10.10.2013 Aufrufe

MS-Bro 2005_Kern - Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen

MS-Bro 2005_Kern - Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen

MS-Bro 2005_Kern - Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

33. Martinstift-Symposion<br />

<strong>2005</strong><br />

Herbstzeit<br />

Lebensqualität für<br />

Menschen mit Behinderung<br />

im Alter


Herbstzeit<br />

Lebensqualität für Menschen mit<br />

Behinderung im Alter<br />

Vorträge<br />

33. Martinstift-Symposion<br />

<strong>2005</strong><br />

veranstaltet vom<br />

Evangelischen <strong>Diakoniewerk</strong> <strong>Gallneukirchen</strong><br />

in Zusammenarbeit mit der<br />

Fachgruppe Behindertenhilfe<br />

der DIAKONIE Österreich<br />

in der Gusenhalle<br />

<strong>Gallneukirchen</strong><br />

Freitag, 7. Oktober <strong>2005</strong>


Inhalt<br />

Seite<br />

Begrüßung und Eröffnung<br />

Dr. Heinz Thaler, Vorstandsmitglied <strong>Diakoniewerk</strong> 5<br />

Dr. Karl Heinz Bierlein<br />

„Die begrenzte Zeit – Spielraum der Freiheit?“ 7<br />

Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Wacker<br />

„Lebenserwartung und Erwartung an das Leben“ 25<br />

Dr. med. Christina Ding-Greiner<br />

Begegnung zweier Welten – Was Altenhilfe und Behindertenhilfe<br />

voneinander lernen können 51<br />

Prof. Mag. Rudolf Sotz<br />

Neue Wege gehen – Die Ausbildungsreform der<br />

Sozialbetreuungsberufe in Österreich 61<br />

Dr. Karl Winding<br />

Diplom- und Fach-SozialbetreuerIn als neu geregelte Sozialberufe 61<br />

Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Wacker<br />

KompAs – Kompetentes Altern sichern 65<br />

Dr. med. Christina Ding-Greiner<br />

Lebensqualität im Alter bei Menschen mit geistiger Behinderung 69<br />

Mag. Harry F. J. Urlings<br />

Respektvolle und methodische Begleitung älterer und dementierender<br />

Menschen mit einer intellektuellen Behinderung 75<br />

2<br />

Aussteller und Mitwirkende<br />

■ Bücherinsel<br />

■ Werkstätte <strong>Gallneukirchen</strong><br />

■ Gärtnerei Friedenshort<br />

■ LifeTool<br />

■ Band „Together“<br />

Medieninhaber und Herausgeber:<br />

<strong>Evangelisches</strong> <strong>Diakoniewerk</strong> <strong>Gallneukirchen</strong><br />

A-4210 <strong>Gallneukirchen</strong><br />

Martin Boos-Straße 4<br />

Telefon 07235 / 63251-0<br />

www.diakoniewerk.at<br />

E-Mail: oea@diakoniewerk.at<br />

3


4<br />

Dr. Heinz Thaler, Vorstandsmitglied<br />

Begrüßung und Eröffnung<br />

Sehr geehrte Damen und Herren!<br />

Sie erinnern sich an das Bild auf der Einladung. Ein junger, alter Mann mit Behinderung,<br />

zufrieden lächelnd – er ist 58 Jahre. Was braucht es, dass sein Leben<br />

lebenswert bleibt?<br />

In der Sozialforschung und speziell in der Psychotherapie-Forschung gibt es<br />

mittlerweile zahlreiche Untersuchungen mit dem Ansatz, dass sie vom „zufriedenen<br />

Menschen“ ausgehen.<br />

Abraham Maslow war der erste, der diese Methode verwendete und ist dabei<br />

auf die „basic needs“ gekommen. Was braucht der Mensch, um zufrieden zu<br />

sein? Hierarchisch geordnet stehen körperliche Bedürfnisse an erster und unterster<br />

Stelle: Das sind Nahrung, Kleidung und körperliche Gesundheit. Darauf aufbauend<br />

Geborgenheit/Sicherheit, Zugehörigkeit/soziale Kontakte, Wertschätzung/Prestige.<br />

Und an oberster Stelle die Verwirklichung des Selbst.<br />

Im Alter steht der Körper mit all seinen Begleiterscheinungen wieder im Mittelpunkt<br />

und beeinflusst den Menschen in seiner Ganzheit, manchmal dominiert er<br />

ihn auch.<br />

Wir als Mitarbeiter sind gefordert, diese alten Menschen mit Behinderung, die<br />

in Zukunft verstärkt auf uns zukommen, zu begleiten, dass sie mit all ihren<br />

Besonderheiten des Alterns in Würde und Zufriedenheit ihren Lebensabend verbringen.<br />

Das heutige 33. Martinstift-Symposion wird im Laufe des Tages Antworten<br />

geben, aber auch neue Fragen aufwerfen.<br />

Ich wünsche uns eine gute Auseinandersetzung zum Thema<br />

„Herbstzeit“ – Lebensqualität für Menschen mit Behinderung im Alter.<br />

5


6<br />

Dr. Karl Heinz Bierlein, Rummelsberg<br />

„Die begrenzte Zeit –<br />

Spielraum der Freiheit?“<br />

Philosophisch-theologische Betrachtungen<br />

zum Leben im Alter<br />

„Die verliebte Alte“ so lautet der Titel eines eindrucksvollen Ölgemäldes aus<br />

der Schule von Lucas Cranach d.Ä. (1472–1553). Es zeigt eine schön herausgeputzte,<br />

aber hässliche alte Frau, die einem gut aussehenden jungen Mann mit<br />

der linken Hand einen prallen Geldbeutel reicht, mit der rechten streichelt sie<br />

ihm die Wange. Eine bildhübsche junge Frau bietet der reichen, alten Frau ein<br />

Glas Wein an.<br />

Ist das die Zukunft des Alters?<br />

Frank Schirrmacher beschreibt in seinem Buch „Das Methusalem-Komplott“<br />

einen Krieg der Generationen als ältesten und modernsten Krieg, einerseits weil<br />

er biologisch programmiert sei, andererseits weil er seit Jahrtausenden in der<br />

Menschheit nur als psychologischer Krieg, als Krieg mit Worten und Demütigungen<br />

geführt wird. Diese Kriegsführung zerstört das Selbstbewusstsein des Menschen,<br />

indem sie dem Alternden das Vertrauen in die Schönheit, seine fünf Sinne<br />

und vor allem seinen Verstand raubt. Dahinter verberge sich ein Konflikt von<br />

Alter und Ökonomie, wie es schon bei Hesiod vor 2700 Jahren heißt: Die Jungen<br />

verfluchen die Alten, sie fahren sie mit hässlichen Worten an, geben dann auch<br />

nicht ihren greisen Erzeugern das Entgelt für die Aufzucht zurück.<br />

Solange allerdings der Generationenvertrag funktionierte, hat man die brutale<br />

ökonomische Substanz des Kampfes von Jung und Alt vergessen. Heute sind die<br />

über 65 Jährigen nicht aus dem ökonomischen Kreislauf ausgeschieden. Sie können<br />

sehr aktiv und produktiv sein und heute die Gesellschaft in einem hohen<br />

Maße mitgestalten.<br />

Das Alter hat dann Zukunft, wenn das Leben nicht von einem unseligen „Immer-<br />

Weiter“ bestimmt ist, vielmehr geht es darum, die Möglichkeiten und Grenzen<br />

wahrzunehmen und selbstverantwortlich sein Leben zu gestalten. Das Alter wird<br />

dann zur Chance, wenn man offen ist für die Zukunftspotentiale. Krisen entste-<br />

7


hen durch Abbrüche und Umbrüche im Lebenslauf. Kritische Ereignisse sind<br />

das Ende des Erwerbslebens, Verlust von sozialen Beziehungen, Gesundheitsprobleme,<br />

Veränderung der Wohnsituation und Verlust materieller Ressourcen.<br />

Gelingt es, bei Brüchen im Lebenslauf sich neu zu orientieren und aufzubrechen?<br />

Immer mehr weicht die Biographie des einzelnen von einem Normalverlauf ab.<br />

Dadurch wächst das Bedürfnis, sich der Vergangenheit und der Zukunft selbst<br />

zu vergewissern: „Haben sich die Mühen gelohnt? Wozu bin ich (noch) da?<br />

Habe ich es richtig gemacht, um auch später glücklich und zufrieden sein zu können?“<br />

Alter ist nicht von vornherein mit Störfall und Defizit zu charakterisieren, denn<br />

Alternsprozesse verlaufen nicht einheitlich. So können für ein und dieselbe<br />

Person sehr unterschiedliche Entwicklungsverläufe erkennbar werden. Es läßt<br />

sich manchmal aus körperlicher Sicht viel stärker ein Abbau beobachten,<br />

während in seelischer und sozialer Perspektive Wachstum und Fortschritt möglich<br />

sind. Deshalb ist es notwendig, das Altern zu differenzieren und aus philosophischer,<br />

psychologischer, sozialer und theologischer Sichtweise zu beschreiben.<br />

1. Ewig leben?<br />

Ewig leben – wer möchte das schon? Die Sehnsucht nach ewiger Jugend steckt<br />

in jedem Menschen. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Lebenserwartung des<br />

Menschen durch Eingriff in den genetischen Bereich immer weiter hinausschieben<br />

läßt. Schwere chronische oder generative Erkrankungen können dann durch<br />

Beeinflussung der genetischen Information gelindert oder gar vermieden werden.<br />

Die biologische Erforschung der Alternsprozesse beschäftigt sich vor allem mit<br />

der Frage, ob sich die genetischen Faktoren des Älterwerdens substantiell beeinflussen<br />

lassen oder ob die biologische Uhr des Menschen einfach abläuft. Wie<br />

rasch wir altern, mit welcher Intensität, mit wie viel Defiziten, welche Risikofaktoren<br />

und Krankheiten im Alter auftreten, das ist offensichtlich schon durch die<br />

Genetik in einer bestimmten Folge festgelegt.<br />

Biologen sagen, dass die Art und Weise, wie wir altern, entscheidend mit dem<br />

Lebensstil verknüpft ist. Gene können durch schädliche Substanzen geschädigt<br />

werden. Durch einen ungesunden Lebensstil schwächen wir die biologische Konstitution.<br />

Ja, manche Forscher sagen, dass der Lebensstil in der zweiten Lebens-<br />

8<br />

hälfte immer wichtiger für das biologische Altern wird. Ein gesundes Leben<br />

wirkt sich erheblich auf die Faktoren der Genetik aus.<br />

Eine besondere Herausforderung, die das hohe Lebensalter mit sich bringt, ist<br />

die Gefahr der dementiellen Erkrankung. Ab dem 80. Lebensjahr liegt die Häufigkeit<br />

der Demenz zwischen 18 % bis 23 %, bei über 90-Jährigen zwischen<br />

37 % und 39 %. Ob dies auf eine Überforderung des Gehirngewebes aufgrund<br />

eines langen Lebens zurückzuführen ist oder ob ungünstige biologisch-genetische<br />

Faktoren auftreten, ist derzeit noch nicht sicher. Entscheidend ist, dass es<br />

ein hohes Demenz-Risiko im hohen Alter gibt. Das Wissen um dieses Risiko beeinflusst<br />

das Lebensgefühl im 7. und 8. Lebensjahrzehnt erheblich, die Sorge,<br />

selbst einmal an Demenz zu leiden, wächst.<br />

2. Psychologische Perspektiven<br />

Die Krise des Alters bedeutet für nicht wenige eine Minderung der Leistungsund<br />

Veränderungsfähigkeit. Das Zentrale Nervensystem ist Veränderungen ausgesetzt.<br />

Die Verarbeitung aktueller Informationen im Arbeitsgedächtnis wird<br />

schwächer.<br />

Doch das Zentrale Nervensystem ist selbst nach schweren Störungen immer<br />

wieder zu neuen Anpassungen fähig. Ein schönes Beispiel ist die Rehabilitation<br />

von Schlaganfallpatienten. Zwar sind durch den Schlaganfall bestimmte Gewebe<br />

unwiederbringlich zerstört, aber ein Nachbargewebe kann nach und nach Funktionen<br />

des geschädigten Gewebes übernehmen. So gelingt es durch gezielte Behandlung,<br />

das Sprachvermögen teilweise wieder herzustellen. Was viele Organe<br />

unseres Körpers vermissen lassen, trifft auf unser Gehirn nicht zu: Es kann sich<br />

in einem erstaunlichen Maße regenerieren.<br />

Mentales und motorisches Training tragen erheblich dazu bei, dass Kompetenz<br />

und Selbständigkeit auch im hohen Lebensalter erhalten bleiben. „Was Hänschen<br />

nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ – dieser traditionelle Grundsatz hat<br />

seine Gültigkeit verloren.<br />

Es ist zwar eine Binsenweisheit: Junge Menschen lernen schneller, ältere benötigen<br />

mehr Zeit. Doch entscheidend ist das Wissen, das tiefer als im aktuellen Arbeitsspeicher<br />

sitzt. Es gibt Wissenssysteme in Bezug auf berufliche Tätigkeiten,<br />

biographisches Wissen im sicheren Umgang mit Lebensfragen und Expertenwissen,<br />

das wir im Lauf des Lebens für ganz bestimmte Lebensbereiche erworben<br />

haben. Die Chance des Alters liegt – relativ unabhängig vom Zentralen Nerven-<br />

9


system – im Aufbau von Erfahrungswissen, im Aufbau von Lernstrategien, die<br />

einem helfen, auch komplizierte Situationen zu meistern.<br />

Der römische Philosoph Cicero meint: „Alte Leute wissen alles, worum sie<br />

sich Sorgen machen: anberaumte Gerichtstermine, ihre Schuldner und ihre<br />

Gläubiger. Nur eifriges Interesse braucht weiterzuwirken, dann bleiben die<br />

Geisteskräfte im Alter erhalten.“<br />

Die Lernfähigkeit im Alter ist im Wesentlichen vom Interesse an der Welt und an<br />

den Dingen, die einen persönlich betreffen, abhängig. Wer in Sorge steht für andere<br />

Menschen oder für eine persönlich bedeutsame Sache, kann seine seelischen<br />

und geistigen Kräfte besser erhalten als einer, der das Gefühl hat, all sein<br />

Tun und Lassen ist für niemanden mehr von Bedeutung.<br />

Das höhere Lebensalter ist an sich kein Gewinn, das Mehr an Jahren ergibt aber<br />

eine höhere Wahrscheinlichkeit, sich bewusst und verantwortlich mit Lebensaufgaben<br />

auseinandergesetzt zu haben. Diese Kompetenz ist Ausdruck eines seelischen<br />

Reifeprozesses.<br />

Die Konfrontation mit der begrenzten Zeit legt ein neues, ein existentielles Gewicht<br />

in die noch verbleibende Lebenszeit. Zeit wird intensiver erlebt und<br />

genützt. Aufgaben erhalten eine neue Dringlichkeit. Die Hoffnung auf das<br />

„kleine Glück“ am morgigen Tag zählt mehr als die großen Hoffnungen einer<br />

ungewissen Zukunft. Maßstäbe verändern sich durch die Konfrontation mit<br />

Grenzen.<br />

Entscheidend für einen positiven Verlauf des Älterwerdens ist das Maß an Ressourcen,<br />

mit dem man Verluste kompensieren kann und offen ist für Entwicklungen,<br />

die aufgrund von tiefgreifenden Veränderungen körperlicher, seelischer,<br />

geistiger und materieller Konstitutionen angestoßen werden.<br />

3. Sozialkontakte im Alter<br />

Es ist ein beliebtes Klischee, dass Menschen im Alter grundsätzlich vereinsamt,<br />

krank, hilflos und gar trottelig seien. In stereotypen Altersbildern werden Eigenschaften,<br />

Erwartungshaltungen und Verhaltensweisen älteren Menschen zugeschrieben.<br />

Die Folge ist, man nimmt nur das wahr, was man immer schon als<br />

negatives Bild sich vorgestellt hat und übersieht die positiven Seiten. Vorurteile<br />

verfestigen sich und wirken sich auf das Selbstbild älterer Menschen aus.<br />

Auch Angehörige und Mitarbeitende in der Altenarbeit verhalten sich dann so,<br />

wie es dem Altersbild entspricht.<br />

10<br />

Welche Rollen, welche Aufgaben, welche Funktionen weist die Gesellschaft<br />

Menschen im höheren Lebensalter zu? Gibt es neue Rechte und Pflichten wie in<br />

jüngeren Lebensjahren? Oder ist das Alter die Zeit der Entpflichtung durch die<br />

Gesellschaft?<br />

Das Alter wird immer länger. Die maximale Lebensspanne erreichen immer mehr<br />

Menschen und das Lebensalter, mit dem wir aus dem Erwerbsleben ausscheiden,<br />

wird immer weiter nach vorne gezogen. So gilt bereits ein 45-Jähriger aus der<br />

Sicht der Arbeitsvermittlung als „älterer“ Mensch. Wann das Alter beginnt, legt<br />

die Gesellschaft fest.<br />

Viele Menschen definieren sich über die Maßstäbe des Erwerbslebens. Nach der<br />

Pensionierung stellt sich die Frage: Was trägt meine Existenz?<br />

Man muss rechtzeitig beginnen, sich ein Nebenamt zu suchen, das einem Raum<br />

für sinnerfülltes Engagement bietet. Dabei geht es nicht um die bloße Fortsetzung<br />

gewohnter Tätigkeiten, so dass man selbst den Eindruck hat, die Berufstätigkeit<br />

geht durch die Ehren- und Nebenämter einfach weiter. Bürgerschaftliches,<br />

ehrenamtliches Engagement ist von anderen Maßstäben geleitet: Freiwilligkeit<br />

der Beziehung, selbst gewählter Zeiteinsatz, Anerkennung statt Entlohnung,<br />

persönliche Sinnerfüllung, kein Hierarchiegefälle wie in einem Arbeitsverhältnis,<br />

Entdecken neuer Kommunikationsmöglichkeiten.<br />

Wie gestalten sich die Sozialkontakte im höheren Alter? Vereinsamung droht bei<br />

allen, die nicht mehr in der Lage sind, sich zu engagieren. Pensionierung, Verlust<br />

von Angehörigen und Bekannten, mangelnde Mobilität führen zu tiefgreifenden<br />

Veränderungen in den Sozialkontakten. Es ist richtig, dass familiäre Beziehungen<br />

durch die räumliche Distanz zu Kindern und Enkelkindern leiden können. Die<br />

Partnerbeziehung verändert sich mit dem Ende des Berufslebens: Der berufsbedingte<br />

Rhythmus von Nähe und Distanz entfällt, die Aufgabenverteilung im<br />

Haushalt und im Freizeitbereich erhält eine neue Akzentuierung. Ein neuer Zeitrhythmus<br />

entsteht. Der Bekanntenkreis bildet sich neu, es entfallen die beruflichen<br />

Kontakte.<br />

Entscheidend ist, dass Sozialkontakte nicht so sehr durch ihre Quantität, sondern<br />

durch ihre Qualität bestimmt werden. Einsamkeitsgefühle entstehen dann,<br />

wenn die Erwartungen an Kontakte mit bestimmten, vertrauten Personen nicht<br />

erfüllt werden. Einsamkeit ist von sozialer Isolation zu unterscheiden:<br />

In einem Pflegeheim klagt eine 82-jährige Frau dem Seelsorger, dass sie den<br />

ganzen Tag noch keinen einzigen Menschen gesehen habe. Nachfragen ergeben<br />

aber, dass im Laufe des Tages zahlreiche Kontakte durch Bekannte<br />

11


12<br />

und Mitarbeitende stattgefunden haben. Allerdings wartet die Bewohnerin<br />

seit Tagen auf einen Anruf ihres Sohnes. Es ist verständlich, dass trotz zahlreicher<br />

Kontakte das Gefühl der Einsamkeit entsteht, weil die Erwartung an<br />

den besonders wichtigen Kontakt nicht erfüllt worden ist.<br />

Bei der innerfamiliären Kontaktpflege sind die Erwartungen häufig höher als sie<br />

im Alltag realisiert werden können. Gravierende Belastungspunkte sind der<br />

Mangel an Kommunikation und an Verständnis für die Lebenswelt jüngerer Familienmitglieder.<br />

Besonders bereichernd erleben es ältere Menschen, wenn sie<br />

sich mit dem Ergehen und den Leistungen der Kinder und Enkelkinder identifizieren<br />

können. Die Kontinuität von Lebensgeschichte wird vor allem im Weitergehen<br />

von Familiengeschichte gesehen.<br />

Außerfamiliäre Kontaktpflege mit Freunden und Bekannten gewinnt einen höheren<br />

Stellenwert. Häufig ist es die Gruppe der Gleichaltrigen, der man sich zugehörig<br />

fühlt. Der Austausch von Erfahrungen, gegenseitige Anregungen für das<br />

Alltagsleben, die Pflege gemeinsamer Interessen, die Identifikation mit einer<br />

gemeinsamen Geschichte und wechselseitige Hilfeleistung sind Ausdruck gelingender<br />

Beziehungen.<br />

4. Theologische Aspekte des Alters<br />

4.1 Konfrontation mit der Endlichkeit<br />

Im Alten Testament finden sich viele Erzählungen, die von großer Ehrfurcht vor<br />

dem Alter sprechen. Der Segen der Alten ist höchstes Gut. Weisheit und Lebenskenntnis<br />

der Alten stehen hoch im Kurs. Altwerden konnte damals auch heißen:<br />

„Graue Haare sind eine Krone der Ehre; auf dem Weg der Gerechtigkeit wird sie<br />

gefunden“ (Sprüche 16,31). Ein langes irdisches Leben wird als Gottesgeschenk<br />

und als Ausdruck von besonderem Segen verstanden. Von den Patriarchen heißt<br />

es: „Er starb alt und lebenssatt.“ Man konnte getrost auf das Ende des Lebens<br />

warten. „Lebenssatt“ war nicht mit Lebensüberdruss, sondern mit erfülltem<br />

Leben gleichzusetzen.<br />

Das Alter ist aber auch die Zeit zunehmender Schwäche: Die Arme zittern, der<br />

Rücken wird krumm, Zähne fallen aus, die Augen werden schwach, man hört<br />

schlecht, die Stimme wird brüchig, das Gehen macht Mühe, kein Potenzmittel<br />

hilft mehr – kurzum: Es sind die bösen Tage, „da wirst du sagen: Sie gefallen mir<br />

nicht mehr" (Prediger 12, 1-7). Diese Sicht steht unter dem Bilanzsatz „Alles ist<br />

vergeblich“, der Mensch erfährt sich als Gefangener der Zeit, für den die Vergangenheit<br />

und die Zukunft entwertet ist.<br />

Und heute? Viele fliehen vor der Erkenntnis, dass alles, was wir in unserem<br />

Leben anfangen und betreiben, erleben und gestalten, ein Ende haben muss.<br />

Denn dem Lebendigen soll das Lob gesungen werden, nicht dem Morbiden.<br />

Das Ende bedeutet schließlich den Verlust der Möglichkeit, sich zu entwickeln. Es<br />

schreibt das Gelebte, das Erreichte, aber auch das Ungelebte und Unerreichte im<br />

Lauf des Lebens fest. Wer möchte schon am Ende sein, wenn alles um einen<br />

herum zu neuen Ufern aufbricht? Kein Wunder also, wenn man das Ende hinauszögert,<br />

verlängert, verdrängt und verleugnet, solange es nur geht. Man kann<br />

sich leicht der Notwendigkeit entziehen, etwas zu Ende zu bringen. Und: es<br />

bleibt oft nicht viel Platz, sich der Endlichkeit des Lebens zu stellen.<br />

Indes man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass unser Ende uns nichts<br />

angeht, so wie einmal der Philosoph Epikur gewitzelt hat: Das schauerlichste<br />

Übel, der Tod, geht uns nichts an. Denn solange wir sind, ist der Tod nicht da,<br />

und wenn er da ist, sind wir nicht da.<br />

Heute ist heute, morgen ist morgen – diese Einstellung entspringt dem Bedürfnis,<br />

sich die Gegenwart weder durch quälende Vergangenheitsanalyse noch<br />

durch ängstliche Zukunftsprognose verderben zu lassen.<br />

Dem steht das biblische Wort entgegen:<br />

„Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss.“ (Psalm 39, 5)<br />

Die Worte aus dem Psalm gehen von der Erfahrung aus, dass die Endlichkeit des<br />

Lebens den Menschen auf sich selbst zurückwirft, ihn ausweglos mit sich selbst<br />

konfrontiert und ihn in die Einsamkeit treibt.<br />

Es macht nachdenklich, dass der Mensch, der die Zeichen der Endlichkeit an Leib<br />

und Seele trägt, Gott trotzdem noch um die Erkenntnis bittet, ihn das Ende zu<br />

lehren. Offenbar spürt der Beter des Psalms, während er sich seiner Endlichkeit<br />

erschreckend bewusst wird, dass er vor Gott nicht anonym verendet, sondern<br />

dass Gott ihm in seinem Ende noch einmal auf neue Weise begegnen kann und<br />

seinem Leben ein Ziel schenkt.<br />

Nur in der Gewissheit, dass ich das Leben nicht selbst abschließen und zu einem<br />

guten Ziel führen kann, läßt sich die Endlichkeit des Lebens annehmen.<br />

Wer von Endlichkeit spricht, weckt zunächst negative Gefühle, der christliche<br />

Denkhorizont verstärkt diese Tendenz. Deshalb ist vor einem grundlegenden<br />

und beliebten Missverständnis zu warnen.<br />

13


Die Beschäftigung mit der Endlichkeit darf nicht dazu führen, dass die Vitalität,<br />

das Schöne und das Kraftvolle, die Lust am Entdecken, der Aufbruch zu Neuem<br />

verächtlich gemacht wird. „Alles hat ein Ende“ – die Allerweltsweisheit darf<br />

nicht zu schulmeisterlicher Belehrung oder gar zur pfäffischen Weltverachtung<br />

ausarten, die der Lebensfreude einen Sack der Traurigkeit überstülpt und den<br />

Keim des neuen Lebens erstickt.<br />

Wir müssen wieder neu buchstabieren lernen, dass das Leben auf ein Ende<br />

zuläuft, das im Zeichen der Vollendung steht. Das scheint alles andere als<br />

selbstverständlich zu sein. In der Bibel wird dasselbe Wort für „Ende“ und „Ziel“<br />

gebraucht: Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden.<br />

Dann ist das Ende nicht Abbruch oder Ergebnis des Verendens, vielmehr gewinnt<br />

es als Ziel in der Zukunft gestaltende Kraft für die Gegenwart.<br />

„Alles hat sein Ende und sein Ziel“ – das ist die geistliche Erkenntnis, die aus<br />

dem Glauben an Gott, den Schöpfer und Souverän über die Zeit entspringt.<br />

Dann ist es tröstlich zu wissen, dass das Leben nicht unendlich ist und dass<br />

unser Drang nach immer mehr Leben von Gott gnädig begrenzt ist. Wer die Endlichkeit<br />

annehmen kann, wird inmitten noch so großer Unruhe entdecken, wie<br />

das Leben an Tiefe und an Dynamik gewinnt.<br />

4.2 Verantwortung der Generationen<br />

Das Neue Testament ermahnt die Jungen zur Achtung vor den Alten, umgekehrt<br />

heißt es aber auch: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn“ (Eph. 6, 1-<br />

