26.10.2013 Aufrufe

Musik als Medium in der Begleitung dementiell veränderter Menschen

Musik als Medium in der Begleitung dementiell veränderter Menschen

Musik als Medium in der Begleitung dementiell veränderter Menschen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

5. Fachtagung des<br />

Demenznetz Kreis Mettmann<br />

Monheim am Rhe<strong>in</strong><br />

Geme<strong>in</strong>sam s<strong>in</strong>d wir stark und kreativ!<br />

<strong>Musik</strong> <strong>als</strong> <strong>Medium</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Begleitung</strong> <strong>dementiell</strong> verän<strong>der</strong>ter<br />

<strong>Menschen</strong><br />

Prof. Dr. Theo Hartogh 26.01.2012


Glie<strong>der</strong>ung<br />

• Wirkung und Bedeutung von <strong>Musik</strong><br />

• <strong>Begleitung</strong> und Betreuung <strong>dementiell</strong><br />

verän<strong>der</strong>ter <strong>Menschen</strong> mit <strong>Musik</strong><br />

• Erhalten <strong>der</strong> Identität und<br />

Entfaltungsmöglichkeiten trotz<br />

Demenz<br />

• Zukunftsthemen „Demenz und <strong>Musik</strong>“<br />

Forschung<br />

+ Praxis


e<strong>in</strong><br />

sozialpolitisches<br />

Problem<br />

e<strong>in</strong><br />

Versorgungsproblem<br />

e<strong>in</strong><br />

mediz<strong>in</strong>isches<br />

Problem<br />

Probleme <br />

e<strong>in</strong><br />

gesundheitspolitisches<br />

Problem<br />

DEMENZ<br />

e<strong>in</strong> Problem<br />

für Betroffene<br />

e<strong>in</strong> Problem<br />

für Familien


Aber <br />

• Je<strong>der</strong> Dritte über 90 Jahren leidet an Demenz,<br />

– <strong>als</strong>o s<strong>in</strong>d Zweidrittel geistig fit!<br />

• Alzheimer ist e<strong>in</strong> irreversibler Abbauprozess des Gehirns,<br />

– aber Krankheitsverläufe s<strong>in</strong>d sehr verschieden.<br />

• Demenz bedeutet Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Verlusten,<br />

– aber es gibt Fähigkeiten (wie das musikalische Erleben), die<br />

weitgehend erhalten bleiben.<br />

• Dementiell verän<strong>der</strong>te <strong>Menschen</strong> leiden an kognitiven<br />

E<strong>in</strong>bußen,<br />

– aber sie nehmen Stimmungen und die Atmosphäre, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Gruppe herrscht, sehr gut wahr.<br />

• Im Alltag erleben <strong>dementiell</strong> verän<strong>der</strong>te <strong>Menschen</strong>, dass<br />

sie nicht verstanden werden,<br />

– aber Musizieren ermöglicht ihnen (nonverbales) Verstehen.


„E<strong>in</strong>e glückliche Spanne Zeit“<br />

• Musizieren und <strong>Musik</strong>erleben s<strong>in</strong>d Leiberleben und<br />

zeigen, dass <strong>der</strong> Mensch mehr ist <strong>als</strong> se<strong>in</strong>e Hirnfunktion.<br />

• Atmosphären und Stimmungen werden trotz<br />

fortschreiten<strong>der</strong> Demenz erfasst.


B<strong>in</strong>nen- und Außenperspektive <strong>der</strong><br />

Betreuung <strong>dementiell</strong> verän<strong>der</strong>ter <strong>Menschen</strong><br />

Verhaltenstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g Alltagstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

Gedächtnistra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

Verstehen<strong>der</strong> Zugang<br />

Validation<br />

Identitätserhalt<br />

Orientierungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

Dementiell verän<strong>der</strong>te <strong>Menschen</strong> können sich <strong>in</strong> ihrer<br />

eigenen Welt nur wohl fühlen, wenn sie von außen<br />

nicht zerstört wird.


