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Bakterielle Vaginose in der Schwangerschaft - Frauenheilkunde ...

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<strong>Bakterielle</strong> <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

E<strong>in</strong> Update über bakterielle <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> bei heute<br />

e<strong>in</strong>deutigem Zusammenhang zwischen vorzeitiger<br />

Wehentätigkeit, vorzeitigem Blasensprung,<br />

Frühgeburtsrisiko und postpartaler Endomyometritis.<br />

ISSN 1021-5697<br />

weitere Themen<br />

3 I 06<br />

Generelle PONV-<br />

Prophylaxe 11<br />

The best of ... 23<br />

MRI bei schwierigen<br />

Mammabefunden 25<br />

Im Dialog:<br />

Handicapfreies<br />

Überleben von<br />

Frühgeborenen 29<br />

Daten Fakten Analysen


<strong>in</strong> out<br />

Impressum<br />

Geschlechtsverkehr vor dem Entb<strong>in</strong>dungsterm<strong>in</strong><br />

führt zu e<strong>in</strong>em früheren E<strong>in</strong>satz spontaner<br />

Wehentätigkeit und reduziert die Notwendigkeit<br />

zur Geburtse<strong>in</strong>leitung.<br />

Obstet. Gynecol. 2006; 108:134–140<br />

Generelle PONV-Prophylaxe<br />

Wussten Sie schon …;<br />

Br. Med. J. 2006; 333:324–327<br />

Bauchumfangmessung anstatt BMI<br />

Br. Med. J. 2006; 333:695–698<br />

Herausgeber Prof. Dr. med. M.K. Hohl<br />

Chefarzt Frauenkl<strong>in</strong>ik<br />

Kantonsspital Baden<br />

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Tel.: +41 56 486 35 02<br />

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Titelbild: Vasa Praevia, Frauenkl<strong>in</strong>ik, Kantonsspital Luzern<br />

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© Copyright 2006 bei den Herausgebern<br />

ISSN 1021-5697<br />

Geschlechtsverkehr am Term<strong>in</strong> verbessert den<br />

Bishop score bzw. führt zum frühen E<strong>in</strong>satz<br />

von Wehen.<br />

Obstet. Gynecol. 2006;<br />

Magnesiumsulfat zur Tokolyse<br />

Obstet. Gynecol. 2006; 108:986<br />

Wie<strong>der</strong>holte RDS Prophylaxe bei drohen<strong>der</strong><br />

Frühgeburt < 32. SSW<br />

Obstet. Gynecol. 2006; 195:633–42


Inhalt 15/3/2006<br />

Betrifft „His“ -Pareunia<br />

Die Herausgeber 3<br />

Thema <strong>Bakterielle</strong> <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> (BV) <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong>: E<strong>in</strong> Update<br />

Dr. Markus Hodel 4<br />

Für Sie kommentiert Fertilitätserhaltende Operation des frühen <strong>in</strong>vasiven Zervixkarz<strong>in</strong>oms;<br />

Generelle PONV („Postoperative Nausea und Vomit<strong>in</strong>g“) – Prophylaxe bei<br />

allen Operationen? Postoperative Strahlentherapie beim Mammakarz<strong>in</strong>om:<br />

Bahnt sich e<strong>in</strong> Paradigmawechsel an? 10<br />

Wussten Sie schon Antenatale Gabe von Cortison verbessert die Lungenreife zwischen <strong>der</strong> 37.<br />

und 39. SSW; Erfolgreiche Behandlung e<strong>in</strong>es Priapismus <strong>der</strong> Klitoris nach<br />

Injektion von Ep<strong>in</strong>ephr<strong>in</strong> und Hepar<strong>in</strong> durch lokale Aspiration. E<strong>in</strong>stellung<br />

zur „Wahlsektio“ unterscheidet sich <strong>in</strong> europäischen Län<strong>der</strong>n deutlich.<br />

Bisphosphonat-Therapie führt zu e<strong>in</strong>er Osteonekrose des Kiefers. Fetaler<br />

„Zappelphilipp“ ist möglicherweise die Ursache für das Ausbleiben e<strong>in</strong>er<br />

fetalen Makrosomie im Rahmen e<strong>in</strong>es Gestationsdiabetes. Sog. Atk<strong>in</strong>s-Diät<br />

kann zu lebensbedrohlicher Azidose führen. Der eigene Geburtstag kann mit<br />

e<strong>in</strong>em erhöhten Risiko für akute vaskuläre Ereignisse verbunden se<strong>in</strong>.<br />

Grün- und Schwarztee schützen möglicherweise vor Prostatakarz<strong>in</strong>om. 16<br />

Im Bild Nachtrag zur Fussball-WM 20<br />

Internet-News www.neonet.ch; www.bornrich.org; www.l<strong>in</strong>dewerdel<strong>in</strong>.com 21<br />

Zitate The best of … 23<br />

Der beson<strong>der</strong>e Fall Der verme<strong>in</strong>tlich e<strong>in</strong>fache Fall aus <strong>der</strong> Tumorkonferenz des<br />

Marienkrankenhauses.<br />

Dr. Ulla Glasshoff, Dr. Monika Hornburg, Prof. Dr. Peter Scheidel,<br />

Prof. Rahel Kubik 25<br />

Im Dialog Warum haben weibliche Frühgeborene e<strong>in</strong>e bessere Chance für e<strong>in</strong><br />

handicapfreies Überleben als Buben, Herr Dr. Schmitt-Mechelke und<br />

Herr Dr. Berger? 29<br />

Fragebogen Prof. Dr. Ekkekard Dreher 37<br />

Feedback Leserbrief 40<br />

1


15/3/2006<br />

„His“-Pareunia<br />

3<br />

Betrifft<br />

Schon mal gehört? Wahrsche<strong>in</strong>lich nicht. Aber irgendwie<br />

bekannt kommt Ihnen dieser Ausdruck wohl doch vor.<br />

Das ist sicher auch so gewollt: Mit „Partnerdyspareunie“<br />

umschreibt L<strong>in</strong>da Brubaker (Int. Urogynecol. J. 2006;<br />

17:301) ihre Wortneuschöpfung „His“-Pareunia und<br />

charakterisiert damit sehr treffend e<strong>in</strong> neues Krankheitsbild:<br />

Sie hat das Problem und ihm verursacht es Schmerzen,<br />

zum Teil sogar erheblich! Des Rätsels Lösung? Das<br />

<strong>in</strong> die Vag<strong>in</strong>a penetrierte TVT-TOT ® -Band o<strong>der</strong> demnächst<br />

vielleicht auch Apogee ® , Perigee ® bzw. GPS-Prolift<br />

® etc. Mesh!<br />

Soweit die mediz<strong>in</strong>ische Seite. Interessant sche<strong>in</strong>t mir<br />

aber auch <strong>der</strong> psychologische Aspekt: Viele <strong>der</strong> Frauen,<br />

die über dieses Partnerproblem berichtet hatten, konnten<br />

nach Identifikation <strong>der</strong> Ursache e<strong>in</strong>e zum<strong>in</strong>dest klammheimliche<br />

Freude über se<strong>in</strong> Problem nicht verbergen.<br />

Aber auch im Diskurs mit ärztlichen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

kam kaum Mitleid mit dem „His“-Pareunie Betroffenen<br />

auf: Von Schmunzeln bis zu verhaltenem Lachen reichte<br />

die Palette weiblicher Reaktionen auf „His“-Pareunie <strong>in</strong><br />

unserem Kl<strong>in</strong>ikrapport. Auf unsere Frage bezüglich dem<br />

fehlenden Mitleid resultierte zunächst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e kurze<br />

Nachdenklichkeit. „Vielleicht ist das e<strong>in</strong>fach <strong>der</strong> Ausdruck<br />

dafür, dass wir es als Frau gewohnt s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> diesem<br />

Bereich Schmerzen auszuhalten, vom Deflorationsschmerz<br />

angefangen bis zur Dysmenorrhoe, und jetzt<br />

merkt auch Er mal, wie das ist“ lautete e<strong>in</strong> nachfolgen<strong>der</strong><br />

Erklärungsversuch.<br />

Das me<strong>in</strong>t auch Ines Schweizer, Sexualmediz<strong>in</strong>er<strong>in</strong>, gibt<br />

aber gleichzeitig zu bedenken, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er wirklich <strong>in</strong>takten<br />

Partnerschaft <strong>in</strong>itial Sorge um den Partner zu erwarten<br />

wäre.<br />

Wie auch immer: Sigmund Freud, das würden wir jedenfalls<br />

vermuten, hätte das Ganze als experimentellen<br />

Beweis se<strong>in</strong>er Hypothese über den Penisneid gewertet.<br />

Die Herausgeber


Thema<br />

<strong>Bakterielle</strong> <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> (BV) <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong>:<br />

E<strong>in</strong> Update<br />

E<strong>in</strong>e Assoziation von vag<strong>in</strong>aler Infektion und Frühgeburtlichkeit<br />

ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur seit langem bestens<br />

belegt. Das gilt beson<strong>der</strong>s für die bakterielle <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong>,<br />

für welche heute e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Zusammenhang zwischen<br />

vorzeitiger Wehentätigkeit, vorzeitigem Blasensprung,<br />

Frühgeburtsrisiko und postpartaler Endomyometritis<br />

gesichert ist (1). Für den Umkehrschluss,<br />

dass e<strong>in</strong> Screen<strong>in</strong>g und darauf basierend e<strong>in</strong>e antibiotische<br />

Therapie die Frühgeburtsrate senkt, tut man<br />

sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur deutlich schwerer, sieht man e<strong>in</strong>mal<br />

von <strong>der</strong> Behandlung <strong>der</strong> asymptomatischen Bakteriurie<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ab, welche tatsächlich<br />

zu e<strong>in</strong>er Reduktion <strong>der</strong> Frühgeburtsrate führt (2,3).<br />

Gross angelegte doppelbl<strong>in</strong>d randomisierte Studien<br />

zum BV-Screen<strong>in</strong>g und <strong>der</strong> prophylaktischen Therapie<br />

haben kürzlich offensichtlich aber auch <strong>in</strong> diesem Bereich<br />

neue kl<strong>in</strong>isch relevante Fakten geschaffen (4,5,6).<br />

E<strong>in</strong>e Anpassung von Richtl<strong>in</strong>ien und Empfehlungen<br />

ist aber bisher nicht durchgängig erfolgt. We<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d<br />

diese Studien <strong>in</strong> <strong>der</strong> neuesten Version <strong>der</strong> Cochrane<br />

Data Base berücksichtigt (7), noch s<strong>in</strong>d die Richtl<strong>in</strong>ien<br />

des American Colleges of Obstetrics and Gynecology<br />

entsprechend angepasst (8). Die deutsche Gesellschaft<br />

für Gynäkologie und Geburtshilfe h<strong>in</strong>gegen empfiehlt<br />

aufgrund dieser Daten e<strong>in</strong> frühes Screen<strong>in</strong>g auf bakterielle<br />

<strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong>.<br />

Ziel dieses Artikels ist deshalb e<strong>in</strong> praxisrelevanter<br />

Update.<br />

Was ist e<strong>in</strong>e bakterielle <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong>?<br />

Die bakterielle <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> ist die häufigste mikrobiologische<br />

Ursache für e<strong>in</strong>e Störung des Scheidenmilieus bei Frauen.<br />

Es handelt sich dabei nicht um e<strong>in</strong>e echte Kolpitis, son<strong>der</strong>n<br />

um e<strong>in</strong>e bakterielle Störung <strong>der</strong> Vag<strong>in</strong>alflora mit<br />

starker Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> H202-produzierenden Laktobazillen<br />

und starker Vermehrung e<strong>in</strong>er fakultativ pathogenen<br />

aerob-anaeroben Mischflora, wie Gardnerella vagi-<br />

4<br />

15/3/2006<br />

nalis, Mobiluncus species, Prevotella spezies und Mycoplasma<br />

hom<strong>in</strong>is und Ureaplasmen.<br />

Gardnerella vag<strong>in</strong>alis gilt nicht als Erreger <strong>der</strong> Erkrankung,<br />

son<strong>der</strong>n lediglich als Marker, da Gardnerella auch<br />

üblicherweise als Teil <strong>der</strong> gesunden Vag<strong>in</strong>alflora <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger<br />

Keimzahl vorkommt. Bei e<strong>in</strong>er bakteriellen <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong><br />

erhöht sich jedoch die Keimzahl bis zum 100fachen,<br />

zusammen mit an<strong>der</strong>en anaeroben Keimen, während die<br />

Laktobazillen von 8 × 10 6 /ml auf 3 × 10 6 /ml abnehmen.<br />

So wurden bei Frauen mit normaler Flora <strong>in</strong> 96 % <strong>der</strong><br />

Fälle und bei solchen mit bakterieller <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> nur <strong>in</strong><br />

6% <strong>der</strong> Fälle H202 bildende Laktobazillen gefunden.<br />

Warum die Laktobazillen abnehmen ist nicht bekannt.<br />

Diskutiert wird auch die Möglichkeit, dass sich durch<br />

Mutation die Fähigkeit zur H202-Bildung verliert.<br />

Die Prävalenz e<strong>in</strong>er BV beträgt zwischen 5 % bei Frauen,<br />

die zur Vorsorgeuntersuchung <strong>in</strong> die gynäkologische<br />

Praxis kommen und über 30 % bei Frauen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Kl<strong>in</strong>ik für sexuell übertragene Erkrankungen betreut<br />

werden. Die Ursache <strong>der</strong> BV ist unklar, e<strong>in</strong>e Verursachung<br />

durch Geschlechtsverkehr gilt aber als wahrsche<strong>in</strong>lich.<br />

In <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> liegt die Häufigkeit <strong>der</strong> BV<br />

zwischen 5–20 %. (9, 10)<br />

Wie diagnostiziert man e<strong>in</strong>e BV?<br />

Dr. Markus Hodel<br />

Neue Frauenkl<strong>in</strong>ik<br />

Kantonsspital<br />

CH 6000 Luzern 16<br />

Die Anamnese und <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ische Untersuch s<strong>in</strong>d zur<br />

Diagnosestellung e<strong>in</strong>er BV <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> nur<br />

bed<strong>in</strong>gt hilfreich, s<strong>in</strong>d doch über 50 % <strong>der</strong> schwangeren<br />

Frauen, die e<strong>in</strong>e bakterielle <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> haben, beschwerdefrei<br />

bei gleichzeitigem Fehlen kl<strong>in</strong>ischer Entzündungszeichen<br />

bei <strong>der</strong> Inspektion und Kolposkopie <strong>der</strong> Vag<strong>in</strong>a.<br />

E<strong>in</strong>e BV verursacht also ke<strong>in</strong>erlei Rötung <strong>der</strong> Vag<strong>in</strong>alwände<br />

wie dies üblicherweise bei Aerobierkolpitiden <strong>der</strong><br />

Fall ist.<br />

Die an<strong>der</strong>e Hälfte betroffener Frauen berichtet über vermehrten<br />

homogenen, grauweissen, dünnflüssigen Fluor,


15/3/2006<br />

Abb. 1. E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Hauptsymptome, <strong>der</strong> Ausfluss, ruft bei <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong><br />

wegen se<strong>in</strong>er Dünnflüssigkeit das Gefühl <strong>der</strong> Nässe hervor. (aus<br />

Eiko E. Petersen: Infektionen <strong>in</strong> Gynäkologie und Geburtshilfe)<br />

gelegentlich wahrgenommen als fischiger Geruch und<br />

dem Gefühl von Nässe. Dieses Symptom ist natürlich <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> sehr unspezifisch.<br />

Die Diagnosestellung muss also über e<strong>in</strong> systematisches<br />

Screen<strong>in</strong>g erfolgen. Diagnostischer Grundstandard <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Praxis ist das Nativpräparat, beurteilt nach den sogenannten<br />

Amsel-Kriterien.<br />

5<br />

Diese s<strong>in</strong>d:<br />

Thema<br />

Abb. 2. Clue-cells: <strong>in</strong> dichter Gruppierung die Zelle bedecken<strong>der</strong><br />

Bakterienrasen<br />

Abb. 3. Clue-cell mit Methylenblau angefärbt (aus Eiko E. Peterson:<br />

Infektionen <strong>in</strong> Gynäkologie und Geburtshilfe)<br />

dünnflüssiger, homogener, grauweisser Fluor (Abb. 1)<br />

pH-Wert <strong>in</strong> <strong>der</strong> Scheide von >4,5 (Cave: Entnahme von<br />

