Die wasserwirtschaftliche Benutzungsordnung
Die wasserwirtschaftliche Benutzungsordnung
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FRIEDRICH<br />
EBERT<br />
STIFTUNG<br />
RBEITSGRUPPE<br />
KAA<br />
KOMMUNALPOLITIK<br />
D-53170 Bonn<br />
Telefax 0228/88 36 95<br />
1. Einführung<br />
Wegbeschreibung für die<br />
kommunale Praxis<br />
<strong>Die</strong> <strong>wasserwirtschaftliche</strong><br />
<strong>Benutzungsordnung</strong>: Gemeingebrauch<br />
1.1 Allgemeines<br />
<strong>Die</strong> lebenswichtige Bedeutung und die Verknappung des Wassers erfordern zwar eine zunehmende Reglementierung der Benutzung.<br />
Der Gebrauch dieses wichtigen Gemeinschaftsgutes kann aber eben wegen ihrer Bedeutung für jedermann nicht<br />
dem einzelnen je besonders und zu den jeweils angemessenen Bedingungen zugeteilt werden. Daher stehen Gewässer in<br />
gesetzlich geregeltem, in Einzelfällen einschränkbarem zulassungsfreiem Gemeingebrauch (2.), der sich für die auf die öffentliche<br />
Sache in besonderer Weise angewiesenen Anlieger zum Anliegergebrauch (3.) steigert. Erst eine darüber hinausgehende<br />
Benutzung von Gewässern bedarf besonderer Zulassung.<br />
1.2 Gemeingebrauch<br />
Nach dem von der Wissenschaft entwickelten Begriff ist Gemeingebrauch die jedermann gewährte öffentliche Berechtigung,<br />
eine öffentliche Sache ohne besondere Zulassung gemäß ihrer Widmung zu benutzen. Der Rechtscharakter des Gemeingebrauchs<br />
ist umstritten. Nach einer Auffassung stellt der Gemeingebrauch nur eine besondere Ausprägung und Konkretisierung<br />
der allgemeinen Freiheit des Menschen dar. Nach anderer Auffassung handelt es sich nur um einen Rechtsreflex, d.h.<br />
einen Vorteil oder eine Chance, die sich für den einzelnen als Folge der entsprechenden Regelungen oder Grundsätze des<br />
objektiven Rechts ergibt. Herrschend dürfte jedoch die Meinung sein, daß der Gemeingebrauch ein subjektives Recht ist<br />
(vgl. jedoch 2.).<br />
1.3 Anliegergebrauch (gesteigerter Gemeingebrauch)<br />
Der Anliegergebrauch ist Inhalt einer durch Gesetz, Satzung oder Gewohnheitsrecht eingeräumten Gestattung, die insoweit<br />
stärker ist als das Gemeingebrauchsrecht, als dieses durch das Anliegerrecht beschränkt ist.<br />
2. Der Gemeingebrauch im Wasserrecht<br />
2.1 Wesen des Gemeingebrauchs<br />
W 6<br />
(Wasser)<br />
2.1.1 Begriff<br />
Im Wasserrecht ist der Gemeingebrauch in § 23 WHG iVm den Wassergesetzen der Länder geregelt. Gemeingebrauch im<br />
Sinne von § 23 WHG ist die kraft Gesetzes jedermann zustehende öffentlich-rechtliche Befugnis ein natürliches oberirdisches<br />
(fließendes oder stehendes) Gewässer ohne besondere behördliche Zulassung (Erlaubnis oder Bewilligung) im Rahmen der<br />
bestehenden wasserrechtlichen Rechte und Befugnisse und im Einklang mit dem Eigentümer- und Anliegergebrauch unter<br />
Beachtung des Grundsatzes der Gemeinverträglichkeit zu benutzen. Innerhalb der so vorgegebenen Grenzen hat der Gewässereigentümer,<br />
der Gewässerunterhaltungspflichtige sowie andere Gewässerbenutzer den Gemeingebrauch unentgeltlich zu<br />
dulden.<br />