Fehlende B<strong>in</strong>nenperspektive <br />

Frau K. s<strong>in</strong>gt ihr Liebl<strong>in</strong>gslied auf <strong>der</strong> Toilette<br />

sitzend: „Und die Hasen und die Hasen, die<br />

kratzen sich am Bart!“ Sie s<strong>in</strong>gt das Lied tief<br />

bewegt und mit großem Vergnügen,<br />

während <strong>der</strong> Intimpflege, die sie alle<strong>in</strong><br />

ausführt, laut: „Und die Hasen “ Während<br />

des Anziehens s<strong>in</strong>gt sie immer wie<strong>der</strong> trallala-lala,<br />

lacht und freut sich. Frau K. bedankt<br />

sich nach <strong>der</strong> Pflege beim H<strong>in</strong>ausgehen aus<br />

dem Zimmer mit den Worten: „Danke schön,<br />

Schwester!“ Die Altenpfleger<strong>in</strong> zeigt ke<strong>in</strong><br />

Interesse o<strong>der</strong> emotionale Beteiligung.<br />

(Beobachtungsprotokoll)<br />

Höwler, Elisabeth (2007). Interaktionen zwischen Pflegenden<br />

und Personen mit Demenz. Stuttgart: Kohlhammer, S. 93<br />

Strohal:<br />

<strong>Musik</strong>alische<br />

Validation


Schweregrade <strong>der</strong> Demenz<br />

• schwergradig<br />

– räumliche und zeitliche<br />

Desorientierung, ungezielte<br />

Handlungen<br />

– fortlaufende Beaufsichtigung<br />

und Pflege erfor<strong>der</strong>lich<br />

• mittelgradig<br />

– Selbstständigkeit im Alltag<br />

e<strong>in</strong>geschränkt<br />

– Vernachlässigung von Hygiene<br />

und Ernährung<br />

• leichtgradig<br />

– Verlust <strong>der</strong> sozialen und<br />

beruflichen Leistungsfähigkeit<br />

– weitgehend selbstständiges<br />

Leben im Alltag<br />

Nonverbale<br />

Kommunikation<br />

• Gesten<br />

• Blicke<br />

• Berührung<br />

en<br />

– taktil<br />

– auditiv<br />

(<strong>Musik</strong>)


<strong>Musik</strong>alisches Wahrnehmen und Erleben<br />

bei (wach-)komatösen Patienten<br />

Grosse, Th. & Vogel, R. (2007). Interaktives Musizieren. Beiträge zu e<strong>in</strong>em<br />

deutschen Modellprojekt an Krankenhäusern und Pflegee<strong>in</strong>richtungen. Hannover:<br />

Blumhardt


Häufig angeführte Merkmale <strong>der</strong><br />

Demenz<br />

• Abnahme des Denkvermögens,<br />

Gedächtnisstörungen<br />

• Verarmung des Ausdrucksverhaltens<br />

• Persönlichkeitsverän<strong>der</strong>ungen<br />

• Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>der</strong> selbstständigen<br />

Lebensführung<br />

• Unruhe<br />

MUSIZIEREN und<br />

MUSIKHÖREN


Neuropsychologische Therapie und <strong>Musik</strong>geragogik<br />

bei <strong>Menschen</strong> mit Demenz – was<br />

hilft? J. Liesk, T. Hartogh, & E. Kalbe<br />

• Kognition<br />

• Lebensqualität<br />

• Alltagsfunktionen<br />

• Prä- und Post-Tests mit e<strong>in</strong>er<br />

sprach-unabhängigen<br />

Testbatterie<br />

• Befragung des Pflegeperson<strong>als</strong><br />

• ke<strong>in</strong>e signifikante Ergebnisse,<br />

jedoch beachtliche<br />

Entwicklungen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen<br />

NeuroVitalis<br />

Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprogramm<br />

zur Stabilisation und För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> geistigen Leistungsfähigkeit<br />

