgangs nicht die notwendigen Voraussetzungen<br />

mitbringen, um den Anforderungen einer heutigen qualifizierten Berufsausbildung zu genügen. Auch<br />

hier wird ein ernstzunehmendes Argument – die zweifellos gestiegenen Anforderungen an Ausbildungsfähigkeit<br />

– mit einer zynischen <strong>und</strong> von gesellschaftlicher Verantwortungslosigkeit zeugenden<br />

Konsequenz verb<strong>und</strong>en: Gerade wenn aus dem allgemeinbildenden Schulwesen ein (zu) hoher Anteil<br />

<strong>Jugend</strong>licher entlassen wird, der noch zusätzlicher Förderung zur Aufnahme einer Berufsausbildung<br />

bedarf, so ist es Aufgabe aller gesellschaftlicher Gruppen, auch der Wirtschaft, diese zusätzlichen Fördermöglichkeiten,<br />

etwa für lernbehinderte oder ausländische <strong>Jugend</strong>liche bereitzustellen, um auch ihnen<br />

die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung zu ermöglichen. Die erprobten Ansätze der<br />

beruflichen Benachteiligtenförderung, die Aufwertung einer qualifizierten Berufsausbildungsvorbereitung<br />

– auch in Betrieben – zeigen, dass dieser Personenkreis durchaus eine auch anspruchsvolle Berufsausbildung<br />

zu absolvieren in der Lage ist. Stattdessen die <strong>Jugend</strong>lichen selbst dafür verantwortlich<br />

zu machen, dass sie den Anforderungen olympiareifer Betriebe zumal in Zeiten schwacher Konjunktur<br />

nicht entsprechen, zeugt von bemerkenswerter Kurzsichtigkeit.<br />

Das Recht auf qualifizierte Erstausbildung für alle <strong>Jugend</strong>lichen ist nur zu gewährleisten, wenn ein<br />

auswahlfähiges regionales Ausbildungsplatzangebot garantiert wird, zu dem die Beteiligten, insbesondere<br />

ausbildende <strong>und</strong> nichtausbildende Betriebe einen gerechten finanziellen Beitrag leisten. Dieses<br />

muss zudem noch bestimmten Qualitätsansprüchen genügen (ein Aspekt der durch die jetzt vorgeschlagene<br />

Finanzierungsregelung zunächst unberührt bleibt, aber bei einer großen Berufsbildungsreform<br />

nach den Vorschlägen der Gewerkschaften eine zentrale Rolle spielt). Jedenfalls ist es notwendig,<br />

das gegenwärtig praktizierte System durch einen solidarischen finanziellen Lastenausgleich abzulösen.<br />

Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass eine gesetzliche, also für alle Anbieter gleiche Bedingungen<br />

schaffende Regelung schon im Vorfeld steuern will, also bereits vor <strong>und</strong> im Sommer eines<br />

jeden Jahres Betriebe <strong>und</strong> Unternehmungen zur Schaffung von qualifizierten Ausbildungsplätzen anhalten<br />

will. Eine gesetzliche Regelung zielt erst in zweiter Linie darauf ab, einen zweifelsfrei notwendigen<br />

»Umlagemechanismus« unter den Betrieben auch tatsächlich auszulösen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der engen Verzahnung von Qualifizierung <strong>und</strong> Beschäftigung <strong>und</strong> des damit in der Vergangenheit<br />

fast nahtlosen Einstiegs der <strong>Jugend</strong>lichen in das Erwerbsleben war <strong>und</strong> ist die Form der<br />

beruflichen Erstausbildung im Dualen System weitgehend unumstritten. Im europäischen Vergleich ist<br />

die registrierte Arbeitslosigkeit <strong>Jugend</strong>licher in der B<strong>und</strong>esrepublik deshalb erheblich geringer als in<br />

den anderen Ländern – aber auch deshalb, weil zahlreiche »Ersatzangebote« ab dem 10. Schuljahr


die registrierte <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit in Deutschland erheblich drücken. Dafür ist in den letzten Jahren<br />

ein »Maßnahmedschungel« von Angeboten im Auftrag der Arbeitsverwaltung, der Schulen <strong>und</strong><br />

auch von B<strong>und</strong>esländern <strong>und</strong> Kommunen entstanden, der auch von Fachleuten kaum noch zu<br />

überblicken ist (schon gar nicht von den betroffenen <strong>Jugend</strong>lichen) <strong>und</strong> immer ineffizienter wird, je<br />

dichter er wächst.<br />

Angesichts der Zurückhaltung von großen Teilen B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> Verwaltung soll mit <strong>und</strong> in<br />

dieser Dokumentation nicht nur demonstriert werden, dass es in der Geschichte der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

zahlreiche Denkmodelle <strong>und</strong> – ansätze für eine praktikable, gerechtere <strong>und</strong> juristisch wasserdichte<br />

gesetzliche Lösung gegeben hat, an die sich die Verantwortlichen nur zu erinnern brauchen.<br />

Sofern der politische Wille vorhanden ist kann es spätestens ab 2005 also auch eine praktikable<br />

bessere Lösung geben.<br />

Zu den einzelnen Dokumenten<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Die nachfolgenden Dokumente sind zum einen nach dem Prinzip ausgewählt worden deutlich zu machen,<br />

dass <strong>und</strong> welche Gesetzesregelungen bisher ausgearbeitet wurden. Zum anderen werden die<br />

aktuellen Materialien aus der b<strong>und</strong>esdeutschen Debatte seit dem Sommer 2003 wiedergegeben.<br />

Damit wird sichtbar, dass die Debatte um eine gerechte <strong>und</strong> solidarische Finanzierung der beruflichen<br />

Erstausbildung historisch einen langen Vorlauf hat <strong>und</strong> keineswegs auf die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland beschränkt ist, sondern – wie insbesondere die Begründung des Gesetzesentwurfs der<br />

SPD-B<strong>und</strong>estagsfraktion von 1997 hervorhebt – in europäischen Nachbarländern mit Erfolg praktiziert<br />

wird. Die seinerzeit von der SPD-Fraktion herausgestellten <strong>Argumente</strong> sind auch heute nach wie<br />

vor gültig; ihre Urheber <strong>und</strong> die Fachöffentlichkeit tun gut daran, sie nicht zu verdrängen.<br />

Dr. Henning Schierholz<br />

EINLEITUNG<br />

9


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

10<br />

EINLEITUNG


I. Dokumente<br />

DOKUMENTE<br />

11


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

1. Berufsausbildungssicherungsgesetz<br />

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung <strong>und</strong><br />

Förderung des Fachkräftenachwuchses<br />

<strong>und</strong> der Berufsausbildungschancen<br />

der jungen Generation<br />

(Berufsausbildungssicherungsgesetz – BerASichG) der Fraktionen SPD<br />

<strong>und</strong> Bündnis 90 / Die Grünen vom 30. März 2004<br />

Teil 1 Allgemeine Vorschriften<br />

§ 1<br />

Zweck des Gesetzes<br />

Zweck dieses Gesetz ist es, den Fachkräftenachwuchs <strong>und</strong> die Berufsausbildungschancen der jungen<br />

Generation zu sichern <strong>und</strong> zu fördern, um durch Ausschöpfung des gesamten zukünftigen Fachkräftepotentials<br />

die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nachhaltig zu gewährleisten. Dabei wird vorrangig<br />

auf die Eigenverantwortung <strong>und</strong> das Eigeninteresse der Arbeitgeber an qualifizierten Fachkräften<br />

gesetzt. Die Förderung greift als Hilfe zur Selbsthilfe nur ein, wenn die Arbeitgeber ihrer besonderen<br />

Verantwortung, im eigenen Interesse junge Menschen auszubilden, nicht ausreichend nachkommen.<br />

§ 2<br />

Begriffsbestimmungen<br />

(1) Stichtag im Sinne dieses Gesetzes ist der 30. September eines laufenden Jahres.<br />

(2) Bezugsjahr ist das Ausbildungsjahr, das am 1. Oktober des dem jeweiligen Stichtag vorangegangenen<br />

Jahres begonnen hat.<br />

(3) Auszubildende im Sinne dieses Gesetzes sind sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, mit denen<br />

der betreffende Arbeitgeber einen Berufsausbildungsvertrag zur betrieblichen Ausbildung auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

einer nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder einer sonstigen b<strong>und</strong>esrechtlichen<br />

Rechtsvorschrift erlassenen Ausbildungsordnung oder Ausbildungsregelung abgeschlossen hat.<br />

(4) Wird in diesem Gesetz auf die Anzahl der bei einem Arbeitgeber sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten abgestellt, sind Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit<br />

von nicht mehr als 10 St<strong>und</strong>en mit 0,25, von nicht mehr als 20 St<strong>und</strong>en mit 0,5 <strong>und</strong> von nicht mehr<br />

als 30 St<strong>und</strong>en mit 0,75 zu berücksichtigen. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit einer regelmäßigen<br />

wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 St<strong>und</strong>en werden mit 1,0 veranschlagt.<br />

(5) Die notwendige Ausbildungsquote beträgt sieben Prozent. Sie beschreibt das b<strong>und</strong>esweite<br />

Verhältnis der Anzahl von Auszubildenden zur Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten,<br />

bei dem zu erwarten ist, dass der Fachkräftenachwuchs <strong>und</strong> die Berufsausbildungschancen der jungen<br />

Generation gesichert sind.<br />

(6) Die individuelle Ausbildungsquote eines Arbeitgebers ist der Anteil der im Bezugsjahr bei ihm<br />

durchschnittlich beschäftigten Auszubildenden an der Gesamtzahl der bei ihm im Bezugsjahr durchschnittlich<br />

sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen.<br />

(7) Zusätzliche Ausbildungsplätze sind mit am Stichtag bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit gemeldeten<br />

<strong>und</strong> noch nicht vermittelten Bewerbern für Berufsausbildungsstellen vertraglich geschlossene<br />

1. betriebliche Berufsausbildungsverhältnisse, die zu einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der<br />

Handwerksordnung oder nach einer sonstigen b<strong>und</strong>esrechtlichen Rechtsvorschrift geregelten<br />

Beruf hinführen, in der Zeit nach dem Stichtag bis zum 15. Dezember desselben Jahres begründet<br />

<strong>und</strong> spätestens bis zum 31. Januar des folgenden Jahres begonnen werden, sowie<br />

2. außerbetriebliche Berufsausbildungsverhältnisse, die zu einem entsprechend geregelten Beruf<br />

hinführen <strong>und</strong> spätestens bis zum 31. März des auf den Stichtag folgenden Jahres begründet<br />

<strong>und</strong> begonnen werden.<br />

(8) Die erforderliche Anzahl zusätzlicher Ausbildungsplätze ist die um einen Zuschlag von 15 Prozent<br />

erhöhte Anzahl der am Stichtag bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit b<strong>und</strong>esweit gemeldeten noch<br />

12 BERUFSAUSBILDUNGSSICHERUNGSGESETZ


nicht vermittelten Bewerber für Berufsausbildungsstellen abzüglich der Anzahl der am Stichtag b<strong>und</strong>esweit<br />

gemeldeten unbesetzten Stellen.<br />

(9) Der individuelle Ausgleichsfaktor beschreibt die im Rahmen des Leistungsausgleichs nach § 6<br />

förderfähige Ausbildungsleistung eines Arbeitgebers. Er ergibt sich aus der Anzahl der Auszubildenden,<br />

die im Bezugsjahr bei dem betreffenden Arbeitgeber ihre Ausbildung begonnen haben <strong>und</strong> länger<br />

als drei Monate bei ihm beschäftigt waren, höchstens jedoch aus der auf die nächste ganze Zahl<br />

abger<strong>und</strong>eten, wie folgt zu berechnenden Anzahl: Anzahl der im Bezugsjahr bei einem Arbeitgeber<br />

durchschnittlich beschäftigten Auszubildenden abzüglich der rechnerischen Anzahl von Auszubildenden,<br />

die sich aus der Multiplikation der notwendigen Ausbildungsquote mit der Anzahl der bei dem<br />

jeweiligen Arbeitgeber im Bezugsjahr durchschnittlich sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ergibt.<br />

Auszubildende, deren Berufsausbildungsverhältnis im Bezugsjahr als zusätzlicher Ausbildungsplatz<br />

gemäß § 5 gefördert wird, finden dabei keine Berücksichtigung. Soweit die Berufsausbildung<br />

wesentlicher Geschäftszweck eines Arbeitgebers ist, werden zur Verfolgung dieses Geschäftszwecks<br />

beschäftigte Auszubildende nicht berücksichtigt.<br />

(10) Der Gesamtausgleichsfaktor beschreibt die im Rahmen des Leistungsausgleichs nach § 6 b<strong>und</strong>esweit<br />

förderfähige Ausbildungsleistung. Er ergibt sich aus der Addition sämtlicher individueller Ausgleichsfaktoren<br />

derjenigen Arbeitgeber, deren individuelle Ausbildungsquote im Bezugsjahr die notwendige<br />

Ausbildungsquote überschritten hat, <strong>und</strong> wird von der B<strong>und</strong>esregierung spätestens bis zum<br />

auf den Stichtag folgenden 30. April im B<strong>und</strong>esgesetzblatt bekannt gegeben.<br />

§ 3<br />

Auslösung der Förderung <strong>und</strong> Finanzierung<br />

(1) Die Förderung <strong>und</strong> Finanzierung nach diesem Gesetz wird durchgeführt, wenn die B<strong>und</strong>esregierung<br />

durch Kabinettsbeschluss feststellt, dass<br />

1. am Stichtag die Anzahl der bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit b<strong>und</strong>esweit gemeldeten unbesetzten<br />

Berufsausbildungsstellen diejenige der noch nicht vermittelten Bewerber für Berufsausbildungsstellen<br />

um weniger als 15 Prozent übersteigt,<br />

2. kurzfristig eine wesentliche Verbesserung auf dem Ausbildungsstellenmarkt durch Bereitstellung<br />

der erforderlichen Anzahl zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze nicht zu erwarten<br />

ist <strong>und</strong><br />

3. der mit der Förderung <strong>und</strong> Finanzierung nach diesem Gesetz verb<strong>und</strong>ene Verwaltungsaufwand<br />

im Hinblick auf die erforderliche Anzahl zusätzlicher Ausbildungsplätze angemessen ist. Die<br />

B<strong>und</strong>esregierung trifft die Feststellung innerhalb von sechs Wochen nach Veröffentlichung der<br />

Berufsberatungsstatistik für den Berichtsmonat September durch die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit.<br />

Das B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung gibt den Kabinettsbeschluss im B<strong>und</strong>esgesetzblatt<br />

bekannt.<br />

(2) Die Förderung <strong>und</strong> Finanzierung kann letztmalig innerhalb von sechs Wochen nach Veröffentlichung<br />

der Statistik für den Berichtsmonat September 2009 ausgelöst werden.<br />

Teil 2 Förderung<br />

§ 4<br />

Förderungsmaßnahmen<br />

Aus den Mitteln des gemäß § 16 Abs. 1 errichteten Berufsausbildungssicherungsfonds erfolgt im<br />

Rahmen der im Fonds verfügbaren Mittel nach Maßgabe des § 5 die Förderung der Bereitstellung zusätzlicher<br />

Ausbildungsplätze sowie nach Maßgabe des § 6 die Förderung durch Leistungsausgleich.<br />

§ 5<br />

Förderung der Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

(1) Im Rahmen der Förderung der Bereitstellung der erforderlichen Anzahl zusätzlicher Ausbildungsplätze<br />

werden vorrangig zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze gefördert. Zuwendungen<br />

können Arbeitgeber erhalten, deren individuelle Ausbildungsquote im Bezugsjahr die notwendige<br />

Ausbildungsquote überschritten hat. Wird die erforderliche Anzahl zusätzlicher Plätze dadurch nicht<br />

erreicht, können auch Arbeitgeber berücksichtigt werden, deren individuelle Ausbildungsquote im<br />

Bezugsjahr die notwendige Ausbildungsquote nicht überschritten hat, wenn durch die Bereitstellung<br />

zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze eine über dem Durchschnitt der letzten drei Bezugsjahre<br />

BERUFSAUSBILDUNGSSICHERUNGSGESETZ<br />

13


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

14<br />

liegende individuelle Ausbildungsquote erreicht würde. Sollte auch hierdurch die erforderliche Anzahl<br />

zusätzlicher Ausbildungsplätze nicht erreicht werden, können auch alle übrigen Arbeitgeber gefördert<br />

werden.<br />

(2) Sofern die im Fonds vorhandenen Mittel durch die Maßnahmen nach Absatz 3 Nr. 1 <strong>und</strong> § 6<br />

nicht ausgeschöpft werden, können außerbetriebliche Ausbildungsplätze mit hohen betrieblichen Anteilen<br />

in der praktischen Ausbildung gefördert werden.<br />

(3) Die Höhe des Förderbetrages für jeden zusätzlichen Ausbildungsplatz bemisst sich<br />

1. für betriebliche Berufsausbildungsverhältnisse nach der vertraglich vereinbarten, höchstens jedoch<br />

nach der tariflich geregelten monatlichen Bruttoausbildungsvergütung<br />

2. für außerbetriebliche Berufsausbildungsverhältnisse nach der vertraglich vereinbarten monatlichen<br />

Bruttoausbildungsvergütung zuzüglich der anteiligen Maßnahmekosten, bis zu einem Gesamtbetrag<br />

von höchstens 7.500 Euro pro Jahr. Die Förderung bezieht sich auf den Zeitraum<br />

zwischen Beginn <strong>und</strong> Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses, höchstens jedoch auf<br />

die in der Ausbildungsordnung festgelegte Ausbildungsdauer.<br />

(4) Über die Bewilligung von Zuwendungen zur Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze entscheidet<br />

das B<strong>und</strong>esverwaltungsamt nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei berücksichtigt es insbesondere<br />

die Lage <strong>und</strong> Entwicklung des Ausbildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktes.<br />

§ 6<br />

Förderung durch Leistungsausgleich<br />

Im Rahmen der Förderung durch Leistungsausgleich werden Arbeitgeber, deren individuelle Ausbildungsquote<br />

im Bezugsjahr die notwendige Ausbildungsquote überschritten hat, durch Zuwendung<br />

eines Förderbetrages finanziell entlastet. Die Höhe des Förderbetrages im Einzelfall ergibt sich aus<br />

dem individuellen Ausgleichsfaktor. Dieser wird mit der jährlichen durchschnittlich vertraglich vereinbarten,<br />

höchstens jedoch der tariflich geregelten Bruttoausbildungsvergütung aller Auszubildenden,<br />

die im Bezugsjahr bei dem jeweiligen Arbeitgeber ihre Ausbildung begonnen haben <strong>und</strong> länger als<br />

drei Monate bei ihm beschäftigt waren, multipliziert.<br />

§ 7<br />

Anteilige Reduzierung der Förderbeträge<br />

Reichen die Mittel des Berufsausbildungssicherungsfonds zur Finanzierung der Förderungsmaßnahmen<br />

nach §§ 5 <strong>und</strong> 6 nicht aus, werden alle auszuzahlenden Förderbeträg entsprechend dem verfügbaren<br />

Finanzvolumen anteilig reduziert.<br />

§ 8<br />

Verfahren der Förderung<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung wird ermächtigt, die Einzelheiten der Förderung nach §§ 5 <strong>und</strong> 6 sowie der anteiligen<br />

Reduzierung der Förderbeträge nach § 7 durch Rechtsverordnung zu regeln, die nicht der Zustimmung<br />

des B<strong>und</strong>esrates bedarf. In der Rechtsverordnung kann das Verfahren der Förderung bestimmt<br />

werden, insbesondere das Antrags-, Bewilligungs-, Auszahlungs- <strong>und</strong> Erstattungsverfahren,<br />

mit der Maßgabe, dass<br />

1. für die Förderung der Bereitstellung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze <strong>und</strong> die Förderung<br />

durch Leistungsausgleich Anträge spätestens bis zum auf den Stichtag folgenden 15. Dezember<br />

zu stellen sind,<br />

2. Förderbeträge für bereitgestellte zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze regelmäßig neun<br />

Monate nach Begründung des Berufsausbildungsverhältnisses anteilig ausgezahlt werden,<br />

3. Auszahlungen im Rahmen der Förderung durch Leistungsausgleich regelmäßig bis zum Stichtag<br />

des folgenden Jahres erfolgen.<br />

Teil 3 Finanzierung<br />

§ 9<br />

Berufsausbildungssicherungsabgabe<br />

Im Falle der Durchführung von Förderungsmaßnahmen nach § 4 wird zu deren Finanzierung von privaten<br />

<strong>und</strong> öffentlichen Arbeitgebern eine Berufsausbildungssicherungsabgabe erhoben, soweit eine<br />

Deckung nicht aus im Berufsausbildungssicherungsfonds vorhandenen Restmitteln erfolgt.<br />

BERUFSAUSBILDUNGSSICHERUNGSGESETZ


§ 10<br />

Befreiung von der Abgabepflicht<br />

(1) Nicht zur Entrichtung der Berufsausbildungssicherungsabgabe herangezogen werden<br />

1. Arbeitgeber, deren individuelle Ausbildungsquote die notwendige Ausbildungsquote im Bezugsjahr<br />

erreicht oder überschritten hat, sowie<br />

2. Arbeitgeber mit im Bezugsjahr durchschnittlich zehn oder weniger sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten im Sinne des § 2 Abs. 4.<br />

(2) Wenn besondere Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen, können Arbeitgeber auf Antrag<br />

von der Entrichtung der Berufsausbildungssicherungsabgabe befreit werden. Besondere Umstände<br />

des Einzelfalls sind insbesondere dann gegeben, wenn die Höhe des zu leistenden Abgabebetrags für<br />

den betreffenden Arbeitgeber unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine<br />

unzumutbare Härte darstellen würde.<br />

§ 11<br />

Höhe der Abgabe<br />

(1) Die Höhe der von einem Arbeitgeber zu entrichtenden Berufsausbildungssicherungsabgabe ist<br />

insbesondere abhängig von der Anzahl der bei ihm im Bezugsjahr durchschnittlich sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten, der erforderlichen Anzahl zusätzlicher Ausbildungsplätze <strong>und</strong> dem Gesamtausgleichsfaktor.<br />

Sie bemisst sich nach der Anzahl der bei dem jeweiligen Arbeitgeber im Bezugsjahr<br />

durchschnittlich sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Sinne des § 2 Abs. 4, die mit<br />

einem Pro-Kopf-Abgabebetrag multipliziert wird. Dieser Pro-Kopf-Abgabebetrag errechnet sich aus<br />

der Division des Gesamtfinanzierungsbedarfs durch die Zahl aller bei abgabepflichtigen Arbeitgebern<br />

zu berücksichtigenden sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Der Gesamtfinanzierungsbedarf<br />

setzt sich zusammen aus<br />

1. dem Anteil zur Finanzierung der Förderung der Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze<br />

gemäß § 5 in Höhe von 26.800 Euro multipliziert mit der erforderlichen Anzahl zusätzlicher<br />

Ausbildungsplätze <strong>und</strong><br />

2. dem Anteil zur Finanzierung der Förderung durch Leistungsausgleich gemäß § 6 in Höhe von<br />

8.930 Euro multipliziert mit dem Gesamtausgleichsfaktor, abzüglich von im Berufsausbildungssicherungsfonds<br />

vorhandenen Restmitteln. Für jeden bei einem Arbeitgeber im Bezugsjahr<br />

durchschnittlich beschäftigten Auszubildenden wird der Pro-Kopf-Abgabebetrag für 14 sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigte in Abzug gebracht.<br />

(2) Die Höhe des Pro-Kopf-Abgabebetrages wird von der B<strong>und</strong>esregierung spätestens bis zum auf<br />

den Stichtag folgenden 30. April im B<strong>und</strong>esgesetzblatt bekannt gegeben.<br />

§ 12<br />

Anrechnung finanzieller Leistungen<br />

Aufgr<strong>und</strong> tarifvertraglicher Regelungen, die die Voraussetzungen von § 13 Absatz 1 oder 2 nicht erfüllen,<br />

sowie aufgr<strong>und</strong> anderer vertraglicher oder sonstiger rechtsverbindlicher Regelungen im Bezugsjahr<br />

erbrachte finanzielle Leistungen werden auf Antrag auf die Höhe der zu entrichtenden Abgabe<br />

angerechnet, wenn sie nach Inhalt <strong>und</strong> Zweck der Berufsausbildungssicherungsabgabe im Wesentlichen<br />

gleich zu achten sind, insbesondere unmittelbar <strong>und</strong> nachweisbar der Schaffung von Berufsausbildungsverhältnissen<br />

dienen. Bei der Anrechnung sind aufgr<strong>und</strong> solcher Regelungen zugeflossene<br />

Mittel abzuziehen. Die Anrechnung darf die Höhe der zu entrichtenden Abgabe höchstens<br />

um die Hälfte vermindern.<br />

§ 13<br />

Vorrang tarifvertraglicher Regelungen<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

(1) Tarifvertragliche Regelungen zur Schaffung von Ausbildungsplätzen <strong>und</strong> zur Förderung der Berufsausbildung,<br />

die nach Zweck <strong>und</strong> Wirkung diesem Gesetz gleichwertig sind, können von den Bestimmungen<br />

dieses Gesetzes abweichen, wenn<br />

1. dies im Tarifvertrag ausdrücklich festgelegt ist <strong>und</strong><br />

2. die Tarifvertragsparteien dies beantragen. In diesem Fall gehen sie diesem Gesetz vor.<br />

(2) Dies gilt längstens für ein Jahr ab Inkrafttreten dieses Gesetzes für bereits bestehende Tarifverträge<br />

auch ohne diese Festlegung. Nach Ablauf eines Jahres gilt auch für bereits bestehende Tarifverträge<br />