<strong>der</strong> Vag<strong>in</strong>alwand, da <strong>der</strong> CK nahe Schleim automatisch<br />

höhere pH-Werte als die Vag<strong>in</strong>a aufweist!)<br />

Typischer Am<strong>in</strong>- / Fischgeruch des Fluors nach Alkalisierung<br />

mit 10%iger KOH-Lösung


Thema<br />

Nachweis von Clue-cells bei m<strong>in</strong>destens 20 % <strong>der</strong> Epithelzellen<br />

(40er Objektiv) im Nativpräparat (Abb. 2).<br />

Diese Clue-cells s<strong>in</strong>d mit ihrem dichten Rasen kle<strong>in</strong>er<br />

Bakterien beson<strong>der</strong>s gut im Methylenblaupräparat zu<br />

erkennen (Abb. 3).<br />

Für die Diagnose e<strong>in</strong>er BV müssen drei von vier Kriterien<br />

erfüllt se<strong>in</strong>.<br />

Die kulturelle Anzüchtung von Bakterien lässt zwar anaerobe<br />

Keime nachweisen, erlaubt aber nicht die Diagnose<br />

BV. Sie hat nur dann e<strong>in</strong>en Platz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rout<strong>in</strong>ediagnostik,<br />

wenn neben e<strong>in</strong>er BV noch nach an<strong>der</strong>en pathogenen<br />

Keimen wie z.B. A-Streptokokken, Gonokokken etc. gesucht<br />

werden muss.<br />

Screen<strong>in</strong>g und <strong>Bakterielle</strong> <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gravidität<br />

Aus longitud<strong>in</strong>alen Studien zur Inzidenz <strong>der</strong> BV wissen<br />

wir, dass die Aquisitionrate e<strong>in</strong>er BV mit Fortschreiten<br />

<strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ab- und die spontane Heilung zunimmt.<br />

Aus diesen Erkenntnissen schliessen immer mehr<br />

Forscher, dass die Diagnose und die Therapie e<strong>in</strong>er BV<br />

im ersten und frühen zweiten Trimenon am meisten<br />

Erfolg verspricht, weil dann die Kaskade <strong>der</strong> Effekte <strong>der</strong><br />

BV mit Produktion von Zytok<strong>in</strong>en und Prostagland<strong>in</strong>en<br />

mit konsekutiver vorzeitiger Wehentätigkeit noch nicht<br />

irreversibel ist, und durch e<strong>in</strong>e Antibiotika Therapie<br />

erfolgreich verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden kann. Drei randomisiert<br />

plazebokontrollierte Studien (Lamont et al. 2003,<br />

Ugwumadu et al. 2005 sowie Larson et al. 2006) fanden<br />

diese These e<strong>in</strong>deutig belegt (4, 6, 11) und zwar mit<br />

unterschiedlicher Applikationsrate (Ugwumadu et al. als<br />

orale Cl<strong>in</strong>damyc<strong>in</strong>-Therapie und unterschiedlicher Dosierung;<br />

Lamont et al. 3 Tage Therapie mit Cl<strong>in</strong>damyc<strong>in</strong>-<br />

Crème <strong>in</strong>travag<strong>in</strong>al; Larson et al. für 7 Tage). Allen drei<br />

Studien geme<strong>in</strong>sam ist, dass die Behandlung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Frühschwangerschaft, das heisst vor <strong>der</strong> 15. SSW begonnen<br />

wurde. Sie unterscheiden sich damit deutlich von<br />

früheren Studien, welche ke<strong>in</strong>e Therapie ausweisen konnten<br />

und alle erst weit nach <strong>der</strong> 20. SSW gestartet wurden<br />

6<br />

15/3/2006<br />

Abb. 4. <strong>Schwangerschaft</strong>salter bei Geburt bei den Schwangeren<br />

mit Spätabort und Frühgeburten (< 37. SSW)<br />

(12, 13). Am e<strong>in</strong>drücklichsten s<strong>in</strong>d die Ergebnisse bei<br />

Larson et al., <strong>in</strong> welchen <strong>in</strong>sgesamt 9025 Frauen gescreent<br />

wurden und schlussendlich 408 versus 411 Patient<strong>in</strong>nen<br />

mit e<strong>in</strong>er nachgewiesenen bakteriellen <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> entwe<strong>der</strong><br />

mit Cl<strong>in</strong>damyc<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Placebo behandelt wurden. In<br />

dieser Studie zeigte sich e<strong>in</strong>e signifikante Verlängerung<br />

<strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> sowie auf die K<strong>in</strong><strong>der</strong> bezogen e<strong>in</strong>e<br />

signifikante Reduktion <strong>der</strong> Verweildauer auf e<strong>in</strong>er neonatalen<br />

Intensivstation (Abb. 4 und Abb. 5).<br />

Die Studie von Ugwumadu et al. sowie Larson et al. ergibt<br />

<strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>e Reduktion von 60 % Frühgeburtlichkeit<br />

und „dies“ schreibt R.F. Lamont <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Artikel im<br />

British J. of Obstetrics & Gynaecology, „hätte mit Sicherheit<br />

die letzte Cochrane Review zu diesem Thema an<strong>der</strong>s<br />

aussehen lassen, wären diese beiden Studien zwei Monate<br />

früher publiziert worden“ (14).


15/3/2006<br />

Abb. 5. Tage auf <strong>der</strong> neonatalen Intensivstation frühgeborenen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n von Müttern mit BV<br />

Therapie<br />

Für die Behandlung <strong>der</strong> BV stehen mit lokalem und systemischem<br />

Metronidazol sowie Cl<strong>in</strong>damyc<strong>in</strong> <strong>in</strong> Form<br />

e<strong>in</strong>er 2%igen Vag<strong>in</strong>alcreme (Dalac<strong>in</strong> V ® ) zwei hochwirksame<br />

Pharmaka zur Verfügung. Ausserhalb <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

wird mit Metronidazol oral 2 × 500 mg pro Tag<br />

für 7 Tage behandelt. Alternativ führt auch die 2 × 2g<br />

Gabe im Abstand von 48 Stunden zu akzeptablen Heilungsraten.<br />

(78–84 % Heilungsrate) In <strong>der</strong> Früh-<strong>Schwangerschaft</strong><br />

ist die lokale <strong>in</strong>travag<strong>in</strong>ale Applikation zu<br />

bevorzugen. Diese wird mit 500 mg Metronidazol über<br />

7 Tage o<strong>der</strong> <strong>der</strong> täglichen Gabe von 5 g 2%iger Cl<strong>in</strong>damyc<strong>in</strong><br />

Vag<strong>in</strong>alcreme für 7 Tage durchgeführt. E<strong>in</strong> nicht<br />

zu unterschätzen<strong>der</strong> Vorteil <strong>der</strong> lokalen Applikation s<strong>in</strong>d<br />

die ger<strong>in</strong>gen Nebenwirkungen und zugleich die Unbedenklichkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gravidität. Insbeson<strong>der</strong>e die orale<br />

Gabe von Metronidazol führt häufig zu Nebenwirkungen<br />

(Übelkeit, metallisches Gefühl auf <strong>der</strong> Zunge, Ober-<br />

7<br />

Thema<br />

bauchbeschwerden), welche die Compliance negativ<br />

bee<strong>in</strong>flussen.<br />

Gemäss <strong>der</strong> DGGG Leitl<strong>in</strong>ie „Empfehlungen zur bakteriellen<br />

<strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong>“ kann Metronidazol oral problemlos<br />

nach dem ersten Trimenon angewandt werden. Nach dem<br />

Studium <strong>der</strong> neuesten Literatur muss die orale Gabe von<br />

Metronidazol allerd<strong>in</strong>gs kritisch betrachtet werden. In <strong>der</strong><br />

„PREMET-Studie“ (5), e<strong>in</strong>er prospektiv, placebo-kontrollierten<br />

Multicenter Studie wurde <strong>der</strong> Frage nachgegangen,<br />

ob e<strong>in</strong>e Gruppe von Schwangeren von e<strong>in</strong>er oralen<br />

Metronidazol-Gabe profitieren, welche aufgrund von<br />

Risikofaktoren und e<strong>in</strong>em positiven Fibronekt<strong>in</strong>test im<br />

Vag<strong>in</strong>alsektret als „Hochrisiko-Gruppe für e<strong>in</strong>e Frühgeburt“<br />

geschätzt wurden, da Fibronekt<strong>in</strong> heute als effektivster<br />

biochemischer Marker für vorzeitige Wehentätigkeit<br />

und <strong>in</strong>trauter<strong>in</strong>e Infektionen e<strong>in</strong>geschätzt wird (15).<br />

Überraschen<strong>der</strong>weise war das Risiko e<strong>in</strong>er Frühgeburt<br />

vor <strong>der</strong> abgeschlossenen 37. <strong>Schwangerschaft</strong>swoche,<br />

genauso wie für die abgeschlossene 30. SSW <strong>in</strong> <strong>der</strong> mit<br />

Metronidazol therapierten Gruppe signifikant höher.<br />

Auch wenn <strong>in</strong> dieser Studie nicht die BV als primärer<br />

Risikofaktor def<strong>in</strong>iert wurde, müssen e<strong>in</strong>em die Outcome-Daten<br />

zu denken geben und zum Schluss führen, dass<br />

die orale Gabe von Metronidazol im II. Trimenon ohne<br />

klaren Nachweis e<strong>in</strong>er abnormen Vag<strong>in</strong>alflora potentiell<br />

schädlich se<strong>in</strong> könnte. Die wirtschaftlichste und sicherste<br />

Therapie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ist die tägliche <strong>in</strong>travag<strong>in</strong>ale<br />

Gabe von 5 g 2%-iger Cl<strong>in</strong>damyc<strong>in</strong> Crème.<br />

Neue zukunftweisende Erkenntnisse<br />

Wie E<strong>in</strong>gangs erwähnt ist die bakterielle <strong>Vag<strong>in</strong>ose</strong> e<strong>in</strong>e<br />

sehr spezielle Form e<strong>in</strong>er lokalen Milieustörung. Das<br />

drückt sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reaktion des Host gegenüber den<br />

kontam<strong>in</strong>ierenden Bakterien aus. E<strong>in</strong>e Rötung als Anzeichen<br />

e<strong>in</strong>er lokalen Entzündung fehlt, entsprechend fehlt<br />

auch die bei e<strong>in</strong>er solchen Reaktion immer vorhandene<br />

zelluläre Immunantwort, was sich durch das Fehlen <strong>der</strong><br />

Leukozyten im Nativpräparat ausdrückt. Dem entspre-


Thema<br />

chend ergibt sich auch e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Bild bei den humoralen<br />

Entzündungsmediatoren. So ist zum Beispiel Interleuk<strong>in</strong><br />

8 im vag<strong>in</strong>alen Fluor nicht erhöht, h<strong>in</strong>gegen<br />

kommt es zu e<strong>in</strong>er Erhöhung des TNF-a im Serum und<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Vag<strong>in</strong>a. Dies ist für das E<strong>in</strong>setzen von Frühgeburtsbestrebungen<br />

<strong>in</strong>sofern von Bedeutung, als diese Substanz<br />

im Amnion, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dezidua und im Myometrium die Prostagland<strong>in</strong>-Produktion<br />

stimuliert und so zur vorzeitigen<br />

Wehentätigkeit führen kann. Darüber h<strong>in</strong>aus setzt TNF-a<br />

die Metalloprote<strong>in</strong>asen-Produktion <strong>in</strong> Gang, e<strong>in</strong> wichtiger<br />

Mediator beim vorzeitigen Blasensprung und <strong>der</strong> Zervixreifung.<br />

Diese Erkenntnis wird durch neues Wissen über<br />

Gen-Polymorphismen, welche den Nachweis erbr<strong>in</strong>gen,<br />

dass e<strong>in</strong> spezifischer Polymorphismus, das sogenannte<br />

TNF2-Allel bei se<strong>in</strong>em Vorhandense<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Erhöhung<br />

<strong>der</strong> TNF-a-Serumkonzentration führt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Licht<br />

getaucht. Dies umso mehr, als e<strong>in</strong>e kürzlich durchgeführte<br />

Studie bei symptomatischer BV e<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong><br />

OR für Frühgeburtlichkeit auf 3,3 (95 % CI: 1,5–5,9), für<br />

die alle<strong>in</strong>ige Trägerschaft des TNF2-Allels auf e<strong>in</strong>er OR<br />

von 2,7 (95 % CI: 1,7–4,5) erhöhte (16). Wenn allerd<strong>in</strong>gs<br />

beide Faktoren also Vorhandense<strong>in</strong> von symptomatischer<br />

BV und Trägerschaft des TNF2-Allel komb<strong>in</strong>iert wurde,<br />

stieg die OR für e<strong>in</strong>e Frühgeburtlichkeit auf 10,1 an.<br />

Wenn auch diese komplexen Daten zur Zeit die Situation<br />

noch nicht abschliessend klären, so deutet sich doch an,<br />

<strong>in</strong> welche Richtung sich <strong>in</strong> Zukunft unser Wissen um<br />

Frühgeburtlichkeit und dann auch allenfalls Risikoprävention<br />

entwickeln könnten.<br />

Sollen alle schwangeren Frauen auf BV gescreent<br />

werden ? Wenn Ja, wann ?<br />

Ja, die neueren Daten geben gute H<strong>in</strong>weise, dass e<strong>in</strong><br />

frühes, generelles Screen<strong>in</strong>g, also meist anlässlich <strong>der</strong><br />

ersten <strong>Schwangerschaft</strong>skontrolle zwischen <strong>der</strong> 6. und 12.<br />

<strong>Schwangerschaft</strong>skontrolle, s<strong>in</strong>nvoll ist. Das Screen<strong>in</strong>g<br />

nur von Risikogruppen (z.B. St.n. Frühgeburt, St.n. Spätabort,<br />

positiver Fibronekt<strong>in</strong>-Test) diskrimiert die schwangeren<br />

Frauen, welche von e<strong>in</strong>er Therapie <strong>der</strong> BV profitieren<br />

nur ungenügend.<br />

8<br />

15/3/2006<br />

Welche Screen<strong>in</strong>g-Methode ist zu wählen ?<br />

In <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Rout<strong>in</strong>e ist das Nativ-Präparat (Methylenblau)<br />

mit dem Nachweis von Clue-cells, dem positiven<br />

Am<strong>in</strong>-Test und e<strong>in</strong>em vag<strong>in</strong>alen-pH von > 4,5 gut erprobt<br />

und ausreichend. E<strong>in</strong>e Kultur o<strong>der</strong> gar e<strong>in</strong> Gram-Präparat<br />

s<strong>in</strong>d nicht notwendig. Entscheidend ist, dass <strong>der</strong> Untersucher<br />

die BV e<strong>in</strong>deutig als solche diagnostiziert und nicht<br />

den Nachweis von Gardnerellen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kultur nach e<strong>in</strong>em<br />

Vag<strong>in</strong>alabstrich isoliert therapiert.<br />

Welches Antibiotika ist zu wählen ?<br />

Welche Applikationsform ist zu favorisieren ?<br />

Gemäss heutigem Stand <strong>der</strong> Literatur ist die lokale Gabe<br />

von Cl<strong>in</strong>damyc<strong>in</strong> (Dalac<strong>in</strong> V ® ) über 7 Tage<br />

<strong>in</strong>travag<strong>in</strong>al gegenüber <strong>der</strong> systemischen Gabe von<br />

Metronidazol zu favorisieren.<br />

Muss nach behandelter BV e<strong>in</strong>e Kontrolluntersuchung<br />

erfolgen und muss bei Persistenz e<strong>in</strong>e erneute Antibiotika-Gabe<br />

e<strong>in</strong>geleitet werden ?<br />

Diese Frage ist offen. Da die Rezidivrate mit ca. 30 % bei<br />

<strong>der</strong> BV hoch ist, ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Kontrolluntersuchung mit<br />

konsekutiver Therapie e<strong>in</strong>e gute Option. Larsson und<br />

Lamont haben e<strong>in</strong>e erste Follow up–Kontrolle nach 4<br />

bzw. 6 <strong>Schwangerschaft</strong>swochen durchgeführt und bei ca.<br />

30 % <strong>der</strong> Schwangeren e<strong>in</strong>e erneute Cl<strong>in</strong>damyc<strong>in</strong>-Gabe <strong>in</strong><br />

gleicher Dosierung und Länge e<strong>in</strong>geleitet. E<strong>in</strong>e Kontrolluntersuchung<br />

ist frühestens nach drei Wochen zu empfehlen.<br />

Soll nach abgeschlossener Antibiotika-Therapie e<strong>in</strong>e<br />

Laktobazillengabe o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Ansäuerung des Scheidenmilieus<br />

erfolgen ?<br />

Für die Wirksamkeit dieser Therapiestrategien gibt es<br />

ke<strong>in</strong>e wissenschaftliche Basis.<br />

Muss <strong>der</strong> Partner mitbehandelt werden ?<br />

Für die rout<strong>in</strong>emässige Therapie des Sexualpartners ist<br />

die aktuelle Literatur zu dünn. Bei rezivieren<strong>der</strong> BV ist<br />

e<strong>in</strong>e Partnertherapie zu diskutieren.


