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Tschachotln

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C<br />

-'P~o[.Dr.<br />

<strong>Tschachotln</strong>


p rof. gr . S e r g e i T s c h a c h o t i n<br />

D R EI PFEIL<br />

G E G E N<br />

H AKEN K R E U Z<br />

(,<br />

RUB Bochum<br />

nst. -. Gesch.<br />

d. Ar~uit~rta.a.<br />

V E R L A G<br />

A KTIVE R S O Z IA L I S M U S<br />

K O P K N H A G K N<br />

AGi>ATION<br />

"~~l ~AScHp R'4EHRO&Pw tseTlwkt4<br />

E IS> RNE Ri?()qy


Copyright by<br />

. ',aktiver Sozialismus",<br />

Kopenhagen.<br />

1080<br />

, AikBJdEAPY"-~s%l"ellß<br />

. 8ihlivlck og Ar!


widmet':.:.-,<br />

den Kamy fern,'d.ie für<br />

Deut schla nds Frei eit<br />

und die %iedergebu rt des<br />

Sozialismus<br />

in der g anzen Vase<br />

allen<br />

I<br />

werden.­<br />

lt : - 1<br />

t<br />

'1f • t'"'".


EINLEITUNG<br />

Es geht eine Welle über die Welt, über Europa.<br />

Es ist eine Welle, deren Ursprung man noch in dem<br />

vergangenen Ibieg suchen muss, es ist ein später Ausläufer<br />

der enormen Erschütterung, die die Menschheit<br />

durchzumachen hatte, So spät wirlct sie sich aus, weil<br />

sie ihre 13asis in der Masscnpsychologie hat, die die<br />

lugend von heute 1ccnnzcichnet. Erst jetzt ist diese<br />

Jugend, die dem Ikricgc entstammt und die die eigentliche<br />

Trägerin dieser Welle ist, der IGndheit entwach- '<br />

sen und tritt ins Lehen ein.<br />

Diese Welle ist der Paschismus, Man darf sie nicht<br />

unterschätzen, wie es immer noch in den heutigen<br />

Demoluatien' geschieht. Die ältere Generation, die<br />

bereits gewohnt ist, mehr mit dem Logischen, mit dem<br />

.Vernunftmässigen in ihrem Wollen und Handeln zu<br />

rcclmen, zu operieren, unterschätzt oft die Ikraft des<br />

Impulses, des gefühlsmässigen Erlebens.<br />

Hiez liegt die Quelle der Gefahr, Und es ist höchste<br />

Zeit, dass man sich näher mit den Ursachen der letzten<br />

Ereignisse,. besonders in Deutschland, befasst, dass<br />

man die herlcömlichen 13egriffc, mit denen man n«h<br />

ganz vor Ikurzcm alles Weltgeschehen erldärcn und.<br />

voraussagen wollte, schärfer unter die Luge nimmt<br />

und nicht ohne weiteres als unerschütterliche Dogmen<br />

ac stet. Unsere ganze moderne positive Wissen­


schaft sagt nun ganz deutlich: der Mensch ist ehen<br />

keine g7gp auf wirtschaftlichc I'alctoren reagierende<br />

Maschine, die. Zeiten des naiven Darwinismus und des .<br />

'auf Qnn aufgebauten Vulgärmarxismus sind endgültig<br />

vorüber. Der Mensch ist, in g ewissem Sinne, eine<br />

Maschine, aber eine unendlich kompliziertere, als<br />

man es sich dachte und die kollektiven Organismen<br />

sind auch Mechanismen, aber ebenfalls viel vielsei­<br />

' tigere und schxvieriger zu behandelnde; als man sich<br />

vorstellte.<br />

Die psychisch bedingten Handlungen des Menschen<br />

können von auswärts aus bewusst und nach einem<br />

-' Plan gelenkt werden — zu seinem Heil oder auch zu<br />

- 'seinem Verderben, Die politischen ICämpfe der letzten '<br />

" Jahre in D eutschland h aben es sehr h a n dgreiflich<br />

' gezeigt: es war kein a u sgesprochen wirtschaftlicher<br />

:::. . ICampf, wiewohl auch die wirtschaftlichc IConstellation .<br />

e inen wichtigen Untergrund dazu l i eferte. E s w a r<br />

vornehmlich ein psychologisches Hingen, ein Propagandakampf.<br />

D e r Sieger in d i esem ICampfe, Hitler,<br />

hat einmal selbst ganz offen und klar es ausgespro­<br />

: ' chen — nach den Preussenwahlen im Frühjahr 1932<br />

sagte er i n e i n em A u f r u f a n s e ine P a r teigänger:<br />

:„Dieser Erfolg ist nicht das Ergebnis irgendeiner klu­<br />

- gen Taktik„sondern die Frucht einer andauernden,<br />

unermüdlichen, fleissigen Arbeit. Was die politische<br />

Organisation und die Propaganda in diesen Wochen .<br />

' geleistet haben, ist einzig dastehend".<br />

ICaum.an die Macht gelangt, war eine seiner ersten<br />

Taten die Schaffung eines Propagandaministeriums,<br />

'-;,; mit dessen Führung cr den besten ICopf seiner Ge­<br />

, ', f olgschaft, Dr. Goebbels, betraute, Hitler und.die Sei­<br />

:-' :-,; -- -'nigen haben die Bedeutung der psychoIogischcn Momente<br />

im heutigen ICampf schon seit Langem klar,<br />

:-,-";".::-: wenn auch mehr intuitiv, erkannt und dementspre­<br />

~.C ),~<br />

i.", ( .I ' I


chend gehandelt. Und der Sieg wurde ihrer.<br />

'Gegner, und .zwar die überwältigende AIehrhejt der' ,<br />

rc<br />

sozialdemokratischen Führer, hatte das nicht crkannt'-'.-,<br />

. und hat den Kampf verloren.<br />

Warum das so gekor en i s t , wie sich die E elg-'-nisse<br />

abrollten, welche Gesetzmässigkeiten sich in de~'.",:.<br />

Geschehen kundtaten, das will dieses Buch nun schi]'-!'.<br />

dem. Der Aufdeckung-der Wahrheit soll es dienen,';<br />

denn ohne dass wir der vollen ungeschmmkten Wahr '.- '.<br />

heit ins Gesicht sehen, können wir nicht hoffen unsere,'' ...<br />

Fehler zu e r k ennen, die uns zu 'der K atastrophe' .<br />

. geführt haben, und ohne dass wir unsere Fehler er-'. '<br />

kennen, können wir nicht hoffen sie nicht zu wieder-:;.". ~<br />

-'.-; holen — und das ist ja die,Voraussetzung für unseren .:-,;"-;:<br />

..-. weiteren Kampf um die Freiheit, um den Sozialismusl:


