Beilage Frühling/Sommer 2009 - Fh-guestrow.de
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Der kriminologische Dienst an <strong>de</strong>r FHöVPR M-V - Fortsetzung<br />
-Chance eines Aufbruchs-<br />
5 Siehe Abbildung 1 (umseitig)<br />
6 Jehle, Heinz, Sutterer 2003, Seite 11<br />
Hierzu soll eine Gruppe bestehend aus 250 Proban<strong>de</strong>n, die nach dieser neuen<br />
differenzierten Leistungsgestaltung behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, anhand einer Aktenanalyse<br />
mit einer Gruppe verglichen wer<strong>de</strong>n, die aus einer zufällig gezogenen<br />
Stichprobe von wie<strong>de</strong>rum 250 Proban<strong>de</strong>n besteht, die vor <strong>de</strong>m 01. April 2008<br />
(Cut-Off) jedoch nicht vor <strong>de</strong>m 01.01.2006 unter Bewährungsaufsicht gestellt<br />
wur<strong>de</strong>n.<br />
Die Proban<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Vergleichsgruppen wer<strong>de</strong>n in jeweils folgen<strong>de</strong><br />
Untergruppen eingeteilt:<br />
1. Proban<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Freiheits- o<strong>de</strong>r Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt<br />
wur<strong>de</strong> -jeweils 100 Proban<strong>de</strong>n<br />
2. Proban<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Strafrest nach § 57 StGB bzw. § 88 JGG zur Bewährung<br />
ausgesetzt<br />
wur<strong>de</strong> und die von <strong>de</strong>r Bewährungshilfe in <strong>de</strong>r Interventionskategorie Intensiv<br />
eingestuft wur<strong>de</strong>n/wer<strong>de</strong>n -jeweils 50 Proban<strong>de</strong>n<br />
3. Proban<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Straftest nach § 57 StGB bzw. § 88 JGG zur Bewährung<br />
ausgesetzt<br />
wur<strong>de</strong> und die von <strong>de</strong>r Bewährungshilfe in <strong>de</strong>r Interventionskategorie Standard<br />
eingestuft wur<strong>de</strong>n/wer<strong>de</strong>n -jeweils 50 Proban<strong>de</strong>n<br />
4. Proban<strong>de</strong>n unter Führungsaufsicht -jeweils 50 Proban<strong>de</strong>n 5<br />
Die Evaluation soll andauern, bis die Anzahl <strong>de</strong>r Proban<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Vergleichsgruppe<br />
erreicht wor<strong>de</strong>n ist (250 Proban<strong>de</strong>n).<br />
Eine Reihe von teils <strong>de</strong>skriptiven Fragestellungen für alle Gruppen, durch das<br />
Justizministerium vorgegeben, sollen hierbei als Handanweisung für die Aktenanalyse<br />
dienen. Die zentralen Fragestellungen <strong>de</strong>r Evaluation glie<strong>de</strong>rn sich<br />
danach in die Fernzielfrage: Gibt es Hinweise darauf, ob ein zügiger Erstkontakt<br />
innerhalb von 14 Tagen als auch eine regelmäßige Kontaktdichte (nach<br />
Planungsvorgabe) - bei <strong>de</strong>r Vergleichsgruppe 1 im Gegensatz zur Vergleichsgruppe<br />
2 - innerhalb <strong>de</strong>r ersten zwölf Monate in Freiheit zu weniger Bewährungswi<strong>de</strong>rrufen<br />
bzw. Abbrüchen führt? und die Nahzielfragen:<br />
* Wie erfolgt die Umsetzung <strong>de</strong>s neuen Konzeptes „Differenzierte<br />
Leistungsgestaltung“?<br />
* Ist die jeweilige Kontaktdichte praktisch durchzuhalten und wenn nein, warum?<br />