15/3/2006<br />

Literatur<br />

1. N Engl. J Med 1995,333;1737–42<br />

2. Obstet Gynecol 1989; 73: 576–82<br />

3. Cochrane database Syst Rev 2000<br />

4. Lancet 2003;361:938–8<br />

5. BJOG 2006;113:65–74<br />

6. BJOG 2006;113:629–37<br />

7. Cochrane database Syst Rev 2002<br />

8. Bacterial vag<strong>in</strong>osis screen<strong>in</strong>g for prevention of preterm delivery,<br />

Commitee Op<strong>in</strong>ion No. 198<br />

9<br />

9. Am J Obstet Gynecol 1996;174:1618<br />

10. Obstet Gynecol 1992;80:173<br />

11. Obstet Gynecol 2003;101: 516–22<br />

12. Am J Obstet Gynecol 1994;170:1048–1060<br />

13. Am J Obstet Gynecol 1995;173:1527–31<br />

14. BJOG 2005;112:67–73<br />

15. Am J Obstet Gynecol 2002;187:185–94<br />

16. Am J Obstet Gynecol 2004;190:1504–8<br />

Thema<br />


Für Sie kommentiert<br />

Fertilitätserhaltende Operation des frühen <strong>in</strong>vasiven<br />

Zervixkarz<strong>in</strong>oms:<br />

J. H. Shepherd vom Royal Marsden Hospital <strong>in</strong> London<br />

hat 1998 erstmals über die radikale Trachelektomie als<br />

Möglichkeit <strong>der</strong> fertilitätserhaltenden Operationen beim<br />

frühen Zervixkarz<strong>in</strong>om publiziert. Er kann jetzt mit<br />

se<strong>in</strong>en Koautoren (BJOG; 2006; 113:719–724) über 123<br />

Fälle mit e<strong>in</strong>er durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit<br />

von 45 Monaten berichten. Bei 11 Frauen war e<strong>in</strong>e fertilitätserhaltende<br />

Operation nicht möglich, da sich <strong>in</strong>traoperativ<br />

befallene Lymphknoten zeigten o<strong>der</strong> postoperativ<br />

die Ausbreitung des Karz<strong>in</strong>oms bis an den Resektionsrand<br />

reichte. In diesen Fällen wurde e<strong>in</strong>e Chemo-Radiatio<br />

beziehungsweise e<strong>in</strong>e radikale Hysterektomie durchgeführt.<br />

Bei diesen 11 Patient<strong>in</strong>nen kam es bei zwei Frauen<br />

(18%) zu e<strong>in</strong>em Rezidiv und beide verstarben. Bei 112<br />

Frauen, die durch die radikale Trachelektomie und pelv<strong>in</strong>e<br />

Lymphadenektomie adäquat behandelt waren, kam es <strong>in</strong><br />

drei Fällen (2,7%) zu e<strong>in</strong>em Rezidiv, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall zu<br />

e<strong>in</strong>em Beckenwandrezidiv sieben Jahre nach <strong>der</strong> Erstbehandlung.<br />

Zwischenzeitlich hatte die Patient<strong>in</strong> drei<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> geboren. Nach e<strong>in</strong>er Chemo-Strahlentherapie des<br />

Rezidivs blieb die Patient<strong>in</strong> bislang 45 Monate rezidivfrei.<br />

Zwei weitere junge Frauen (32 und 36 Jahre alt)<br />

entwickelten zentrale Rezidive und verstarben. Trotz des<br />

<strong>in</strong>itialen Wunsches nach Fertilitätserhaltung versuchten<br />

nur 63 Patient<strong>in</strong>nen den K<strong>in</strong><strong>der</strong>wunsch auch zu realisieren.<br />

Bei 26 dieser Patient<strong>in</strong>nen kam es zu <strong>in</strong>sgesamt<br />

55 <strong>Schwangerschaft</strong>en. Allerd<strong>in</strong>gs konnten nur 19 <strong>der</strong><br />

26 Frauen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> austragen. Diese wurden <strong>in</strong> allen<br />

Fällen durch e<strong>in</strong>en Kaiserschnitt entbunden, 53,6% nach<br />

<strong>der</strong> 36. SSW o<strong>der</strong> später, 21% zwischen 32 und 35 + 6 SSW,<br />

bei 7 Patient<strong>in</strong>nen (25%) erfolgte die Geburt vor 31 + 6 SSW.<br />

Das hohe Frühgeburtsrisiko ist somit e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> belastendsten<br />

Faktoren dieses Vorgehens. Shepherd empfiehlt<br />

übrigens bei diesen Frühgeborenen ke<strong>in</strong>en isthmischen<br />

Querschnitt durchzuführen, da nach radikaler Resektion<br />

<strong>der</strong> Cervix die Ausdehnung des unteren Uter<strong>in</strong>segmentes<br />

nicht ausreichend sei.<br />

10<br />

15/3/2006<br />

In <strong>der</strong> publizierten Serie wurden sowohl Zervixkarz<strong>in</strong>ome<br />

des Stadiums Ia2 als auch des Stadiums Ib1 e<strong>in</strong>geschlossen.<br />

Shepherd hält es für gerechtfertigt, im Stadium Ia2<br />

künftig durch e<strong>in</strong>e ausgedehnte Konisation mit pelv<strong>in</strong>er<br />

Lymphadenektomie e<strong>in</strong>en noch konservativeren Weg zu<br />

gehen. Diese weitere Reduktion <strong>der</strong> Radikalität ersche<strong>in</strong>t<br />

jedoch nur <strong>in</strong> Studien unter optimalen Nachbeobachtungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

gerechtfertigt. Zusammenfassend stellt<br />

die radikale Trachelektomie <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit <strong>der</strong> pelv<strong>in</strong>en<br />

Lymphadenektomie <strong>in</strong> ausgewählten Fällen e<strong>in</strong><br />

Verfahren dar, welches bezogen auf die Rezidive mit radikaleren<br />

Operationen vergleichbar sche<strong>in</strong>t. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

<strong>der</strong> späteren Fertilität ist jedoch zu berücksichtigen, dass<br />

neben e<strong>in</strong>er relativ hohen Rate von Fehlgeburten die<br />

Frühgeburtenrate (vor 32 Wochen) mit 25% sehr hoch ist<br />

und nur e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>nen postoperativ wirklich<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Schwangerschaft</strong> anstrebt.<br />

Kommentar<br />

Die vorliegende Serie von 123 Frauen ist das größte bislang<br />

publizierte Kollektiv von Frauen <strong>in</strong> gebärfähigem<br />

Alter, die sich für e<strong>in</strong>e fertilitätserhaltende Operation<br />

beim Zervixkarz<strong>in</strong>om entschieden haben. Sowohl die<br />

Überlebensraten wie auch die Rezidivrate entspricht den<br />

Erfahrungen von Dargent (Cancer 2000; 88:1877–1882)<br />

und an<strong>der</strong>en Autoren <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Serien. Unter strenger<br />

Beachtung <strong>der</strong> Ausschlusskriterien (positive Lymphknoten,<br />

Tumor bis an die Resektionsrän<strong>der</strong>) sche<strong>in</strong>t damit<br />

dieses Vorgehen e<strong>in</strong>e praktikable Alternative. Shepherd<br />

selbst weist darauf h<strong>in</strong>, dass aber e<strong>in</strong>e mittlere Nachbeobachtungszeit<br />

von 45 Monaten relativ kurz ist. Dies gilt<br />

beson<strong>der</strong>s, wenn man bedenkt, dass die von ihm beobachteten<br />

Rezidive relativ spät erfolgt s<strong>in</strong>d (19 Monate, 31<br />

Monate und 7 Jahre nach Primärbehandlung). Ungelöst<br />

bleibt bislang das Problem e<strong>in</strong>er effektiven Prävention<br />

<strong>der</strong> Frühgeburten.<br />

Abschließend noch e<strong>in</strong>e persönliche Bemerkung. Shepherd<br />

komb<strong>in</strong>iert die endoskopische pelv<strong>in</strong>e Lymphadenektomie<br />

mit <strong>der</strong> radikalen Trachelektomie. Wir führen<br />

diese Operation ebenfalls durch, haben uns aber ent-


15/3/2006<br />

schieden, die pelv<strong>in</strong>e Lymphonodektomie extraperitoneal<br />

durchzuführen. Dies führt natürlich zu kosmetisch ungünstigeren<br />

Narben lateral im Unterbauch, ist aber entstanden<br />

aus <strong>der</strong> Überzeugung <strong>der</strong> Mikrochirurgen, zur Erhaltung<br />

<strong>der</strong> Fertilität möglichst ke<strong>in</strong>en peritonealen<br />

Defekt zu setzen. Ob man durch dieses Vorgehen die von<br />

Shepherd beobachtete kumulative <strong>Schwangerschaft</strong>srate<br />

steigern kann, muss aufgrund unserer bislang limitierten<br />

Erfahrungen offen bleiben. Aus me<strong>in</strong>er persönlichen<br />

Überzeugung ist jedoch <strong>der</strong> extraperitoneale Zugang zur<br />

Prävention von Adhäsionen und dem Erhalt e<strong>in</strong>es ungestörten<br />

Eiauffangmechanismus e<strong>in</strong>e bedenkenswerte<br />

Alternative.<br />

H. Peter Scheidel<br />

Kommentar<br />

Anlässlich des 56. Annual Meet<strong>in</strong>gs <strong>der</strong> Society of Pelvic<br />

Surgeons hatten wir Gelegenheit, die Arbeit mit John<br />

Sheperd persönlich zu diskutieren.<br />

Auffällig ist ja das nach wie vor nicht gelöste Problem <strong>der</strong><br />

Frühgeburtlichkeit. Nach Erfahrung von John Sheperd<br />

manifestierte sich diese immer durch e<strong>in</strong>en vorzeitigen<br />

Blasensprung beim wehenlosen Uterus. Dabei war die<br />

Zervix bei Status nach Cerclage nicht etwa <strong>in</strong>suffizient.<br />

Bei <strong>der</strong> Inspektion wurde oft beobachtet, dass <strong>der</strong> Faden<br />

noch <strong>in</strong> situ war.<br />

Wir fragten Sheperd, ob er Erfahrung mit dem von<br />

Prof. Sal<strong>in</strong>g propagierten totalen Muttermundsverschluss<br />

(dieser wird von uns oft erfolgreich angewendet) habe,<br />

was er verne<strong>in</strong>te.<br />

Es sche<strong>in</strong>t mir, dass <strong>in</strong> diesem Fall wegen <strong>der</strong> fehlenden o<strong>der</strong><br />

doch sehr kurzen Zervix e<strong>in</strong>e bakterielle Aszension durch<br />

die, wenn auch nur kle<strong>in</strong>e Öffnung möglich ist und <strong>der</strong><br />

Blasensprung als Folge e<strong>in</strong>er Infektion zu <strong>in</strong>terpretieren ist.<br />

Wir empfahlen John Sheperd bei den nächsten Fällen, sobald<br />

e<strong>in</strong>e <strong>Schwangerschaft</strong> festgestellt ist, e<strong>in</strong>en für diese<br />

Situation modifizierten totalen Muttermundverschluss zu<br />

erwägen.<br />

Michael K. Hohl<br />

11<br />

Kernaussagen<br />

Für Sie kommentiert<br />

Bei ausgewählten Patient<strong>in</strong>nen kann im Stadium Ia2<br />

und Ib1 fertilitätserhaltend operiert werden.<br />

Die Mortalitätsrate sche<strong>in</strong>t nicht höher als bei <strong>der</strong><br />

radikalen Hysterektomie.<br />

Nur die Hälfte <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>nen versucht, den K<strong>in</strong><strong>der</strong>wunsch<br />

zu realisieren.<br />

Die Rate <strong>der</strong> Frühgeburten vor <strong>der</strong> 32. SSW liegt bei 25%<br />

Die Schnittentb<strong>in</strong>dung bei Frühgeborenen nach<br />

Trachelektomie sollte über e<strong>in</strong>en uter<strong>in</strong>en Längsschnitt<br />

erfolgen.<br />

Generelle PONV („Postoperative Nausea und Vomit<strong>in</strong>g“)<br />

Prophylaxe bei allen Operationen?<br />

Diese Frage wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er grossen prospektiv-randomisierten<br />

Doppelbl<strong>in</strong>dstudie mit 3140 Pat. (u.a. Hysterektomien,<br />

Cholecystektomien, Herniotomien, ORL-Chirurgie,<br />

Hüft- o<strong>der</strong> Kniegelenkersatz) geprüft (Wallenborn, J. et<br />

al. Prevention of postoperative nausea and vomit<strong>in</strong>g by<br />

metoclopramide comb<strong>in</strong>ed with dexamethasone: randomised<br />

double bl<strong>in</strong>d multicentre trial. Br.Med. J. 2006;<br />

333:324–327).<br />

Das primäre Studienziel war die Inzidenz von Nausea (N)<br />

und Erbrechen (E) <strong>in</strong>nert <strong>der</strong> ersten 24 Stunden ab OP-<br />

Ende. Sekundäre Endpunkte waren N+E separat, frühes<br />

(>12 h) o<strong>der</strong> spätes (< 12 h) Auftreten bzw. die Inzidenz<br />

multipler Episoden und die Notwendigkeit für zusätzliche<br />

Antiemetika. Alle Pat. erhielten 8 mg Dexamethasone als<br />

Grund PONV-Prophylaxe und je nach Randomisation entwe<strong>der</strong><br />

zusätzlich 10–50 mg Metoclopramide<br />

(Primperan ® ). Beide Wirkstoffe wurden i.v. 30–60 M<strong>in</strong>uten<br />

vor dem vermuteten OP-Ende o<strong>der</strong> bei OP-Dauer von<br />

< 1 Stunde unmittelbar nach Anästhesie-Beg<strong>in</strong>n gegeben.