Absatz 1.<br />

BERUFSAUSBILDUNGSSICHERUNGSGESETZ<br />

15


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

16<br />

(3) Arbeitgeber, die dem Geltungsbereich tarifvertraglicher Rechtsnormen im Sinne von Absatz 1<br />

unterliegen, sind von der Förderung nach diesem Gesetz ausgeschlossen.<br />

§ 14<br />

Verfahren der Erhebung<br />

Die Einzelheiten der Erhebung <strong>und</strong> Berechnung der Berufsausbildungssicherungsabgabe durch das<br />

B<strong>und</strong>esverwaltungsamt kann die B<strong>und</strong>esregierung durch Rechtsverordnung regeln, die nicht der Zustimmung<br />

des B<strong>und</strong>esrates bedarf. Sie soll dabei insbesondere bestimmen:<br />

1. den Inhalt <strong>und</strong> die Form der für die Erhebung der Abgabe notwendigen Angaben,<br />

2. die Möglichkeit zur Schätzung der Höhe der von einem Arbeitgeber zu entrichtenden Abgabe<br />

bei nicht oder nicht fristgerecht vorliegenden Angaben, sowie<br />

3. den auf den Stichtag folgenden 15. Dezember als Termin, bis zu dem Anträge auf Anrechnung<br />

nach § 12 zu stellen sind.<br />

§ 15<br />

Vorfinanzierung durch den B<strong>und</strong><br />

Soweit dies zur Durchführung der Förderungsmaßnahmen gemäß § 4 erforderlich ist, erfolgt eine<br />

Vorfinanzierung durch den B<strong>und</strong>. Die insoweit zur Verfügung gestellten Mittel sind dem B<strong>und</strong> aus<br />

dem Aufkommen der Berufsausbildungssicherungsabgabe zu erstatten.<br />

Teil 4 Berufsausbildungssicherungsfonds<br />

§ 16<br />

Errichtung des Fonds <strong>und</strong> Stellung im Rechtsverkehr<br />

(1) Es wird ein Fonds »Sicherung <strong>und</strong> Förderung des Fachkräftenachwuchses <strong>und</strong> der Berufsausbildungschancen<br />

der jungen Generation« (Berufsausbildungssicherungsfonds) beim B<strong>und</strong>esverwaltungsamt<br />

als Sondervermögen des B<strong>und</strong>es errichtet.<br />

(2) Der Berufsausbildungssicherungsfonds ist nicht rechtsfähig. Er kann unter seinem Namen im<br />

Rechtsverkehr handeln, klagen <strong>und</strong> verklagt werden. Der allgemeine Gerichtsstand des Fonds ist<br />

Köln.<br />

§ 17<br />

Verwendung der Fondsmittel <strong>und</strong> Verwaltung<br />

(1) Als zweckgeb<strong>und</strong>ene Vermögensmasse dürfen die Fondsmittel ausschließlich nach Maßgabe<br />

der Vorschriften dieses Gesetzes verwendet werden.<br />

(2) Das B<strong>und</strong>esverwaltungsamt verwaltet den Berufsausbildungssicherungsfonds <strong>und</strong> vertritt ihn<br />

gerichtlich <strong>und</strong> außergerichtlich nach außen. Es nimmt die mit der Finanzierung des Fonds <strong>und</strong> der<br />

Verwendung der Fondsmittel verb<strong>und</strong>enen Aufgaben wahr. Hierbei unterliegt es der fachlichen Weisung<br />

des B<strong>und</strong>esministeriums für Bildung <strong>und</strong> Forschung, das seine Weisungsbefugnisse im Einvernehmen<br />

mit dem B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit ausübt.<br />

(3) Die Verwaltungskosten werden gr<strong>und</strong>sätzlich in voller Höhe aus dem Fonds bestritten. Wird in<br />

einem Jahr die Förderung <strong>und</strong> Finanzierung nach § 3 nicht ausgelöst, hat der B<strong>und</strong> die entstehenden<br />

Verwaltungskosten zu tragen.<br />

§ 18<br />

Finanzierung, Vermögenstrennung <strong>und</strong> Auflösung des Fonds<br />

(1) Die Finanzierung des Fonds erfolgt aus der Berufsausbildungssicherungsabgabe nach Maßgabe<br />

der §§ 9 bis 15. Nach Durchführung von Förderungsmaßnahmen gemäß § 4 vorhandene Restmittel<br />

verbleiben im Fonds <strong>und</strong> mindern den Gesamtfinanzierungsbedarf im Falle einer erneuten Auslösung<br />

der Förderung <strong>und</strong> Finanzierung entsprechend § 11 Abs. 1.<br />

(2) Bis zur bestimmungsgemäßen Verwendung sind die Mittel des Fonds verzinslich anzulegen.<br />

(3) Die Mittel des Berufsausbildungssicherungsfonds sind von dem übrigen Vermögen des B<strong>und</strong>es,<br />

seinen Rechten <strong>und</strong> Verbindlichkeiten getrennt zu halten. Der B<strong>und</strong> haftet nicht für die Verbindlichkeiten<br />

des Fonds.<br />

BERUFSAUSBILDUNGSSICHERUNGSGESETZ


(4) Bei Auflösung des Fonds vorhandene Restmittel werden gruppennützig für den in § 1 genannten<br />

Zweck verwendet. Die Entscheidung über die Verwendung im Einzelfall trifft das B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung im Einvernehmen mit dem B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit.<br />

§ 19<br />

Wirtschaftsplan, Jahresrechnung <strong>und</strong> Anwendung der Vorschriften<br />

der B<strong>und</strong>eshaushaltsordnung<br />

(1) Für das Sondervermögen ist jährlich ein Wirtschaftsplan zu erstellen, der vom B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung im Einvernehmen mit dem B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit<br />

zu billigen ist. Der Deutsche B<strong>und</strong>estag ist nach Ablauf des Zeitraums, für den der Wirtschaftsplan<br />

erstellt wurde, über die Verwendung der Einnahmen zu unterrichten.<br />

(2) Das B<strong>und</strong>esverwaltungsamt stellt am Schluss des Rechnungsjahres die Jahresrechnung für das<br />

Sondervermögen auf. Das B<strong>und</strong>esministerium der Finanzen fügt diese der Haushaltsrechnung des<br />

B<strong>und</strong>es als Dokumentation zur Berufsausbildungssicherungsabgabe als Anlage bei.<br />

(3) Für den Fonds gelten die B<strong>und</strong>eshaushaltsordnung sowie die zu ihrer Ergänzung <strong>und</strong> Durchführung<br />

erlassenen Vorschriften entsprechend, soweit nicht durch dieses Gesetz oder die aufgr<strong>und</strong><br />

dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen etwas anderes bestimmt ist.<br />

§ 20<br />

Beirat<br />

(1) Bei dem Berufsausbildungssicherungsfonds wird ein Beirat gebildet, der die B<strong>und</strong>esregierung<br />

<strong>und</strong> das B<strong>und</strong>esverwaltungsamt beim Vollzug dieses Gesetzes beratend unterstützt. Der Beirat kann<br />

Stellungnahmen <strong>und</strong> Empfehlungen abgeben, insbesondere zur Auslösung der Förderung sowie zur<br />

Durchführung der Förderung <strong>und</strong> Finanzierung.<br />

(2) Dem Beirat gehören je vier Beauftragte der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Länder <strong>und</strong> des<br />

B<strong>und</strong>es an. Die Beauftragten der Arbeitgeber werden auf Vorschlag der auf B<strong>und</strong>esebene bestehenden<br />

Zusammenschlüsse der Kammern, Arbeitgeberverbände <strong>und</strong> Unternehmensverbände, die Beauftragten<br />

der Arbeitnehmer auf Vorschlag der auf B<strong>und</strong>esebene bestehenden Gewerkschaften, die Beauftragten<br />

des B<strong>und</strong>es auf Vorschlag der B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> die Beauftragten der Länder auf Vorschlag<br />

des B<strong>und</strong>esrates vom B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung im Einvernehmen mit<br />

dem B<strong>und</strong>esministerium für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit berufen. An den Sitzungen des Beirats können je<br />

ein Beauftragter des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>esverwaltungsamtes mit beratender<br />

Stimme teilnehmen. Die Beauftragten des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>esverwaltungsamtes<br />

werden von deren jeweiligen Präsidenten entsandt.<br />

(3) Der Beirat wählt aus seiner Mitte eine Person, die für die Dauer von zwei Jahren den Vorsitz<br />

führt.<br />

(4) Die Mitglieder des Beirats erhalten für ihre Tätigkeit keine Vergütung. Kosten <strong>und</strong> Auslagen<br />

werden aus dem Berufsausbildungssicherungsfonds erstattet, soweit eine Aufwandsentschädigung<br />

nicht von anderer Seite gewährt wird.<br />

(5) Der Beirat gibt sich eine Geschäftsordnung.<br />

§ 21<br />

Mitwirkung des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung<br />

Das B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung unterstützt das B<strong>und</strong>esverwaltungsamt auf dessen Ersuchen bei<br />

der Erfüllung der nach diesem Gesetz vorgesehenen Aufgaben, soweit besonderer Sachverstand <strong>und</strong><br />

Kenntnisse auf dem Gebiet der Berufsbildung erforderlich sind.<br />

Teil 5 Gemeinsame Vorschriften<br />

§ 22<br />

Auskunftspflicht<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

(1) Für Zwecke der Abgabeerhebung haben Arbeitgeber bis zum auf den Stichtag folgenden<br />

15. Dezember dem B<strong>und</strong>esverwaltungsamt unaufgefordert folgende Auskünfte zu erteilen <strong>und</strong> die<br />

entsprechenden Unterlagen vorzulegen:<br />

BERUFSAUSBILDUNGSSICHERUNGSGESETZ<br />

17


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

1. Anzahl der im Bezugsjahr durchschnittlich sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, unterteilt<br />

nach Vollzeit- <strong>und</strong> Teilzeitbeschäftigten unter Angabe der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit;<br />

2. Anzahl der im Bezugsjahr durchschnittlich beschäftigten Auszubildenden;<br />

3. Anzahl der Auszubildenden, die im Bezugsjahr ihre Ausbildung begonnen haben <strong>und</strong> länger als<br />

drei Monate beschäftigt waren;<br />

4. Individuelle Ausbildungsquote;<br />

5. Individueller Ausgleichsfaktor.<br />

Die Auskunftspflicht erstreckt sich im Übrigen auf alle sonstigen nach der aufgr<strong>und</strong> § 14 erlassenen<br />

Rechtsverordnung notwendigen Angaben.<br />

(2) Wird eine Förderung nach §§ 5 <strong>und</strong> 6 beantragt, erstreckt sich die Auskunfts- <strong>und</strong> Vorlagepflicht<br />

auf die nach der aufgr<strong>und</strong> § 8 erlassenen Rechtsverordnung notwendigen Angaben.<br />

(3) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung<br />

ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen<br />

der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten<br />

aussetzen würde.<br />

(4) Die Angehörigen des B<strong>und</strong>esverwaltungsamtes <strong>und</strong> die von ihm mit der Einholung von Auskünften<br />

beauftragten Personen sind befugt, während der Betriebs- oder Geschäftszeit Gr<strong>und</strong>stücke<br />

<strong>und</strong> Geschäftsräume des Auskunftspflichtigen zu betreten, dort Prüfungen <strong>und</strong> Besichtigungen vorzunehmen<br />

<strong>und</strong> die geschäftlichen Unterlagen einzusehen. Das Gr<strong>und</strong>recht der Unverletzlichkeit der<br />

Wohnung (Artikel 13 des Gr<strong>und</strong>gesetzes) wird insoweit eingeschränkt. Die Wahrung von Geschäfts<strong>und</strong><br />

Betriebsgeheimnissen wird sichergestellt. Der Auskunftspflichtige hat die Maßnahmen nach Satz<br />

1 zu dulden.<br />

§ 23<br />

Bußgeldvorschriften<br />

(1) Ordnungswidrig handelt, wer<br />

1. entgegen § 22 Abs. 1 Nr. 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht<br />

rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt oder<br />

2. entgegen § 22 Abs. 1 Nr. 2 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht<br />

rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt oder<br />

3. entgegen § 22 Abs. 1 Nr. 3 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht<br />

rechtzeitig erteilt oder eine Unterlage nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt oder<br />

4. entgegen § 22 Abs. 4 Satz 4 eine Maßnahme nicht duldet.<br />

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.<br />

§ 24<br />

Verwendung der Daten<br />

Das B<strong>und</strong>esverwaltungsamt darf die aufgr<strong>und</strong> dieses Gesetzes bei den Arbeitgebern erhobenen Daten<br />

verwenden <strong>und</strong> mit den bei der Zentrale der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit nach § 281 des Dritten<br />

Buches Sozialgesetzbuch insbesondere auf der Gr<strong>und</strong>lage der Meldungen nach § 28 a des Vierten<br />

Buches Sozialgesetzbuch vorhandenen Daten automatisiert abgleichen, soweit dies zur Durchführung<br />

der Förderungsmaßnahmen nach § 4 sowie der Finanzierung nach §§ 9 bis 15 erforderlich ist. Die<br />

Übermittlung der entsprechenden Daten zwischen der Zentrale der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit <strong>und</strong><br />

dem B<strong>und</strong>esverwaltungsamt für Zwecke dieses Gesetzes ist im notwendigen Umfang zulässig.<br />

§ 25<br />

Inkrafttreten, Außerkrafttreten<br />

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft <strong>und</strong> am 31. Dezember 2013 außer Kraft.<br />

Berlin, den 30. März 2004<br />

18 BERUFSAUSBILDUNGSSICHERUNGSGESETZ<br />

Franz Müntefering <strong>und</strong> Fraktion<br />

Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager <strong>und</strong> Fraktion


2. Eckpunkte des <strong>DGB</strong><br />

Eckpunkte des <strong>DGB</strong> zur Finanzierung<br />

einer Ausbildungsumlage<br />

Beschluss des <strong>DGB</strong>-B<strong>und</strong>esvorstandes vom 7. Oktober 2003<br />

1. Das duale System trocknet seit Jahren aus, weil sich zu wenig Betriebe, Unternehmen <strong>und</strong> Verwaltungen<br />

an der Ausbildung beteiligen: allein in den alten B<strong>und</strong>esländern ist die Zahl ausbildender Betriebe<br />

1 von 28,7% (1990) auf 23,8 % (2001) zurückgegangen, die Ausbildungsquote im gleichen<br />

Zeitraum von 7,1 % auf 5,6 % gesunken; in den neuen Ländern pendelt sie um durchschnittlich<br />

6,5 %. Wir wollen die betriebliche Berufsbildung auf eine breitere Basis stellen <strong>und</strong> damit langfristig<br />

sichern.<br />

2. Wenn das duale System weiter Bestand haben soll, muss der weitere Rückzug der Arbeitgeber<br />

verhindert werden. Die öffentlichen Hände finanzieren bereits r<strong>und</strong> 40 % der Nettokosten beruflicher<br />

Bildung (2001: ca. 9,5 Mrd. €). So sind allein die Ausgaben für berufliche Schulen von 1996 bis 2001<br />

um 1 Mrd. € gestiegen, wobei die Aufwendungen für die Teilzeitberufsschule stagnieren. Betriebliche<br />

Ausbildung im dualen System – ergänzt durch Teilzeitberufsschule – muss derzeit in großem Umfang<br />

durch öffentlich finanzierte außerbetriebliche Ausbildungs- <strong>und</strong> Qualifizierungsangebote ersetzt werden.<br />

Wir wollen B<strong>und</strong>, Länder <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit von Kosten für betriebliche <strong>und</strong> außerbetriebliche<br />

Ausbildung entlasten. Berufsausbildungsvorbereitung <strong>und</strong> Benachteiligtenförderung bleiben<br />

davon unabhängig vorrangig Aufgabe der öffentlichen Hände.<br />

3. Der Deutsche Gewerkschaftsb<strong>und</strong> <strong>und</strong> seine Gewerkschaften wollen die betriebliche Ausbildung<br />

stärken. Die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt nach einer betrieblichen Ausbildung besser<br />

als nach einer schulischen Ausbildung. Bereits 1980 hat zudem das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht die Bereitstellung<br />

eines ausreichenden <strong>und</strong> auswahlfähigen Angebots von betrieblichen Ausbildungsplätzen<br />

als Verpflichtung der gesamten Wirtschaft definiert. Dazu sind 112,5 Ausbildungsplätze für 100 Bewerberinnen<br />

<strong>und</strong> Bewerber sicherzustellen. Hierfür muss jährlich eine Mindestquote festgelegt werden.<br />

Der Deutsche Gewerkschaftsb<strong>und</strong> erwartet, dass sich gr<strong>und</strong>sätzlich alle Betriebe, Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Verwaltungen entweder an der Ausbildung oder an den Ausbildungskosten beteiligen, dies bedeutet<br />

auch, dass die Finanzierung dafür auf eine neue Basis gestellt werden muss.<br />

4. Durch B<strong>und</strong>esgesetz (Rahmengesetz) werden daher alle Betriebe zur Zahlung einer Berufsausbildungsumlage<br />

zur Finanzierung der Gesamt-Ausbildungskosten herangezogen. Dazu wird ein Hebesatz<br />

Gr<strong>und</strong>lage der betrieblichen Zahlungsverpflichtung. Der ermittelte Hebesatz wird auf die Bruttolohn-<br />

<strong>und</strong> Gehaltssumme je Betriebsstätte bezogen. Ausnahmen können für Existenzgründer vorgesehen<br />

werden.<br />

5. Tarifliche oder branchenbezogene Lösungen haben Vorrang. Mehrere Branchen können kooperieren<br />

<strong>und</strong> weitere Partner zur Umsetzung einbeziehen. Die Tarifparteien führen Branchenfonds jeweils<br />

gemeinsam.<br />

6. Unternehmen, die durch Branchenfonds oder Tarifverträge nicht erfasst werden, deren Branchenfonds<br />

oder Tarifverträge die jährlich vorgesehene Quote nicht erreichen, zahlen in einen Ausbildungsfonds<br />

bei der jeweiligen Berufsgenossenschaft. Aus den Fonds werden prioritär betriebliche<br />

Ausbildungsplätze finanziert, Ausbildungsverbünde <strong>und</strong>/oder externes Ausbildungsmanagement, sowie<br />

zusätzliche außerbetriebliche Ausbildungsplätze. Es ist zu prüfen, ob die Landesausschüsse für<br />

Berufsbildung über die Verwendung der Mittel entscheiden sollen oder ob jeweils eigene Strukturen<br />

der die Fonds führenden Einrichtungen geschaffen werden. Regionale Bedarfe sind zu berücksichtigen.<br />

7. Das B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung wird beauftragt, jährlich die erforderlichen Daten zu ermitteln<br />

<strong>und</strong> stellt sie der B<strong>und</strong>esregierung als Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage zur Verfügung. Dazu gehören<br />

die Zahl der benötigten Ausbildungsplätze, die branchenbezogenen bzw. Gesamt-Ausbildungskosten<br />

<strong>und</strong> ein Vorschlag für den Hebesatz.<br />

1 Alle Daten: Berufsbildungsberichte 2002 <strong>und</strong> 2003 <strong>und</strong> darauf basierende eigene Berechnungen<br />

Bezugsgrößen in 1.: Auszubildende <strong>und</strong> sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

ECKPUNKTE DES <strong>DGB</strong><br />

19


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

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3. »Stiftung Betriebliche Bildungschance«<br />

Vorschlag von Bündnis 90 / Die Grünen für eine<br />

»Stiftung Betriebliche Bildungschance« (StiBB)<br />

20. Mai 2003<br />

Lage auf dem Ausbildungsmarkt desolat<br />

Ziel der AGENDA 2010 ist es, durch Zukunftsorientierung <strong>und</strong> Finanzierbarkeit des Sozialstaates<br />

Chancengerechtigkeit zu gewährleisten. Dies gilt auch für <strong>Jugend</strong>liche, die eine betriebliche Ausbildung<br />

anstreben. Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist derzeit desolat. Im Herbst werden voraussichtlich<br />

140.000 Ausbildungsplätze fehlen. Tausende von <strong>Jugend</strong>lichen drohen, direkt nach der<br />

Schule statt auf den Weg zur Selbständigkeit in den Transfer von Sozialleistungen zu geraten. Bündnis<br />

90 / Die Grünen wollen den Kreislauf von fehlenden Chancen, Abhängigkeit vom Sozialstaat <strong>und</strong><br />

erlernter Passivität durchbrechen.<br />

Jede <strong>und</strong> jeder <strong>Jugend</strong>liche in Deutschland braucht ein Angebot für eine betriebliche Ausbildung.<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft können es sich nicht leisten, heute die Bildungsressourcen von morgen<br />

zu vergeuden. Die Erfahrung zeigt, dass die Ausbildungsbemühungen der Unternehmen seit Jahren<br />

hinter den Notwendigkeiten zurückbleiben. Der Staat kann es sich nicht leisten, seine BürgerInnen in<br />

die Passivität zu entlassen. Er wird ihnen aktiv Angebote vermitteln, sich als StaatsbürgerIn für Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft zu engagieren. Dies gilt für ArbeitnehmerInnen wie für ArbeitgeberInnen.<br />

Eine gute Berufsausbildung ist Kern dieses Angebotes.<br />

Wir schaffen Abhilfe<br />

Die Schaffung von Ausbildungschancen für <strong>Jugend</strong>liche gehört zum Kernbereich der AGENDA 2010.<br />

Kurzfristig werden wir mit dem JUMP+-Programm 100.000 <strong>Jugend</strong>liche von der Straße holen. Langfristig<br />

können solche Sonderprogramme aber kein Ersatz für betriebliche Ausbildung sein. Daher haben<br />

wir mit der Reform des Berufsbildungsgesetzes die gr<strong>und</strong>legende Modernisierung der betrieblichen<br />

Ausbildung begonnen. Mittelfristig werden wir so z.B. durch Ausbildungsmodule Betrieben die<br />

Möglichkeit auszubilden geben, die keine Komplettausbildung leisten können. Gleichzeitig werden<br />

die Module es für benachteiligte <strong>Jugend</strong>liche leichter machen, in einzelnen Schritten eine komplette<br />

Ausbildung im individuell notwendigen Zeitraum abzuschließen.<br />

Wir schaffen damit die Rahmenbedingungen, so dass Ausbildungsangebote für alle <strong>Jugend</strong>lichen<br />

entstehen können. Zusätzlich werden wir die Arbeitgeber mit der Einrichtung der StiBB unterstützen.<br />

Eine Lösung im Sinne der Bürgergesellschaft<br />

Bündnis 90 / Die Grünen wollen in der »Stiftung Betriebliche Bildungschance (StiBB)« die gesellschaftlichen<br />

Ressourcen für mehr Ausbildung aktivieren <strong>und</strong> bündeln.<br />

Arbeitgeberpräsident H<strong>und</strong>t hat im Februar eine freiwillige Selbstverpflichtung der Arbeitgeber<br />

anerkannt, die wir ernstnehmen. Außerdem soll die Stiftung den Unternehmen die Möglichkeit geben,<br />

die finanzielle Ungerechtigkeit zwischen ausbildenden <strong>und</strong> Ausgebildete abwerbenden Unternehmen<br />

auszugleichen. Gerade der Mittelstand beklagt dies. Da er bisher überproportional ausbildet,<br />

wollen wir ihn in unserem Modell unterstützen <strong>und</strong> fördern. Gr<strong>und</strong>prinzip der Stiftung ist, dass Betriebe,<br />

die ausbilden, eine direkte Föderung durch die StiBB erhalten.<br />

Diese Förderung wird sowohl ideell als auch finanziell sein. So soll die Stiftung öffentlich für ihre<br />

Ziele werben, Initiativen zur Ausbildungsförderung aus der Wirtschaft <strong>und</strong> der Bevölkerung zu vernetzen<br />

<strong>und</strong> zusätzliche Mittel zur Ausbildungsförderung einzuwerben – durch Öffentlichkeitsarbeit, Solidaritätsveranstaltungen,<br />

Spendenaufrufe <strong>und</strong> direkte Fördermodelle oder – mitgliedschaften. Kern<br />

der Stiftung wird jedoch die materielle Förderung sein. Jeder ausbildende Betrieb bekommt aus den<br />

Mitteln der Stiftung einen Anteil an den Ausbildungskosten erstattet. Dieser steigt mit dem Aufwuchs<br />

des Stiftungskapitals an <strong>und</strong> orientiert sich an den Nettokosten eines betrieblichen Ausbildungsplatzes,<br />

d.h. den Personal- <strong>und</strong> Sachkosten abzüglich der Erträge, die durch die Auszubildenden erwirtschaftet<br />

werden.<br />

STIFTUNG BETRIEBLICHE BILDUNGSCHANCE


In diesem Stiftungsmodell setzen wir die bündnisgrüne Gr<strong>und</strong>idee von Eigenverantwortung <strong>und</strong><br />

Bürgergesellschaft um. Die regionalen Büros der Stiftung sollen eng mit den Unternehmen, den Industrie-<br />

<strong>und</strong> Handelskammern, den Job-Centern, den Arbeitsämtern, den <strong>Jugend</strong>-Ausbildungswerken<br />

<strong>und</strong> den Schulen zusammenarbeiten, um betriebliche Ausbildung wieder attraktiv zu machen. Sollten<br />

die freiwilligen Beiträge zur Stiftung aber nicht ausreichen, so wird sie durch eine verbindliche Umlage<br />

ersetzt werden.<br />

Das Modell der »Stiftung für Betriebliche Bildung«<br />

Die Stiftung baut auf verbindliche Zusagen über den Kapitalaufbau. Der Gesetzgeber wird eine Mindestanforderung<br />

definieren, durch die alle Unternehmen an den Kosten der betrieblichen Ausbildung<br />

beteiligt werden. Der verbindliche Beitrag pro Betrieb wird auf Gr<strong>und</strong>lage der Bruttolohn- <strong>und</strong> -gehaltssumme<br />

berechnet. Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern werden davon ausgenommen. Damit<br />

entlasten wir die kleinen Unternehmen aus Mittelstand <strong>und</strong> Handwerk, die schon jetzt überproportionale<br />