4). Es wird erinnert an das 4.Gebot: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter<br />

ehren“ – das ist das erste Gebot, das eine Verheißung hat: ‘auf dass dir’s<br />

wohlgehe und du lange lebst auf Erden (5. Mose 5,16)’“. Dies meint nicht nur<br />

die Autorität vor den Älteren, sondern die Aufforderung zur Fürsorge und Schutz<br />

der schwächer werdenden Eltern. Sonst legt sich Fluch über das Leben. In dieser<br />

gegenseitigen Zuordnung von Jungen und Alten beginnt sich das Schema von<br />

Unter- und Überordnung zugunsten einer gemeinsamen, partnerschaftlichen<br />

Verantwortung vor Gott aufzulösen.<br />

Eine einseitige Wertschätzung des Alters findet sich jedoch nicht: Vielmehr<br />

wird die Kraft des Vertrauens bei den „Kindern“ von Jesus besonders betont:<br />

Das Vertrauen ungeteilt dem „Reich Gottes“ zuzuwenden, ist wichtiger als die<br />

Autorität der Alten (Mk 10,15).<br />

14<br />

5. Zukunftsperspektive im Alter<br />

Es hat einer einmal gesagt: Wir müssen das Leben nach rückwärts gewandt<br />

verstehen und nach vorwärts gewandt leben. Biographisches Arbeiten gehört<br />

heute zu den Standards in der Altenarbeit, in der Seelsorge, Pflege und Betreuung<br />

älterer Menschen. In der Lebensgeschichte geht es um Vergewisserung der<br />

Gegenwart und um Orientierung für die Zukunft.<br />

Viele ältere Menschen betrachten die Frage nach der Zukunft als Zumutung:<br />

„Was kann man im Alter noch von der Zukunft erwarten? Der Jugend gehört die<br />

Zukunft, dem Alter die Vergangenheit!“ Differenzierte Nachfragen lassen jedoch<br />

häufig eine Vielfalt von Hoffnungen und Erwartungen erkennen. Ein wichtiges<br />

Indiz für die Offenheit gegenüber der Zukunft ist das Ausmaß der Zukunftspläne<br />

(die nächste Reise, der Besuch bei Angehörigen) und der Hoffnung auf kommende<br />

Ereignisse (Jubiläen, Geburt eines Enkels).<br />

Im Gegensatz zu jüngeren Menschen kann die zeitliche Ausdehnung der Zukunftsperspektive<br />

geringer sein, aber das Zeiterleben verändert sich qualitativ:<br />

Die verbleibende Zeit soll intensiv genützt werden, Aufgaben erhalten eine neue<br />

Dringlichkeit, die Hoffnung auf das „kleine“ Glück am morgigen Tag zählt mehr<br />

als die großen Hoffnungen einer ungewissen Zukunft. Die Maßstäbe verändern<br />

sich, weil die Zeit begrenzt ist. Man will die Spielräume nutzen, die das Leben<br />

noch bietet.<br />

Entscheidend für die Bildung einer Zukunftsperspektive ist die Fähigkeit, sich mit<br />

einem „Machtvollen“ jenseits der eigenen Endlichkeit zu identifizieren: Kraft<br />

überträgt sich, wenn man sich mit dem Tun und Ergehen von emotional nahestehenden<br />

Menschen identifiziert. Die Gewissheit, dass ein „Lebenswerk“ weiterbesteht<br />

und man über das eigene Ende in der nachfolgenden Generation<br />

weiterlebt, weitet enge Spielräume. Das Vertrauen in eine göttliche Macht, durch<br />

die man ewig geborgen bleibt, befreit von dem Gefühl der Endgültigkeit der<br />

eigenen Existenz.<br />

Viele ältere Menschen an der Grenzlinie zwischen der 3. und 4. Lebensphase befürchten<br />

in der Zukunft einen Bruch der Lebenskontinuität, drohende Abhängigkeit,<br />

Veränderung des vertrauten Lebenskreises und den Verlust von Alltagskompetenz<br />

und Sozialkontakten.<br />

Das gewaltige Interesse an Patientenverfügungen gegen medizinische Überbehandlung<br />

und Sterbensverlängerung ist ein Indiz für diese Ängste, engt aber die<br />

soziale Dimension dieses Problems (wie die Vereinsamung) auf die medizinischbiologische<br />

Perspektive ein. Der Tod hingegen wird meistens als natürliche<br />

15


Gegebenheit akzeptiert, nur: Es soll schnell gehen. Denn man möchte keinem<br />

zur Last fallen. Besonders ausgeprägt ist die Furcht vor einer dementiellen<br />

Erkrankung, die – so denken viele – zu einer Zerstörung der lebensgeschichtlichen<br />

Identität führt.<br />

6. Die religiöse Biographie<br />

Ein besonderer Reichtum, dessen man sich im Alter bewusst werden kann, ist die<br />

religiöse Biographie. Um sie sich zu erschließen, versuchen wir drei Lebensabschnitte<br />

und deren Berührungen zu der Entwicklung der Glaubensgeschichte zu<br />

beschreiben:<br />

6.1 Ursprungssituation: der Glaube der Kindheit<br />

Der Glaube in der Kindheit ist geprägt von Erfahrungen des Vertrauens, der Geborgenheit<br />

und anderen grundlegenden Gefühlserfahrungen. Gottesbild und<br />

Gotteserfahrungen prägen bei dem Kind eine Art „privaten Gott“, der mit zwischenmenschlichen<br />

Gefühlserfahrungen korrespondiert. Gefühle von Abhängigkeit<br />

und Hilflosigkeit gegenüber einer höheren, manchmal unheimlichen Macht<br />

entstehen auch in dem Erleben der religiösen Beziehung der Eltern. Wenn die<br />

Eltern zum Beispiel im Gebet Ehrerbietung vor einem noch größeren Wesen zeigen,<br />

bildet sich die Vorstellung, dass es eine noch höhere Instanz und Macht<br />

geben muss.<br />

Auf der anderen Seite ist Gott auch die Begegnung mit der christlichen Tradition,<br />

die sich vor allem im Erzählen von biblischen Geschichten und im Erleben<br />

von christlichen Symbolen ereignet, dies prägt den Glauben der Kindheit. Einen<br />

wesentlichen Beitrag für die religiöse Entwicklung leisten Persönlichkeiten, die<br />

neben den Eltern die Traditionen des Glaubens vermitteln und die für die älter<br />

werdenden Kinder durch den praktizierten Glauben im Alltag und in besonderen<br />

Krisensituationen zum Garanten des eigenen Glaubens werden.<br />

Um den Reichtum religiöser Biographie zu entdecken, können folgende Impulsfragen<br />

zur Anregung dienen:<br />

16<br />

Was ist meine erste Erinnerung? Mit welchen Bildern und Sinneseindrücken<br />

ist diese Erinnerung verbunden? An welche frühesten religiösen Erlebnisse<br />

kann ich mich erinnern? Mit welchen Orten ist diese Erinnerung verbunden?<br />

Was war davon prägend und zukunftsweisend? Welche religiösen Traditio-<br />

nen, welche Konventionen waren in der frühen Kindheit wichtig? Habe ich<br />

heute unangenehme Gefühle dabei oder denke ich gerne daran zurück?<br />

Wie habe ich heilige Zeiten, heilige Räume, heilige Gegenstände erlebt?<br />

Erinnere ich mich an besondere Gebete? Was erzählen mir andere von meiner<br />

Taufe?<br />

Welche Rolle haben Vater und Mutter in meiner religiösen Erziehung<br />

gespielt? Kann ich meine religiöse Welt beschreiben? Erinnere ich mich an<br />

bestimmte Situationen, in denen mir Gott besonders nahe war, oder auch<br />

besonders fern? Welche alltäglichen Rituale waren für mich wichtig? Welche<br />

religiösen Anteile gab es dabei?<br />

Wie habe ich die religiöse Gemeinschaft erlebt? Welche Persönlichkeiten<br />

sind mir dabei besonders wichtig gewesen? Erinnere ich mich an Worte,<br />

Gesten, Verhalten, die mich besonders beeindruckt haben? Gab es irgendwelche<br />

kuriosen Begebenheiten, an die ich mich erinnere? Wodurch war die<br />

religiöse Praxis bestimmt? Wer war mir Vorbild? Wo sind Widersprüche deutlich<br />

geworden? Welche besonderen Höhepunkte sind mir in Erinnerung?<br />

Wenn ältere Menschen auf den Glauben der Kindheit zurückschauen, lassen sich<br />

folgende Beobachtungen machen: Der Glaube der Kindheit wird als religiöse<br />

und gesellschaftliche Selbstverständlichkeit erinnert, die nicht hinterfragt wird.<br />

Hohe Bedeutsamkeit wird religiösen Konventionen wie Kirchgang, kirchliche<br />

Feste, gemeinsame Gebete, das Halten der Gebote (vor allem 4., 6. und 7.Gebot)<br />

zugesprochen. Entscheidend ist aber, dass die Vorstellung von Gott als „Weltenlenker“<br />

und als Geheimnis einer höheren Macht auch den Glauben älterer Menschen<br />

stark bestimmt. Dem „Kinderglauben“ wird großes Gewicht zugemessen,<br />

es ist das Gefühl einer umfassenden Geborgenheit und eine selbstverständliche<br />

Grundbeziehung, die mit dem Gefühl einer fraglosen Hingabe verbunden ist. Der<br />

Glaube ist dann wie die „wiedergefundene Kindheit“, es wird dem älteren Menschen<br />

eine Art „zweite Naivität“ geschenkt, in dem es gelingt, sich selbst als<br />

Kind und den Gott der eigenen Kindheit wiederzufinden.<br />

Der Kinderglaube ist zudem für viele ältere Menschen die Kontinuität in der<br />

Lebensgeschichte. Er muss erhalten werden, um sich der eigenen Herkunft und<br />

Biographie gewiss zu bleiben.<br />

6.2 Der Glaube beim Erwachsenwerden:<br />

Widerspruch und Glaubwürdigkeit<br />

Im Mittelpunkt der religiösen Entwicklung in diesem Lebensabschnitt steht die<br />

Profilierung der eigenen Glaubenspraxis gegenüber der Religiosität des Eltern-<br />

17


hauses. Das Verlassen des Elternhauses, die Berufsfindung, die Begründung von<br />

Ehe, Familie und Partnerschaft sind wichtige biographische Einschnitte, die zu<br />

einer Auseinandersetzung mit anderen Wertsystemen und religiösen Grundhaltungen<br />

Anlass geben. Epochale Krisenzeiten wie Kriege, Arbeitslosigkeit, Nationalsozialismus<br />

führen darüber hinaus zur Infragestellung vertrauter Ordnungen.<br />

In solchen Situationen können auch Glaubenshaltungen zerbrechen, die Theodizeefrage<br />

(„Warum lässt Gott Leiden zu?“) stellt sich weniger als theoretisches<br />

Problem der Rechtfertigung Gottes, sondern als fundamental-biographische<br />

Frage wie bei Hiob angesichts seines Leidens: „Warum bin ich nicht gestorben<br />

bei meiner Geburt?" (Hiob, 3,11).<br />

Der Glaube in diesem Lebensabschnitt ist weiter geprägt von der Frage nach der<br />

Glaubwürdigkeit der Kirche und deren Beitrag für die eigene biographische Entwicklung.<br />

Nicht selten kommt es zu Kontinuitätssprüngen im Hinblick auf die<br />

Wertschätzung religiöser Konventionen. Die religiöse Entwicklung wird beeinflusst<br />

von der eigenen Verpflichtung gegenüber religiöser Praxis, dem Ausmaß<br />

an ethischer Orientierung für die eigene Lebensgeschichte und die Bindung an<br />

eine religiöse Gemeinschaft.<br />

Impulsfragen:<br />

Wie habe ich das Verlassen des Elternhauses erlebt, welche Belastungen,<br />

welche Chancen haben sich mit dem Ortswechsel verbunden? Meine ersten<br />

Berufserfahrungen: Komplikationen, Praxisschock? Wie habe ich Krisenzeiten<br />

durchstanden? Wann sind mir Zweifel am Kinderglauben gekommen?<br />

Welche Widersprüche habe ich in meinem Glauben entdeckt? Wofür habe<br />

ich mich in der Kirche engagiert? Was hat mir ein Engagement schwer gemacht?<br />

Haben Krankheiten mein Leben verändert? Hat mir mein Berufsleben<br />

Zeit für den Glauben gelassen? Welche Rolle hat der Glaube in meiner<br />

Partnerschaft und bei der Gründung der Familie gespielt? Wie wurde der eigene<br />

Glaube an die Kinder weitergegeben? Welche Bedeutung haben die<br />

kirchliche Feste? Welche epochalen Ereignisse haben den Glauben beeinflusst?<br />

6.3 Das höhere Erwachsenenalter:<br />

Individualisierung und Harmonisierung des Glaubens?<br />

In dem Lebensabschnitt nach dem Arbeitsleben dominieren individuelle Glaubensbilder.<br />

Die Gottesbeziehung ist in hohem Maße verinnerlicht, biographisch<br />

geprägt; Abhängigkeit von Gott wird auch positiv empfunden, Gott ist der Hel-<br />

18<br />

fer, bei dem man Schutz und Geborgenheit erwartet, der Wunsch nach Harmonisierung<br />

von existentiellen Widersprüchen kommt auf, konfessionelle und dogmatische<br />

Gegensätze treten dahinter zurück. Religiöse Konventionen finden<br />

neue Wertschätzung, weil dadurch biographische Kontinuität erwartet wird. Leer<br />

gewordene Symbole können neu sprechen, scheinbar vergessene Geschichten<br />

oder Leitworte religiöser Tradition gewinnen tragende Kraft, sofern sie mit religiösen<br />

Ursprungssituationen verbunden sind.<br />

Angesichts des Erlebens von Endlichkeit des Lebens tauchen Fragen der Lebensbilanz<br />

auf, der Zukunftsbezug wird neu qualifiziert: Die nahe Zukunft tritt in den<br />

Vordergrund, dadurch erhält die Zeiterfahrung und Zeitplanung existentielles<br />

Gewicht. Man wägt die Möglichkeiten ab und verspürt die Furcht vor Leiden und<br />

Einschränkungen, die Verwirklichung von unerledigten Aufgaben wird dringlicher,<br />

Ordnung im Lebenshaus soll geschaffen werden, Termine wie bevorstehende<br />

Jubiläen und Ereignisse (Geburt des Enkelkindes) strukturieren die Gegenwart,<br />

die Frage nach der Vergänglichkeit drückt sich vor allem in dem Erleben<br />

der Alltagskompetenz aus. Der Tod wird als natürliche Gegebenheit betrachtet:<br />

man hofft auf einen schnellen, leidlosen Tod.<br />

Impulsfragen:<br />

Welche Empfindungen habe ich an die Zeit der Pensionierung? Welche Belastungen<br />

sind auf mich zugekommen? Welche Chancen haben sich eröffnet?<br />

Welche Pläne habe ich gefasst? Welche Einsichten habe ich im Blick auf<br />

das vergangene Leben gewonnen? Was ist meine Lebensphilosophie? Was<br />

möchte ich an andere weitergeben? Welche Zukunftswünsche habe ich?<br />

Wie gehe ich mit Erfahrungen der Endlichkeit um? Im Rückblick auf mein<br />

Leben: „Haben sich die Mühen gelohnt? Womit habe ich dieses Schicksal<br />

verdient? Wozu bin ich (noch) da?“ Welche Pläne habe ich für die nächste<br />

Zeit? Was möchte ich unbedingt noch erleben? Welche religiösen Geschichten<br />

und Konventionen tragen mich weiter? Wovon zehre ich in geistlicher<br />

Hinsicht?<br />

7. Anregungen für die Praxis<br />

Zum Schluss wollen wir Anregungen für einen seelsorgerlichen und diakonischen<br />

Umgang mit älteren Menschen geben.<br />

7.1 Seelsorge<br />

Eine seelsorgerliche Situation entsteht dann, wenn ältere Menschen – auf der<br />

19


Suche nach dem „roten Faden“ ihrer Lebensgeschichte – einen anderen Menschen<br />

brauchen, der mit ihnen die Geschichten entwickelt, ordnet, zum Abschluss<br />

bringt, wieder neu öffnet und auf die tragende Geschichte Gottes hinweist.<br />

Entscheidend ist die Einstellung des Seelsorgers zu seinem Gegenüber.<br />

Wer sich auf Lebensgeschichten einlässt, muss offen sein für Begegnung mit<br />

dem Reichtum, aber auch mit der Last der Biographie. Das wichtigste Mittel in<br />

der Gesprächsführung ist eine beziehungsstiftende und beziehungsfördernde<br />

Grundhaltung. Es bildet sich eine „Erzählgemeinschaft“, die vom Geben und<br />

Nehmen geprägt ist. Wer in einer biographisch orientierten Seelsorge mit alten<br />

Menschen tätig ist, muss die Bereitschaft aufbringen, den Umgang mit der eigenen<br />

Lebensgeschichte zu reflektieren.<br />

Außerdem ist eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlich normierten und<br />

biographisch geformten Vorstellungen von alten Menschen notwendig, um die<br />

Offenheit und Wechselseitigkeit des Gesprächs nicht zu behindern.<br />

Folgende Ziele sind wichtig:<br />

Die autobiographische Kompetenz stärken<br />

Zunächst soll der Seelsorger die Barrieren gegenüber dem Erzählen abbauen.<br />

Den Vorurteilen „Meine Geschichte interessiert niemanden“, „wer hat schon<br />

Zeit zum Zuhören“, „der andere lebt in einer anderen Zeit“ ist entgegenzutreten.<br />

Wenn der Einstieg in eine Erzählung schwerfällt, sind öffnende Fragen hilfreich,<br />

damit der ältere Mensch einen Anfang findet. Motivierend wirkt häufig der<br />

Hinweis, dass in den Geschichten des Lebens verborgene Schätze liegen, die für<br />

die nachfolgenden Generationen entdeckt werden können. Wenn die autobiographische<br />

Kompetenz gestärkt wird, wächst das Selbstwertgefühl.<br />

Lebensgeschichte revitalisieren<br />

Biographisches Arbeiten soll auch zur Revitalisierung von Geschichten führen, in<br />

denen die Hintergrundgeschichte neue Kraft gewinnt, um neue Geschichten zu<br />

entwickeln. Die Erkenntnis „Es war gut so“ befreit von dem Zwang, sich ständig<br />

neu produzieren zu müssen oder das Vergangene nur als Vergängliches zu betrachten.<br />

Lebensgeschichte rekonstruieren<br />

Wer biographisch arbeitet, kann das Alter nicht von vornherein als Störfall festlegen.<br />

In der Rekonstruktion von Lebensgeschichte leistet die Seelsorge einen<br />

20<br />

Beitrag zum ganzheitlichen Verständnis älterer Menschen. Die Fixierung des<br />

Menschen auf dessen Grenzsituationen ist eine Untugend.<br />

Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Ich möchte von Gott nicht an den Grenzen,<br />

sondern in der Mitte, nicht an den Schwächen, sondern in der Kraft, nicht<br />

also bei Tod und Schuld, sondern im Leben und im Guten des Menschen<br />

sprechen.“<br />

Ein wichtiges Element der Rekonstruktion ist die Zeitperspektive, das bewusste<br />

Bezogensein auf Zukünftiges und Vergangenes. Handeln, Gefühle und moralisches<br />

Verhalten hängen von der Zeitperspektive ab. Die Vergangenheit ist deshalb<br />

nie etwas endgültig Abgeschlossenes, genaussowenig wie die Zukunft<br />

ein ganz offenes als reine Möglichkeit ist. Zwar lassen sich Ereignisse der Vergangenheit<br />

in ihrer Faktizität nicht mehr rückgängig machen, aber die sich aus<br />

diesen Ereignissen entwickelnde Wirkungsgeschichte. Die Einstellung zu dem<br />

Vergangenen kann sich wandeln. Damit ist es möglich auf die Folgen des Vergangenen<br />

Einfluss zu nehmen.<br />

Lebensgeschichte integrieren<br />

Wer sich auf die Lebensgeschichte eines anderen einlässt, wird auch mit den<br />

Brüchen, Widersprüchen und dem Scheitern von Geschichten konfrontiert. Spannungen<br />

werden durch konkurrierende Geschichten erzeugt, Unversöhnlichkeit<br />

legt sich über das Leben, man zerbricht am ungelebten Leben.<br />

Wie viele Frauen hätten gerne in der Nachkriegszeit einen Beruf erlernt?<br />

Wie viel mussten auf eine beglückende Partnerschaft verzichten? Welche<br />

Auswirkungen hat der nicht in Erfüllung gegangene Kinderwunsch? Gescheiterte<br />

Berufspläne, verwirkte Partnerbeziehungen, Verlusterfahrungen<br />

sind als ungelebtes Leben im gegenwärtigen Erleben wirksam.<br />

Deshalb ist die Integration auch dieser Geschichten in das Gesamte der Lebensgeschichte<br />

eine wichtige Aufgabe der Seelsorge. Die übergreifende Geschichte<br />

Gottes nimmt die unvollendeten Geschichten des Menschen auf. Mit Gott soll<br />

das Vergangene aufgesucht werden. Bei alledem braucht man ein Gegenüber,<br />

um zu einer versöhnten Lebensgeschichte zu kommen.<br />

Das heißt doch wohl, „dass nichts Vergangenes verloren ist, dass Gott mit<br />

uns unsere Vergangenheit, die zu uns gehört, wieder aufsucht. Wenn also<br />

die Sehnsucht nach einem Vergangenen uns überfällt, … dann können wir<br />

wissen, dass es nur eine der vielen Stunden ist, die Gott für uns immer bereit<br />

hält und dann sollen wir wohl nicht auf eigene Faust, sondern mit Gott<br />

das Vergangene wieder aufsuchen. (Bonhoeffer)“<br />

21


Die Furcht vor medizinischer Überbehandlung und dem Verlust der Selbstverantwortung<br />

in der letzten Lebensphase ist ein beherrschendes Thema im Alter. Viele<br />

verbinden mit der Aussicht auf ein langes Leben drohende Behinderung und<br />

sinnlose lebensverlängernde Maßnahmen bei schwerster Krankheit. Eine christliche<br />

Patientenverfügung wurde entwickelt, die eine Überbehandlung durch die<br />

sogenannte „Apparatemedizin“ ausschließen sollte. Hingegen sind weitgehende<br />

Linderung von Schmerzen, das Verbleiben in der vertrauten Umgebung und<br />

der Beistand durch eine Person des Vertrauens die wichtige Option für ein Sterben<br />

in Würde.<br />

Aus kirchlicher Sicht ist ebenso eine klare Absage gegenüber der sogenannten<br />

aktiven Sterbehilfe notwendig. Der Sinn einer christlichen Patientenverfügung<br />

liegt in der seelsorgerlichen Zielrichtung. Es soll ein Anstoß gegeben werden,<br />

sich in guten Tagen mit drohender Behinderung, Schmerzen und Sterben auseinanderzusetzen<br />

und eine Vertrauensperson zu gewinnen. Leitsatz der christlichen<br />

Patientenverfügung ist: „Ich glaube, dass meine Zeit in Gottes Händen steht“.<br />

7.2 Diakonische Perspektiven<br />

Die Zunahme von Lebenserwartung und die Tendenz zur Singularisierung stellen<br />

die Kirche und Diakonie vor neue Aufgaben:<br />

Kirche und Diakonie ist ein Ort, an dem<br />

– die Freundschaft der Generationen besonders gepflegt werden kann<br />

– die Entwicklung von freiwilligem Engagement älterer Menschen einen guten<br />

Nährboden findet<br />

– vom christlichen Geist geprägte, verlässliche Hilfen für Krisen und Belastungen<br />

des Alters angeboten werden.<br />

Eine der wichtigsten Fragen ist: Wo möchte ich wohnen, wenn ich einmal alt<br />

werde? So lange wie möglich in der vertrauten Umgebung bleiben, ist bestimmt<br />

die häufigste Antwort. Das klassische Altenheim scheint ausgedient zu haben.<br />

Beweglich, selbstständig, unabhängig und doch geborgen sein – das sind die<br />

wichtigen Ziele. Ambulante Pflegedienste durch die Diakonie- und Sozialstation,<br />

Essen auf Rädern, Mobilitätshilfen, barrierefreie Wohnungen mit Aufzügen, Telefonketten<br />

oder ein Selbsthilfe Telefonring bringen Hilfen ins Haus.<br />

Und doch: Verwandte und gute Bekannte sind auch nicht immer greifbar, die<br />

Kontakte nehmen ab, Nachbarn nehmen wenig Notiz. Wie steht es mit meiner<br />

Sicherheit, wenn ich allein wohne? Wohnanlagen für ältere Menschen, Altenheime<br />

und Wohnstifte sind oft eine Alternative, wenn ich in Gemeinschaft mit<br />

22<br />

anderen leben will. Wichtig bleibt, dass sowohl eine individuelle Wohnung als<br />

auch angemessene Räume für Geselligkeit zur Verfügung stehen. Geistige Anregungen,<br />

seelsorgerlicher Beistand, Ausübung von interessanten Freizeitbeschäftigungen,<br />

fachgerechte Pflege im Krankheitsfall – und Menschen in unmittelbarer<br />

Rufweite, wenn es einmal nicht so gut geht: darauf kommt es an. Hier gibt<br />

es ein breites Angebot von Möglichkeiten, und man merkt es oft einem Haus für<br />

ältere Menschen an, welche Atmosphäre dort herrscht. Auf jeden Fall sollte man<br />

sich rechtzeitig damit beschäftigen, wo man im Alter wohnen möchte.<br />

Schließen möchte ich mit einem Wort von Vincent van Gogh:<br />

„Mancher hat ein großes Feuer in seiner Seele und niemand kommt jemals, sich<br />

daran zu wärmen, und die Vorübergehenden gewahren nur ein klein wenig<br />

Rauch oben über dem Schornstein, und sie gehen ihres Wegs von dannen. Nun,<br />

was beginnen, diese Glut im Inneren unterhalten, sein Salz in sich verschließen,<br />

geduldig warten, gleichwohl mit viel Ungeduld, die Stunden erwarten, da es<br />

irgendjemand beliebt, sich dort niederzulassen, und dabeibleiben wird, was<br />

weiß ich?“<br />

23


24<br />

Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Wacker<br />

„Lebenserwartung und Erwartung<br />

an das Leben“<br />

Was Menschen mit Behinderung im Alter wünschen<br />

„Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?“ –<br />

„Das hängt zum großen Teil davon ab, wohin du möchtest.“<br />

Soweit – meine sehr verehrten Damen und Herren – ein Dialog zwischen der<br />

Katze und Alice in Lewis Carolls „Alice im Wunderland“ (1865).<br />

Wenn Sie also mit Ihrem Symposion nach der Lebensqualität in der „Herbstzeit“<br />

der Menschen mit Behinderung fragen, geben Sie schon Signale, wohin<br />

Sie möchten.<br />

Ich will heute morgen und heute Nachmittag gerne versuchen, ein paar Navigationspunkte<br />

für Richtungsentscheidungen zu geben – auch wenn ich nur stellvertretend<br />

spreche für den Personenkreis, der als Experten in eigener Sache auch<br />

Gehör finden muss: Die Menschen, die man behindert nennt und die nun in die<br />