Für Sie kommentiert<br />

Tab. 1. Dosis von Metoclopramide und PONV outcome. Werte s<strong>in</strong>d Anzahl (%)<br />

Resultate<br />

Die Zugabe von Metoclopramide senkte statistisch hochsignifikant<br />

die Häufigkeit von postoperativer Nausea und<br />

Erbrechen (Tab. 1).<br />

Die höheren Metoclopramide-Dosen (25 + 50 mg) s<strong>in</strong>d<br />

wirksamer, 25 mg waren jedoch ebenso wirksam wie<br />

Dosis von Metoclopramide (mg)<br />

0 (n=788) 10 (2=783) 25 (n=781) 50 (n=788) P value<br />

Alle Arten von postoperativer Nausea und Erbrechen 182 (23.1) 161 (20.6) 134 (17.2) 114 (14.5) < 0.001<br />

Nausea (unabhängig von Erbrechen) 147 (18.7) 129 (16.5) 110 (14.1) 84 (10.7) < 0.001<br />

Erbrechen (unabhängig von Nausea) 134 (17.0) 106 (13.5) 94 (12.0) 80 (10.2) 0.001<br />

Frühes Auftreten (0–12 Stunden nach OP) 138 (17.5) 116 (14.8) 84 (10.8) 85 (10.8) < 0.001<br />

Spätes Auftreten (> 12–24 Stunden nach OP) 67 (8.5) 57 (7.3) 62 (7.9) 38 (4.8) 0.025<br />

Multiple PONV-Episoden 77 (9.8) 54 (6.9) 46 (5.9) 46 (5.8) 0.007<br />

Rescue-Medikamente wegen PONV 99 (12.6) 79 (10.1) 67 (8.6) 57 (7.2) 0.003<br />

Tab. 2. Vere<strong>in</strong>fachter PONV-Risiko-Score<br />

Risikofaktoren Summe <strong>der</strong> PONV-<br />

Risikofaktoren Häufigkeit, %<br />

Weibliches Geschlecht 0 10<br />

PONV-Anamnese 1 20<br />

Nichtraucherstatus 2 40<br />

Opioide perioperativ 3 60<br />

postoperativ 4 80<br />

Kernaussagen<br />

E<strong>in</strong>e generelle PONV-Prophylaxe mit 8 mg<br />

Dexamethasone und 25–50 mg Metoclopramide<br />

(Primperan ® ) senkt die Inzidenz des PONVs auf 15%<br />

Dexamethasone und Metoclopramide sollten ca.<br />

30–60 m<strong>in</strong> vor OP-Ende i.v. appliziert werden.<br />

12<br />

15/3/2006<br />

50 mg zur Vermeidung des frühen PONV, aber nur 50 mg<br />

konnte die Inzidenz des späten PONV signifikant senken.<br />

Hauptnebenwirkungen waren e<strong>in</strong>e dosisabhängige <strong>in</strong>traoperative<br />

Hypotonie und Tachykardie (9 % ohne Metoclopramide<br />

vs. 18 % mit 50 mg).<br />

Weitere Metoclopramide-Nebenwirkungen wie Dysk<strong>in</strong>esie<br />

o<strong>der</strong> extrapyramidale Symptome traten nur marg<strong>in</strong>al<br />

signifikant häufiger auf.<br />

Kommentar<br />

Postoperative Nausea und Vomit<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d nach wie vor e<strong>in</strong><br />

allgegenwärtiges Problem. Obwohl schon seit längerer<br />

Zeit versucht wird, durch e<strong>in</strong>e prophylaktische Gabe von<br />

Antiemetika dieses zu entschärfen.<br />

Bis heute hielt man e<strong>in</strong>e generelle medikamentöse Prophylaxe<br />

für nicht gerechtfertigt. E<strong>in</strong>e medikamentöse<br />

PONV Prophylaxe wurde nur bei e<strong>in</strong>em erhöhten Risiko<br />

(PONV Risiko ab 20–40 %) empfohlen (Tab. 2).<br />

Mit dieser Strategie ist es lei<strong>der</strong> nicht gelungen, das<br />

PONV zu elim<strong>in</strong>ieren. Deshalb ist <strong>der</strong> Ansatz <strong>der</strong> vorliegenden<br />

Studie, nämlich e<strong>in</strong>er generellen medikamentösen<br />

PONV-Prophylaxe <strong>in</strong>teressant. E<strong>in</strong>e Voraussetzung für<br />

e<strong>in</strong>e generelle Gabe ist, dass die verwendeten Medikamente<br />

nicht zu teuer und relativ nebenwirkungsarm s<strong>in</strong>d.<br />

Wichtig ist wegen <strong>der</strong> relativ kurzen Halbwertsdauer des<br />

Metoclopramides, dass die Medikamente erst 30–60


Für Sie kommentiert<br />

Tab. 1.<br />

Brusterhaltende Operation mit axillärer Revision (7’311 )<br />

isolierte tumorspezifische<br />

Lokalrezidive Mortalität 15 Jahre<br />

5 Jahre <strong>in</strong> % <strong>in</strong> %<br />

N- (6’097 ) ohne RT 22.9 31.2<br />

mit RT 6.7 26.1<br />

N+ (1’214 ) ohne RT 41.1 55.0<br />

RT überwiegend nur Brust<br />

mit RT 11.0 47.9<br />

M<strong>in</strong>uten vor OP-Ende, bei kürzeren Operationen zu<br />

Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Anästhesie-E<strong>in</strong>leitung gegeben werden.<br />

Nur mit <strong>der</strong> relativ hohen Dosis von 50 mg liess sich auch<br />

die Inzidenz <strong>der</strong> Spätepisoden (> 12 h ) reduzieren. Da<br />

hierbei die Schmerzbekämpfung mit Opioiden e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Rolle spielt, sollte generell versucht werden, den<br />

Opioid-E<strong>in</strong>satz zu reduzieren, z.B. durch die Verwendung<br />

hochdosierte Nichtopioide.<br />

In unserem Hause verwenden wir bei Hochrisikopatient<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Dexamethason und<br />

5-HT3-Antagonisten (Zofran ® ). Diese Komb<strong>in</strong>ation ist bei<br />

diesen Pat. sehr effizient und kostet mit Sfr 4.39 pro Pat.<br />

erst noch weniger als Dexamethason plus Metoclopramide<br />

(Sfr 6.30).<br />

Die Ergebnisse dieser grossen Studie bewogen uns, nun<br />

e<strong>in</strong>e generelle PONV-Prophylaxe bei allen gynäkologischen<br />

Patient<strong>in</strong>nen (exklusive kle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>griffe) zu<br />

evaluieren.<br />

Michael K. Hohl<br />

Postoperative Strahlentherapie beim Mammakarz<strong>in</strong>om:<br />

Bahnt sich e<strong>in</strong> Paradigmawechsel an?<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> lokalen Behandlung des Mammakarz<strong>in</strong>oms<br />

haben E<strong>in</strong>fluss auf das lokoregionäre Rezidiv,<br />

14<br />

Tab. 2.<br />

Mastektomie mit axillärer Revision (9’933 )<br />

15/3/2006<br />

isolierte tumorspezifische<br />

Lokalrezidive Mortalität 15 Jahre<br />

5 Jahre <strong>in</strong> % <strong>in</strong> %<br />

N- (1’428 ) ohne RT 6.3 31.3*<br />

mit RT 2.3 27.7*<br />

N+ (8’505 ) ohne RT 22.8 60.1<br />

mit RT 5.8 54.7<br />

RT überwiegend Brustwand und Lymphabfluss (Axilla, periklavikulär<br />

und Mammaria <strong>in</strong>terna)<br />

* p = nicht signifikant 2p = 0.18<br />

können sie aber auch das Langzeitüberleben bee<strong>in</strong>flussen?<br />

Dieser Frage g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Metaanalyse <strong>der</strong> Early Breast<br />

Cancer Trialists’ Collaborative Group<br />

(EBCTCG) nach, dabei wurden 78 randomisierte Studien<br />

mit <strong>in</strong>sgesamt 42’000 Frauen analysiert (Lancet 2005;<br />

366:2087–2106). Es zeigte sich, dass bei brusterhalten<strong>der</strong><br />

Operation die nodal negativen Patient<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>en absoluten<br />

Zugew<strong>in</strong>n von 16,2 % bezogen auf die lokale Kontrolle<br />

nach 5 Jahren hatten, und auch das tumorspezifische<br />

Überleben nach 15 Jahren sich absolut um 5,1 % durch<br />

die Radiotherapie erhöht hatte. Bei den nodal positiven<br />

Patient<strong>in</strong>nen betrug <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>n an lokaler Kontrolle<br />

30,1 %, was sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reduktion <strong>der</strong> tumorspezifischen<br />

Mortalität von 7,1 % wie<strong>der</strong>spiegelt (Tab.1).<br />

Interessant s<strong>in</strong>d auch die Ergebnisse nach Mastektomie.<br />

Der absolute Gew<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er postoperativen Radiotherapie<br />

(<strong>in</strong> diesen Studien vorwiegend Bestrahlung <strong>der</strong> Thoraxwand<br />

und aller regionärer Lymphabflusswege) betrug bei<br />

den nodal negativen Patient<strong>in</strong>nen lediglich 4,0 % nach<br />

5 Jahren. Die Verbesserung des tumorspezifischen Überlebens<br />

war statistisch nicht signifikant.<br />

H<strong>in</strong>gegen führte bei den nodal positiven Patient<strong>in</strong>nen die<br />

Verbesserung <strong>der</strong> lokalen Kontrolle (17 % absolut nach<br />

5 Jahren) zu e<strong>in</strong>er absoluten Verbesserung des Überlebens<br />

nach 15 Jahren von 5,4 %. (Tab. 2).


15/3/2006<br />

Wurden die Patient<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Gruppen mit unterschiedlicher<br />

Reduktion des Lokalrezidivrisikos unterteilt, zeigt<br />

sich, dass e<strong>in</strong>e zusätzliche Radiotherapie bei Patient<strong>in</strong>nen<br />

mit e<strong>in</strong>em Gew<strong>in</strong>n an lokaler Kontrolle von < 10 %<br />

ke<strong>in</strong>en zusätzlichen Überlebensgew<strong>in</strong>n br<strong>in</strong>gt. Bei höherer<br />

Reduktion des Risikos (10–20 % resp. > 20%) war <strong>der</strong><br />

absolute Gew<strong>in</strong>n des tumorspezifischen Überlebens nach<br />

15 Jahren statistisch signifikant.<br />

3 /4 <strong>der</strong> Lokalrezidive treten <strong>in</strong> den ersten 5 Jahren auf,<br />

h<strong>in</strong>gegen sterben lediglich knapp mehr als die Hälfte <strong>der</strong><br />

Patient<strong>in</strong>nen (verglichen mit dem 15-Jahresüberleben) <strong>in</strong><br />

den ersten 5 Jahren.<br />

Toxizität <strong>der</strong> Radiotherapie: Der Unterschied im tumorspezifischen<br />

Überleben zum Gesamtüberleben <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

bei Patient<strong>in</strong>nen, die <strong>in</strong> Therapieprotokollen zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />

Untersuchungsperiode e<strong>in</strong>geschleust wurden, zeigt, dass<br />

die Radiotherapie die nicht Tumor assoziierte Spätmortalität<br />

erhöhen kann, bed<strong>in</strong>gt durch kardiale und pulmonale<br />

Nebenwirkungen. In den neueren Studien h<strong>in</strong>gegen (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

bei brusterhaltendem Konzept) zeigt sich aber<br />

auch e<strong>in</strong>e Verbesserung des Gesamtüberlebens. Dies<br />

spricht für e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Radiotherapietechniken.<br />

15<br />

Für Sie kommentiert<br />

Kommentar von Dr. Peter Thum, Chefarzt Radio-<br />

Onkologie, Kantonsspital Luzern<br />

Diese Studie bestätigt Ergebnisse aus den 90er Jahren,<br />

dass nämlich e<strong>in</strong>e Reduktion des Lokalrezidivrisikos zu<br />

e<strong>in</strong>er Verbesserung des Spätüberlebens führt (N Engl J<br />

Med 1997;337:949–955; N Engl J Med 1997;337:<br />

956–962; Lancet 1999;353:161–1648)<br />

Diese Aussage gilt auch, wenn zusätzlich Systembehandlungen<br />

(Chemotherapie, Hormontherapie) durchgeführt<br />

werden, <strong>der</strong> Effekt ist additiv. Lediglich Patient<strong>in</strong>nen nach<br />

Mastektomie mit negativem axillärem Lymphknotenstatus<br />

profitieren nicht von e<strong>in</strong>er postoperativen adjuvanten<br />

Bestrahlung bezüglich Überleben bei e<strong>in</strong>em Lokalrezidivrisiko<br />

von deutlich unter 10 % nach 5 Jahren.<br />

Die Erkenntnisse dieser Studien dürften die bisherige<br />

Praxis, dass e<strong>in</strong>e postoperative Radiotherapie nach<br />

Ablatio nur dann klar gegeben ist, wenn mehr als drei<br />

Lymphknoten befallen s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>s Wanken geraten lassen.<br />

Zwar weisen die S-3 Richtl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft<br />

für Gynäkologie und Geburtshilfe bereits <strong>in</strong> ihrer<br />

<strong>der</strong>zeitigen Fassung auf e<strong>in</strong>e „kann“ Möglichkeit für e<strong>in</strong>e<br />

Bestrahlung dann h<strong>in</strong>, wenn zu e<strong>in</strong>em bis drei befallenen<br />

Lymphknoten noch weitere ungünstige Faktoren dazu<br />

kommen, es steht aber zu erwarten, dass diese „kann“<br />

Regelung e<strong>in</strong>e Verstärkung f<strong>in</strong>det. Bereits jetzt tun man<br />

gut daran, die Notwendigkeit zur postoperativen Radiatio<br />

nach Ablatio im E<strong>in</strong>zelfall zu überprüfen und nicht e<strong>in</strong>e<br />

schematische Vorgehensweise zu verfolgen.<br />


Wussten Sie schon …<br />

Wussten Sie schon …<br />

…, dass man durch die antenatale<br />

Gabe von Cortison (Betamethason<br />

2 × 12 mg) die Lungenreife auch<br />

noch zwischen <strong>der</strong> 37. und 39. SSW<br />

verbessern kann?<br />

In e<strong>in</strong>er randomisierten Multicenterstudie<br />

(ASTECS) konnte<br />

gezeigt werden, dass Neugeborene,<br />

die <strong>in</strong> dem genannten Zeitraum<br />

durch primäre elektive Sektio<br />

geboren wurden, deutlich von <strong>der</strong><br />

antenatalen Cortison-Gabe profitierten.<br />

Auffallend war vor allem <strong>der</strong><br />

Rückgang bei <strong>der</strong> temporären<br />

Tachypnoe. Zwar ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

e<strong>in</strong>er Atem<strong>in</strong>suffizienz zwischen<br />

<strong>der</strong> 37. und 39. SSW ger<strong>in</strong>g<br />

(4 % Tachypnoen, RDS-Syndrom<br />

1,1 %), aber man kann sie deutlich<br />

reduzieren (2,1 % beziehungsweise<br />

0,2 %). Auch wenn die meisten<br />

Kl<strong>in</strong>iken die geplante Sectio nicht<br />

vor <strong>der</strong> 39. Woche durchführen, gibt<br />

es doch E<strong>in</strong>zelfälle, wo dies angezeigt<br />

ist, <strong>in</strong> diesen Fällen sollte man<br />

e<strong>in</strong>e RDS-Prophylaxe durchführen<br />

(Br. Med. J. 2005; 331:662–4).<br />

h.p.s.<br />

…, dass man e<strong>in</strong>en Priapismus<br />

<strong>der</strong> Klitoris nach Injektion von<br />

Ep<strong>in</strong>ephr<strong>in</strong> und Hepar<strong>in</strong> durch<br />

lokale Aspiration erfolgreich<br />

behandeln kann?<br />

P.W.G.Z. Arntzen und C.N. de Boer<br />

berichten über e<strong>in</strong>en solchen Fall<br />

(BJOG 2006; 113:742–743). Da es<br />

sich um e<strong>in</strong>e ausgesprochene Rarität<br />

handelt werden die meisten Gynäkologen<br />

während ihres Berufslebens<br />

e<strong>in</strong>en ähnlichen Fall wohl nicht beobachten<br />

Wir wollten dennoch nicht<br />

versäumen, Sie darüber zu <strong>in</strong>formieren.<br />

Die bildliche Darstellung ist<br />

jedenfalls e<strong>in</strong>drucksvoll.<br />

h.p.s.<br />

Abb. 1. Quelle: BJOG<br />

16<br />

15/3/2006<br />

…, dass sich die E<strong>in</strong>stellung zur<br />

„Wahlsectio“ <strong>in</strong> den europäischen<br />

Län<strong>der</strong>n deutlich unterscheidet?<br />

Habiba und Mitarbeiter führten e<strong>in</strong>e<br />

Umfrage an Zentren <strong>in</strong> Luxemburg,<br />

Holland, Schweden, Frankreich,<br />

Deutschland, Italien, Spanien und<br />

England durch (BJOG 2006; 113:<br />

647–656). Interessanterweise<br />

fanden die Autoren ke<strong>in</strong>e konkrete<br />

mediz<strong>in</strong>ische Begründung für diese<br />

unterschiedlichen E<strong>in</strong>stellungen.<br />

Übere<strong>in</strong>stimmend fand sich e<strong>in</strong>e<br />

große Zustimmung zur prophylaktischen<br />

Sectio nach vorausgegangener<br />

traumatischer vag<strong>in</strong>aler Entb<strong>in</strong>dung.<br />

Sehr unterschiedlich war die E<strong>in</strong>stellung,<br />

wenn das erste K<strong>in</strong>d beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

geboren wurde. In Deutschland würden<br />

96 % die Entscheidung zur primären<br />

Sectio befürworten, während<br />

diese Rate <strong>in</strong> Spanien und Frankreich<br />

nur knapp über 50 % liegt<br />

(54 % und 55 %). Weibliche Ärzte<br />

zeigen e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Akzeptanz<br />

<strong>der</strong> Wahlsectio als ihre männlichen<br />

Kollegen, statistisch signifikant<br />

allerd<strong>in</strong>gs nur, wenn sie selbst geboren<br />

hatten. Die höchste Akzeptanz<br />

<strong>der</strong> Patientenentscheidungen unabhängig<br />

von den Voraussetzungen<br />

f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> England und Deutschland.<br />

Daten aus <strong>der</strong> Schweiz wurden<br />

lei<strong>der</strong> nicht erhoben.<br />

h.p.s.