Das Rechtsinstitut des Gemeingebrauchs wird durch § 23 WHG als solches bundesrechtlich festgelegt. Nach § 23 Abs. 1 WHG<br />
darf jedermann oberirdische Gewässer in einem Umfang benutzen, wie dies nach Landesrecht gestattet ist, soweit nicht<br />
Rechte anderer entgegenstehen und soweit Befugnisse oder der Eigentümer- oder Anliegergebrauch anderer dadurch nicht<br />
beeinträchtigt werden. Entscheidend ist somit die landesrechtliche Ausgestaltung des Gemeingebrauchs. Das WHG zieht jedoch<br />
nach zwei Seiten hin eine Grenze: Einerseits wird der Gemeingebrauch, anders als im Wegerecht, auf eine untergeordnete<br />
Rolle gegenüber den Sondernutzungen verwiesen. Andererseits wird der Gemeingebrauch als wasserrechtliches Institut<br />
garantiert; die Landesgesetze können ihn nicht gänzlich abschaffen (vgl. BVerwG, DVBl. 1966 S. 497).<br />
2.1.2 Vermittelt der Gemeingebrauch ein subjektiv-öffentliches Recht?<br />
<strong>Die</strong> vielerörterte Frage, ob der Gemeingebrauch ein subjektives öffentliches Recht beinhaltet, wird im Wasserrecht – entgegen<br />
der allgemeinen, vor allem im Straßenrecht vorherrschenden Tendenz – zumeist verneint (vgl. BayVerfGHE 32 S. 92; a.A. Riegel,<br />
BayVBl. 1977 S. 108), hat aber nur geringe praktische Bedeutung. Wer am Gemeingebrauch teilnimmt und in substanti-
ierter Weise eine Verletzung der Gemeingebrauchsnormen vorträgt, verfügt unabhängig von der Betroffenheit eines subjektiven<br />
öffentlichen Rechts oder eines bloßen „Reflexrechts“ über die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Dabei kann es<br />
indessen nur um die rechtswidrige Verweigerung eines eröffneten Gemeingebrauchs gehen. Niemand hat einen Anspruch<br />
auf Eröffnung oder Aufrechterhaltung eines Gemeingebrauchs ((Salzwedel, DÖV 1963 S. 246). Ferner kann auf den wasserrechtlichen<br />
Gemeingebrauch nicht die Klagebefugnis für die Anfechtung einer Erlaubnis zur Einleitung von Abwasser, z.B.<br />
von erwärmtem Kühlwasser eines Kernkraftwerks, wegen befürchteter ökologischer Folgewirkungen gestützt werden (vgl.<br />
OVG Lüneburg, ZfW 1980 S. 303 ff.); denn der Gemeingebrauch bezieht sich rechtlich nur auf den jeweiligen Zustand der<br />
öffentlichen Sache. Jedenfalls kann die unbeschränkte Ausübung des Gemeingebrauchs aufgrund des § 23 WHG und der<br />
landesgesetzlichen Ausfüllungsvorschriften als rechtlich geschütztes Interesse iSd § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO angesehen werden<br />
(vgl. BayVGH, ZfW-Sonderheft 1977 II Nr. 25). Wer eine rechtswidrige Beschränkung des wasserrechtichen Gemeingebrauchs<br />
geltend macht, verfügt somit über die Antragsbefugnis im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle.<br />
2.2 Sachlicher Umfang des Gemeingebrauchs<br />
2.2.1 Benutzung oberirdischer Gewässer<br />
Der Gemeingebrauch berechtigt nur zur Benutzung der oberirdischen Gewässer. Nicht verbunden ist damit das Recht, fremde<br />
Gegenstände, Grundstücke und Anlagen, die im Besitz eines anderen stehen, in Gebrauch zu nehmen. Ebensowenig berechtigt<br />
der Gemeingebrauch dazu, Anlagen und Einrichtungen im oder am Gewässer zu errichten und zu betreiben oder irgendwelche<br />