Lebensphase Alter kommen. Denn die beste Antwort geben sie sicher selbst –<br />

verbal oder nonverbal – und sie wird sich von den Intentionen nicht wesentlich<br />

unterscheiden, die uns durch den Kopf gehen, wenn wir über gelingendes Altern<br />

nachdenken.<br />

Wie kann Altern gelingen?<br />

Das will ich in vier Schritten näher bedenken und dabei einige Aspekte verdeutlichen,<br />

die mit Lebensqualität im Alter gemeint sein können:<br />

1. People first<br />

„When I get older losing my hair many years from now,<br />

will you still be sending me a valentine,<br />

birthday greetings, bottle of wine?<br />

If I’d been out till quarter to three, would you lock the door?<br />

Will you still need me,<br />

Will you still feed me,<br />

When I’m sixtyfour?<br />

25


I could be handy mending a fuse when your lights have gone,<br />

you can knit a sweater by the fireside,<br />

Sunday mornings, go for a ride.<br />

Doing the garden, digging the weeds;<br />

Who could ask for more?<br />

Will you still need me,<br />

Will you still feed me,<br />

When I’m sixtyfour?”<br />

John Lennon, Paul McCartney<br />

„Will you still be sending me a valentine, birthday greetings, bootle of wine?<br />

Will you still need me, will you still feed me, when I’m sixty four?“<br />

So sangen einst die Liverpooler Pilzköpfe – und brachten als junge Leute ihre<br />

Vision von Lebensqualität im Alter „unters Teeny-Volk“.<br />

Worauf kam es ihnen an?<br />

Es ging darum, in sozialen Netzen bedeutsam zu sein.<br />

Es ging um Achtsamkeit und Toleranz im Umgang miteinander.<br />

Es ging darum, zu etwas nütze zu sein.<br />

Es ging einfach um einen guten Alltag: mit Pflichten und Freiräumen.<br />

Umworben, geliebt, versorgt zu sein und gebraucht zu werden – dies wünschen<br />

alle Menschen, die ins höhere Alter kommen – mit und ohne Behinderung.<br />

Es geht um Partizipation am Leben in der Gesellschaft, die sich aus vielen<br />

alltäglichen Elementen zusammensetzt:<br />

• aus der Inklusion im großen politischen Rahmen,<br />

• im Netzwerk der Gemeinde,<br />

• der Nachbarschaft,<br />

• der Freunde,<br />

• der Familie und Lebenspartner.<br />

• …<br />

Denn Teilhabe kennt keine Altersgrenze.<br />

Sie ist unabtrennbar vom Leben eines Menschen.<br />

Und sie ist im Versorgungsfall nicht an eine spezifische Institution gekoppelt –<br />

einerlei ob Familie, Nachbarschaft, Sozialstation, Pflegedienst, Alten- oder Behindertenhilfe<br />

auf dem Firmenschild steht.<br />

26<br />

Teilhabe ist ebenso unabtrennbar vom Leben wie das Altern.<br />

Denn zu Altern ist Teil des Lebens – ohne diesen Prozess ist Leben nicht<br />

möglich.<br />

Sie alle haben sicher bereits viel gehört von der steigenden Lebenserwartung der<br />

Menschen in den prosperierenden Wirtschaftsländern, und dass sich dieses<br />

demographische Phänomen auch bei Menschen zeigt, die als behindert bezeichnet<br />

werden.<br />

Aber das sagt noch nichts darüber, wann Menschen alt sind. Denn:<br />

Alter ist das Ergebnis eines biologischen, psychologischen und sozialen Prozesses<br />

und daher mehr als nur die Folge vieler durchlebter Jahre.<br />

Wie, wo, mit wem und unter welchen Umständen das Leben verbracht wurde, ist<br />

daher mindestens so bedeutsam, wie Dispositionen, die sich aus der biologischen<br />

Ausstattung einzelner Personen ergeben.<br />

Das gerät bei der aktuellen Diskussion um das alt sein und vor allem die älter<br />

werdende Bevölkerung zu leicht aus dem Blick.<br />

Und es hat Konsequenzen für Menschen mit Behinderungserfahrung.<br />

Menschen, die ihr Leben mit Behinderung führen, altern einerseits gleich wie<br />

alle Bevölkerungsmitglieder.<br />

Sie altern aber auch verschieden, wenn und weil ihre Lebenserfahrungen und Lebenschancen,<br />

ihre sozialen oder materiellen Kontexte verschieden sein können.<br />

Denn diese Lebensumstände bestimmen Behinderung mit, wie die Weltgesundheitsorganisation<br />

zur Jahrtausendwende in ihrer neuen und aktuell gültigen<br />

Definition von Behinderung deutlich zeigt (vgl. WHO 2001).<br />

Danach entsteht Behinderung im Zusammenspiel von Fähigkeiten, Begrenzungen,<br />

Umweltvariablen und gesellschaftlichen Erwartungen, die in einer Person<br />

aufeinandertreffen und dort Chancen der Teilhabe bestimmen.<br />

Konsequenterweise kann man also nicht einfach von „alten Menschen mit Behinderung“<br />

sprechen. Vielmehr sind sie Männer, Frauen, Geschwister, Singles,<br />

RuheständlerInnen, WählerInnen, Reisende, KonsumentInnen, BesucherInnen<br />

von Freizeit- oder Bildungsangeboten, PatientInnen oder NachbarInnen, je nachdem,<br />

welchen Aspekt man in ihrem Leben betrachten will.<br />

Von ihrer Behinderungserfahrung muss dabei allerdings insofern die Rede sein,<br />

als sie relevant ist für ihre Chancen, relevant zu sein,<br />

27


– eine Rolle – ihre Rolle –<br />

im Leben zu spielen.<br />

Denn der soziale Tod tritt ein, wenn Menschen<br />

• „nicht der Rede wert sind“, wenn sie<br />

• „nicht zählen“, wenn sie<br />

• „totgeschwiegen“ werden.<br />

Zur Teilhabe gehört, Teil der Kommunikation zu sein.<br />

Was kommuniziert wird, hängt aber davon ab, was erwartet wird.<br />

Wenn mit Herbst des Lebens nur fallende Blätter und mühselige Einschränkungen<br />

verbunden werden, so schafft dies eine andere Realität als die Sicht auf<br />

Lebenserfahrungen und Bewältigung der Aufgaben im Herbst des Lebens.<br />

Von wem nichts erwartet wird, der ist nicht der Rede wert.<br />

Wer aber kommunizieren kann, hängt damit zusammen, wer Zugang hat zu<br />

sozialen Systemen:<br />

• Wer beispielsweise ein Kunde der Wirtschaft ist, ist umworben.<br />

• Wer ein Wähler in der Politik ist, dessen Stimme ist gefragt.<br />

• Wer in den Medien zu Wort kommt und sich über die Medien Gehör<br />

verschafft, macht Meinung.<br />

Kurz gesprochen: Teil der Kommunikation ist – wer inkludiert ist.<br />

Das sind Merkmale unserer modernen differenzierten Gesellschaft.<br />

Daran gemessen erscheint die aktuelle Lebensweise von Menschen mit Behinderung<br />

im Alter oft als ein Anachronismus:<br />

Wie der einfachen Bevölkerung in vorindustrieller Zeit weist man ihnen oft nur<br />

„einen Ort zum Leben“ zu:<br />

• die Herkunftsfamilie – solange sie existiert und Unterstützung leisten kann<br />

und will – oder<br />

• das Heim!<br />

Dort finden alle Lebensäußerungen statt:<br />

• Wohnen und Beschäftigung,<br />

• Konsum und medizinische Versorgung,<br />

• Geselligkeit und Entspannung,<br />

• Sterben und Tod.<br />

28<br />

Das alles wird meist „all inclusive“ organisiert, gemanaged und prädisponiert –<br />

nach bestem Wissen und Gewissen der Angehörigen oder der Behinderungsfachleute.<br />

Die Frage: „Wer bin ich“ erübrigt sich für Menschen mit Behinderung damit<br />

weitgehend.<br />

Und zu fragen „Wozu werde ich gebraucht?“ unterbleibt besser – wenn man<br />

nicht antworten will, es ginge um Arbeitplätze für professionelle HelferInnen.<br />

Aber wie soll die Frage nach Individualität formuliert werden, wenn sich die<br />

Antwort auf Sinnfragen nur im Versorgungssystem findet?<br />

Teilhabe zu erlangen, so formuliert dies der Soziologe NIKLAS LUHMANN, bedeutet<br />

„als Individuum zugelassen zu sein“ (zit. nach WACKER ET AL. <strong>2005</strong>).<br />

Daraus lässt sich ableiten, dass es nicht alleine darum geht, Teil der Kommunikation<br />

zu sein, sondern auch darum, wie man kommuniziert.<br />

Die Frage nach der Lebensqualität älterer behinderter Menschen sollte sich also<br />

nicht richten<br />

• auf HeimbewohnerInnen – weil man sie im Heim antrifft,<br />

• auf die Klientel der Behindertenhilfe – weil sie nun als solche erkannt<br />

werden,<br />

• auf Pflegefälle – als die man sie antizipiert<br />

• oder gar auf Kostenfaktoren, als die man sie – mit steigender Sorge – identifiziert.<br />

Es genügt auch nicht<br />

• von Hospitalisierten zu sprechen, auch wenn die Folgen eines oft langen<br />

Lebens in „stationärer Versorgung“ sich so ausdrücken können, oder<br />

• von Marginalisierten – weil wir ihnen mitten in der Gesellschaft nicht begegnen.<br />

Auch wenn wir sie<br />

• Benachteiligte – nennen, weil sie viele Chancen eigener Lebensgestaltung<br />

und Lebensführung kaum nutzen konnten oder gar als<br />

• Überlebende bezeichnen – denn sie sind die Generation, die dem Vernichtungswahn<br />

des Nationalsozialismus entkommen ist,<br />

so charakterisiert dies jeweils nur Aspekte eines Menschenlebens.<br />

29


Zuerst sind sie Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft!<br />

People first – so sprechen sie selbst über sich. Das könnte Anreiz genug sein,<br />

dies auch zu tun und zu denken. Denn dann gilt, sie haben gleichen Anteil an<br />

Rechten und Pflichten.<br />

Dies will ich als zweiten Aspekt näher ausführen.<br />

2. No man is an island<br />

Nicht als Insel, sondern als wesentlichen Teil eines Ganzen beschreibt der<br />

Renaissancepoet JOHN DONNE 1 , die Menschen.<br />

„No man is an island, entire of itself;<br />

every man is a piece of the continent, a part of the main.“<br />

Sie gehören zu einer Gemeinschaft, leben in einem Gemeinwesen.<br />

Wenn „das Ganze“ nun ein Gemeinwesen ist, in dem man sein Leben führt, welchen<br />

Platz können Menschen, die behindert genannt werden, im Alter dort einnehmen?<br />

Wo gehören sie dazu?<br />

Welche Rollen stehen ihnen offen?<br />

Welchen Anforderungen müssen und können sie sich stellen?<br />

Es geht also nicht darum, eine schlichte Versorgungsaufgabe zu lösen, sondern<br />

aus dem Bemühen um Teilhabe an der Gesellschaft und um Respekt in der<br />

Gemeinschaft, leitet sich die Identität eines Menschen ab.<br />

Ihre Zugehörigkeit zu formulieren und deren Bedeutung zu begreifen fällt uns<br />

gerade bei alten Menschen mit kognitiven Einschränkungen besonders<br />

schwer.<br />

Zu leicht werden sie wahrgenommen als Gegenbild des modernen Menschen<br />

• der rational handelt,<br />

• der seine Lebensgeschichte verfertigt,<br />

• der seine Position im Leben erringt und<br />

• der autonom entscheidet.<br />

Zu schnell erscheinen sie als Problem, weil sie häufig bereits ein Leben als besonders<br />

Versorgte durchlebt haben:<br />

1) John Donne, Meditationes XVII (1624)<br />

30<br />

• Wenn sie am Bildungssystem teilnehmen konnten, dann in Sonderschulen.<br />

• Wenn sie am Arbeitsleben beteiligt waren, dann im Sonderarbeitsmarkt der<br />

Werkstätten für behinderte Menschen.<br />

Damit blieben ihnen wichtige lebenspraktische und soziale Erfahrungen verschlossen.<br />

Viele von ihnen wurden lange Zeit ihres Lebens als „Sorgen-Kinder“ betrachtet<br />

und behandelt:<br />

• So wurden ihr Selbstwertgefühl geschwächt und<br />

• ihre Kompetenzen zur Selbstsorge unterhöhlt.<br />

Viele Rollen blieben ihnen verschlossen: beispielsweise<br />

• die Eltern-Rolle,<br />

• die Konsumenten-Rolle,<br />

• selbst Rollen wie SportteilnehmerInnen oder Reisende,<br />

um nur einige Beispiele zu nennen. Mit diesen Handicaps an Erfahrung und Anerkennung,<br />

an Mit- und Selbstbestimmung war ihr Leben oft verbunden.<br />

Am Rande der Gesellschaft verborgen, wurden sie selbst von Fachleuten als<br />

zukünftig „Alte“ erst in den 80er Jahren entdeckt.<br />

Inzwischen sind sie – so vermitteln es die Medien in Deutschland derzeit – als<br />

neue soziale Last gefürchtet.<br />

Aber:<br />

• Menschen mit Behinderung im Alter sind nicht deswegen ein Problem, weil<br />

ihre Lebenserwartung stetig steigt. Das muss man vielmehr als erfreuliches<br />

Resultat verbesserter Lebensumstände begrüßen.<br />

• Die Sorge wächst daher, weil Konzepte fehlen, dieser erstarkenden Bevölkerungsgruppe<br />

gerecht zu werden.<br />

Auch deswegen haben Menschen mit Behinderung im Alter viele Probleme:<br />

• Denn sie sitzen zwischen den Stühlen der Versorgungssysteme und der Leistungsansprüche.<br />

• Und die Hilfeanbieter müssen noch Wege finden, „gelingendes Altern“ zu<br />

unterstützen.<br />

• Ebenso wie die behinderungserfahrenen SeniorInnen erst lernen dürfen<br />

müssen, eigene Lebenspläne zu schmieden.<br />

31


Dies alles geschieht derzeit unter erschwerten Bedingungen,<br />

• weil Ressourcen auch in der Wohlstandsgesellschaft knapper werden und<br />

• weil die Rede von der „alten Welt“ neue Dimensionen bekommt<br />

Denn: Europa ergraut.<br />

Und zweifellos wird sich die Veränderung der Bevölkerungsstruktur auf alle Elemente<br />

des gesellschaftlichen Miteinanders auswirken, wie ich als dritten Aspekt<br />

ansprechen möchte.<br />

3. Lebenserwartung und Erwartungen an das Leben<br />

Älter zu werden erscheint also erstmals in der Geschichte als Gesellschaftsproblem<br />

und nicht schlicht als erfreuliche Tatsache.<br />

In dem Szenario eines generell drohenden „Kampfs der Generationen“ (vgl.<br />

GRONEMEYER 2004), der heraufbeschworen wird, sind Bevölkerungsgruppen zu<br />

erwarten, die besonders „schlechte Karten“ haben.<br />

Dies sind die Armen, die Arbeitslosen, Personen mit Migrationshintergrund und<br />

weitere Gruppen mit geringer gesellschaftlicher Akzeptanz, sei dies aus Gründen<br />

der Religionszugehörigkeit, sei dies wegen besonderer sexueller Vorlieben, wegen<br />

der Hautfarbe, wegen des Geschlechts oder aber wegen ihrer Behinderung.<br />

Und es sind die<br />

• Alten.<br />

Viele dieser „Handicaps“ bündeln sich in der Lebenslage von Menschen mit<br />

Behinderung im Alter.<br />

Dazu kommen weitere belastende Faktoren wie<br />

• eine oft langjährige Heimerfahrung,<br />

• viele Lebensjahre unter unzureichender medizinischer Versorgung oder dauernder<br />

Medikation und<br />

• besonders fragile soziale Netze, weil keine eigene Familie gegründet wurde.<br />

Diese belastenden Rahmenbedingungen ergänzen physische, psychische oder<br />

kognitive Einschränkungen, die sich im Lebensverlauf ohnehin als vielfach hinderlich<br />

erwiesen haben.<br />

Manche dieser erschwerenden Lebensumstände lassen sich nicht beeinflussen<br />

(beispielsweise, dass man eben älter wird). Aber die jeweilige Relevanz solcher<br />

Fakten für die individuellen Lebenschancen und die Lebensführung ist variabel.<br />

32<br />

Die Lebensqualität von Menschen mit Behinderung im Alter zu wahren und zu<br />

verbessern ist also eine eigene Aufgabe. Im Sozialstaat, wie er in Deutschland<br />

gewachsen ist, kann sie aber nicht nur abstrakt an „die Gesellschaft“ ergehen.<br />

Sie richtet sich vielmehr konkret an „das System der Rehabilitation“. Es ist aktuell<br />

für diesen Personenkreis meist die verantwortliche Instanz. Bei noch genauerem<br />

Hinsehen richtet sich der Auftrag dann an die Kommunen, in denen<br />

Menschen jeweils anzutreffen sind, weil sie dort ihr Leben führen und altern.<br />

Es ist also nicht damit getan, Unterstützungsbedarfe in Pflege, Lebensführung<br />

und Alltagsgestaltung eines bestimmten Personenkreises zu erfassen und die<br />

Problemlösung einer Institution – etwa der Alten- oder Behindertenhilfe – zuzuweisen.<br />

Es geht vielmehr darum, Bedarfe und Bedürfnisse von Menschen zu<br />

decken. Und das meint, Hilfe individuell und nach Maß zu gestalten: also genau<br />

dort und in der Weise, in der es den jeweiligen Bürgerinnen und Bürgern mit Unterstützungsbedarf<br />

zuträglich ist.<br />

Das erscheint zunächst als Selbstverständlichkeit.<br />

In der Planungsdebatte der vergangenen Jahre, wie ich sie aus deutscher Sicht<br />

verfolgt habe, ging es aber zunächst darum,<br />

wer nun zuständig sei (und ab welchem Zeitpunkt):<br />

• Alten- oder Behindertenhilfe,<br />

• örtliche oder überörtliche Träger,<br />

• das Pflege- oder das Eingliederungssystem,<br />

• die Kommune oder überregionale Versorger,<br />

• die Angehörigen oder die öffentliche Hand.<br />

Und es ging darum, wer fachlich kompetent sei:<br />

• alle Sparten des gegliederten Rehabilitationssystems oder die<br />

Sozialstationen,<br />

• die Angehörigen oder die Fachleute etc.<br />

Diese Überlegungen – die bisweilen noch verknüpft wurden mit Fragen der<br />

Übergangsgestaltung und -finanzierung zwischen einzelnen Fürsorgern – sind<br />

wichtig, aber sie setzen beim System an – nicht bei den Menschen.<br />

Kein Wunder, dass eine ältere Dame, die wir nach Jahrzehnten des Lebens in<br />

einer Einrichtung der Behindertenhilfe nach ihren Wünschen für das Alter fragten,<br />

antwortete:<br />

„Solche Utopien träume ich nicht!“<br />

33


Wir sollten also lernen, die Frage nach der Lebensqualität ernsthaft zu stellen.<br />

Denn sie schärft die Wahrnehmung für<br />

• die objektiven Lebensbedingungen in einer Gesellschaft,<br />

• die subjektiven Möglichkeiten, das Gebotene wahrzunehmen und<br />

• die Chancen, Lebensaufgaben zu bewältigen.<br />

Denn Leistungen zur Versorgungs- und Lebensqualität sind für das deutsche<br />

Rehabilitationssystem die Messlatten, die politisch gesetzt sind:<br />

Es geht nicht mehr alleine darum,<br />

• dass Versorgung gewährleistet wird, sondern auch um die Frage<br />

• wie diese wirkt.<br />

Und wenn laut dem 2001 in Kraft getretenen Neunten Sozialgesetzbuch (SGB<br />

IX) Teilhabe an der Gesellschaft das Ziel der Rehabilitation ist, dann kann sie<br />

Menschen mit Behinderung dann nicht vorenthalten werden, wenn sie „in die<br />

Jahre kommen“.<br />

Darauf sind die Denkweisen und Strukturen bei Leistungsträgern und -anbietern<br />

allerdings derzeit nicht hinreichend ausgerichtet. Gerade beim Personenkreis,<br />

der aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, komplizieren zahlreiche Zuständigkeits-Schnittstellen<br />

die Unterstützungsleistungen.<br />

Lösungen erwarte ich von einem grundlegenden Richtungswechsel:<br />

Es geht um einen Perspektivenwechsel von der Angebotsorientierung zur<br />

personenbezogenen Unterstützung.<br />

Das ist nicht einfach, aber unumgänglich, sollen knappe Ressourcen gut genutzt<br />

werden, ohne Standards abzusenken. Die passende Unterstützung bei der Verwirklichung<br />

individueller Lebenspläne ist die Hilfe nach Maß. Sie bietet zugleich<br />

die Chance auf den effektivsten und effizientesten Mitteleinsatz.<br />

Auch für Menschen mit Behinderung im Alter liegt hier ein Schlüssel zur Lebensqualität.<br />

Denn<br />

• nicht alleine das kalendarische Alter oder<br />

• der Behindertenstatus<br />

dürfen die Auslöser oder Grenzen für bestimmte Unterstützungsleistungen und<br />

-angebote sein. Es geht um die Individualisierung der Hilfen – wie sie beispielsweise<br />

mit einem Persönlichen Budget gelingen kann.<br />

34<br />

Denn Menschen mit Behinderung im Alter sind nicht einfach eine Versorgungsgruppe,<br />

vielmehr können sich<br />

• ihr Gesundheitszustand,<br />

• ihre Lebensgewohnheiten,<br />

• ihre Fähigkeiten,<br />

• ihre regionale Verankerung und Vernetzung und<br />

• ihre Vorlieben erheblich unterscheiden<br />

– so wie Menschen eben verschieden sind.<br />

Bei der Hilfeplanung und -gestaltung muss also immer von Gleichheit und Verschiedenheit<br />

der gewünschten und benötigten Unterstützung ausgegangen<br />

werden.<br />

Zwar hat sich im internationalen Wissenschaftsgebrauch bezogen auf Behinderung<br />

und Alter eine Schwelle von etwa 55+ Lebensjahren eingespielt, aber dennoch<br />

ist selbst der Zeitpunkt, wann Menschen mit Behinderung als alt gelten<br />

sollten, eine Unbekannte.<br />

Unterschiede finden sich im Lebensort:<br />

• Schon heute wohnen in Schweden nur ca. 40 % der über 65jährigen Personen<br />

mit geistiger Behinderung in Heimen bzw. in Wohngruppen.<br />

• In Irland sind dies hingegen 70 % der Älteren.<br />

• 15 % der älteren sog. geistig behinderten Männer und Frauen in Schweden<br />

leben selbstständig ohne institutionellen Kontext.<br />

• In den Niederlanden trifft man knapp 5 % der alten Menschen mit geistiger<br />

Behinderung noch in ihren Herkunftsfamilien an, in Irland sind dies viermal so<br />

viele: nämlich 22 %.<br />

Planungen müssen also beispielsweise mit der Frage beginnen:<br />

Wo treffen wir diesen Personenkreis heute?<br />

Aber ebenso muss man die Betroffenen fragen, wo sie morgen wohnen möchten!<br />

Statistisch gesehen richtet sich diese Frage in Deutschland an ca. 7 Millionen<br />

sogenannte schwerbehinderte Menschen, von denen gut die Hälfte, also ca. 3,5<br />

Mio., 65 Jahre und älter sind.<br />

Das ist aber nicht bereits die Zielgröße, von der ich spreche. Denn die bundesdeutsche<br />

Behindertenstatistik bezieht alle Personen ein, die erst in einer fortgeschrittenen<br />

Lebensphase schwere Behinderungen erworben haben, dies sind<br />

35


dann vor allem auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Einschränkungen des<br />

Bewegungsapparates.<br />

Wie viele der lebenslang behinderten Menschen in den kommenden Jahrzehnten<br />

in einer deutschen Kommune in der Altersphase sein werden, kann derzeit nur<br />

regional erschlossen werden. Denn auch wenn der Zugewinn an Jahren eine stabile<br />

statistische Größe scheint und die Lebenserwartung relativ gut vorhersagbar<br />

ist, so bestehen dennoch viele Unbekannte, die kommunale Planungen erschweren.<br />

Dazu zählen<br />

• sog. Pull- oder Push-Faktoren, also beispielsweise die Attraktivität oder Unattraktivität<br />

mancher Regionen für bestimmte Personenkreise,<br />

• die bestehenden gewachsenen Versorgungsstrukturen, also z.B. wenn sich<br />

traditionelle große Anbieter von Hilfen in einer Region finden,<br />

aber vor allem auch Faktoren, die mit der Zielsetzung der Unterstützung zusammenhängen.<br />

Eine Fortschreibung 2 eigener bundesweit repräsentativ erhobener Daten lässt<br />

vermuten, dass in der deutschen Behindertenhilfe<br />

• derzeit ca. 20 % der ca. 150.000 Bewohner traditioneller Einrichtungen zur<br />

Gruppe der Älteren zählen.<br />

• Bis 2010 wird die Zahl auf ca. 30 % steigen.<br />

Es könnten aber zukünftig auch weit mehr Personen im höheren Lebensalter<br />

dort anzutreffen sein, nämlich dann, wenn zusätzlich ältere Menschen mit Behinderung<br />

aufgenommen werden, die derzeit noch in ihrer Herkunftsfamilie<br />

leben.<br />

Ein Kennzahlenvergleich der BAG der überörtlichen Träger der Sozialhilfe aus<br />

dem Jahr 2000 macht deutlich, dass dies ein nennenswerter Faktor ist.<br />

• Im Jahr 2010 könnten dann bereits mehr als jeder dritte stationär in der Behindertenhilfe<br />

Versorgte älter als 65 bzw. jeder zweite 55 Jahre und älter sein.<br />

Erst um das Jahr 2020 – also in 15 Jahren – ist mit einer Stagnation dieser Entwicklung<br />

zu rechnen, auch wenn Einrichtungen der Behindertenhilfe ab sofort<br />

nur noch jüngere Personen aufnähmen und wenn der Usus, lebenslang im Heim<br />

zu verbleiben, außer Kraft träte.<br />

Auch neuere regionale deutsche Studien erhärten diesen Trend. 3<br />

Zweifellos „ergraut“ auch die stationäre Behindertenhilfe unaufhaltsam.<br />

2) Fortschreibung berechnet von WETZLER 2003.<br />

3) Vgl. u.a. Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern 2004.<br />

36<br />

Es ist also allerhöchste Zeit, von einer quantifizierenden zu einer qualitativen<br />

Debatte zum Leben im Alter überzugehen, wie sie in der „European Social Charter“<br />

angelegt ist.<br />

Demnach ist es europäischer Konsens, allen Menschen mit Behinderung Selbstbestimmung,<br />

Teilnahme und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zuzusichern<br />

(vgl. Council of Europe 1996) 4 – unabhängig von Alter, Geschlecht oder<br />

der Behinderungsausprägung.<br />

Für die Unterstützung gelingenden Alterns lautet die europäische Marschroute<br />

dann:<br />

• zur Teilhabe befähigen,<br />

• über Unterstützung informieren,<br />

• individuelle Lebensführung und Selbstbestimmung respektieren.<br />

So könnte sich das Ziel verdeutlichen lassen, vom dem die Wunderlandkatze 5<br />

eingangs gesprochen hat.<br />

4) Vgl. Preamble Part I, 15: „Disabled persons have the right to independence, social integration<br />

and participation in the life of the community“ verbunden mit Part I, 23: "Every elderly person<br />

has the right to independence, social integration and participation in the life of the community”<br />

und Part I, 30: „Everyone has the right to protection against poverty and social exclusion.” In<br />

Part II, Article 15 verpflichten sich die Unterzeichner ausdrücklich, dass die Selbstbestimmungs-,<br />

Integrations- und Teilhaberechte gelten sollen unabhängig von Alter, Art und Ursache einer Behinderung<br />