Aktivierung der Arbeiterschaft,<br />

„Die grosse Bewegung der klassenbewussten Arbeiterschaft<br />

steht in schicksalsschwerem I(ampf, überall<br />

und ganz bcsondcrs scharf iu. dicscm Augenblicke in<br />

Deutschland. De r H or i z ont i s t w i e d e r v e r sperrt,<br />

düstere gefahr(h'ohende Wolken ziehen dicht über<br />

das Land, das dumpfe Dröhnen eines'nahenden Gewitters<br />

wird hnmer deutlicher hörbar. Wirtschaftliche<br />

Not, unerhörte politische Hctzc der I(lassengcgncr und<br />

der nicht klassenbewussten Proletarier, unerwartete<br />

Passivität der staatlichen Schutzmcchanismcn gegenüber<br />

dem Trcibcn der zersetzenden Elemente — das<br />

sind die Grundfaktoren, welche die Situation bestimmen<br />

und ihr das charal(tcristischc Gepräge verleihen,<br />

Es gibt aus dieser Lage für die Arbeiterschaft nur<br />

. einen Ausweg. D a s i s t e i ne S teigerung ihrer p o litischen<br />

und gewcrkscliaftlich-organisatorischen Aktivität,<br />

Eine erhöhte Aktivität bringt es mit sich, dass<br />

die Lasten der wirtschaftlichen Notlage und die unvcrm<br />

cidlichen Opfei l e i ch tcr e r t ragen w e r den. E i n e<br />

g ste.'gerte Aktivität bringt auch. die bei Fehlen der<br />

. - Abwehr schier ins Unermessliche ansteigende' poli­<br />

..tische Hetztatigkeit und die damit verknüpften künstlich<br />

aufgeblähten Erfolge der Gegner recht bald zum<br />

Stehen und schafft ein gewisses Gleichgewicht, das<br />

für den Oberblick über die Gcsamtlagc und für die<br />

' Entschci(lung über (lic zu treffen(lcu I


stchcn. Et besteht lcein Zweifel<br />

i e me<br />

I<br />

ir daran,<br />

d<br />

dass es<br />

an allen Eclccn und Enden anfängt<br />

l'<br />

n äag gesund zu gären.<br />

die schlqmmcrnclcn Abwehrlcräfte u d di<br />

4e Aagrif fs<br />

lust der Arbeitcrlciassc werden wach<br />

C 1.<br />

D<br />

avoa zeugt Qic<br />

' wachsende Flut der durch u nsere Pa t<br />

ar eiorgane veranstalteten<br />

Versammlungen im g anzen nze B n ch hc, , ehe<br />

ansteigende Zahl ihrer Besucher, der brausende Beifall,<br />

mit. dem die Massen gerade diejenigen Stellen ia<br />

den Ausführungcn der Redner unterstreichen etc en, woria<br />

clcr Abwchrsvillc sich äussert und.worin zur Einigkeit<br />

gemahnt wird. Die Tatsache der fortschreitenden Alctivieruag<br />

ist ganz Iclar ersichtlich aus dem Erfolge der<br />

Bildung der Eisernen Front und aus der Begeisterung<br />

clie gerade in clieser Beziehung bei den breitesten Arbeitermassen<br />

spontan zum Durchbruch lcommt.<br />

AVas trägt nun zu dieser Alctivicrung beil.I"ür einen<br />

aufmerksamen und - politisch geschulten Beobachter<br />

icclnn cs k c incn Zweifel geben: einen Eiauptaatcil<br />

haben


Freilich, auch diese Talctik, so kurzsichtig sie auch<br />

ist liat ihren Grund, sie baut auf zweierlei: auf dem<br />

Willen, die amorplicn Massen der bürgerlichen Spiesser<br />

einzuschüchtern und sie lahmzulegcn, und auf der<br />

Voraussetzung, dass der Prozess der Zermürbung der<br />

A rbeiterschaft durch di e w i r tschaftliche Not u n d<br />

durch den Bruderkampf innerhalb der Arbeiterschaft<br />

so weit vorgeschritten ist, dass es nicht mehr zu einer<br />

Tatbereitschaft, zu einer Alctivierung lcommen kann.<br />

, „Das ' ist eine präventive Einschüchterungsstrategie.<br />

Wenn sie im ersten Teil ih r Z i el auch erreichte, so<br />

' scheitert sie im zweiten. Der wunderbare Genius der<br />

rleutschen Arbeiterbewegung hat diese nicht verlas-.<br />

sen: ihre Massen lassen sich trotz aller Not und allen<br />