Veränderungen im oder am Gewässer oder seinen Ufern vorzunehmen. Das gilt auch für den Gewässereigentümer.<br />
Hierzu bedarf es stets einer eigenständigen behördlichen Anlagengenehmigung. <strong>Die</strong> dem Gemeingebrauch unterliegenden<br />
Gewässer sind grundsätzlich in dem Zustand zu benutzen, in dem sie sich jeweils befinden. Ein Rechtsanspruch gegenüber<br />
dem Gewässereigentümer oder dem Gewässerunterhaltungspflichtigen auf Schaffung oder Aufrechterhaltung einer bestimmten<br />
Form des Gemeingebrauchs oder eines dem Gemeingebrauch dienenden Gewässerzustandes besteht nicht. Wird der<br />
Gemeingebrauch durch andere zugelassene Benutzungen eingeschränkt, so ist dies hinzunehmen (vgl. OVG Lüneburg, ZfW<br />
1980 S. 307).<br />
2.2.2 Einschränkungen durch Landeswassergesetze<br />
Einige Landeswassergesetze (z.B. BremWG, HessWG, NdsWG, WG NRW, LWG RhPf) beschränken den Gemeingebrauch auf<br />
natürliche, meist darüber hinaus auf fließende Gewässer. Vom Gemeingebrauch ausgenommen sind aufgrund ausdrücklicher<br />
landesgesetzlicher Bestimmungen Gewässer in Hofräumen, Gärten oder Parkanlagen (z.B. WG BW, BayWG, BerlWG, BremWG,<br />
HbgWG, HessWG, NdsWG, LWG RhPf), regelmäßig auch Talsperren und Wasserspeicher (z.B. WG BW, BerlWG, NdsWG,<br />
SaarlWG) und in Bayern überdies Schilf- und Röhrrichtbestände innerhalb der Gewässer. <strong>Die</strong> Vorschriften über den wasserwirtschaftsrechtlichen<br />
Gemeingebrauch gelten auch für die Bundeswasserstraßen, soweit nicht aufgrund des § 6 WaStrG<br />
Regelungen, Beschränkungen oder Verbote im Interesse der Schiffahrt eingreifen.<br />
2.2.3 Benutzungsformen<br />
Der sachliche Umfang des Gemeingebrauchs wird von den Landeswassergesetzen fast ausschließlich auf traditionelle, heute<br />
minder bedeutsame Benutzungen eingeengt. Er erstreckt sich nach allen Landeswassergesetzen auf das Baden, Waschen<br />
(nicht von Kraftfahrzeugen), Schöpfen mit Handgefäßen, Viehtränken, Schwemmen und das Fahren mit kleinen Wasserfahrzeugen<br />
ohne eigene Triebkraft.<br />
■ Das Baden und Schwimmen:<br />
Hierzu gehören grundsätzlich alle herkömmlichen Formen des Benutzens der oberirdischen Gewässer durch den einzelnen<br />
oder in Gemeinschaft zum Baden, Schwimmen oder Tauchen, gleichgültig, ob dies mit oder ohne Verwendung gewisser<br />
Hilfsmittel geschieht, wie z.B. von Luftmatratzen, Luftkissen, Bällen, Ringen, Schwimmgürteln, Taucherbrillen, Schnorcheln<br />
und dergleichen. Nicht erfaßt wird davon allerdings die Ausübung des Tauchsports mit technischem Gerät z.B. Taucheranzug<br />
und Atemgerät. Nicht unter den gesetzlichen Gemeingebrauch fällt ferner das Massenschwimmen im Rahmen<br />
organisierter Sportveranstaltungen, es sei denn, es ist traditionsgemäß kraft unvordenklicher Verjährung zulässig (z.B.<br />
Neujahrsschwimmen im Rhein und dergleichen). Bei der gemeinschaftlichen Wahrnehmung des Gemeingebrauchs durch<br />
mehrere kommt es für dessen Zulässigkeit entscheidend darauf an, ob er individualitätsbezogen ausgeübt wird (jeder<br />
schwimmt und taucht für sich), oder ob diese Betätigung im Rahmen einer planvoll organisierten Veranstaltung erfolgt<br />
(vgl. OVG Lüneburg, ZfW 1984 S. 373).<br />