S<strong>in</strong>gen,<br />

Bewegen zur <strong>Musik</strong>,<br />

Musizieren mit<br />

elementaren Instrumenten<br />

6 Wochen mit 12 Sitzungen à 1,5 h<br />

Jeweils 4 Gruppen à 6 Teilnehmer


Zusammenschau von empirischen<br />

Untersuchungen zur Bedeutung von<br />

<strong>Musik</strong><br />

Lebensqualität<br />

Lebenszufriedenheit<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

Aktives Musizieren<br />

S<strong>in</strong>nerfahrung<br />

Soziale Kontakte Lebensbewältigung<br />

• Gembris, H. (2008). <strong>Musik</strong> im Erwachsenenalter.<br />

Entwicklungspsychologische Befunde und praktische Perspektiven. In:<br />

Verband deutscher <strong>Musik</strong>schulen (Hrsg.), <strong>Musik</strong> – e<strong>in</strong> Leben lang!<br />

Grundlagen und Praxisbeispiele (S. 11-34). Frankfurt/M.: Lang, S. 22-25<br />

• Hartogh, Th. (2005). <strong>Musik</strong>geragogik – e<strong>in</strong> bildungstheoretischer<br />

Entwurf. <strong>Musik</strong>alische Altenbildung im Schnittfeld von <strong>Musik</strong>pädagogik<br />

und Geragogik. Augsburg: Wißner, S. 167f.


Beson<strong>der</strong>e Aspekte beim Musizieren<br />

mit <strong>dementiell</strong> erkrankten <strong>Menschen</strong><br />

Atmosphäre schaffen<br />

Beruhigung - Aktivierung<br />

Alltagsstrukturierung<br />

Er<strong>in</strong>nerungsarbeit<br />

Identität erhalten


Orientierte und <strong>dementiell</strong> Erkrankte<br />

Emotionales<br />

Erleben<br />

e<strong>in</strong>t <br />

Suche nach S<strong>in</strong>n<br />

Bedürfnis nach sozialen Kontakten


<strong>Musik</strong>alische Aktivitäten<br />

Haus Arche, Vechta<br />

Modellprojekt von vier<br />

Hausgeme<strong>in</strong>schaften für je 8<br />

<strong>dementiell</strong> erkrankte Bewohner<br />

• S<strong>in</strong>gen<br />

• Instrument<strong>als</strong>piel<br />

• Bewegen und<br />

Tanzen<br />

• <strong>Musik</strong> hören<br />

• <strong>Musik</strong> erf<strong>in</strong>den


E<strong>in</strong>satz des Silverbirds<br />

Argumente <strong>der</strong> Produkthersteller:<br />

erfreut Pflegende und Bewohner <strong>in</strong><br />

Altene<strong>in</strong>richtungen<br />

spart Kosten und för<strong>der</strong>t Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflege


Vernetzung mit Angebotsformen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Pflege und Betreuung<br />

Der therapeutische<br />

Tischbesuch (TTB)<br />

(Kiefer & Ru<strong>der</strong>t 2007)<br />

10-M<strong>in</strong>uten-Aktivierung<br />

(Schmidt-Hackenberg 1996)<br />

Sensorische<br />

Kurzaktivierung<br />

(Wehner & Schw<strong>in</strong>ghammer<br />

2009)<br />

Niedrigschwellige Angebote<br />

Basale Stimulation<br />

(Buchholz &<br />

Schürenberg (2009)<br />

Ergotherapie<br />

(Schaade 2008)<br />

Snoezelen<br />

(Löd<strong>in</strong>g 2004)<br />

Milieutherapie<br />

(Staack 2009)<br />

Pflegeoasen


Haus Schwansen <strong>in</strong> Rieseby<br />

(Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />

• Mitarbeiter s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e <strong>Musik</strong>pädagogen o<strong>der</strong> -therapeuten!<br />

• Mitarbeiter setzen <strong>Musik</strong> und S<strong>in</strong>gen<br />

– zur Unterstützung <strong>der</strong> Tagesstruktur e<strong>in</strong>.<br />

– zum Entspannen und Aktivieren<br />

– zur <strong>Begleitung</strong> von Alltagshandlungen (Ankleiden, Ins-Bett-Gehen)<br />

• <strong>Musik</strong>alische Rituale<br />

– Barockmusik erkl<strong>in</strong>gt zum Essen<br />

– Walzermusik beim Kaffeetr<strong>in</strong>ken<br />

– sonntags um 11 Uhr Marschmusik zum Kirchenschnaps<br />

– Geme<strong>in</strong>sames S<strong>in</strong>gen nach den Frühstück<br />

– Umgetextete Lie<strong>der</strong> weisen auf Aktivitäten h<strong>in</strong><br />

