Vollversion (7.42 MB) - Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen
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26 Peter H. Feindt<br />
zessen - stark in den Hintergrund getreten.<br />
Dominierend sind hingegen naturwissenschaftlich<br />
basierte Ableitungen politischen und gesellschaftlichen<br />
Handlungsbedarfs, häufig bezogen<br />
auf Bedürfnisfelder wie Ernährung, Mobilität<br />
oder Wohnen. Ökologische Grenzen des<br />
Wachstums stellen dabei einen wichtigen Bezugspunkt<br />
dar (SRU 1994, Wuppertal Institut<br />
1996) und geben Anlass zur Formulierung verschiedener<br />
Bewirtschaftungsregeln (z.B. Enquete-Kommission<br />
1998). Die darin implizierte<br />
Betrachtung der Natur als Ressource ist<br />
bereits im Bericht der Weltkommission für<br />
Umwelt und Entwicklung angelegt (Hauff<br />
1987). Allerdings finden auch harmonistische<br />
Naturbilder ihren Platz im Nachhaltigkeitsdiskurs,<br />
die in Leitbildformulierungen wie „im<br />
Einklang mit der Natur leben" ihren Ausdruck<br />
erhalten (Wuppertal Institut 1996).<br />
Neben divergierenden Gesellschaftsbildern<br />
formt die Auseinandersetzung zwischen technozentrischen<br />
und ökozentrischen Konzeptionen<br />
des Gesellschafts-Umwelt-Verhältnisses<br />
die zweite grundlegende Achse des deutschen<br />
Nachhaltigkeitsdiskurses (Brand/Jochem 2000:<br />
188ff). Marktliberal-technozentrische Positionen,<br />
wie sie der VCI und der BDI, die FDP<br />
und eine Mehrheit in den Unionsparteien vertreten,<br />
favorisieren Effizienz- und technische<br />
Innovationsstrategien. Die Grenzen des Wachstums<br />
sollen durch ein „Wachstum der Grenzen"<br />
mit Hilfe von Schlüsseltechnologien (u.a.<br />
Atom- und Gentechnik) überwunden werden.<br />
Die von der rot-grünen Bundesregierung und<br />
ökologisch orientierten Unternehmerverbänden<br />
wie auch dem Rat von Sachverständigen für<br />
Umweltfragen (SRU 1994) favorisierte Strategie<br />
der ökologischen Modernisierung setzt<br />
demgegenüber auf eine Kombination marktwirtschaftlicher<br />
Instrumente und auf strategische<br />
Umweltpolitik, um das Erreichen der ökologischen<br />
Grenzen des Wachstums durch Effi<br />
zienz- und Konsistenzstrategien sowie durch<br />
Ansätze einer ökologischen Strukturpolitik zu<br />
vermeiden. Das „<strong>Neue</strong> Wohlstandsmodell" des<br />
Wuppertal Instituts plädiert auf Basis eines egalitären<br />
Gesellschaftsmodells für eine Kombination<br />
von Effizienz- und Suffizienzstrategien.<br />
Ahnliche Positionen werden seit 1999 vehement<br />
im Umfeld der Globalisierungskritiker<br />
vertreten. Das u.a. von der Enquete-Kommission<br />
(1998) vertretene prozedural-integrative<br />
Nachhaltigkeitskonzept schließlich stellt den<br />
Versuch einer Integration dieser Positionen dar<br />
und liegt auch der Tätigkeit des von der Bundesregierung<br />
eingesetzten Nachhaltigkeitsrats<br />
zugrunde. Auch die meisten der Agenda 21-<br />
Prozesse als Element der kooperativen Umweltplanung<br />
von der lokalen bis zur Länderebene<br />
folgen diesem Konzept.<br />
Die Notwendigkeit ökologischer Innovationen<br />
stellt dabei einen gemeinsamen Bezugspunkt<br />
dar (Huber 2001: 322f). Technozentrische Positionen<br />
bevorzugen in diesem Zusammenhang<br />
technische Innovationen, Suffizienzstrategien<br />
hingegen kulturell-institutionelle Strategien. Im<br />
Diskurs des Ökologischen Strukturwandels dominiert<br />
eine abgestimmte Mischung aus beiden.<br />
Insgesamt kann also eine laufende Anreicherung<br />
des Umweltdiskurses konstatiert werden.<br />
Dabei werden verschiedene Diskursstränge<br />
punktuell und kontextbezogen aktualisiert -<br />
zum Beispiel in der BSE-Krise nacheinander<br />
(bei deutlichen Verschiebungen der den Diskurs<br />
prägenden Akteure) der Gefahrenabwehr-,<br />
der Risiko-, der „Wende"-, der Ökologische<br />
Modemisierungs- und der Ökologische Strukturwandeldiskurs.<br />
Insgesamt steht damit im<br />
Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskurs ein breites<br />
Repertoire von etablierten Interpretationsrahmungen<br />
zur Verfügung, mit denen und innerhalb<br />
derer sich Akteure der Umweltbewegung,<br />
der Industrie und verschiedenster Pro-