Abgcle»ktsciris nicht - ciirschiicir tern, i lr r g e sunder<br />

IQosscninstinkt r egt s i cli. „ De u tschland erwache I"<br />

-. schrien ihre Gegner und dochten nicht daran, doss<br />

das wahre, in der ganzen Welt geachtete Deutschland,<br />

das Deutschland der tatsachlich produktiven kräfte,<br />

. der deutsche Arbeiter selbst ist. Setzt wacht er a u f<br />

und wehe seinen Widersachern. Sie säetcn den Wind,<br />

sie werden jetzt den Sturm erntcnl"<br />

So stand es in einem Artilcel, den ich am G Dezember<br />

1931 dem „Vorwiirts", «ls dem IIauptorgon unserer<br />

Partei einschiclctc.' I reilich, wenn auch zunächst zu<br />

meinem grossen Erstaunen,, schickte ihn mir Gen.<br />

; Stampfer, der Ißauptredakteur der Zeitung, der mich .<br />

. übrigens als alten Journalisten, überzeugten Sozial­<br />

-' demokraten, und einen, der mal im Vorwärts" in der<br />

:-.politischen Ibise 1928 einen Artilcel über Sovjetruss­<br />

. lands Einstellung zu Deutschland, der viel Staub auf-.<br />

..-'. ', wirbelte, schrieb, sehr gut lcannte, zurück, Der Artilcel<br />

'".',:;. erschien erst viel später in anderen unseren Zcitungcn<br />

.':.:,, und Zeitschriften.<br />

' Die Totsoclie der Zuriiclcwcisung dicscr Gedanken­<br />

;::::-:. 10­<br />

I


f<br />

fp ~sQ~<br />

!<br />

gänge machte mich stutzig. Wie war das möglich?<br />

Schliefen die höchsten Parteistellen tatsächlich einen<br />

. giücldichen, gesegneten Schlaf, träumten sie wirlgich<br />

noch'mitten auf einem Schlachtfelde den Unschuld<br />

straum? Hatten sie aber auch im Ernst den unwlder<br />

- legbaren Gedanken vergessen, dass ihre ganze pole<br />

rierungspolitik.nur den Wert eines Zeitgcwinns.hatte, -. -' '-'.-,.'<br />

dass man unter dem Schutz der noch vom Schicksal<br />

gegönnten Galgenfrist nun um jeden Preis, mit hoch<br />

ster Anspannung aller Kräfte, in h öchster Eile die<br />

Abwehrmechanismen d er . A r b eiterschaft: : mobil ":-:-'. -<br />

machen, den strategischen Aufmarsch, im Angesicht<br />

des unvermeidlichen schicksalsschwercn Endkamyfes,;<br />

durchführen musstc? Sahen sie denn tatsächlich nichtdic'uninittclbare<br />

Gefahr, hatte» sie jcdcn Koiitakt mit<br />

der Masse verloren, so dass sie die Zeichen dqs gesun- '<br />

den wunderbaren Erwachens der A r b eiterschaft,;",':,:<br />

.l'<br />

nicht begriffen?<br />

2. Die faschistische Gefahr. -'<br />

Die grosse Gefahr war ja im Verzug. In aller Munde<br />

stand cs. Die Faschisten gingen zum Angriff über.<br />

Noch nie war die Lage so günstig für die Reaktion,<br />

noch nie ihro Aussichten so gross, Der grosse Wahlerfolg<br />

vom September 1930 hatte Hitler neue Schwingen<br />

wachsen lassen, die wirtschaftliche Not — die natürliche<br />

Basis für seine skrupellose Propaganda — stieg<br />

weiter an, das Hin- und Herschwanlcen der Regierung<br />

Brüning, die sich nie zu einer tatkräftigen Abwehr<br />

der unglaublichen Hetze gegen die Republik aufraffen<br />

licss, zersetzte wcitcr den Bcamtenapparat, der immer<br />

mehr und mehr nach rechts zi> schielen begann, das<br />

grosse I"ragczcichcn . der Rcicllswellly w o y o h t ischc<br />

I<br />

I<br />

i


I t iganten'und Abenteurer einen festen I"uss gcfasst .<br />

u haben schienen, trug das seine zur allgemeinen<br />

verwirrung bei<br />

Aussenpolitisch war die Situation solcher Entwicklung<br />

der Dinge auch recht günstig. In England der<br />

Sieg der Konservativen schlug der A r beiterpartei<br />

g rosse Wunden i n d e n K ö r p er, d e r G e d anke d e r<br />