Lasten in der betrieblichen Ausbildung tragen. Jeder betriebliche Ausbildungsplatz wird<br />

von der Stiftung durch eine Pauschalsumme gefördert, die sich an den Nettokosten der Ausbildung<br />

orientiert. Ausbildende Betriebe können ihre Ausbildungsleistung mit den Beiträgen verrechnen. Betriebe,<br />

die über ihren Beitrag hinaus ausbilden, erhalten die Kosten der Ausbildungsplätze ersetzt <strong>und</strong><br />

werden durch die Stiftung gefördert. Tarifliche Vereinbarungen zur Ausbildungsförderung werden angerechnet.<br />

Der Gesamt-Beitrag der Wirtschaft zur Ausbildungsförderung, seine Ausgestaltung sowie<br />

der Aufbau der Stiftung sollen Gegenstand von Spitzengesprächen zwischen Politik, Arbeitgebern<br />

<strong>und</strong> Gewerkschaften werden, die bis zum Herbst abgeschlossen sein sollen.<br />

Gleichzeitig sollen weitere Mittel aus der Mitte der Gesellschaft in das Stiftungskapital fließen.<br />

Wer heute gut verdient, hat dies einer guten Ausbildung zu verdanken <strong>und</strong> kann einen Beitrag für<br />

mehr Ausbildung leisten. Ältere <strong>und</strong> gut abgesicherte ArbeitnehmerInnen können sich solidarisch mit<br />

Jüngeren zeigen. Betriebliche Bündnisse für mehr Ausbildung müssen ebenso möglich werden, wie<br />

Einzahlungen von ArbeitnehmerInnen zur Förderung des Stiftungskapitals. Jede gesellschaftliche Organisation<br />

kann ihren Beitrag leisten, der materiell, organisatorisch oder ideell sein kann. Die Motivation<br />

dazu wird um so größer sein, je kreativer <strong>und</strong> nachvollziehbarer die Stiftung ihre Aufgaben erfüllt.<br />

Gegenüber der Stiftung ist es daher Aufgabe des Gesetzgebers, klare Zielvorgaben zu machen.<br />

Diese müssen in Gänze dem Gr<strong>und</strong>satz des Gender Mainstreaming Rechnung tragen . Die Zielerreichung<br />

muß regelmäßig betriebswirtschaftlich evaluiert werden. Fragen der Gr<strong>und</strong>ordnung der Stiftung<br />

werden durch deren Beirat bestimmt, in dem die wichtigen gesellschaftlichen Akteure mitwirken.<br />

Die Stiftung an sich arbeitet autonom, kreativ <strong>und</strong> verordnungsfrei, um ihre Potentiale entwickeln<br />

zu können.<br />

Berufliche Bildung schafft Zukunft<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Die »Stiftung Betriebliche Bildungschance (StiBB)« kann mittel- bis langfristig zur zentralen Institution<br />

für die Finanzierung beruflicher Bildung werden, die alle Generationen, Gruppen, Ethnien <strong>und</strong> beide<br />

Geschlechter entsprechend fordert <strong>und</strong> fördert. Vorstellbar sind gesetzliche oder tarifvertragliche Umlagen<br />

zur Finanzierung lebenslangen Lernens <strong>und</strong> der beruflichen Weiter- <strong>und</strong> Fortbildung, aber auch<br />

individuelle Beiträge von Unternehmen <strong>und</strong> ArbeitnehmerInnen für individuelle Qualifizierungsstrategien.<br />

Bündnis 90 / Die Grünen sehen Bildung <strong>und</strong> Ausbildung insgesamt als das Zukunftsthema an. Wir<br />

müssen es zum Thema einer breiten gesellschaftlichen Diskussion machen <strong>und</strong> alle Kräfte bündeln,<br />

um Zukunftsinvestitionen in diesem Bereich trotz der derzeitigen Haushaltslage möglich zu machen.<br />

Dies betrifft alle Formen der Ausbildung gleichermaßen. Wir begreifen die »Stiftung Betriebliche Bildungschance<br />

(StiBB)« deshalb als einen ersten Schritt zur Neuformierung des Bildungssystems <strong>und</strong><br />

der Bildungsfinanzierung in Deutschland.<br />

Dr. Thea Dückert, Grietje Bettin<br />

STIFTUNG BETRIEBLICHE BILDUNGSCHANCE<br />

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<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

4. Berufsausbildungsfinanzierungsgesetz<br />

Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung <strong>und</strong><br />

Förderung der betrieblichen Berufsausbildung<br />

(Berufsausbildungsfinanzierungsgesetz – BAFinG) der SPD-Fraktion<br />

vom 2. Oktober 1997<br />

§ 1<br />

Ziel<br />

(1) Ziel des Gesetzes ist die Förderung des dualen Systems der Berufsausbildung<br />

1. durch Sicherung der Berufswahl von Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerbern um Ausbildungsplätze<br />

<strong>und</strong> des Anspruchs aller <strong>Jugend</strong>lichen auf eine qualifizierte Berufsausbildung,<br />

2. durch Erfüllung der Ausbildungspflicht aller Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungen,<br />

3. durch Sicherstellung eines quantitativ <strong>und</strong> qualitativ auswahlfähigen Ausbildungsplatzangebots<br />

in Wirtschaft <strong>und</strong> Verwaltung,<br />

4. durch solidarische Finanzierung der Berufsausbildung.<br />

(2) Zu diesem Zweck werden aus Mitteln der Ausbildungsplatzumlage (§ 8) Ausbildungsplätze im<br />

erforderlichen Umfang (§ 4) zugekauft <strong>und</strong> Investitionen zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze<br />

gefördert (§ 5) sowie überdurchschnittlich ausbildende Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungen durch einen<br />

Leistungsausgleich unterstützt (§ 11). Zukauf, Förderung <strong>und</strong> Leistungsausgleich werden von der<br />

B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit durchgeführt.<br />

§ 2<br />

Begriffsbestimmungen<br />

Im Sinne dieses Gesetzes sind<br />

1. Stichtag der 30. September eines laufenden Kalenderjahres,<br />

2. Arbeitgeber private <strong>und</strong> öffentliche Arbeitgeber,<br />

3. Beschäftigte die Arbeiter <strong>und</strong> Angestellten mit Ausnahme der Beamten in öffentlichen Verwaltungen,<br />

4. Ausbildungsplätze Berufsausbildungsverhältnisse in anerkannten Ausbildungsberufen nach<br />

dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) <strong>und</strong> der Handwerksordnung,<br />

5. betriebliche Berufsausbildungsverhältnisse Ausbildungsplätze in Betrieben <strong>und</strong> betrieblichen<br />

Ausbildungsverbünden,<br />

6. erforderliche Ausbildungsleistung der Quotient aus der Zahl der Auszubildenden zuzüglich der Zahl<br />

der unversorgten Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerber um Ausbildungsplätze <strong>und</strong> der Beschäftigten,<br />

7. tatsächliche Ausbildungsleistung der Quotient aus der Zahl der Auszubildenden <strong>und</strong> der Beschäftigten,<br />

8. Bemessungsgr<strong>und</strong>lage für die Ausbildungsplatzumlage (§ 8) die Summe aus Bruttoentgeltsumme<br />

(Bruttolohn- <strong>und</strong> -gehaltssumme) <strong>und</strong> Gewinn oder Verlust vor Steuern (Einkommen aus<br />

Unternehmertätigkeit).<br />

§ 3<br />

Anwendungsbereich<br />

Dieses Gesetz gilt für private <strong>und</strong> öffentliche Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungen. Sie sollen zur Sicherstellung<br />

eines b<strong>und</strong>esweit auswahlfähigen Ausbildungsplatzangebots (§ 4) mindestens die erforderliche Ausbildungsleistung<br />

(§ 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Nr. 1) erbringen.<br />

§ 4<br />

Auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot<br />

(1) Liegt b<strong>und</strong>esweit <strong>und</strong> regional kein auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot vor, wird die<br />

vorhandene Ausbildungsplatzlücke durch Zukauf oder Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze geschlossen.<br />

(2) Ein b<strong>und</strong>esweit <strong>und</strong> regional auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot liegt vor, wenn es am<br />

Stichtag b<strong>und</strong>esweit <strong>und</strong> in der überwiegenden Mehrzahl der Landesarbeitsamtsbezirke über 112,5<br />

22 BERUFSAUSBILDUNGSFINANZIERUNGSGESETZ


vom H<strong>und</strong>ert der Ausbildungsplatznachfrage liegt. Das Ausbildungsplatzangebot ist nicht mehr auswahlfähig,<br />

wenn es b<strong>und</strong>esweit oder in mehr als zwei Landesarbeitsamtsbezirken bis zum Stichtag<br />

unter 112,5 vom H<strong>und</strong>ert der Ausbildungsplatznachfrage liegt.<br />

(3) Ausbildungsplatzangebot ist die Summe aus den am Stichtag in das Verzeichnis der zuständigen<br />

Stellen (§§ 31 ff. Berufsbildungsgesetz, §§ 28 ff. Handwerksordnung) eingetragenen, in den vergangenen<br />

zwölf Monaten neu begründeten betrieblichen Berufsausbildungsverhältnissen <strong>und</strong> den bis<br />

zum Stichtag den Arbeitsämtern gemeldeten, aber nicht besetzten betrieblichen Ausbildungsplätzen.<br />

(4) Ausbildungsplatznachfrage ist die Summe aus den am Stichtag in das Verzeichnis der zuständigen<br />

Stellen (§§ 31 ff. Berufsbildungsgesetz, §§ 28 ff. Handwerksordnung) eingetragenen, in den vergangenen<br />

zwölf Monaten neu begründeten betrieblichen Berufsausbildungsverhältnissen <strong>und</strong> den bis<br />

zum Stichtag den Arbeitsämtern gemeldeten, aber nicht vermittelten Ausbildungsplatzbewerbern.<br />

(5) Die B<strong>und</strong>esregierung trifft in dem dem Deutschen B<strong>und</strong>estag <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esrat zuzuleitenden<br />

Berufsbildungsbericht aufgr<strong>und</strong> von Daten der B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit <strong>und</strong> der zuständigen<br />

Stellen für den Stichtag die notwendigen Feststellungen<br />

1. über die erforderliche Ausbildungsleistung (§ 2 Nr. 6), soweit nötig differenziert nach Wirtschaftszweigen<br />

<strong>und</strong> Betriebsgrößenklassen,<br />

2. ob ein b<strong>und</strong>esweit <strong>und</strong> regional auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot vorliegt,<br />

3. in welchem Umfang eine Vorfinanzierung des Zukaufs <strong>und</strong> der Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze<br />

nach § 6 erforderlich wird,<br />

4. wie gegebenenfalls eine nur regionale Ausbildungsplatzlücke geschlossen wird.<br />

§ 5<br />

Zukauf <strong>und</strong> Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

(1) Hat die B<strong>und</strong>esregierung gemäß § 4 Abs. 5 festgestellt, daß zum Stichtag voraussichtlich b<strong>und</strong>esweit<br />

<strong>und</strong> regional kein auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot vorliegen wird, so sind zusätzliche Ausbildungsplätze<br />

zuzukaufen oder durch Investitionen zu fördern, die nach Feststellung der Verwaltungsausschüsse<br />

der Arbeitsämter vor Ort geeignet sind, eine qualifizierte Berufsausbildung zu gewährleisten.<br />

(2) Zukauf oder Förderung sind vorrangig zur Schaffung betrieblicher Ausbildungsplätze einzusetzen.<br />

Reicht die Schaffung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze nicht aus, um ein auswahlfähiges<br />

Ausbildungsplatzangebot zu sichern, können<br />

1. zusätzliche außerbetriebliche Ausbildungsplätze mit einer Abschlußprüfung gemäß den §§ 34<br />

bis 43 Berufsbildungsgesetz, den §§ 31 bis 40 Handwerksordnung zugekauft oder<br />

2. Investitionen zur Schaffung zusätzlicher betrieblicher oder außerbetrieblicher Ausbildungsplätze<br />

gefördert werden.<br />

(3) Die Arbeitsämter vor Ort schreiben Ausbildungsplätze, die nach den Absätzen 1 <strong>und</strong> 2 zugekauft<br />

oder gefördert werden sollen, öffentlich aus.<br />

(4) Zukauf <strong>und</strong> Förderung setzen voraus, daß vor Beginn der Berufsausbildung unter Mitwirkung<br />

der zuständigen Stellen geprüft wurde, ob sie<br />

1. den Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes entspricht, insbesondere den Auszubildenden<br />

die Fertigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse vermittelt, die zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich<br />

sind, <strong>und</strong> in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich <strong>und</strong> sachlich gegliedert<br />

so durchgeführt wird, daß das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht<br />

werden kann,<br />

2. nach den Gr<strong>und</strong>sätzen der Wirtschaftlichkeit <strong>und</strong> Sparsamkeit geplant ist <strong>und</strong> durchgeführt<br />

wird, insbesondere die Kosten angemessen sind sowie<br />

3. unter Berücksichtigung von Lage <strong>und</strong> Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist.<br />

(5) Zusätzlich sind solche Ausbildungsplätze, die über die Zahl der im Durchschnitt der letzten drei<br />

Jahre begründeten betrieblichen Berufsausbildungsverhältnisse hinaus neu geschaffen werden. Vorrangig<br />

sind Ausbildungsplätze bei Betrieben <strong>und</strong> Verwaltungen zuzukaufen oder zu fördern, die ihrer<br />

Ausbildungsverpflichtung nachgekommen sind, indem sie in den letzten drei Jahren die erforderliche<br />

Ausbildungsleistung (§ 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Nr. 1) erbracht oder übertroffen haben.<br />

(6) Bei Zukauf <strong>und</strong> Förderung ist ein besonderer Finanzmittelbedarf für eine qualifizierte Berufsausbildung<br />

insbesondere junger Frauen, benachteiligter <strong>Jugend</strong>licher, behinderter <strong>Jugend</strong>licher <strong>und</strong><br />

ausländischer <strong>Jugend</strong>licher zu berücksichtigen.<br />

(7) Näheres entscheiden die Arbeitsämter auf der Gr<strong>und</strong>lage von Beschlüssen der Verwaltungsausschüsse<br />

<strong>und</strong> der Feststellungen der B<strong>und</strong>esregierung (§ 4 Abs. 5).<br />

BERUFSAUSBILDUNGSFINANZIERUNGSGESETZ<br />

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<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

24<br />

§ 6<br />

Vorfinanzierung durch B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder<br />

(1) Die Mittel für Zukauf <strong>und</strong> Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze werden je zur Hälfte von<br />

B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern soweit nötig vorfinanziert. Die Anteile der Länder an der Vorfinanzierung werden<br />

entsprechend der vorhandenen Einwohnerzahl zum Stichtag in den jeweiligen Ländern aufgebracht.<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Deutschen B<strong>und</strong>estages<br />

<strong>und</strong> des B<strong>und</strong>esrats Einzelheiten der Vorfinanzierung, insbesondere hinsichtlich ihres Umfangs,<br />

zu regeln.<br />

(2) Die Verteilung der Mittel erfolgt nach Maßgabe der jeweils vorhandenen Ausbildungsplatzlücke<br />

auf die Landesarbeitsämter <strong>und</strong> von diesen auf die Arbeitsämter.<br />

(3) Aus den von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern vorfinanzierten Mitteln sowie aus den Einnahmen der Ausbildungsplatzumlage<br />

(§ 8) wird von der B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit ein zweckgeb<strong>und</strong>enes, nicht rechtsfähiges<br />

Sondervermögen (Berufsausbildungsförderungsfonds) gebildet.<br />

§ 7<br />

Erstattung der Vorfinanzierung<br />

Die B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit erstattet B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ländern die nach § 6 vorfinanzierten Aufwendungen<br />

für Zukauf <strong>und</strong> Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze entsprechend ihren Anteilen an der Vorfinanzierung<br />

aus dem Aufkommen der Ausbildungsplatzumlage. Reicht das Aufkommen nicht aus,<br />

werden die vorhandenen Einnahmen aus der Ausbildungsplatzumlage anteilig an B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder<br />

erstattet. Für das laufende Kalenderjahr nicht erstattete Aufwendungen werden den Aufwendungen<br />

für das folgende Kalenderjahr zugeschlagen. Überschüsse aus dem laufenden Kalenderjahr werden<br />

im folgenden Kalenderjahr mit der Vorfinanzierung durch B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder verrechnet.<br />

§ 8<br />

Ausbildungsplatzumlage<br />

(1) Von allen Arbeitgebern, bei denen die tatsächliche Ausbildungsleistung (§ 2 Nr. 7) hinter der<br />

erforderlichen Ausbildungsleistung (§ 2 Nr. 6) zurückbleibt, wird eine Ausbildungsplatzumlage erhoben.<br />

Bei Ermittlung der tatsächlichen Ausbildungsleistung kann ein bis zum Stichtag angebotener<br />

<strong>und</strong> dem örtlichen Arbeitsamt gemeldeter Ausbildungsplatz auf Antrag eines Arbeitgebers wie ein<br />

begründetes betriebliches Berufsausbildungsverhältnis behandelt werden; § 5 Abs. 4 ist entsprechend<br />

anzuwenden.<br />

(2) Die Ausbildungsplatzumlage beträgt unter Vorabzug eigener Berufsbildungsaufwendungen<br />

(§ 10) des Arbeitgebers 1,5 vom H<strong>und</strong>ert der Bemessungsgr<strong>und</strong>lage (§ 2 Nr. 8). Auf Empfehlung des<br />

Verwaltungsrats der B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit kann durch Rechtsverordnung der B<strong>und</strong>esregierung mit<br />

Zustimmung des Deutschen B<strong>und</strong>estages <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>esrats bestimmt werden, daß<br />

1. die Ausbildungsplatzumlage nach einem niedrigeren Umlagesatz erhoben wird,<br />

2. die Ausbildungsplatzumlage soweit nötig nach Wirtschaftszweigen <strong>und</strong> Betriebsgrößenklassen<br />

differenziert wird (§ 4 Abs. 5 Nr. 1),<br />

3. für öffentliche Verwaltungen ein besonderer Umlagebetrag je fehlenden Ausbildungsplatz, der<br />

den durchschnittlichen Nettokosten je Ausbildungsplatz entspricht, festgelegt wird.<br />

(3) Der zur Schließung der Ausbildungsplatzlücke für Zukauf <strong>und</strong> Förderung (§ 5 in Verbindung<br />

mit § 4 Abs. 5 Nr. 1) erforderliche Umlagesatz darf nicht unterschritten werden.<br />

(4) Die Ausbildungsplatzumlage dient<br />

1. dem Zukauf <strong>und</strong> der Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze nach § 5 sowie<br />

2. dem Leistungsausgleich nach § 11 für über den erforderlichen Umfang hinaus ausbildende<br />

Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungen.<br />

§ 9<br />

Befreiung von der Ausbildungsplatzumlage<br />

(1) Arbeitgeber, die mindestens die erforderliche Ausbildungsleistung erbringen (§ 8 Abs. 1), sind<br />

von der Ausbildungsplatzumlage befreit. § 11 bleibt hiervon unberührt.<br />

(2) Auf Antrag sind von der Ausbildungsplatzumlage zu befreien<br />

1. Arbeitgeber, deren Bemessungsgr<strong>und</strong>lage (§ 2 Nr. 8) den Betrag von 500.000 Deutsche Mark<br />

unterschreitet oder die nicht mehr als fünf Beschäftigte haben;<br />

BERUFSAUSBILDUNGSFINANZIERUNGSGESETZ


2. Arbeitgeber im Kalenderjahr ihrer Existenzgründung sowie im folgenden Kalenderjahr.<br />

(3) In besonderen Härtefällen, in denen die Heranziehung zur Ausbildungsplatzumlage unzumutbar<br />

ist, kann die B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit auf Antrag eines Arbeitgebers seinen Beitrag ermäßigen, st<strong>und</strong>en<br />

oder ganz erlassen. Ein besonderer Härtefall liegt insbesondere vor, wenn Ermäßigung, St<strong>und</strong>ung oder<br />

Erlaß der Ausbildungsplatzumlage zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt.<br />

§ 10<br />

Vorabzug von Berufsbildungsaufwendungen der Arbeitgeber<br />

(1) Von der Ausbildungsplatzumlage kann der Arbeitgeber Aufwendungen für alle besetzten Ausbildungsplätze<br />

bis zur Höhe seiner Zahlungsverpflichtung absetzen.<br />

(2) Absetzbar sind gemäß Rechtsverordnung der B<strong>und</strong>esregierung nach § 11 Abs. 2<br />

1. Aufwendungen für die eigene betriebliche Berufsausbildung unter Abzug der dieser zuzurechnenden<br />

Erträge,<br />

2. Aufwendungen zur Förderung von Ausbildungsplätzen, die tarifvertraglich vereinbart, gesetzlich<br />

oder durch Beschluß eines Arbeitgeberverbandes oder mehrerer Arbeitgeber oder der zuständigen<br />

Kammer geregelt sind, unter Abzug hieraus empfangener Leistungen.<br />

§ 11<br />

Förderung durch Leistungsausgleich<br />

(1) Arbeitgeber, die mehr Ausbildungsplätze besetzen, als es der erforderlichen Ausbildungsleistung<br />

entspricht, erhalten für jeden nach § 5 Abs. 5 zusätzlich besetzten, nicht nach § 4 Abs. 1 <strong>und</strong> § 5 zugekauften<br />

oder geförderten Ausbildungsplatz auf Antrag eine Gutschrift (Leistungsausgleich). Der Leistungsausgleich<br />

erfolgt nach Abzug sämtlicher Kosten für Zukauf <strong>und</strong> Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze<br />

aus dem Berufsausbildungsförderungsfonds (§ 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 7).<br />

(2) Die B<strong>und</strong>esregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates<br />

1. Art <strong>und</strong> Umfang der Förderung durch Leistungsausgleich nach Absatz 1,<br />

2. die Befreiung von der Ausbildungsplatzumlage nach § 9,<br />

3. Art <strong>und</strong> Umfang des Vorabzugs von Berufsbildungsaufwendungen nach § 10,<br />

4. welche Ausbildung, die nicht nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung durchgeführt<br />

wird, dieser auf Antrag als gleichwertig gleichgestellt werden kann.<br />

§ 12<br />

Auskunftspflicht<br />

(1) Der Arbeitgeber hat binnen drei Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Ausbildungsplatzumlage<br />

erhoben worden ist, der B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit die Gesamtzahl der bei ihm Beschäftigten<br />

(Arbeitnehmer <strong>und</strong> Auszubildenden) mitzuteilen <strong>und</strong> Nachweise über die Bemessungsgr<strong>und</strong>lage (§ 2 Nr. 8<br />

in Verbindung mit § 8 Abs. 2) sowie gegebenenfalls über die Voraussetzungen eines Leistungsausgleichs<br />

nach § 11 <strong>und</strong> des Vorabzugs von Berufsbildungsaufwendungen nach § 10 vorzulegen. Näheres über die<br />

Art der Nachweise regelt die B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit. Sie ist berechtigt, die Angaben des Arbeitgebers zu<br />

überprüfen. 4Zu diesem Zweck kann sie Einsicht in die Unterlagen des Arbeitgebers nehmen.<br />

(2) Kommt der Arbeitgeber seiner Auskunftspflicht nach Absatz 1 nicht, nicht rechtzeitig oder unvollständig<br />

nach, kann die B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit die Ausbildungsplatzumlage auf Gr<strong>und</strong> einer Schätzung<br />

festsetzen. Das Gleiche gilt, falls begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Arbeitgebers<br />

bestehen. Der Arbeitgeber ist vorher zu hören.<br />

§ 13<br />

Festsetzung <strong>und</strong> Einzugder Ausbildungsplatzumlage<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

(1) Die B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit setzt die Ausbildungsplatzumlage des Arbeitgebers fest. Der Einzug<br />

der Ausbildungsplatzumlage erfolgt durch die für die Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungen zuständigen Träger der<br />

gesetzlichen Unfallversicherung, die für die Einziehung der Umlage des Konkursausfallgeldes zuständig<br />

sind.<br />

(2) Die Ausbildungsplatzumlage wird vom 1. Oktober bis zum 30. September des folgenden Kalenderjahres<br />

in monatlich gleichbleibenden Beträgen entrichtet.<br />

(3) Wird die festgesetzte Ausbildungsplatzumlage nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit<br />

entrichtet, fällt für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Zuschlag von 1 vom H<strong>und</strong>ert der rück-<br />

BERUFSAUSBILDUNGSFINANZIERUNGSGESETZ<br />

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<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

26<br />

ständigen Beträge an. Die B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit kann nach billigem Ermessen Säumniszuschläge<br />

ermäßigen oder ganz erlassen.<br />

§ 14<br />

Subsidiaritätsgr<strong>und</strong>satz<br />

Tarifvertragliche Regelungen, Umlagen von Arbeitgeberverbänden oder mehrerer Arbeitgeber sowie<br />

der zuständigen Kammern zur Schaffung von Ausbildungsplätzen <strong>und</strong> zur Förderung der Berufsausbildung<br />

bleiben unberührt.<br />

§ 15<br />

Änderung von Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes<br />

<strong>und</strong> des Berufsbildungsförderungsgesetzes<br />

(1) § 3 Abs. 2 Nr. 3 des Arbeitsförderungsgesetzes in der im B<strong>und</strong>esgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer<br />

810-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Gesetz vom 29. April<br />

1997 (BGBl. I S. 968) geändert worden ist, wird wie folgt gefaßt: »3. Die Förderung <strong>und</strong> Sicherung<br />

der beruflichen Bildung, soweit sie ihr in diesem Gesetz oder im Gesetz zur Sicherung <strong>und</strong> Finanzierung<br />

der betrieblichen Berufsausbildung übertragen ist,«.<br />

(2) § 3 Abs. 1 Satz 1 bis 3 des Gesetzes zur Förderung der Berufsbildung (Berufsbildungsförderungsgesetz<br />

