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Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, HEFT 4, 1996<br />

te Auseinandersetzung mit der<br />

neuen Frauenbewegung nicht<br />

den mühsamen Versuchen, alles<br />

das, was neue soziale <strong>Bewegungen</strong><br />

berührt, unter dem<br />

gemeinsamen Nenner der „umfassenden<br />

Zivilisationskritik"<br />

oder des „postmaterialistischen<br />

Wertekanons" zu subsumieren,<br />

zum Opfer fällt, da droht ihr<br />

die Verwässerung durch Verlegenheitscharakterisierungen,<br />

wie etwa: „amöbenhafte Konturen"<br />

und „ideologische Diffusität"<br />

(32).<br />

Selbst dort, wo der neuen Frauenbewegung<br />

in der kritischen<br />

Gesellschaftstheorie ein eigener<br />

Platz zugeordnet wird, wird<br />

sie vorschnell den Analyserastern<br />

der „Risikogesellschaft"<br />

(77ff.), der „fordistischen Vergesellschaftung"<br />

(93ff.) bzw.<br />

den Dualismen von „System"<br />

und „Lebenswelt" untergeordnet,<br />

(62 ff.), womit dann doch<br />

wieder frauenpolitisch relevante<br />

sozialstrukturelle Differenzierungen<br />

und heterogene Interessenlagen<br />

zum Verschwinden<br />

gebracht werden. Die<br />

„neue" Frauenbewegung besitzt,<br />

auch weil sie nicht neu<br />

ist, sondern auf eine mittlerweile<br />

über hundert Jahre alte<br />

Geschichte zurückblickt, zweifelsohne<br />

einen Charakter, der,<br />

so lautet schließlich die Quintessenz<br />

der Analysen Dackweilers,<br />

eines eigenen Theorieansatzes<br />

bedarf.<br />

Nach der umfassenden Kritik<br />

an den androzentristischenVerzerrungen<br />

und blinden Flek-<br />

kenin der bundesdeutschen Bewegungsforschung<br />

und kritischen<br />

Gesellschaftstheorie<br />

überrascht es nicht, daß Dackweiler<br />

nun das Augenmerk auf<br />

die femistische Bewegungsforschung<br />

und Theoriebildung<br />

richtet. Hier stellt sich zunächst<br />

die Frage, warum die feministische<br />

Bewegungsforschung<br />

bisher selbst noch nicht in der<br />

Lage war, eine angemessene<br />

Analyse der neuen Frauenbewegung<br />

vorzulegen, denn hier,<br />

so konstatiert Dackweiler selber,<br />

findet sich ein „gemessen<br />

an der Fülle feministischer<br />

Wissensproduktion in<br />

anderen Gegenstandsbereichen<br />

bescheidenerer Forschungsstand;<br />

die große Zurückhaltung<br />

gegenüber Theoretisierungsversuchen<br />

der 'eigenen' Bewegung;<br />

(und) die bislang geringe<br />

Rezeption der internationalen<br />

feministischen Diskussion<br />

über die Frauenbewegung<br />

im Kontext der Forschung zu<br />

sozialen <strong>Bewegungen</strong>, wie sie<br />

vor allem im anglo-amerikanischen<br />

Raum geführt werden"<br />

(97f).<br />

Die Gründe sieht Dackweiler<br />

in der mangelnden Distanznahme<br />

feministischer Frauenforscherinnen<br />

zu ihrem Forschungsobjekt,<br />

die sich schließlich<br />

auch in der Dissidenz zur<br />

sozial wissenschaftlichen<br />

Theorietradition ausdrückt.<br />

Als politische Mitstreiterinnen<br />

der neuen Frauenbewegung<br />

argumentieren feministischeBewegungsforsche­<br />

rinnen aus einer zumTeil selbstgewähltensozialwissenschaftlichen<br />

Randlage heraus und<br />

richten ihr Forschungsinteresse<br />

in erster Linie auf die Bewertung<br />

der Effizienz politischer<br />

Strategien und Praxen der<br />

neuen Frauenbewegung. Dadurch<br />

werdejedoch gerade über<br />

dieWidersprüchlichkeiten und<br />

„Brüche" hinweggesehen, deren<br />

zugrundeliegendes Konflikt-<br />

und Motivationspotential<br />

es erst einmal, so Dackweiler,<br />

im gesamtgesellschaftlichen<br />

Kontext zu entziffern gelte<br />

(105f.). Letzteres könne jedoch<br />

nur gelingen, wenn feministischeBewegungsforscherinnen<br />

sich selbst klarer innerhalb<br />

der sozialwissenschaftlichenTheorietradition<br />

verorten,<br />

deren „Regel-Kontext" (Gudrun-Axeli<br />

Knapp) sie sich nicht<br />

enziehen dürfen.<br />

Eine Alternative zur blinden,<br />

kritiklosen Einordnung in die<br />

sozialwissenschaftliche Theorietradition<br />

böte sich vielmehr<br />

in der konstruktivenAneignung<br />

derselben für feministische<br />

Analysen. Die feministische<br />

Neuaneignung der alten, auf<br />

Adorno und Horkheimer zurückgehenden,<br />

kritischen<br />

Theorie von Gudrun-Axeli<br />

Knapp und Regina Becker-<br />

Schmidt stellt für Dackweiler<br />

einen gelungenen Theorieansatz<br />

dar, den es zwecks der<br />

Überprüfung seiner Anwendbarkeit<br />

für die Analyse der neuen<br />

Frauenbewegung zu hinterfragen<br />

gelte.

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