* Wie kontrollieren die jeweiligen Leiter <strong>de</strong>r Geschäftsbereiche <strong>de</strong>r Sozialen<br />
Dienste die Proban<strong>de</strong>n, die in die Intensiv-Kategorie eingestuft wor<strong>de</strong>n<br />
sind?<br />
Rückfallverhin<strong>de</strong>rung ist zwar eine <strong>de</strong>r wichtigsten Aufgaben <strong>de</strong>s Strafrechts,<br />
aber in welchem Maße dies gelingt, ist in Deutschland in<strong>de</strong>s weitgehend unbekannt.<br />
Mit <strong>de</strong>r Untersuchung von Jehle, Heinz und Sutterer aus <strong>de</strong>m Jahre 2003,<br />
wird „erstmals für Deutschland“ eine „alle strafrechtlichen Sanktionen einbeziehen<strong>de</strong><br />
Rückfallstatistik“ 6 vorgelegt. Für einen sehr kleinen aber konkreten<br />
Proban<strong>de</strong>nkreis <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s Mecklenburg-Vorpommern soll dies in <strong>de</strong>r<br />
hier beschriebenen Untersuchung <strong>de</strong>s Kriminologischen Forschungsdienstes<br />
auch erforscht wer<strong>de</strong>n.<br />
Seite 1
In einem zweiten Teilprojekt soll die neu aufzubauen<strong>de</strong> Sozialtherapeutische<br />
Abteilung in <strong>de</strong>r Jugendanstalt Neustrelitz evaluiert wer<strong>de</strong>n. Das Forschungsvorhaben<br />
zur Frage <strong>de</strong>r effektiven Behandlung in <strong>de</strong>r Jugendsozialtherapie soll<br />
mittels einer quasi- experimentellen Studie umgesetzt wer<strong>de</strong>n. Die Wirksamkeit<br />
<strong>de</strong>r Behandlung soll mittels einer Kontrollgruppe dargestellt wer<strong>de</strong>n. Es sollen<br />
auch Aussagen über <strong>de</strong>n Legalbewährungsverlauf <strong>de</strong>r Kontrollgruppe getätigt<br />
wer<strong>de</strong>n. Im späteren Verlauf sollen Aussagen über <strong>de</strong>n Legalbewährungsverlauf<br />
<strong>de</strong>r Experimentalgruppe herangezogen wer<strong>de</strong>n.<br />
Untersucht wer<strong>de</strong>n soll eine Gruppe 1 (Experimentalgruppe), die erfolgreich<br />
die Behandlung in <strong>de</strong>r Jugendsozialtherapie durchlaufen hat. Bei einer Kontrollgruppe<br />
2, aus <strong>de</strong>m Entlassungsjahrgang 2005, bei <strong>de</strong>r aus heutiger Sicht<br />
gemäß <strong>de</strong>r Behandlungsuntersuchung die Aufnahme in <strong>de</strong>r Sozialtherapie indiziert<br />
gewesen wäre, soll ein Gruppenvergleich im Hinblick auf die Legalbewährung<br />
7 nach Haftentlassung stattfin<strong>de</strong>n. 8<br />
Weiter sollen verschie<strong>de</strong>ne in <strong>de</strong>r Persönlichkeit <strong>de</strong>r Versuchspersonen liegen<strong>de</strong>,<br />
charakteristische Merkmale und Prädiktoren herausgearbeitet wer<strong>de</strong>n. Im<br />
Hinblick auf eine positive Legalbewährung und erfolgreiche sozialtherapeutische<br />
Behandlung soll erforscht wer<strong>de</strong>n, wie diese Merkmale zu gewichten<br />
sind. Die Evaluation dauert an, bis min<strong>de</strong>stens 30 Proban<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
Vergleichsgruppen abschließend untersucht wur<strong>de</strong>n. Der Zeitrahmen für die<br />
Legalbewährungserprobung wird auf zwei Jahre nach <strong>de</strong>r Haftentlassung festgesetzt.<br />