unwiderstehlich zur Macht emporsteigenden Arbeiterklasse<br />

scl>ien überall iüsWankcn geraten zu sein — das<br />

wirktc sich psychologisch ungemein stark aus. In Italien<br />

sass Mussolini so stark wie nur jc, ciuc geschickt<br />

gciührtc P r opaganda d e r ,)A u f b au"-'l'üligkcit d e s '.<br />

faschistischcu Staatis brachte ihm Ansehen un(1 neue<br />

ICraft hinzu. Sovjctrussland war durch die immer steigende<br />

Spannung im Osten vollauf lahmgclcgt und di«<br />

ivirtschaftlichcn Schwicrigkcilc» d i eses «illxlgcu Alb<br />

citcrstaates der Weil w a ren nicht angclan für d i e<br />

allcrwürtigc Verwirklichung sei»cs Gedanke»s zu<br />

werben. In,l"rankreich war die Schlacht der Phrtcicn<br />

im vollen Gangc un d d e r du r c h d c utschc Bcchtssclnvcnkung<br />

wieder i n v o l ler T ü ti«kcit b c f i ndlichc<br />

Chauvinismus französischer Nazionalisten gab wieder<br />

der Ilitlerpropaganda neue Nahrung.<br />

Alles, aber Alles sprach dafür, dass die faschistischc<br />

Reaktion die sich bietende Chance des Losschlagcns.<br />

in einer so aussichtsvollen Konstellation nicht vorbeiziehen<br />

lassen werde, Jetzt oder nie. Das war ihre letzte<br />

.. Karte und dass sie sie zu spielen versuchen werde,<br />

stand für jeden einigermassen einsichtigen Politiker<br />

fest,<br />

8. Da s ICommen des Sozialismus.<br />

Was war da zu machens Vfie die der Arbeiterschaft<br />

drohende Gefahr abzuwehren'L .


Fjns war klar: der Sozialismus konnte nicht versch- '.:<br />

winden, sein Kommen war uns durch den ehernen­<br />

Gang der Geschichte verbürgt, Karl Marx hatte uns<br />

allen das Fenster in die Zukunft geöffnet, Idar und.<br />

unzweideutig sah man daraus die reell existierende . '<br />

Ferne: der Kapitalismus grub . sich sein Grab:und<br />

verstrickte sich in dem Netz absurder Konsetluenzen,' ' .<br />

. Nur in Einem h atte M arx s ich v e r r echnet —. er' '<br />

konntc nicht das so baldige Kommen der k r i tischen<br />

Zeit vorausscltcn, cr rechnete mit Jahrzehnten, viel- .<br />

leicht gar rccltt viel«n Jahrzch»lcn. Aber die. Entwiclclung<br />

ging rascher, die Errungcnscltaflcn der modcrncn '<br />

'fccltttik wirkten sich in viel höherem Maassc in der:<br />

Wit tscltttft;tus, als man cs vorausschcn konntc, die<br />

ICtttvc tlcs Aufslicgs wttnlc i m mer s t cilcr, die 13cscltlcuttigtt»g<br />

i rntncr g t 'össct'. I . ttf tvct kcltr, T c l c- ..<br />

p ltonic, t l t a h llos«s F c r n sprcchwcscn, K i n o als . ­<br />

V crcinhcitlichet von Gcdankcn utul E t l chcn iti der :<br />

ganzen Welt , B at i onttlisierung i m W i r tscha f tsge-'<br />

triebe — das alles brach alle Schranken, das machte '.<br />

tlas Gcscheltcn allerwürts synchtoniscltcr, das Hollen<br />

der Welt ihrem von Marx so klar gcscltcnen Endziele<br />

zu wurde immer rascher, Der Weltkrieg mit seltlem<br />

fürcltterlichen Zerstören von W e r ten, beschleunigle - '.<br />

enorm das Kommen der IQ'ise.<br />

Und nun war sie da, sie tobte,. sie brach wild»les .'<br />

zusammen, die stabilsten Valuten krachten, Millionen .,<br />

von Existenzen wirbelten, arbeitslos geworden. ohn"<br />

mächtig durcheinander, der unbarmherzige Hunger-tod<br />

stand in Augen Vieler, Vieler. A lle Begriffe~ '<br />

durch Jahrhunderte verfestigt, w aren p l ö tzlich .;<br />

erschüttert, die Welt luachtc in allen Fugen<br />

Und nun stand schon im Osten, ein Sechstel<br />

Erdoberflhchc umfassend, eine neue, aber ganz ga"z<br />

anders gestaltete Maclst, der Sovjetstaat. Sie .wand<br />

18 '