(„irrespective of age and the nature and origin of their disabilities“) und dass die volle<br />

Teilhabe das Ziel ist, das mit allen möglichen Mitteln erreicht werden soll (Art. 15 (3): „to promote<br />

their full social integration and participation in the life of the community in particular<br />

through measures, including technical aids, aiming to overcome barriers to communication and<br />

mobility and enabling access to transport, housing, cultural activities and leisure.“)<br />

Den älteren Personen wird zugesichert, dass sie so unterstützt werden, „to remain full members<br />

of society for as long as possible, by means of: a) adequate resources enabling them to lead a decent<br />

life and play an active part in public, social and cultural life; b) provision of information<br />

about services and facilities available for elderly persons and their opportunities to make use of<br />

them; to enable elderly persons to choose their life-style freely and to lead independent lives in<br />

their family surroundings for as long as they wish and are able“.<br />

5) LEWIS CAROLL: Alice im Wunderland (1865)<br />

37


Darum möchte ich im letzten Teil versuchen, genauer das Ziel erfolgreichen<br />

Alterns zu bestimmen und nach dem Weg dorthin fragen.<br />

4. Balanced Aging – Alter und Lebensqualität<br />

Meine abschließende Frage nach der Operationalisierung von Alter und Lebensqualität<br />

will ich mit Hilfe Ihrer – vermutlich teils leid- teils freudvollen – Erfahrungen<br />

mit Qualitäts- und Managementinstrumenten zu beantworten versuchen.<br />

Ich orientiere mich dabei an der Systematik der sog. „Balanced Scorecard“.<br />

Sie ist ein multiperspektivisches Verfahren für Unternehmen, um widersprüchliche<br />

Aufgaben unter einen Hut zu bekommen. Ziel ist es, eine Balance zu finden<br />

zwischen<br />

• dem Ziel des wirtschaftlichen Erfolges,<br />

• dem Ziel, die Kunden zufrieden zu stellen,<br />

• dem Ziel, „den Laden“ effektiv und effizient am Laufen zu halten und<br />

• dem Ziel, zukunftsfähig - also auch Morgen noch erfolgreich – zu sein.<br />

Den einzelnen Perspektiven kann man dann jeweils<br />

• Strategische Ziele,<br />

• Kennzahlen,<br />

• Vorgaben und<br />

• Maßnahmen<br />

zuordnen. Die Kunst des Unternehmens besteht schließlich darin, die verschiedenen<br />

Perspektiven möglichst in Balance zu bringen.<br />

Etwa so komplex kann man sich die Aufgabe, gelingendes Altern zu gestalten,<br />

vorstellen.<br />

Wie kann man dabei vorgehen?<br />

Vor der Umsetzung irgendwelcher Aktivitäten steht die Vision oder Mission –<br />

also das Ziel, das die Katze von Alice erfragt. Denn auf dieses Ziel sollte die Strategie,<br />

der man folgt, abgestimmt werden.<br />

In meinen ersten drei Teilen habe ich versucht, die Grundlinien der Zielorientierung<br />

zu zeichnen.<br />

Die Mission und Vision soll lauten: gesellschaftliche Teilhabe von Menschen<br />

mit Behinderung im Alter. Offen sind allerdings noch die Strategie und die Umsetzung.<br />

38<br />

Hierfür will ich Fragen formulieren, um klarer zu sehen, was wir wissen und in<br />

welche Richtung man denken kann.<br />

Ich glaube, es ist in der aktuellen Lage nicht falsch, mit den Finanzfragen zu<br />

beginnen. Denn dies sind in der Regel die Fragen, an denen sich „die Geister“<br />

scheiden.<br />

1. Was ist wirtschaftlicher Erfolg?<br />

Erfolg ist, ohne qualitative Einbußen (d.h. mit den angemessenen Standards) die<br />

Unterstützungen für Menschen im Alter so zu gestalten, dass ihre Teilhabe am<br />

Leben in der Gemeinschaft gesichert ist.<br />

2. Wie geht das?<br />

Im Rahmen der gegebenen Finanzleistungen (beispielsweise der Ressourcen für<br />

stationäre Unterstützung) müssen Hilfen so gestalten werden, dass die subjektiv<br />

gewünschte und die objektiv erforderliche Unterstützung zur Teilhabe gegeben<br />

ist.<br />

3. Wer sollte das tun?<br />

Die zuständigen Leistungsträger und -anbieter in Kooperation mit den Angehörigen<br />

und bürgerschaftlich Engagierten wie aus einer Hand.<br />

Für dieses zunächst einfach klingende Vorgehen müssten allerdings in Deutschland<br />

einige „heilige Kühe“ – wie beispielsweise die Grenzen zwischen stationärer<br />

und ambulanter Hilfe – geschlachtet werden, die einen ressourcenorientierten<br />

Ansatz derzeit erschweren. Eine tragbare Lösung könnte beispielsweise in<br />

der Konzeption des trägerübergreifenden Persönlichen Budgets liegen, das bis<br />

2008 im Modell erprobt wird.<br />

Damit wende ich mich der Kundenperspektive zu:<br />

Wieder stellen sich drei Fragen:<br />

1. Wer ist Kunde?<br />

Kundinnen und Kunden sind all die Menschen einer Kommune/Gemeinde/Region,<br />

die ihr gesamtes Leben oder viele Jahrzehnte davon mit Behinderung<br />

gelebt haben und nun in die Altersphase kommen. Sie sind insbesondere dann<br />

Kunden, wenn sie infolge ihrer Behinderung besonderen Unterstützungsbedarf<br />

haben (z.B. bei den Übergängen aus dem Arbeitsleben, der Gestaltung ihrer<br />

Wohnumgebung, der gesundheitlichen Versorgung, der Teilnahme an Bildungsangeboten<br />

etc.)<br />

39


2. Wie lernt man die Kundenwünsche kennen?<br />

Zunächst sollte man diese Wünsche erfragen. Da wegen der besonderen kognitiven<br />

und kommunikativen Möglichkeiten, aber auch wegen eingeschränkter<br />

Lebenserfahrungen es gerade bei Menschen mit sog. geistiger Behinderung<br />

schwierig sein kann, Wünsche zu erfragen, sollte zusätzlich eine Analyse der<br />

Lebenslage und Lebensverläufe erfolgen. Diese berücksichtigt mehr als nur die<br />

Fragen medizinischen oder pflegerischen Bedarfs. Vielmehr geht es um<br />

• materielle, psychische, physische und soziale Aspekte, um<br />

• Kontakte und Rollen, um<br />

• Statuszuschreibungen und soziale Anerkennung ebenso wie um<br />

• die jeweiligen Biografien.<br />

Wie in einem Kaleidoskop können so die Lebenssegmente beleuchtet werden, in<br />

denen Menschen jeweils Bedeutung zukommt und denen sie Bedeutung beimessen,<br />

die also ihre Lebensqualität ausmachen.<br />

3. Wie kann man die Kundenwünsche erfüllen?<br />

Indem man die Verschiedenheit der Menschen berücksichtigt und individuelle<br />

Bedarfe, Bedürfnisse und Kontexte, fehlende und vorhandene Ressourcen einbezieht.<br />

Mit den Verfahren der individuellen Hilfeplanung lassen sich dann die notwendigen<br />

Unterstützungsdimensionen und deren konkrete Umsetzungswege im<br />

Einzelfall finden, vereinbaren und ausgestalten.<br />

Gute auf diese Erkenntnisse aufbauende Konzepte berücksichtigen, die<br />

• Gesundheitslage und -versorgung, aber auch<br />

• die Selbstsicht und Zukunftswünsche sowie<br />

• die Kompetenzen zur Selbstsorge und Selbstbestimmung<br />

der Menschen mit Behinderung.<br />

Damit verbindet sich automatisch die Frage, wer bei der Hilfegestaltung im Boot<br />

sein muss. Die Antwort ist gleichermaßen einfach wie umfassend:<br />

Alle teilhaberelevanten Teilsysteme in einer Kommune/Gemeinde/Region. Zwischen<br />

diesen und innerhalb dieser müssen sich dann Unterstützungsprozesse<br />

gestalten.<br />

Das führt mich zum nächsten Frageaspekt: der Perspektive der jeweiligen<br />

Dienstleister – einerlei ob es sich um private, öffentliche oder nachbarschaftliche<br />

Hilfen handelt.<br />

40<br />

Auch hier stelle ich wieder drei Fragen:<br />

1. Welche Prozesse sind relevant?<br />

Hier sind alle Abläufe zur Finanzierung, Planung, Differenzierung und Umsetzung<br />

geeigneter Hilfen wichtig. Für Lebensqualität ist eine unentgeltliche Familienstunde<br />

nicht weniger wert als eine teure Fachleistungsstunde. Dies gilt im<br />

Binnenbetrieb der Leistungsträger und -anbieter ebenso wie in den Kooperationsfeldern<br />

des gegliederten Hilfesystems.<br />

2. Wie sollten die Prozesse laufen?<br />

Sie sollten schnell, zuverlässig und zielgenau laufen. Es gilt Abschied zu nehmen<br />

von Wagenburgmentalitäten zwischen Anbietern der Pflege-, Behinderten- oder<br />

Altenhilfe, der verschiedenen Rehabilitationsträger, der Bildungs- oder Medizinisch-therapeutischen<br />

Dienste. Dies gelingt dann am besten, wenn Schnittstellen,<br />

Zuständigkeitsfragen und Informationen nicht dazu zwingen, gegen spezifische<br />

Eigeninteressen zu handeln. Insofern ist es auch ein Strukturentwicklungsthema.<br />

3. Wie kann man das umsetzen?<br />

Es genügt nicht, vorhandene Angebote der Behindertenhilfe nur zu intensivieren<br />

oder um Aspekte der Pflege oder Geriatrie anzureichern. Vice versa gilt dies<br />

ebenso für Pflege- oder Altenhilfedienste.<br />

Aber es kann sich lohnen, Methoden des Care- und Casemanagements vermehrt<br />

zum Tragen kommen zu lassen, um so Hilfe nach Maß im Einzelfall zu gestalten.<br />

Denn wenn „Balanced Aging“ altern mit Lebensqualität bedeutet, dann kann es<br />

nicht darum gehen, Menschen mit Unterstützungsbedarf den vorhandenen Hilfesystemen<br />

anzupassen, sondern die Organisationen müssen ihre Perspektive<br />

und teilweise wohl auch ihre Angebotsformen und -intensionen so wandeln,<br />

dass sie die jeweilig passende Unterstützung bieten können.<br />

Damit sind wir bei der vierten, der Lern- und Entwicklungsperspektive angelangt,<br />

die ich mit dem fünften Aspekt, der Suche nach weiteren relevanten Fragen,<br />

verbinden will.<br />

Ich fasse zunächst zusammen:<br />

Wir haben gesehen, dass Konzepte bei den Kompetenzen, Bedarfen und Bedürfnissen<br />

ansetzen müssen, die heute alte Menschen mit Behinderung haben und<br />

artikulieren. Sie müssen sich aber zugleich auf die nächsten Generationen, also<br />

41


auf zukünftig notwendige Angebote geeigneter Unterstützung beziehen und<br />

auf Lebensqualität zielen.<br />

Denn die in einer Generation und in einem Individuum jeweils vorhandenen,<br />

benötigten und verfügbaren materiellen, bio-psychischen und sozialen Ressourcen<br />

sind die Mittel, die auf dem Weg zum gelingenden Altern eingesetzt werden<br />

können.<br />

Sie zu finden, ist allerdings keine leichte Aufgabe.<br />

Behilflich wird auch hier sein, die richtigen Fragen zu stellen und daraus Leitlinien<br />

für die Aufgaben der Rehabilitation abzuleiten.<br />

Dass sich diese Leitlinien zunächst nicht unterscheiden können von den Zielen<br />

und Aufgaben der Altenpolitik insgesamt – das gebietet der Aspekt der Gleichberechtigung<br />

aller BürgerInnen. Die Kenntnis der national und international<br />

entwickelten Pläne und Konzepte ist also der Ausgangspunkt (vgl. Madridplan<br />

der UNO 2002; POHLMANN 2002; UNECE 2002). Er wird markiert vom Ziel der<br />

gesellschaftlichen Teilhabe, das an konkreten Aufgabenfeldern realisiert werden<br />

muss.<br />

Aus den dort gefundenen Einzelaufgaben lässt sich dann der Weg ableiten und<br />

aus der erreichten Umsetzung die Qualität der Hilfen beurteilen.<br />

Aus meinen bisherigen Erwägungen lassen sich vor allem fünf Teilhabebereiche<br />

erkennen, mit denen sich erfolgreiches Altern für Menschen mit Behinderung<br />

– Balanced Aging – genauer bestimmen lässt:<br />

1. Gesundheitsversorgung und Prävention<br />

2. Förderliche soziale Netze<br />

3. Gewünschter Lebensort und (barrierefreie) Umgebung<br />

4. Bildung und Freizeit<br />

5. Anerkennung und Respekt<br />

Aus diesen lassen sich dann die strategischen Ziele ableiten, die man vorrangig<br />

erreichen will.<br />

Leider bleibt hier nicht die Zeit, dies näher auszuführen. Manches verdeutlicht<br />

sich vielleicht heute Nachmittag, wenn ich ein Projekt vorstelle, das sich auf den<br />

Aufgabenbereich 1: Gesundheitsversorgung und Prävention bezieht.<br />

Jetzt gebe ich nur einen groben Rahmen dazu zur Einstimmung:<br />

Man sagt zu recht, wer erfolgreich altern will, solle rechtzeitig damit anfangen.<br />

42<br />

Am Beispiel der Teilhabe am Gesundheitssystem konkretisiert bedeutet das:<br />

Förderliche Lebensbedingungen entstehen beispielsweise dann, wenn<br />

• die gesundheitliche Vor- und Fürsorge eine Rolle spielt bei der individuellen<br />

Hilfeplanung und -gestaltung, aber auch in der Ausbildung der UnterstützerInnen<br />

und bei der Information der Angehörigen und Betreuer 6 . Dazu<br />

erproben wir unter dem Titel KompAs: „Kompetentes Altern sichern!“ ein<br />

Programm zur Gesundheitssicherung und -förderung für ältere Menschen mit<br />

geistiger Behinderung.<br />

Förderliche Bedingungen entstehen, wenn<br />

• der Zugang zu medizinischen, therapeutischen und präventiven Programmen<br />

unabhängig von Status und Lebensalter gewährleistet ist und die jeweils<br />

relevanten Professionen Hand in Hand arbeiten.<br />

Förderliche Bedingungen entstehen, wenn<br />

• die Gesundheitsversorgung für alle durch niedrigschwellige Angebote gewährleistet<br />

wird, wenn auch Grenzüberschreitungen zwischen den Leistungsträgern<br />

möglich sind, wenn individuell zugeschnitten agiert und schnell reagiert<br />

wird.<br />

Förderliche Bedingungen entstehen, wenn<br />

• individuelle Hilfeplanung, Qualitätsmanagement und -sicherung und Nutzerschutz<br />

die Qualität der Angebote ebenso erhöhen wie eine gesteigerte Durchgängigkeit<br />

der Versorgungsstrukturen (wenn z.B. Prävention, Pflege, Kuration<br />

und Rehabilitation gleichzeitig erfolgen können).<br />

Förderliche Bedingungen entstehen, wenn<br />

• Menschen mit Behinderung selbst geübter werden dabei, ihren Gesundheitsstatus<br />

einzuschätzen und Veränderungen zu erkennen, indem auch die für sie<br />

jeweils geeigneten Kommunikationsmittel gefunden werden und zugänglich<br />

6) Dafür wird derzeit beispielsweise von der Universität Dortmund gemeinsam mit der Technischen<br />

Universität München unter dem Titel KompAs: „Kompetentes Altern sichern!“ ein Modellversuch<br />

zur Gesundheitssicherung und -förderung durchgeführt, in dem ein Verfahren entwickelt und erprobt<br />

wird, um Menschen an der Schwelle zum Alter, die in einer Einrichtung der Behindertenhilfe<br />

leben, mit eigenen Gesundheitsprogrammen zu unterstützten. In diesem „Programm zur gesundheitlichen<br />

Prävention für Erwachsene“ (ProPEr) gehen die entscheidenden Impulse für<br />

geeignete gesundheitsförderliche Maßnahmen von den Menschen mit Behinderung selbst aus.<br />

43


44<br />

sind, mit denen sie mehr über ihr Befinden lernen und mitteilen können (z.B.<br />

<strong>Bro</strong>schüren in einfacher Sprache, nonverbale Kommunikationshilfen, aber<br />

auch Unterstützung durch Experten wie Gebärdendolmetscher etc.).<br />

Förderliche Bedingungen entstehen, wenn<br />

• behinderungserfahrene Menschen individuelle Potentiale besser erschließen<br />

können und auch kompetenter mit Einschränkungen umgehen lernen 7 .<br />

Förderliche Bedingungen entstehen, wenn<br />

• professionelle Helfer ebenso wie engagierte Laien lernen zu unterscheiden,<br />

ob sich hinter Veränderungen im Verhalten und der Befindlichkeit biologische<br />

Alternsprozesse verbergen (z.B. Veränderungen im Seh-, Hör- oder Verarbeitungsvermögen)<br />

oder ob eher an Demenzen, Alzheimererkrankungen oder<br />

auch an Spätfolgen jahrelanger Medikation mit Psychopharmaka zu denken<br />

ist.<br />

Förderliche Bedingungen entstehen, wenn<br />

• spezielle Interventionen in besonderen Aufgabenfeldern, beispielsweise der<br />

Biografiearbeit oder dem Umgang mit Demenzerkrankungen ebenso zielgerecht<br />

entwickelt werden wie spezielle Interventionen bei besonderen Risikogruppen<br />

(wie Hochbetagten, MigrantInnen, aber auch unterstützenden Angehörigen).<br />

Eine individuelle Gesundheitsplanung, die nicht nur präventive, rehabilitative<br />

oder therapeutische Interventionen vorsieht, sondern in der auch die jeweilige<br />

Zuständigkeit geklärt und abgestimmt wird, flankiert solche Maßnahmen und<br />

zwar unabhängig davon, ob der jeweilige Lebensort in oder außerhalb eines professionellen<br />

Hilfesystems liegt.<br />

7) Hier setzt ein internationales Schulungsprogramm „Selbstbestimmt Älterwerden“ an, in dem<br />

Menschen mit geistiger Behinderung unterstützt werden beim Übergang in die Altersphase<br />

(vgl. HAVEMAN ET AL. 2000; HAVEMAN, STÖPPLER 2004).<br />

Ausblick<br />

Wie wird es weitergehen?<br />

Mehr und mehr Initiativen befassen sich mit den anstehenden Aufgaben:<br />

• Regionen machen sich auf den Weg,<br />

• Haupt- und ehrenamtliche 8 SeniorenbegleiterInnen werden geschult,<br />

• Konzepte für den Umgang mit Demenz erprobt 9 oder<br />

• Wege zur Integration älterer Menschen mit Behinderung in die Freiwilligenarbeit<br />

beschritten.<br />

Dies sind nur einige Beispiele aus dem bunten Strauß von Initiativen, die gelingendes<br />

Altern stützen wollen. Daraus schließe ich, dass sich die wachsende Anzahl<br />

an behinderungserfahrenen Menschen im Alter zwar zur gesellschaftlichen<br />

Aufgabe entwickelt, dass aber auch Lösungen entstehen und möglich sind.<br />

Wie es von diesem Punkt aus weitergeht hängt tatsächlich zum großen Teil<br />

davon ab, wohin man möchte.<br />

Dem Recht auf Teilhabe kann vor allem in der Begegnung zur Realisierung verholfen<br />

werden. In der konkreten Erfahrung miteinander werden negative Behinderungs-<br />

und Altersbilder abgebaut, im respektvollen Miteinander, im gemeinsamen<br />

Planen und Handeln entstehen Wege zur Teilhabe und Teilhabe.<br />

8) Vgl. www.tandem-seniorenbegleitung.de für Schleswig-Holstein.<br />

9) Vgl. das Projekt Kunststücke Demenz in NRW: www.erinnern-vergessen.de<br />

45


LITERATUR:<br />

BADER, INES (1986): Alte geistig behinderte Menschen im Heim. Lebensgeschichte, Bedürfnisse<br />

und Möglichkeiten zur individuellen Lebensgestaltung im Alter. In: Geistige Behinderung 25,<br />

271-279.<br />

BAG – Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (2000): Benchmarking<br />

Werkstätten für Behinderte. Münster.<br />

BALTES, M.M.; KOHLI, M.; SAMES, K. (Hrsg.) (1989): Erfolgreiches Altern: Bedingungen und Variationen.<br />

Bern.<br />

BALTES, M.M., MONTADA, L. (1996): Produktives Leben im Alter. Frankfurt/M.<br />

BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2001): Alter und Gesellschaft.<br />

Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Berlin.<br />

BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2002): Risiken, Lebensqualität<br />

und Versorgung Hochaltriger – unter Berücksichtigung dementieller Erkrankungen. Vierter<br />

Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin.<br />

BRADDOCK, DAVID (1999): Aging and Developmental Disabilities: Demographic and Policy Issues<br />

Affecting American Families. In: Mental Retardation 37, 155-161.<br />

BUCHKA, MAXIMILIAN (2003): Ältere Menschen mit geistiger Behinderung. Bildung, Begleitung,<br />

Sozialtherapie. München.<br />

CONCLIFF, CHRIS; WALSH, PATRICIA NOONAN (1999): An International Perspective on Quality. In:<br />

Stanley Herr; Germain Weber: Aging, Rights, and Quality of Life. Prospects for Older People with<br />

Developmental Disabilities. Baltimore; London; Toronto; Sydney, 237-252.<br />

Council of Europe – CETS no. 163 (1996): European Social Charter (revised). Straßbourg. 3. Mai<br />

1996.<br />

Deutscher Bundestag (2002): Enquete-Kommission Demographischer Wandel. Herausforderungen<br />

unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik. Schlussbericht. Paderborn.<br />

DIETZEL-PAPAKYRIAKOU, M.; OLBERMANN, E. (1996): Soziale Netzwerke älterer Migranten. Zur Relevanz<br />

familiärer und innerethischer Unterstützung. In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie<br />

29/1, 34-41.<br />

EASPD – European Association of Service Providers for Persons with Disabilities (2001): Proceedings<br />

of the conference ‘Looking to a positive future: the best quality of life for ageing people with intellectual<br />

disabilities’. Held on the 4th and 5th of October 2001 in Verona, Italy. Brussel, Belgium.<br />

(www.easpd.org)<br />

ECARIUS, JUTTA (1996): Individualisierung und soziale Reproduktion im Lebensverlauf. Konzepte der<br />

Lebenslaufforschung. Opladen.<br />

FLEISCHHAUER, KURT (1999): Altersdiskriminierung bei der Allokation medizinischer Leistungen. Kritischer<br />

Bericht zu einer Diskussion. In: L. Honnefelder; C. Streffer: Jahrbuch für Wissenschaft und<br />

Ethik. Bd. 4. Berlin, 195-252.<br />

FUCHS, CHRISTOPH (1999): Ethische Aspekte der Mittelknappheit im Gesundheitswesen: Die Bedeutung<br />

von Leitlinien. In: L. Honnefelder, C. Streffer (Hrsg.): Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik.<br />

Bd. 4. Berlin, 175-186.<br />

GRONEMEYER, REIMER (2004): Kampf der Generationen. München.<br />

46<br />

HÄUSSLER, MONIKA; WACKER, ELISABETH; WETZLER, RAINER (1996): Lebenssituation von Menschen<br />

mit Behinderung in privaten Haushalten. Bericht zu einer bundesweiten Untersuchung im<br />

Forschungsprojekt „Möglichkeiten und Grenzen selbständiger Lebensführung“. Im Auftrag des<br />

Bundesministeriums für Familie und Senioren (BMFuS), hrsg. v. Bundesministerium für Gesundheit<br />

(BMG). Baden-Baden (Schriftenreihe des BMG Bd. 65).<br />

HAVEMAN, MEINDERT J. (1990): Erhöhte Lebenserwartung für Menschen mit geistiger Behinderung.<br />

Erfahrungen aus den Niederlanden. In: Geistige Behinderung 29, 197-206.<br />

HAVEMAN, MEINDERT J. (1997): Alt werden mit geistiger Behinderung: Zur Epidemiologie von psychischen<br />

Störungen und Verhaltensstörungen. In: Germain Weber (Hrsg.): Psychische Störungen<br />

bei älteren Menschen mit geistiger Behinderung. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, 27-40.<br />

HAVEMAN, M. J.; MAASKANT, M.A.; STURMANS, F. (1989): Older Dutch Residents of Institutions, with<br />

and without Down Syndrome: Comparisons of Mortality and Morbidity Trends and Motor/Social<br />

Functioning. In: Australia and New Zealand Journal of Developmental Disabilities 15, 241-255.<br />

HAVEMAN, MEINDERT J. (2001): Perspektiven der Integration älterer Menschen mit geistiger Behinderung.<br />

In: Hessisches Sozialministerium; Landeswohlfahrtsverband Hessen; Bundesvereinigung<br />

Lebenshilfe e.V. (Hrsg.): Lebensräume älterer Menschen mit geistiger Behinderung. Marburg,<br />

157-180.<br />

HAVEMAN, MEINDERT J.; MICHALEK, SABINE; HÖLSCHER, PETRA; SCHULZE, M. (2000): Selbstbestimmt<br />

Älterwerden. Ein Lehrgang für Menschen mit geistiger Behinderung zur Vorbereitung auf<br />

Alter und Ruhestand. Marburg.<br />

HAVEMAN, MEINDERT; STÖPPLER, REINHILDE (2004): Altern mit geistiger Behinderung. Grundlagen<br />

und Perspektiven für Begleitung, Bildung und Rehabilitation. Stuttgart.<br />

Health Research Board, Ireland (Ed.)(2003): National Intellectual Disability Database. Annual Report<br />

of the National Intellectual Disability Database Committee 2001. Fiona Mulvany. Dublin, Ireland.<br />

HEDDERICH, INGEBORG; LOER, HELGA (2003): Körperbehinderte Menschen im Alter. Lebenswelt und<br />

Lebensweg. Bad Heilbrunn.<br />

HELLER, TAMAR ET AL. (1996): Impact of Personal-Centered Later Life Planning Training Program of<br />

Older Adults with Mental Retardation. In: Journal of Rehabilitation Jan.–Mar., 77-81.<br />

HERR, STANLEY; WEBER, GERMAIN (Eds.) (1999): Aging, Rights, and Quality of Life. Prospects for<br />

Older People with Developmental Disabilities. Baltimore. London. Toronto. Sydney.<br />

HÖLSCHER, PETRA; WACKER, ELISABETH; WANSING, GUDRUN (2003): Maß nehmen und Maß halten<br />

– in einer Gesellschaft für alle (2). Das „Persönliche Budget“ als Chance zum Wandel der Rehabilitation.<br />

In: Geistige Behinderung 42, 198-209.<br />

KAPLAN, ROBERT S; NORTON, DAVID, P. (1997): Balanced Scorecard. Strategien erfolgreich umsetzen.<br />

Stuttgart.<br />

KNEER, G.; NASSEHI, A. (2000): Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme: München (4. Aufl.).<br />

KRUSE, ANDREAS (2001): Aus-, Fort- und Weiterbildung: Neue Anforderungen an MitarbeiterInnen<br />

der Behindertenhilfe. In: Hessisches Sozialministerium; Landeswohlfahrtsverband Hessen; Bundesvereinigung<br />