Eine Reihe von teils <strong>de</strong>skriptiven Fragestellungen, für alle Gruppen durch das<br />
Justizministerium vorgegeben, sollen auch bei diesem Forschungsvorhaben als<br />
Handanweisung für die Aktenanalyse dienen. Die zentralen Fragestellungen<br />
<strong>de</strong>r Evaluation lauten in diesem Fall:<br />
1. Welche zentralen charakteristischen Persönlichkeitsmerkmale und Prädiktoren<br />
sind für einen positiven Behandlungsverlauf in <strong>de</strong>r Sozialtherapie bzw.<br />
für einen positiven Legalbewährungsverlauf ausschlaggebend?<br />
2. Gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen erfolgreichem Behandlungsverlauf<br />
in <strong>de</strong>r Jugendsozialtherapie und einem positivem Legalbewährungsverlauf?<br />
Die Datenerhebung bei <strong>de</strong>r Experimentalgruppe erfolgt zu fünf unterschiedlichen<br />
Messzeitpunkten, letztmalig zwei Jahre nach <strong>de</strong>r Haftentlassung. Dabei<br />
kommen verschie<strong>de</strong>ne Instrumente <strong>de</strong>r Datenerhebung zur Anwendung:<br />
Aktenanalyse, standardisierte Interviews, Fragebögen, statistische Erfassung<br />
erneuter Verurteilungen, Analysen <strong>de</strong>r Eintragungen ins Bun<strong>de</strong>szentral- bzw.<br />
Erziehungsregister, also eine Mischung aus sowohl quantitativen als auch qualitativen<br />
Metho<strong>de</strong>n.<br />
Die bisherige Arbeit an diesem Forschungsprojekt war in einer ersten Phase<br />
gekennzeichnet durch die Auswertung vorhan<strong>de</strong>ner wissenschaftlicher Studien,<br />
<strong>de</strong>r Nutzung elektronischer Datenbanken, <strong>de</strong>r Literatur- und Internetrecherche,<br />
sowie <strong>de</strong>r Einholung von Expertenmeinungen. Nachfolgend wur<strong>de</strong>n Stichprobenbeschreibungen<br />
gefertigt und ein Untersuchungs<strong>de</strong>sign erstellt. Letzteres<br />
beinhaltet ein für <strong>de</strong>n Umgang mit personenbezogenen Daten, noch dazu so<br />
sensiblen, gesetzlich vorgeschriebenes Datenschutzkonzept. Als nächstes wur<strong>de</strong>n<br />
in einem aufwendigen Prozess die Erhebungsinstrumente entwickelt und in<br />
7 Mit <strong>de</strong>m Begriff „Legalbewährung“ wird<br />
die Frage beschrieben: Ob in einem bestimmten<br />
Zeitraum nach einer Entlassung<br />
aus <strong>de</strong>r Haft o<strong>de</strong>r bzw. aus <strong>de</strong>r Bewährung<br />
eine erneute Straffälligkeit, bzw. einschlägige<br />
Straffälligkeit im Bun<strong>de</strong>szentralregister<br />
vermerkt wur<strong>de</strong>.<br />
8 Siehe Abbildung 2 (umseitig)<br />
Seite 2 Seite 3
so genannten Pretests auf ihre Tauglichkeit hin überprüft. Im <strong>de</strong>rzeitigen Stadium<br />
<strong>de</strong>r Datenerhebung, die zum Teil von wissenschaftlichen Hilfskräften durchgeführt<br />
wird, wer<strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r Überarbeitungen notwendig, weil die Praxis<br />
<strong>de</strong>s Strafvollzuges sich nicht durchgehend mit <strong>de</strong>n theoretischen Annahmen<br />
<strong>de</strong>ckt. Die nach Kodierung <strong>de</strong>r erhobenen Daten angestrebte Datenauswertung<br />
wird mit Hilfe <strong>de</strong>s rechnergestützten Statistikprogramms SPSS erfolgen.<br />