– Schlaflie<strong>der</strong><br />

– Summen, S<strong>in</strong>gen sowie E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Kantele <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sterbebegleitung<br />

Ruth Mamerow (2003). Projekte mit alten <strong>Menschen</strong>. Kreativ – praxisorientiert – f<strong>in</strong>anzierbar.<br />

Bonn: Urban & Fischer


Kursana Domizil Gütersloh<br />

Ra<strong>in</strong>er Jakobi, Direktor und<br />

<strong>Musik</strong>geragoge<br />

• Konzeption<br />

– Pflege, Betreuungs- und<br />

Serviceangebote<br />

– vollstationäre Pflege<br />

– beschützen<strong>der</strong> Wohnbereich für<br />

<strong>dementiell</strong> Erkrankte<br />

– Betreuung <strong>in</strong> familiären<br />

Wohngruppen.<br />

• För<strong>der</strong>ung durch spezielles<br />

<strong>Musik</strong>konzept<br />

– vielfältige <strong>Musik</strong>veranstaltungen<br />

• haus<strong>in</strong>tern und öffentlich<br />

– Kooperationen mit <strong>Musik</strong>gruppen<br />

– geme<strong>in</strong>sames S<strong>in</strong>gen und<br />

Musizieren


Die zentralen geragogischen Fragen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Begleitung</strong> und Betreuung <strong>dementiell</strong><br />

erkrankter <strong>Menschen</strong><br />

Welche Verwirklichungschancen gibt es?<br />

Welche Entfaltungsmöglichkeiten<br />

gibt es?<br />

Erhalten <strong>der</strong> IDENTITÄT<br />

Erweiterung<br />

<strong>der</strong><br />

MÖGLICHKEITEN<br />

Zu welchen Handlungen<br />

kann befähigt werden?


Demenz und Instrument<strong>als</strong>piel<br />

Patientenberichte:<br />

• E<strong>in</strong>e Frau, die schon 7 Jahre an Alzheimer<br />

leidet, hat den Ehrgeiz, das Klavierkonzert von<br />

Robert Schumann e<strong>in</strong>zustudieren <br />

• E<strong>in</strong> dementer Mann lernt e<strong>in</strong> neues Stück auf <strong>der</strong><br />

Geige <br />

• Demenzkranke, die <strong>als</strong> Sänger öffentlich<br />

auftreten <br />

• „Beson<strong>der</strong>s berührt hat mich <strong>der</strong> Umstand, dass<br />

das musikalische Können und<br />

E<strong>in</strong>fühlungsvermögen – während die an<strong>der</strong>en<br />

Fähigkeiten schw<strong>in</strong>den – nicht nur erhalten<br />

bleibt, son<strong>der</strong>n offenbar noch e<strong>in</strong>e Steigerung<br />

erfährt.“ (S. 368)


Wohngeme<strong>in</strong>schaft Haus Arche<br />

Spielen auf <strong>der</strong> Veeh-Harfe


Improvisieren auf dem Klavier<br />

Forschungsprojekt<br />

von<br />

Eva Kehrer,<br />

Universität<br />

Vechta


Zukunftsthemen „Demenz und <strong>Musik</strong>“<br />

• Kultursensible Pflege: ca. 12.500 Migranten<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland von Demenz betroffen.<br />

• Weiterbildung von Fachkräften,<br />

Ehrenamtlichen<br />

• Gruppenangebote für <strong>dementiell</strong> verän<strong>der</strong>te<br />

<strong>Menschen</strong> und ihre Angehörigen<br />

• Vernetzung und Kooperationen von<br />

Institutionen<br />

– K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten, Schulen, <strong>Musik</strong>schulen &<br />

Altene<strong>in</strong>richtungen


www.musikgeragogik.de<br />

• Informationen zu Tagungen,<br />

Neuersche<strong>in</strong>ungen, Weiterbildungen <br />

• Forum<br />

• Bibliographie

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!