■ Das Viehtränken:<br />
Hierdurch wird gestattet, daß Tiere jeglicher Art, z.B. Kühe, Pferde, Schafe, Ziegen, Hunde, Katzen, Geflügel (nicht nur<br />
Tiere aus der Landwirtschaft) zum Zwecke des Durststillens unmittelbar an die Gewässer herangeführt werden dürfen.<br />
Eine Beschädigung des Ufers oder des Gewässers ist vom Gemeingebrauch allerdings nicht gedeckt. Das Tränken muß<br />
so erfolgen, daß der Zustand des Gewässers unversehrt bleibt.<br />
■ Das Schwemmen:<br />
Dazu gehören das Baden und Waschen (Reinigen) von Tieren aller Art mit Hilfe des Wassers. <strong>Die</strong> Verwendung von chemischen<br />
Waschzusätzen wie z.B. von Seife, Shampoo etc. ist nicht gestattet, da dies eine Gewässerverunreinigung darstellt,<br />
die nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG zulassungspflichtig ist.<br />
■ Das Schöpfen mit Handgefäßen:<br />
<strong>Die</strong>se Benutzungsform liegt vor, wenn Wasser oder Eis in (insgesamt) geringen Mengen auf manuelle Art und Weise zum<br />
Zwecke des Ver- oder Gebrauchs entnommen wird, wie z.B. zum Tränken von Vieh, zur häuslichen, landwirtschaftlichen<br />
oder gärtnerischen Verwendung. Eine Entnahme mittels technisch-maschineller Einrichtungen fällt nicht mehr darunter,<br />
da es an der handgemäßen Benutzung fehlt.<br />
■ Das Befahren mit Kleinfahrzeugen ohne eigene Triebkraft:<br />
Ob ein Wasserfahrzeug „klein“ genannt werden kann, richtet sich nicht nach der Gemeinverträglichkeit der Gewässerbenutzung,<br />
sondern nach dem allgemeinen Sprachgebrauch. Kleine Wasserfahrzeuge sind hiernach jedenfalls keine Schiffe;<br />
zu diesen gehören Ausflugsboote, größere Flöße, Boote zur Personenbeförderung sowie Fahrzeuge, auf denen man wohnen<br />
kann (OVG Koblenz, ZfW 1977 S. 117). Nicht zu den Schiffen, sondern zu den kleinen Wasserfahrzeugen zählen hinge-
gen z.B. Ruderboote, Paddelboote, Faltboote, Kajaks, Schlauchboote, Segeljollen mit einer Länge bis zu 6,20 m und einer<br />
Segelfläche bis zu 20 qm (vgl. OVG Koblenz aaO). Zum Gemeingebrauch gehört auch das Windsurfen; Surfbretter sind<br />
kleine Wasserfahrzeuge ohne eigene Triebkraft (BayVGH, BayVBl. 1979 S. 335). Dagegen ist das Befahren eines Gewässers<br />
mit einem Fahrzeug ohne eigene Triebkraft nicht zum Gemeingebrauch zu rechnen, wenn es der Ausübung der Berufs-<br />
oder Sportfischerei dient. Denn die Fischerei steht nicht jedermann, sondern nur dem Fischereiberechtigten zu. <strong>Die</strong><br />
Fischereiberechtigung umfaßt ihrerseits die Befugnis, das betreffende Gewässer zum Zwecke des Fischens mit kleinen Booten<br />
ohne eigene Triebkraft zu befahren (BayVerfGH, BayVBl. 1980 S. 589). Soweit kleine Wasserfahrzeuge ohne eigene<br />
Triebkraft (insbesondere mit Hilfe fester Einrichtungen) ständig im Wasser oder im unmittelbar angrenzenden Uferbereich<br />
belassen werden, handelt es sich um eine den Gemeingebrauch überschreitende Sondernutzung des Gewässers (vgl. VG<br />
Freiburg, ZfW 1984 S. 376).<br />
Das Befahren eines Gewässers mit Motorfahrzeugen ist grundsätzlich kein <strong>wasserwirtschaftliche</strong>r Gemeingebrauch. Einige<br />
Wassergesetze der Länder enthalten hierzu Ausnahmen, in anderen Ländern sind Ausnahmen von diesem Grundsatz<br />