Die jeweils 1 bzw. 2 Jahre nach Entlassung notwendige Analyse <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>szentralregisterauszüge<br />
stellt dann einen weiteren Arbeitsschritt dar, <strong>de</strong>m ein<br />
Datenvergleich folgen muss. Die abschließen<strong>de</strong> Auswertung und Interpretation<br />
<strong>de</strong>r erhobenen und berechneten Daten wird dann mit einem Abschlussbericht<br />
en<strong>de</strong>n.<br />
Die Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Praktikern vor Ort ist eine unerlässliche Komponente<br />
wissenschaftlicher Forschungsarbeit. Die Inhalte und Verfahrensweise,<br />
aber auch die Beson<strong>de</strong>rheiten und Abweichungen lassen sich nur mit <strong>de</strong>ren<br />
Hilfe erschließen.<br />
Die inhaltliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzung zu <strong>de</strong>n Forschungsvorhaben bedingt ebenso<br />
eine Anbindung an <strong>de</strong>n fachlichen Diskurs. Deshalb wur<strong>de</strong> sowohl mit <strong>de</strong>r<br />
Universität Greifswald, <strong>de</strong>r Universität Halle, <strong>de</strong>m Max-Planck-Instituten in Rostock<br />
und Freiburg und an<strong>de</strong>ren kriminologischen Forschungsdiensten Kontakt<br />
aufgenommen und dieser teilweise vertieft und verfestigt.<br />
Alleine die zentralen Fragestellungen <strong>de</strong>s zweiten Teilprojektes werfen einige<br />
komplizierte weiterführen<strong>de</strong> Fragen auf. Beispielhaft seien hier zwei aufgezeigt:<br />
Die Auftragserteilung und das darauf fußen<strong>de</strong> Design wird kaum erfassen<br />
können, ob, wenn es überhaupt einen Zusammenhang zwischen erfolgreicher<br />
Behandlung in <strong>de</strong>r sozialtherapeutischen Abteilung und weniger Rückfälligkeit<br />
gibt, dieser i.S. einer Kausalität auf die Behandlung in <strong>de</strong>r Sotha zurückzuführen<br />
ist, o<strong>de</strong>r beispielsweise<br />
* <strong>de</strong>r auch ohne Behandlung einsetzen<strong>de</strong>n natürlichen Reifung und Sozialisation<br />
<strong>de</strong>s Jugendlichen/Heranwachsen<strong>de</strong>n zuzuschreiben ist, o<strong>de</strong>r<br />
* einer festen Bindung zu einer Lebensgefährtin geschul<strong>de</strong>t ist, o<strong>de</strong>r<br />
* auch nur an<strong>de</strong>ren bestärken<strong>de</strong>n Einflüssen, insbeson<strong>de</strong>re nach <strong>de</strong>r Haft,<br />
* o<strong>de</strong>r gar einer vorausgehen<strong>de</strong>n Behandlung durch an<strong>de</strong>re Psychologen, Sozialarbeiter,<br />
Lehrer, Richter o<strong>de</strong>r Angehörige zu verdanken ist, bzw.<br />
* ein Effekt <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>r Bewährungshilfe ist, falls die Reststrafe, wie bei<br />
Jugendlichen regelmäßig <strong>de</strong>r Fall, zur Bewährung ausgesetzt wird.<br />
In <strong>de</strong>r Fachliteratur wer<strong>de</strong>n ziemlich übereinstimmend so genannte statische<br />
und dynamische Risikofaktoren beschrieben. Statische Risikofaktoren fin<strong>de</strong>n<br />
sich beispielsweise in <strong>de</strong>n „Tatumstän<strong>de</strong>n, spezifischen Opfermerkmalen und<br />