Wussten Sie schon …<br />

…, dass Bisphosphonat-Therapie<br />

zu e<strong>in</strong>er Osteonekrose des Kiefers<br />

führen kann?<br />

Kürzlich wurde über 23 Patienten<br />

berichtet, welche unter Bisphosphonat-Therapie<br />

e<strong>in</strong>e Osteonekrose im<br />

Maxilla- o<strong>der</strong> Mandibula-Bereich<br />

entwickelt hatten. Bei 18 von diesen<br />

Patienten war die Bisphosphonat-<br />

Therapie <strong>in</strong>travenös durchgeführt<br />

worden. Obwohl die überwiegende<br />

Zahl <strong>der</strong> Patienten Bisphosphonat<br />

wegen metastatischer Prozesse<br />

erhielten, bestand bei immerh<strong>in</strong> 4<br />

Patient<strong>in</strong>nen die alle<strong>in</strong>ige Indikation<br />

e<strong>in</strong>er Osteoporose. We<strong>der</strong> Antibiotika<br />

noch Débridement noch hyperbarer<br />

Sauerstoff konnte den nekrotisierenden<br />

Prozess rückgängig<br />

machen (Laryngoscope 2006; 116:<br />

115–120).<br />

Kommentar<br />

Dieser Bericht hat mich deshalb<br />

nicht überrascht, weil kürzlich e<strong>in</strong>e<br />

von me<strong>in</strong>en Patient<strong>in</strong>nen über e<strong>in</strong>e<br />

solche Komplikation bei ihr berichtet<br />

hat. Vorausgegangen war e<strong>in</strong>e<br />

Zahnimplantation. Wie man heute<br />

anhand von <strong>in</strong>sgesamt 150 solchen<br />

Fällen weltweit weiss, sche<strong>in</strong>t das<br />

typisch zu se<strong>in</strong>. Möglicherweise läuft<br />

<strong>der</strong> Mechanismus über e<strong>in</strong>e Kompromittierung<br />

des Knochenheilungsmechanismus,<br />

welcher dann bis zu<br />

sequestrieren<strong>der</strong> Osteomyelitis und<br />

Nekrose geht.<br />

Da die Bisphosphonat-Gesamtdosis<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Rolle spielt, sollte man die Behandlung<br />

e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen Osteoporose<br />

sicher nicht länger als 3-5 Jahre<br />

ausdehnen. Darüber h<strong>in</strong>aus ist es<br />

auch s<strong>in</strong>nvoll, dem Zahnstatus<br />

(Cave: Zahnimplantate!) vor Beg<strong>in</strong>n<br />

e<strong>in</strong>er solchen Behandlung Aufmerksamkeit<br />

zu schenken.<br />

Interessanter Nebenaspekt: Obwohl<br />

dieses Problem bei den Kieferchirurgen<br />

seit längerem bekannt ist, dauert<br />

<strong>der</strong> Transfer h<strong>in</strong> zu den „Therapieverursachern“<br />

erstaunlich lang.<br />

Grenzübergreifende Kommunikation<br />

ist offensichtlich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong><br />

lei<strong>der</strong> nicht befriedigend gelöst.<br />

b.s.<br />

…, dass e<strong>in</strong> fetaler „Zappelphilipp“<br />

möglicherweise die<br />

Ursache für das Ausbleiben e<strong>in</strong>er<br />

fetalen Makrosomie im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>es Gestationsdiabetes se<strong>in</strong><br />

könnte?<br />

E<strong>in</strong> schlecht e<strong>in</strong>gestellter Gestationsdiabetes<br />

ist üblicherweise bei<br />

mehr als <strong>der</strong> Hälfte aller Neugeborenen<br />

begleitet von e<strong>in</strong>er fetalen<br />

Makrosomie. E<strong>in</strong>e gute E<strong>in</strong>stellung<br />

des mütterlichen Blutzuckers senkt<br />

diese Rate drastisch, br<strong>in</strong>gt das Problem<br />

aber nicht komplett zum Verschw<strong>in</strong>den.<br />

E<strong>in</strong>e israelische Gruppe<br />

hat nun die Hypothese untersucht,<br />

ob e<strong>in</strong>e Makrosomie möglicherweise<br />

auch von <strong>der</strong> endogenen Bewegungsaktivität<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Feten<br />

abhängt. Diese wurde anhand k<strong>in</strong>dlicherBewegungsmuster-Aufzeich-<br />

18<br />

15/3/2006<br />

nungen zweimal pro Tag über 30<br />

M<strong>in</strong>uten bzw. telemetrischer CTG-<br />

Aufzeichnungen festgehalten. Als<br />

fetaler „Zappelphilipp“ galten solche<br />

Feten, welche vier o<strong>der</strong> mehr Herzfrequenzakzelerationen<br />

über e<strong>in</strong>e 20<br />

M<strong>in</strong>uten Monitor<strong>in</strong>gperiode aufwiesen.<br />

Fazit: Bezogen auf die<br />

Geburtsgewichtsperzentilen lagen<br />

die „Zappelphilippe“ mit durchschnittlich<br />

37% unter dem Mittelwert,<br />

die ruhigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit 62%<br />

darüber. Makrosome K<strong>in</strong><strong>der</strong> waren<br />

immer auch die weniger aktiven.<br />

(Diabetes Care 2006; 29:63–67)<br />

Kommentar<br />

Nett zu lesen, aber noch weit von<br />

e<strong>in</strong>er bewiesenen Hypothese entfernt.<br />

Dazu ist diese Studie nämlich<br />

methodisch noch zu unreif. Da aber<br />

das Konzept von „Zappelphilippigkeit“<br />

und Kalorienverbrauch bzw.<br />

Körpergewicht beim Erwachsenen<br />

mittlerweile gut belegt ist (Science<br />

2005; 307:384) lohnt es sich sicher,<br />

diesem Phänomen weiter nachzugehen.<br />

b.s.<br />

…, dass die sogenannte Atk<strong>in</strong>s-<br />

Diät zu e<strong>in</strong>er lebensbedrohlichen<br />

Azidose führen kann?<br />

Kürzlich wurde über e<strong>in</strong>e 40-jährige<br />

Frau berichtet, welche im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>er Atk<strong>in</strong>s-Diät (wenig Kohlehydrate,<br />

viel Prote<strong>in</strong> und Fett) e<strong>in</strong>en<br />

Monat nach Start dieser Therapie<br />

9 kg Gewicht verloren hatte, aber


15/3/2006<br />

mit den Anzeichen e<strong>in</strong>er schwersten<br />

Ketonurie und metabolischen Azidose<br />

notfallmässig behandelt werden<br />

musste. E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Ursache für<br />

diesen Zustand als die Atk<strong>in</strong>s-Diät<br />

konnte nicht gefunden werden<br />

(Lancet 2006; 367:958).<br />

Kommentar<br />

Nicht alles was schnell geht, ist auch<br />

immer gut. Ernährungsexperten<br />

halten e<strong>in</strong>e traditionelle Gewichtsabnahme<br />

über konsequente Restriktion<br />

des zugeführten Fettes nach wie vor<br />

für überlegen, e<strong>in</strong>erseits weil sie auf<br />

die Dauer nicht schlechter abschneiden<br />

als die Atk<strong>in</strong>s-Diät, an<strong>der</strong>erseits<br />

aber auch deshalb, weil während <strong>der</strong><br />

Diät nicht auf Vollkorn, Früchte und<br />

Gemüse, welche e<strong>in</strong>e kardiovaskuläre<br />

Prophylaxe bedeuten, verzichtet<br />

werden muss und zudem <strong>der</strong> Langzeiteffekt<br />

<strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Atk<strong>in</strong>s-Diät<br />

immer drohenden Säure-Basenverän<strong>der</strong>ung<br />

nicht bekannt, aber sicher<br />

nicht gut se<strong>in</strong> dürfte. b.s.<br />

…, dass <strong>der</strong> eigene Geburtstag mit<br />

e<strong>in</strong>em erhöhten Risiko für akute<br />

vaskuläre Ereignisse (Schlaganfälle,<br />

TIA und akute Myokard<strong>in</strong>farkte)<br />

verbunden ist?<br />

Während zwei Jahren wurden alle<br />

Notfalle<strong>in</strong>tritte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>z Ontaria<br />

(Kanada) analysiert. Die Zahl <strong>der</strong> Ereignisse<br />

wurde mit dem Geburtsdatum<br />

und <strong>der</strong> Woche des Geburtstages<br />

<strong>der</strong> Pat. korreliert. Als „Kontrollgrup-<br />

pe“ nahm man die Diagnosen Asthma,<br />

Appendicitis und Schädeltrauma.<br />

Die Gefässkomplikation am Geburtstag<br />

waren signifikant höher als erwartet<br />

( 241 versus 191, Odds Ratio<br />

(OR = 1,27), nicht aber bei den Kontrollen.<br />

Die Assoziation galt vor<br />

allem für Pat. mit Hypertension (multivariate<br />

Analyse) (OR = 1,88). Ke<strong>in</strong>en<br />

zusätzlichen Anstieg verursachten<br />

sog. runde Geburtstage.<br />

Kommentar<br />

Es ist bekannt, dass stresshafte äussere<br />

Ereignisse akute vaskuläre Ereignisse<br />

provozieren können. Naturkatastrophen<br />

wie Erdbeben und terroristische<br />

Anschläge haben das<br />

höchste Risiko. Nun wissen wir, dass<br />

auch <strong>der</strong> Geburtstag e<strong>in</strong> akuter<br />

psycho-sozialer Stressor se<strong>in</strong> kann.<br />

Da Geburtstage nicht vermeidbar<br />

s<strong>in</strong>d, empfehlen die Autoren bei gefährdeten<br />

Patienten folgende Strategie:<br />

Vermeidung von Risikofaktoren<br />

wie Kältexposition, physische Anstrengung<br />

und Alkoholkonsum, da<br />

Alkohol die autonome Dysfunktion<br />

verstärkt, die Herzkontraktilität reduziert<br />

und Arrhythmien för<strong>der</strong>t<br />

(„holiday heart syndrom“). Zu wissen,<br />

dass <strong>der</strong> Geburtstag e<strong>in</strong> erhöhtes<br />

Risiko bedeutet, könnte auch helfen<br />

und evtl. dazu führen, extra Betablocker<br />

e<strong>in</strong>zunehmen.<br />

Das alles soll aber nicht davon<br />

abhalten, Geburtstage (vor allem<br />

runde) gebührend zu feiern!<br />

m.k.h.<br />

19<br />

Wussten Sie schon …<br />

..., dass Grün- und Schwarztee<br />

möglicherweise vor Prostatakarz<strong>in</strong>omen<br />

schützen?<br />

20 Männer mit Prostata-Karz<strong>in</strong>om<br />

wurden vor <strong>der</strong> radikalen Prostatektomie<br />

randomisiert. Sie hatten während<br />

5 Tagen vor <strong>der</strong> Operation pro<br />

Tag 1,42 Liter Grün-, o<strong>der</strong> Schwarztee<br />

o<strong>der</strong> Koffe<strong>in</strong> angepasstes Sodapop<br />

zu tr<strong>in</strong>ken. Man fand <strong>in</strong> den<br />

zwei Teegruppen signifikant höhere<br />

Teepolyphenole im entfernten Prostatagewebe<br />

im Vergleich zu den<br />

Kontrollen. Die im Tee enthaltenen<br />

Polyphenole und Theaflav<strong>in</strong>e haben<br />

e<strong>in</strong>e starke Antitumorwirkung. Beispielsweise<br />

ist die Zellproliferation<br />

von Prostatakrebszellen ger<strong>in</strong>ger <strong>in</strong><br />

Medien, die Serum von Patienten<br />

enthalten, welche zuvor Schwarzo<strong>der</strong><br />

Grüntee getrunken hatten.<br />

(Henn<strong>in</strong>g, M.S. et al. J.Nutrition<br />

2006; 136:1839–43).<br />

Kommentar<br />

Der Beweis, dass das Teetr<strong>in</strong>ken e<strong>in</strong>e<br />

prophylaktische Wirkung hat, ist dadurch<br />

natürlich nicht erbracht. Da<br />

Teetr<strong>in</strong>ken etwas durchaus Angenehmes<br />

ist, wird man jeden Nebeneffekt<br />

gerne annehmen. m.k.h.<br />


Im Bild<br />

Nachtrag zur Fussball-WM<br />

20<br />

15/3/2006


15/3/2006<br />

www.neonet.ch<br />

www.neonet.ch<br />

Unter dieser Adresse f<strong>in</strong>det sich die Homepage <strong>der</strong><br />

schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie. Die Startseite<br />

ersche<strong>in</strong>t auf Englisch. Über das Navigationsmenü<br />

erreichen Sie u.a. die Leitl<strong>in</strong>ien, welche <strong>in</strong> Deutsch, Französisch<br />

und Italienisch als PDF-Datei zugänglich s<strong>in</strong>d.<br />

Als beson<strong>der</strong>s gelungen muss man die Sammlung von<br />

speziell <strong>in</strong>teressanten Fällen bezeichnen, die mit guten<br />

Illustrationen und Abbildungen anschaulich h<strong>in</strong>terlegt<br />

s<strong>in</strong>d. Hier f<strong>in</strong>den Sie auch für den Geburtshelfer <strong>in</strong>teressante<br />

Darstellungen, zum Beispiel e<strong>in</strong> Zwill<strong>in</strong>gs-Transfusions-Syndrom<br />

o<strong>der</strong> die B-Streptokokken-Men<strong>in</strong>gitis.<br />

Diese Case Reports eignen sich ausgezeichnet nicht nur<br />

für die Fortbildung son<strong>der</strong>n auch für <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre<br />

Fallkonferenzen. Der Webmaster (thomas.berger@ksl.ch)<br />

würde sich freuen, auch relevante geburtsmediz<strong>in</strong>ische<br />

Fälle publizieren zu können. Geburtshelfer sollten diese<br />

Initiative <strong>der</strong> Schweizer Gesellschaft für Neonatologie<br />

unbed<strong>in</strong>gt unterstützen, <strong>in</strong>dem sie diese Möglichkeit<br />

nutzen (siehe auch „Im Dialog“ <strong>in</strong> diesem Heft).<br />

21<br />

ww.bornrich.org<br />

www.bornrich.org<br />

Internet-News<br />

Der Rapper 50 cent lebt nach dem Motto: „Get rich or<br />

die try<strong>in</strong>g“. Für die Wenigen, die schon reich geboren<br />

wurden (o<strong>der</strong> es geworden s<strong>in</strong>d), f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> diesem<br />

Portal <strong>der</strong> ultimative Führer zur Welt des luxuriösen<br />

Konsums. Neben konkreten E<strong>in</strong>kaufsempfehlungen begleitet<br />

Sie Kather<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wöchentlichen Comic-Strip<br />

durch die Welt <strong>der</strong> Menschen, die alles haben und noch<br />

mehr brauchen. Vom luxuriösen K<strong>in</strong><strong>der</strong>wagen für nur<br />

2.000 $ bis h<strong>in</strong> zum Klimt-Gemälde für 135.000.000<br />

f<strong>in</strong>den Sie alles was schön, aber nicht wirklich nützlich<br />

ist. Lebenskunst ist nicht zuletzt die Fähigkeit auf etwas<br />

Notwendiges zu verzichten, um sich etwas Überflüssiges<br />

leisten zu können. Wenn man es nicht so ernst nimmt,<br />

kann das Surfen durch diese Website zum<strong>in</strong>dest ausreichend<br />

Material für den nächsten Smalltalk auf <strong>der</strong> Promi-<br />

Party bieten. Im Rahmen <strong>der</strong> Fußballweltmeisterschaft<br />

fand ich e<strong>in</strong> Produkt beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressant: E<strong>in</strong> aufblasbares<br />

Fußballfeld mit Toren für den Garten. Immerh<strong>in</strong> ist<br />

dies für „lächerliche“ 299 £ zu erhalten.