nicht vorgesehen (vgl. OVG Lüneburg, ZfW Sonderheft 1985 Nr. 44). Während das WHG nur die Wasserwirtschaft geregelt<br />
und die Schiffahrt ungeregelt gelassen hat, haben die Wassergesetze der Länder jenseits des bundesgesetzlichen Rahmens,<br />
jedoch aufgrund der allgemeinen Landesgesetzgebungskompetenz (Art. 70 Abs. 1 GG) die Schiffahrt mitgeregelt,<br />
also Wasserwegerecht geschaffen. <strong>Die</strong> Schiffahrt auf den Bundeswasserstraßen unterliegt indessen nicht diesen landesrechtlichen<br />
Vorschriften, sondern ausschließlich den Regelung des § 5 WaStrG (BVerfGE 21 S. 312 ff.).<br />
2.2.4 Zulässigkeit von Regelungen<br />
<strong>Die</strong> Wassergesetze der Länder lassen durchweg, allerdings in verschiedenem Maße, zu, daß die Ausübung des Gemeingebrauchs<br />
geregelt, beschränkt oder verboten wird.<br />
a) Inhaltlich können derartige Regelungen, Beschränkungen und Verbote hinsichtlich der Ausübung des Gemeingebrauchs<br />
den Schutz unterschiedlicher Rechtsgüter bezwecken. Sie können der Sicherung der Schiffahrt dienen (vgl. HessVGH,<br />
NJW 1966 S. 1624). Vielfach steht bei ihrem Erlaß der Schutz von Natur und Landschaft im Vordergrund; dabei können<br />
ökologische Gesichtspunkte oder soziale, mit der Pflege von Erholungsgebieten verfolgte Ziele ausschlaggebend sein (vgl.<br />
BayVGH, BayVBl. 1980 S. 589). Schließlich kann mit der Regelung des Gemeingebrauchs der Schutz anderer Gewässerbenutzer,<br />
z.B. der Badenden, bezweckt werden. Stets verlangt jedoch der rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit,<br />
daß die geschützten Rechtsgüter, konkurrierende Belange des Allgemeinwohls und die betroffenen Interessen der<br />
verschiedenen Gewässerbenutzer untereinander abgewogen und, soweit möglich, koordiniert werden. Dabei müssen die<br />
Besonderheiten der jeweiligen Situation berücksichtigt werden. So muß der Verordnungsgeber bei Regelungen, die den<br />
Gemeingebrauch zugunsten anderer Gewässerbenutzungen einengen sollen, versuchen, möglichst alle Ausübungsarten<br />
des Gemeingebrauchs an einem konkreten Gewässer miteinander in Einklang zu bringen. Ist dies nicht dadurch möglich,<br />
daß der verschiedenen Benutzungsarten gesonderte Gewässerzonen zugewiesen werden, so müssen diejenigen Benutzer<br />
Einschränkungen hinnehmen, die andere beeinträchtigen, Natur und Landschaft schädigen oder Erholungsflächen besonders<br />
belasten.<br />
b) <strong>Die</strong> meisten Landeswassergesetze erstrecken den Gemeingebrauch an oberirdischen Gewässern auf das Einleiten von<br />
Grund-, Quell- und Niederschlagswasser (Tagwasser). Vielfach ist hiervon das Einleiten mittels gemeinsamer Anlagen ausgenommen.<br />
Andere Landeswassergesetze fassen in ähnlicher Weise die Einleitung von Wasser aus einer erlaubnisfreien<br />
Bodenentwässerung landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzter Grundstücke unter den Gemeingebrauch.<br />
Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Erwähnung gilt in allen Bundesländern die Anforderung, daß gemeingebräuchlich<br />
eingeleitetes Wasser nicht durch menschliche Einwirkung verschmutzt, erwärmt oder in sonstiger Weise nachteilig<br />