in <strong>de</strong>r Biographie <strong>de</strong>r Delinquenten, d.h. körperlich, psychisch und sozial belasten<strong>de</strong><br />
Sozialisationsbedingungen gelten als mitursächlich für normabweichen<strong>de</strong>s<br />
Verhalten. Hierzu gehören beispielsweise so genannte „broken-home-<br />
Verhältnisse“ mit einem sozialen Klima, das geprägt ist von Gewalttätigkeiten,<br />
Verwahrlosung, Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch o<strong>de</strong>r Kriminalität <strong>de</strong>r Herkunftsfamilie“<br />
9. Als dynamische Risikofaktoren, d.h. als rückfallrelevante verän<strong>de</strong>rbare<br />
Persönlichkeitsmerkmale und Problemlagen von Straftätern, wer<strong>de</strong>n in<br />
<strong>de</strong>r Literatur <strong>de</strong>rzeit z.B. „konventionelles Geschlechtsrollenverständnis, kognitive<br />
Verzerrungen, fehlen<strong>de</strong>s Rechtsbewusstsein, mangeln<strong>de</strong> soziale Kompetenz<br />
o<strong>de</strong>r Mangel an Empathie“ diskutiert 10.<br />
9 so u.a. Bußmann 2008, Seiten 6-21<br />
10 so u.a. Bußmann 2008, Seiten 6-21<br />
Seite 4 Seite 5
11 Birbaumer <strong>2009</strong><br />
12 Zimbardo, Philip: Der Luzifer-Effekt<br />
- Die Macht <strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> und<br />
die Psychologie <strong>de</strong>s Bösen,<br />
Hei<strong>de</strong>lberg 2008<br />
13 Zimbardo 2008 in: Haß und in: Zan<strong>de</strong>r<br />
Eine bekannte Meta-Studie von Prof. Dr. Niels Birbaumer 11, die eine Vielzahl<br />
von Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet zusammenfasst, präsentiert folgen<strong>de</strong><br />
Faktoren, die entwe<strong>de</strong>r einen verstärken<strong>de</strong>n, auslösen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r begünstigen<strong>de</strong>n<br />
Einfluss auf <strong>de</strong>linquentes Verhalten haben o<strong>de</strong>r aber <strong>de</strong>n Menschen<br />
vor solchen Verhaltensweisen eher schützen (Protektion):<br />
Risikofaktoren: Protektive Faktoren:<br />
• männliches Geschlecht<br />
• keine Furchtkonsitionierung<br />
• keine Belohnung für Empathie,<br />
Belohnung für instrumentelle<br />
Aggression<br />
• Genetik und perinatale Hormone<br />
(Oxytozin -, Androgen +)<br />
• junge, alleinstehen<strong>de</strong>, arme<br />
Mutter<br />
• chaotische häusliche Umgebung<br />
und Missbrauch<br />
• wenig Mo<strong>de</strong>lle für Selbst- und<br />
Emotionskontrolle<br />
• geringe Intelligenz, kein Schulerfolg<br />
• Aufmerksamkeits-/ Hyperaktivitätsstörung<br />
• Langeweile/Sensationssuche,<br />
eintönige Umgebung<br />
• exzessives Fernsehen, aggressive<br />
Computerspiele, aggressive<br />
Pornographie<br />
• weibliches Geschlecht<br />
• klassische Konditionierung von<br />
Furcht<br />
• Belohnung für Empathie<br />
• Genetik und perinatale Hormone<br />
(Oxytozin +, Androgene -)<br />
• Involviertheit <strong>de</strong>r Eltern in das<br />
Leben <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
• konsequente Kin<strong>de</strong>rerziehung<br />
• gute Mo<strong>de</strong>lle für Selbst- und<br />
Emotionskontrolle<br />
• Intelligenz und Schulerfolg<br />
• geordnete sozioökonomische<br />
Verhältnisse<br />
Zwar hat man festgestellt, dass die Risikofaktoren als Merkmale signifikant häufiger<br />