Lebenshilfe e.V. (Hrsg.): Lebensräume älterer Menschen mit geistiger Behinderung.<br />

Marburg, 205-228.<br />

KRUSE, A.; DING-GREINER, C.; GRÜNER, M. (2002): Den Jahren Leben geben. Lebensqualität im Alter<br />

bei Menschen mit Behinderungen. Projektbericht. Stuttgart: Diakonisches Werk Württemberg.<br />

Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern (Hrsg.)(2004): Geistig behinderte erwachsene<br />

Menschen in den Stadt- und Landkreisen. Angebotsentwicklung und Bedarfsvorausschätzung für<br />

Tagesstruktur und Wohnen. Stuttgart.<br />

47


MEIER-BAUMGARTNER, HANS PETER; DAPP, ULRIKE; ANDERS, JENNIFER (2004): Aktive Gesundheitsförderung<br />

im Alter. Ein neuartiges Präventionsprogramm für Senioren. Stuttgart.<br />

METZLER, HEIDRUN; WACKER, ELISABETH (2001): Behinderung. In: H.-U. Otto, H. Thiersch (Hrsg.):<br />

Handbuch Sozialarbeit. Sozialpädagogik. Neuwied, 118-139 (2. Aufl.).<br />

PACK, J.; BUCK, H.M.; KISTLER, E.; MENDIUS, H.G.; MORSCHHÄUSER, M.; WOLFF, H. (1999): Zukunftsreport<br />

demografischer Wandel. Meckenheim.<br />

PATJA, K.; LIVANAINEN, M.; VESALA H.; Oksanen, H.; Ruoppila, I. (2000): Life Expectancy with<br />

People with Intellectual Disability: A 35 Year Follow Up Study. In: Journal of Intellectual Disability<br />

Research 44, 591-599.<br />

POHLMANN, STEFAN (Hrsg.) (2001): Das Altern der Gesellschaft als globale Herausforderung – deutsche<br />

Impulse. Band 201. Stuttgart.<br />

POHLMANN, STEFAN (Ed.) (2002): Facing an Ageing World – Recommendations and Perspectives.<br />

Regensburg.<br />

POHLMANN, STEFAN (Hg.) (2003): Der demografische Imperativ. Hannover.<br />

POHLMANN, STEFAN (2004): Das Alter im Spiegel der Gesellschaft. Idstein.<br />

RAWLS, J. (1993): Political Liberalism. New York.<br />

RILEY, M.W.; RILEY, J.W. (1992): Individuelles und gesellschaftliches Potential des Alterns. In: P.B.<br />

Baltes, J. Mittelstraß, U.M. Staudinger (Hrsg.): Alter und Altern: ein interdisziplinärer Studientext<br />

zur Gerontologie. Berlin, 437-460.<br />

ROSENMAYR, LEOPOLD (1989): Altern und Handeln. In: A. Weymann (Hrsg.): Handlungsspielräume.<br />

Untersuchungen zur Individualisierung und Institutionalisierung von Lebensläufen in der Moderne.<br />

Stuttgart, 151-162.<br />

SCHUMACHER, NORBERT (2000): Soziale Sicherung für alternde und alte Menschen mit geistiger Behinderung.<br />

In: Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung (Hrsg.):<br />

Persönlichkeit und Hilfe im Alter: Zum Alterungsprozess bei Menschen mit geistiger Behinderung.<br />

Marburg, 100-121 (2. Aufl.).<br />

SGB IX - SOZIALGESETZBUCH – Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen<br />

– Vom 19. Juni 2001. Bundesgesetzesblatt I, 1046.<br />

Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland (2003): Hrsg. v. Statistisches Bundesamt<br />

Wiesbaden (www.destatis.de).<br />

STAUDINGER, U.M.; GREVE, W. (2001): Resilienz im Alter. In: Deutsches Zentrum für Altersfragen<br />

(Hrsg.): Expertise zum Dritten Altenbericht der Bundesregierung. Band 1: Personale, gesundheitliche<br />

und Umweltressourcen im Alter. Opladen, 95-144.<br />

STÖPPLER, REINHILDE (2004): „Eisiger Winter“ oder „Goldener Herbst“? Menschen mit geistiger<br />

Behinderung im Alter. In: Pflegezeitschrift 3/2004 161-164.<br />

TROST, RAINER; METZLER, HEIDRUN (1995): Alternde und alte Menschen mit geistiger Behinderung<br />

in Baden-Württemberg. Zur Situation in Werkstätten für Behinderte und in Wohneinrichtungen.<br />

Hrsg. v. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg. Stuttgart.<br />

UNECE - United Nations Economic Commission for Europe (2002): Regional Implementation of the<br />

International Plan of Action on Ageing. Geneva.<br />

UNO - UNITED NATIONS (1982): International Plan of Action on Ageing. New York.<br />

UNO - UNITED NATIONS (1999): Human Rights and Older Persons. Geneva.<br />

UNO - UNITED NATIONS (2002): Madrid International Plan of Action on Ageing. New York.<br />

WACKER, ELISABETH (1993): Alte Menschen mit Behinderung. Forschungsstand und Forschungsbe-<br />

48<br />

darf. In: Bundesvereinigung Lebenshilfe für geistig Behinderte e.V. (Hrsg.): Alt und geistig behindert.<br />

Ein europäisches Symposium. Marburg, 97-123.<br />

WACKER, ELISABETH (1999): Altern in der Lebenshilfe – Lebenshilfe beim Altern. Lebenslagen und<br />

Unterstützungsformen. In: Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit Geistiger Behinderung<br />

(Hrsg.): Persönlichkeit und Hilfe im Alter. Zum Alterungsprozess bei Menschen mit geistiger<br />

Behinderung. Marburg, 23-45.<br />

WACKER, ELISABETH (2001a): Alter hat Zukunft – demographische Entwicklung älter werdender<br />

Menschen mit Behinderung und ihre Konsequenzen. In: Hessisches Sozialministerium, Landeswohlsfahrtsverband<br />

Hessen und Bundesvereinigung Lebenshilfe (Hrsg.): Lebensräume älterer<br />

Menschen mit Behinderung. Hessische Erfahrungen. Marburg, 57-77.<br />

WACKER, ELISABETH (2001b): Wohn-, Förder- und Versorgungskonzepte für ältere Menschen mit<br />

geistiger Behinderung – ein kompetenz- und lebensqualitätsorientierter Ansatz. In: Deutsches<br />

Zentrum für Altersfragen (Hrsg.): Expertisen zum Dritten Altenbericht der Bundesregierung. Band<br />

5. Versorgung und Förderung älterer Menschen mit geistiger Behinderung. Opladen, 43-121.<br />

WACKER, ELISABETH (2003a): Behinderungen und fortgeschrittenes Alter als geragogische Herausforderungen.<br />

In: Annette Leonhardt, Franz B. Wember (Hrsg.): Grundfragen der Sonderpädagogik.<br />

Bildung. Erziehung. Behinderung. Weinheim; Basel; Berlin, 875-888.<br />

WACKER, ELISABETH (2003b): Residential needs and residential planning for elderly persons with<br />

mental handicap in Germany – a question of avoiding dependence. In: Networking in Practice.<br />

Connecting Partners in Rehabilitation. 8th European Regional Conference of Rehabilitation International<br />

2002.<br />

WACKER, ELISABETH (2003c): Die Rehabilitation im Wind des Wandels. Die Situation behinderungserfahrener<br />

Menschen im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen. In: Blätter der<br />

Wohlfahrtspflege 150, 45-51.<br />

WACKER, ELISABETH (2003d): Lebenslage und Lebensläufe älterer behinderter Frauen. Annäherung<br />

an ein unerforschtes Thema. In: Monika Reichert; Nicole Maly-Lukas; Christiane Schönknecht<br />

(Hrsg.): Älter werdende und ältere Frauen heute. Wiesbaden. 35-76.<br />

WACKER, ELISABETH; WANSING, GUDRUN; HÖLSCHER, PETRA (2003): Maß nehmen und Maß halten<br />

– in einer Gesellschaft für alle (1). Von der Versorgung zur selbstbestimmten Lebensführung.<br />

In: Geistige Behinderung 42, 108-118.<br />

WACKER, ELISABETH (2004a): „Bei der Versorgung von älteren Menschen mit Behinderung gibt es<br />

viel zu verbessern“. In: ProAlter. Fachmagazin des Kuratoriums Deutsche Altershilfe 37/2, 8-14.<br />

WACKER, ELISABETH (2004c): „Ist dabei sein alles? Dürfen alle dabei sein? Inklusion älterer Menschen<br />

mit Behinderung auf dem Prüfstand. In: Helmut Berghaus; Heike Bermond; Marcella Knipschild<br />

(Hrsg.): Aufeinander zugehen – miteinander umgehen – voneinander lernen. Köln, 85-105.<br />

WACKER, ELISABETH (<strong>2005</strong>a): Alter und Teilhabe. Grundsatzfragen und Aufgaben der Rehabilitation.<br />

In: Elisabeth Wacker et al. (Hrsg.): Teilhabe. Wir wollen mehr als nur dabei sein. Marburg, 337-<br />

366.<br />

WACKER, ELISABETH (<strong>2005</strong>b): Selbst Teilhabe bestimmen? Von Duisburg nach Dortmund – eine fachliche<br />

Einstimmung. In: Elisabeth Wacker et al. (Hrsg.): Teilhabe. Wir wollen mehr als nur dabei<br />

sein. Marburg, 11-19.<br />

WACKER, ELISABETH ET AL. (<strong>2005</strong>): Teilhabe. Wir wollen mehr als nur dabei sein. Marburg.<br />

WACKER, ELISABETH; WETZLER, RAINER; METZLER, HEIDRUN; HORNUNG, CLAUDIA (1998): Leben<br />

im Heim. Angebotsstrukturen und Chancen selbständiger Lebensführung in Wohneinrichtungen<br />

der Behindertenhilfe. Bericht zu einer bundesweiten Untersuchung im Forschungsprojekt „Möglichkeiten<br />

und Grenzen selbständiger Lebensführung in Einrichtungen“. Im Auftrag des Bundes-<br />

49


ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), hrsg. v. Bundesministerium für<br />

Gesundheit (BMG). Baden-Baden (Schriftenreihe des BMG Bd. 102).WALLER, HEIKO (2002):<br />

Gesundheitswissenschaft. Eine Einführung in Grundlagen und Praxis von Public Health. Stuttgart<br />

(3. Aufl.).<br />

WALSH, PATRICIA (2001): Ageing People with Intellectual Disabilities. A European Perspective. In :<br />

European Association of Service Providers for Persons with Disabilities, Proceedings of the conference<br />

‘Looking to a positive future: the best quality of life for ageing people with intellectual<br />

disabilities’. Held on the 4th and 5th of October 2001 in Verona, Italy. Brussel, Belgium<br />

(www.easpd.org), 33-40.<br />

WANSING, GUDRUN (<strong>2005</strong>a): Die Gleichzeitigkeit des gesellschaftlichen „Drinnen und Draußen“<br />

von Menschen mit Behinderung. In: Elisabeth Wacker et al. (Hrsg.): Teilhabe. Wir wollen mehr als<br />

nur dabei sein. Marburg, 21-33.<br />

WANSING, GUDRUN (<strong>2005</strong>b): Teilhabe an der Gesellschaft. Menschen mit Behinderung zwischen<br />

Inklusion und Exklusion. Wiesbaden.<br />

WANSING, GUDRUN; HÖLSCHER, PETRA; WACKER, ELISABETH ( 2003): Maß nehmen und Maß halten<br />

– in einer Gesellschaft für alle (3). Personenbezogene Leistungen für alle – Budgetfähigkeit<br />

und Klientenklassifikation in der Diskussion. In: Geistige Behinderung 42, 210-221.<br />

WHO – World Health Organization (1980): International Classification of Impairments, Disabilities,<br />

Handicaps (ICIDH). A manual of classification relating to the consequences of disease. Geneva.<br />

WHO – World Health Organization (1986): Ottawa Charter for Health Promotion. Ottawa; Ontario,<br />

Canada.<br />

WHO – World Health Organization (2001): International Classification of Functioning, Disability and<br />

Health. Geneva.<br />

50<br />

Dr. med. Christina Ding-Greiner<br />

Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg<br />

Begegnung zweier Welten –<br />

Was Altenhilfe und Behindertenhilfe<br />

voneinander lernen können<br />

1. Die demografische Entwicklung und ihre Folgen<br />

Die demografische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zeigt ein rasches<br />

Wachstum der Altersgruppe über 60 Jahre, von heute 23 Prozent auf 36<br />

Prozent im Jahre 2050. Insbesondere die Altersgruppe der über 80-Jährigen<br />

zeigt nach Vorausberechnungen eine rasche anteilmäßige Zunahme von heute<br />

3,5 Prozent auf 6,2 Prozent im Jahre 2020 und 11 Prozent im Jahre 2050.<br />

Eine ähnliche Entwicklung findet sich in den höheren Altersgruppen bei geistig<br />

oder körperlich behinderten oder psychisch kranken Menschen. Die zahlenmäßig<br />

kleinste Altersgruppe ist die der über 65-Jährigen, und sie zeigt den größten Zuwachs.<br />

Insgesamt hat sich das Durchschnittsalter im stationären Wohnbereich<br />

der Behindertenhilfe in den letzten Jahren von 38,7 auf 40 Jahre erhöht. Diese<br />

Entwicklungen müssen bei der Planung von Wohnen, Pflege und der Alltagsgestaltung<br />

berücksichtigt werden.<br />

Auf Grund verbesserter hygienischer Bedingungen, einer besseren medizinischen<br />

Versorgung und eines gesunden Lebensstils ist die durchschnittliche Lebenserwartung<br />

in der Gesamtbevölkerung deutlich angestiegen. Auch bei Menschen<br />

mit geistiger Behinderung zeigt sich diese Entwicklung, allerdings in<br />

Abhängigkeit vom Schweregrad der geistigen Behinderung. Sehr schwer geistig<br />

behinderte Menschen haben insbesondere in den ersten Lebensjahrzehnten ein<br />

deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko, während Menschen mit einer leichten oder<br />

mittelgradigen geistigen Behinderung eine durchschnittliche Lebenserwartung<br />

erreichen, die jener der Gesamtbevölkerung entspricht.<br />

Diese Entwicklung führt dazu, dass zunehmend auch bei Menschen mit geistiger<br />

Behinderung demenzielle Erkrankungen auftreten. Die Prävalenz der Demenz in<br />

der Altersgruppe über 65 Jahren beträgt das Vierfache des Vorkommens in der<br />

51


Gesamtbevölkerung, wie Untersuchungen durch Vergleich von alterskorrelierten<br />

Probandenpaaren ergeben haben. Diese Patientengruppe zeigt auch eine erhöhte<br />

allgemeine Morbidität. Bei Menschen mit Down-Syndrom treten dementielle<br />

Erkrankungen 10 bis 20 Jahre früher auf und ihre Prävalenz ist deutlich<br />

erhöht.<br />

In dem Projekt „Vergleich von stationären Einrichtungen der Altenhilfe mit Einrichtungen<br />

der Behindertenhilfe hinsichtlich der Betreuungs- und Pflegekonzepte<br />

für ältere Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung“,<br />

das am Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg mit Unterstützung<br />

der Robert-Bosch Stiftung ausgeführt worden ist, wurden Formen der<br />

Betreuung und Pflege von älteren geistig behinderten oder psychisch kranken<br />

Menschen in stationären Einrichtungen der Altenhilfe und der Behindertenhilfe<br />

dokumentiert. Es wurde davon ausgegangen, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

auf Grund ihrer Ausbildung und langjährigen praktischen Erfahrung im<br />

täglichen Zusammenleben mit geistig behinderten Menschen Einsichten in<br />

deren Problemlagen und deren Entwicklung erworben haben, die sie zu Experten<br />

auf diesem Gebiet machen. Einige Ergebnisse der Befragung werden in der<br />

Folge dargestellt.<br />

2. Das Altern der BewohnerInnen und die Anforderungen an die MitarbeiterInnen<br />

in Einrichtungen der Behindertenhilfe<br />

Durch schriftliche und mündliche Befragung von MitarbeiterInnen der Behindertenhilfe<br />

wurden Veränderungen ermittelt, die bei älteren Menschen mit geistiger<br />

Behinderung beobachtet wurden. Sie sind Ausdruck von Alternsprozessen,<br />

die sich bei dieser Personengruppe bemerkbar machen. Der Alternsprozess bei<br />

Menschen mit geistiger Behinderung unterscheidet sich in seinem Verlauf qualitativ<br />

nicht von jenem in der Gesamtbevölkerung. Er wird charakterisiert durch<br />

Zeichen einer zunehmenden Einschränkung kognitiver und körperlicher Leistungsfähigkeit,<br />

eine allgemeine Verlangsamung und raschere Ermüdbarkeit,<br />

einen erschwerten Umgang mit Anforderungen und Belastungen, eine erschwerte<br />

Kommunikation und eine Zunahme von Ängstlichkeit und Unsicherheit,<br />

häufig als Folge von Stürzen. Menschen mit geistiger Behinderung haben<br />

die Fähigkeit sich auch noch im hohen Alter weiterzuentwickeln; sie können mit<br />

Hilfe einer professionell geführten Gesprächstherapie bei schwerem Verlusterleben<br />

ihre Problematik aufarbeiten und ihre Krise überwinden.<br />

52<br />

Bedarf und Bedürfnisse von Menschen mit geistiger Behinderung entsprechen<br />

jenen von älteren Menschen ohne Behinderung. Sie benötigen mehr Zeit für ihre<br />

Tätigkeiten, der Bedarf an Unterstützung und Pflege steigt, sie brauchen Sicherheit<br />

und Geborgenheit, dazu gehört der Verbleib in einer ihnen bekannten Umgebung<br />

auch im Alter und die Kontinuität der persönlichen Beziehungen. Eine<br />

angemessene Beschäftigung soll sich den veränderten Interessen und einer veränderten<br />

Leistungsfähigkeit im Alter anpassen und mögliche Einschränkungen<br />

im Bereich der Motorik, des Gedächtnisses, des Seh- und Hörvermögens berücksichtigen.<br />

Kommunikation und Teilhabe an der Gemeinschaft, selbstständiges<br />

und selbstverantwortliches Handeln haben einen sehr hohen Stellenwert für<br />

eine gute Lebensqualität im Alter. Die genannten Bedürfnisse, die die Grundlage<br />

der Betreuung und Pflege bilden, sind für alle Personengruppen relevant. Sie bilden<br />

Grundbedürfnisse des Menschen ab, die ihre Gültigkeit haben bei allen<br />

Menschen und unabhängig davon sind, ob eine chronische Krankheit, eine geistige<br />

Behinderung oder eine Demenz vorliegen.<br />

MitarbeiterInnen, die geistig behinderte Menschen betreuen, haben Anforderungen<br />

und Belastungen in ihrem Berufsalltag benannt. Sie weisen darauf hin,<br />

dass im Alter eine erhebliche allgemeine Verlangsamung der BewohnerInnen beobachtet<br />

wird, die Begleitung bei relativer Selbstständigkeit der BewohnerInnen<br />

geht daher auch mit einem wesentlich höheren Zeitbedarf einher als bei Übernahme<br />

der Tätigkeiten durch den Mitarbeiter. Häufig wird die Kommunikation<br />

mit den BewohnerInnen zusätzlich durch ablaufende Alternsprozesse erschwert,<br />

insbesondere auch bei demenziellen Entwicklungen. In Wohngruppen, in denen<br />

überwiegend SeniorInnen leben, sind u.a. auch deshalb die Anforderungen<br />

größer als in gemischten Gruppen. MitarbeiterInnen und BewohnerInnen brauchen<br />

mehr Zeit um sich gegenseitig zu verstehen, insbesondere jedoch brauchen<br />

die BewohnerInnen länger, um Besprochenes umzusetzen.<br />

Die Entwicklung in den vergangenen Jahren führt in den Einrichtungen der Behindertenhilfe<br />

zu einer zunehmenden Übernahme von Pflege- und von hauswirtschaftlichen<br />

Tätigkeiten durch pädagogisch ausgebildete MitarbeiterInnen,<br />

sodass die pädagogischen Elemente in der Arbeit häufig zu kurz kommen. Die<br />

körperliche Belastung der MitarbeiterInnen nimmt durch Leistungseinschränkungen<br />

und einen größeren Pflegebedarf der BewohnerInnen zu. Als Ursache<br />

nennen sie den Verlust der Selbstständigkeit, Inkontinenz, Stürze, Folgeerscheinungen<br />

von Erkrankungen, beispielsweise Schlaganfall, und eine allgemeine<br />

Verlangsamung. Es ist nicht nur die aufwändige Pflege von einem oder mehreren<br />

bettlägerigen BewohnerInnen, die den Mitarbeiter belastet, sondern es sind<br />

53


ganz besonders die Folgen für die Wohngruppe, für die der Mitarbeiter auch verantwortlich<br />

ist. Die Anforderungen auf dem Gebiet der Pflege werden anspruchsvoller.<br />

Kenntnisse zur fachgerechten Lagerung von Bettlägerigen zur Vermeidung<br />

von Dekubitalgeschwüren oder zur Wundversorgung werden von den<br />

MitarbeiterInnen häufig als mangelhaft empfunden und führen zu Unsicherheiten<br />

auf dem Gebiet der Pflege.<br />

Die Mitarbeitenden nennen Offenheit für neue Entwicklungen, das Wahrnehmen<br />

von Veränderungen im Verhalten der BewohnerInnen und das Umsetzen der<br />

neuen Situation im alltäglichen Umgang mit den BewohnerInnen als eine wichtige<br />

Anforderung, die für eine gute Versorgung einen hohen Stellenwert hat. Sie<br />

erfordert ein hohes Maß an Sensibilität und Einfühlungsvermögen aber auch an<br />

Flexibilität, die den Mitarbeiter dazu befähigt, den Bewohner täglich neu in seiner<br />

Befindlichkeit oder in seinem Leistungsvermögen zu sehen. Als eine Voraussetzung<br />

dafür werden einerseits eine laufende Aktualisierung des Wissenstandes<br />

der MitarbeiterInnen genannt, zudem Erfahrung im Beruf – und im persönlichen<br />

Bereich Selbstreflexion und Lebenserfahrung, die die Entwicklung der<br />

erforderlichen Reife und Stabilität der Persönlichkeit unterstützen. Schließlich<br />

wurden der zunehmende Zeitaufwand für Dokumentation und Qualitätssicherung<br />

als eine weitere Anforderung und Belastung genannt.<br />

Das Wissen um Alternsprozesse ist jedoch bei AltenpflegerInnen vorhanden, sie<br />

kennen sich aus in allen Belangen der Fachpflege des älteren Menschen und können<br />

durch ihr Wissen und ihre Erfahrung wichtige Beiträge leisten zu einer guten<br />

(körperlichen) Versorgung von Menschen mit einer geistigen Behinderung.<br />

3. Die BewohnerInnen von Einrichtungen der Altenhilfe und die Anforderungen<br />

an die MitarbeiterInnen<br />

Das Profil der BewohnerInnen von stationären Einrichtungen der Altenhilfe hat<br />

sich in den vergangenen Jahren radikal verändert. Aufgrund der demografischen<br />

Entwicklung nimmt das Vorkommen dementieller Erkrankungen zu. Eine eigene<br />

Untersuchung in 28 Einrichtungen der Altenhilfe im Rhein-Neckar-Kreis ergab<br />

eine hohe Prävalenz sowohl von Demenz als auch von chronisch psychischen Erkrankungen<br />

(Depressionen, Schizophrenien, Persönlichkeitsstörungen) in Altenund<br />

Pflegeheimen ohne Pflegeschwerpunkt.<br />

Demenziell erkrankte Menschen sollen in ihrem Verlust der kognitiven und funktionalen,<br />

später auch der körperlichen Kompetenzen begleitet werden. Diese Be-<br />

54<br />

gleitung erfordert nicht nur die kompetente Ausübung pflegerischer Tätigkeiten,<br />

sondern auch genaue Kenntnisse der Biografie des Patienten und der neuropsychologischen<br />

Veränderungen, die diese Erkrankung verursacht. Diese Kenntnisse<br />

sind notwendig, um die oft schwer verstehbare Handlungsweise der PatientInnen<br />

einordnen, verstehen und auch akzeptieren zu können. Auf dieser Basis können<br />

dementiell Erkrankte fachgerecht versorgt werden. Die erforderlichen vertieften<br />

Kenntnisse werden allerdings nicht in der Regelausbildung der Altenpflege<br />

vermittelt, und in der Ausbildung von HeilerziehungspflegerInnen sind<br />

Kenntnisse zur Demenz nicht prüfungsrelevant. Vertiefende themenbezogene regelmäßige<br />

Weiterbildungen sind unabdingbare Voraussetzung einer professionell<br />

ausgerichteten Pflege in diesem Bereich.<br />

Der teilweise sehr hohe Anteil von chronisch psychisch kranken älteren BewohnerInnen<br />

stellt ganz neue Anforderungen an das Pflegepersonal, zumal in Einrichtungen<br />

mit einem hohen Anteil an chronisch psychisch Kranken auch geistig<br />

behinderte Menschen versorgt werden. Sie bilden eine anteilmäßig kleine Gruppe,<br />

doch eine Versorgung durch pädagogisch ausgebildete Pflegekräfte ist aus<br />

finanziellen Gründen nur unzureichend wenn überhaupt möglich. Im Curriculum<br />

der Altenpflegeausbildung erscheint die geistige Behinderung nicht als Lehrinhalt,<br />

sodass keine fachlichen Kenntnisse vorhanden sind und eine angemessene<br />

Versorgung nicht gewährleistet ist.<br />

Auch bei chronisch psychisch kranken Menschen entspricht der Verlauf der<br />

Alternsprozesse jenem in der Gesamtbevölkerung. Eine große interindividuelle<br />

Variabilität zeigt sich jedoch in den Reaktionen auf die wahrgenommenen Veränderungen.<br />

Anders als geistig behinderte Menschen, deren Behinderung im Lebenslauf<br />

weitgehend unverändert bleibt, haben chronisch psychisch kranke<br />

Menschen bei einem Auf und Ab ihrer Befindlichkeit und dem phasenweisen und<br />

häufig nicht vorhersehbaren Verlauf ihrer Erkrankung kaum die Möglichkeit<br />

einer Integration ihrer wechselnden psychischen und körperlichen Symptomatik.<br />

Kommen zusätzliche Belastungen hinzu, ist es noch schwieriger für den Patienten,<br />

das ohnehin labile Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.<br />

Die Anforderungen und Belastungen sind bei der Berufsgruppe der AltenpflegerInnen<br />

besonders groß. Nach Aussagen von MitarbeiterInnen der Altenhilfe sind<br />

die Kenntnisse, die ihnen in der Ausbildung vermittelt worden sind, nur oberflächlich<br />

und sie befähigen sie nicht zu einer umfassenden geronto-psychiatrischen<br />

Pflege, die zunehmend zu einer Notwendigkeit im Alltag von stationären<br />

Einrichtungen der Altenhilfe wird. Nur ein profundes Wissen um die Erkrankungen<br />

und ihre Manifestation erlaubt es auch den MitarbeiterInnen zwischen per-<br />

55


sönlichen oder aber krankheitsbedingten Übergriffen durch PatientInnen zu unterscheiden,<br />

das notwendige Maß an Distanz und Nähe, das der Patient zu<br />

einem bestimmten Zeitpunkt braucht, abzuschätzen. Genauso sollten die Pflegepersonen<br />

in der Lage sein, durch Selbstreflexion das Ausmaß an Nähe und an<br />

Distanz zum Patienten zu bestimmen, das für sie im Augenblick notwendig ist.<br />