Internet-News<br />

www.l<strong>in</strong>dewerdel<strong>in</strong>.com<br />

www.l<strong>in</strong>dewerdel<strong>in</strong>.com<br />

Der Besuch dieser Seite ist e<strong>in</strong> optisches und akustisches<br />

Vergnügen. Eigentlich geht es um etwas ganz banales:<br />

E<strong>in</strong>e Uhr. Aber was für e<strong>in</strong>e Uhr – e<strong>in</strong> Biformeter. Eigentlich<br />

gab es bislang nur zwei unterschiedliche Uhren: Die<br />

e<strong>in</strong>en zeigten die Zeit und dienten je nach Ausstattung<br />

zum Schmücken des Trägers. Die an<strong>der</strong>en – mo<strong>der</strong>ne<br />

Digitaluhren – überzeugen durch funktionellen Zusatznutzen<br />

(Puls, Temperatur, Höhe etc.), s<strong>in</strong>d aber meist<br />

hässlich und werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur von jungen Leuten<br />

getragen (Ausnahme die Golfuhr von Suunto). Dieses<br />

neue Produkt von Morton L<strong>in</strong>de und Jorn Werdel<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>t<br />

nun Ästhetik und Sportlichkeit durch e<strong>in</strong>en auf die<br />

Uhr aufsetzbaren Computer, <strong>der</strong> nur 40 g wiegt. Dieser<br />

Multifunktionscomputer mit großem Display kann e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Daten anzeigen, darunter auch die für Sportler<br />

wichtige Herzfrequenz. H<strong>in</strong>zu kommen Funktionen wie<br />

Thermometer, Chronometer, Kompass, Höhenmesser und<br />

Barometer. Wenn Sie Uhrenliebhaber s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> demnächst<br />

die Anschaffung e<strong>in</strong>es neuen Zeitmessgerätes<br />

planen, welches nicht nur optisch bee<strong>in</strong>druckend son<strong>der</strong>n<br />

auch funktionell leistungsfähig se<strong>in</strong> soll, dann schauen<br />

Sie sich dieses neue Produkt doch e<strong>in</strong>mal an.<br />

■<br />

22<br />

15/3/2006


15/3/2006<br />

The best of…<br />

Ich liebe beson<strong>der</strong>s Zitate zum Thema „Experten“. Nach me<strong>in</strong>er Ansicht haben wir <strong>der</strong>zeit<br />

e<strong>in</strong>e „Expertenkrise“. E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d wir Experten gegenüber sehr skeptisch geworden,<br />

an<strong>der</strong>erseits sollten wir mehr auf Expertenrat hören. Nur wie f<strong>in</strong>det man heraus wer wirklich<br />

Experte ist und wer dies für sich nur beansprucht?<br />

The greatest enemy of knowledge is not ignorance, it is the illusion of knowledge.<br />

Stephen Hawk<strong>in</strong>g<br />

There are as many op<strong>in</strong>ons as there are experts<br />

Frankl<strong>in</strong> D. Roosevelt<br />

Where facts are few, experts are many.<br />

Donald R. Gannon<br />

An expert is somebody, who is more than 50 miles away from home, has no<br />

responsability for implement<strong>in</strong>g the advice he gives, and shows slides.<br />

Edw<strong>in</strong> Meese III<br />

Always listen to experts. They will tell you what can´t be done and why. Then do it.<br />

Robert He<strong>in</strong>le<strong>in</strong><br />

An expert is a man who stopped th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g – he knows!<br />

Frank Lloyd Wright<br />

Lei<strong>der</strong> führt die Entwicklung auch dazu, dass die Akzeptanz von ausgewiesenen Experten bei<br />

Politikern nicht mehr groß ist:<br />

„Ich erwarte, dass die Professoren wie Herr Rürup uns nicht länger mit ihrer Ejaculatio<br />

praecox beglücken. Ich habe die Schnauze voll davon, dass wir bei unseren Mitglie<strong>der</strong>n und<br />

Wählern täglich den Kopf h<strong>in</strong>halten müssen für dieses Professoren-Geschwätz.“<br />

(Ludwig Stiegler, stellv. Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> SPD Bundestagsfraktion gegenüber dem „Tagesspiegel“<br />

im Nov. 2002)<br />

23<br />

Zitate<br />

Prof. Peter Scheidel<br />

Frauenkl<strong>in</strong>ik<br />

Marienkrankenhaus<br />

D-22087 Hamburg<br />


15/3/2006<br />

E<strong>in</strong>e 39 jährige Patient<strong>in</strong> stellt sich Ende Januar 2006<br />

mit e<strong>in</strong>em im Oktober vergangenen Jahres selbst<br />

palpierten Mammatumor im unteren <strong>in</strong>neren Quadranten<br />

<strong>der</strong> rechten Brust vor. Anfang Januar<br />

Mammografie und Stanzbiopsie e.m. In <strong>der</strong> Vorgeschichte<br />

2 Geburten, ke<strong>in</strong> familiäres Risiko.<br />

Kl<strong>in</strong>isch: Palpationbefund im rechten unteren <strong>in</strong>neren<br />

Quadranten von ca. 1,5 cm bei 4 Uhr / 6cm Mamillenabstand,<br />

parasternal. Histologisch auswärts bereits als<br />

<strong>in</strong>vasiv ductales Mamma-Ca, G2 gesichert.<br />

Die Zweitbefundung durch unsere Radiologie ergibt e<strong>in</strong>e<br />

mammographisch (ACR IV) und sonografisch stark e<strong>in</strong>geschränkter<br />

Beurteilbarkeit <strong>der</strong> Brust bei Vorliegen e<strong>in</strong>er<br />

fibrocystischen Mastopathie (Abb. 1–3).<br />

Der beson<strong>der</strong>e Fall<br />

Der verme<strong>in</strong>tlich e<strong>in</strong>fache Fall aus <strong>der</strong> Tumorkonferenz<br />

des Marienkrankenhauses<br />

Abb. 1: Mammographie mit deutlich e<strong>in</strong>geschränkter Beurteilbarkeit<br />

bei dichtem Drüsenkörper<br />

Deshalb Entschluß zur präoperativen MR-Mammografie<br />

Zum sicheren Ausschluß e<strong>in</strong>er Multifokalität / Multizentrizität<br />

<strong>der</strong> betroffenen Seite und e<strong>in</strong>es Malignoms <strong>der</strong><br />

Gegenseite (Abb. 4).<br />

In <strong>der</strong> MR-Mammografie zeigt sich:<br />

1. Rechts unten <strong>in</strong>nen zusätzlich suspekter Herdbefund<br />

caudal und lateral des gesicherten Karc<strong>in</strong>oms<br />

25<br />

Abb. 2: Tumor auf den Zielaufnahmen darstellbar<br />

2. Rechts oben <strong>in</strong>nen periareolär bei 1 Uhr<br />

seitendifferentes enhancendes Parenchym.<br />

3. L<strong>in</strong>ks ke<strong>in</strong> Anhalt für Mammakarc<strong>in</strong>om<br />

Dr. Ulla Glasshoff<br />

Dr. Monika Hornburg<br />

Prof. Dr. P. Scheidel<br />

Frauenkl<strong>in</strong>ik und Radiologie<br />

Marienkrankenhaus<br />

D-22087 Hamburg<br />

Abb. 3: E<strong>in</strong>geschränkt beurteilbare Sonografie bei fibrozystischer<br />

Mastopathie


Der beson<strong>der</strong>e Fall<br />

26<br />

15/3/2006<br />

Abb. 4: In <strong>der</strong> MR Mammografie (Subtraktion) Nachweis e<strong>in</strong>es zweiten Herdes, <strong>der</strong> aufgrund <strong>der</strong> Signalzeitkurve als hochsuspekt e<strong>in</strong>gestuft<br />

werden muss


15/3/2006<br />

Abb. 5: Patient<strong>in</strong> präoperativ<br />

Karz<strong>in</strong>om,<br />

Zweittumor<br />

Kl<strong>in</strong>isches Vorgehen: Nach erneuter sonografischer<br />

Korrelation bei Kenntnis des MR Befundes, onkoplastische<br />

Segmentresektion rechts unten <strong>in</strong>nen (Abb. 5–7)<br />

und PE rechts oben periareolär .<br />

Histologie: Rechts unten <strong>in</strong>nen bifokales gut differenziertes<br />

<strong>in</strong>vasiv ductales Mammakarc<strong>in</strong>om 1,4 und 1,2 cm mit<br />

zum Tumorrand umschriebener Lymphangio<strong>in</strong>vasion,<br />

kle<strong>in</strong>ster tumorfreier Resektionsrand 6 mm, 13 tumorfreie<br />

Lymphknoten. Rechts oben <strong>in</strong>nen Fibrosis mammae.<br />

Tumorstadium: G1, pT1c (m), pL1, pN0 (0/13), M0,<br />

ER 3, PR10, HER-2-Neu: negativ<br />

Zusammenfassung<br />

Unsere Indikationen zur MR Mammographie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

Tabelle 1 dargestellt. Bei prämenopausalen Frauen und<br />

e<strong>in</strong>geschränkt beurteilbarer Brust ist die MR Mammographie<br />

<strong>in</strong>diziert. In diesen Fällen ist zum lokalen Stag<strong>in</strong>g<br />

auch bei gesichertem Mammakarz<strong>in</strong>om die MR Mammograpie<br />

e<strong>in</strong> zuverlässiges Verfahren, welches <strong>in</strong> allen Zweifelsfällen<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden sollte.<br />

27<br />

Der beson<strong>der</strong>e Fall<br />

Abb. 6 und 7: Zustand nach Segmentresektion und Rekonstruktion<br />

durch caudalen Parenchymlappen von lateral (8 Wochen postop.)<br />

1. 1. Lokales Stag<strong>in</strong>g bei bei histologisch nachgewiesenem Mammacarc<strong>in</strong>om*<br />

2. 2. Nachsorge nach BET BET o<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufbauplastik<br />

3. 3. Monitor<strong>in</strong>g bei bei neoadjuvanter Therapie<br />

4. 4. Tumorsuche bei bei unbekanntem Primarius (CUP)<br />

4. 4. Bei Bei genetischem Risiko im im Rahmen <strong>der</strong> <strong>der</strong> Früherkennung<br />

* Wenn mammografisch und sonographisch e<strong>in</strong>geschränkt beurteilbar<br />

Tab. 1: Indikation zur MR-Mammografie im Marienkrankenhaus<br />

Kommentar<br />

von Prof. Rahel Kubik-Huch, Institut für Radiologie,<br />

Kantonsspital Baden<br />

Die Autoren beschreiben e<strong>in</strong>en sehr gut dokumentierten<br />

Fall e<strong>in</strong>er Patient<strong>in</strong> mit Mammakarz<strong>in</strong>om, bei <strong>der</strong> die<br />

präoperative Diagnose <strong>der</strong> Multifokalität mittels MR-<br />

Mammographie die optimale operative Planung erlaubte.


Der beson<strong>der</strong>e Fall<br />

Die Magnetresonanztomographie <strong>der</strong> Brust hat sich bei<br />

Patienten mit gesicherten Karz<strong>in</strong>omen und e<strong>in</strong>geschränkter<br />

Beurteilbarkeit <strong>der</strong> Mammographie (dichtes Drüsengewebe,<br />

Mastopathie) zum präoperativen Nachweis bzw.<br />

Ausschluss e<strong>in</strong>er Multifokalität/-zentrizität vor e<strong>in</strong>em<br />

geplanten brusterhaltenden E<strong>in</strong>griff etabliert. Zu beachten<br />

ist jedoch, dass bei prämenopausalen Frauen auch<br />

das normale Drüsengewebe, <strong>in</strong> Abhängigkeit vom Menstruationszyklus,<br />

vermehrt Kontrastmittel aufnehmen<br />

kann. Dies kann bei jungen Frauen und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auch bei dichter, mastopathischer Brust zu falsch positiven<br />

Befunden führen. E<strong>in</strong>e Studie von Kuhl et al (1) hat<br />

gezeigt, dass das Risiko falsch positiver Befunde <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

2. Zykluswoche am ger<strong>in</strong>gsten ist, so dass Patient<strong>in</strong>nen<br />

wenn immer möglich <strong>in</strong> diesem Zeitraum untersucht<br />

werden sollten.<br />

Auch die übrigen <strong>in</strong> Tab. 1 aufgeführten Indikationen<br />

haben sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> senologischen Diagnostik bewährt: Wie<br />

beschrieben eignet sich die MRI zum Monitor<strong>in</strong>g des<br />

Therapieansprechens bei Patient<strong>in</strong>nen mit Brustkrebs<br />

unter neoadjuvanter Chemotherapie und stellt damit sozusagen<br />

e<strong>in</strong>en „In-Vivo Assay“ dar. Die Methode erlaubt<br />

e<strong>in</strong>e frühzeitige Differenzierung von “Respon<strong>der</strong>n” und<br />

„Non-Respon<strong>der</strong>n“. Allerd<strong>in</strong>gs ist zu beachten, dass bei<br />

den Frauen, die auf die Therapie gut ansprechen, die Rate<br />

falsch negativer Fälle steigt, d.h. allfällig noch vorhandenes<br />

Resttumorgewebe ist MR-tomographisch nicht mehr<br />

nachweisbar (2).<br />

Weiterh<strong>in</strong> nicht ganz unumstritten ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> MRI<br />

bei asymptomatischen Hochrisikopatient<strong>in</strong>nen (starke<br />

familiäre Belastung / Genträger<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> BRCA-1-Mutation).<br />

Während die MRI e<strong>in</strong>e hohe Sensitivität hat, ist die<br />

bereits erwähnte limitierte Spezifität e<strong>in</strong> signifikantes<br />

diagnostisches aber auch emotionales Problem für die<br />

betroffene Frau. Dies sollte unserer Me<strong>in</strong>ung nach im<br />

E<strong>in</strong>zelfall mit <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong> besprochen werden. Wichtig<br />

ist, dass die Untersuchung zyklusabhängig erfolgt. Bei<br />

Vorliegen e<strong>in</strong>er unklaren Anreicherung sollten unmittelbar<br />

anschliessend e<strong>in</strong> fokussierter Ultraschall und, wie<br />

28<br />

15/3/2006<br />

auch <strong>in</strong> diesem Fall sehr schön gezeigt, ergänzende Vergrösserungsaufnahmen<br />

angefertigt werden. Reale Befunde<br />

können so meistens zum<strong>in</strong>dest diagnostiziert und dann<br />

zytologisch o<strong>der</strong> histologisch weiter abgeklärt werden.<br />

Im Zweifelsfall empfiehlt sich e<strong>in</strong>e Verlaufskontrolle nach<br />

2–3 Menstruationszyklen (3,4).<br />

Ergänzend zu dem Indikationsspektrum des Marienkrankenhauses<br />

würde ich noch 2 wenn auch nicht allzu häufige<br />

weitere Indikationen anfügen: Dies ist e<strong>in</strong>erseits die<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Prothesen-Integrität bei Silikonprothesen-Träger<strong>in</strong>nen.<br />

An<strong>der</strong>erseits setzen wir gelegentlich die<br />

MRI zur Problemlösung bei mammographischen BIRADS<br />

3-Läsionen e<strong>in</strong>. Natürlich werden wir, wenn immer möglich,<br />

versuchen diese Läsionen stereotaktisch o<strong>der</strong> Ultraschall-gesteuert<br />

zytologisch o<strong>der</strong> histologisch abzuklären.<br />

In Fällen, wo dies nicht gel<strong>in</strong>gt (z.B. weil e<strong>in</strong>e fragliche<br />

Sternfigur <strong>in</strong> <strong>der</strong> 2. Ebene nicht e<strong>in</strong>deutig zu lokalisieren<br />

ist) o<strong>der</strong> die Patient<strong>in</strong> dies nicht wünscht, bietet die MR-<br />

Mammographie e<strong>in</strong>e gute Alternative zur engmaschigen<br />

Verlaufskontrolle.<br />

Literatur<br />

1. Kuhl CK, et al. Radiology 1997; 203:137–144<br />

2. Gilles R, et al. Radiology 1994; 191:633–638<br />

3. Kuhl CK, et al. Radiology 2000; 215:267–279<br />

4. Leach MO, et al. Lancet 2005; 365(9473):1769–78<br />


15/3/2006<br />

E<strong>in</strong> Gespräch von Prof. Dr. B. Schüssler mit Dr. Th. Schmitt-Mechelke und PD Dr. Th. M. Berger<br />