bei Menschen vorkommen, die <strong>de</strong>linquent sind, aber es ist keineswegs<br />
auszuschließen, dass durchaus Menschen ohne diese Risikofaktoren kriminell<br />
wer<strong>de</strong>n und auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite Menschen mit eben diesen Faktoren auch<br />
durchaus sozial normadäquat leben können ohne jemals im Strafjustizsystem<br />
auffällig zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Der durch das „Stanford Gefängnis-Experiment“ (SGE), <strong>de</strong>ssen Grundthematik<br />
in <strong>de</strong>m stark fiktionalisierten Spielfilm „Das Experiment“ verarbeitet wor<strong>de</strong>n<br />
ist, bekannt gewor<strong>de</strong>ne renommierte amerikanische Psychologe Philip Zimbardo<br />
behauptet auf <strong>de</strong>r Basis seiner Untersuchungen z.B. in seinem neuesten<br />
Buch 12 Grausamkeiten ließen sich nicht durch individuelle Dispositionen o<strong>de</strong>r<br />
Pathologien erklären, son<strong>de</strong>rn nur anhand bestimmter sozialer Umstän<strong>de</strong> und<br />
Konstellationen. Eine individualistische Kultur tendiere jedoch dahin, dies auszublen<strong>de</strong>n<br />
und <strong>de</strong>n Individuen nahezulegen, dass gera<strong>de</strong> ihnen so etwas nicht<br />
passieren könne. Ähnliche „Attributionsfehler“ wer<strong>de</strong>n nach Zimbardo gemeinhin<br />
auch bei <strong>de</strong>r Erklärung von Intelligenz, Schulleistungen o<strong>de</strong>r Verhaltensauffälligkeiten<br />
wie Hyperaktivität begangen. Er rät <strong>de</strong>shalb, erst wenn „die situative<br />
Detektivarbeit“ erfolglos bleibe, solle man auf „dispositionelle Analysen“<br />
zurückgreifen. Die Persönlichkeitstests, die in seinen Untersuchungen vorab mit<br />
<strong>de</strong>n Proban<strong>de</strong>n durchgeführt wor<strong>de</strong>n waren, erwiesen sich je<strong>de</strong>nfalls als nicht<br />
zuverlässig für die Voraussage <strong>de</strong>s späteren Han<strong>de</strong>lns. 13<br />
„Bisher wur<strong>de</strong> für kein einzelnes Behandlungsprogramm zweifelsfrei belegt,<br />
dass damit die Rückfallquote <strong>de</strong>r Zielgruppe verringert wur<strong>de</strong>.“14 Deskriptive<br />
Analysen von Metastudien zeigen teilweise erhebliche methodische Schwächen<br />
<strong>de</strong>r Primärstudien auf, die in <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Fälle auf nicht-äquivalente Kontrollgruppen<br />
zurückgreifen. Weitere Mängel wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Dokumentation <strong>de</strong>r<br />
Studien hinsichtlich <strong>de</strong>r Angaben zur konkreten Behandlungsumsetzung sowie<br />
zu spezifischen Merkmalen <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>lten Population festgemacht 15. Der Erfolg<br />
einer Therapie im Vollzug, <strong>de</strong>r für die öffentliche Meinung zur Straftäterbehandlung<br />
ausschlaggebend ist, wird insbeson<strong>de</strong>re an <strong>de</strong>r Schnelligkeit und<br />
Häufigkeit <strong>de</strong>r Symptombeseitigung gemessen. Da Kriminalität ja be<strong>de</strong>utet, in<br />
Konflikt mit gesellschaftlichen Normen geraten zu sein, lautet <strong>de</strong>r Anspruch<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft beispielsweise an sozialtherapeutische Einrichtungen möglichst<br />