sich freilich in f ü r chterlichen Ikrümpfcn, sie blutete<br />

und Rauchqualm stand über ihr, aber sie war da, als<br />

erster Arbeitcrstaat der Welt, sie erstarkte von Stunde<br />

- 'zu Stunde, sie war durch natürliche Faktoren<br />

geschützt, nichts konnte sie mehr in dem Aufbau des<br />

neuen, der alten kapitalistischen Welt auf Lehen und<br />

god verfeindeten Staatsgedankens, aufhalten. W e l t­<br />

]~jse und Bestehen von Sovjetrussland, das waren die<br />

beiden Hauptcharakteristica der Lage, 'das waren die<br />

zwei Grundmomente,. die ganz klar aussagten: wir<br />

nahem uns dem Umschlagspunkte, der Schicksalss<br />

tunde der Menschheit mit einer unerbittlichen, mi t<br />

einer mathematischen Sicherheit,<br />

4. Biirgerlcrieg muss vermieden mc~4en,<br />

Aber wie würde es kommen — das war die grosse<br />

Frage. Für mich, der den russischen Bürgerkrieg mitgekampft,<br />

und alle seine Schrecken miterlebt hatte,<br />

und der zugleich Westeuropa gut kannte, war die Aufgabe<br />

klar vorgezeichnet: die Menschheit durfte nicht<br />

den russischen Weg gehen. Dort war ein riesiges, relativ<br />

schwach bevölkertes und auf einer noch primitiven<br />

Kulturstufe stehendes Land, h ier i n t ensive Ifultur,<br />

dichte Bevölkerung, engmaschiges Verkehrsnetz,<br />

enorme technische Mittel — lauter Momente, die die<br />

Zcrstörungsmöglichkcitcn und ihre Auswirkungen ins<br />

Ungcmcssene steigen l assen m u ssten; h i e r wa r e n ,<br />

enorme Kultuxsver te angehauf t, deren unvermeidlicher<br />

~;:,' = ' .Verlust in e i nem ' Bürgerkriege der M e nschheit<br />

;:" . - schrecldiche Wunden schlagen würde, Dort war eine<br />

relative Isolierung, die enormen Ausmaasse Russlands,<br />

llnwegbarkeit, Felden.von machtigen Nachbarn waren


Momente, die Bussland beliebige Experimente gestat'<br />

tcten; hier, speziell Deutschland, war von anderen<br />

starken Ländern umgeben, die zum Teil sogar feind<br />

lieh und misstrauisch ihm gegenüber gesinnt waren.'<br />

und deren Eingreifen immer im Bereich der leicht zu<br />

vcrwirklichcndcn Möglichkeiten lag.<br />

Aber noch gab es Überlegungen, die eine kqtastro<br />

phale Entwicklung in.'Deutschland unliebsam erschei<br />

nen liessen: im Bürgerkriege würden enorme Zer<br />

störungen zustande kommen, Aber der darauf folgende<br />

Arbeiterstaat durfte nicht ein Trümmerfeld erben,<br />

er musste. doch sofort.das neue Leben bauen, er<br />

brauchte selbst die Mechanismen, ohne welclie seine<br />

I'orklaucr abermals unter I'rage gestellt worden wäre,<br />

Und ausserdem: war der einzige Albcilclstaat der<br />

Welt, Sovjetrussland, nicht selbst durch eine eventuelle<br />

I(a tastrophc iu Dcu tschland gefährdet — könnte<br />

cr nicht vielleicht in Vcrwiclclungcn mithineingezogen<br />

werden, die seinen Aufbau, seine Erstarkung in Frage '<br />

stellen würden7 Und war d enn seine ' Erstarkung<br />

nicht eine I


fährige >fasse, eine künstlich zusammcngcschlagene<br />

J(raft zu schaffen. Wie konnte er cs2 Was tat cr dazu2<br />

Iiatte cr vielleicht ehvas besonders Sinnvolles, prinzipiell<br />

Neuartiges cntdecl t2 Nichts von alledem. Er hat<br />

nur mit Ausdauer, Konsequenz und Energie Methoden<br />

angewandt, die früher mal, vielleicht als erste, gerade<br />

die deutsche Sozialdemokratie mit Erfolg anwandte.<br />

gVaren die roten Fahnen der Arbeiterbewegung nicht­<br />

Symbol, das den Massen im Nu ihre Einstellung<br />

kapitalistischen Staate und ihren Befreiungs- und<br />

Kampfeswillen in die Erinnerung rief2 W a ren der<br />

Spitzbart a la Bebel, die rote Nelke im Knopfloch, der<br />

' Schlapphut, nicht ehva propagandistisch wirkcndc<br />

äussere Zeichen, Symbole2 Waren es denn nicht<br />

Mittel, deren sich die Sozialdcmokrafiie frülicr ausgiebig<br />

bediente2<br />

I rcilich, jetzt was' sie in ihren cigcncn Augen älter,<br />

„vernünftiger", geworden, sie sah diese Zeichen als<br />

etwas äusserlichcs, minderwertiges an, ihre I


gemessen, ganze Propaganda-Mimsterien wurden<br />

den damaligen Regierungen errichtet. Man w ejss<br />

auch zur Genüge, dass Sovjetrussland grosszuglge<br />

. ' systematische P r opaganda a u c h wäh r end<br />

Durchführung des Fünf j ahresplanes in<br />

testen Vollcsmassen trieb, eine P r opaganda, die<br />

das seelische Erlebnis des V o llces dauernd. in<br />

einer gewissen Spannung zu halten vermochte, wel- '<br />

che jenes. nun auch befähigte die unerhörten Qy ferzu<br />

tragen, mit d enen di e V erwirlciichung dieses<br />

schwierigen Unternehmens verknüpft war.<br />

' Den Russen haben dann die italienischen Faschisten<br />

- Vieles abgeguclct, Mussolini licss die russischen Methoden<br />

systematisch beobachten und direlct nachäffen,<br />

auch in Italien fing man an nach russischen Mustern<br />

von einer „Battaglia del grano" (propagandistische .­<br />

Unterstützung des landwirtschaftlichen Aufbaus) usw<br />

zu sprechen, eine „Nostra dclla Rivoluzionc Fascista"<br />

(Ausstellung der faschistischen Revolution) aufzuziehen<br />

und dcrgl. mehr, In I talien wurde auch lconseciucnt<br />

die bildliche Einschüchterungs-Propaganda<br />

angewandt: wer Italien bereist hat, hat sicherlich<br />

. überall auf den Wänden der Häuser, auf den Zäunen<br />

usw in den Strassen einen in schwarzer Farbe gehaltenen<br />

mittelst Schablone scharf gezeichneten Mussolini-Ikoyf<br />

mit drohenden, unheimlichen 'Gesichtszügen<br />

gesehen, unter dem immer die Worte stehen': „Guai'<br />

a chi toccal" (Wehe dem, der daran rührtl). Kreidewandaufschriften,<br />

wie W IL DUCEl(Es lebe der.Führer),<br />

M LENINl (Tod.dem Lenin) und umgekehrt waren<br />

und sind auch jetzt noch Beispiele aus derselben<br />

Kategorie. Auch der Duce legte sich ein Symbol beidas<br />

„Fascio" (das Lilctorenbündel), wie in Russiand<br />

vorher Sichel und Hammer zu Symbolen der Sowjet­<br />

Proyaganda wurden, Mussoliai ging. aber noch weiter .