verändert sein darf. Daher wird es nicht vom Gemeingebrauch gedeckt, wenn Niederschlagswasser von vielbefahrenen<br />
Straßen in ein Gewässer eingeleitet wird, nachdem es in der heute üblichen und unvermeidlichen Weise Rückstände des<br />
Verkehrs (z.B. Öl, Benzin und Reifenabrieb) oder der Straßenunterhaltung (z.B. Auftausalze) aufgenommen hat.<br />
c) Der Gemeingebrauch muß zurücktreten, soweit Rechte anderer entgegen stehen, nämlich inhaltlich kollidieren. Auf eine<br />
tatsächliche Beeinträchtigung kommt es hier nicht an. Solche vorrangigen Rechte anderer können auf einer Bewilligung<br />
beruhen oder in einem alten Recht iSd § 15 WHG, nicht aber in anderen Privatrechten bestehen (Friesecke, DVBl. 1960<br />
S. 711). Durch Befugnisse oder den Eigentümer- oder Anliegergebrauch anderer wird der Gemeingebrauch nur dann<br />
unzulässig, wenn dessen Ausübung zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Betroffenen führt. <strong>Die</strong> inhaltliche Kollision<br />
mit den betroffenen Rechtspositionen reicht hier nicht aus. Befugnisse mit einem derart bedingten Vorrang gegenüber<br />
dem Gemeingebrauch können auf einer Erlaubnis beruhen oder in einer alten Befugnis iSd § 15 WHG bestehen. Als selbstverständlich<br />
wird im WHG und in den Landeswassergesetzen vorausgesetzt, daß die Ausübung des Gemeingebrauchs<br />
den Gemeingebrauch anderer nicht unmöglich machen oder wesentlich erschweren darf, also gemeinverträglich sein<br />
muß (BayVGH, BayVBl. 1980 S. 589). Im übrigen vermittelt der Gemeingebrauch kein Recht auf Zugang zum Gewässer<br />
unter Eingriff in Rechte Dritter; er setzt vielmehr den Zugang voraus. Gegenüber Maßnahmen des Gewässerausbaues gibt<br />
die Ausübung des Gemeingebrauchs keinen Anspruch auf Erhaltung des Gewässers oder eines bestimmten Gewässerzustandes<br />
(OVG Münster, ZfW Sonderheft 1967 II Nr. 49). Das gleiche gilt gegenüber der Zulassung anderer Gewässerbenutzungen<br />
(OVG Lüneburg, ZfW 1980 S. 303).<br />
2.3 Grundsatz der Unentgeltlichkeit<br />
<strong>Die</strong> Ausübung des Gemeingebrauchs erfolgt prinzipiell unentgeltlich. Das bedeutet, soweit der Umfang des Gemeingebrauchs<br />
reicht, darf er nicht von der Erhebung eines Entgeltes z.B. einer Benutzungsgebühr abhängig gemacht werden. Das gilt in<br />
gleicher Weise für öffentliche als auch private Geldforderungen. <strong>Die</strong> Veranschlagung derartiger Geldzahlungen steht mit der<br />
Rechtsnatur des Gemeingebrauchs nicht im Einklang und ist damit unzulässig.<br />
Etwas anderes gilt nur bei künstlichen oberirdischen Gewässern. Sie unterliegen nicht dem gesetzlichen Gemeingebrauch.<br />
Eine Benutzung dieser Gewässer kann daher von der Erhebung eines Entgeltes abhängig gemacht werden. Berechtigter ist<br />
der Eigentümer des Gewässergrundstücks. Ist Eigentümer eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts, so ist nur<br />
die Erhebung eines privaten Entgeltes zulässig. Steht das Eigentum dagegen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts<br />
zu, z.B. einer Gemeinde, einer Stadt, einem Landkreis, dem Lande etc., so können diese die Benutzungszulassung nach freier<br />