völlige Symptomfreiheit <strong>de</strong>r Patienten, vor allem weil die Symptomatik<br />
<strong>de</strong>r Kriminalität unmittelbar erkennbar ist und die Gefahr eines Rückfalls unter<br />
Umstän<strong>de</strong>n neue Opfer zur Folge hat.<br />
Aber insbeson<strong>de</strong>re psychoanalytische Autoren betonen sowohl die Komplexität<br />
<strong>de</strong>r vorfindbaren multiplen Symptombildungen, als auch die Tiefe und<br />
Schwere <strong>de</strong>r angenommenen Grundstörungen, welche die therapeutische Arbeit<br />
erheblich erschweren und eventuell auch verlängern. Die institutionellen<br />
Bedingungen entsprechen diesem Anspruch oftmals bei weitem nicht 16. „Eine<br />
Therapie aber lediglich auf die Bekämpfung von Symptomen zu beschränken,<br />
ist nicht nur ungeeignet, weil wichtige Ursachen <strong>de</strong>s abweichen<strong>de</strong>n Verhaltens<br />
nach wie vor existent bleiben, vielmehr wäre eine solche Therapie <strong>de</strong> facto ein<br />
die Menschenwür<strong>de</strong> verletzen<strong>de</strong>r Dressurakt.“ 17<br />
Allerdings muss auch bedacht wer<strong>de</strong>n, dass objektive Untersuchungsverfahren<br />
zur Überprüfung <strong>de</strong>r Validität einer Behandlungsmetho<strong>de</strong> natürlich <strong>de</strong>r Weiterentwicklung<br />
und Verbesserung dienen können, wenn hierfür allgemein gültige<br />
Kriterien vorhan<strong>de</strong>n sind. Diese wer<strong>de</strong>n aber in <strong>de</strong>r Wissenschaft höchst<br />
kontrovers diskutiert. An<strong>de</strong>re Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass bei<br />
einem <strong>de</strong>rartig komplexen Forschungsgegenstand wie <strong>de</strong>r Evaluation im Strafvollzug<br />
es niemals möglich ist, sämtliche Fehlerquellen auszuschalten und zu<br />
kausal ein<strong>de</strong>utigen Antworten zu kommen. In<strong>de</strong>ssen wächst die Qualität <strong>de</strong>r<br />
Untersuchung mit <strong>de</strong>m Bemühen <strong>de</strong>s Forschers, möglichst viele Fehlerquellen<br />
zu erkennen und bei <strong>de</strong>r Anlage <strong>de</strong>r Untersuchung bzw. <strong>de</strong>r Interpretation <strong>de</strong>r<br />
Ergebnisse zu berücksichtigen. 18 Deshalb ist weitergehen<strong>de</strong> Forschung im Justizvollzug<br />
analog zum immer schneller und weiter voranschreiten<strong>de</strong>n Erkenntnisstand<br />
in <strong>de</strong>r Wissenschaft vonnöten.<br />
„Die Messung <strong>de</strong>r Wirkung von Sanktionen zählt zu <strong>de</strong>n schwierigsten Problemen<br />
kriminologischer Forschung. Die größte Schwierigkeit besteht darin, <strong>de</strong>n<br />
empirischen Nachweis zu führen, dass <strong>de</strong>r gemessene Erfolg, hier: die Häufigkeit<br />
von (Nicht-) Rückfall, eine Wirkung <strong>de</strong>r Sanktion ist“19. Die kriminologische<br />
Forschung im Rahmen <strong>de</strong>s kriminologischen Dienstes unseres Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s<br />
und an <strong>de</strong>r FHöVPR M-V ist ein erster Anfang und bedarf eines intensiven Ausbaus<br />