4. Merkmale einer guten Betreuung und Pflege von älteren Menschen<br />

mit geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung<br />

MitarbeiterInnen von Einrichtungen der Alten- und der Behindertenhilfe haben<br />

gemeinsam Merkmale einer guten Pflege und Betreuung erarbeitet.<br />

An erster Stelle wurde von den MitarbeiterInnen die fachliche Qualifikation bezogen<br />

auf das Profil der BewohnerInnen genannt. Großes Gewicht wurde der<br />

Wahrung der Individualität in Pflege und Betreuung beigemessen. In der konzeptionellen<br />

Arbeit, die sich an den individuellen Bedürfnissen der BewohnerInnen<br />

orientiert, soll dies seinen Niederschlag finden. Dazu gehört auch das Recht<br />

des Bewohners in der ihm vertrauten Umgebung bis zu seinem Lebensende verbleiben<br />

zu können und die Kontinuität der Bezugspersonen. Tagesstrukturierende<br />

Angebote sollen sich an den Interessen, den Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

der BewohnerInnen und auch an aufgetretenen Funktionseinschränkungen ausrichten,<br />

um eine optimale Versorgung der älteren BewohnerInnen zu gewährleisten.<br />

Die adäquate medizinische Versorgung gewinnt im Rahmen der Ausgliederung<br />

von BewohnerInnen in Wohngruppen in der Gemeinde an Bedeutung, denn<br />

die Ärzteschaft ist in keiner Weise fachlich darauf vorbereitet, mit geistig behinderten<br />

Menschen zu kommunizieren und sie adäquat zu versorgen. Schließlich<br />

wird auf die Bedeutung der Anpassung der räumlichen Umwelt auf die veränderten<br />

Bedürfnisse und Fähigkeiten der BewohnerInnen hingewiesen.<br />

Pflege und Betreuung in der Altenhilfe<br />

„Pflegebedürftigkeit entsteht, wenn körperliche und psychische Ressourcen<br />

nicht mehr ausreichen, die Anforderungen der alltäglichen Lebensführung und/<br />

oder die Anforderungen der Selbstversorgung, die aus einer Erkrankung und<br />

ihren Konsequenzen erwachsen, aus eigener Kraft zu bewältigen“. Es sind vor<br />

allen Dingen die Einschränkungen motorischer Funktionen, die zunächst zu<br />

einem zunehmenden Bedarf an Unterstützung führen, später in eine Abhängigkeit<br />

von pflegerischer Hilfe münden können. Der gesundheitspolitische Grund-<br />

56<br />

satz „ambulant vor stationär“ hat älteren Menschen durch die Einrichtung ambulanter<br />

Dienste die Möglichkeit gegeben, auch bei bestehendem Pflegebedarf<br />

ihr Alter weitgehend in der eigenen häuslichen Umgebung zu verbringen. Als<br />

eine Folge davon hat die Altenpflege ihren Aufgabenbereich erweitert; sie<br />

schließt nicht nur Maßnahmen ein, die sich auf die Pflegebedürftigen richten, zu<br />

ihrem Aufgabenbereich gehören auch die Unterstützung und Beratung sowie<br />

Anleitung und Überwachung der pflegenden Angehörigen und weiterer an der<br />

ambulanten, teilstationären oder stationären Pflege beteiligten Personen.<br />

Im Mittelpunkt der Altenpflegeausbildung steht für die Pflege und Begleitung<br />

älterer Menschen die so genannte „theoriegeleitete Pflegeprozesssteuerung“,<br />

die weltweit – so die WHO – als der <strong>Kern</strong> pflegerischen Handelns gesehen wird.<br />

Der Pflegeprozess wird begleitet mit folgenden Schritten: Pflegediagnostik, Pflegeplanung,<br />

Durchführen der Pflege (Pflegeintervention), Pflege-Supervision und<br />

Evaluation der Pflege.<br />

Diese Tätigkeiten sind auf das aktuelle Befinden des Bewohners ausgerichtet<br />

mit der Zielsetzung einer für den Bewohner befriedigenden Gestaltung seiner<br />

Situation.<br />

Pflege und Betreuung in der Heilerziehungspflege<br />

Heilerziehungspflege versteht sich als ganzheitliche Lebensbegleitung von Menschen<br />

mit psychischer Erkrankung, geistiger und/oder körperlicher Behinderung.<br />

Sie umfasst folgende Tätigkeitsbereiche: Bilden, Pflegen, Fördern und Begleiten.<br />

Das professionelle Handeln wird grundsätzlich durch persönlichkeitsfördernde<br />

und -bildende Aspekte bestimmt. Die heilerziehungspflegerischen Arbeitsfelder<br />

beziehen sich auf die gesamte Lebenswelt der begleiteten Menschen.<br />

Die Betreuung erfolgt in stationären, teilstationären Einrichtungen oder in ambulanter<br />

Form. Ziel der Ausbildung ist die Befähigung eigenverantwortlich die<br />

Persönlichkeitsentwicklung, Sozialisation und/oder Rehabilitation von Menschen<br />

zu fördern, die auf Grund ihrer Behinderung oder Erkrankung auf körperlichem,<br />

geistigem oder sozialem Gebiet einen Unterstützungsbedarf haben.<br />

In der Behindertenhilfe hat sich das Berufskonzept als Fachlichkeitsprofil mit der<br />

Verbindung von sozialpädagogischen und pflegerischen Qualifikationen etabliert.<br />

57


Es werden drei Kompetenzbereiche unterschieden:<br />

1. Fachkompetenz wird durch Übertragung theoretischer Inhalte in die Praxis<br />

gesichert und zu professionellem selbstständigem Handeln weiterentwickelt.<br />

2. Selbstkompetenz ermöglicht es den HeilerziehungspflegerInnen in Beziehungsprozesse<br />

einzutreten und die Verantwortung für anvertraute Menschen<br />

zu übernehmen. Über das „Du“ des anderen erfährt und definiert sich das eigene<br />

„Ich“.<br />

3. Sozialkompetenz entwickelt sich aus einer Überprüfung eigener Beziehungsund<br />

Kommunikationserfahrungen und ermöglicht es, professionelle Beziehungen<br />

aufzubauen durch Reflexion der eigenen Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit<br />

und der eigenen Haltung gegenüber dem anderen Menschen.<br />

Die verschiedenen Kompetenzbereiche verstehen sich als integrierte<br />

Bestandteile eines ganzheitlichen Ansatzes des Berufsverständnisses.<br />

5. Was können Altenhilfe und Behindertenhilfe voneinander lernen?<br />

Auf Grund der demografischen Entwicklung, die auch geistig behinderte und<br />

psychisch kranke Menschen betrifft, wird das Thema Altern zunehmend relevant<br />

in der Behindertenhilfe. Inhalte aus der Geriatrie, der Gerontopsychiatrie, der<br />

Pflege älterer Menschen sollten in die Ausbildung von Heilerziehungspflegern<br />

implementiert werden.<br />

Der Aspekt der lebenslangen Entwicklung, der durchaus seine Gültigkeit auch<br />

für ältere und auch hochbetagte Menschen hat, sollte in der Altenhilfe berücksichtigt<br />

werden, um Entwicklungen zuzulassen und zu fördern, auch in der letzten<br />

Lebensphase.<br />

Bei fortgeschrittenen Stadien dementieller Erkrankungen treten Einbußen der<br />

Kommunikation immer häufiger auf. Die Altenhilfe sollte die jahrzehntelangen<br />

Erfahrungen nutzen, die mit Menschen mit geistiger Behinderung, die Kommunikationsstörungen<br />

zeigen, entwickelt worden sind.<br />

Die bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung von älteren (pflegebedürftigen)<br />

Menschen erfordert ein Umdenken und eine Aufhebung der strengen Trennung<br />

zwischen Altenhilfe und Behindertenhilfe. Folgende Maßnahmen sind in diesem<br />

Kontext von Bedeutung:<br />

1. Die Integration von AltenpflegerInnen und HeilerziehungspflegerInnen in<br />

einem interdisziplinären Team.<br />

58<br />

2. Die Implementierung von Inhalten aus der Altenhilfe in die Ausbildung von<br />

HeilerziehungspflegerInnen (z.B. Alternsprozesse, Erkrankungen im Alter, Körperpflege,<br />

Umgang mit Demenz) und von Inhalten aus der Behindertenhilfe in<br />

die Ausbildung von AltenpflegerInnen (z.B. pädagogische Elemente, Kommunikationstechniken,<br />

lebenslange Entwicklung, Selbstreflexion).<br />

3. Die Öffnung von Altenhilfe und Behindertenhilfe zu einer gemeinsamen Nutzung<br />

von Angeboten.<br />

Das Wissen um Behinderung und um Erkrankung ermöglicht es der Pflegeperson<br />

einen guten Zugang zum Patienten zu finden. A. Frank, der selber Patient war,<br />

definiert die Rolle des Betreuers folgendermaßen:<br />

Betreuung beginnt damit, einen Unterschied zu machen. Ich gebrauche den Ausdruck<br />

„Betreuer“ nur für diejenigen, die bereit sind, dem Patienten zuzuhören<br />

und auf seine individuellen Bedürfnisse einzugehen. Eine solche Behandlung ...<br />

sieht Patienten als Individuen. Diese Einstellung ermöglicht es, dem Patienten<br />

ein Gefühl der Einzigartigkeit zu geben und sein Leben bedeutungsvoll zu machen.<br />

Wenn auf diese Weise die Lebensgeschichte des Patienten Teil der eigenen<br />

wird, gibt dies auch dem Leben des „Betreuers“ eine neue Bedeutung.<br />

59


60<br />

Prof. Mag. Rudolf Sotz<br />

Neue Wege gehen –<br />

Die Ausbildungsreform der<br />

Sozialbetreuungsberufe in Österreich<br />

Von diesem Referat liegt uns leider keine schriftliche Fassung vor. Wir drucken<br />

statt dessen einen Beitrag von Dr. Karl Winding aus der Zeitschrift Diakonie 1/05<br />

ab.<br />

Die PowerPoint-Präsentation des Vortrags von Mag. Sotz und den Originaltext<br />

der § 15a-Vereinbarung von Bund und Ländern finden Sie auf www.diakoniewerk.at<br />

unter dem Menüpunkt „Download“.<br />

Dr. Karl Winding<br />

Diplom- und Fach-SozialbetreuerIn als<br />

neu geregelte Sozialberufe<br />

Mit einer Bund-Länder-Vereinbarung haben sich ganz aktuell alle Länder mit<br />

dem Bund auf einheitliche Anerkennung und Regelungen für die Sozialberufe in<br />

Österreich geeinigt. Diese wichtige Weiterentwicklung bringt den sozialberuflichen<br />

Schulen des <strong>Diakoniewerk</strong>s neue Ausbildungsmöglichkeiten.<br />

Zu Sozialberufen wird in Österreich einerseits an Fachschulen und andererseits<br />

an Fachhochschul-Studiengängen ausgebildet. Die letzteren sind vor wenigen<br />

Jahren gegründet worden und ersetzen die Ausbildung an den früheren ‚Akademien<br />

für Sozialarbeit’. Sie bieten neben der klassischen Sozialarbeit auch neue<br />

Fachrichtungen wie ‚Soziale Dienstleistungen’ und ‚Sozialmanagement’. Die<br />

weitaus meisten sozialberuflichen AusbildungsteilnehmerInnen finden sich aber<br />

an den verschiedenen Fachschulen für die Alten-, Behinderten- und Familienarbeit.<br />

Die eingangs erwähnte Bund-Länder-Vereinbarung setzt genau hier an.<br />

Noch gibt es (auslaufend) verschiedene Schulen für die genannten Fachrichtungen;<br />

ein neuer Fachschultyp vereinigt diese Ausbildungsrichtungen und bietet<br />

61


eine Kombination aus Grundausbildung(en) und Spezialisierung(en). Das System<br />

ist dreijährig angelegt: Die vom <strong>Diakoniewerk</strong> entwickelte und sehr bewährte<br />

Lehranstalt für Heilpädagogische Berufe (LHB) geht in die Sparte Behinderten-<br />

Begleitung (BB) über: Ähnlich wie bisher kann hier mit starkem sozialpädagogischen<br />

Zuschnitt auf die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung in der<br />

Ausbildung eingegangen werden.<br />

Neu ist ein Abschluss nach zwei Jahren als Fach-SozialbetreuerIn/BB, der genauso<br />

wie die Absolvierung zur Diplom-SozialbetreuerIn/BB (nach drei Jahren)<br />

durch die 15a-Vereinbarung eine österreichweite Berufsanerkennung genießen<br />

wird. Das frühere Basismodul wird weitgehend in das erste Jahr der neuen Ausbildungssparte<br />

aufgehen und bleibt somit eine ausbaubare Ausbildungseinheit.<br />

Wer – aus welchen Gründen immer – die Ausbildung schon nach dem ersten<br />

Jahr beenden will/muss, erwirbt eine Berufsberechtigung als ‚HeimhelferIn’.<br />

Neu ist für die Behindertenhilfe die folgende zweite Möglichkeit: Die Sparte<br />

‚Behindertenarbeit’ (BA) bietet eine zwei- bzw. dreijährige Ausbildung für die<br />

Behindertenhilfe inklusive Pflegehilfe. Diese Kombiausbildung hat sich in der Altenhilfe<br />

schon seit Jahren bewährt. Dennoch muss man klar sagen: Die Pflegehilfe<br />

bringt zwar einerseits 800 Stunden pflegerelevantes Wissen und Knowhow,<br />

andererseits verdrängt dieses Ausbildungsmodul aber auch im gleichen<br />

Stundenausmaß wichtige sozialpädagogische Inhalte, die aber weiterhin in der<br />

vorhin beschriebenen Sparte der Behindertenbegleitung vermittelt werden können.<br />

So werden die Schulträger und wohl letztlich der ‚Markt’ regulieren, wo<br />

welche Ausbildungssparten wie häufig angeboten werden. Im <strong>Diakoniewerk</strong> als<br />

großer Schulträger wird es meiner Meinung nach Sinn machen, beide Varianten<br />

anzubieten.<br />

Diplom- und Fach-SozialbetreuerInnen/BA sind durch die integrierte Pflegehilfekomponente<br />

auch zu den gesetzlich geregelten Tätigkeiten von PflegehelferInnen<br />

berechtigt. Diplom- und Fach-SozialbetreuerInnen/BB erhalten über eine<br />

Änderung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuK) durch ein integriertes<br />

Ausbildungsmodul „Unterstützung bei der Basisversorgung“ ebenfalls<br />

neu die Berechtigung zu einzelnen im Gesetz genau aufgezählten pflegenahen<br />

Tätigkeiten und treten damit aus einer rechtlichen Grauzone.<br />

In der Altenarbeit können genauso zwei- und dreijährige Abschlüsse erworben<br />

werden, wobei die zweijährige Ausbildung zur Fach-SozialbetreuerIn/AA der jetzigen<br />

‚Fachschule für Altendienste und Pflegehilfe’ sehr ähnlich sein wird (beispielsweise<br />

ist weiterhin die Pflegehilfe enthalten). Neu ist hier die Option eines<br />

dritten Ausbildungsjahres und damit die von vielen schon lange herbei gesehnte<br />

62<br />

Diplom-Möglichkeit in der Altenarbeit. Dass diese Möglichkeit nicht nur über die<br />

Ausbildung verfügbar, sondern zusätzlich als Beruf österreichweit geregelt sein<br />

wird, ist eine große, ja sensationelle Entwicklung. Ähnlich ist auch die Ausbildung<br />

in der Familienarbeit (F) mit dreijährigem Abschluss angelegt, wenngleich<br />

dies bis dato kein Geschäftsfeld des <strong>Diakoniewerk</strong>s darstellt und von anderen<br />

Schulträgern die entsprechende Ausbildung angeboten wird.<br />

Als Fortschritt sind die zahlreichen horizontalen und vertikalen Um- und Aufstiegsmöglichkeiten<br />

zu bewerten, die das neue System bereit hält: Wer beispielsweise<br />

einen zweijährigen Abschluss als Fach-SozialbetreuerIn/AA erworben<br />

hat, kann über ein ‚Fachmodul’ den zusätzlichen Abschluss der Sparte BA<br />

erwerben und wird damit beruflich mobiler; neben der Diplommöglichkeit/AA<br />

gewinnt jemand damit auch den Zugang für das Diplom/BA. Dabei kann die<br />

Theorie eines Fachmoduls in wenigen Wochen absolviert werden (das entsprechende<br />

Praktikum wird mehr Zeit in Anspruch nehmen). Ein anschließendes Diplom(modul)<br />

ist auf ein Schuljahr angelegt, wobei Schulen die Diplomausbildungen<br />

sicherlich auch berufsbegleitend anbieten werden.<br />

Eine Anmerkung für sehr Bildungshungrige: Wer schon ein Diplom erworben hat<br />

(z.B. AA) für den verkürzt sich das Diplom der zweiten Fachrichtung (z.B. BA)<br />

deutlich! Die neue Gesetzeslage eröffnet zahlreiche weitere Um- und Aufstiegsmöglichkeiten,<br />

die im Detail dargestellt werden können, sobald das BMBWK (in<br />

Kooperation mit den Schulen) die Ausbildungsdetails entwickelt hat. Denn die<br />

15a-Vereinbarung ist für sich primär ein Berufsanerkennungsgesetz und kein<br />

Schulstatut oder Lehrplan. Interessant sind diese neuen Entwicklungen auch für<br />

AbsolventInnen früherer Ausbildungen (z.B. AltenfachbetreuerInnen), weil ihnen<br />

Weiterbildungsmöglichkeiten und Anrechnungen winken werden.<br />

Das <strong>Diakoniewerk</strong> geht wie die anderen Schulträger davon aus, dass mit September<br />

2006 zu den neu geregelten Sozialberufen ausgebildet werden wird. Wer<br />

eine solche dreijährige sozialberufliche Fachschulausbildung abgeschlossen hat,<br />

kann sich übrigens – auch ohne Matura – an den eingangs beschriebenen Fachhochschulstudiengängen<br />

bewerben,* womit die Durchlässigkeit des neuen Systems<br />

auch in seiner vertikalen Dimension besonders deutlich wird.<br />

*<br />

Wer auf Basis einer dreijährigen Sozialberufsausbildung (ohne Matura) an einem einschlägigen<br />

Fachhochschulstudiengang aufgenommen wird, kann regulär mit dem FH-Studium beginnen. Bis<br />

Ende des ersten Ausbildungsjahres sind die ‚unvermeidlichen’ Ergänzungsprüfungen aus Deutsch,<br />

Englisch, Mathematik und eines (vierten) Wahlfachs (z.B. Geografie oder Geschichte) abzulegen.<br />

Klappt das, so kann man auch ohne Matura sein FH-Studium normal fortsetzen und abschließen.<br />

Genaue Auskünfte erteilen dazu die jeweiligen FH-Studiengänge.<br />

63


64<br />

Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Wacker<br />

KompAs – Kompetentes Altern sichern<br />

Gesundheitsförderung durch die Entwicklung eines<br />

Programms zur gesundheitlichen Prävention<br />

Ich berichte Ihnen über Erfahrungen, die wir in einem Projekt mit Menschen mit<br />

geistiger Behinderung und für Menschen mit geistiger Behinderung gesammelt<br />

haben, das noch nicht abgeschlossen ist. Ich gebe Ihnen einen Eindruck von den<br />

Erkenntnissen, wie wir sie bislang gewonnen haben. Das Projekt heißt „Kompetentes<br />

Altern sichern“.<br />

Das Projekt geht vom umfassenden Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO) aus. Es geht nicht alleine um körperliche Funktionsfähigkeit,<br />

sondern um allgemeines Wohlbefinden. Die Zielgruppe sind Menschen, die geistig<br />

behindert genannt werden.<br />

Es geht darum herauszufinden, wie man die Gesundheit sichern und fördern<br />

kann und wie man präventive Elemente in den Alltag von Menschen mit geistiger<br />

Behinderung im Alter integrieren kann. Das Projekt wird von der Robert<br />

Bosch-Stiftung Stuttgart gefördert und wird gemeinsam mit dem Lehrstuhl für<br />

Sport und Gesundheitsförderung an der TU in München durchgeführt.<br />

Umfassender Gesundheitsbegriff<br />

Die Idee ist, bei einem umfassenden Gesundheitsbegriff anzusetzen. Es geht<br />

also nicht darum, körperliche Funktionen zu unterstützen, z.B. Sturzprophylaxe<br />

zu betreiben, die man im Alter dringend braucht. Es geht vielmehr darum, ein<br />

Körpergefühl und auch ein Selbstbewusstsein zu fördern.<br />

Wir gehen davon aus, dass die Bewegungskompetenz von Menschen mit Behinderung<br />

etwas ist, was sie befähigt, in ihrem Alltag wichtiger zu sein und viele<br />

Aufgaben besser bewältigen zu können. Dabei haben sie auch neue Chancen,<br />

soziale Kontakte zu knüpfen. Durch Bewegungskompetenz steigern sich nicht<br />

nur direkte Handlungspotentiale, sondern ebenso Chancen für soziale Kontakte<br />

und das Selbstwertgefühl. Dabei sind die Lebenskontexte der Zielgruppe von Bedeutung.<br />

Es verbessern sich die Rahmenbedingungen zum „Balanced Aging“,<br />

65


zum gelingenden Altern, das ich Ihnen heute morgen auf eine theoretische Art<br />

und Weise versucht habe näher zu bringen.<br />

Die älteren und alten Menschen mit geistiger Behinderung benötigen ein für sie<br />

geeignetes praxisnahes Gesundheits- und Bewegungsprogramm. Damit können<br />

ihre Chancen für gelingendes Altern sich verbessern, zusätzliche Beeinträchtigungen<br />

vermieden werden, und ihre Lebensqualität kann steigen.<br />

Projektaufbau<br />

Das Modul „ProPER“ dient zur Entwicklung und Erprobung eines Programms zur<br />

gesundheitlichen Prävention für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung<br />

durch Bewegung. Ziel ist ein optimiertes Bewegungsprogramm „ProPER“<br />

als Modell für Einrichtungen der Rehabilitation.<br />

Das Modul „KompAs“ dient der Steuerung des Prozesses der Programmentwicklung<br />

und Erprobung durch Workshops (lernendes System). Ziel ist ein optimiertes,<br />

zielgruppengerechtes Verfahren der Programmentwicklung und -gestaltung.<br />

Die Dauer des Projekts beträgt 2 Jahre, das Bewegungsprogramm selbst dauert<br />

12 Monate.<br />

Bewegungsprogramm<br />

Das Bewegungsprogramm wird in 5 Bereiche aufgeteilt:<br />

1. Gleichgewichtsschulung, Gangschule, Gangsicherheit<br />

2. Eigen- und Fremdwahrnehmung, Entspannung<br />

3. Krafttraining der Arm- und Beinmuskulatur<br />

4. Auge-Hand-Koordination<br />

5. Ausdauertraining<br />

Es wurden im Rahmen des Projekts sportmotorische Tests zur Ausdauerleistungsfähigkeit,<br />

Gleichgewichtsfähigkeit, Koordinationsfähigkeit, Reaktionsschnelligkeit<br />

und Kraft durchgeführt. Außerdem wurden Lebenslagenanalysen<br />

zu Wohlbefinden und Lebensqualität in Form von Interviews und Dokumentenauswertungen<br />

durchgeführt: Materielle, physische und psychische Lage, soziale<br />

Rollen und Kontakte, Wohnlage und andere Statusmerkmale.<br />

66<br />

Beispiele motorischer Assessments sind Ausdauerleistungsfähigkeit (Two-<br />

Minute-Walk), Beinkraft (Three-Chair-Rise), Zug- und Druckkraft der Arme<br />

(Kraftmessung), Koordinationsfähigkeit (Tapping-Test), Gleichgewichtsfähigkeit<br />

(Standpositionen nach Buchner), Reaktionsschnelligkeit (Reaktion auf visuelles<br />

Signal).<br />

Außerdem wurden alltägliche Handlungen („Activities of daily living“) herangezogen:<br />

• Eine Flasche öffnen<br />

• Eine Dose öffnen, einen Kaffeelöffel daraus entnehmen und das Pulver in<br />

einen Kaffeefilter geben<br />

• Mit einem Schlüssel ein Schloss aufschließen<br />

• Einen Kittel anziehen<br />

• Drei auf dem Boden liegende Gegenstände aufheben<br />

Sozialwissenschaftliche Assessments<br />

Nach einem Leitfaden wurden mit den StudienteilnehmerInnen Interviews zur<br />

Erfassung der Lebenslagen und zur Zufriedenheit mit den Lebensbedingungen<br />

von älteren und alten Menschen mit geistiger Behinderung an der Schwelle zum<br />

Ruhestand geführt. Die Auswertung der Interviews erfolgte nach folgenden Kriterien:<br />

• Charakterisierung der Gesamtgruppe<br />

• Beschreibung der Lebenslagen und Lebensbedingungen einzelner Menschen<br />

mit geistiger Behinderung im Alter<br />

• Ermittlung eines Zufriedenheitsindexes<br />

• Ermittlung eines Aktivitätsindexes (ADLs und IADLs)<br />

Die Workshops zum Bewegungsprogramm wurden durch die TeilnehmerInnen<br />

bewertet. Die TeilnehmerInnen äußerten Verbesserungsvorschläge und Wünsche<br />

für die Zukunft. Die Auswirkungen des Programms auf den Alltag der TeilnehmerInnen<br />

wurde erhoben. Die Daten dienen der Konkretisierung der weiteren Planung<br />

des Angebots und der Anpassung des Angebots an die Vorstellungen der<br />

Zielgruppe. Rückmeldungen fließen im Verlauf in die Entwicklung des Programms<br />

ein.<br />

67


Ergebnisse der Workshops<br />

Die hohe Bedeutung des Programms hat sich bereits nach wenigen Wochen herausgestellt.<br />

Gesundheitliche Verbesserungen wurden bereits im zweiten Workshop<br />

geäußert. Die TeilnehmerInnen geben an, in den Bewegungsstunden auch<br />

etwas über ihre Gesundheit zu lernen. Verbesserungsvorschläge oder Wünsche<br />

beziehen sich meist auf die Wiederholung einzelner Übungen oder zusätzliche<br />

Aktivitäten. Nur wenigen TeilnehmerInnen sind die Stunden manchmal zu lang<br />

oder einzelne Übungen zu anstrengend. Befürchtungen bestehen in erster Linie<br />

in Hinblick darauf, dass das Programm über den Sommer hinaus nicht mehr fortgeführt<br />

wird.<br />

Die weitere Auswertung erfolgt mit dem Ziel<br />

• ein wissenschaftlich fundiertes Konzept für ein Bewegungsprogramm für ältere<br />

und alte Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung zu entwickeln<br />

• dieses Konzept in der Fachwelt (z.B. bei Symposien sowie in Form eines Manuals)<br />

zu verbreiten<br />

• Kostenträger für die Bedeutung von (präventiven) Gesundheitsprogrammen<br />

und damit verbundene Einsparungsmöglichkeiten zu sensibilisieren<br />

• die Lebensqualität für ältere Menschen mit Behinderungen durch ein flächendeckendes<br />

Angebot des Bewegungsprogramms zu fördern!<br />

Weitere Auswertungen folgen in den kommenden Monaten, insbesondere werden<br />

die speziellen Zufriedenheitsindices mit Programmelementen und die Aktivitätsindices<br />

(ADLs und IADLs) weiter ausgewertet und bewertet. Das Programm<br />

wird über ein Manual so dokumentiert, dass es in den Alltag der Angebote der<br />