– BerBiFG) vom 23. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1692) in der Fassung der Bekanntmachung<br />

vom 12. Januar 1994 (BGBl. I S. 78), das zuletzt durch Gesetz vom 26. April 1994 (BGBl. I S.<br />

918) geändert worden ist, wird wie folgt gefaßt: »Das zuständige B<strong>und</strong>esministerium hat Entwicklungen<br />

in der beruflichen Bildung ständig zu beobachten <strong>und</strong> darüber bis zum 1. April jeden Jahres der<br />

B<strong>und</strong>esregierung einen Bericht (Berufsbildungsbericht) vorzulegen, der B<strong>und</strong>estag <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esrat zuzuleiten<br />

ist. In dem Bericht sind Stand <strong>und</strong> voraussichtliche Weiterentwicklungen der Berufsbildung<br />

sowie die Durchführung des Gesetzes zur Sicherung <strong>und</strong> Finanzierung der betrieblichen Berufsausbildung<br />

darzustellen. Zur Sicherung eines regional <strong>und</strong> sektoral ausgewogenen Angebots an Ausbildungsplätzen<br />

sollen in den Bericht insbesondere Feststellungen über den Zukauf <strong>und</strong> die Förderung<br />

sowie den Leistungsausgleich nach dem Gesetz zur Sicherung <strong>und</strong> Finanzierung der betrieblichen Berufsausbildung<br />

aufgenommen werden.«<br />

§ 16<br />

Inkrafttreten<br />

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.<br />

Bonn, den 2. Oktober 1997<br />

BERUFSAUSBILDUNGSFINANZIERUNGSGESETZ


5. Rechtsgutachten Mückenberger<br />

»Die Ausbildungspflicht der Unternehmen«<br />

Aus: Prof. Ulrich Mückenberger, »Die Ausbildungspflicht der Unternehmen<br />

nach dem Gr<strong>und</strong>gsetz: Rechtsgutachten«, Zusammenfassung in<br />

Thesen, S. 123–132, von 1986<br />

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

1. Der Mangel an Ausbildungsplätzen ist nach wie vor ein Problem, das gesellschaftliche Aufmerksamkeit<br />

<strong>und</strong> Aktivität verlangt <strong>und</strong> das – unabhängig von dem zu erwartenden Rückgang der Schulabgängerzahlen<br />

auch in absehbarer Zukunft bestehen bleiben wird. Weder quantitativ noch qualitativ<br />

reicht das Ausbildungsstellenangebot aus, um die sich verändernde Nachfrage zu befriedigen. Unabdingbar<br />

ist daher, über Maßnahmen nachzudenken, die mehr als die bisher praktizierten in der Lage<br />

sind, eine ausreichende Zahl seriös qualifizierender Ausbildungsplätze verfügbar zu machen.<br />

2. Von einem befriedigenden Ausbildungsplatzangebot lässt sich nicht schon sprechen, wenn –<br />

was heute nicht einmal erreicht ist – ebenso viele Ausbildungsplätze angeboten werden, wie Bewerber/innen<br />

um Ausbildungsplätze nachsuchen. Ausbildungs- <strong>und</strong> Berufwahlfreiheit setzt eine reale<br />

Wahlmöglichkeit voraus. Das Ausbildungsplatzangebot muss – seiner Struktur nach – den vorfindlichen<br />

Ausbildungswünschen <strong>und</strong> modernen qualifikatorischen Ansprüchen genügen. Es muss darüber<br />

hinaus seiner Zahl nach – die Nachfrage in einer Weise übersteigen, dass echte Wahlmöglichkeiten<br />

entstehen. Solange dies nicht der Fall ist, muss von einem Ausbildungsstellenmangel gesprochen<br />

werden. Dieser ruft lebensgeschichtlich kaum umkehrbare Schäden in der Identität der betroffenen<br />

<strong>Jugend</strong>lichen hervor <strong>und</strong> stellt die Gesellschaft vor kaum eingrenzbare Probleme. Er gibt damit eine<br />

sozialpolitische Herausforderung ersten Ranges ab.<br />

3. Im September 1984 wie auch 1985 waren fast 60.000 <strong>Jugend</strong>liche ohne Ausbildungsplatz,<br />

weitere fast 40.000 in nicht ihrem Ausbildungswunsch entsprechenden Maßnahmen – 213 der vom<br />

Ausbildungsplatzmangel Betroffenen waren Mädchen. Bezieht man den für eine Ausbildung in Betracht<br />

kommenden Schulabgängerjahrgang, zusammen mit den abgewiesenen Bewerbern früherer<br />

Jahre, auf die Gesamtzahl der im jeweiligen Bezugsjahr aufgenommenen Ausbildungsmaßnahmen –<br />

so die gewerkschaftliche Berufsbildungsbilanz – so kommt man auf ein Defizit von (1984) unter<br />

(1985) über 300.000 Plätzen.<br />

4. Das Problem zeigt sich mit noch größerer Schärfe, wenn man neben der quantitativen die qualitative<br />

Seite der Ausbildungsstellensituation berücksichtigt. Der Ausbildungsstellenmangel ist höchst<br />

ungleich verteilt: er trifft Mädchen gravierend schärfer als Jungen <strong>und</strong> wirkt sich von Region zu Region<br />

sehr unterschiedlich aus. Vielfach münden berufliche Bildungsprozesse ein in bzw. gehen einher<br />

mit der oft endgültigen Entwertung erworbener Qualifikationen: Wenn Ausbildungsgänge ohne Perspektive<br />

qualifizierter Beschäftigung durchgeführt werden oder bei hoher allgemeiner Ausgangsqualifikation<br />

eine Ausbildung im dualen System nachgefragt wird. In diesen Fällen ist das Ausbildungsplatzangebot<br />

meist schon der Zahl, erst recht jedoch der Struktur nach unzureichend.<br />

5. Den bestehenden quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Ausbildungsstellenmangel zu beseitigen, ist<br />

nicht nur ein sozialpolitisches, sondern auch ein rechtliches Gebot. Aus unterschiedlichen in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

geltenden Rechtsquellen ergibt sich, dass sämtliche <strong>Jugend</strong>liche ein Recht auf berufliche<br />

Ausbildung haben. Einige Länderverfassungen proklamieren ein Recht auf Berufsausbildung. Das<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz statuiert ein solches Recht nicht ausdrücklich, impliziert es aber in den Gr<strong>und</strong>rechten der<br />

Persönlichkeitsentfaltung <strong>und</strong> der Berufsfreiheit <strong>und</strong> in dem Sozialstaatsprinzip. Zahlreiche europäische<br />

<strong>und</strong> internationale Rechtssätze erkennen mit dem Recht auf Bildung auch dasjenige auf Berufsausbildung<br />

an. Nationale <strong>und</strong> internationale Normen verbieten auch die Benachteiligung spezifischer<br />

Personengruppen – vor allem von Frauen – auf dem Gebiet der Berufsausbildung.<br />

6. Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz vom 7. September 1976 (BG BI. I S. 2658) unternahm –<br />

wenn auch nicht ohne historische <strong>und</strong> internationale Vorläufer – den ersten Versuch, durch fakultative<br />

Erhebung einer Berufsausbildungsabgabe dem Ausbildungsplatzmangel abzuhelfen. Sofern das<br />

Ausbildungsplatzangebot die Nachfrage nicht um 12,5 % überschritt, sollte die B<strong>und</strong>esregierung eine<br />

bis zu 0,25 % der jeweiligen Lohnsumme betragende Abgabe erheben dürfen, deren Ertrag Berufsausbildungszwecken<br />

zugutekommen sollte. Anerkannt war mit diesem Gesetz die Sozialpflichtigkeit<br />

RECHTSGUTACHTEN MÜCKENBERGER<br />

27


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

28<br />

der Unternehmen auf dem Gebiet der Berufsausbildung; anerkannt war damit die prinzipielle Notwendigkeit<br />

eines Angebotsüberschusses auf dem Ausbildungsstellenmarkt; <strong>und</strong> anerkannt war das<br />

indirekte Regulierungsinstrument einer Berufsausbildungsabgabe einerseits zur Stimulierung von Ausbildungsaktivitäten,<br />

andererseits zur finanziellen Ausstattung kompensatorischer Ausbildungsmaßnahmen.<br />

7. Ungeachtet der an dem Gesetz zu übenden Kritik, ungeachtet der Tatsachen, dass es nie praktisch<br />

angewendet <strong>und</strong> dass es später vom B<strong>und</strong>esverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde, enthielt<br />

das Ausbildungsplatzförderungsgesetz gewisse Ansätze zur Lösung der Ausbildungsstellenprobleme,<br />

die zwar erheblich erweitert <strong>und</strong> verbessert werden müssten, die aber allenthalben einem<br />

bloßen Vertrauen auf <strong>und</strong> Appellieren an die Marktkräfte im Ausbildungswesen überlegen sind.<br />

8. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 1980 (BVerfGE<br />

55, 274) die Berufsausbildungsabgabe als verfassungsrechtlich zulässige Sonderabgabe qualifiziert.<br />

Dass das Gericht das Ausbildungsplatzförderungsgesetz insgesamt für nichtig erklärte, wäre grob<br />

missdeutet, wollte man dem Urteil eine verfassungsgerichtliche Absage an den Versuch des Gesetzgebers<br />

von 1976 entnehmen, den Ausbildungsplatzmangel mit einem Regulierungsinstrument der<br />

genannten Art zu beheben. Diesen Versuch hat das Gericht vielmehr uneingeschränkt gebilligt. Es hat<br />

mit der Sozialpflichtigkeit der Unternehmen auf dem Gebiet der Berufsausbildung die Erforderlichkeit<br />

eines Überangebots von Ausbildungsplätzen <strong>und</strong> die Zulässigkeit einer seiner Stimulierung dienenden<br />

Abgabe anerkannt. Und es hat dem B<strong>und</strong>esgesetzgeber die alleinige (nicht der Zustimmungspflicht<br />

durch den B<strong>und</strong>esrat unterliegende) Kompetenz zur Erhebung einer solchen Sonderabgabe zuerkannt.<br />

Das Gesetz scheiterte einzig an der Tatsache, dass es Rahmenvorgaben zu seiner Ausführung<br />

enthielt <strong>und</strong> dadurch – nach Auffassung des Gerichts mit dem Gr<strong>und</strong>satz der Länderexekutive kollidierte.<br />

In vollständigem Einklang mit dem B<strong>und</strong>esverfassungsgericht könnte der Gesetzgeber heute<br />

das Gesetz von 1976 mit Zustimmung des B<strong>und</strong>esrats erneut verabschieden; er könnte dies sogar<br />

ohne diese Zustimmung tun, verzichtete er nur auf die gesetzlichen Rahmenvorgaben zu seiner Ausführung.<br />

9. Das Urteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz erkennt die<br />

Sozialpflichtigkeit der Unternehmen auf dem Gebiet der Berufsausbildung an. Freilich spielt diese Sozialpflichtigkeit<br />

in der Argumentationslogik des Urteils eine derart spezifische, wenn man so will: »artifizielle<br />

Rolle«, dass daraus allein Rückschlüsse auf eine aktuell bestehende Ausbildungsverpflichtung<br />

von Unternehmen nicht gezogen werden können. Das Gericht trifft in erster Linie eine kompetenzrechtliche<br />

Aussage zu in der Finanzverfassung des Gr<strong>und</strong>gesetzes nicht vorgesehenen Abgaben. Die<br />

Sozialpflichtigkeit von Unternehmen auf dem Gebiet der Berufsausbildung (umschrieben meist mit<br />

dem Begriff Gruppen-Verantwortung) wirft es daher nicht als gr<strong>und</strong>rechtsdogmatisch gewonnene<br />

Kollisionsregel zur Entscheidung des Konflikts zwischen ausbildungs-(un-)willigen Unternehmen <strong>und</strong><br />

ausbildungswilligen <strong>Jugend</strong>lichen (ggf. auch ausbildungsinteressierter Allgemeinheit) auf, sondern allein<br />

als Indiz für einen als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Sonderabgabe angesehenen besonderen<br />

Zurechnungsgr<strong>und</strong> der »Gruppennützigkeit« der vorgesehenen Berufsausbildungsabgabe. Diesen Zurechnungsgr<strong>und</strong><br />

erkennt das Gericht – indes nicht widerspruchsfrei – einerseits im Eigeninteresse der<br />

Unternehmen an einem funktionierenden Ausbildungswesen, andererseits der »Verantwortung« der<br />

Unternehmen für ein solches Ausbildungswesen, die ihnen im historischen Verlauf übertragen worden<br />

ist in »Erwartung der Allgemeinheit auf angemessene Erfüllung« dieser ihnen übertragenen Aufgabe.<br />

10. Eine verfassungsrechtliche Aussage zu der Frage ob <strong>und</strong> ggf. in welcher Form <strong>und</strong> welchem<br />

Ausmaß Unternehmen auf dem Gebiet der Berufsausbildung eine Sozialpflicht tragen, die ihnen Ausbildungsverpflichtungen<br />

entweder direkt auferlegt oder doch auferlegbar macht, bedarf einer Betrachtung<br />

der gr<strong>und</strong>rechtlichen Positionen der Beteiligten. Gemessen an diesem Erfordernis bleiben<br />

die Ausführungen des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts im 55. Band unscharf <strong>und</strong> ohne F<strong>und</strong>ament. Immerhin:<br />

So wie die »Verantwortung« der Unternehmen dem Gericht ein Indiz für den besonderen Zurechnungsgr<strong>und</strong><br />

zur Erhebung der Berufsausbildungsabgabe abgab, so gibt die solchermaßen anerkannte<br />

» Verantwortung bei der gr<strong>und</strong>rechtsdogmatischen Oberprüfung einer unternehmerischen<br />

Ausbildungsverpflichtung ein Indiz für die verfassungsrechtliche Sozialpflichtigkeit der Unternehmen<br />

auf dem Gebiet der Berufsausbildung ab. Eine gr<strong>und</strong>rechtsdogmatisch weiterführende <strong>und</strong> f<strong>und</strong>ierende<br />

Interpretation erfordert, das Verantwortungs-Postulat des Gerichts zunächst einmal zur Kenntnis<br />

zu nehmen, dann aber aus seinem spezifisch kompetenz- <strong>und</strong> abgabenrechtlichen Kontext zu lösen<br />

<strong>und</strong> es auf seine Validität in gr<strong>und</strong>rechtstheoretischem <strong>und</strong> -dogmatischem Kontext hin zu überprüfen.<br />

Dies wird in Teil IV. dieses Gutachtens versucht.<br />

RECHTSGUTACHTEN MÜCKENBERGER


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

11. Fritz Ossenbühl ist in dem Gutachten »Zur verfassungsrechtlichen Pflicht der Arbeitgeber, betriebliche<br />

Ausbildungsplätze bereitzustellen«, das er dem B<strong>und</strong>esminister für Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

erstattete (Bad Honnef 1985), nicht in dieser Weise verfahren. Entsprechend der Gutachtensfrage<br />

des Auftraggebers, ob das Urteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz<br />

den Schluss auf eine Verpflichtung von Unternehmen zulasse, analysiert Ossenbühl fast<br />

ausschließlich dieses Urteil <strong>und</strong> seine Implikationen <strong>und</strong> kommt – zutreffend, aber nicht eben überraschend<br />

– zu dem Ergebnis, dass das Urteil einen solchen Schluss nicht zulasse. Abgesehen von anderen<br />

Einwänden, die gegen das Gutachten von Ossenbühl erhoben werden können, liegt der Haupteinwand<br />

schon in der Diskrepanz zwischen dem Gegenstand <strong>und</strong> der behaupteten Reichweite der<br />

Aussage des Gutachtens begründet. Wie schon die Fragestellung des Auftraggebers vernachlässigt<br />

das Gutachten selbst die Tatsache, dass mit der vorrangigen Analyse des genannten B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts-Urteils<br />

die Frage nach einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung von Unternehmen zur<br />

Berufsausbildung nicht zulänglich beantwortet werden kann. Um zu einer Antwort solcher Reichweite<br />

(mit welchem Ergebnis auch immer) zu gelangen, dürfte sich Ossenbühl kaum auf wenige gr<strong>und</strong>rechtsdogmatische<br />

Seitenbemerkungen beschränkt haben können.<br />

12. Bei der gr<strong>und</strong>rechtsdogmatischen Erörterung einer Ausbildungspflicht von Unternehmen bedarf<br />

es – unter Reinterpretation des Verantwortungs-Postulats sowie der Verhältnismäßigkeits-Kriterien<br />

der Ausbildungsplatzförderungsgesetz-Entschedes B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts – vor allem einer<br />

Analyse der Sozialpflichtigkeit der unternehmerischen Berufsausbildungsfreiheit. Denn dass allen <strong>Jugend</strong>lichen<br />

mit dem Recht auf Bildung auch ein solches auf Berufsausbildung zusteht, ist in dieser Allgemeinheit<br />

unbestritten. Fraglich ist allein, wie sich dieser Ausbildungsanspruch zu der unternehmerischen<br />

Berufsausbildungsfreiheit verhält: Ob er sich überhaupt auf diese auswirkt (<strong>und</strong> nicht nur gegen<br />

den Staat richtet); <strong>und</strong> – falls dies zu bejahen ist – wie er auf jene einwirkt (ob unmittelbar kraft<br />

Verfassung oder erst über gesetzgeberischen Gestaltungsakt)<br />

13. Die so umrissene Frage nach der Sozialpflichtigkeit der unternehmerischen Berufsausbildungsfreiheit<br />

setzt an bei den verfassungsrechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen dieser Ausbildungsfreiheit, weil sich erst<br />

von diesen her – nicht etwa schon durch bloßen Rekurs auf das »Recht auf Bildung <strong>Jugend</strong>licher – die<br />

dieser Freiheit auferlegte Sozialpflicht begründen <strong>und</strong> ermessen lässt. Dass die unternehmerische<br />

Ausbildungsfreiheit den Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sowie der Eigentumsgarantie (Art. 14<br />

GG) genießt, steht außer Zweifel. An der Einschränk- <strong>und</strong> Gestaltbarkeit dieser Gr<strong>und</strong>rechte muss<br />

sich ermitteln lassen, wie weit die Sozialpflicht der Unternehmen auf dem Gebiet der Berufsausbildung<br />

reicht, ob sie in einer aktuellen oder doch aktualisierbaren Ausbildungsverpflichtung besteht.<br />

14. Das Recht <strong>Jugend</strong>licher auf Berufsausbildung genießt – folgt man der neueren gr<strong>und</strong>rechtsdogmatischen<br />

Literatur <strong>und</strong> Judikatur – gleichfalls den Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Der<br />

hier sich abzeichnende Gr<strong>und</strong>rechtskonflikt zwischen unternehmerischer Berufsausbildungsfreiheit<br />

<strong>und</strong> der Ausbildungs- <strong>und</strong> damit Berufswahlfreiheit <strong>Jugend</strong>licher wäre schnell gelöst, würde man –<br />

mit der älteren Gr<strong>und</strong>rechtsdoktrin, speziell zu Art. 12 GG – die Berufsfreiheit als reines »klassisches<br />

Abwehrrecht« gegen den Staat verstehen: Dann könnte noch nicht einmal von einem Gr<strong>und</strong>rechtskonflikt<br />

die Rede sein, da bloßer Ausbildungsstellenmangel keinen staatlichen Eingriff in die Rechte<br />

<strong>Jugend</strong>licher darstellt. Mit einer breiten Strömung innerhalb der neueren Literatur <strong>und</strong> Ansätzen innerhalb<br />

der neueren höchstrichterlichen Judikatur zur Dogmatik der Berufsfreiheit ist jedoch davon<br />

auszugehen, dass Art. 12 GG nicht nur ein Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen darstellt,<br />

sondern – in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20, 28 GG) gesehen – ein soziales Gr<strong>und</strong>recht<br />

enthält, das reale Teilhabe an den die Verwirklichung der Berufsfreiheit ermöglichenden materialen<br />

gesellschaftlichen Bedingungen gewährleistet. Diese an Boden gewinnende sozialstaatliche<br />

Reinterpretation der Berufsfreiheit macht auf dem Gebiet des Berufsausbildungswesens zumindest<br />

denkbar (<strong>und</strong> damit erörterungsbedürftig), dass <strong>Jugend</strong>lichen neben der staatsbezogenen Wahlfreiheit<br />

– nicht nur ein gr<strong>und</strong>rechtlicher Anspruch auf staatliche Maßnahmen zur Beseitigung des Ausbildungsplatzmangels<br />

zusteht, sondern darüber hinaus sogar ein direkt gegen private Unternehmen<br />

wirkender Anspruch auf Ausbildung. Bei Berücksichtigung dieser sozialstaatlichen Interpretation der<br />

Berufsfreiheit besteht dann allerdings wirklich ein Gr<strong>und</strong>rechtskonflikt zwischen der Ausbildungsfreiheit<br />

von Unternehmen <strong>und</strong> von <strong>Jugend</strong>lichen, der der verfassungsrechtlichen Abgrenzung <strong>und</strong> Formung<br />

bedarf.<br />

15. Die Schwierigkeit des gebotenen Abgrenzungsvorgangs besteht darin, dass bei dem beschriebenen<br />

Gr<strong>und</strong>rechtskonflikt die eine Gr<strong>und</strong>rechtsposition (der Unternehmen) in ihrer klassisch-freiheitlichen<br />

Abwehr-, die andere dagegen (der <strong>Jugend</strong>lichen) in ihrer sozialstaatlichen Gewährleistungsfunktion<br />

betroffen ist. Bei der Lösung eines solchen Konflikts reicht eine an der Schrankensystematik<br />

RECHTSGUTACHTEN MÜCKENBERGER<br />

29


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

30<br />

orientierte »Güterabwägung« nicht aus. Vielmehr wird eine Methode der Interpretation der miteinander<br />

kollidierenden Gr<strong>und</strong>rechtspositionen notwendig, die beiden Gr<strong>und</strong>rechtsfunktionen gleichermaßen<br />

gerecht wird.<br />

16. Eine solche Methode hat das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht exemplarisch an einer der hier diskutierten<br />

durchaus verwandten Problematik in seinem Mitbestimmungs-Urteil (BVerfGE 50, 290) herausgearbeitet<br />

<strong>und</strong> dargestellt. Demzufolge ist bei Gr<strong>und</strong>rechtskonflikten neben dem Schrankenaspekt<br />

der Zuordnungsaspekt zu achten: Die miteinanderkollidierenden Gr<strong>und</strong>rechte sind einander dergestalt<br />

zuzuordnen, dass sie in beiden genannten Funktionen zur optimalen Geltung gelangen. Der aus<br />

der Mitbestimmungs-Entscheidung gewonnene Zuordnungs-Aspekt bei der Gr<strong>und</strong>rechtsinterpretation<br />

bedeutet für die hier diskutierte Problematik methodisch, dass bei der Lösung des Konflikts zwischen<br />

Ausbildungsfreiheit von Unternehmen <strong>und</strong> Ausbildungsrecht <strong>Jugend</strong>licher die Gr<strong>und</strong>rechtspositionen<br />

beider direkt zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen – <strong>und</strong> zwar sowohl hinsichtlich<br />

ihrer freiheitssichernden als auch ihrer sozial gewährleistenden Funktion.<br />

17. In der Dogmatik zu beiden der unternehmerischen Ausbildungsfreiheit zugr<strong>und</strong>eliegenden<br />

Gr<strong>und</strong>rechten – der Berufsfreiheit <strong>und</strong> der Eigentumsgarantie – hat sich – sieht man einmal von Ungleichzeitigkeit<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>rechts-Spezifika ab – ein personaler Interpretationsansatz herausgebildet.<br />

Demzufolge sind sowohl der sozial- <strong>und</strong> geistesgeschichtliche Sinn als auch die wichtigste aktuelle<br />

Funktion beider Gr<strong>und</strong>rechte die Sicherung <strong>und</strong> Förderung personaler Freiheit. Aufgabe der Gr<strong>und</strong>rechtsdogmatik<br />

ist, diesen personalen Gehalt optimal zur Geltung gelangen zu lassen.<br />

18. Auf dem Gebiet der Berufsfreiheit findet der personale Ansatz seine Gr<strong>und</strong>lage bereits in der<br />

Differenzierung zwischen Berufswahl- <strong>und</strong> Berufsausübungsfreiheit. Unbestritten ist, dass die Berufswahl<br />

<strong>und</strong> die dieser vor- oder nebengelagerte Ausbildungswahl für die berufliche Biographie wie die<br />

gesellschaftliche Identität meist irreversible weichenstellende, somit in höchstem Maße existentielle<br />

Bedeutung hat. Der personale Gehalt der Berufsfreiheit hat sich daher vorrangig an den Bedingungen<br />

des Gelingens dieser Wahl zu bewähren. Bei der Berufsausübung »verdünnt« sich der personale<br />

Schutzgehalt umso mehr, je stärker diese in einer nicht – persönlich wahrgenommenen, rein wirtschaftlichen<br />

Tätigkeit besteht. Er schwindet auch mit nachlassender Intensität der Beeinträchtigung:<br />

Etwa bei zeitlich begrenzter Belastung bei nur finanzieller Belastung oder bei einer Belastung, die potentiell<br />

das eigene Interesse fördert.<br />

19. Auch bei der Eigentumsgarantie lässt sich eine Skala bilden, die von persönlicher Nutzung<br />

bis hin zu rein finanzieller Interessiertheit an dem in Eigentum stehenden Gegenstand reicht. Entsprechend<br />

schwächt sich auch der personale Schutzgehalt im Sinne, der Eigentumsgarantie ab. Persönlich<br />

genutztes Eigentum genießt stärkeren Schutz als Eigentum mit sozialem Bezug <strong>und</strong> sozialer<br />

