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4<br />

<strong>artensuite</strong><br />

Tracey Emin, My<br />

Bed, 1998, Matratze,<br />

Leintücher, Kissen, verschiedene<br />

persönliche<br />

Gegenstände, 79 x<br />

211 x 234 cm,<br />

Saatchi Gallery, London.<br />

© Tracey Emin.<br />

Tracey Emin -<br />

20 Years<br />

Kunstmuseum Bern,<br />

Hodlerstrasse 8-12.<br />

Geöffnet Dienstag<br />

10:00-21:00 h, Mittwoch<br />

bis Sonntag<br />

10:00-17:00 h. Bis<br />

21. Juni. Mit Katalog-<br />

Magazin.<br />

«Ohne Kunst existiere ich nicht»<br />

Von Sylvia Mutti<br />

■ Wer hat 1999 den renommierten britischen<br />

«Turner Prize» gewonnen? Die<br />

nominierte Tracey Emin war es nicht.<br />

Trotzdem konnte die Welt von diesem<br />

Zeitpunkt an nicht genug von ihr kriegen,<br />

einer Künstlerin aus dem Umfeld<br />

der Young Britisch Artists (YBA), die<br />

in schonungsloser Offenheit einen vermeintlich<br />

behüteten, privaten Rückzugsort<br />

in der Tate Gallery zur Schau<br />

stellte: ihr Bett. Eine ganze Woche lang<br />

hat sie zuvor darin gelebt, geliebt und<br />

gelitten, wovon leere Wodkaflaschen,<br />

gefüllte Aschenbecher, benutzte Kondome<br />

und Tampons, Unterwäsche sowie<br />

verschmutzte Bettlaken zeugen.<br />

Als sie aus dem Delirium erwachte<br />

und realisierte, dass sie bei ihren Ausschweifungen<br />

hätte sterben können,<br />

beschloss sie, diesen Mikrokosmos des<br />

Authentischen, die Quelle der Inspiration<br />

und Essenz ihrer Kunst, ihr Leben,<br />

als Skulptur zu präsentieren. Die<br />

unmittelbar zugängliche und verständliche<br />

Form ihrer Arbeit katapultierte<br />

Tracey Emin mit einem Paukenschlag<br />

als Star in den Kunsthimmel, einen<br />

Status, den sie bis heute als eine der<br />

erfolgreichsten Kunstschaffenden der<br />

Gegenwart innehat. Das Kunstmuseum<br />

Bern widmet der 45-jährigen mit «Tracey<br />

Emin. 20 Years» eine phantastische<br />

Ausstellung, die vor allem eines zum<br />

Ausdruck bringt, dass Emins Arbeiten<br />

bei Weitem mehr sind, als die Erzeugnisse<br />

einer vermeintlich auf Schockwirkung<br />

geeichten Narzisstin. Die explizit<br />

autobiografischen Arbeiten wurzeln in<br />

einem bewegten Leben, erzählen aus<br />

weiblicher Perspektive und kennen<br />

viele leise Zwischentöne, die nicht selten<br />

von einem traurigen oder wütenden<br />

Grundakkord begleitet werden.<br />

Das Gestell einer morschen, hölzernen<br />

Achterbahn empfängt den Besucher<br />

am Ausstellungsbeginn. Der Titel<br />

«It’s Not the Way I Want to Die» ist<br />

Sinnbild für ein Dasein zwischen «ups»<br />

und «downs», das in ausgelassener Rasanz<br />

stets hart am Abgrund taumelte.<br />

Im beschaulichen englischen Küstenkaff<br />

Margate wächst Emin mit ihrem<br />

Zwillingsbruder auf, wird als Teenager<br />

vergewaltigt und gibt sich einem sexu-<br />

ell ausschweifenden Leben hin. Ihre<br />

Befreiung aus der Tristesse inszeniert<br />

Emin zu pulsierendem Discosound in<br />

ihrem Video «Why I Never Became a<br />

Dancer» von 1995 als Triumph einer<br />

selbstbewussten jungen Frau, die dem<br />

Kleinstadtmief mitsamt seinen Peinigern<br />

den Rücken kehrte.<br />

Das Autobiografische in Emins<br />

Kunst gerät nie zur eitlen Nabelschau<br />

und macht vor allzu persönlichen Einblicken<br />

in ihr Leben halt. Es mag überraschen,<br />

doch es gebe durchaus Dinge,<br />

so Emin, die ihr zu nahe gehen und<br />

deswegen nicht zum Thema ihrer Arbeiten<br />

werden: «Ich möchte beispielsweise<br />

nicht, dass man mich oder meine<br />

Freunde weinen sieht, denn dies hat mit<br />

Kunst nichts zu tun.» Die Grenzen, die<br />

sie sich setzt, sind eng gefasst. So werde<br />

es einen Perspektivwechsel weg von ihr<br />

selbst hin zu jemand anderem nie geben:<br />

«Ich finde, dass ich einer anderen<br />

Person etwas nehmen würde, ihre Ideen<br />

stehlen würde. Ich bin sehr streng, was<br />

ich mir in meiner Kunst erlaube.» Die<br />

Verschränkung von Kunst und Leben<br />

<strong>artensuite</strong> April Nr. 4 | 09

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