Behindertenhilfe integriert werden kann. Zugleich wird daran gearbeitet, es in<br />

ein Gesamtkonzept des „Balanced Aging“ einzubinden. Dazu müssen die Lebenslagen<br />

und Lebensbedingungen der Menschen mit geistiger Behinderung im<br />

Alter berücksichtigt werden.<br />

Die PowerPoint-Präsentation von Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Wacker mit Tabellen<br />

und weiteren Informationen finden Sie auf www.diakoniewerk.at unter dem<br />

Menüpunkt „Download“. Weitere Informationen zu den Projekten „KompAs“<br />

und „ProPER“ finden Sie unter www.fk-reha.uni-dortmund.de/Soziologie/KompAs<br />

68<br />

Dr. med. Christina Ding-Greiner<br />

Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg<br />

Lebensqualität im Alter bei<br />

Menschen mit geistiger Behinderung<br />

Ein Projekt zur Unterstützung<br />

kompetenzfördernden Verhaltens von<br />

MitarbeiterInnen in der Behindertenhilfe<br />

Selbstständigkeit und Selbstverantwortung gehören zu den wichtigsten Merkmalen<br />

von Lebensqualität, und selbst bei schweren psychischen und körperlichen<br />

Einschränkungen und auch noch im Sterben sollten Angehörige und Pflegepersonen<br />

versuchen, dem Betreuten selbstständiges Handeln zu ermöglichen.<br />

Auch bei demenziell erkrankten oder geistig behinderten und in der Selbstständigkeit<br />

der Lebensführung deutlich eingeschränkten Menschen sind immer Bereiche<br />

vorhanden, in denen Fähigkeiten erhalten sind. Diese Fähigkeiten zu entdecken,<br />

zu unterstützen und zuzulassen ist eine vordringliche Aufgabe von<br />

Angehörigen und von Pflegepersonen. Die Möglichkeit, den eigenen Willen oder<br />

die eigene Befindlichkeit in einer eigenständigen Handlung ausdrücken zu können,<br />

führt zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität bei Menschen<br />

mit einer eingeschränkten körperlichen oder kognitiven Leistungsfähigkeit.<br />

Zur Erfassung der Lebensqualität bei Menschen mit geistiger Behinderung hat<br />

Schalock einen Fragebogen entwickelt, der auch die Dimension „Selbstbestimmung“<br />

enthält. Diese Dimension umfasst folgende fünf Merkmale:<br />

Entscheidung über<br />

(a) tägliche Aktivitäten,<br />

(b) über das, was ich esse und trinke,<br />

(c) über die Art und Weise, wie ich meine Zeit verbringe,<br />

(d) persönliche Meinungen,<br />

(e) persönliche Ziele.<br />

Als eine Grundlage der Selbstbestimmung werden die Fähigkeiten und die Motivation<br />

des Individuums genannt, Aktivitäten des täglichen Lebens selbstständig<br />

auszuführen. Selbstbestimmung und soziale Teilhabe sind als Persönlichkeitsrechte<br />

zu betrachten, die allen Menschen zustehen.<br />

69


Untersuchungen aus dem Arbeitskreis von Margaret Baltes haben ergeben, dass<br />

unselbstständiges Verhalten älterer Menschen in stationären Einrichtungen der<br />

Altenhilfe nicht nur auf Kompetenzeinbußen beruhen, die auf Alternsprozesse<br />

zurückzuführen sind, sondern häufig Ausdruck einer negativen Erwartung hinsichtlich<br />

des Alternsverlaufs sind. Unselbstständiges Verhalten von älteren Menschen<br />

wird in stationären Einrichtungen von Pflegepersonen häufig mit einem<br />

Unselbstständigkeit unterstützenden Verhalten beantwortet. Dagegen werden<br />

selbstständige Verhaltensweisen meistens nicht verstärkt oder aber ignoriert.<br />

Unselbstständiges Verhalten im Selbstpflegebereich ist aus der Sicht des alten<br />

Menschen allerdings als eine Möglichkeit zu werten, eine persönlich zufrieden<br />

stellende Beziehung zum Pflegepersonal herzustellen oder aufrechtzuerhalten.<br />

Eine Umgebung, die die Selbstständigkeit der Bewohner weder beachtet noch<br />

unterstützt oder fördert, kann auch unselbstständiges Verhalten beim Bewohner<br />

bewirken.<br />

Prävention umfasst in diesem Kontext die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Vermeidung<br />

oder Verzögerung des Verlustes von Fähigkeiten oder Fertigkeiten, die<br />

eine selbstständige Lebensführung ermöglichen. Prävention bedeutet hier Förderung<br />

selbstständigen Verhaltens in gefährdeten Aktivitätsbereichen im Frühstadium<br />

der Demenz oder aber lebenslang bei Menschen mit geistiger Behinderung.<br />

Hilfestellung soll nur dann gewährt werden, wenn dazu eine Notwendigkeit<br />

besteht, wenn das selbstständige Verhalten des älteren Menschen entsprechend<br />

bestätigt und gelobt wird. In fortgeschrittenen Stadien der Demenz<br />

und/oder bei schwerer geistiger Behinderung werden sich präventive Maßnahmen<br />

auf die Ermittlung von erhaltenen Fähigkeiten und auf das aktive und gezielte<br />

Zulassen von noch vorhandenem selbstständigen Verhalten beschränken.<br />

Wie kann ein Verlust an Kompetenzen beim älteren Menschen verhindert werden?<br />

In dem Projekt „Lebensqualität im Alter bei Menschen mit einer geistigen Behinderung<br />

– Erhaltung und Förderung der Kompetenz“ wurden folgende Hypothesen<br />

untersucht:<br />

1. Ältere Menschen mit geistiger Behinderung können vorhandene Kompetenzen<br />

nicht nur erhalten, aktivieren und erweitern, sondern es können auch<br />

neue Kompetenzen erworben werden, da sie auch im hohen Alter lernfähig<br />

sind.<br />

2. Der Einfluss der sozialen Umwelt bzw. das Verhalten der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter kann bei Menschen mit geistiger Behinderung selbstständi-<br />

70<br />

ges Verhalten sowohl fördern als auch ignorieren und demzufolge zu einer<br />

Zunahme oder aber zu einem Verlust an Kompetenzen im alltagspraktischen<br />

Bereich führen.<br />

3. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen fachliche Kompetenzen um<br />

selbstständiges Verhalten gezielt zu fördern.<br />

Es wurde ein Interventionsprogramm entwickelt und eingesetzt, welches darauf<br />

ausgerichtet war, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine differenzierte<br />

Einschätzung vorhandener möglicher Kompetenzen bei älteren Menschen mit<br />

geistiger Behinderung vorzunehmen und das eigene Verhalten bei Pflege und<br />

Betreuung unter dem Gesichtspunkt der Unterstützung und Förderung von<br />

selbstständigem Verhalten zu reflektieren.<br />

Fünf Einrichtungen der Behindertenhilfe waren am Projekt beteiligt und insgesamt<br />

40 Probandenpaare – jeweils ein Mitarbeiter / eine Mitarbeiterin und ein<br />

Bewohner / eine Bewohnerin, die bereit waren, sich an der Studie zu beteiligen.<br />

Das Projekt wurde in zwei Phasen durchgeführt; zur Interventionsgruppe gehörten<br />

30, zur Kontrollgruppe 10 Probandenpaare.<br />

Die Bewohner und Bewohnerinnen waren 46 bis 90 Jahre alt, und es sind leichte,<br />

mittlere und schwere Grade der Behinderung festgestellt worden; bei einem Teil<br />

der geistig behinderten Menschen bestand eine Demenz. Das Kriterium für die<br />

Teilnahme an der Studie war eine teilweise eingeschränkte Selbstständigkeit in<br />

den Aktivitäten des Alltags.<br />

Nach einer schriftlichen Befragung zu gerontologischen Themen, zu Erfahrungen<br />

mit beobachteten Veränderungen und Bedürfnissen im Alter bei Menschen mit<br />

geistiger Behinderung, zu Gewinnen und Verlusten im Alter, wurden in einem semistrukturierten<br />

Interview beobachtete Veränderungen im Alter erneut thematisiert,<br />

der Qualifizierungsbedarf ermittelt und die Situation, die gefilmt werden<br />

sollte, besprochen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten letztere selbst<br />

bestimmen.<br />

Ihr Betreuungsverhalten wurde an zwei Messzeitpunkten auf Video aufgenommen.<br />

Die Aufnahmen wurden später analysiert und die Ergebnisse quantitativ<br />

und qualitativ ausgewertet.<br />

Zwischen den beiden Messzeitpunkten fand eine zweitägige Fortbildung statt, in<br />

der gerontologische, geriatrische, gerontopsychiatrische und psychologische Inhalte<br />

vermittelt wurden und eine Einführung in die Methode der Verhaltensmodifikation<br />

stattfand. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten in die Lage<br />

71


versetzt werden, verloren gegangene Fähigkeiten und Fertigkeiten bei den betreuten<br />

BewohnerInnen zu ermitteln, gezielt zu fördern und wieder aufzubauen.<br />

Im Anschluss daran fanden persönliche Gespräche statt, in denen die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter ihre Videosequenzen analysieren und reflektieren<br />

konnten. Ein Schwerpunkt dieser Reflexionsgespräche war die Analyse des eigenen<br />

Verhaltens mit Blick auf die Beeinflussung von selbstständigem bzw. unselbstständigem<br />

Verhalten bei den Bewohnerinnen und Bewohnern.<br />

In der sich anschließenden Übungsphase konnten die erlernten Techniken in die<br />

Praxis umgesetzt werden und während 3 bis 5 Wochen konnten die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter mit den Bewohnerinnen und Bewohnern alltagspraktische<br />

Tätigkeiten (Hauptaktivitäten) wie Zähne putzen, Haare waschen, duschen,<br />

Körbe flechten üben. Jede Hauptaktivität wurde in Teilaktivitäten untergliedert,<br />

die jeweils einzeln geübt werden konnten.<br />

Bei der quantitativen Analyse des Filmmaterials standen die Veränderungen im<br />

Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner im Vordergrund. Es wurde davon<br />

ausgegangen, dass die Ausführung einer Hauptaktivität 100 Prozent aller Teilaktivitäten<br />

einschließt. Der Anteil an Teilaktivitäten, den MitarbeiterInnen und<br />

BewohnerInnen jeweils übernommen hatten, wurde an beiden Messzeitpunkten<br />

bestimmt. Die Veränderungen im Grad der Selbstständigkeit zeigen statistisch<br />

signifikante Unterschiede zwischen den beiden Messzeitpunkten im Sinne einer<br />

Erweiterung alltagspraktischer Kompetenzen in der Interventionsgruppe.<br />

Die qualitative Analyse des Filmmaterials ergab, dass eine Zunahme der Kompetenzen<br />

bei Bewohnerinnen und Bewohnern nicht nur durch einen quantitativ erhöhten<br />

Anteil an ausgeführten Teilaktivitäten zum Ausdruck kommt.<br />

Es fanden sich qualitativ verschiedene Formen von Kompetenzerwerb:<br />

1. Erlernen einer neuen Aktivität führt zu zunehmender Selbstständigkeit des<br />

Bewohners und zu einer verminderten Unterstützung durch den Mitarbeiter.<br />

Beispiel: Der Bewohner hat gelernt, seine Zähne und sein Gebiss selbstständig<br />

zu putzen und die Utensilien aufzuräumen. Er braucht keine Unterstützung<br />

mehr durch die Mitarbeiterin.<br />

2. Erweiterung von Kompetenzen durch Ausbau vorhandener Fertigkeiten, die<br />

selbstständiger und mit mehr Ausdauer und Sorgfalt angewendet werden,<br />

führt zu einer reduzierten Hilfestellung durch den Mitarbeiter. Beispiel: Der<br />

Bewohner konnte sich rasieren, hatte jedoch keine Ausdauer, diese Tätigkeit<br />

72<br />

zu Ende zu führen. Er hat in der Übungsphase gelernt, weitgehend ohne Unterstützung<br />

sich komplett zu rasieren. Wegen einer Gehbehinderung ist eine<br />

geringe Unterstützung durch die Mitarbeiterin weiterhin notwendig.<br />

3. Erlernen einer neuen Aktivität mit zunehmender Selbstständigkeit des Bewohners<br />

bei gleich bleibender Unterstützung durch den Mitarbeiter wegen<br />

körperlicher Einschränkungen. Beispiel: Der Bewohner hat gelernt sich nach<br />

dem Bad abzutrocknen und einzucremen; sein Anteil an der Hauptaktivität<br />

hat sich deutlich vergrößert. Die Unterstützung durch die Mitarbeiterin ist allerdings<br />

wegen einer schweren Körperbehinderung in gleichem Umfang notwendig.<br />

Ihr Anteil an der Pflegehandlung ist daher zahlenmäßig gleich geblieben.<br />

4. Erweiterung der Kompetenzen durch Optimierung vorhandener Fertigkeiten,<br />

die selbstständiger und zweckmäßiger eingesetzt werden; dadurch ist eine<br />

Hilfestellung des Mitarbeiters nur in geringem Ausmaß notwendig. Beispiel:<br />

Der Bewohner hat beim Aufräumen der Spülmaschine gelernt Geschirr und<br />

Besteck so einzuräumen, dass kein Schaden entstehen kann. Er kommt mit<br />

derselben Anzahl von Handgriffen zu beiden Messzeitpunkten aus. Da er das<br />

Geschirr sinnvoller einräumt, greift der Mitarbeiter seltener korrigierend ein<br />

und daher reduziert sich sein Anteil an Teilaktivitäten.<br />

5. Erweiterung der Kompetenzen, ohne dass sich eine Veränderung in der anteilmäßigen<br />

Ausführung einer Hauptaktivität durch Mitarbeiter und Bewohner<br />

zeigt. Beispiel: Die Bewohnerin braucht aufgrund einer fortgeschrittenen<br />

Demenz sehr viel Hilfestellung. Der Anteil an geleisteten Teilaktivitäten bleibt<br />

in beiden Messzeitpunkten sowohl bei ihr als auch beim Mitarbeiter zahlenmäßig<br />

gleich, doch im Film zeigt sich, dass sie gelernt hat, den Pullover über<br />

den Kopf und die Hose hoch zu ziehen.<br />

6. Verminderung der Kompetenz. Die Anzahl der Teilaktivitäten des Bewohners<br />

verringert sich bei steigender Anzahl von Teilaktivitäten des Mitarbeiters. Beispiel:<br />

Der gesundheitliche Zustand dieser Bewohnerin verschlechterte sich,<br />

sodass die Mitarbeiterin zusätzliche Aktivitäten für sie übernehmen musste.<br />

Die Bewohnerin gehört der Kontrollgruppe an.<br />

Die selbstständige Ausführung von neu erlernten Aktivitäten durch die Bewohnerinnen<br />

und Bewohner ist meistens mit einem erhöhten Zeitaufwand verbunden,<br />

sodass die Umsetzung von Selbstständigkeitsfördernden Maßnahmen aus<br />

diesem Grund zwar sinnvoll und für die betroffene Person bedeutend, aber bei<br />

einer engen Personalsituation nicht immer auszuführen ist. Auf Grund bestehen-<br />

73


der körperlicher Einschränkungen kann häufig auf eine weitere Unterstützung<br />

durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verzichtet werden. Die Unabhängigkeit<br />

von jeglicher Unterstützung wie sie der Bewohner aus Beispiel 1 erreichte,<br />

charakterisiert den Ausnahmefall.<br />

Sowohl die detaillierte videogestützte Verhaltensbeobachtung als auch die Einschätzung<br />

des Grades alltagspraktischer Kompetenz durch schriftliche Befragung<br />

haben in der Interventionsgruppe statistisch signifikante Verbesserungen<br />

nach Intervention ergeben. Der Erfolg der Intervention macht deutlich, dass<br />

auch bei älteren Menschen mit geistiger Behinderung von einer lebenslangen<br />

Lern- und Bildungsfähigkeit ausgegangen werden kann. Einbußen in der Selbstständigkeit<br />

sind zu einem guten Teil vermeidbar oder aber korrigierbar. In dieses<br />

Projekt wurden auch Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung und<br />

auch mit einer Demenz miteinbezogen. Bei letzteren konnten in gleicher Weise<br />

nach einer Übungsphase Veränderungen i.S. einer Erweiterung von Kompetenz<br />

festgestellt werden. Ein höheres Ausmaß an Selbstständigkeit wird von den Bewohnern<br />

stets als eine Verbesserung der Lebensqualität betrachtet.<br />

74<br />

Mag. Harry F. J. Urlings<br />

Gesundheitspsychologe, Heilpädagoge<br />

und Validationsteacher<br />

Respektvolle und methodische<br />

Begleitung älterer und dementierender<br />

Menschen mit einer intellektuellen Behinderung<br />

Einleitung<br />

Auf folgende Punkte werde ich nacheinander zu sprechen kommen:<br />

• Die Vergreisung<br />

• Fehlende Kenntnisse und Fertigkeiten<br />

• Die entwickelte Methodik<br />

• Die vier Elemente dieser Methodik<br />

• Die (spezielle) Schulung der BegleiterInnen<br />

1. Vergreisung<br />

Die Zusammensetzung der BewohnerInnen von Einrichtungen und Wohnheimen<br />

für Menschen mit intellektueller Behinderung verändert sich gegenwärtig stark<br />

(Maaskant, 1996). In den Niederlanden, mit zirka 16 Millionen Einwohnern,<br />

leben momentan ungefähr 130.000 Menschen mit einer intellektuellen Behinderung.<br />

Von ihnen lebten im Jahre 2004 18.000 Menschen in kleinen Wohnheimen<br />

und 35.000 Menschen in großen Einrichtungen. In diesen Wohnheimen und Einrichtungen<br />

nimmt die Vergreisung zu.<br />

In Zukunft werden daher nicht nur in allen Wohneinrichtungen sondern auch in<br />

den Tagesstätten immer mehr ältere und immer weniger jüngere Menschen<br />

leben.<br />

Bei intellektuell behinderten Menschen wird meist ab einem Alter von 50 Jahren<br />

von Altwerden gesprochen. Die Zunahme des Anteils älterer Behinderter wird<br />

durch deren ständig wachsende Lebenserwartung verursacht. Das ist die Folge<br />

besserer medizinischer und pflegerischer Begleitung und auch der beschränkten<br />

75


Aufnahmekapazität. Um die Jahrtausendwende waren durchschnittlich 30 % der<br />

BewohnerInnen der Wohneinrichtungen für Menschen mit intellektueller Behinderung<br />

in den Niederlanden 50 Jahre und älter. Erwartet wird (Maaskant, 2001),<br />

dass im Jahre 2011 39 % der BewohnerInnen dieser Einrichtungen 50 Jahre oder<br />

älter sein werden.<br />

In Österreich und Deutschland spricht Weber über eine „verzögerte Alterswelle“<br />

der intellektuell behinderten Menschen. Bekanntlich leben hier weniger alte<br />

Menschen mit intellektueller Behinderung. Aber auch in Österreich und Deutschland<br />

wird in den kommenden Jahren diese Anzahl sehr stark zunehmen.<br />

Da bei intellektuell Behinderten häufig bereits in jüngerem Alter Alterserscheinungen<br />

wie die Alzheimersche Krankheit auftreten, stellt die Vergreisung ein<br />

drückendes Problem dar. Daher muss die Begleitung dieser Bewohnergruppe neu<br />

durchdacht werden. Viele MitarbeiterInnen machen bei der Begleitung mit älteren<br />

intellektuell behinderten Menschen die Erfahrung, in schwierigen Situationen<br />

über zu wenige Kenntnisse und nicht über die erforderlichen Fertigkeiten zu<br />

verfügen.<br />

2. Fehlende Kenntnisse und Fertigkeiten<br />

Zur Illustration solcher Mängel möchte ich von zwei persönlichen Erfahrungen<br />

berichten. Ich arbeite als Gesundheitspsychologe und Heilpädagoge bei „Pepijn<br />

en Paulus“ in Echt, einer Trägerorganisation für Wohnheime und Tagesstätten für<br />

intellektuell behinderte Menschen.<br />

Meine erste diesbezügliche Erfahrung stammt aus der Mitte der achtziger Jahre,<br />

als ich anfing bei „Pepijn en Paulus“ als Gesundheitspsychologe und Heilpädagoge<br />

zu arbeiten.<br />

Diese persönliche Erfahrung beeindruckte mich sehr und führte dazu, mich intensiver<br />

in den Alterungsprozess intellektuell Behinderter zu vertiefen.<br />

76<br />

Der Fall Jan<br />

Ich kann mich noch sehr gut an einen Fall erinnern, als ich gerade bei<br />

„Pepijn en Paulus“ angefangen hatte. Die Begleiter baten mich um Rat bei<br />

Jan, einem älteren Bewohner mit Down-Syndrom, der sich sehr provozierend<br />

verhielt. An manchen Tagen kleidete er sich ganz normal und problemlos<br />

an, an anderen Tagen aber zog er sich beispielsweise seine Hose<br />

über den Kopf.<br />

Wir wollten ihm das abgewöhnen, denn wozu er an dem einen Tag fähig<br />

war, dazu musste er an einem anderen Tag auch imstande sein. Das war<br />

bei der Begleitung unser Ausgangspunkt.<br />

Jan reagierte auf unsere strengeren Anforderungen sehr heftig. Er wurde<br />

wütend, aggressiv und war verärgert. Unser Vorgehen hatte also eine entgegengesetzte<br />

Wirkung und führte lediglich zu mehr Aggressionen.<br />

Jan hatte in dieser Zeit bestimmt kein angenehmes Leben.<br />

Zum Glück kam jemand schließlich auf die Idee, es könnte sich um Demenz<br />

handeln. Ich war nicht derjenige. Wenn ich daran zurückdenke, empfinde<br />

ich noch heute tiefe Scham. Nun passten wir seine Begleitung an. Wir halfen<br />

Jan jetzt immer dann, wenn er nicht imstande war, sich selbst anzuziehen.<br />

Seine Laune besserte sich sichtlich, und er verbrachte noch ein paar<br />

gute Jahre bei uns.<br />

Ein häufiges Problem beim Altern ist das Dementieren. Keine seltene Erscheinung<br />

ist die Alzheimersche Krankheit, denn bei vielen Bewohnern mit Down-<br />

Syndrom treten Symptome dieser Krankheit bereits relativ früh auf. Aus dem<br />

Beispiel dürfte klar geworden sein, dass zur Früherkennung der Demenz entsprechende<br />

Kenntnisse vorhanden sein müssen. Die BegleiterInnen müssen wissen,<br />

welche Verhaltensweisen erste Anzeichen für das Dementieren sein können.<br />

Man muss jedoch ebenfalls wissen, dass Schilddrüsenabweichungen oder Intoxikationen<br />

und auch Depressionen manchmal zu ähnlichem Verhalten führen. Es<br />

muss ausgeschlossen werden können, dass es sich um diese Erkrankungen handelt.<br />

Diese sind oft gut zu behandeln.<br />

Im Folgenden werde ich nicht weiter auf die dafür erforderlichen Kenntnisse,<br />

sondern auf die für ältere und dementierende Menschen mit intellektueller Behinderung<br />

entwickelte Begleitungsmethodik zu sprechen kommen.<br />

Zunächst möchte ich von einer zweiten persönlichen Erfahrung berichten, die<br />

auch den Mangel an Kenntnissen und Fertigkeiten illustriert.<br />

„Pepijn en Paulus“ wurde 1970 eröffnet, in einer Zeit, als viele derartige große<br />

Einrichtungen gebaut wurden. In den siebziger Jahren wurden in diese Einrichtungen<br />

viele Kinder und Jugendliche aufgenommen. Hinzu kam in diesen Jahren<br />

eine große Anzahl von Einweisungen intellektuell Behinderter aus psychiatrischen<br />

Kliniken. Damals war es üblich, intellektuell behinderte Kinder in sonderpädagogische<br />

Einrichtungen einzuweisen, an die Sonderschulen gekoppelt wa-<br />

77


en. Im Laufe der Jahre veränderte sich die dieser Verfahrensweise zugrunde<br />

liegende Philosophie. Intellektuell behinderte Kinder bleiben nun solange wie<br />

möglich bei ihren Eltern, wobei die Eltern die erforderliche Unterstützung erhalten.<br />

Eine große Gruppe der erwachsenen Behinderten des Jahres 1970 war Ende der<br />

achtziger Jahre älter als 50 Jahre und gehörte deshalb zur Kategorie der alternden<br />

HeimbewohnerInnen. Ihre unmittelbaren BegleiterInnen – VerhaltenswissenschafterInnen,<br />

ÄrztInnen und SozialarbeiterInnen – mussten nun lernen,<br />

auch ältere intellektuell Behinderte adäquat und gut zu versorgen. Sie waren<br />

bisher daran gewöhnt, den BewohnerInnen zu möglichst großer Selbstständigkeit<br />

zu verhelfen und ihnen eventuelles problematisches Verhalten abzugewöhnen.<br />

Als sie jetzt mit diesen älteren BewohnerInnen konfrontiert wurden, stellte<br />

sich die auf Entwicklung abzielende Begleitungsform als inadäquat heraus. Viele<br />

BegleiterInnen fühlten sich den neuen Anforderungen nicht gewachsen.<br />

Bei „Pepijn en Paulus“ begannen wir damals mit der intensiven Ausarbeitung<br />

einer neuen Methodik zur Begleitung älterer Menschen mit intellektueller Behinderung.<br />

Auf diese Methodik werde ich gleich näher zu sprechen kommen.<br />

3. „Respektvolle und methodische Begleitung älterer und dementierender<br />

Menschen mit intellektueller Behinderung“<br />

Diese Methodik (Urlings, 1997, 2004) ist entstanden und bezieht ihre Stärke aus<br />

jahrelangen praktischen Erfahrungen bei der Begleitung und Versorgung alternder<br />

intellektuell behinderter Menschen. Angesichts von Begleitungsmethoden,<br />

die keine oder gegenteilige Effekte hatten, wurde in enger Zusammenarbeit mit<br />

den BegleiterInnen nach neuen Begleitungsformen gesucht. Im Laufe der Jahre<br />

konnte diese aus der Praxis abgeleitete Methodik weiterentwickelt werden. Sie<br />

wurde schließlich „respektvolle und methodische Begleitung älterer und dementierender<br />

Menschen mit intellektueller Behinderung“ genannt. Die Methodik<br />

besteht aus folgenden vier Elementen:<br />

• aus dem die Grundlage bildenden phänomenologischen Ansatz<br />

• aus anderen Begleitungsformen wie Realitäts-Orientierungs-Training, Reminiszenz,<br />

Warme Begleitung, Haptonomie, Massagen, Snoezelen und Validation,<br />

die den jeweiligen Bedürfnissen der Versorgung intellektuell Behinderter<br />

angepasst werden<br />

78<br />

• aus der Lebensgeschichte der älteren intellektuell behinderten Menschen<br />

• aus der Berücksichtigung des aktuellen Erlebens sowie der aktuellen Bedürfnisse<br />

und Wünsche dieser älteren Menschen.<br />

Schematisch lässt sich der Zusammenhang zwischen diesen Elementen wie folgt<br />

wiedergeben:<br />

4. Die vier Elemente der Methodik<br />

Der phänomenologische Ansatz ist das erste Element dieser Methodik.<br />

Die Phänomenologie ist eine sozialwissenschaftliche Strömung, die in der Psychologie<br />

sehr bekannt wurde, genannt humanistische Psychologie. Ihre Begründer<br />

waren Rogers und Maslow (Wilson, 1973). Die wichtigsten Ziele von Begleitung<br />

und Therapie sind dabei die Entfaltung des Individuums, das Respektieren<br />

der individuellen Persönlichkeit eines Jeden und seine Selbstverwirklichung. In<br />

der Hippie-Kultur der siebziger Jahre fand dieser Ansatz viele AnhängerInnen. In<br />

späteren Jahren galt die Phänomenologie lange als überholt, und verhaltenstherapeutische<br />