Funktion. Produktionsmitteleigentum genießt, unter dem personalen Interpretationsansatz einen<br />

stärkeren Schutz. Wo der Berechtigte als Person mitarbeitet, einen schwächeren, wo das nicht der<br />

Fall ist.<br />

20. Diese Ergebnisse der neueren Gr<strong>und</strong>rechtsdogmatik sind auf den beschriebenen Gr<strong>und</strong>rechtskonflikt<br />

zwischen Ausbildungsfreiheit von unternehmen <strong>und</strong> Ausbildungsanspruch <strong>Jugend</strong>licher zu<br />

beziehen. Interessant sind sie unter dem Schrankenaspekt: Hier geben sie Anhaltspunkte für zulässige<br />

staatliche Eingriffe in die unternehmerische Freiheit. Interessant sind: sie aber vor allem unter dem<br />

Zuordnungsaspekt. Hier wirken sie insofern, in ein Beziehungsdreieck hinein als nicht nur die Gr<strong>und</strong>rechtspositionen<br />

eines Gr<strong>und</strong>rechtsträgers ins Verhältnis zu staatlicher Eingriffsbefugnis, sondern die<br />

Gr<strong>und</strong>rechtspositionen der Unternehmen auf dem Gebiet der Berufsausbildung direkt mit denjenigen<br />

der <strong>Jugend</strong>lichen in Beziehung zu setzen sind.<br />

21. Das Ergebnis der Anwendung der herausgearbeiteten gr<strong>und</strong>rechtsdogmatischen Positionen<br />

auf die Frage nach einer sich zur etwaigen Ausbildungsverpflichtung verdichtenden Sozialpflichtigkeit<br />

der Unternehmen ist zweifacher Art. Unter dem Schrankenaspekt ist die durch Art. 12 <strong>und</strong> 14 GG,<br />

geschützte Ausbildungsfreiheit der Unternehmen in weitestehendem Maße einschränkbar, sofern nur<br />

die allgemein anerkannten Gebote des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Erforderlichkeit der Maßnahme,<br />

Geeignetheit des Mittels, Angemessenheit von Zweck <strong>und</strong> Mittel) gewahrt bleiben <strong>und</strong> erforderlichenfalls<br />

einzelfallgerechte Differenzierungen stattfinde. Unter dem Zuordnungsaspekt hat die Ausbildungs-<br />

<strong>und</strong> Berufswahlfreiheit <strong>Jugend</strong>licher einen so hohen personalen existenziellen Stellenwert, –<br />

dem noch dazu loteressen der Allgemeinheit, aber auch weiter Bereiche der Unternehmen selbst an<br />

umfassender seriöser Berufsausbildung entsprechen –, dass im Konflikt damit schutzwerte Eigentums-<br />

<strong>und</strong> Berufsfreiheitsinteressen von Unternehmen, nicht auszubilden, nur in Ausnahmefallen Bestand<br />

haben, im Regelfall jedoch zurücktreten werden.<br />

RECHTSGUTACHTEN MÜCKENBERGER


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

22. Es besteht somit eine gr<strong>und</strong>rechtsdogmatisch herzuleitende Sozialpflicht der Unternehmen<br />

auf dem Gebiet der Berufsausbildung, die auch die Pflicht enthält, Ausbildungsplätze zur Verfügung<br />

zu stellen.<br />

23. Diese Pflicht rechtfertigt verschiedenartige Formen der Beschränkung der unternehmerischen<br />

Berufsausbildungsfreiheit. Aus ihr können Kontrahierungszwänge folgen – also die Verpflichtung von<br />

Unternehmen zum Abschluss von Ausbildungsverträgen. Denkbar sind Pflichtausbildungsquoten für<br />

Unternehmen bestimmter Branchen <strong>und</strong> bestimmter Größe; diese können bei gegebenem Anlass in<br />

geschlechtsspezifischen (Ergebnis-) Quoten bestehen. Denkbar sind staatlich auferlegte Abgaben mit<br />

dem Ziel der Stimulierung bestimmter Ausbildungsquoten, die staatliche Einleitung eigener sowie die<br />

Förderung privatautonomer – individueller wie kollektiver – Ausbildungsbemühungen.<br />

24. Bei der Beurteilung der Frage, wie sich diese Sozialpflicht der Unternehmen rechtspraktisch<br />

niederschlägt, wird notwendig, den zweiten, der neueren Gr<strong>und</strong>rechtsdogmatik zugr<strong>und</strong>eliegenden<br />

Interpretationsansatz einzuführen: Den demokratischen. Der Vollzug sozialstaatlich interpretierter<br />

Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong> erst recht die Zuordnung von miteinander kollidierenden Gr<strong>und</strong>rechtspositionen<br />

gemäß personalen Valenzen verlangen im Regelfall einen Akt der Konkretisierung <strong>und</strong> Ausformung<br />

durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Die verfassungsmäßige Zuordnung von Gr<strong>und</strong>rechtspositionen<br />

vollzieht sich nicht selbst, wirkt daher auch nur in Ausnahmefallen unter den privaten<br />

Subjekten. Der demokratische Interpretationsansatz schlägt sich daher in doppelter Weise nieder.<br />

Dem Gesetzgeber bleibt die Konkretisierungsbefugnis nur durch die Verfassung getroffenen Zuordnungen<br />

von Gr<strong>und</strong>rechtspositionen vorbehalten. Der Gesetzgeber hat aber auch einen breiten Gestaltungsspielraum,<br />

wo es darum geht – hier paart sich der demokratische mit dem personalen Ansatz<br />

–, den personalen Gehaltsozialstaatlicher Gr<strong>und</strong>rechte gegenüber etablierten Besitzständen<br />

nicht-personaler Art zu behaupten <strong>und</strong> durchzusetzen.<br />

25. In Ausnahmefällen kann auch ohne gesetzgeberische Konkretisierung eine direkte Ausbildungsverpflichtung<br />

von Unternehmen durchsetzbar sein. Wenn ein Unternehmen über ein Ausbildungsmonopol<br />

verfügt, kann sich daraus im Einzelfall ein Kontrahierungszwang ergeben, ebenso wie<br />

wenn ein Unternehmen Mädchen in einer Weise von der Ausbildungstätigkeit ausschließt, die als unmittelbare<br />

oder mittelbare Diskriminierung zu qualifizieren wäre. Im Regelfall wird sich die aus der<br />

Verfassung herzuleitende Ausbildungsverpflichtung von Unternehmen jedoch ohne gesetzgeberische<br />

Initiative weder konkretisieren noch durchsetzen lassen.<br />

26. Dem Staat erwächst aus der gr<strong>und</strong>rechtsdogmatisch ermittelten Zuordnung der Berufsausbildungsfreiheit<br />

von Unternehmen zu derjenigen von <strong>Jugend</strong>lichen nicht nur die Befugnis, in die Ausbildungsfreiheit<br />

der Unternehmen zugunsten ausbildungswilliger <strong>Jugend</strong>licher einzugreifen. Ihm erwächst<br />

daraus weiter eine objektiv-rechtliche Förderpflicht der Ausbildungsfreiheit <strong>Jugend</strong>licher. Diese<br />

Förderpflicht verlangt – sieht man von in diesem Gutachten nicht, verfolgten staatlichen Eigeninitiativen<br />

auf dem Gebiet der Berufsausbildung ab – vor allem die gesetzgeberische Konkretisierung<br />

der Ausbildungsverpflichtung von Unternehmen. Zu einer solchen Konkretisierung hat der Gesetzgeber<br />

nicht nur die Befugnis, sondern einen positiven Verfassungsauftrag.<br />

27. Liegt die Einlösung dieses Verfassungsauftrages, auch weithin im gesetzgeberischen Gestaltungsermessen,<br />

so ist dieses Ermessen doch durch Verfassungsvorhaben geb<strong>und</strong>en. Zu gewährleisten<br />

ist die Ausbildungsfreiheit aller <strong>Jugend</strong>licher – <strong>und</strong> dies in einer Weise, dass Qualitätsstandards der<br />

Ausbildung gewahrt, regionale, branchenmäßige <strong>und</strong> soziale Disparitäten in den Ausbildungschancen<br />

vermieden <strong>und</strong> insbesondere die Gleichberechtigungsansprüche von Mädchen eingelöst werden.<br />

28. Adressat des beschriebenen Verfassungsauftrages dürfte – um der Einheitlichkeit der tangierten<br />

Lebensverhältnisse willen – in erster Linie der B<strong>und</strong>esgesetzgeber sein. Soweit dieser untätig<br />

bleibt, ist den Landesgesetzgebern in Kompetenz zur gesetzlichen Regelung – in Gestalt von Landesberufsbildungsgesetzen<br />

– gegeben.<br />

29. Eine positive Schutzpflicht des Staates zu einer bestimmten Maßnahme zugunsten Ausbildungswilliger,<br />

der auch eine subjektive Berechtigung der Betroffenen entspräche, ist nicht anzunehmen.<br />

Der demokratische Gesetzgeber sollte auch nicht durch Verweis auf eine justiziable Schutzpflicht<br />

aus seiner Verantwortung dafür entlassen werden, die Ausbildungspflicht der Unternehmen zu<br />

konkretisieren <strong>und</strong> auf diese Weise die Ausbildungsfreiheit aller <strong>Jugend</strong>lichen verwirklichen zu helfen.<br />

RECHTSGUTACHTEN MÜCKENBERGER<br />

31


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

32<br />

6. Urteil des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

BVerfGE 55, 274 –<br />

Berufsausbildungsabgabe<br />

Auszüge aus dem Urteil vom B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

»Berufsbildungsabgabe« (BVerfGE 55, 274) vom 10. Dezember 1980<br />

Leitsätze:<br />

1. Als außersteuerliche Geldleistungspflicht der Angehörigen einzelner Gruppen stößt die Sonderabgabe<br />

auf enge kompetenzrechtliche Grenzen. Sie kann als zusätzliche Belastung einzelner nur erhoben<br />

werden, wenn sie sich auf einen besonderen Zurechnungsgr<strong>und</strong> stützen lässt, der vor den<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen der b<strong>und</strong>esstaatlichen Finanzverfassung <strong>und</strong> vor dem Gebot der Gleichheit aller Bürger<br />

vor den öffentlichen Lasten Bestand hat.<br />

2. Die Bewahrung der b<strong>und</strong>esstaatlichen Ordnungsfunktion <strong>und</strong> Ausgleichsfunktion der Art. 104a<br />

bis Art. 108 GG macht es unabdingbar, Steuern <strong>und</strong> außersteuerliche Abgaben eindeutig voneinander<br />

abzugrenzen.<br />

a) Entscheidend für die Qualifizierung einer Abgabe als Sonderabgabe ist ihr materieller Gehalt.<br />

Es kommt nicht darauf an, wie das Abgabengesetz selbst eine öffentliche-rechtliche Abgabe klassifiziert.<br />

b) Sonderabgaben dürfen nicht zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf<br />

eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben <strong>und</strong> ihr Aufkommen darf nicht zur Finanzierung allgemeiner<br />

Staatsaufgaben verwendet werden.<br />

c) Die konkrete haushaltsmäßige Behandlung einer Abgabe durch den Gesetzgeber hat keine<br />

konstitutive Bedeutung für ihre verfassungsrechtliche Qualifizierung als Sonderabgabe oder Steuer.<br />

3. a) Eine gesellschaftliche Gruppe kann nur dann mit einer Sonderabgabe in Anspruch genommen<br />

werden, wenn sie durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen<br />

Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der<br />

Allgemeinheit <strong>und</strong> anderen Gruppen abgrenzbar ist, wenn es sich also um eine in diesem Sinne homogene<br />

Gruppe handelt.<br />

b) Die Erhebung einer Sonderabgabe setzt eine spezifische Beziehung (Sachnähe) zwischen dem<br />

Kreis der Abgabepflichtigen <strong>und</strong> dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck voraus. Die mit<br />

der Abgabe belastete Gruppe muss dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näher<br />

stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Aus dieser Sachnähe muss<br />

eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden<br />

Aufgabe entspringen.<br />

c) Die außersteuerliche Belastung von Angehörigen einer Gruppe setzt voraus, dass zwischen den<br />

Belastungen <strong>und</strong> den Begünstigungen, die die Sonderabgabe bewirkt, eine sachgerechte Verknüpfung<br />

besteht. Das ist der Fall, wenn das Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen,<br />

also »gruppennützig« verwendet wird.<br />

4. Die Sonderabgabe hat gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme zu sein; daraus folgt, dass<br />

die Zulässigkeitskriterien strikt auszulegen <strong>und</strong> anzuwenden sind.<br />

5. Der Gesetzgeber ist bei einer auf längere Zeit angelegten Finanzierung einer in die spezifische<br />

Verantwortung einer Gruppe fallenden Aufgabe durch Erhebung einer Sonderabgabe von Verfassungs<br />

wegen gehalten, stets zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des<br />

gesetzgeberischen Mittels »Sonderabgabe« aufrecht zu erhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände,<br />

insbesondere wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung zu ändern oder<br />

aufzuheben ist.<br />

6. Die Berufsausbildungsabgabe nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Ausbildungsplatzförderungsgesetz stellt<br />

sich – gemessen an den dargelegten Kriterien – nicht als Steuer, sondern als zulässige Sonderabgabe<br />

dar. Als solche unterfällt sie nicht den für Steuern geltenden Art. 104a ff. GG. Eine Zustimmung des<br />

B<strong>und</strong>esrates zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz war deshalb nach Art. 105 Abs. 3 GG nicht erforderlich.<br />

URTEIL DES BUNDESVERFASSUNGSGERICHTS


7. Vorschriften über das Verwaltungsverfahren im Sinne von Art. 84 Abs. 1 GG sind jedenfalls gesetzliche<br />

Bestimmungen, die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Blick auf die Art. <strong>und</strong> Weise<br />

der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung,<br />

die Art. der Prüfung <strong>und</strong> Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen <strong>und</strong><br />

Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungsvorgänge <strong>und</strong> Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf<br />

regeln.<br />

8. Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz hätte nach Art. 84 Abs. 1 GG der Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates<br />

bedurft, weil es jedenfalls in § 3 Abs. 6 <strong>und</strong> Abs. 8 Nr. 3 Vorschriften über das Verwaltungsverfahren<br />

enthält.<br />

Aus der Urteilsbegründung A – I.:<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

cc) Die mit der Berufsausbildungsabgabe belastete Gruppe der Arbeitgeber steht zu dem Zweck der<br />

Abgabe in einer spezifisch sachnahen Beziehung; sie trägt eine besondere Verantwortung für die Erfüllung<br />

der mit der Berufsausbildungsabgabe zu finanzierenden Aufgabe.<br />

In dem in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland bestehenden dualen Berufsausbildungssystem mit den<br />

Lernorten Schule <strong>und</strong> Betrieb (Behörde) liegt die spezifische Verantwortung für ein ausreichendes Angebot<br />

an betrieblichen Ausbildungsplätzen der Natur der Sache nach bei den Arbeitgebern, denn nur<br />

sie verfügen – zumal in einer insoweit durch Art. 2 Abs. 1 <strong>und</strong> Art. 12 GG geprägten Rechtsordnung<br />

– typischerweise über die Möglichkeit, Ausbildungsplätze zu schaffen <strong>und</strong> anzubieten.<br />

Die praxisbezogene betriebliche Berufsausbildung der <strong>Jugend</strong>lichen – <strong>und</strong> damit die besondere<br />

Verantwortung der Arbeitgeber für diesen Bereich – hat in Deutschland historische Wurzeln. Schon<br />

im Mittelalter, jedenfalls seit der Ausformung des Ausbildungs- <strong>und</strong> Erziehungsmodells des spätmittelalterlichen<br />

Zunftsystems, lagen das Recht <strong>und</strong> die Pflicht zu einer geordneten praktischen beruflichen<br />

Ausbildung bei den jeweiligen Arbeitgebern. Daran hat sich in der weiteren geschichtlichen Entwicklung<br />

des betrieblichen Ausbildungswesens nichts Gr<strong>und</strong>sätzliches geändert, weder im Laufe der<br />

im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert beginnenden Industrialisierung noch in der nachfolgenden Entwicklung der Wirtschaft<br />

bis hin zur Gegenwart. Die praktische Berufsausbildung war also nie in einem engeren Sinne<br />

der staatlichen Sphäre überantwortet. Bestrebungen, sie »staatsnäher« zu organisieren, sind von den<br />

Arbeitgebern, die sich immer zu der geschichtlich gewachsenen Aufgabenteilung zwischen staatlicher<br />

<strong>und</strong> privater Verantwortung im Berufsausbildungswesen bekannt haben, stets abgelehnt worden.<br />

Wenn der Staat in Anerkennung dieser Aufgabenteilung den Arbeitgebern die praxisbezogene<br />

Berufsausbildung der <strong>Jugend</strong>lichen überlässt, so muss er erwarten, dass die gesellschaftliche Gruppe<br />

der Arbeitgeber diese Aufgabe nach Maßgabe ihrer objektiven Möglichkeiten <strong>und</strong> damit so erfüllt,<br />

dass gr<strong>und</strong>sätzlich alle ausbildungswilligen <strong>Jugend</strong>lichen die Chance erhalten, einen Ausbildungsplatz<br />

zu bekommen. Das gilt auch dann, wenn das freie Spiel der Kräfte zur Erfüllung der übernommenen<br />

Aufgabe nicht mehr ausreichen sollte.<br />

Die dargestellte spezifische Sachnähe der Gruppe der Arbeitgeber zum Zweck der Berufsausbildungsabgabe,<br />

auf eine genügende Zahl Ausbildungsplätze hinzuwirken, <strong>und</strong> die besondere Sachverantwortung<br />

der Arbeitgeber für diese Aufgabe wird durch folgende Erwägungen erhärtet:<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Verwaltung der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland sind auf einen gut ausgebildeten<br />

Nachwuchs an Arbeitskräften angewiesen. Die zunehmende Automation hat einen stetigen Abbau<br />

einfacher manueller Tätigkeiten <strong>und</strong> einen steigenden Bedarf an höher qualifizierten Arbeitskräften<br />

zur Folge. Auf der anderen Seite verläuft die Bevölkerungsentwicklung nicht kontinuierlich. Kriegsereignisse,<br />

Geburtenrückgang <strong>und</strong> Änderungen der familiären <strong>und</strong> sozialen Anschauungen haben dazu<br />

geführt, dass die Zahl der ins Berufsleben Eintretenden erheblichen Schwankungen unterworfen ist.<br />

Sind die dadurch entstehenden Bedarfslücken im Bereich der Anlernberufe – unter anderem mit Hilfe<br />

ausländischer Arbeitnehmer – kurzfristig auszugleichen, so ist den Arbeitgebern diese Möglichkeit bei<br />

höher qualifizierten Berufen zur Zeit noch weitgehend verschlossen. Gut ausgebildete Arbeitnehmer<br />

stünden erst nach Jahren zur Verfügung. Die Entzerrung dieser Situation ist zwar auch ein Anliegen<br />

aller am Gedeihen der Wirtschaft Interessierten. Sie dient aber vornehmlich den Arbeitgebern, die aus<br />

einer langfristigen, qualitativ zufriedenstellenden Entwicklung des Arbeitsmarktes als einer wesentlichen<br />

Voraussetzung künftiger Leistungsfähigkeit unmittelbaren Nutzen ziehen. Diesem besonderen<br />

Interesse der Arbeitgeber in Wirtschaft <strong>und</strong> Verwaltung trägt das Ausbildungsplatzförderungsgesetz<br />

ebenfalls Rechnung. Die Berufsausbildungsabgabe hat die Möglichkeit eröffnet, den Arbeitgebern<br />

Hilfen zu leisten, damit auch in den kommenden Jahren für alle Arbeitgeber ein qualitativ <strong>und</strong> quanti-<br />

URTEIL DES BUNDESVERFASSUNGSGERICHTS<br />

33


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

34<br />

tativ ausreichendes Angebot an Arbeitskräften zur Verfügung steht. Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz<br />

regelt somit lediglich eine »erzwungene Selbsthilfe« (vgl. BVerfGE 18, 315 [328]), deren Ausgestaltung<br />

die Gruppenverantwortung für den Bereich der betriebsbezogenen Ausbildung unberührt<br />

lässt.<br />

Gegenüber dem besonderen – objektiv verstandenen – Interesse der Arbeitgeber ist das Interesse<br />

der Allgemeinheit deutlich geringer. Das folgt bereits daraus, dass für einen Teil der »zusätzlich« ausgebildeten<br />

<strong>Jugend</strong>lichen nach Beendigung ihrer Ausbildung möglicherweise keine ausreichende Zahl<br />

an Arbeitsstellen vorhanden sein wird. Nutznießer eines Überhangs an ausgebildeten Arbeitnehmern<br />

sind daher zunächst ebenfalls die Arbeitgeber, denen ein vergrößertes Arbeitsmarktangebot zur Verfügung<br />

steht. Dem darüber hinaus bestehenden öffentlichen Anliegen, auch diesen <strong>Jugend</strong>lichen<br />

durch eine qualifizierte Berufsausbildung eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben, hat der Gesetzgeber<br />

unter anderem durch steuerliche Vergünstigungen Rechnung getragen.<br />

Der in § 2 Abs. 1 Satz 1 APlFG geforderte Mindestüberhang in Höhe von 12,5 v.H. der angebotenen<br />

Ausbildungsplätze, bei dessen Unterschreitung die Förderungsmaßnahmen des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes<br />

einsetzen sollen, dient zwar in erster Linie einer möglichst vollständigen Befriedigung<br />

aller Ausbildungswünsche. Die Folgen dieser Regelung liegen aber ersichtlich auch im objektiven<br />

Interesse der Arbeitgeber. Regionale <strong>und</strong> branchenspezifische Besonderheiten sowie Ausfälle<br />

während <strong>und</strong> nach der Ausbildung lassen erwarten, dass aufgr<strong>und</strong> einer gewissen Überdeckung zwischen<br />

Ausbildungsplatzangebot <strong>und</strong> später benötigten Arbeitskräften ein insgesamt ausgewogenes<br />

Verhältnis besteht.<br />

Natürlich hat auch die Allgemeinheit ein erhebliches politisches Interesse am Abbau der <strong>Jugend</strong>arbeitslosigkeit<br />

<strong>und</strong> an der Vorsorge für den künftigen Arbeitsmarkt. Die Durchsetzung politischer Ziele<br />

ist aber letzten Endes die Triebfeder jeder legislativen <strong>und</strong> exekutiven Tätigkeit, so dass die Frage<br />

nach dem »Warum« einer Regelung nicht zu einer Antwort auf die hier entscheidende Frage nach der<br />

Sachnähe <strong>und</strong> der besonderen Gruppenverantwortung führt.<br />

dd) Die Berufsausbildungsabgabe wird im Interesse der Gruppe der abgabepflichtigen Arbeitgeber,<br />

also »gruppennützig« verwendet. Das Abgabeaufkommen ist ausschließlich für die Gewährung<br />

finanzieller Hilfen (Förderungsmaßnahmen) nach § 2 Abs. 1 APlFG vorgesehen. Den finanziellen Hilfen<br />

ist gemeinsam, dass sie Betrieben – <strong>und</strong> damit Arbeitgebern – oder sonstigen Einrichtungen zugute<br />

kommen, die eine betriebliche Berufsausbildung durchführen. Damit fließen sie entweder unmittelbar<br />

Arbeitgebern zu, die die Voraussetzungen nach § 2 APlFG für die Gewährung finanzieller<br />

Hilfen erfüllen, oder sie verbessern die generelle Ausbildungssituation, woran die Arbeitgeber – wie<br />

oben dargelegt – generell ein besonderes Interesse haben; insoweit werden sie mittelbar im Interesse<br />

der abgabepflichtigen Arbeitgeber verwendet. Insgesamt gesehen wird daher das Aufkommen aus<br />

der Berufsausbildungsabgabe primär im Interesse der Gruppe der Arbeitgeber genutzt. In gewisser<br />

Weise erhält damit die abgabepflichtige Gruppe für die Erbringung der Abgabe eine Art »Gegenleistung«,<br />

ähnlich wie jemand, der für einen Beitrag eine staatliche Leistung erhält. Das Merkmal der<br />

Gruppennützigkeit enthält somit auch ein Element der von der Antragstellerin auf jeden Fall für eine<br />

Sonderabgabe als erforderlich angesehenen Verknüpfung mit dem Beitragsgedanken oder eine Art<br />

»Entgeltcharakter«. Da der Nutzen der Abgabenverwendung an den Interessen der Gesamtgruppe<br />

der Arbeitgeber gemessen werden muss, ist es unbeachtlich, dass nach der Konzeption des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes<br />

einzelne Gruppenmitglieder zwar abgabepflichtig, aber nicht förderungsberechtigt<br />

sein mögen, andere wiederum zwar von der Abgabe befreit sind, gleichwohl aber in<br />

den Genuss von Förderungsmitteln gelangen können. Aus dem gleichen Gr<strong>und</strong> ist es nicht von Bedeutung,<br />

dass die Gewährung der finanziellen Hilfen auf einzelne Ausbildungsberufe, Ausbildungsabschnitte,<br />

Ausbildungsjahre <strong>und</strong> Regionen beschränkt werden kann (§ 2 Abs. 2 Satz 2 APlFG). Denn<br />

auch diese Besonderheiten ändern nichts daran, dass das Aufkommen aus der Berufsausbildungsabgabe<br />

im überwiegenden Interesse der Gesamtgruppe der Arbeitgeber verwendet wird; diese Gesamtinteresse<br />

besteht letztlich darin, für die Zukunft ein ausreichendes Angebot an den in der Regel von<br />

allen Arbeitgebern benötigten qualifizierten, berufsbezogen ausgebildeten Arbeitskräften zur Verfügung<br />

zu haben. Für die Erreichung dieses Zieles wird die Berufsausbildungsabgabe in erster Linie verwendet.<br />