Wahl in privater oder in öffentlich-rechtlicher Form gestatten. Wählen sie die Rechtsform des privaten Rechts, so liegt die<br />
Handlungsform des sog. Verwaltungsprivatrechts vor. Eine Leistung der Daseinsvorsorge wird in privater Rechtsform zur Ver-
fügung gestellt. Rechtsstreitigkeiten, die in diesem Zusammenhang entstehen, gehören nach § 13 GVG zur Zuständigkeit der<br />
ordentlichen Gerichte in Zivilsachen. Entschließt sich der öffentliche Träger dagegen die Benutzung des Gewässers öffentlichrechtlich<br />
zu regeln, so muß dies auf der Grundlage einer Satzung erfolgen. Es liegt dann die Handlungsform der sog. schlichthoheitlichen<br />
Verwaltung vor. Nur im letzten Fall können auf der Grundlage des Kommunalabgabenrechts und der Satzung<br />
öffentliche Benutzungsgebühren erhoben werden, die erforderlichenfalls auch mittels der öffentlich-rechtlichen Zwangsvollstreckung<br />
(durch Leistungsbescheid) betrieben werden können. Rechtsstreitigkeiten hieraus gehören nach § 40 Abs. 1 VwGO<br />
zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, da eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt.<br />
2.4 Einschränkungen des Gemeingebrauchs<br />
§ 23 WHG iVm den Wassergesetzen der Länder eröffnet die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung oder Verwaltungsakt den<br />
Gemeingebrauch in der Art und Weise seiner Ausübung zu reglementieren. Ausübungsregelungen, Beschränkungen und Verbote<br />
sind nur insofern zulässig, als damit öffentliche und gemeinwohlbezogene Zwecke verfolgt werden (vgl. § 37 LWG RhPf).<br />
3. Eigentümer-, Anlieger- und Hinterliegergebrauch an oberirdischen Gewässern<br />
Der Eigentümer-, Anlieger- und Hinterliegergebrauch kann seinem Wesen nach als ein gesteigerter Gemeingebrauch angesehen<br />
werden. Berechtigte sind der Eigentümer (3.1) sowie die Anlieger- und Hinterlieger (3.2)<br />
3.1 Umfang<br />
3.1.1 Eigentümergebrauch<br />
Der Eigentümergebrauch umfaßt nach § 24 Abs. 1 Satz 1 WHG die Benutzung eines oberirdischen Gewässers durch den Eigentümer<br />
oder den durch ihn Berechtigten, etwa einen Nießbraucher, Pächter oder Mieter, für den eigenen Bedarf, wenn<br />
dadurch andere nicht beeinträchtigt werden, keine nachteilige Veränderung der Eigenschaft des Wassers, keine wesentliche<br />
Verminderung der Wasserführung und keine andere Beeinträchtigung des Wasserhaushalts zu erwarten ist.<br />
Der Eigentümergebrauch umfaßt in der Praxis im wesentlichen folgende Benutzungen:<br />
■ Entnehmen und Ableiten von Wasser,<br />
■ kleine Stauhaltungen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 WHG),<br />
■ Wiedereinleitung von Kühlwasser, wenn bei der Zuführung die Entnahmetemperatur nicht mehr überschritten ist,<br />
■ Entnehmen fester Stoffe, soweit dies auf den Zustand des Gewässers oder den Wasserabfluß nicht einwirkt.<br />
Von der Möglichkeit, den Eigentümergebrauch auszuschließen, soweit er bisher nicht zugelassen war (§ 24 Abs. 1 Satz 2<br />
WHG), hat das Saarländische Wassergesetz Gebrauch gemacht.<br />
3.1.2 Anlieger- und Hinterliegergebrauch<br />
Nach § 24 Abs. 2 WHG können die Länder bestimmen, daß die Eigentümer der an oberirdischen Gewässer angrenzenden<br />