Ansätze überwogen. Angesichts des Fehlens einer theoretischen<br />

Grundlage für die Begleitung älterer intellektuell Behinderter erwies sich die<br />

phänomenologische Strömung der Erziehungswissenschaften als gut brauchbarer<br />

Ansatz – (Urlings und Mathijssen, 1996). Wichtige Begriffe, die sich auch in<br />

der Praxis gut verwenden lassen, sind hierbei:<br />

• die Bereitschaft, sich in andere Menschen einzufühlen (Empathie)<br />

• das Respektieren und Akzeptieren des anderen (unbedingte positive Akzeptanz)<br />

• das Respektieren eines Menschen als Individuum und das Berücksichtigen<br />

seiner Bedürfnisse.<br />

Aus diesen <strong>Kern</strong>punkten der Phänomenologie können wertvolle Aspekte bei der<br />

hier vorgestellten respektvollen und methodischen Begleitung älterer und dementierender<br />

Menschen mit intellektueller Behinderung abgeleitet werden. Die<br />

Phänomenologie bildet die Grundlage dieser Methodik. Sie gibt den Begleitungszielen<br />

Inhalt und Form, bestimmt die Grundhaltung und Einstellung der BegleiterInnen<br />

und liefert eine Reihe von Richtlinien für die Begleitung.<br />

79


Das Ziel der täglichen Begleitung ist kein wissenschaftlich abstraktes, sondern<br />

ein ganz normales Ziel: „Jedem Einzelnen einen guten und glücklichen Lebensabend<br />

ermöglichen“. Damit ist keinesfalls eine Einheitswurst gemeint, sondern<br />

maßgeschneiderte Hilfe, verbunden mit einem jeweils individuellen<br />

Begleitungsplan, der die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigt und die Eigenheiten<br />

eines jeden respektiert.<br />

Voraussetzung für eine adäquate Begleitung ist eine Einstellung und Grundhaltung,<br />

bei der die individuellen Bedürfnisse der älteren intellektuell Behinderten<br />

im Mittelpunkt stehen. Was der Einzelne fühlt, was ihn oder sie beschäftigt,<br />

was er oder sie erlebt, sollte so gut wie möglich herausgefunden und verstanden<br />

werden. Denn sonst weiß man ja nicht, was für den jeweiligen behinderten Menschen<br />

ein glücklicher Lebensabend bedeutet.<br />

Nicht jeder Begleiter ist für die Arbeit mit alternden intellektuell Behinderten geeignet.<br />

Ein solcher Begleiter muss über empathische Fähigkeiten verfügen bzw.<br />

muss fähig sein, sich diese anzueignen. Außerdem darf er Befriedigung in seiner<br />

Arbeit nicht in Erfolgserlebnissen im Sinne von Fortschritten des versorgten Behinderten<br />

erwarten. Sollte ein Mitarbeiter eine solche Bestätigung brauchen und<br />

diese in der Hilfe zum „Selbständigerwerden“ finden, sollte er lieber um Versetzung<br />

bitten. Für ihn wäre die Begleitung intellektuell behinderter Kinder oder intellektuell<br />

Behinderter mit Verhaltensstörungen vielleicht das geeignetere Tätigkeitsfeld.<br />

Dort könnte er mit Sicherheit bessere Arbeit als bei älteren intellektuell<br />

Behinderten leisten.<br />

Bei der Arbeit mit älteren Menschen mit intellektueller Behinderung ist Flexibilität<br />

eine wichtige Voraussetzung. Der Begleiter muss auf eine oft stark wechselnde<br />

körperliche und psychische Verfassung des alten Menschen gefasst sein.<br />

Von einem Tag zum anderen, ja sogar von einem Augenblick zum anderen, kann<br />

man mit Veränderungen konfrontiert werden. Auf diese Veränderungen muss<br />

man sich einzustellen versuchen. Und man muss in der jeweiligen Situation einschätzen<br />

können, was dieser ältere Mensch noch selber kann und bei welchen<br />

Handlungen er Hilfe braucht. Im Anfangsstadium der Demenz ist dies oft sehr<br />

schwierig. Die Gefahr, dass der Begleiter den dementierenden Menschen überfordert,<br />

ist sehr groß und kann manchmal nicht nur Aggressionen, sondern auch<br />

Depressionen auslösen.<br />

Aus dem phänomenologischen Ansatz ergibt sich eine Reihe von Richtlinien für<br />

die tägliche Begleitung. Ich möchte hier zwei dieser Richtlinien nennen. Zum<br />

einen ist die Individualisierung der Begleitung sehr wichtig. Für jeden einzelnen<br />

80<br />

muss eine maßgeschneiderte Versorgung möglich gemacht werden. Tätigkeiten<br />

wie zum Beispiel das Frühstücken sollten nur noch dann, wenn der ältere<br />

Mensch es will, im Rahmen der ganzen Gruppe stattfinden. Oft gehen Begleiter<br />

davon aus, dass gemeinsame Aktivitäten für die Bewohner sehr wichtig und angenehm<br />

sind. Aber vielleicht gibt es Bewohner einer Wohneinheit, die lieber allein<br />

in ihrem Zimmer frühstücken möchten. Der tägliche Rhythmus älterer Menschen<br />

kann sehr unterschiedlich sein. Zum anderen ist Respekt für und<br />

Akzeptanz der Eigenheiten, die ein älterer Mensch im Laufe seines Lebens entwickelt<br />

hat, wichtig. Krampfhaft wiederholte Versuche, ihm die weniger angenehmen<br />

Eigenheiten – oft als Verhaltensprobleme bezeichnet – abzugewöhnen,<br />

sind nicht sinnvoll.<br />

Dies gilt um so mehr für dementierende Menschen. Es ist besser, problematisches<br />

Verhalten bzw. Verhaltensstörungen zu akzeptieren, als zu versuchen,<br />

diese „wegzuarbeiten“. Wichtig ist allerdings die Suche nach Lösungen, bei<br />

denen die Mitbewohner so wenig wie möglich belästigt werden. Problematisches<br />

Verhalten sollte man möglichst gar nicht erst auslösen. Daher empfiehlt es<br />

sich, Voraussetzungen zu schaffen, die einem solchen Verhalten vorbeugen oder<br />

die präventiv wirken.<br />

Das zweite Element dieser Methodik bilden bekannte andere Begleitungsformen,<br />

die für diese intellektuell behinderten Menschen entsprechend<br />

angepasst werden. Dazu gehören das Realitäts-Orientierungs-Training, Warme<br />

Begleitung, Validation, Haptonomie, Massagen und das Snoezelen. Für die hier<br />

vorgestellte Methodik bildet der phänomenologische Ansatz eine gute und solide<br />

Grundlage. Aber auch andere, teilweise aus der Psychogeriatrie übernommene<br />

Begleitungsformen können einen wertvollen Beitrag zur Begleitung und<br />

Versorgung älterer und dementierender intellektuell Behinderter liefern, wenn<br />

sie auf deren Bedürfnisse zugeschnitten werden. Auch sie bieten brauchbare Begleitungs-<br />

und Versorgungskonzepte.<br />

Für Dementierende sind Begleitungsmethoden entwickelt worden, die sowohl<br />

bei intellektuell Behinderten als auch bei normal Begabten Verwendung finden.<br />

Beim Realitäts-Orientierungs-Training (ROT) wird versucht, die Verwirrtheit<br />

des Betreffenden durch realistische Informationen und Orientierungshilfen (bezüglich<br />

Zeit, Ort und Personen) zu vermindern. Eine deutlich sichtbare Uhr, Photos<br />

sowie Piktogramme auf den Türen können sinnvolle Orientierungshilfen<br />

sein.<br />

Ausgangspunkt für die Gestaltung einer Warmen Begleitung ist, dass ein De-<br />

81


mentierender ständig nach Sicherheit und Geborgenheit sucht, weil er die ihm<br />

bekannten Personen immer weniger erkennt. Deshalb wird versucht, dem Dementierenden<br />

ein Gefühl ständiger Geborgenheit inmitten vertrauter Menschen<br />

und in einer vertrauten Umgebung zu vermitteln (beispielsweise durch ein altmodisch<br />

eingerichtetes Wohnzimmer, vertraute Möbel, weiche, warme Farben,<br />

klassische Musik oder Musik von früher).<br />

Bei der Reminiszenz (reminiszieren bedeutet erinnern) steht die Arbeit mit Erinnerungen<br />

an die Vergangenheit im Mittelpunkt der Begleitung. Vor allem bei<br />

Dementierenden, die sich noch regelmäßig an Ereignisse aus einer fernen Vergangenheit<br />

erinnern, ist diese Herangehensweise sinnvoll. Dies kann einerseits<br />

dem Selbstvertrauen zugute kommen, andererseits können so für beide Seiten<br />

wertvolle und interessante Gesprächsthemen vorhanden sein.<br />

In den letzten Jahren wird in zahlreichen Altenheimen die Validation angewendet.<br />

Diesen Ansatz hat die Amerikanerin Naomi Feil entwickelt. Demenzkranke<br />

orientieren sich bekanntlich zunehmend an einer eigenen Realität, die stärker<br />

mit ihrer Vergangenheit als mit der Gegenwart in Verbindung steht. Bei der Validation<br />

versucht sich der Begleiter in den Dementierenden hineinzuversetzen.<br />

Das Erleben des Demenzkranken wird dann vom Begleiter bestätigt (bestätigen<br />

= validieren).<br />

Feil hat eine Reihe von Techniken zusammengestellt, die Zugang zu dem Dementierenden<br />

verschaffen und es ermöglichen, sich in dessen Erlebenswelt einzufühlen.<br />

Feil beschreibt vierzehn Techniken, die der Begleiter anwenden kann.<br />

Diese Techniken lassen sich im Rahmen eines Trainingskurses erlernen.<br />

Die Haptonomie ist ein Begleitungskonzept, bei dem Körperkontakt im Vordergrund<br />

steht. Erlernt wird hierbei das Berücksichtigen des Nahbereichs und das<br />

respektvolle körperliche Unterstützen der Person, wenn deren Handlungsfähigkeit<br />

zurückgeht. Massage-Techniken können für Menschen in fortgeschrittenen<br />

Demenzstadien ebenfalls hilfreich sein. Und beim sogenannten Snoezelen werden<br />

die Sinnesorgane gezielt stimuliert, um angenehme Empfindungen oder Entspannung<br />

zu erreichen.<br />

Jedes Begleitungskonzept hat seinen eigenen Wert.<br />

Das dritte Element ist die Lebensgeschichte. Bei älteren Menschen gewinnt<br />

die Vergangenheit immer mehr an Gewicht. Ältere denken oft gern an früher<br />

zurück. Bei Demenz kommt noch hinzu, dass ab einem gewissen Stadium die<br />

Vergangenheit als Gegenwart erlebt wird. Wissen über diese Vergangenheit ist<br />

82<br />

unentbehrlich. Dabei geht es nicht nur um Faktenkenntnisse, sondern vor allem<br />

darum, wie bestimmte Ereignisse erlebt wurden. Dafür hat Trudy Beijk, eine Kollegin,<br />

ein gutes und brauchbares Modell entwickelt.<br />

Das vierte Element sind die individuellen Bedürfnisse, Erlebnisse und<br />

Wünsche eines älteren Menschen. Nach diesen sollte er möglichst genau befragt<br />

werden. In unserer fünfjährigen Vergreisungsstudie (Maaskant, 1996) wurden<br />

Interviews mit alten Menschen mit intellektueller Behinderung durchgeführt.<br />

Aus diesen Interviews ging hervor, dass ältere Menschen sehr gut fähig<br />

sind, bestimmte Dinge selbst in Worte zu fassen. Je besser den BegleiterInnen<br />

nicht nur die Vergangenheit, sondern je genauer und detaillierter sie auch deren<br />

aktuelle Wünsche, Erlebnisse und Bedürfnisse kennen, desto besser lässt sich die<br />

Begleitung gestalten.<br />

5. Die Schulung der BegleiterInnen<br />

BegleiterInnen sollten sich die für eine gute Begleitung und Versorgung älterer<br />

und dementierender Menschen mit intellektueller Behinderung erforderlichen<br />

speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten zu eigen machen. Daher wurden<br />

Schulungsprogramme entwickelt (Urlings und Mathijssen 1996; Urlings 1997),<br />

die den direkten BegleiterInnen das notwendige zusätzliche Wissen vermitteln<br />

und entsprechende Fertigkeiten trainieren. Praxisnahe Übungen gelten dabei als<br />

ebenso wesentliches Element wie das Umsetzen des Lehrstoffs in die persönliche<br />

Arbeitssphäre mit Hilfe von zu Hause auszuführenden Aufträgen. Dadurch<br />

lässt sich der Lehrstoff leichter aneignen und besser behalten.<br />

Eine solche Form interner Schulung wird bei „Pepijn en Paulus“ durchgeführt.<br />

Die Begleitung älterer intellektuell behinderter Menschen verlangt von den BegleiterInnen<br />

jedoch auch noch nach einem absolvierten Kurs viel Einfallsreichtum<br />

und Kreativität. Für jeden älteren Menschen wird der Begleiter die für diesen<br />

am besten geeignete Kombination der genannten Elemente, Begleitungskonzepte<br />

und Techniken herausfinden müssen. Zur Verdeutlichung wird oft das<br />

Bild vom „Werkzeugkasten des Begleiters“ (Kooij, 1995) verwendet.<br />

In diesem Werkzeugkasten liegen alle verfügbaren Kenntnisse und Fertigkeiten<br />

bereit. Für jeden Menschen und jede der vielen denkbaren Situationen sind diejenigen<br />

Fertigkeiten, Techniken und Kenntnisse herauszusuchen, die dem Einzel-<br />

83


nen am besten zu einem möglichst guten und glücklichen Lebensabend verhelfen.<br />

Deshalb ist die Begleitung älterer Menschen mit einer intellektuellen Behinderung<br />

spannend und wird immer eine Herausforderung bleiben.<br />

Harry F. J. Urlings<br />

Urlings Institut für Fortbildung<br />

Nachtorchis 11<br />

6467 HS Kerkrade<br />

Die Niederlande<br />

Tel. 0031 45 5421759<br />

Ubd-urli@cuci.nl<br />

84<br />

LITERATUR:<br />

Beijk, T.: Het levensverhaal van mensen met een verstandelijke handicap (Die Lebensgeschichten von<br />

intellektuell Behinderten). KAVANAH. Dwingeloo, 1997.<br />

ENIDA (European Network in Intellectual Disability and Aging): Volgen. Respectvol omgaan met<br />

dementerende mensen met een verstandeljke handicap (Einfühlen. Respektvoller Umgang mit<br />

dementierenden intellektuell Behinderten). KAVANAH. Dwingeloo, 1998.<br />

Feil, N.: Validation: een nieuwe visie op omgaan met gedesoriënteerde ouderen. (Validation: eine<br />

neue Sicht auf den Umgang mit desorientierten älteren Menschen). KAVANAH. Dwingeloo, 1995.<br />

Haveman, M und Stöppler, R: Altern mit geistiger Behinderung. Grundlagen und Perspektiven für Begleitung,<br />

Bildung und Rehabilitation. Kohlhammer. Stuttgart, 2004.<br />

van der Kooij, C.: De Toverspiegel: De momenten van echt contact. Presentatie eerste lustrumcongres<br />

Stichting Validation Nederland (Der Zauberspiegel:Augenblicke wirklichen Kontakts.Vortrag<br />

auf dem ersten Jubiläumskongreß der Stiftung Validation Niederlande). Utrecht, 1995.<br />

Maaskant, M.A., Urlings, H.F.J., Schrojenstein Lantman-de Valk, H.M.J., van Hanssen, L., und Keijsers,<br />

W.: Psychische en sociale aspecten van veroudering bij mensen met een verstandelijke handicap.<br />

Verpleegkundige Probleemgebieden en Interventies. (Psychische und soziale Aspekte des Alterns<br />

bei intellektuell Behinderten. Pflegerische Problembereiche und Interventionen). KAVANAH.<br />

Dwingeloo, 1996,2.<br />

Urlings, H.F.J.: Respectvol en methodisch begeleiden van oudere en dementerende mensen met een<br />

verstandelijke handicap (Respektvolle und methodische Begleitung älterer und dementierender<br />

Menschen mit intellektueller Behinderung). UBD. Kerkrade, 1997.<br />

Urlings, H.F.J., und Mathijssen B.: Belevingsgerichte begeleiding van dementerende mensen met een<br />

verstandelijke handicap. Bijscholingscursus Stichting Pepijnklinieken (Erlebensorientierte Begleitung<br />

von dementierenden intellektuell Behinderten. Schulungskurs der Stiftung Pepijnklinieken).<br />

Echt, 1996.<br />

Wilson, C.: Van Freud naar Maslow. Nieuwe wegen in de psychologie. (Von Freud zu Maslow. Neue<br />

Wege in der Psychologie). Lemniscaat. Rotterdam, 1973.<br />

85


ReferentInnen<br />

Dr. Karl Heinz Bierlein, Rummelsberg<br />

Pfarrer, Logotherapeut, Vorstandsvorsitzender der Rummelsberger Anstalten.<br />

Vorsitzender des DEVAP (Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege)<br />

Buchveröffentlichungen zum Thema: „Lebensbilanz – Krisen des Älterwerdens<br />

meistern“, „Alles hat seine Zeit – Ratgeber Leben im Alter“<br />

Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Wacker, Dortmund<br />

Studium der Katholischen Theologie, Germanistik, Soziologie und Rechtswissenschaft.<br />

1982–1996 wissenschaftliche Geschäftsführung der Forschungsstelle „Lebenswelten<br />

behinderter Menschen“ der Universität Tübingen.<br />

Seit 1996 Ordinaria für Rehabilitationssoziologie an der Universität Dortmund.<br />

Veröffentlichungen u.a. zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderung und<br />

zur Lebenslage von älteren Menschen mit geistiger Behinderung.<br />

Dr. med. Christina Ding-Greiner, Heidelberg<br />

Studium der Medizin, danach Assistenzärztin in Heidelberg und Gießen.<br />

Dreijähriger Aufenthalt in San Francisco (Kalifornien). Studium der Gerontologie<br />

an der Universität Heidelberg.<br />

Forschungsschwerpunkte: Altern bei geistiger Behinderung und psychischer<br />

Erkrankung; gesundheitliche Prävention bei Frauen in der zweiten Lebenshälfte.<br />

Fortbildungstätigkeit: Alternsprozesse und Krankheitsprozesse. Altern bei geistiger<br />

Behinderung und psychischer Erkrankung.<br />

Prof. Mag. Rudolf Sotz, <strong>Gallneukirchen</strong><br />

Studium der Wirtschaftspädagogik, von 1976 bis 2001 Lehrer am Beruflichen<br />

Bildungs- und Rehabilitationszentrum Linz und an der Handelsakademie Freistadt.<br />

Tätig als Erwachsenenbildner, in der LehrerInnenfortbildung und als Lehrbeauftragter<br />

für Didaktik an der Johannes Kepler Universität Linz. Seit 2001 Leitung der Lehranstalt<br />

für Heilpädagogische Berufe des Evangelischen <strong>Diakoniewerk</strong>es <strong>Gallneukirchen</strong>.<br />

Mag. Harry F. J. Urlings, Kerkrade/NL<br />

Studium der Heilpädagogik sowie Ausbildungen in Psychodiagnostik und zum<br />

Validations-Teacher.<br />

Seit 1984 Heilpädagoge und Gesundheitspsychologe bei „Pepijn und Paulus“ in<br />

Echt/NL.<br />

86<br />

Von 1990 bis 1995 Teilnahme an einer Untersuchung zum Prozess des Alterns bei<br />

Menschen mit geistiger Behinderung in Kooperation mit der Universität Maastricht.<br />

Seit 1994 Aufbau und Entwicklung des „European Network on Intellectual Disability<br />

and Ageing“. 1996 Gründung von „UBD – Fortbildungsbüro für BegleiterInnen von<br />

alten Menschen mit intellektueller Behinderung“.<br />

Moderation, Dr. Karl Winding, Salzburg<br />

Direktor der Fachschule für Altendienste und Pflegehilfe<br />

im Diakonie-Zentrum Salzburg.<br />

87


88<br />

Differenzierte Arbeitsangebote für geistig und mehrfach<br />

behinderte Menschen in <strong>Gallneukirchen</strong>, Wartberg, Mauerkirchen,<br />

Oberneukirchen, Schladming, Ried/Riedmark, Hagenberg und Linz<br />

Die Behindertenhilfe des Evangelischen <strong>Diakoniewerk</strong>es <strong>Gallneukirchen</strong> bietet geistig<br />

und mehrfach behinderten Menschen sinnvolle Arbeits- und Beschäftigungsbereiche an.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass das Arbeiten und das „Zur-Arbeit-Gehen“ auch für geistig und<br />

mehrfach behinderte Menschen einen hohen Stellenwert besitzt. Damit verbunden sind<br />

soziale Kontakte, Lernerfahrungen, Anerkennung, Status und Rollenidentität, Selbstbestätigung,<br />

Entfaltung, Förderung und Tagesstruktur. Arbeit und sinnvolle Beschäftigung<br />

sind Teil des gemeinsamen Lebens und wichtige Bestandteile menschlicher Existenz. Entsprechend<br />

den individuellen Fähigkeiten, Wünschen und Bedürfnissen der behinderten<br />

Menschen wird versucht, geeignete Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten.<br />

Neben differenzierten Arbeits- und Beschäftigungsangeboten für Menschen mit Behinderung<br />

ist es uns wichtig, mit den angebotenen Produkten und Dienstleistungen möglichst<br />

nahe an die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden und Kundinnen heran zu kommen.<br />

Es ist Ziel, dass die Produkte und Dienstleistungen der im <strong>Diakoniewerk</strong> betreuten<br />

Menschen aufgrund ihrer Qualität und wegen eines realen Bedarfs gekauft oder in Anspruch<br />

genommen werden. Erst dadurch können Menschen mit Behinderungen eine<br />

echte und begründete Wertschätzung erfahren und Normalisierung erleben. Die Individualität<br />

der bei uns beschäftigten Personen macht es notwendig, die Angebote und die inhaltlichen<br />

bzw. pädagogischen Schwerpunkte laufend zu reflektieren und auf deren spezifische<br />

Bedürfnisse abzustimmen. Die Beschäftigung erfolgt in allen Fällen auf der<br />

Grundlage des OÖ Behindertengesetzes, §12 „Hilfe durch Beschäftigung“. Das Aufnahmeverfahren<br />

wird vom Arbeitspädagogischen Fachdienst in enger Zusammenarbeit mit<br />

den jeweiligen Leitungen der einzelnen Beschäftigungsbereiche durchgeführt.<br />

Im Evangelischen <strong>Diakoniewerk</strong> <strong>Gallneukirchen</strong> gibt es mehrere regionale<br />

bzw. differenzierte Beschäftigungsbereiche:<br />

■ Werkstätte <strong>Gallneukirchen</strong> (verschiedene Werkgruppen)<br />

■ Fördergruppen <strong>Gallneukirchen</strong> (Kleingruppen)<br />

■ Werkstätte Wartberg (Werk- und Fördergruppen)<br />

■ EDV-Werkstätte Hagenberg<br />

■ Werkstätte Mauerkirchen (Werk- und Fördergruppen)<br />

■ Werkstätte Oberneukirchen (Werkgruppe)<br />

■ Werkstätte Linz („Kulinarium“, Bürowerkgruppe)<br />

■ Werkstätte Schladming (Werkgruppen und Fördergruppen)<br />

■ Fördergruppen Ried in der Riedmark (Kleingruppen)<br />

Werkstätten Bücherinsel<br />

Kommen Sie auf unsere Insel …<br />

Schmökern Sie in aller Ruhe bei einer Tasse Kaffee oder blättern<br />

Sie in unserem Buchkatalog unter www.diakoniewerk.at/kno.htm<br />

Hier können Sie auch gleich online bestellen!<br />

Wir führen<br />

■ Fachliteratur zur Behindertenpädagogik, Altenpflege,<br />

Gesundheit und Lebenshilfe<br />

■ Aktuelle Romane<br />

■ Geschenkbücher<br />

■ Ausgewählte Kinder- und Jugendliteratur, u.v.m.<br />

Ein kleiner „Welt-Laden“ mit Lebensmitteln und Kunsthandwerk<br />

aus außereuropäischen Ländern ist in das Geschäft integriert.<br />

Mehrmals im Jahr werden Lesungen und Kurse zu aktuellen<br />

Themen veranstaltet. Wenn Sie Interesse daran haben, informieren<br />

wir Sie gerne.<br />

Neugierig geworden?<br />

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!<br />

Bücherinsel<br />

Hauptstraße 7<br />

A-4210 <strong>Gallneukirchen</strong><br />

Telefon 07235 / 62513<br />

Telefax 07235 / 63251-270<br />

E-Mail: m.dewagner@diakoniewerk.at<br />

89


90<br />

Aus unserem Programmangebot<br />

■ Gemüsejungpflanzen und Gemüse<br />

aus eigener biologischer Produktion<br />

■ Beet- und Balkonblumen<br />

Bepflanzung von Balkonkisten nach Ihren Wünschen<br />

■ Obst und Gemüse<br />

Warenangebot aus biologischer Produktion<br />

■ Bioecke<br />

Frisch- und Trockenware<br />

■ Stauden, Schnitt- und Topfblumen,<br />

Gestecke aller Art, Hochzeits- und<br />

Trauerfloristik<br />

Ihr Partner für<br />

BIO-Obst und<br />

BIO-Gemüse<br />

in <strong>Gallneukirchen</strong>!<br />

<strong>Diakoniewerk</strong><br />

BIO<br />

AT-O-02-BIO<br />

Aus kontrolliertem ökologischen Anbau.<br />

G ärtnerei<br />

Friede nshort<br />

Gärtnerei<br />

Friedenshort<br />

A-4210 <strong>Gallneukirchen</strong><br />

Reichenauer Straße 37a<br />

Tel. 07235/63251-420<br />

www.diakoniewerk.at<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag bis Freitag:<br />

8 bis 18 Uhr durchgehend geöffnet<br />

Samstag: 8 bis 13 Uhr<br />

TOGETHER – Integriert ist, wer gebraucht wird<br />

Georg Jungwirth – Down Syndrom – spielt bei TOGETHER Schlagzeug. Er wird<br />

gebraucht, es geht nicht ohne Schlagzeuger. Und daher ist er genauso Teil der<br />

Band wie die anderen Musiker, wie Andi, Gerald, Barni und Edi.<br />

TOGETHER, das sind<br />

Gerald Endstrasser, Bernhard Girlinger, Georg Jungwirth,<br />

Eduard Jungwirth, Andreas Pointecker<br />

Von TOGETHER gibt es „TOGETHER“ – Popular Jazz, aufgenommen 1999<br />

bereits drei CDs: „2 gether“ – Popular Jazz, aufgenommen 2000<br />

„Impressionen“, aufgenommen 2002<br />

Diese CDs können über die Homepage bestellt werden: www.listen.to/together.<br />

Kontaktadresse: Gerald Endstrasser, Tel.: 0650 / 4815369<br />

91

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!