Nach Ansicht der Antragstellerin liegt eine gruppennützige Verwendung der Berufsausbildungsabgabe<br />

nicht vor, weil der Kreis der Abgabepflichtigen so weit gezogen sei, dass eine Verwendung im<br />

Interesse einer Gruppe nicht mehr erkennbar sei <strong>und</strong> weil die Berufsausbildungsabgabe nicht im Interesse<br />

der Wirtschaft, sondern im allgemeinpolitischen Interesse, nämlich zur Lösung des gesellschaftspolitischen<br />

Problems fehlender Ausbildungsplätze für eine große Zahl <strong>Jugend</strong>licher, verwendet<br />

URTEIL DES BUNDESVERFASSUNGSGERICHTS


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

werde. Diese Bedenken greifen jedoch nicht durch. Die Zusammensetzung der abgabepflichtigen<br />

Gruppe steht – wie dargelegt – der Annahme einer Gruppenhomogenität <strong>und</strong> damit der prinzipiellen<br />

Möglichkeit einer gruppennützigen Verwendung des Abgabeaufkommens nicht entgegen. Es ist zwar<br />

zutreffend, dass die Verwendung der Berufsausbildungsabgabe auch den Interessen der ausbildungsplatzsuchenden<br />

<strong>Jugend</strong> <strong>und</strong> denen der gesamten Gesellschaft dient. Der Gruppennützigkeitscharakter<br />

der Verwendung der Berufsausbildungsabgabe wird jedoch nicht dadurch aufgehoben, dass sek<strong>und</strong>är<br />

auch andere Gruppen oder die Allgemeinheit gewisse Vorteile von der Abgabenverwendung<br />

haben.<br />

ee) Es kann zur Zeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für die<br />

Zulässigkeit der (möglichen) Erhebung der Sonderabgabe »Berufsausbildungsabgabe« inzwischen<br />

wieder entfallen sind; denn es ist noch nicht abzusehen, ob die Anstrengungen der Wirtschaft, eine<br />

hinreichende Zahl von Ausbildungsplätzen zu schaffen, andauernden Erfolg haben werden. Eine<br />

Pflicht des Gesetzgebers, im Wege des »Nachfassens« die Abgabenregelung nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz<br />

zu modifizieren oder aufzuheben, ist damit gegenwärtig noch nicht festzustellen.<br />

4. Als Sonderabgabe, die gänzlich außerhalb des finanzverfassungsrechtlichen Bereichs bleibt, unterfällt<br />

die Berufsausbildungsabgabe nicht den für Steuern geltenden Art. 104a ff. GG.<br />

Deshalb ist Art. 105 Abs. 3 GG – wie beide Senate des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts bereits entschieden<br />

haben – auf Sonderabgaben wie die Berufsausbildungsabgabe nicht anwendbar (vgl. BVerf-<br />

GE 8, 274 [317]; 18, 315 [328 f.]; 37, 1 [16 f.]). Daran hält der Senat fest. Eine Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates<br />

zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz war deshalb nach dieser Vorschrift nicht erforderlich.<br />

5. Diese Entscheidung ist mit 5:3 Stimmen ergangen.<br />

URTEIL DES BUNDESVERFASSUNGSGERICHTS<br />

35


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

7. Ausbildungsförderungsgesetz<br />

Auszug (§§ 85–89) aus dem Gesetzentwurf<br />

zur Förderung des Angebots an Ausbildungsplätzen<br />

in der Berufsbildung<br />

(Ausbildungsförderungsgesetz) vom 7. September 1976<br />

§ 85<br />

Ziel der Berufsbildungsfinanzierung<br />

Zur Sicherung eines qualitativ <strong>und</strong> quantitativ ausreichenden Angebots an Ausbildungsplätzen können<br />

finanzielle Hilfen nach den §§ 86 bis 89 gewährt werden.<br />

§ 86<br />

Förderungsmaßnahmen<br />

(1) Stellt die B<strong>und</strong>esregierung auf Gr<strong>und</strong> des Berufsbildungsberichts (§ 74 Abs. 3) fest, dass die bis<br />

zum 30. September des vergangenen Kalenderjahres im Geltungsbereich dieses Gesetzes insgesamt<br />

angebotenen Ausbildungsplätze die insgesamt nachgefragten Ausbildungsplätze um weniger als<br />

12,5 vom H<strong>und</strong>ert übersteigen, <strong>und</strong> ist zu erwarten, dass sich das Verhältnis von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage<br />

für das laufende Kalenderjahr nicht wesentlich verbessert, erlässt die B<strong>und</strong>esregierung eine<br />

Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates bedarf, in der die Gewährung folgender<br />

finanzieller Hilfen bestimmt werden kann:<br />

1. Zuschüsse an Ausbildende für Berufsausbildungsverhältnisse, die diese zusätzlich zu den im<br />

Durchschnitt der letzten drei Jahre begründeten Berufsausbildungsverhältnissen begründen,<br />

2. Zuschüsse an Ausbildende für Berufsausbildungsverhältnisse, die diese im Kalenderjahr des Inkrafttretens<br />

der Rechtsverordnung neu begründen, soweit nicht ein Zuschuss nach Nummer 1<br />

gewährt wird,<br />

3. besondere Hilfen zur Erhaltung gefährdeter betrieblicher Ausbildungsplätze, soweit Maßnahmen<br />

nach den Nummern 1 <strong>und</strong> 2 nicht ausreichen, ein regional ausreichendes Angebot an<br />

Ausbildungsplätzen zu sichern, sowie Zuschüsse für die Unterhaltung überbetrieblicher Ausbildungsstätten,<br />

soweit die für eine Nutzung vorhandenen Ausbildungsplätze erforderlichen finanziellen<br />

Mittel vom Träger nicht aufgebracht werden können.<br />

(2) In der Rechtsverordnung sind die Höhe <strong>und</strong> die Dauer der finanziellen Hilfen nach Absatz 1 Nr.<br />

1 bis 3 festzusetzen. Dabei kann bestimmt werden, dass die finanziellen Hilfen auf einzelne Ausbildungsjahre<br />

<strong>und</strong> Regionen beschränkt sowie deren Höhe <strong>und</strong> Dauer unterschiedlich festgesetzt werden,<br />

soweit dies dem Ziel der Berufsausbildungsfinanzierung (§ 85) dient. Bei der Bemessung der<br />

Höhe der finanziellen Hilfen sollen die unterschiedlichen Kosten der Berufsausbildung berücksichtigt<br />

werden. Vorrangig sind solche Maßnahmen nach Absatz 1 zu fördern, die besonders geeignet erscheinen,<br />

ein qualitativ ausgewogenes <strong>und</strong> quantitativ ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen<br />

wiederherzustellen. In der Rechtsverordnung sind finanzielle Hilfen nach Absatz 1 Nr. 2 nur vorzusehen,<br />

wenn auch die Gewährung von finanziellen Hilfen nach Absatz 1 Nr. 1 bestimmt ist.<br />

(3) Die Rechtsverordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft, wenn nicht die B<strong>und</strong>esregierung<br />

ihre Verlängerung um ein weiteres Jahr beschließt. Die Verlängerung kann nur erfolgen, wenn<br />

die Voraussetzungen des Absatzes 1 weiter vorliegen.<br />

(4) Wird die Durchführung von Förderungsmaßnahmen durch eine Rechtsverordnung nach Absatz<br />

1 angeordnet, so kann in der Rechtsverordnung eine Bevorschussung der dafür erforderlichen Mittel<br />

durch den B<strong>und</strong> vorgesehen werden.<br />

§ 87<br />

Berufsausbildungsabgabe<br />

(1) Die B<strong>und</strong>esregierung hat durch Rechtsverordnungen, die nicht der Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates<br />

bedarf, zu bestimmen, dass zur Finanzierung der auf Gr<strong>und</strong> der Rechtsverordnung nach § 86 Abs.<br />

1 zu gewährenden finanziellen Hilfen eine Berufsausbildungsabgabe erhoben wird. In der Rechtsver-<br />

36 AUSBILDUNGSFÖRDERUNGSGESETZ


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

ordnung ist die Höhe der Berufsausbildungsabgabe zu bestimmen; die Höhe darf 0,25 vom H<strong>und</strong>ert<br />

der Bemessungsgr<strong>und</strong>lage ist die Summe der von einem Arbeitgeber im Kalenderjahr zu zahlenden<br />

Entgelte im Sinne des § 160 der Reichsversicherungsordnung, die vermindert wird um<br />

1. Entgelte, die an Personen gezahlt werden, die weder in einem Arbeitsverhältnis oder Berufsausbildungsverhältnis<br />

noch in einem Praktikantenverhältnis stehen,<br />

2. Entgelte, die auf Gr<strong>und</strong> von Berufsausbildungsverhältnissen gezahlt werden, die ausdrücklich<br />

mit dem ausschließlichen Ziel einer späteren Verwendung als Beamter in einer dem Vorbereitungsdienst<br />

für Beamte gleichwertigen Ausbildung zum Erwerb der Laufbahnbefähigung begründet<br />

worden sind,<br />

3. einen Freibetrag von 400.000 Deutsche Mark.<br />

§ 86 Abs. 3 gilt entsprechend.<br />

(2) Die Abgabe wird durch die Berufsgenossenschaft eingezogen, bei der die bei dem Abgabepflichtigen<br />

Beschäftigten versichert sind. Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften können<br />

mit Ausnahme der Gartenbau-Berufsgenossenschaft zur Feststellung der Abgabepflicht ihrer Mitglieder<br />

Unterlagen des Zusatzversorgungswerkes e.V. einsehen. In Fällen, in denen die bei einem Abgabepflichtigen<br />

Beschäftigten nicht bei einer Berufsgenossenschaft versichert sind, kann der zuständige<br />

B<strong>und</strong>esminister durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates die Einzugsstellen bestimmen.<br />

(3) Die Abgabepflichtigen haben den Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> sonstigen Einzugsstellen zu<br />

dem durch die Rechtsverordnung nach Absatz 8 bestimmten Zeitpunkt einen Nachweis für die Berechnung<br />

der Abgabe (Lohnnachweis) einzureichen.<br />

(4) Die Berufsgenossenschaften können durch Rechnungsbeamte die Geschäftsbücher <strong>und</strong> sonstigen<br />

Unterlagen einsehen, um die eingereichten Lohnnachweise prüfen zu können. Den Rechnungsbeamten<br />

sind die Geschäftsbücher <strong>und</strong> sonstigen Unterlagen zur Einsicht vorzulegen. § 715 der<br />

Reichsversicherungsordnung gilt entsprechend.<br />

(5) Gegen Forderungen der Berufsgenossenschaften auf Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen<br />

Unfallversicherung darf mit Forderungen auf Leistungen aus Mitteln der Berufsausbildungsabgabe<br />

nicht aufgerechnet werden.<br />

(6) Die Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> sonstigen Einzugsstellen führen die von ihnen eingezogenen<br />

Abgaben an die nach § 88 Abs. 1 bestimmte Stelle ab.<br />

(7) Die Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> sonstigen Einzugsstellen entscheiden über die Abgabepflicht<br />

<strong>und</strong> die Abgabehöhe. Sie erlassen die erforderlichen Verwaltungsakte <strong>und</strong> Widerspruchsbescheide. In<br />

Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sind sie Partei, soweit ihre Verwaltungsakte angefochten<br />

werden.<br />

(8) Der zuständige B<strong>und</strong>esminister kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates<br />

bestimmen:<br />

1. die Fälligkeit der Abgabe <strong>und</strong> von Vorauszahlungen,<br />

2. die Selbsterrechnung der Abgabe durch den Abgabepflichtigen,<br />

3. das Verfahren des Einzugs der Abgabe,<br />

4. Form <strong>und</strong> Inhalt des Lohnnachweises <strong>und</strong> den Zeitpunkt seiner Einreichung,<br />

5. das Verfahren der Abführung <strong>und</strong> Abrechnung der Abgabe durch die Berufsgenossenschaften<br />

<strong>und</strong> die sonstigen Einzugsstellen,<br />

6. eine andere als die in Absatz 1 vorgesehene Bemessungsgr<strong>und</strong>lage in Fällen, in denen die Beschäftigten<br />

des Abgabepflichtigen nicht bei einer gewerblichen Berufsgenossenschaft versichert<br />

sind, sofern dies zur Erleichterung der Berechnung der Abgabe gegenüber einer Berechnung<br />

auf Gr<strong>und</strong> der Bemessungsgr<strong>und</strong>lage nach Absatz 1 nicht vermindert wird.<br />

Im übrigen gelten die Vorschriften über den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend.<br />

(9) Den Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> sonstigen Einzugsstellen sind alle Kosten, die mit der Einziehung,<br />

Verwaltung, Abführung <strong>und</strong> Abrechnung der Abgabe zusammenhängen, pauschal zu ersetzen.<br />

Die Höhe des Pauschalsatzes bestimmt der zuständige B<strong>und</strong>esminister durch Rechtsverordnung mit<br />

Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates.<br />

(10) Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Berufsausbildungsabgabe ist<br />

der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes<br />

für Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung gelten entsprechend.<br />

AUSBILDUNGSFÖRDERUNGSGESETZ<br />

37


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

38<br />

§ 88<br />

Durchführung der Berufsausbildungsfinanzierung<br />

(1) Die Aufgaben der Berufsausbildungsfinanzierung, insbesondere<br />

1. der Einzug der Berufsausbildungsabgabe von den Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> sonstigen Einzugsstellen<br />

sowie von den Abgabepflichtigen in den Fällen, in denen Berufsgenossenschaften<br />

nicht bestehen <strong>und</strong> Einzugsstellen durch Rechtsverordnung nach § 87 Abs. 2 nicht bestimmt<br />

sind,<br />

2. die Entscheidung über die Gewährung finanzieller Hilfen, werden durch das B<strong>und</strong>esinstitut für<br />

Berufsbildung durchgeführt. Das B<strong>und</strong>esinstitut bedient sich zur Durchführung der Lastenausgleichsbank;<br />

das Nähere wird durch eine Rechtsverordnung des zuständigen B<strong>und</strong>esministers<br />

geregelt, die nicht der Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates bedarf.<br />

(2) Die Berufsausbildungsabgabe wird als zweckgeb<strong>und</strong>ene Vermögensmasse von der nach Absatz<br />

1 bestimmten Stelle verwaltet. Diese Vermögensmasse ist von b<strong>und</strong>esgesetzlich geregelten B<strong>und</strong>es-,<br />

Landes- <strong>und</strong> Kommunalsteuern <strong>und</strong> -abgaben in gleichem Umfang frei wie das Vermögen der<br />

Sozialversicherungsträger.<br />

(3) Der zuständige B<strong>und</strong>esminister bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des B<strong>und</strong>esrates<br />

das Verfahren der Mittelvergabe, insbesondere<br />

1. das Antragsverfahren einschließlich der Verwendung von Vordrucken, der Beifügung von Belegen<br />

<strong>und</strong> der Bestätigung der Angaben der Antragsteller,<br />

2. das Bewilligungsverfahren einschließlich der zeitlichen Reihenfolge der Bearbeitung der Anträge<br />

im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Mittel,<br />

3. die auszahlende Stelle,<br />

4. das Verfahren bei fehlerhaften Auszahlungen; dabei soll vorgesehen werden, dass die zuständigen<br />

Stellen im Rahmen der Amtshilfe, insbesondere durch Bestätigung der Richtigkeit der<br />

Angaben der Antragsteller, am Verfahren beteiligt werden.<br />

§ 89<br />

Steuerfreiheit<br />

Die finanziellen Hilfen, die auf Gr<strong>und</strong> einer Rechtsverordnung nach § 86 Abs. 1 gewährt werden,<br />

gehören nicht zu den Einkünften im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Sie mindern nicht die steuerlichen<br />

Anschaffungs- <strong>und</strong> Herstellungskosten.<br />

AUSBILDUNGSFÖRDERUNGSGESETZ


8. Kieler Entschließungen<br />

Auszüge aus den Kieler Entschließungen<br />

der Sozialausschüsse der CDA<br />

15. Juni 1975<br />

Kieler Finanzierungs-Modell<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Jahrelang standen in der Diskussion um die Reform der beruflichen Bildung die Probleme der Verbesserung<br />

der Qualität der Ausbildung im Vordergr<strong>und</strong>. Angesichts des alarmierenden rückläufigen Ausbildungsplatzangebots<br />

hat eine Reformkonzeption heute <strong>und</strong> in Zukunft Probleme der Qualität <strong>und</strong><br />

der Quantität zu bewältigen. Nur eine Finanzierungsregelung, die gleichzeitig eine Kostenentlastung<br />

für die ausbildenden Betriebe <strong>und</strong> eine hohe Ausbildungsqualität sichert, ist geeignet, das doppelte<br />

Reformziel zu erreichen.<br />

Die einzelbetriebliche Finanzierung der beruflichen Bildung ist angesichts des sinkenden Angebots<br />

<strong>und</strong> der steigenden Nachfrage nach Ausbildungsplätzen bei wachsender Ausbildungsqualität <strong>und</strong><br />

steigenden Ausbildungskosten nicht in der Lage, ein ausreichendes Lehrstellenangebot mit der notwendigen<br />

Ausbildungsqualität zu sichern. Diese Entwicklung hat in einzelnen Branchen schon zu<br />

außergesetzlichen Konzeptionen für eine Ausgleichsfinanzierung geführt (Bauwirtschaft, Schornsteinfegerhandwerk).<br />

Die Verantwortung des Staates für das Ausbildungswesen macht eine gesetzliche<br />

Regelung der Finanzierungsfrage dringend erforderlich. Dabei ist im Berufsbildungsgesetz ein Finanzierungssystem<br />

mit folgenden Gr<strong>und</strong>zügen zu verankern (»Kieler Modell«):<br />

1. Betriebliche <strong>und</strong> überbetriebliche Ausbildung werden auf der Gr<strong>und</strong>lage eines kontinuierlichen<br />

Lastenausgleichs zwischen den Betrieben finanziert. Die öffentlichen Arbeitgeber sind dabei den privaten<br />

Arbeitgebern gleichzustellen.<br />

2. Das »B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildungsforschung« ermittelt in mehrjährigem Abstand die<br />

durchschnittlichen Nettoausbildungskosten der außerschulischen Berufsausbildung für alle Ausbildungsberufe.<br />

In den Zwischenjahren werden diese Ausbildungskosten mit der Entwicklung der Ausbildungsvergütung<br />

bzw. der durchschnittlichen Lohnkosten fortgeschrieben. Auf dieser Basis werden<br />

die jährlichen Nettogesamtausbildungskosten in der B<strong>und</strong>esrepublik errechnet <strong>und</strong> zu der gesamten<br />

Lohn- <strong>und</strong> Gehaltssumme ins Verhältnis gesetzt. Der dabei sich ergebende Faktor wird durch Rechtsverordnung<br />

festgelegt <strong>und</strong> bildet die für alle Betriebe verbindliche Gr<strong>und</strong>lage für die jeweils zu zahlende<br />

Umlage.<br />

3. Der Finanzausgleich erfolgt mit Hilfe der Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung. Die einzelne Berufsgenossenschaft errechnet anhand des durch Rechtsverordnung<br />

festgelegten Faktors <strong>und</strong> der Lohnsumme die jeweilige Ausbildungsumlage der einzelnen Betriebe.<br />

4. Betriebe, die eine qualifizierte Ausbildung in Berufen durchführen, in denen Nettoausbildungskosten<br />

entstehen, erhalten im Normalfall für ihre Auszubildenden 80 % der durchschnittlichen Nettoausbildungskosten<br />

der jeweiligen Berufe erstattet. Die Erstattung soll normalerweise 80 % der Nettoausbildungskosten<br />

nicht übersteigen, damit nicht Betriebe, die mit ihren Ausbildungskosten unter<br />

dem Durchschnitt liegen, Gewinne aus der Ausbildung ziehen.<br />

5. Das Finanzierungsverfahren darf bildungspolitischen <strong>und</strong> volkswirtschaftlichen Fehlentwicklungen,<br />

wie es sie bisher gibt, nicht Vorschub leisten. Daher soll in Berufen, in denen ein bestimmter Anteil<br />

der Auszubildenden keine Chance hat, nach der Ausbildung einen entsprechenden Arbeitsplatz<br />

zu finden, der Erstattungssatz durch Rechtsverordnung gesenkt werden können. Für Berufe hingegen,<br />

in denen der Zukunftsbedarf eine Ausweitung des Lehrstellenangebots nachweislich erforderlich<br />

macht, soll der Erstattungssatz durch Rechtsverordnung bis auf eine 100%ige Erstattung der durchschnittlichen<br />

Nettoausbildungskosten erhöht werden können. Senkung <strong>und</strong> Anhebung der Erstattung<br />

können regional unterschiedlich gestaltet werden.<br />

6. Als Voraussetzung für eine Kostenerstattung hat der Betrieb gegenüber der Berufsgenossenschaft<br />

den Nachweis eines Mindeststandards der Ausbildungsqualität zu führen. Dieser Nachweis ist<br />

durch die staatliche Aufsichtsbehörde zu bescheinigen.<br />

KIELER ENTSCHLIESSUNGEN<br />

39


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

40<br />

7. Mittel aus der Umlage, die nicht als Kostenerstattung in die Betriebe fließen, werden für den<br />

Bau überbetrieblicher Ausbildungsstätten <strong>und</strong> für Modellversuche in der Berufsausbildung verwendet.<br />

8. Defizite <strong>und</strong> Überschüsse, die bei den einzelnen Berufsgenossenschaften entstehen, müssen<br />

ausgeglichen werden. Dies soll über den Dachverband der Berufsgenossenschaften erfolgen.<br />

Die Sozialausschüsse fordern die CDU/CSU-B<strong>und</strong>estagsfraktion auf, dieses Modell im Hearing des<br />

Ausschusses für Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft zur Diskussion zu stellen <strong>und</strong> auf der Basis der dort gewonnenen<br />

Erkenntnisse fortzuentwickeln.<br />

Falls es nicht umgehend zu einer wirksamen Umlagefinanzierung auf gesetzlicher Gr<strong>und</strong>lage<br />

kommt, fordern die Sozialausschüsse die Tarifpartner auf, im Interesse einer gesicherten Berufsausbildung<br />

der jungen Arbeitnehmer einen überbetrieblichen Lastenausgleich durch Tarifvertrag zu regeln.<br />

KIELER ENTSCHLIESSUNGEN


II.<br />

Anhang<br />

ANHANG<br />

41


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

42 ANHANG<br />

Stellungnahme des <strong>DGB</strong><br />

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD <strong>und</strong> Bündnis 90 / Die Grünen, Entwurf eines Gesetzes<br />

zur Sicherung <strong>und</strong> Förderung des Fachkräftenachwuchses <strong>und</strong> der Berufsausbildungschancen<br />

der jungen Generation (Berufsausbildungssicherungsgesetz – BerASichG) – BT<br />

Drs. 15/2820<br />

Sowie zum Antrag der Fraktion der FDP, Ausbildungsplatzabgabe verhindern – Wirtschaft<br />

nicht weiter belasten – Berufsausbildung stärken – BT-Drs. 15/2833 vom 23. April 2004<br />

Allgemeine Bewertung<br />

Ausbildung ist die Voraussetzung, um den Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Junge Menschen<br />

ohne Ausbildung laufen Gefahr, beruflich <strong>und</strong> persönlich ins Abseits zu geraten. Dies zu verhindern<br />

ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe ersten Ranges. Insgesamt haben derzeit etwa 600.000 junge<br />

Menschen im Alter von 20 bis 25 Jahren keinen Berufsabschluss. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> scheint kein<br />

Aufwand zu groß, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen.<br />

Die Wirtschaft hat es über viele Jahre nicht geschafft, ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen<br />

bereit zu stellen <strong>und</strong> ist damit der ihr übertragenen Verantwortung, die durch das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

bestätigt wurde, nicht gerecht geworden. Das Ausbildungsplatzangebot ist auch seit<br />

Beginn des Vermittlungsjahres 2003/2004 weiter gesunken. Das lässt auch für dieses Jahr ein erhebliches<br />

Defizit befürchten. Das Ausbildungsjahr 2002/2003 ist bereits mit einem fatalen Ergebnis zu<br />

Ende gegangen. Trotz aller Versprechungen der Wirtschaft gab es sogar weniger Ausbildungsplätze<br />

als in den letzten vier Jahren.<br />

Nur noch etwa 23 Prozent der Betriebe 1 bilden aus. 77 Prozent profitieren davon, dass andere<br />

ihre künftigen MitarbeiterInnen qualifizieren, ohne sich selbst an den Kosten zu beteiligen. Etwa<br />

700.000 Betriebe könnten zusätzlich ausbilden. Tatsache ist, dass Ausbildungskapazitäten zurückgefahren<br />

wurden. Das System der dualen Ausbildung ist dadurch massiv bedroht. Das bedeutet auch,<br />

dass B<strong>und</strong>, Länder, Kommunen <strong>und</strong> die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit mit öffentlichen Mitteln Ausbildungsplätze<br />

finanzieren <strong>und</strong> schulische Angebote oder Ersatzmaßnahmen bereitstellen müssen. Im<br />

vergangenen Jahr wurden über 60.000 der 560.000 von den Unternehmen neu abgeschlossenen<br />

Lehrverträgen voll aus öffentlichen Mitteln finanziert. Weil nur noch 47% eines Bewerberjahrganges<br />

einen betrieblichen Ausbildungsplatz erhalten, springt der Staat mit Milliarden Euro ein.<br />

Ausbildungsplatzinitiativen mehrerer B<strong>und</strong>esregierungen <strong>und</strong> auch etlicher Landesregierungen gemeinsam<br />

mit Gewerkschaften <strong>und</strong> Arbeitgebern haben zwar jeweils kurzfristig zur Mobilisierung weiterer<br />

