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Vollversion (6.59 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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40 FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 9, HEFT 4, 1996<br />

klärung oder die wissenschaftliche Expertise<br />

- ist das charakteristische Ausdrucksmittel<br />

von Greenpeace und die von der Organisation<br />

bevorzugte Weise, Öffentlichkeit herzustellen<br />

- Öffentlichkeit für ein bestimmtes<br />

Thema, aber natürlich auch für die Organisation<br />

selbst. Die Aktion als Form ist nichts Neues:<br />

ein ethisch begründeteter Akt des Widerstandes<br />

gegen einen Eingriff, der in dazu passender<br />

moralisierender Diktion, etwa als "Umweltfrevel",<br />

eingeschätzt und benannt wird.<br />

Dieses gesinnungsethische Moment ist auch<br />

bei Greenpeace stark präsent - doch ist nicht<br />

dieser Zug das Greenpeace-Spezifische, sondern<br />

seine Einbindung in eine politische Strategie:<br />

Die "Aktion" ist das Transportmittel,<br />

mit dem ein Interessenkonflikt in den öffentlichen<br />

Raum gebracht wird.<br />

Die zur öffentlichen Praxis der Organisation<br />

gehörige konzeptionelle Schrittfolge läßt sich<br />

in drei Sätzen skizzieren: Wahrheit muß<br />

scheinen, ja inszeniert werden, wenn man als<br />

Akteur im öffentlichen Raum wahrgenommen<br />

werden möchte und etwas bewegen will - sie<br />

wird dadurch nicht weniger wahr, sondern<br />

wirksam. <strong>Soziale</strong>r Druck ist nur via Medien<br />

zu entwickeln - nicht durch eigene, sondern<br />

allein über die Präsenz in den von den Massen<br />

konsumierten. Die Konfrontation muß einem<br />

Lehrstück ähnlich angelegt sein - und<br />

so, daß die Medien schon aus Eigeninteresse<br />

darüber berichten.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der Kommunikationsgestaltung<br />

ist die Aktion wesentlich als<br />

Installation eines lebenden Bildes zu verstehen.<br />

Die Dramaturgie ist so genial wie einfach:<br />

Objekt, Gegner, Aktionsträger (Greenpeace)<br />

werden so arrangiert (realiter wohlgemerkt),<br />

daß das Bild als Botschaft fungiert.<br />

Wo einst das Schlagwort regierte, wurde das<br />

Schlagbild piaziert, das, beweglich oder fixstehend,<br />

die Sensationsierungsinteressen der<br />

Medien bedient, ohne jedoch von diesen so<br />

weit verfälscht werden zu können, daß die<br />

gewünschte Botschaft dem Betrachter nicht<br />

mehr begreiflich wäre.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der Konfliktgestaltung<br />

lebt die Aktion von der Konfrontation<br />

mit Machtinstanzen der Gesellschaft. Greenpeace<br />

selbst neigt dazu, die soziale Dimension<br />

des Konflikts im archaischen Bild David<br />

gegen Goliath zu verstecken, was übrigens<br />

der moralischen Weltsicht vieler Mitarbeiterinnen<br />

durchaus entspricht und nicht bloß ein<br />

geschickter Schachzug ist, mit dem politische<br />

Motive kaschiert würden. Die Kampagnen<br />

sind langfristig darauf angelegt, Entscheidungen<br />

von einiger Tragweite in eine ökologisch<br />

wünschenswerte Richtung zu forcieren - und<br />

die werden in den Chefetagen großer Unternehmen<br />

und in Institutionen mit politischer<br />

Macht gefällt.<br />

Unter dem Gesichtspunkt einer pragmatisch<br />

gedachten Effizienz ergibt es keinen Sinn, die<br />

Organisationstätigkeit als langwierigen Aufklärungsprozeß<br />

anzulegen. Greenpeace ist<br />

eine Organisation mit geringem, eher beiläufigem<br />

und nicht ganz strategiekonformem erzieherischen<br />

Anspruch. Soweit sie überhaupt<br />

einen Avantgarde-Anspruch vor sich herträgt,<br />

beruht dieser auf ihrem spezifischen Pragmatismus,<br />

aus dem heraus Greenpeace sich selbst<br />

und andere an Taten mißt. Greenpeace überläßt<br />

den Beobachtern und Unterstützern die<br />

Interpretation des Konflikts im Horizont ihres<br />

jeweiligen Welt- und Gesellschaftsbildes,<br />

wobei die David-Goliath-Konstellation den<br />

moralischen Nenner bildet. Allerdings käme<br />

die Organisation in einer Bilanz ihrer Tätigkeit<br />

mittlerweile nicht mehr an dem Schluß<br />

vorbei, daß sie als soziale Kraft wirkt.<br />

Die Aktion ist eine beschränkte Form, Politik<br />

zu betreiben, und sie lebt von der Kunst, auf

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