29<br />

Im Dialog<br />

Warum haben weibliche Frühgeborene e<strong>in</strong>e bessere Chance<br />

für e<strong>in</strong> handicapfreies Überleben als Buben?<br />

Curriculum Vitae<br />

Dr. Thomas Schmitt-Mechelke ist Leiten<strong>der</strong> Arzt für<br />

Neuropädiatrie am K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital <strong>in</strong> Luzern.<br />

Nach dem Studium an <strong>der</strong> Johannes-Gutenberg Universität<br />

<strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z/D hat er se<strong>in</strong>e Ausbildung zum Facharzt für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendheilkunde <strong>in</strong> Wiesbaden und an <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>kl<strong>in</strong>ik <strong>der</strong> Johannes-Gutenberg Universität <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z<br />

absolviert. Er ist Vorstandmitglied <strong>der</strong> Schweizerischen<br />

Gesellschaft für Neuropädiatrie.<br />

Curriculum Vitae<br />

PD Dr. Thomas M. Berger ist Co-Chefarzt und Leiter <strong>der</strong><br />

Abteilung Neonatologie und pädiatrische Intensivpflege am<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital <strong>in</strong> Luzern. Nach dem Studium <strong>in</strong> Basel hat er<br />

se<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ische Weiterbildung <strong>in</strong> St. Gallen, am Kantonsspital<br />

Luzern und für <strong>in</strong>sgesamt 6 Jahre <strong>in</strong> den USA absolviert.<br />

Dort war er kl<strong>in</strong>isch wie auch als Research Fellow<br />

tätig, und zwar an <strong>der</strong> Mayo Cl<strong>in</strong>ic, Rochester, <strong>der</strong> Harvard<br />

Medical School <strong>in</strong> Boston, sowie am Department of Critical<br />

Care, Children’s National Medical Center, George<br />

Wash<strong>in</strong>gton University, Wash<strong>in</strong>gton, DC. Seit 2005 ist er<br />

Privatdozent an <strong>der</strong> Universität Bern. Er ist Vorstandsmitglied<br />

<strong>der</strong> Schweizerischen Gesellschaft für Neonatologie<br />

und gleichzeitig <strong>der</strong>en Webmaster (www.neonet.ch);<br />

siehe auch „Internet-News“ <strong>in</strong> diesem Heft.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell (b. s.): Herr Dr. Schmitt-Mechelke,<br />

kürzlich wurden im New England Journal of Medic<strong>in</strong>e<br />

(N. Engl. J. Med. 2015; 352: 9–19) 6-Jahres-Langzeitdaten<br />

von frühgeborenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>em Gestationsalter<br />

zwischen 22 und 25 abgeschlossenen <strong>Schwangerschaft</strong>swochen<br />

publiziert. Lediglich 20 % <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

hatten ke<strong>in</strong>e neuromotorische o<strong>der</strong> kognitive E<strong>in</strong>schränkung.<br />

Ist das nicht e<strong>in</strong> sehr ernüchterndes<br />

Ergebnis?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Auf den ersten Blick ja, man<br />

muss sich allerd<strong>in</strong>gs vergegenwärtigen, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

dieser Studie 1995 geboren wurden, also vor 11 Jahren,<br />

und ausserdem handelt es sich um e<strong>in</strong>e flächendeckende<br />

Studie über ganz England und Irland, was zwar e<strong>in</strong>en<br />

guten repräsentativen Überblick gibt, aber gleichzeitig<br />

die zu erwartenden besseren Ergebnisse <strong>der</strong> <strong>in</strong> dieser<br />

Studie auch <strong>in</strong>tegrierten Zentren nicht zum Tragen<br />

kommen.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Gleichwohl, 20 % handicapfreie<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, das heisst ja, dass 80 % tatsächlich mit<br />

schweren Handicaps durchs Leben gehen…<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Das ist ganz sicher nicht so. In<br />

diese Kategorie fielen z.B. auch K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit korrigierbaren<br />

Sehfehlern o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em IQ von 82–94. Darüberh<strong>in</strong>aus<br />

sollte man auch wissen, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kontrollgruppe<br />

nicht frühgeborener Gleichaltriger 18% ebenfalls als<br />

„mild impaired“ e<strong>in</strong>gestuft wurden.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Und wie ist es mit schweren<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen, also das vollkommene Angewiesense<strong>in</strong><br />

auf Fremdhilfe?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Das waren noch beachtliche<br />

22 %, also praktisch jedes fünfte K<strong>in</strong>d, bei denen vor<br />

allem kognitive Bee<strong>in</strong>trächtigungen- etwa e<strong>in</strong>e gravierende<br />

Cerebralparese- wurden deutlich seltener festgestellt.


Im Dialog<br />

Abb. 1A: Frühgeborenes, 23 SSW, 600g Geburtsgewicht.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Und wie s<strong>in</strong>d Ihre persönlichen<br />

Erfahrungen: Ist die Rate schwerst Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter<br />

im Luzerner Kollektiv tatsächlich so hoch?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Wenn man unsere Zahlen <strong>der</strong><br />

letzten zehn Jahre dagegenhält, dann kommt man etwa<br />

auf 10 % schwerster Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung, also deutlich günstiger<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Gibt es Eltern, die im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

ihre Entscheidung, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Reanimation e<strong>in</strong>es<br />

kritisch kle<strong>in</strong>en Frühgeborenen e<strong>in</strong>gewilligt zu haben,<br />

bereuen?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Erstaunlicherweise ne<strong>in</strong>, ich<br />

kann mich bislang an ke<strong>in</strong> Elternpaar er<strong>in</strong>nern, das im<br />

30<br />

15/3/2006<br />

Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>mal Zweifel an <strong>der</strong> damaligen Entscheidung<br />

geäussert hat.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Der Rückgang schwerer<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung, ist das e<strong>in</strong> genereller Trend?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Ganz sicher. Die K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die man<br />

früher schon von Weitem e<strong>in</strong>deutig als beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tes Frühgeborenes<br />

erkennen konnte, K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus den 80er und<br />

90er Jahren, Opfer <strong>der</strong> damals noch weit verbreiteten<br />

beidseitigen periventrikulären Leukomalazie, dieses Profil<br />

<strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung gibt es heute nicht mehr. H<strong>in</strong>gegen<br />

machen auch wir die Erfahrung aus <strong>der</strong> erwähnten Studie,<br />

dass nämlich e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong><strong>der</strong> erst später Störungen ihrer<br />

kortikalen Funktionen zeigen, auch wenn die im Vorschulalter<br />

möglichen Entwicklungstests noch ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutigen<br />

Auffälligkeiten gezeigt haben.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Heisst das, was mit zwei bis<br />

drei Jahren schlecht ist, nicht mehr besser werden kann,<br />

aber das, was zu diesem Zeitpunkt gut aussieht, nicht<br />

zwangsläufig auch im Schulalter noch gut ist?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Exakt. Läsionen, die sich <strong>in</strong><br />

Konzentrationsstörungen, spezifischen Teilleistungsstörungen<br />

o<strong>der</strong> kognitiven Auffälligkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />

zeigen, lernen wir erst jetzt als Folge kle<strong>in</strong>ster Frühgeburt<br />

zunehmend kennen.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: In <strong>der</strong> Pubertät und im Früherwachsenenalter<br />

s<strong>in</strong>d da ebenfalls noch negative Überraschungen<br />

möglich?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Es gibt e<strong>in</strong>ige wenige Untersuchungen<br />

von extrem frühgeborenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aus den<br />

80er, 90er Jahren, also von Personen, die jetzt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Adoleszenz bzw. im frühen Erwachsenenalter s<strong>in</strong>d, bei<br />

denen hat sich gezeigt, dass wir auch <strong>in</strong> diesem Alter<br />

noch von e<strong>in</strong>er erhöhten Quote von Verhaltensauffälligkeiten<br />

und psychiatrischer Komorbidität ausgehen müs-


15/3/2006<br />

sen. Aber: Je älter das Individuum, um so mehr spielen<br />

natürlich an<strong>der</strong>e Faktoren wie <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> sozioökonomische<br />

Status des Elternhauses e<strong>in</strong>e gewichtige Rolle.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Die E<strong>in</strong>teilung <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> neuromotorisch und kognitiv, ist die eigentlich<br />

vernünftig o<strong>der</strong> gibt es da auch Abhängigkeiten untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Diese E<strong>in</strong>teilung ist historisch<br />

gewachsen. In <strong>der</strong> Praxis s<strong>in</strong>d diese D<strong>in</strong>ge mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

verknüpft. Motorische Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung kann durchaus mit<br />

e<strong>in</strong>er kognitiven e<strong>in</strong>hergehen o<strong>der</strong> diese möglicherweise<br />

auch begünstigen, solche K<strong>in</strong><strong>der</strong> können aber sehr wohl<br />

auch e<strong>in</strong>en ganz normalen IQ aufweisen. Umgekehrt<br />

kommen aber auch K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit <strong>in</strong>tellektueller Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

daher, die ke<strong>in</strong>erlei motorische Störungen aufweisen.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Der verantwortliche Geburtshelfer<br />

kann ja zum<strong>in</strong>dest an e<strong>in</strong>em Per<strong>in</strong>atalzentrum die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> sehr aufmerksam verfolgen. Maximal hat er dann<br />

e<strong>in</strong> Feedback bis zur Entlassung dieser K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

neonatologischen Betreuung. Herr Dr. Berger, kann man<br />

zu diesem Zeitpunkt beim Fehlen <strong>der</strong> fünf gefürchteten<br />

Komplikationen, nämlich <strong>der</strong> <strong>in</strong>traventrikulären Hirnblutung<br />

(IVH), <strong>der</strong> periventrikulären Leukomalazie (PVL),<br />

e<strong>in</strong>er Frühgeborenenret<strong>in</strong>opathie (ROP), e<strong>in</strong>er nekrotisirenden<br />

Enterokolitis (NEK) bzw. e<strong>in</strong>er bronchopulmonalen<br />

Dysplasie (BPD), beson<strong>der</strong>s zufrieden se<strong>in</strong> und das<br />

Gefühl haben, dieses K<strong>in</strong>d hat e<strong>in</strong>e grosse Chance, ohne<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung durch das zukünftige Leben zu gehen?<br />

Dr. Berger: Lei<strong>der</strong> ne<strong>in</strong>. Natürlich ist man an e<strong>in</strong>em unkomplizierten<br />

Verlauf versucht, dem K<strong>in</strong>d gute Chancen<br />

zu geben. Aber ich kann Ihnen versichern, ich habe mich<br />

schon selbst <strong>in</strong> beide Richtungen getäuscht: K<strong>in</strong><strong>der</strong>, bei<br />

denen man e<strong>in</strong> ganz schlechtes Gefühl hatte, die sich dann<br />

glücklicherweise doch sehr gut entwickelt haben. An<strong>der</strong>s<br />

herum: Bei dem e<strong>in</strong> o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en haben wir geglaubt, wir<br />

31<br />

Im Dialog<br />

hätten da wirklich Grossartiges vollbracht und mussten<br />

später schmerzlich feststellen, dass das nicht so war.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: In dieser Langzeitbeobachtungsstudie<br />

handelt es sich ja überwiegend um K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit<br />

25 Wochen (44 %), nur 1 % mit 22 Wochen und lediglich<br />

11 % mit 23 Wochen: Genau da setzt ja e<strong>in</strong>e eben veröffentlichte<br />

Studie aus Deutschland an, die für 22 Wochen<br />

mit e<strong>in</strong>em k<strong>in</strong>dlichen Überleben von 33 % und mit 23<br />

Wochen bereits mit 75 % <strong>der</strong> primär reanimierten K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

daherkommt. Reicht diese kurzfristige Mortalitätsstudie<br />

aus, um sich hier <strong>in</strong> Luzern von den 24 Wochen, die wir<br />

als Richtschnur haben, <strong>in</strong> 23 bzw. sogar 22 Wochen<br />

h<strong>in</strong>unter zu wagen? (Am J. Obstet. Gynecol 2006;<br />

1995:16–22)<br />

Dr. Berger: Schwierige Frage, die sicher nicht e<strong>in</strong>fach<br />

und vorschnell zu beantworten ist. Solche Entscheidungen<br />

können nur auf e<strong>in</strong> spezifisches Umfeld und das dort<br />

tätige Zentrum bezogen beantwortet werden. Grundsätzlich<br />

aber b<strong>in</strong> ich <strong>der</strong> Überzeugung, dass dieser Schritt,<br />

generell unter die 24 Woche zu gehen, voraussetzt, dass<br />

die eigenen Outcome Daten bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ab 24 Wochen<br />

e<strong>in</strong>en solchen Optimismus zulassen. Klar ist aber auch:<br />

Die Studie zeigt, dass es ke<strong>in</strong>e Absolutgrenze nach unten<br />

gibt. Im E<strong>in</strong>zelfall kann das auch <strong>in</strong> unserem Sett<strong>in</strong>g<br />

bedeuten, dass man dem Elternwunsch nach Intervention<br />

nachgibt. Das haben wir auch schon gemacht und wissen<br />

von daher, dass diese publizierten Zahlen durchaus<br />

möglich s<strong>in</strong>d: Bei uns haben immerh<strong>in</strong> von fünf solcher<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit 23 Wochen drei überlebt, was e<strong>in</strong>em Gesamtüberleben<br />

von 60 % dieser K<strong>in</strong><strong>der</strong> entsprechen würde.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Ihre Absolutgrenze nach unten?<br />

Dr. Berger: Zurzeit 23. SSW. Um weiter nach unten zu<br />

gehen reichen gute Frühmortilitätsdaten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen<br />

Studie nicht aus.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Warum schneiden eigentlich


15/3/2006<br />

Abb. 1B: L.H. im Alter von 364 Tagen<br />

Mädchen im Langzeitergebnis bei Frühgeborenen besser<br />

ab als Buben, das zeigt ja auch die Studie im New England<br />

Journal?<br />

Dr. Berger: Das ist auch me<strong>in</strong> Kenntnisstand, dass man<br />

davon ausgehen muss, dass Mädchen auf die Dauer besser<br />

dran s<strong>in</strong>d. Überzeugende Beweise, warum das so ist,<br />

gibt es me<strong>in</strong>es Erachtens nicht.<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: … genau eigentlich <strong>der</strong> Punkt<br />

wo man vielleicht auch e<strong>in</strong>mal spekulieren darf:<br />

Vielleicht ist das ganze genetisch determ<strong>in</strong>iert. Wir<br />

wissen beispielsweise dass die IQ-Verteilung beim weiblichen<br />

Geschlecht schmaler und steiler ist als bei Buben,<br />

das heisst, es gibt bei den Männern <strong>in</strong>sgesamt mehr<br />

mental retardierte Personen aber auch mehr Höchstbegabte.<br />

Wenn man sich also nur das schlechte Ende anschaut<br />

und das ist ja das Wesen solcher Untersuchungen,<br />

dann muss es ja fast so se<strong>in</strong>, dass die Buben schlechter<br />

abschneiden.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Wenn die Sachlage schon so<br />

33<br />

Im Dialog<br />

Abb.1C: Feedback e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>sten Frühgeborenen aus Uri im Alter<br />

von 5 Lebensjahren<br />

kompliziert ist und Eltern hier bei uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz<br />

mit <strong>in</strong> die Entscheidung e<strong>in</strong>gebunden werden, s<strong>in</strong>d<br />

denn Eltern <strong>in</strong> dieser Situation überhaupt entscheidungsfähig<br />

und nicht nur Objekt dessen, <strong>der</strong> die Beratung<br />

vornimmt?<br />

Dr. Berger: Ich glaube, es besteht e<strong>in</strong>e Tendenz, die<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Eltern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation zu<br />

unterschätzen. Nur selten erlebe ich e<strong>in</strong>e Situation, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

man den E<strong>in</strong>druck gew<strong>in</strong>nt, die Eltern seien nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lage bei e<strong>in</strong>er solchen Entscheidung zu helfen.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Was dann?<br />

Dr. Berger: Das kommt auf die Situation an. Besteht<br />

noch Zeit, dann hat man die Möglichkeit das Gespräch<br />

noch e<strong>in</strong>mal zu wie<strong>der</strong>holen. Ist aber die Frühgeburt<br />

immanent, dann muss man e<strong>in</strong>fach die Entscheidung für<br />

die Eltern übernehmen.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Kann man <strong>in</strong> dieser Situation<br />

gravierende Beratungsfehler machen?