Ausbildungsplätze beigetragen, aber weder das strukturelle Problem des Mangels behoben,<br />

noch für ein auswahlfähiges Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen gesorgt.<br />

Um das weltweit geschätzte deutsche Modell der dualen Berufsausbildung zu sichern <strong>und</strong> damit<br />

h<strong>und</strong>erttausenden junger Menschen bessere Zukunftschancen zu bieten, begrüßt der <strong>DGB</strong> das Gesetzesvorhaben<br />

der B<strong>und</strong>esregierung zur Sicherung <strong>und</strong> Förderung des Fachkräftenachwuchses <strong>und</strong> der<br />

Berufsausbildungschancen der jungen Generation (BerASichG) – BT-Drucksache 15/2820 – <strong>und</strong> lehnt<br />

die entsprechenden Forderungen der BT-Drucksache 15/2833 ab. Das Gesetz soll dazu beitragen, das<br />

Recht der jungen Menschen auf eine Berufsausbildung zu gewährleisten. Der <strong>DGB</strong> geht davon aus,<br />

dass durch das Gesetz die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze erhöht <strong>und</strong> die Kosten für die Ausbildung<br />

gerechter als bisher auf mehr Schultern verteilt werden. Dabei geht es nicht um eine Bestrafung<br />

von Betrieben, die nicht ausbilden, sondern allein darum, mehr Ausbildungschancen zu eröffnen.<br />

Einzelaspekte<br />

Folgende Punkte des Gesetzentwurfs bedürfen aus Sicht des <strong>DGB</strong> einer Veränderung bzw. Konkretisierung:<br />

0) Mit dem Gesetz soll insbesondere sicher gestellt werden, dass das<br />

Recht der freien Wahl des Berufes <strong>und</strong> der Ausbildungsstätte gewährleistet<br />

werden kann.<br />

1 1 Beschäftigtenstatistik der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit, Quelle Berufsbildungsbericht der B<strong>und</strong>esregierung


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht als Zweck des Gesetzes die Sicherung des Fachkräftenachwuchs<br />

<strong>und</strong> der Berufsausbildungschancen der jungen Generation, um über das Fachkräftepotential die<br />

Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu gewährleisten. Dies reicht nicht aus. Vielmehr muss deutlich<br />

werden, dass mit dem Gesetz der Anspruch von Art. 12 GG nach freier Wahl des Berufs <strong>und</strong> der Ausbildungsstätte<br />

gesichert werden soll.<br />

1) Das geplante Gesetz zur Ausbildungsumlage muss tariflichen oder<br />

branchenbezogenen Lösungen rechtssicher Vorrang geben <strong>und</strong> vorhandene<br />

Regelungen berücksichtigen.<br />

Für den <strong>DGB</strong> haben tarifvertragliche oder Branchenregelungen Vorrang, um ein solidarisches System<br />

der Finanzierung aufzubauen. Den Tarifparteien obliegt es dann, Regelungen zu finden, das Angebot<br />

an betrieblicher Ausbildung zu steigern. Sie kennen den Bedarf am besten <strong>und</strong> können maßgeschneiderte<br />

Lösungen entwickeln. Die Bauwirtschaft bietet mit ihrem seit 1976 bestehenden tarifvertraglich<br />

gesicherten Fonds ein gutes Beispiel. Ebenso hat die IG BCE durch Tarifverträge dazu beigetragen,<br />

das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen zu steigern.<br />

§ 13 des Gesetzentwurfs, Vorrang tarifvertraglicher Regelungen, intendiert, Lösungen, wie sie die<br />

IG BAU <strong>und</strong> die IG BCE aufweisen, besonders zu berücksichtigen. Der <strong>DGB</strong> sieht dies als unerlässlich<br />

an. Es muss aber noch deutlicher gemacht werden, was die Formulierung »nach Zweck <strong>und</strong> Wirkung<br />

diesem Gesetz gleichwertig« bedeutet. Vor allem die Auslegung des Begriffs »Wirkung« muss klar<br />

umschrieben werden – nach Auffassung des <strong>DGB</strong> geht es dabei um die Gesamtheit der Auswirkungen<br />

der jeweiligen Regelungen bzw. Vereinbarungen. Dem Umlagemodell der Bauwirtschaft darf beispielsweise<br />

keine Quotenregelung vorgeschrieben werden. Ebenso darf der Begriff der Wirkung nicht<br />

so ausgelegt werden, dass in einem Tarifbereich jeder einzelne Betrieb durch eine Umlage erfasst sein<br />

muss. Die IG BCE hat Tarifverträge vereinbart, die eine jährliche Steigerung des Ausbildungsplatzangebotes<br />

von 1,7% in den Jahren 2004 bis 2007 für die Gesamtheit der tarifvertraglich erfassten Betriebe<br />

vorsieht. Diese Betriebe müssen ebenfalls von der gesetzlichen Umlage ausgenommen werden.<br />

Im Interesse einer eindeutigen Auslegung des Gesetzes schlägt der <strong>DGB</strong> vor, § 13 Abs. 1, Satz 1,<br />

zweiter Halbsatz, zu ersetzen durch die Formulierung:<br />

»die nach Zweck, Wirkung oder der finanziellen Belastung der vom Tarifvertrag erfassten Arbeitgeber<br />

diesem Gesetz gleichwertig sind«<br />

Um die gesetzgeberische Intention weiter zu verdeutlichen, sollte in der Gesetzesbegründung zu<br />

§ 13 Abs. 1 folgender Satz eingefügt werden:<br />

»Diese Voraussetzungen erfüllen derzeit jedenfalls die Tarif- <strong>und</strong> Berufsbildungsverträge des Bauhauptgewerbes,<br />

des Garten-, Landschafts- <strong>und</strong> Sportplatzbaus, des Dachdeckerhandwerks sowie der<br />

Ausbildungsförderungstarifvertrag der chemischen Industrie in den zur Zeit geltenden Fassungen«.<br />

Diese Ergänzung könnte zudem helfen, anderen Tarifvertragsparteien Modelle für als Ausnahmen<br />

gemäß § 13 akzeptierte Tarifverträge an die Hand zu geben.<br />

Zudem muss im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geregelt werden, wo die Tarifvertragsparteien<br />

künftig mitteilen können, dass sie Regelungen im Sinne des § 13 BerASichG abgeschlossen haben<br />

<strong>und</strong> wer letztlich darüber entscheidet, ob die gesetzlich gegebenen Kriterien erfüllt sind.<br />

2) Ausreichende Bemessungsgr<strong>und</strong>lage<br />

Die Förderung <strong>und</strong> Finanzierung nach dem Gesetz soll durchgeführt werden, wenn am 30. September<br />

eines Jahres die Anzahl der bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit b<strong>und</strong>esweit gemeldeten unbesetzten<br />

Berufsausbildungsstellen diejenige der noch nicht vermittelten Bewerber für Berufsausbildungsstellen<br />

um weniger als 15 % übersteigt. (vgl. § 3 Abs. 1).<br />

Der <strong>DGB</strong> erachtet diese Bemessungsgr<strong>und</strong>lage als viel zu gering. Die Zahl der zum 30. September<br />

eines Jahres gemeldeten noch nicht vermittelten Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerber ist nur die Spitze des<br />

Eisberges. Nicht berücksichtigt sind hierbei junge Menschen, die sich als Unqualifizierte auf dem Arbeitsmarkt<br />

bewerben nachdem sie sich ohne Erfolg um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sich mit<br />

Ersatzmaßnahmen abgef<strong>und</strong>en haben, ihre Bewerbung aber aufrecht erhalten. Die Zahl der erfolglosen<br />

Lehrstellensuchenden kann deswegen nicht mit der Zahl der noch nicht vermittelten Bewerberinnen<br />

<strong>und</strong> Bewerber gleichgesetzt werden.<br />

In der Begründung des Gesetzentwurfes wird darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeber bei einer<br />

Erhöhung auf eine Ausbildungsquote von sieben Prozent jährlich etwa 100.000 junge Menschen mehr<br />

ausbilden müssten. Dieses Potential sei auch vorhanden: 35.000 <strong>Jugend</strong>liche, die nicht vermittelt wur-<br />

ANHANG<br />

43


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

44 ANHANG<br />

den, gut 17.000 <strong>Jugend</strong>liche in öffentlich finanzierter außerbetrieblicher Ausbildung, r<strong>und</strong> 46.000 <strong>Jugend</strong>liche,<br />

die nach der Statistik der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit (BA) in Alternativen ausgewichen sind,<br />

ihren Wunsch zur Vermittlung in betriebliche Ausbildung aber ausdrücklich aufrechterhalten.<br />

Der <strong>DGB</strong> unterstützt diese Darstellung der Situation in der Begründung ausdrücklich, sieht aber<br />

einen Widerspruch zum Gesetzestext, der bei der Förderung <strong>und</strong> Finanzierung nur mit der Anzahl der<br />

in der BA-Statistik am 30. September ausgewiesenen noch nicht vermittelten Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerber<br />

nach Berufsausbildungsstellen rechnet.<br />

3) Ausbildungsquote von sieben Prozent<br />

Der Gesetzentwurf geht von einer Ausbildungsquote aus, die bei sieben Prozent liegen müsse. Diese<br />

Quote ist dem besonderen Ansatz des Gesetzes geschuldet, Arbeitgeber mit weniger als 10 Beschäftigten<br />

von der Abgabepflicht zu befreien. Gerade viele Großbetriebe erfüllen die Quote nicht, <strong>und</strong><br />

deshalb müssen sie besonders dazu motiviert werden, eigene Ausbildungsleistungen zu steigern. Aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> müssen Regelungen gef<strong>und</strong>en werden, die den Großbetrieben einen Anreiz geben, die<br />

Ausbildungsquote zu erhöhen.<br />

Um nicht Gefahr zu laufen, reine Auszubildendenbetriebe zu fördern, fordert der <strong>DGB</strong> eine Obergrenze<br />

bei der Rückvergütung <strong>und</strong> Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze. Das Berufsausbildungssicherungsgesetz<br />

darf nicht dazu führen, Betriebe, die einseitige Vorteile aus der Ausbildung von jungen Menschen<br />

ziehen wollen, zu belohnen. § 5 des Gesetzentwurfs sollte daher entsprechend geändert werden.<br />

4) Auslösemechanismus<br />

Die Auslösung der Förderung <strong>und</strong> Finanzierung muss nach dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf<br />

durch die B<strong>und</strong>esregierung mittels Kabinettsbeschluss festgestellt werden. Für das Verfahren wird<br />

darauf verwiesen, dass (vgl. § 3) am Stichtag die Anzahl der bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit b<strong>und</strong>esweit<br />

gemeldeten unbesetzten Berufsausbildungsstellen diejenige der noch nicht vermittelten Bewerber<br />

für Berufsausbildungsstellen um weniger als 15 % übersteigt, kurzfristig eine wesentliche Verbesserung<br />

auf dem Ausbildungsstellenmarkt durch Bereitstellung der erforderlichen Anzahl zusätzlicher<br />

betrieblicher Ausbildungsplätze nicht zu erwarten ist <strong>und</strong> der mit der Förderung <strong>und</strong> Finanzierung<br />

nach diesem Gesetz verb<strong>und</strong>ene Verwaltungsaufwand im Hinblick auf die erforderliche Anzahl<br />

zusätzlicher Ausbildungsplätze angemessen ist.<br />

Es besteht die Gefahr, dass durch diese Bestimmungen die B<strong>und</strong>esregierung die Auslösung nach<br />

Gusto verzögern oder gar »manipulieren« kann. Es müssen daher verbindliche Bestimmungen für die<br />

Auslösung der Förderung <strong>und</strong> Finanzierung formuliert werden. Das entscheidende Kriterium für die<br />

Auslösung des Verfahrens muss die festgestellte Ausbildungsplatzlücke sein. Deshalb können in § 3<br />

Abs. 1 die Nummern 2 <strong>und</strong> 3 gestrichen werden.<br />

5) Beirat<br />

Der vorgesehene Beirat (§20) muss strukturpolitische Aufgaben bei der Vergabe von Fördermitteln erhalten.<br />

Er muss über Kompetenzen verfügen, die darauf abzielen, Qualitätsfragen der Berufsausbildung<br />

zu beachten.<br />

Darüber hinaus fordert der <strong>DGB</strong>, die Zusammensetzung des Beirats zu überprüfen. Es ist nicht<br />

nachvollziehbar, warum B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder im Beirat Stimmrecht erhalten sollen. Die Arbeit des Beirats<br />

sollte maßgeblich von Vertretungen der Akteure gestaltet werden, die auch bei der Umsetzung des<br />

Gesetzes die Verantwortung tragen. Das sind in erster Linie die Arbeitgeber <strong>und</strong> die Arbeitnehmer.<br />

6) Förderung außerbetrieblicher Ausbildungsplätze<br />

Der Gesetzentwurf (§ 5 Abs. 2) sieht vor, sofern die im Fonds vorhandenen Mittel durch die Maßnahmen<br />

nicht ausgeschöpft sind, außerbetriebliche Ausbildungsplätze mit hohen betrieblichen Anteilen<br />

in der praktischen Ausbildung zu fördern. Der <strong>DGB</strong> fordert die Streichung dieses Passus.<br />

Die finanzielle Förderung außerbetrieblicher Ausbildung durch das BerASichG darf nicht das Gesetzgebungsziel<br />

konterkarieren, durch finanzielle Förderung mehr betriebliche Ausbildungsplätze zu generieren<br />

<strong>und</strong> mehr betriebliche Ausbildungsbereitschaft zu wecken. Der Gesetzentwurf weist zu Recht darauf<br />

hin, dass mittlerweile deutlich mehr als 10 % aller Ausbildungsverhältnisse in außerbetrieblichen, öffentlich<br />

geförderten Ausbildungsstätten abgeschlossen werden. Die Förderung von weiteren außerbetrieblichen<br />

Ausbildungsplätzen durch den Fonds würde diesen Prozess noch beschleunigen. Dies würde<br />

das Ziel des Gesetzes, die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze zu steigern, unterlaufen.


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Die Berufsbildungsabgabe in der deutschen<br />

<strong>und</strong> amerikanischen Bauwirtschaft <strong>und</strong> in<br />

Dänemark sowie die Weiterbildungsabgabe<br />

in Frankreich<br />

Prof. Dr. Gerhard Bosch, aus: Stellungnahme zum Entwurf des Berufsausbildungssicherungsgesetzes<br />

(BT-Drs. 15/2820) vom 23. April 2004<br />

1. In Dänemark wird seit 1989 eine Abgabe von allen Unternehmen zur Finanzierung der Erstausbildung<br />

erhoben. Die Unternehmen, die ausbilden, erhalten die Ausbildungsvergütungen während der<br />

Berufsschultage erstattet. Außerdem werden aus dem Fonds zusätzliche Ausbildungsplätze finanziert,<br />

wenn die Unternehmen kein ausreichendes Angebot bereitstellen. Zusätzlich werden Auslandsaufenthalte<br />

von Auszubildenden <strong>und</strong> die regionale Mobilität von Auszubildenden gefördert. Jedes Jahr wird<br />

die Abgabe in Abhängigkeit der Ausgaben festgelegt; die Höhe variiert je nach Konjunkturlage. Sie<br />

lag zum Beispiel 1999 bei r<strong>und</strong> 150 € pro Beschäftigten pro Jahr. Der Fonds wird von den Sozialpartnern<br />

verwaltet. Die Reform war mit einem gr<strong>und</strong>legenden Umbau des dualen Systems verb<strong>und</strong>en,<br />

wozu auch eine starke Reduzierung der Zahl der Berufe <strong>und</strong> eine vorgeschaltete <strong>und</strong> staatlich finanzierte<br />

Gr<strong>und</strong>ausbildung gehört, an der die <strong>Jugend</strong>lichen je nach Ausgangsvoraussetzungen zwischen<br />

10 <strong>und</strong> 60 Wochen teilnehmen (Gade 2001, Danish Ministry of Education 2000).<br />

2. Im deutschen Bauhauptgewerbe haben die Sozialpartner einen Tarifvertrag mit einer Umlage<br />

von 1,6 % der Lohnsumme vereinbart, der für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Die Abgabe wird<br />

an eine der beiden Sozialkassen des Baugewerbes abgeführt. Die Betrieb erhalten im ersten Jahr das<br />

Zehnfache, im zweiten das Sechsfache <strong>und</strong> im dritten das Einfache einer monatlichen Ausbildungsvergütung<br />

erstattet. Zusätzlich werden die Ausbildungskosten der überbetrieblichen Ausbildungsstätten<br />

überwiesen (Bosch/Zühlke 2000, Kapitel 6). Auch hier war die Einführung der Umlagefinanzierung<br />

im Jahre 1975 mit einer umfassenden Reform der Ausbildung verb<strong>und</strong>en. Die Ausbildung beginnt<br />

mit einer berufsübergreifenden Gr<strong>und</strong>ausbildung <strong>und</strong> ein Drittel der Ausbildung wurde in überbetriebliche<br />

Ausbildungsstätten verlegt. Die starke Kostenentlastung der ausbildenden Betriebe erhöhte<br />

die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe. Die Ausbildungsquote, die vor der Reform auf den<br />

Tiefpunkt von 1,8 % gesunken war, konnte deutlich erhöht werden. Selbst in der Baukrise der letzten<br />

Jahre, in der die Branche mehr als ein Drittel ihrer Beschäftigten verlor, lag die Ausbildungsquote mit<br />

7,9 % in Westdeutschland (7,0 % Ost) noch erheblich über dem Durchschnitt von 4,6 % (Ost 6,2 %)<br />

(BMBF: 109) 1 .<br />

3. In der US-amerikanischen Bauwirtschaft haben Gewerkschaften <strong>und</strong> Arbeitgeber tarifvertraglich<br />

eine Abgabe für Ausbildungsprogramme vereinbart, die sie gemeinsam organisieren <strong>und</strong> die betrieblich<br />

<strong>und</strong> überbetrieblich durchgeführt werden. R<strong>und</strong> 80 % der Auszubildenden in der Bauwirtschaft<br />

werden in solchen gemeinsamen Programmen ausgebildet. Der tariflich nicht geb<strong>und</strong>ene Teil<br />

der Bauwirtschaft beschäftigt zwar 70 % der Arbeitskräfte, bildet aber nur 18 % der Lehrlinge aus.<br />

Vor allem bildet er weitgehend nur Elektriker <strong>und</strong> Klempner aus, da hier der Markteintritt an eine<br />

Qualifizierung geb<strong>und</strong>en ist. In den USA kann der Effekt von Umlagen auf das Ausbildungsverhalten<br />

an Hand von Realexperimenten überprüft werden. In r<strong>und</strong> 60 % der US-Staaten gelten für öffentliche<br />

Bauaufträge Tariftreuegesetze. Sie besagen, dass die Angebote bei Ausschreibungen von öffentlichen<br />

Aufträgen mit den jeweiligen ortsüblichen Löhnen der Bauwirtschaft kalkuliert werden müssen. Gilt<br />

kein Vergabegesetz, muss man sich nicht an der Umlage beteiligen. Die Gründe für die Einführung<br />

von Vergabegesetzen waren nicht nur sozialpolitischer Natur. Die Baubranche sollte auch das Image<br />

einer Niedriglohnbranche verlieren <strong>und</strong> auch Ausbildung <strong>und</strong> Investitionen in technische Neuerungen<br />

finanzieren können. In den letzten Jahrzehnten sind die Vergabegesetze in einigen Staaten abgeschafft<br />

<strong>und</strong> zum Teil nach enttäuschenden Erfahrungen (Steigerungen der Baukosten wegen unzureichender<br />

Innovation) wieder eingeführt worden. In Staaten mit einem Vergabegesetz liegt die Ausbil-<br />

1 Obwohl die Zahl der Beschäftigten seit 1995 von 1,4 Mio. auf r<strong>und</strong> 800.000 zurückgegangen ist, konnte im<br />

Baubereich nach Angaben der IG BAU eine Ausbildungsquote von 5,8 % gesichert werden. Damit entspricht<br />

sie annähernd der durchschnittlichen Ausbildungsquote ohne außerbetriebliche Ausbildungsverhältnisse, die<br />

bei knapp 6 % liegt. (Anmerkung von Hermann Nehls)<br />

ANHANG<br />

45


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

46 ANHANG<br />

dungsquote erheblich höher als in Staaten ohne Vergabegesetz. In Staaten, die ihr Vergabegesetz<br />

aufgehoben haben, hat sich die Ausbildungsquote mehr als halbiert. Dass die Unterschiede zwischen<br />

den Staaten nicht noch deutlicher sind, liegt daran, dass auch in Staaten ohne Vergabegesetze Teile<br />

der Beschäftigten von Tarifverträgen erfasst werden. Die Aufhebung von Vergabegesetzen <strong>und</strong> die<br />

Flucht aus den Tarifverträgen <strong>und</strong> der Umlagefinanzierung haben in der amerikanischen Bauwirtschaft<br />

zu einem besorgniserregenden Fachkräftemangel geführt. Der Business Ro<strong>und</strong>table, eine Organisation<br />

großer Firmen, die Bauleistungen nachfragen, schrieb 1997: »Die Bauunternehmen haben<br />

inzwischen einen erheblichen Fachkräftemangel, der sich in steigenden Kosten <strong>und</strong> kostspieligen Verzögerungen<br />

bei der Fertigstellung von Bauwerken niederschlägt. (…) Der tariflich geb<strong>und</strong>ene Sektor<br />

hat durch die gemeinsamen Ausbildungsprogramme immer für eine exzellente Ausbildung von Fachkräften<br />

gesorgt. Der nicht geb<strong>und</strong>ene Sektor hat nicht in dem nötigen Maß in Ausbildung investiert.<br />

Er hat erfolgreich Arbeitskräfte aus dem tarifgeb<strong>und</strong>enen Bereich abgeworben. (…) Da diese Quelle<br />

nun austrocknet, erschöpfen sich diese Möglichkeiten. Deshalb ist über die letzten Jahre das Thema<br />

Finanzierung immer wieder hochgekommen.« (Philips 2003)<br />

4. In Frankreich wurden Anfang der 70er Jahre Umlagen zur Finanzierung der Weiterbildung eingeführt.<br />

In der jüngsten Reform des Systems einigten sich Sozialpartner <strong>und</strong> Staat einvernehmlich auf<br />

eine Heraufsetzung der Umlage. Betriebe mit mehr als 10 Beschäftigten müssen 1,6 % ihrer Bruttolohnsumme<br />

für Weiterbildung aufwenden. 1,0 % entfallen auf den betrieblichen Weiterbildungsplan<br />

<strong>und</strong> werden nur dann an einen von den Sozialpartnern verwalteten Branchenfonds abgeführt, wenn<br />

die nachweisbaren Aufwendungen des Betriebes für Weiterbildung unterhalb dieser Grenze bleiben.<br />

Dabei haben die Betriebe die Möglichkeit eines Nachweises über mehrere Jahre. Die restlichen 0,6 %<br />

werden für individuellen Bildungsurlaub <strong>und</strong> Integrationsmaßnahmen für <strong>Jugend</strong>liche an einen Fonds<br />

gezahlt. Kleinbetriebe mit weniger als 10 Beschäftigten müssen 0,45 % (ab 2005 0,55 %) der Lohnsumme<br />

vollständig an einen Fonds abführen. Die meisten Betriebe investieren erheblich mehr in Weiterbildung<br />

als für den betrieblichen Weiterbildungsplan gefordert, <strong>und</strong> sind von dieser Abgabe befreit.<br />

In einigen Branchen organisieren die Betriebe über den Fonds ihre Weiterbildung gemeinsam<br />

auf überbetrieblicher Ebene. Die umfangreiche französische Forschung ist sich einig, dass das Umlagesystem<br />

in Frankreich zu einer Erhöhung der Weiterbildungsinvestitionen <strong>und</strong> -beteiligung geführt<br />

hat (Bosch 2003, Drexel 2003). Mit der letzten Reform Ende 2003 wurde nicht nur die Umlage erhöht,<br />

sondern auch ein individueller Anspruch auf berufliche Bildung von 20 St<strong>und</strong>en pro Jahr für jeden<br />

Beschäftigten vereinbart, der sich in fünf Jahren bis auf 100 St<strong>und</strong>en addieren <strong>und</strong> bei Entlassungen<br />

aus ökonomischen Gründen auch in andere Betriebe mitgenommen werden kann. Solche weitreichenden<br />

Beschlüsse konnten ohne die deutsche Aufgeregtheit bei diesem Thema gefasst werden,<br />

da sich die Unterzeichner einig waren, dass sich die französische Wirtschaft im internationalen Wettbewerb<br />

nur behaupten kann, wenn sie mehr in berufliche Bildung investiert <strong>und</strong>, dass Appelle an<br />

freiwillige Verpflichtungen alleine nicht fruchten.<br />

Die Erfahrungen dieser <strong>und</strong> anderer internationaler Beispiele erschüttern einige Glaubenssätze der<br />

deutschen Debatte:<br />

Unternehmen kaufen sich in Umlagesystemen keineswegs von der Ausbildung frei. In den genannten<br />

Beispielen sind die Anreize so gesetzt, dass die ökonomischen Antriebe zur Aus <strong>und</strong> Weiterbildung<br />

für die Betriebe erhöht werden. Die Betriebe handeln ökonomisch rational <strong>und</strong> reagieren auf<br />

diese Anreize. Die in Deutschland üblichen Vergleiche mit der Schwerbehindertenabgabe, von der<br />

sich in der Tat viele Betriebe freikaufen, greifen nicht, da es sich bei betrieblichen Bildungsinvestitionen<br />

um Investitionen im eigenen Interesse handelt. Die Gegner einer Ausbildungsplatzabgabe – darunter<br />

auch viele ausgebildete Ökonomen – unterstellen fälschlicherweise, dass die Betriebe aus Trotz<br />

gegenüber einer unerwünschten politischen Rahmensetzung nicht mehr im eigenen Interesse handeln.<br />

Das dänische <strong>und</strong> das französische Modell enthalten neben den unmittelbaren Anreizen für die<br />

Unternehmen auch Abgaben für überbetriebliche Maßnahmen. Im Unterschied zu allgemeinen Steuern<br />

fließen diese Mittel aber nicht dem Staatshaushalt zu, sondern werden gezielt für Bildung verwendet<br />

<strong>und</strong> von den Sozialpartnern gestaltet. Die Dänen haben den Handlungsspielraum der Sozialpartner<br />

dabei noch erheblich erweitert <strong>und</strong> sogar die Berufsschulen teilweise in ihre Hände gegeben<br />

(Gade 2001). Die Entstaatlichung wurde zur Stärkung der Sozialpartner genutzt.<br />

Das Bürokratieargument, das häufig angeführt wird, ist zwar nicht gänzlich von der Hand zu weisen,<br />

es kann aber gezeigt werden, dass Fonds sehr effektiv organisiert sein können. In Frankreich sind<br />

die Verwaltungskosten z.B. auf 5 % beschränkt <strong>und</strong> die Sozialkassen des deutschen Baugewerbes<br />

sind für ihre geringen Verwaltungskosten bekannt.