— er führte das Lautsymhol ein, die Hufe „A noil",<br />

,,Alalhl", „Ducel", mit denen sich die faschistiscl>cn<br />

Massen Blelctrisiertcn, er schuf auch das plastischc<br />

' Symbol, den „Römischen Gruss".<br />

Die deutschen Kommunisten machten alles den Russen<br />

nach. Hitler übernahm nun das Prinzipielle seiner,<br />

Z eichen von beiclcn Lagern, den Kommunisten, wie . .<br />

den italienischen Faschisten, mi t e i n e r u n e rhörten<br />

' Hartnäclciglceit pauicte er nun den Menschen, die er<br />

durch hemmungslosen Vlortschwall auf sich aufmerlcs<br />

am machte, seine Formeln und Symbole ein, V e r - '<br />

.. standnislos sahen die Machthabn der sogenannten<br />

deutschen Republilc dem Tr eiben zu. Er e r d r eistete<br />

sich immer mehr, er höhnte, er schimpfte, er drohte.<br />

Vnd jedes, so scharf gesprochene %fort, jeclc Drohung '<br />

verband sich i n d e n Seelen der i h m l a u schenden<br />

Menschen mit seinen Zeichen, sie wurden allmählich<br />

die XVicdcrerlccnnungszcichen seiner Pforte, seiner<br />

Drohungcn, Zwei Möglichlccil.cn waren in den Hündcn<br />

der Regierung diesen Assoziicrungsprozcss zu unterbinden<br />

— cs gcnügtc cntwccler die Symbole zu be­<br />

- icämpfen I durch bestimmte Handlungen sie lächerlich<br />

• ' 1 Cg<br />

zu machen, oder zu verbieten, oder dem „Trommler<br />

das Schimpfen, Schreien und Drohen unmöglich zu<br />

machen, Weder'das Eine noch das Andere geschah.<br />

Und das Einpumpen der Kraft in die feindlichen Sym- .<br />

. bole ging ungestört vor sich weiter.<br />

Einem, der wie ich, die Pawlow'sehen Arbeiten über<br />

die bedingten Reflexe — war ich doch sein langjähriger<br />

Assistent gewesen — lcannte, diese grossartige<br />

wissenschaftliche Leistung, die uns den Vorhang über<br />

die die höchste Nerventätiglceit von Tieren und Menschen<br />

beherrschenden Gesetze lüftete, die uns nun so<br />

' Vieles im psychischen Leben der Geschopfe mit einem<br />

Schlag hegreifen liess, die die Grundlagen für ratio­<br />

18


ncllc Dressur Erziehung, Reklame, Propagandatät;g<br />

kcitcn schuf war alles klar: Hitler ging den richtj cn<br />

ichen, c~ baute bestimmte<br />

bedingte Reflexe in die Gehirne der empfänglichen<br />

: ihlassen ein, er konnte, er musste'den Erfolg davontra<br />

jagen. Seine Gegner machten es nicht, und mussten vcr<br />

.. licren..<br />

In Aufregung wanderte ich im Jahre 1931 oft durch<br />

die Strassen Heidelbergs und. anderer deutschen .<br />

'Städte, sah ohnmächtig dem zielbewussten Treiben<br />

' der Hitlerpropaganda in den Strassen zu, wusste um<br />

ihre gesetzmässig bedingte Wirkung-und dachte so<br />

o ft an das' ur>ausblciblich Kommende, an das m i t<br />

absoluter Siclicrhcit vor meinen Augen sich abrollende<br />

Geschc»en. Wi e w a r d e m c n t gcgcnzutrctcn7<br />

Worum machten wir, Hitlers Gegner, es nicht ebenso'!<br />

. ' Aber wie, womit, was hätte für uns, für die Arbeiter­<br />

• massen, ein Kampfsymbol sein könnende. Siel>ei und<br />

.. IIamrqer — das kommunistische Zeichen — war kein<br />

.Kampf-,' sondern ein Aufbausymbol, zugleich war es,.<br />

bereits so stark. parteipolitisch gefärbt, die enormen '<br />

ihlassen der deutschen Arbeiter, die in der sozialdemokratischcn<br />

Partei organisiert waren, lchuten es ab, an<br />

sein Durchdringen war nicht zu denken, zudem war<br />

es graphisch zu schwer, zu unbeholfen, es konnte nicht<br />

leicht von Jedem gezeichnet werden. Und darauf kam<br />

