24.10.2013 Aufrufe

Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Umweltskandalen. Sie bargen beträchtliche<br />

Gesundheitsrisiken, wie die Namen Yokkaichi<br />

Asthma, Minamata-Krankheit oder Toyama<br />

itai-itai Krankheit deutlich machen. Bemerkenswert<br />

am japanischen Umweltprotest ist<br />

vor allem die Entstehungs- und Entwicklungslogik.<br />

Protest erscheint in Japan erst dann als<br />

legitim, wenn hinreichend viele Leute von dem<br />

Problem, das dem Protest zugrunde liegt, direkt<br />

betroffen sind. Ein Beispiel hierfür sind<br />

tödliche Quecksilbervergiftungen und anschließende<br />

Mißbildungen bei Neugeborenen<br />

im Falle der Minamata Krankheit. Kommt es<br />

jedoch zu Protest, äußert sich dieser zumeist<br />

gewalttätig. Eine weitere Besonderheit besteht<br />

darin, daß die Verantwortlichen sich öffentlich<br />

für das Unrecht, das sie den Betroffenen angetan<br />

haben, entschuldigen müssen. Worauf es<br />

ankommt, ist die sichtbare Einhaltung des kulturellen<br />

Kodex, weniger die finanzielle Begleichung<br />

gesundheitlicher Schäden. Demgegenüber<br />

erscheint es nachgerade als Transformation<br />

des Protests, daß es die Japaner im<br />

Verlauf dieser Protestdynamik gelernt haben,<br />

außer Gewalt auch Recht als Ressource in Anspruch<br />

zu nehmen, um Unrecht geltend zu<br />

machen und Rechte einzuklagen.<br />

Margit Leuthold berichtet über die Umweltberatung<br />

in Österreich, die in diesem Jahr ihr<br />

zehnjähriges Bestehen feiert. Aufgrund des<br />

langjährigen Widerstands gegen das Atomkraftwerk<br />

in Zwentendorf und aus akutem<br />

Anlaß - Tschernobyl - wurde durch die damalige<br />

Parteienkonstellation in Österreich ein<br />

Projekt initiiert, das gleichermaßen auf die<br />

ökologische Problematik wie auf die prekäre<br />

Arbeitsmarktsituation reagiert. 1986 beginnen<br />

fünf Frauen und Männer erstmals in Österreich,<br />

eine Umweltberatung für Haushalte und<br />

Unternehmen aufzubauen. Dabei war die Arbeit<br />

zu Anfang noch vorwiegend von Enthusiasmus<br />

getragen. Mittlerweile haben die erforderliche<br />

Qualifizierung und die strategische<br />

FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, HEFT 4. 1996<br />

Orientierung an den Gelegenheitsstrukturen<br />

des politischen Systems Österreich jedoch<br />

merklich zugenommen, so daß die Umweltberatung<br />

Österreich Uber vielversprechende<br />

Überlebenschancen im Verteilungskampf um<br />

öffentliche und private Mittel verfügt.<br />

Gabriela Christmann rekonstruiert in ihrem<br />

Beitrag die ökologische Moral im Wandel der<br />

Zeit. Ausgehend von Jean-Jacques Rousseaus<br />

Roman .Julie oder Die neue Heloi'se", der zentrale<br />

Kategorien der ökologischen Moral der<br />

Moderne entwickelt hat, schlägt Christmann<br />

einen Bogen bis zur heutigen Ökologiebewegung,<br />

die sie an einem lokalen Bewegungssegment<br />

empirisch untersucht hat. Die zentralen<br />

Kategorien der ökologischen Moral sind Christmann<br />

zufolge die Idee eines drohenden Weltuntergangs,<br />

der zurückgeht auf Verschwendungssucht<br />

und kulturelle Hybris der Menschen.<br />

Eine Lösung für dieses Problem bestehe<br />

deshalb im Verzicht auf Luxus, in einer asketischen<br />

Lebensweise und vor allem in einer ganzheitlichen<br />

Denkweise der ökologischen Zusammenhänge<br />

zwischen Gesellschaft und Natur.<br />

Dabei besteht das Mittel zur Problemlösung<br />

in der ProselytenWerbung, d.h. in der<br />

Bekehrung der 'Ungläubigen', um sie auf den<br />

rechten Weg zu führen und dadurch den Weltuntergang<br />

zu verhindern. Das war zur Zeit<br />

Rousseaus so, und so verhält es sich auch heute<br />

noch.<br />

Passend zu unserem Themenschwerpunkt beschäftigt<br />

sich Richard Saage in einem Essay<br />

mit der Frage, ob es heutzutage noch Bedarf an<br />

Utopien gibt. Für viele Stimmen hat das Prinzip<br />

Realität nach dem Zusammenbruch der sozialistischen<br />

Gesellschaftsordnung im Sowjetreich<br />

über das Prinzip Utopie obsiegt. Saage<br />

hält dagegen, daß der verbreitete Abgesang<br />

auf das utopische Denken nur für Utopien<br />

gelte, die einem geschlossenen System gleichen<br />

und nicht lernfähig sind. Angesichts der

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!