Grundstücke und die zur Nutzung dieser Grundstücke Berechtigten (Anlieger) sowie die Eigentümer der an Anliegergrundstücke<br />
angrenzenden Grundstücke und die zur Nutzung dieser Grundstücke Berechtigten (Hinterlieger) oberirdische Gewässer<br />
ohne Erlaubnis oder Bewilligung nach Maßgabe des zulässigen Eigentümergebrauchs benutzen dürfen. Während die meisten<br />
Landeswassergesetze einen solchen Anliegergebrauch zugelassen haben, ist ein Hinterliegergebrauch nur durch § 27 WG<br />
BW gestattet worden.<br />
§ 24 Abs. 3 WHG schließt an Bundeswasserstraßen und an sonstigen Gewässern, die der Schiffahrt dienen oder künstlich<br />
errichtet sind, also z.B. an Kanälen und Stauseen, einen Anlieger- und Hinterliegergebrauch aus.<br />
Der Anlieger- und Hinterliegergebrauch besitzt nach herrschender und zutreffender Ansicht den Charakter einer öffentlichrechtlichen<br />
Sondernutzung. Dagegen sieht die überwiegende Meinung den Eigentümergebrauch als Ausfluß des privaten<br />
Eigentums am Gewässergrundstück iSd § 903 BGB an. Wegen des Zusammenhangs mit den übrigen, unstreitig öffentlichrechtlichen<br />
Benutzungsarten und des öffentlich-rechtlichen Gesamtcharakters des WHG erscheint es jedoch richtiger, auch<br />
den Eigentümergebrauch nach § 24 Abs. 1 WHG als subjektives öffentliches Benutzungsrechts zu verstehen (vgl. Salzwedel,<br />
ZfW 1962 S. 85). Verfassungsrechtliche Bedenken erwachsen daraus nicht, da auch subjektive öffentliche Rechte „Eigentum“<br />
iSd Art. 14 GG bilden können (BVerfGE 52 S. 257); eine öffentlich-rechtliche Regelung des Eigentümergebrauchs also eine<br />
zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums darstellen kann (Breuer, ZfW 1979 S. 78 ff.).<br />
3.2 Rechtsweg<br />
Entsteht Streit über den zulässigen Umfang des Eigentümer-, Anlieger- und Hinterliegergebrauchs, so kann der Verwaltungsrechtsweg<br />
beschritten werden (§ 40 Abs. 1 VwGO). Richtige Klageart ist die Feststellungsklage (vgl. Wegbeschreibung VS 2).<br />
4. Abgrenzung zu anderen Arten des zulassungsfreien Gewässergebrauchs<br />
Neben dem allgemeinen Gemeingebrauch (vgl. 2.) und dem Eigentümer-, Anlieger- und Hinterliegergebrauch (vgl. 3.) gibt es<br />
noch weitere Arten der zulassungsfreien Gewässerbenutzung, so z.B. die Benutzung zu Zwecken der Fischerei (vgl. § 25 WHG),<br />
die Grundwasserbenutzung (vgl. § 33 WHG) sowie die Benutzung bei Übungen und Erprobungen (vgl. § 17 a WHG). Bei<br />
allen diesen Formen des zulassungsfreien Gewässergebrauchs handelt es sich rechtssystematisch um Ausnahmeregelungen<br />
von dem allgemeinen <strong>wasserwirtschaftliche</strong>n Zulassungserfordernis des § 2 Abs. 1 WHG. <strong>Die</strong> Vorschriften sind daher grundsätzlich<br />
eng auszulegen. Als wesentliche Bestandteile der öffentlich-rechtlichen <strong>Benutzungsordnung</strong> sind sie öffentlich-rechtlicher<br />
Natur (vgl. BVerfG, ZfW 1982 S. 286).<br />
Das vorliegende Faltblatt ist Teil einer Loseblattsammlung, die laufend ergänzt wird. <strong>Die</strong> systematische Übersicht und weitere Faltblätter erhalten Sie auf Anfrage.<br />
Stand: Dezember 1999