cs an: das Hakenkreuz prangte überall, millionenfach,<br />

gerade weil cs so leicht darstellbar war und darin lag<br />

scinc uügchcucrc Gefahr, Das Partciabzcic»cn der


q pß war lulmöglich — cs schien symbolisch für die<br />

-Schlapphclt und Anpassungswillcn, die ill der Partei<br />

waren, zu sein: CS War 3<br />

Wurmartigcs in diesem.pild, es schlüngeltc und wand<br />

sich und wirkte unmittelbar so abstossend, dass es<br />

• • • • • •<br />

sogar im Knopfloch f ast von k einem Parteimitglied<br />

' ausser der l'unktionäre bei l"cierlichkeiten getragen<br />

wurde,<br />

Was war nun für die Nazi-Propaganda besonders<br />

charakteristisch't Das war die A nwendung des Prinzips<br />

der Einschüchterung. mittelst eines ciniachstcn<br />

Plakat-Surrogats: des überall hingemalten Hakenkreuzes.<br />

Dieses graphische Symbol wurde nun durch<br />

ein plastisches, den von den italienischen Faschisten<br />

in sklavischer Nachäffung übernommenen sog. Rö­<br />

. mischen Gruss, der übrigens in Deutschland nicht so<br />

feierlich wie in Italien, sondern recht schlapp, wie<br />

hingeworfen, geübt wurde, und durch ein Lautsymbol;<br />

' den Hitlergruss „Heil. Hitler". unterstützt. Zwecknlüssig<br />

war das System schon, das war mir als altem<br />

:;: ...: - . Propagandisten — im russischen Bürgerkriege — und<br />

.':-'".::.= .,;-'-.' 'als Pawlow-Schüler ganz glar, Iaar war es mir auch,<br />

" .": : « s s wir, Sozialdemokraten, keine Aussicht hatten mit<br />

-:,:--.,:--.'.,' -:20 -,'­


unseren nur auf Logischem auf b t<br />

dc en l lici den jetzigen Massen gegenübergc<br />

au en alten<br />

der s<br />

Methp..<br />

ci<br />

. yhysiologisch r a tionell g e führten N azi r o a<br />

g g op g nda .<br />

g. Das Boxheimer Dolcument und unser Unbekannte - .­<br />

Soldat.­<br />

Gegen das Ende des Jahres 1931 erzitterte ganz<br />

Deutschland durch ein Ereignis: in der Nähe von<br />

Darmstadt wurde ein Dolcument gefunden, das seitclcm<br />

als das sog. Boxheimer Dokument bekannt wurde..<br />

Es war ein Programm der Nazis, wenn sie an die Macht<br />

lcommen solltcn. Es war ein blutrünstiges Stüclc, voll.<br />

von IIass, Mordwillen und Diohungen — auf alles gab<br />

cs nur eine Strafe: Erschicsscnl<br />

Ein Paar Sätze daraus seien hier angeführt:<br />

„I. J e der Anordnung der SA, 'Landeswehren usw,<br />

gleich von welchem Dienstgrade erteilt, ist sofort Folge<br />

zu leisten, %widerstand wird grundsätzlich mit dem ' .<br />

Tode bestraft.<br />

2. Jede Schusswaffe ist binnen 24 Stunden an' die<br />

SA usw. abzuliefern. Wer nach Ablauf dieser Frist<br />

. im Besitz einer Schusswaffe betroffen wird, wird als '<br />

Feind der SA und des deutschen Vollces ohne Verfahren<br />

auf der Stelle erschossen..<br />

3, Jeder im Dienste öffenßicher Behörden oder<br />

, öffentlicher Verlcehrsanstalten stehende Beamte, Angestellte<br />

und Arbeiter hat sofort seinen Dienst wieder<br />

aufzunehmen. widerstand und Sabotage wird mit dem .<br />

. Tode bestraft. An.die Stelle,der obersten Staatsbehör­<br />

2i


den (ministerien) tritt die Führung der SA, vertreten<br />

durch mich.<br />

Die'von der Führung. der SA erlassenen Notverordnungen<br />

haben für jedermann mit dem Tage ihrer<br />

Veröffentlichung durch Anschlag Gesetzeslcraft..Versstösse<br />

gegen diese Notverordnungen werden in besonders<br />

schweren Fallen über die in i h nen bestimmten<br />

Strafen hinaus mit dem T ode bestraft".<br />

• • • • • • • • • • • • • • •<br />