auch <strong>de</strong>r personellen und finanziellen Ressourcen und einer festen institutionellen<br />
Verankerung, sowie einer lebendigen Vernetzung mit an<strong>de</strong>ren Forschungseinrichtungen<br />
– dann können aus ihm Impulse erwachsen, die für eine<br />
wirksamere Straftäterbehandlung und damit für eine bessere Prävention vor<br />
neuen und schweren Straftaten be<strong>de</strong>utend sein können.<br />
Volker Bieschke<br />
14 Ortmann 2003, zitiert nach Krenberger,<br />
Seite 76<br />
15 Schmucker, Seite 234<br />
16 Specht Seite 134<br />
17 Krenberger a.a.O.<br />
18 Tauss, Seite 13<br />
19 Heinz, Seite 7<br />
Seite 6 Seite 7
Seite 8<br />
Literaturnachweise:<br />
* Birbaumer, Niels, Vortrag an <strong>de</strong>r Justiz-Führungsaka<strong>de</strong>mie-Celle, 25.03.09<br />
Dokumentation <strong>de</strong>r Power-Point-Präsentation<br />
* Bussmann, Kai-D.; Seifert, Simone; Richter, Kathrin: Proban<strong>de</strong>n im sozialtherapeutischen<br />
Strafvollzug: Delinquenzbelastung, Biographie und Persönlichkeitsmerkmale,<br />
in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform,<br />
1/2008<br />
* Erlass <strong>de</strong>s Justizministeriums M-V vom 24.04.2008, zur Beauftragung <strong>de</strong>r<br />
FHöVPR, GeschZ III 210/ 4557 – 15 SH<br />
* Gratz, Wolfgang: Wirkungsforschung, Strafvollzug und bedingte Entlassung,<br />
in Birklbauer, A./Hirtenlehner, H.: Bewährung nach bedingter Entlassung aus<br />
<strong>de</strong>m Strafvollzug, Wien 2005<br />
* Haß, Frauke: Interview mit Philip Zimbardo, in Frankfurter Rundschau-online,<br />
08.08.2008<br />
* Heinz, Wolfgang: Rückfall- und Wirkungsforschungs-Ergebnisse aus Deutschland,<br />
Vortrag Kansai Universität, Osaka, 05.04.2007, www.uni-konstanz.<strong>de</strong>/<br />
rtf/kis/ Heinz_Rueckfall- und_Wirkungsforschung _he308.pdf<br />
* Jehle, Jörg-Martin/ Heinz, Wolfgang/ Sutterer, Peter: Legalbewährung nach<br />
strafrechtlichen Sanktionen. Eine kommentierte Rückfallstatistik, Bun<strong>de</strong>sministerium<br />
<strong>de</strong>r Justiz, Berlin 2003<br />
* Krenberger, Verena: Psychoanalyse im mo<strong>de</strong>rnen <strong>de</strong>utschen Strafvollzug<br />
– Untersuchung <strong>de</strong>r Geeignetheit unter Philosophischen Gesichtspunkten,<br />
Stuttgart, 2003<br />
* Schmucker, Martin: Kann Therapie Rückfälle verhin<strong>de</strong>rn? Metaanalytische<br />
Befun<strong>de</strong> zur Wirksamkeit <strong>de</strong>r Sexualstraftäterbehandlung, Herbolzheim,<br />
2004,<br />
* Specht, Friedrich, ZfStrVo 2001, 178, zitiert in: Mushoff, Tobias: Sozialtherapie<br />
am En<strong>de</strong>? Gegenreform im Strafvollzug, in: Forum Recht 04-2005<br />
* Tauss, Raimund: Die Verän<strong>de</strong>rung von Selbstkonzeptkomponenten im Inhaftierungsverlauf<br />
jugendlicher Strafgefangener, in: Kriminologische Forschungsberichte<br />
aus <strong>de</strong>m Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales<br />
Strafrecht, Freiburg i.Br. 1992<br />
* Zan<strong>de</strong>r, Michael: System <strong>de</strong>r Folter-Philip Zimbardos sozialpsychologische<br />
Analyse <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Ereignisse von Abu Ghraib, Die Tageszeitung Junge Welt<br />
-online, 14. August 2008, Nr. 189