Eine Reform der Finanzierung ist in den meisten Fällen mit einer Reform des Gesamtsystems verb<strong>und</strong>en<br />

ist, da es nicht allein um die Ausbildungsquoten, sondern vor allem auch um die Qualität<br />

geht. Nur durch eine verbesserte Qualität der Ausbildung steigt die Produktivität <strong>und</strong> rechnet sich<br />

eine Bildungsinvestition für die Betriebe. Wenn die Produktivität steigt, sinken die Lohnstückkosten<br />

<strong>und</strong> das Argument höherer Lohnnebenkosten ist hinfällig.<br />

Literatur<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Bosch, G. (2003): »Lebenslanges Lernen« als »freiwillige Pflicht«: Fonds zur Finanzierung beruflicher Weiterbildung<br />

in Frankreich. Internet-Dokument. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit <strong>und</strong> Technik. IAT-Report, Nr. 2003-08<br />

Bosch, G./ Zühlke-Robinet, K. (2000): Der Bauarbeitsmarkt: Soziologie <strong>und</strong> Ökonomie einer Branche. Frankfurt:<br />

Campus-Verlag<br />

BMBF (2003): Berufsbildungsbericht, Berlin<br />

BMBF (2004): Infopaket Ausbildung, Ausgewählte Aspekte der Ausbildungssituation im dualen System, Berlin<br />

Drexel, I. (2003): Das System der Finanzierung beruflicher Weiterbildung in Frankreich – Analyse <strong>und</strong> Schlussfolgerungen.<br />

Ein Gutachten im Auftrag von IG Metall <strong>und</strong> Ver.di, München<br />

Gade, H.H. (2001): Reform der beruflichen Bildung <strong>und</strong> lebenslanges Lernen, in: Herzberg u.a. (Hrsg.), Bildung<br />

schafft Zukunft, Hamburg<br />

Danish Ministry of Education (Ed.) (2000): New structure of the Danish Vocational Education and Training system.<br />

http://www.uvm.dk/pub/2000/newstructure/<br />

Philipps, P. (2003): The US: A tale of two cities. In: Bosch, G. / Philipps, P. (Hrsg.): Building chaos: an international<br />

comparison of deregulation in the construction industry. London: Routledge<br />

ANHANG<br />

47


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

48 ANHANG<br />

Ein zuverlässiges Angebot an<br />

Ausbildungsplätzen für junge Menschen<br />

Erläuterungen zur Ausgestaltung einer Ausbildungsumlage,<br />

Stand: 3. März 2004, <strong>DGB</strong><br />

Die Ausgangslage: Das duale Ausbildungssystem ist in Gefahr<br />

Ausbildung ist die Voraussetzung, um den Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Junge Menschen<br />

ohne Ausbildung laufen Gefahr, beruflich <strong>und</strong> persönlich ins Abseits zu geraten. Dies zu verhindern<br />

ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe ersten Ranges.<br />

Die Wirtschaft hat es über viele Jahre nicht geschafft, ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen<br />

bereit zu stellen <strong>und</strong> ist damit der ihr übertragenen Verantwortung nicht gerecht geworden.<br />

Die Zahl der Lehrstellenangebote ist seit Beginn des Vermittlungsjahres 2003/2004 weiter gesunken.<br />

Das lässt auch für dieses Jahr ein erhebliches Defizit an Ausbildungsplätzen befürchten. Das Ausbildungsjahr<br />

2002/2003 ist bereits mit einem fatalen Ergebnis zu Ende gegangen: R<strong>und</strong> 200.000 betriebliche<br />

Lehrstellen fehlten. Trotz aller Versprechungen der Wirtschaft gab es sogar weniger Ausbildungsplätze<br />

als in den letzten vier Jahren.<br />

Nur noch etwa 23 Prozent der Betriebe 1 bilden aus. 77 Prozent profitieren davon, dass andere<br />

ihre künftigen Mitarbeiter qualifizieren, ohne sich selbst an den Kosten zu beteiligen. Etwa 700.000<br />

Betriebe könnten zusätzlich ausbilden. Tatsache ist, dass Ausbildungskapazitäten zurückgefahren<br />

wurden. Das System der dualen Ausbildung ist dadurch massiv bedroht. Das bedeutet, B<strong>und</strong>, Länder,<br />

Kommunen <strong>und</strong> die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit müssen mit öffentlichen Mitteln Ausbildungsplätze finanzieren<br />

<strong>und</strong> schulische Angebote oder Ersatzmaßnahmen bereitstellen. Im vergangenen Jahr wurden<br />

über 60.000 der 560.000 von den Unterenehmen neu abgeschlossenen Lehrverträgen voll aus<br />

öffentlichen Mitteln finanziert. Weil nur noch 47% eines Bewerberjahrganges einen betrieblichen<br />

Ausbildungsplatz erhalten, springt der Staat mit Milliarden ein.<br />

Ausbildungsplatzinitiativen aller B<strong>und</strong>esregierungen gemeinsam mit Gewerkschaften <strong>und</strong> Arbeitgebern<br />

haben zwar kurzfristig zur Mobilisierung weiterer Ausbildungsplätze beigetragen, das strukturelle<br />

Problem des Mangels aber nicht behoben.<br />

Ausweg Ausbildungsumlage<br />

Um das weltweit geschätzte deutsche Modell der dualen Berufsausbildung zu sichern <strong>und</strong> damit h<strong>und</strong>erttausenden<br />

junger Menschen bessere Zukunftschancen zu bieten, setzt sich der <strong>DGB</strong> für eine Ausbildungsumlage<br />

ein. Sie soll die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen <strong>und</strong> die Kosten für die Ausbildung<br />

gerechter als bisher auf mehr Schultern verteilen.<br />

Dabei geht es nicht um eine Bestrafung von Betrieben, die nicht ausbilden, sondern allein darum,<br />

mehr Ausbildungschancen zu eröffnen. Die Umlage soll von Betrieben, die nicht oder zu wenig ausbilden,<br />

gezahlt werden, um damit zusätzliche Ausbildung in anderen Betrieben zu finanzieren. Die Arbeitgeber<br />

werden es sich gut überlegen, ob sie zahlen wollen oder stattdessen lieber selber ausbilden.<br />

Für Betriebe, die bereits über Bedarf ausbilden, ist die Umlage ein finanzieller Anreiz, weitere<br />

Ausbildungsplätze zu schaffen.<br />

Für den <strong>DGB</strong> haben tarifvertragliche oder Branchenregelungen Vorrang, um ein solidarisches System<br />

der Finanzierung aufzubauen. Den Tarifparteien obliegt es dann, Regelungen zu finden, das Angebot<br />

an betrieblicher Ausbildung zu steigern. Die Branchen kennen den Bedarf am besten <strong>und</strong> können<br />

maßgeschneiderte Lösungen entwickeln. Die Bauindustrie bietet mit ihrem seit 1976 bestehenden<br />

Fonds ein gutes Beispiel.<br />

Für Betriebe, die sich keinem Tarif- oder Branchenfonds zuordnen, muss es eine gesetzliche Umlage<br />

geben.<br />

1 Beschäftigtenstatistik der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit, Quelle Berufsbildungsbericht der B<strong>und</strong>esregierung


Erhebung der Umlage <strong>und</strong> Kosten<br />

Die Erhebung der Umlage muss möglichst unbürokratisch erfolgen. Eine neue Behörde ist dafür nicht<br />

notwendig. Die solidarische Umlagefinanzierung kann von bestehenden Einrichtungen (z.B. Berufsgenossenschaft<br />

oder B<strong>und</strong>esverwaltungsamt) durchgeführt werden. Eigene Ausbildungsleistungen der<br />

Betriebe sollen angerechnet werden, um den Kapitalfluss zu reduzieren.<br />

Die Höhe der Umlage orientiert sich an der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen <strong>und</strong> wird jedes<br />

Jahr neu festgelegt. Die Gesamtzahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze muss so groß<br />

sein, dass allen Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerbern eine vernünftige Auswahl zur Verfügung steht. Ein<br />

junger Mensch aus Bayern, der Fleischer werden will, soll nicht nach Kiel gehen müssen, um dort<br />

Bäcker zu lernen.<br />

<strong>Jugend</strong>liche sollten unter arbeitsmarktrelevanten Ausbildungsberufen wählen können. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

hat in seinem Urteil von 1980 festgestellt, dass die Wahlmöglichkeit dann gegeben<br />

ist, wenn das Angebot an Ausbildungsplätzen um 12,5 % über der Nachfrage liegt. Liegt der<br />

Bedarf unterhalb des Angebots (z.B. wegen geburtenschwacher Jahrgänge) tritt das Gesetz nicht in<br />

Kraft.<br />

Klein- oder Kleinstbetriebe (beispielsweise bis fünf Beschäftigte) sollen von der Regelung ausgenommen<br />

werden. Das gleiche gilt für Unternehmensneugründungen mit bis zu fünf Beschäftigten.<br />

Sie sollen für einen Zeitraum von drei Jahren freigestellt sein.<br />

Das Verfahren<br />

Für den <strong>DGB</strong> sind zwei Varianten denkbar:<br />

1. Die Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungen zahlen einen festzulegenden Prozentsatz gemessen an ihrer<br />

Bruttoentgeltsumme. Eigene Ausbildungsaufwendungen werden mit einer Pauschale (derzeit 8.705,-<br />

€ pro Ausbildungsplatz) angerechnet. Das sind die vom B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung errechneten<br />

Bruttokosten abzüglich der Ausbildungserträge.<br />

2. Die B<strong>und</strong>esregierung berechnet die Ausbildungsquote zur Deckung der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen<br />

(z.B. 6,5 % im Verhältnis zur Beschäftigtenzahl). Wer die Quote gemessen an der Zahl<br />

der Beschäftigten nicht erreicht, zahlt die Netto-Ausbildungskosten für die Auszubildenden, die er beschäftigen<br />

müsste.<br />

Verwendung der Fondsmittel<br />

Die Mittel im Ausbildungsfonds sollen gruppennützig für andere Betriebe verwendet werden. Betriebe,<br />

die bereits über einer bestimmten Quote ausbilden, können einen festen Betrag für jeden zusätzlichen<br />

Ausbildungsplatz erhalten.<br />

Sollten die Mittel im Fonds durch die Anträge von Betrieben nicht ausgeschöpft werden, können<br />

damit andere Maßnahmen zur Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen ergriffen werden. Die restlichen<br />

Fondsmittel werden vergeben für<br />

die Förderung von Ausbildungsverbünden,<br />

die Einrichtung von außerbetriebliche Ausbildungsplätzen.<br />

Festlegung des Finanzbedarfs<br />

Das B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung (BIBB) ermittelt jährlich im Rahmen des Berufsbildungsberichtes<br />

der B<strong>und</strong>esregierung die für die Festlegung des Finanzbedarfs erforderlichen Daten.<br />

Ausbildung im Öffentlichen Dienst<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Für den Bereich des Öffentlichen Dienstes muss ein besonderes Gesetz zur Finanzierung von Ausbildung<br />

in Angriff genommen werden.<br />

ANHANG<br />

49


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

50<br />

ANHANG<br />

Die häufigsten Einwände<br />

gegen eine Ausbildungsumlage –<br />

<strong>und</strong> was der <strong>DGB</strong> dazu sagt<br />

18. Februar 2004<br />

1. Mit einer Ausbildungsumlage lassen sich keine zusätzlichen<br />

betrieblichen Ausbildungsplätze schaffen.<br />

<strong>DGB</strong>:<br />

Nur noch 23 % der 2,1 Mio. Betriebe in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland bilden aus. Dabei sind 56 %<br />

zur Berufsausbildung berechtigt. Demnach könnten fast 700.000 Betriebe zusätzlich ausbilden. Die<br />

Ausbildungsumlage sorgt dafür, dass der Anreiz auszubilden steigt. Viele Betriebe werden es sich<br />

überlegen, ob es nicht besser ist, das Geld für die Umlage lieber in die eigene Ausbildung zu stecken.<br />

Wer aber lieber zahlen will, trägt immerhin dazu bei, dass dadurch neue Ausbildungsplätze in anderen<br />

Betrieben gefördert werden.<br />

Wie gut die Umlagefinanzierung funktioniert, zeigt sich bei der Bauwirtschaft, die seit Jahrzehnten<br />

ein Modell auf tarifvertraglicher Gr<strong>und</strong>lage praktiziert. Obwohl die Zahl der Beschäftigten seit<br />

1995 von 1,4 Mio. auf r<strong>und</strong> 800.000 zurückgegangen ist, konnte im Baubereich eine Ausbildungsquote<br />

von 5,8 % gesichert werden.<br />

2. Die Ausbildungsumlage führt nur dazu, dass sich die Betriebe<br />

von ihrer Ausbildungspflicht freikaufen<br />

<strong>DGB</strong>:<br />

Die Gegner der Ausbildungsumlage tun so, als ob die Ausbildungsumlage sogar zu weniger Ausbildungsplätzen<br />

führen würde. Aber warum sollte ein Arbeitgeber, der bisher freiwillig ausbildet, wegen<br />

der Umlage daran etwas ändern? Die Ausbildungsumlage kommt gerade den ausbildenden Betrieben<br />

zugute, weil sie für mehr Gerechtigkeit sorgt. Wer ausbildet, bleibt von der Umlage verschont. Wer<br />

sich vor den Kosten der Ausbildung drückt, muss zahlen. Das befürworten auch die meisten Arbeitgeber:<br />

Laut einer Umfrage des arbeitgebereigenen deutschen Institut für Wirtschaft (IW) sprachen<br />

sich 57,9 % der ausbildenden Betriebe für eine Ausbildungsumlage aus.<br />

3. Eine Umlagefinanzierung führt zu einer neuen Mammutbehörde<br />

<strong>DGB</strong>:<br />

Der <strong>DGB</strong> schlägt vor, auf bestehende Strukturen wie die Berufsgenossenschaften oder das B<strong>und</strong>esverwaltungsamt<br />

zurückzugreifen. Eine neue Behörde ist deshalb nicht nötig. Das Bildungsministerium geht davon<br />

aus, dass mit der Umlage nicht mehr als 150 Menschen befasst werden müssen. In Anbetracht von<br />

200.000 jungen Menschen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz haben, scheint das nicht zu viel.<br />

4. Die Ausbildungsumlage zerstört die duale Berufsausbildung<br />

<strong>DGB</strong>:<br />

Im Gegenteil. Durch die Ausbildungsumlage soll ja gerade der Trend aufgehalten werden, dass immer<br />

weniger junge Menschen einen betrieblichen Ausbildungsplatz erhalten. Nur noch 47% finden Zugang<br />

zum dualen System. Die Ausbildungsumlage wird für ausreichend Mittel sorgen, um mehr Ausbildungsplätze<br />

in den Betrieben zu schaffen.<br />

5. Betriebe werden unzumutbar belastet<br />

<strong>DGB</strong>:<br />

Ausbildung hat für die Betriebe zahlreiche Vorteile. Die Auszubildenden bringen bereits während der<br />

Ausbildung Erträge <strong>und</strong> müssen danach nicht erst lange eingearbeitet werden. Außerdem fragt sich,


was weniger unzumutbar ist: Dass Betriebe, die nicht ausbilden, wenigstens durch eine Umlage für<br />

mehr Ausbildung sorgen oder dass diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe nur von 23 Prozent aller<br />

Betriebe geschultert wird?<br />

Betriebe, denen es nachweislich so schlecht geht, dass sie die Umlage nicht bezahlen können,<br />

sollten davon befreit werden. Das gleiche gilt für Betriebe mit weniger als fünf Mitarbeitern <strong>und</strong> für<br />

Existenzgründer.<br />

6. Viele Betriebe können gar nicht ausbilden oder bekommen<br />

keine geeigneten Bewerberinnen <strong>und</strong> Bewerber<br />

<strong>DGB</strong>:<br />

Die Zahl der Betriebe, die ausbilden können aber nicht wollen, liegt bei r<strong>und</strong> 700.000. Es gibt also<br />

noch ausreichende Kapazitäten für zusätzliche Ausbildungsplätze. Außerdem ist es nicht unbillig, dass<br />

Betriebe, die nicht ausbilden können, trotzdem zahlen. Schließlich profitieren sie davon, dass andere<br />

Betriebe diejenigen Mitarbeiter ausgebildet haben, die sie nun brauchen.<br />

Die Behauptung, es gebe nicht genug geeignete Bewerber, ist häufig vorgeschoben. Die Auswahl<br />

unter den Bewerbern war selten so hoch wie zur Zeit. 1992 konnten 100 Anbieter von Ausbildungsplätzen<br />

unter 108 Schulabgängern auswählen. Im Jahr 2002 unter 158.<br />

7. Der Nutzen einer Ausbildungsumlage steht in keinem<br />

Verhältnis zum Aufwand<br />

<strong>DGB</strong>:<br />

<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Die B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit spricht von 35.000 Menschen, die im Herbst 2003 keinen Ausbildungsplatz<br />

hatten. Das ist schon schlimm genug. In Wirklichkeit lag der Bedarf an zusätzlichen betrieblichen<br />

Ausbildungsplätzen bei 200.000. Die Differenz kommt dadurch zustande, dass die B<strong>und</strong>esagentur<br />

nicht diejenigen mitzählt, die sich mit »Ersatzmaßnahmen« abgef<strong>und</strong>en haben wie berufsvorbereitenden<br />

Maßnahmen oder die ihre Suche gleich ganz aufgegeben haben.<br />

Insgesamt haben etwa 600.000 junge Menschen im Alter von 20 bis 25 Jahren keinen Berufsabschluss.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> scheint kein Aufwand zu groß, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen.<br />

Die Versprechen der Arbeitgeber, auch ohne Ausbildungsumlage genügend Ausbildungsplätze bereit<br />

zu stellen, wurde nicht gehalten. Deshalb muss jetzt der B<strong>und</strong>eskanzler beim Wort genommen werden.<br />

Wir brauchen eine Ausbildungsumlage.<br />

8. Die Versorgungslücke ist wesentlich kleiner, weil viele junge<br />

Menschen nicht ausbildungsreif sind. Betriebe können nicht der<br />

Reparaturbetrieb für Versäumnisse an allgemeinbildenden Schulen<br />

sein.<br />

<strong>DGB</strong>:<br />

Der Vorwurf, dass die Schule viele Schüler mit Bildungsdefiziten entlässt, wird immer dann besonders<br />

laut erhoben, wenn auf dem Ausbildungsmarkt weniger Stellen zur Verfügung stehen. Statt regelmäßig<br />

Defizite zu beklagen ist zu fragen, ob junge Menschen mit schlechteren Startchancen nicht<br />

Wissen <strong>und</strong> Fähigkeiten mitbringen, die den Unternehmen nützen können. Wer richtet zu Hause den<br />

neuen PC ein <strong>und</strong> wer hilft Papi bei der Inbetriebnahme des neuen Handys?<br />

Die Gewerkschaften wenden sich gegen ein Schubladendenken, das jungen Menschen ohne herausragende<br />

Schulabschlüsse oder mit Benachteiligungen aufgr<strong>und</strong> schulischer oder sozialer Herkunft<br />

Entwicklungsmöglichkeiten in zukunftsorientierten Berufen verbaut . Ergebnisse der Begabungsforschung<br />

zeigen, dass mit dem Ansatz einer arbeits- <strong>und</strong> prozessorientierten Berufsausbildung in den<br />

zuletzt neu geordneten Berufen für diese jungen Menschen die Voraussetzungen für lernförderliche<br />

Ausbildungsgestaltung in Schule <strong>und</strong> Betrieb verbessert wurden. Es geht also, wenn man nur will.<br />

ANHANG<br />

51


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

52<br />

ANHANG<br />

»Maßnahmen zur Steigerung<br />

des Ausbildungsangebots«<br />

Tabelle des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln »Maßnahmen<br />

zur Steigerung des Ausbildungsangebots« aus dem Heft IW-Trends,<br />

Ausgabe 2/2003, S. 10


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

Eignung von Maßnahmen zur Erhöhung<br />

des Ausbildungsplatzangebotes<br />

Untersuchung des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung (BIBB) zu Maßnahmen<br />

zur Steigerung des betrieblichen Ausbildungsplatzangebotes<br />

aus dem Heft BWPplus, Ausgabe 1/2003, S. 4<br />

ANHANG<br />

53


<strong>AUSBILDUNGSUMLAGE</strong> – FAKTEN UND ARGUMENTE<br />

54<br />

ANHANG<br />

Eckpunkte zur Novellierung<br />

des Berufsbildungsgesetzes<br />

Beschluss des <strong>DGB</strong>-B<strong>und</strong>esvorstandes vom 7. Oktober 2003, <strong>DGB</strong><br />

1. Im Zuge der Modernisierung der Berufsbildung müssen breit qualifizierende Ausbildungsgänge<br />

Vorrang haben vor spezialisierten Monoberufen. Basis bleibt das Berufskonzept. Der <strong>DGB</strong> fordert die<br />

Gleichwertigkeit der Lernorte Betrieb <strong>und</strong> Berufsschule. Eine stärkere Durchlässigkeit <strong>und</strong> Anschlussfähigkeit<br />

hin zu weiterbildenden Bildungswegen ist zu fördern. Der Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes<br />

muss auf die Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Pflegeberufe erweitert werden.<br />

2. Der <strong>DGB</strong> fordert gleiche Chancen für alle: Anschluss statt Ausschluss in der beruflichen Bildung.<br />

Dazu gehört die Anerkennung von Ausbildungsabschnitten bei vorzeitigem Abbruch der Ausbildung,<br />

die bessere Durchlässigkeit zur Hochschule, vergleichbare Berufswege für Menschen mit Behinderung,<br />

einheitliche Berufsschulpflichten für Auszubildende <strong>und</strong> die Förderung von jungen Menschen<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />

3. Ausbildung <strong>und</strong> Weiterbildung müssen verknüpft werden. Ohne lebensbegleitendes Lernen<br />

verlieren erworbene Kompetenzen <strong>und</strong> Qualifikationen immer schneller an Aktualität. B<strong>und</strong>eseinheitliche<br />

Regelungen in der Weiterbildung, die sich an qualitativen Kriterien orientieren, sind notwendig,<br />

um die Arbeitsmarktchancen zu verbessern <strong>und</strong> das Chaos in der Weiterbildung beseitigen.<br />

4. Die Berufsbildung muss internationaler werden. Dafür müssen die Rahmenbedingungen verbessert<br />

werden. Gefordert ist ein umfassender Ansatz für die Bewertung, Übertragung <strong>und</strong> Sicherung<br />

von Qualifikationen <strong>und</strong> Kompetenzen. Auslandsaufenthalte <strong>und</strong> verbesserte Sprachkompetenzen<br />

sind zu fördern, die die Kenntnisse über andere Kulturen verbessern <strong>und</strong> die Mobilität der Arbeitnehmerinnen<br />

<strong>und</strong> Arbeitnehmer erhöhen.<br />

5. In der Berufsbildung fehlen moderne Qualitätsstandards. Das Berufsbildungsgesetz muss daher<br />

klare Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Mindeststandards festlegen, an denen die Ausbildungsbetriebe gemessen werden.<br />

Auch das Prüfungswesen muss besser in das Berufsbildungsgesetz integriert werden.<br />

6. Wer ausbildet, muss dafür qualifiziert sein. Die B<strong>und</strong>esregierung hat – wider aller Notwendigkeiten<br />

– die Ausbildereignungsverordnung außer Kraft gesetzt. Das Gegenteil ist gefordert: Ausbilderinnen<br />

<strong>und</strong> Ausbilder müssen bessere Möglichkeiten zur Weiterbildung erhalten.<br />

7. Um das System der dualen Ausbildung in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland zu sichern, müssen<br />

sich mehr Betriebe an der beruflichen Bildung beteiligen. Zur Zeit bilden nur 23 Prozent der Betriebe<br />

aus. Der <strong>DGB</strong> fordert ein gerechtes Finanzierungssystem für die Berufsausbildung, das alle Betriebe<br />

<strong>und</strong> Verwaltungen an den Kosten beteiligt.<br />

8. Die Demokratisierung im Bereich der beruflichen Bildung ist zu stärken. Dazu gehört eine Erweiterung<br />

der Kompetenzen der Berufsbildungsausschüsse. Interessenvertretungen der Auszubildenden<br />

müssen auch in außerbetrieblichen Einrichtungen gebildet werden können.<br />

9. Berufsbildung braucht solide statistische Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> wissenschaftliche Forschung. Das jetzige<br />

System der Berufsbildungsforschung liefert keine ausreichenden Entscheidungsgr<strong>und</strong>lagen für<br />

die Berufsbildungspraxis, für die Planung <strong>und</strong> die Politik.<br />

Vollständiger Text: www.bbig-reform.de

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