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A k t u e l l Sozialrecht<br />

Auf Wiedersehen Betreute!<br />

Bedeutung und Konsequenzen des zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes<br />

für soziotherapeutische Suchthilfeeinrichtungen und<br />

deren rechtlich betreute Klienten.<br />

Die Bedeutung des Betreuungsrechts nimmt angesichts weit<br />

über einer Million betreuter Menschen in Deutschland zu. Zum<br />

1.7.2005 trat das zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz<br />

(BtÄndG) in Kraft. Die Bewertung des BtÄndG schwankt zwischen<br />

peinlichem Eigenlob der beteiligten Parteien und Minister<br />

einerseits und Protesten der Betroffenen mit der Forderung<br />

„Stoppen Sie das 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz“ (so<br />

der Vormundschaftsgerichtstag VGT) andererseits. Für Suchthilfeeinrichtungen<br />

hat das 2. BtÄndG erst bei genauer Betrachtung<br />

der ökonomischen und institutionellen Bedingungen im<br />

Betreuungswesen weitreichende Konsequenzen. In diesem ersten<br />

Beitrag werden zunächst die für Suchthilfeeinrichtungen<br />

relevanten Reformen des 2. BtÄndG in den Bereichen Zuständigkeiten<br />

beim Vormundschaftsgericht, Betreuungsplanung,<br />

Vergütung und Delegationsmöglichkeiten diskutiert. Der zweite<br />

Teil des Beitrags im kommenden <strong>Konturen</strong>-Heft wird vor<br />

dem Hintergrund empirischer Daten die statistische Relevanz<br />

des 2.BtÄndG für die suchttherapeutischen Einrichtungen der<br />

Deutsch-Ordenswerke beleuchten. Dazu werden Strategien für<br />

die Suchthilfeeinrichtungen gezeigt, unter denen die Kooperation<br />

mit den beruflichen Betreuern zum gegenseitigen Nutzen<br />

gestaltet werden kann.<br />

Änderungen des 2. BtÄndG im Überblick:<br />

• Berufs- und Vereinsbetreuer: Ein Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz<br />

(VBVG) regelt die Berufs- und Vereinsbetreuervergütung.<br />

Berufs- und Vereinsbetreuer erhalten je nach Fachkenntnissen<br />

27/33,50/44 Euro pro Stunde inkl. Umsatzsteuer und<br />

Aufwendungen vergütet. Die Vergütung erfolgt nach Stundenpauschalen<br />

in Abhängigkeit von Betreuungsdauer, Wohnstatus und<br />

Vermögen der Betreuten. Berufsbetreuer müssen dem Gericht auf<br />

Anordnung einen Betreuungsplan mit Zielen und Maßnahmen<br />

vorlegen.<br />

• Betreute und Betroffene: Gegen den freien Willen eines Volljährigen<br />

darf ein Betreuer nicht bestellt werden. Der einwilligungsfähige<br />

Suchtkranke kann sich also gegen eine Betreuerbestellung<br />

wehren. Es werden keine Ergänzungsbetreuer mehr für unterschiedliche<br />

Aufgabenkreise bestellt. Das Vormundschaftsgericht<br />

kann auf Sachverständigengutachten verzichten und MDK-Gutachten<br />

verwenden. Das Betreuungsverfahren wird nach einem Jahr<br />

Aufenthalt des Betreuten an einem anderen Ort an das dortige<br />

Gericht abgegeben. Wichtig: Die Frist zur Überprüfung der Betreuungsnotwendigkeit<br />

wird von fünf auf sieben Jahre verlängert.<br />

• Vollmachtgeber und Bevollmächtigte: Es besteht im Betreuungsverfahren<br />

eine Mitteilungspflicht an das Vormundschaftsgericht<br />

über Kenntnisse zu Vollmachtsregelungen einer Person. Diese<br />

KoNTUREN<br />

– 20 1-2006<br />

Pflicht gilt auch für die<br />

Suchthilfeeinrichtungen.<br />

Bei der Bundesnotarkammer<br />

können Informationen<br />

über eine vorliegende Vollmacht<br />

(nicht die Vollmacht<br />

selbst!) registriert werden.<br />

• Richter und Rechtspfleger:<br />

Bundesländer können<br />

richterliche Aufgaben auf<br />

Rechtspfleger übertragen<br />

(v. a. Bestellung und Entlassung<br />

des Betreuers). Ein<br />

Richter auf Probe darf nicht<br />

in Betreuungssachen tätig<br />

werden.<br />

Prof. Dr. Reiner Adler<br />

Das BtÄndG soll die „Betreutenexplosion“ stoppen.<br />

Drei Themen trieben die neuerliche Reform des Betreuungsrechts:<br />

Erstens sollte die Zahl der Betreuungen in Deutschland reduziert<br />

bzw. deren Anstieg begrenzt werden. Seit dem Inkrafttreten des<br />

Betreuungsgesetzes 1992 waren die Betreutenzahlen in Deutschland<br />

von 250.000 auf über eine Million gestiegen. Die Landesjustizminister<br />

gingen jedoch davon aus, dass diese Entwicklung nicht<br />

primär der demographischen Entwicklung oder der Veränderung der<br />

Familienstrukturen zuzurechnen sei. Vorrangig wurden die Ursachen<br />

für die ‚Betreutenexplosion‘ im bestehenden Betreuungssystem vermutet.<br />

In der Vergangenheit seien die Prinzipien der Erforderlichkeit<br />

und Subsidiarität nicht ausreichend beachtet worden. Den Professionellen<br />

im Betreuungswesen wird vorgeworfen, sie hätten die Betreuerbestellung<br />

fälschlicherweise „als soziale Wohltat verstanden, die<br />

unabhängig von den gesetzlichen Voraussetzungen fürsorglich jedem<br />

kranken Menschen zukommen sollte“ (Bundesrat Ds 865/03).<br />

Begrenzung der Staatsausgaben für Berufsbetreuer<br />

Ein zweites Kernthema der Reform war die Begrenzung der Ausgaben<br />

im Betreuungsbereich. Für den rasanten Anstieg der Kosten sind<br />

vor allem die Ausgaben für die selbständigen Berufsbetreuer verantwortlich.<br />

Seit der Einführung des Betreuungsrechts in 1992 entwickelten<br />

sich die Kosten für den Betreuungsaufwand allein in NRW<br />

von 816.000 DM pro Jahr auf 52 Millionen Euro in 1995 und für<br />

das Jahr 2000 auf über 173 Millionen Euro. Dieser Verdreifachung<br />

der Kosten innerhalb von fünf Jahren steht jedoch nur eine Zunahme<br />

an Betreuungen um das 1,4-fache entgegen (Justizministerium<br />

NRW 2000). Durch die Reform soll nun sichergestellt werden, „dass<br />

die Betreuungskosten nicht mehr - wie bisher - überproportional zu

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