Vollversion (7.42 MB) - Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen
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Gemeinsam gegen Niemanden 25<br />
Der Konsistenz- und Strukturwandel-Diskurs<br />
hat ebenfalls eine breite Trägerschaft. Die Akteure<br />
der Umweltbewegung und Umweltbehörden<br />
engagieren sich durch Benennung von<br />
Problembereichen. Für Techniker und Industrie<br />
besteht die Alternative, sich progressiv<br />
durch problemlösende Beiträge oder strukturkonservativ<br />
durch Problematisieren von Lösungsvorschlägen<br />
zu positionieren.<br />
7 Nachhaltigkeitsdiskurs<br />
Seit der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung<br />
in Rio de Janeiro 1992 geht auch der<br />
deutsche Umweltdiskurs zunehmend im Nachhaltigkeitsdiskurs<br />
auf. Ausgangspunkt der deutschen<br />
Nachhaltigkeitsdebatte sind der Bericht<br />
der Welt-Kommission für Umwelt und Entwicklung<br />
(Hauff 1987) und die Agenda 21, die<br />
AbSchlussdeklaration der Weltkonferenz für<br />
Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro<br />
(BMU 1992). Kem des dort auf den Begriff<br />
sustainable development gebrachten Konzepts<br />
ist die Verknüpfung von Umwelt- und wirtschaftlichem<br />
Entwicklungsdiskurs (Dritte-<br />
Welt-Problematik), wobei letzterer in Führung<br />
geht.<br />
Stärker noch als der Risikodiskurs, hat der<br />
Nachhaltigkeitsdiskurs den Charakter eines „Interdiskurses<br />
zweiten Grades", vergleichbar dem<br />
Gerechtigkeitsdiskurs oder dem Rationalitätsdiskurs,<br />
die ebenfalls mehrere Interdiskurse<br />
verknüpfen. Mehr noch, es handelt sich nicht<br />
um einen einheitlichen Diskurs, sondern um<br />
ein „kontrovers strukturiertes Diskursfeld"<br />
(Brand/Jochum 2000). Dessen Struktur ergibt<br />
sich durch drei Bezugspunkte: eine integrative<br />
- ökologische, soziale und ökonomische Aspekte<br />
umfassende - Problemperspektive, eine<br />
intergenerative Betrachtungsweise und ein intragenerativer<br />
Aspekt sozialer Gerechtigkeit im<br />
globalen Maßstab (Brand/Fürst 2002). Dieser<br />
Rahmen erlaubt nahezu allen Akteuren eine<br />
Positionierung innerhalb des Nachhaltigkeitsdiskurses<br />
sowie eine Wiederkehr bzw. Fortsetzung<br />
aller Diskursstränge des Umweltdiskurses<br />
der letzten 30 Jahre. Die Entkopplungsdebatte<br />
geht dabei im Effizienzdiskurs auf, in<br />
dem Modelle zur Verbesserung der Ressourceneffizienz<br />
im Mittelpunkt stehen, wie der<br />
„Faktor 4" (von Weizsäcker et al. 1995). Der<br />
„Wende oder Ende"-Diskurs findet seine<br />
(größtenteils pragmatischere) Nachfolge im<br />
Suffizienzdiskurs, in dem ein weniger ressourcenverbrauchender<br />
Lebensstil für notwendig<br />
erklärt, entsprechende Leitvorstellungen entwickelt<br />
und dafür geworben wird (Sachs 1993).<br />
Der Suffizienzdiskurs wird dem Effizienzdiskurs<br />
sowohl kulturkritisch entgegen (Wuppertal<br />
Institut 1996) wie ergänzend an die Seite<br />
gestellt (SRU 1994). Der dritte Diskursstrang,<br />
der ökologische Konsistenzdiskurs, kann als<br />
Weiterführung der Risikodebatte aufgefasst<br />
werden. Im Mittelpunkt steht die Forderung<br />
und der Entwurf von Möglichkeiten, problematische<br />
Produktionsprozesse wie den Einsatz<br />
von giftigen Chemikalien in der Landwirtschaft<br />
oder die Verfeuerung fossiler Brennstoffe zu<br />
ersetzen, und dabei die gesamte Lebensdauer<br />
eines Produkts bis hin zur Verwertung und Reproduktion<br />
zu berücksichtigen.<br />
Die ethische Wurzel des Umweltdiskurses kehrt<br />
im Nachhaltigkeitsdiskurs zum einen wieder<br />
als Streit zwischen biozentrischen, pathozentrischen<br />
und anthropozentrischen Begründungsstrategien,<br />
wobei letztere sich durchzusetzen<br />
scheinen; zum anderen in der Auseinandersetzung<br />
zwischen marktliberalen, an Leistungsgerechtigkeit<br />
orientierten (SRU 1994; BDI,<br />
VCI) und egalitären, auf Bedürfnisgerechtigkeit<br />
bezogenen Gesellschaftsbildern (wie im<br />
Konzept des Umweltraums, Wuppertal Institut<br />
1996).<br />
Die ästhetische Wurzel des Umweltdiskurses<br />
ist - abgesehen von lokalen Agenda 21-Pro-