Im Dialog<br />

Dr. Berger: Das ergibt sich aus <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong><br />

Gesamtsituation. Vermeiden kann man solche Fehler<br />

dann, wenn e<strong>in</strong>erseits Geburtshelfer und Neonatologen<br />

vorab die Situation für sich geklärt haben und auch als<br />

Team dem betroffenen Paar gegenübertreten. Wichtig ist<br />

es aber auch, die eigenen Ergebnisse zu kennen, denn nur<br />

diese s<strong>in</strong>d für das Paar, das <strong>in</strong> dieses Zentrum gekommen<br />

ist, von Relevanz. Das beratende Team sollte sich auch<br />

erst e<strong>in</strong>mal Kenntnis darüber verschaffen, was die grundsätzliche<br />

E<strong>in</strong>stellung von Eltern gegenüber möglichen<br />

späteren Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen ist.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: In e<strong>in</strong>er amerikanischen<br />

Studie wurden kürzlich Ärzte und Schwestern neonatologischer<br />

Intensivstationen nach ihrer Me<strong>in</strong>ung gefragt, wie<br />

sie selbst entscheiden würden, wenn es um eigene Frühgeburtlichkeit<br />

g<strong>in</strong>ge. Das Ergebnis war <strong>in</strong>sofern erstaunlich,<br />

als die meisten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konfrontation mit eigener<br />

Frühgeburtlichkeit aktive Reanimationsmassnahmen e<strong>in</strong>e<br />

Woche später empfehlen würden als sie es <strong>in</strong> ihrer eigenen<br />

Institution handhaben. Was bedeutet das eigentlich?<br />

Kernaussagen I<br />

Neuropädiatrische Entwicklung kle<strong>in</strong>ster<br />

Frühgeborenen (22–25 SSW)<br />

Frühuntersuchungen im Alter von zwei und drei Jahren<br />

lassen e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> neuromotorischen und<br />

groben mentalen Entwicklung zu.<br />

Die kognitive Entwicklung lässt sich erstmals erst im<br />

Schulalter e<strong>in</strong>schätzen und ist gegenüber den am Term<strong>in</strong><br />

geborenen Klassenkollegen deutlich schlechter.<br />

Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Adoleszenten- und Früherwachsenenentwicklung<br />

s<strong>in</strong>d weitere Auffälligkeiten im psychosozialen<br />

und psychiatrischen Komorbiditätsbereich zu erwarten.<br />

Weibliche Frühgeborene s<strong>in</strong>d gegenüber e<strong>in</strong>er kognitiven<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung offensichtlich mehr gefeit, als männliche.<br />

34<br />

15/3/2006<br />

Dr. Berger: Ganz banal: Es s<strong>in</strong>d eben zwei verschiedene<br />

D<strong>in</strong>ge, ob man e<strong>in</strong>en Fragebogen ausfüllt o<strong>der</strong> ob man<br />

tatsächlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Situation dr<strong>in</strong> steckt. Vielleicht ist dieses<br />

Ergebnis aber auch Ausdruck des Faktums, dass die<br />

Autonomie, also die Entscheidungsfreiheit <strong>der</strong> Eltern<br />

letztendlich zuwenig berücksichtigt wird, obwohl das <strong>in</strong><br />

den USA mehr <strong>der</strong> Fall ist als z. B. <strong>in</strong> Deutschland. Das<br />

Kernaussagen II<br />

Die wichtigsten langzeitrelevanten k<strong>in</strong>dlichen Schäden<br />

nach neonatologischer Behandlung von Frühgeborenen<br />

Periventrikuläre Leukomalazie (PVL)<br />

Wird diese sonographisch nachgewiesen s<strong>in</strong>d motorische<br />

und kognitive Langzeitschäden hochwahrsche<strong>in</strong>lich,<br />

z. B. als spastische Diplegie.<br />

Neugeborenen Ret<strong>in</strong>opathie (ROP) > II°<br />

Be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e hohe Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er persistierenden<br />

Sehbee<strong>in</strong>trächtigung.<br />

Diese Schädigung ist <strong>in</strong> per<strong>in</strong>atologischen Zentren<br />

heute sehr selten geworden.<br />

Intraventrikuläre Blutungen (IVH)<br />

Langzeitfolge ist e<strong>in</strong> posthämorrhagischer Hydrocephalus.<br />

Dieser ist bereits bei Entlassung def<strong>in</strong>itiv gesichert.<br />

S<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e weiteren Schäden vorhanden, so hat dies<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die kognitive und<br />

motorische Entwicklung. An<strong>der</strong>s dann, wenn e<strong>in</strong>e hämorrhagische<br />

Infarzierung vorliegt. In diesen Fällen ist<br />

e<strong>in</strong>e motorisch und kognitive Bee<strong>in</strong>trächtigung möglich.<br />

Nekrotisierende Enterokolitis (NEK)<br />

Diese spielt vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Akutphase e<strong>in</strong>e Rolle<br />

(hohe Mortalität), ansonsten kann sie zu e<strong>in</strong>em lebenslangen<br />

Kurzdarmsyndrom führen, wenn viel Darm<br />

zerstört wird,.<br />

Bronchopulmonale Dysplasie<br />

Diese K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben e<strong>in</strong>e erhöhte Infektanfälligkeit und<br />

gegebenenfalls Sauerstoffabhängigkeit, meist nur über<br />

das erste Lebensjahr. Dann wächst die Lunge aus.


15/3/2006<br />

Kernaussagen III<br />

Beratungsgespräch mit den Eltern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Frühgeburtssituation<br />

Geburtshelfer und Neonatologen sollten sich vorab über<br />

die Gesprächsstrategie e<strong>in</strong>ig se<strong>in</strong>.<br />

Beratung nur als Team.<br />

Zielgrösse des Beratungsgespräches ist neben <strong>der</strong> Lebensqualität<br />

des K<strong>in</strong>des (best <strong>in</strong>terest of the child) auch<br />

die E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Eltern <strong>in</strong> ihrer Akzeptanz gegenüber<br />

k<strong>in</strong>dlicher Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung (Anwendung des ethischen<br />

Pr<strong>in</strong>zipes <strong>der</strong> Nonmalefizienz auf die Familie).<br />

Wenn es um die Chancen für das frühgeborene K<strong>in</strong>d<br />

geht, müssen die Zahlen zugrunde gelegt werden,<br />

welche die betreffende Institution vorhalten kann.<br />

An e<strong>in</strong> Pränatalzentrum zuweisende Ärzte sollten die<br />

Möglichkeiten des Zentrums kennen und <strong>in</strong> ihrer<br />

Zuweisung berücksichtigen.<br />

könnte eben dazu führen, dass man Eltern Risiken zumutet<br />

bezogen auf die Zukunft ihres K<strong>in</strong>des, die man sich<br />

selbst nicht zumuten würde.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Würde dieses Studienergebnis<br />

auch auf Sie zutreffen, wenn Sie bei Ihrem eigenen K<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Situation stünden?<br />

35<br />

Im Dialog<br />

Dr. Berger: Ich b<strong>in</strong> nicht wirklich <strong>in</strong> dieser Situation.<br />

Insofern ist es schwierig, da e<strong>in</strong>e zutreffende Antwort zu<br />

geben. Zugeben muss ich aber schon, dass ich bei 24 o<strong>der</strong><br />

weniger Wochen grosse Sorge hätte für die Zukunft me<strong>in</strong>es<br />

K<strong>in</strong>des. Ich wäre sicher sehr fokussiert darauf, dass<br />

man erkennbare zusätzliche Risiken für e<strong>in</strong>e Schwerstbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

des K<strong>in</strong>des sehr ernst nimmt.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Sieht <strong>der</strong> Neuropädiater das<br />

nochmals an<strong>der</strong>s?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke: Vielleicht habe ich es da etwas<br />

e<strong>in</strong>facher, weil ich diese K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> ihrer Entwicklung und<br />

auch <strong>in</strong> ihrer Lebensqualität beobachten kann. Ich f<strong>in</strong>de<br />

es deshalb sehr problematisch, e<strong>in</strong>e zukünftige Lebensqualität<br />

vorraussagen zu wollen. Es gibt e<strong>in</strong>e ganze Reihe<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>er augensche<strong>in</strong>lich grossen Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

auf <strong>der</strong>en Lebensqualität man oft neidisch se<strong>in</strong> kann.<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Das würde aber bedeuten, dass<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Gespräch die Beratung nicht nur auf <strong>der</strong><br />

Zumutbarkeit fürs K<strong>in</strong>d liegen sollte, son<strong>der</strong>n die Eltern<br />

sich selbst fragen müssten, welche Lebensbelastung sie<br />

für sich und ihr K<strong>in</strong>d allenfalls zu tragen bereit s<strong>in</strong>d?<br />

Dr. Schmitt-Mechelke, Dr. Berger: Exakt!<br />

<strong>Frauenheilkunde</strong> aktuell: Herr Dr. Schmitt-Mechelke,<br />

Herr Dr. Berger ich danke Ihnen für dieses Gespräch.<br />


15/3/2006<br />

Prof. Ekkehard Dreher<br />

Curriculum Vitae<br />

Geboren am 19.05.1941 <strong>in</strong> Ludwigshafen am Rhe<strong>in</strong><br />

Studium <strong>in</strong> Freiburg i. Br., Berl<strong>in</strong>, Wien und Montpellier.<br />

1967 Dr. med., Univ. Freiburg<br />

1967–1968 Assistenzarzt, Chirurgie und Mediz<strong>in</strong><br />

1969–1974 Facharztausbildung Universitäts-<br />

Frauenkl<strong>in</strong>ik, Basel<br />

(Prof. Otto Käser)<br />

1974–1982 Oberarzt Univ. Frauenkl<strong>in</strong>ik Bern<br />

(Prof. M. Berger)<br />

37<br />

1976 Habilitation<br />

Seit 1.3.1983 Leiter Fachbereich Gynäkologie,<br />

Univ. Frauenkl<strong>in</strong>ik Bern<br />

Seit 1.10.1992 Chefarzt Gynäkologie<br />

und gynäkologische Onkologie<br />

Seit 1.3.2005 geschäftsführen<strong>der</strong> Co-Direktor<br />

Schwerpunkte Gynäkologie. Onkologie,<br />

<strong>in</strong> Lehre und Gyn. Urologie,<br />

Forschung Endoskopische Chirurgie<br />

Kommission und Vorstände<br />

Eidgenössische Prüfungskommission<br />

– med. Staatsexamen<br />

– Basis-Examen<br />

– Facharztexamen<br />

– EGONE-Projekt<br />

Fragebogen<br />

Qualitätskommission SGGG<br />

– Verfassen und Mitarbeit bei mehreren Guidel<strong>in</strong>es<br />

Vorstand<br />

– AGO<br />

– AGE<br />

– Gyn. Chefärztekonferenz 1996–2002<br />

Pionierleistungen<br />

– Anfang 70er Jahre E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Urodynamik bei<br />

<strong>der</strong> Frau<br />

– 1978 Laser <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gynäkologie<br />

– 1979 Berner Modell: Management bei<br />

Vergewaltigungsnotfällen


Fragebogen<br />

Fragebogen<br />

1. Wo möchten Sie leben?<br />

Im Frühl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Lanzarote, im Sommer <strong>in</strong> Korsika, im<br />

Herbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz, im W<strong>in</strong>ter <strong>in</strong> Lappland.<br />

2. Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?<br />

Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten <strong>in</strong> Religion und Politik.<br />

3. Welche Eigenschaften schätzen Sie bei e<strong>in</strong>em<br />

Menschen am meisten?<br />

Ehrlichkeit.<br />

4. Ihre Liebl<strong>in</strong>gsbeschäftigung?<br />

Operieren.<br />

5. Ihr grösstes Laster?<br />

Unterbreche Leute beim Reden.<br />

6. Ihre grösste Stärke?<br />

Exakt und geduldig.<br />

7. Wer o<strong>der</strong> was hätten Sie se<strong>in</strong> mögen?<br />

Früher Gynäkologe <strong>in</strong> Rom mit Praxis auf grosser<br />

Dachterrasse.<br />

8. Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?<br />

Wenn sie selbst merken, wann ich sie brauche.<br />

9. Wer war Ihr wichtigster Lehrer und weshalb?<br />

Otto Käser wegen se<strong>in</strong>em immensem Wissen und<br />

Hans A. Hirsch, <strong>der</strong> beste Operateur, den ich kenne.<br />

10. Welcher Teil Ihrer Arbeit br<strong>in</strong>gt Ihnen am meisten<br />

Freude?<br />

Kl<strong>in</strong>ischer Teil und Lehre.<br />

11. Worüber können Sie lachen?<br />

Über echte und falsche Clowns.<br />

38<br />

15/3/2006<br />

12. Was halten Sie für den grössten Fortschritt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Frauenheilkunde</strong>?<br />

Impfung gegen gynäkologische Karz<strong>in</strong>ome.<br />

13. Welches Ereignis hat Ihre Arbeit am meisten<br />

bee<strong>in</strong>flusst?<br />

Me<strong>in</strong> USA-Aufenthalt <strong>in</strong> Nashville.<br />

14. Was halten Sie für den grössten Irrweg <strong>in</strong> unserem<br />

Fachgebiet?<br />

Hysterosalp<strong>in</strong>gographie.<br />

15. Welches Problem <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauenheilkunde</strong> halten Sie<br />

für beson<strong>der</strong>s lösungsbedürftig?<br />

Frühdiagnostik des Mamma- und Ovarialkarz<strong>in</strong>oms.<br />

16. Welches mediz<strong>in</strong>ische Fachbuch halten Sie für<br />

beson<strong>der</strong>s lesenswert?<br />

Immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Operationsatlas von<br />

Hirsch-Käser-Iklé.<br />

17. Wenn Sie könnten, was würden Sie am (schweizerischen)<br />

Gesundheitswesen sofort än<strong>der</strong>n?<br />

Für die gleiche Krankheit ke<strong>in</strong> ständiger Arztwechsel<br />

mit immer neuen Untersuchungen. E<strong>in</strong> kompetenter<br />

Hausarzt, <strong>der</strong> die Weichen stellt.<br />

18. Gibt es e<strong>in</strong>e wesentliche Entscheidung <strong>in</strong> Ihrem mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Leben, die Sie heute an<strong>der</strong>s treffen würden?<br />

Ne<strong>in</strong>.<br />

19. Welches Ziel/welche Ambitionen konnten Sie bisher<br />

nicht verwirklichen?<br />

Die Assistenz- und Oberärzte glücklicher und<br />

zufriedener machen sowie ich es war trotz<br />

anspruchsvollen Chefs.<br />

20. Welchen Rat würden Sie e<strong>in</strong>em jungen Kollegen geben?<br />

2 Jahre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Chemie-, Physik- o<strong>der</strong> Biologie-<br />

Institut zu arbeiten.


15/3/2006<br />

21. Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?<br />

6 o<strong>der</strong> mehr Sprachen fliessend sprechen.<br />

22. Wen o<strong>der</strong> was bewun<strong>der</strong>n Sie am meisten?<br />

Mehrsprachige <strong>in</strong>telligente Leute.<br />

23. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?<br />

Zeitlich und örtlich orientiert, das ältere Hirn<br />

kompensiert mit Erfahrung.<br />

24. Ihr Motto?<br />

Leben und leben lassen.<br />

25. Was treibt Sie an?<br />

Weiss ich nicht.<br />

26. Auf welche eigene Leistung s<strong>in</strong>d Sie beson<strong>der</strong>s<br />

stolz?<br />

Me<strong>in</strong>e Doktorarbeit: „Transplantation von Pankreasgewebe<br />

bei diabetischen Mäusen“. Das neonatale<br />

transplantierte Pankreasgewebe machte die Mäuse<br />

wie<strong>der</strong> gesund. E<strong>in</strong> Vorläufer <strong>der</strong> heutigen Stammzelltherapie.<br />

39<br />

27. Als K<strong>in</strong>d wollten Sie se<strong>in</strong> wie … ?<br />

Me<strong>in</strong> Vater.<br />

28. Wie können Sie am besten entspannen?<br />

Beim Velofahren am Pass.<br />

Fragebogen<br />

29. Hier können Sie drei Bücher loben.<br />

Alle Bücher von Walter Vogt, immer wie<strong>der</strong> Franz<br />

Kafka, alle Rubriken <strong>in</strong> guten Tageszeitungen.<br />

30. Was mögen Sie an sich gar nicht?<br />

Wenn ich die Zeit falsch e<strong>in</strong>schätze und me<strong>in</strong>e Aufgaben<br />

(auch die ich mir selber stelle) nicht erledigt<br />

s<strong>in</strong>d.<br />


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15/3/2006

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