Alle Lebensmittel stehen zur Verfügung der .<br />

Führung der SA und sind an deren Beauftragte auf<br />

Anforderung. ohne Entgelt abzuliefern.<br />

2, Jeder Verlrauf und jede tauschwcise Veräusserung<br />

von Lebensmitteln ist verboten".<br />

Eine ungeheuerc E r r egung b emächtigte s i ch<br />

Deutschlands, besonders in der Arbcitcrprcssc und in<br />

den Arbciterlcreiscn war m a n e m p ört, aufgebracht,<br />

aufs höchst«. gereizt.<br />

,Etwa füni Tage danach wanderte ich in den Stras­<br />

' sen Heidelbergs herum und bli«b plötzlich. wie vom<br />

. Donner gerührt. stehen — an einer Ecke an der Wand<br />

stand ein Hal~enlcreuz angemalt, durch welches ein<br />

.wuchtiger weisser Strich zog. Ein Blitz durchzuckte<br />

mein ganzes Wesen, wie ein Licht ging es mir plötzlich<br />

auf: da war j a d i e g esuchte, die ' geträumte<br />

Lösung I<br />

Ich stellte mir sofort den psychologischen Hergang<br />

des Geschehens vor: irgend ein temperamentvoller<br />

. M ' :


Arbeiter, aufs höchste in diesen Tagen durch die ßox.<br />

heimer Geschichte aufgeregt, konnte nicht seiner Erre<br />

gung Herr werden, er musste abreagieren, er nahm<br />

ein Stück Kreide und versetzte dem verhassten S~<br />

hol einen Schlag, er vernichtete es, er durchstrich es<br />

und gab so seinem angehäuften Unwillen und Hass<br />

Luft. %'er war cs2 Nie v,erden wir es erfahren — das<br />

Bild eines Unbekannten Soldaten unserer grossen Arbeiterarmee<br />

stand plotzlich vor mir. In höchster Auf- '<br />

regung ging ich von dannen und überlegte mir'den<br />

Plan. Es war nun einfach und klar: das musste überall .<br />

geschehen, nicht ein Ha kenkreuz in g anz Deutschland<br />

durfte mehr unbehelligt bleiben, das als Auslöser<br />

des für Hitler günstigen bedingten Reflexes fungieren-'<br />

de Zeichen musste in sein Gegenteil u m gewandelt<br />

werden — cs sollte von nun an den unbändigen<br />

Eampfcswillcn, die AVucht seiner Gegner zeigen: alle<br />

Ilakenkrcuze durch eine unsichtbare Hand iortan<br />

durchstrichcn, zerschlagen, ein neuer bedingt«r Reflex<br />

in die Hirne der Massen .eingehämmert — der<br />

Nille einer neuen Macht, der endlich erwachten, der<br />

nun überall erscheinenden Arheiterschaftl<br />

7. Das Drei-Pfeile-Symbol.<br />

Ich hatte 'die Lösung, aber war sie praktisch durch­<br />

. führbar2 Konnte ich hoffen sie in ganz Deutschland<br />

durchzusetzen2 Das war nu n di e grosse, die aufregendste<br />

Frage. Am nächsten Abend rief ich ein Dutzend<br />

jugendliche Arbeiter, Reichsbannerkameraden<br />

zusammen. Ich sprach ihnen von unserem Kampf, ich<br />

erläuterte denSinn der Symbole, feuerte sie an und gab<br />

Jedem ein Stück Kreide in die Hände:. „Jetzt los in<br />

28


den gampf, streicht das ecl.-ige Ungeheuer mit einem<br />

pfeile, mit einem Blitze durchl" Dc r S t r ich w u rde .<br />

somit zum Pfeil, weil so das Dynamische unseres<br />

~p f es noch besser zum Ausdruck lcam.<br />

Sie stürmten in die Nacht hinaus, sie jubelten, jetzt<br />

hatte auch i n ' i h nen p l ö tzlich d e r a n g esammelte,<br />

dauernd durch sog. „Ordnungs-" und „Zur Disziplin"­<br />

Hufe der Pührcr künstlich gehemmte Tatendrang,<br />

freien Lauf beikommen. Die nächsten Nächte vergingen<br />

wie im Taumel. Sofort mcrl~ten die Gegner, dass<br />

nun was in der Stadt vor sich ging, sie horchten auf,<br />

e s tauchten frischgemalte Hakeniaeuze sofort a u f ,<br />

d ie von uns nim w i eder durchstrichcn wurden, S i e<br />

tobtcn vor Wut: nichts andcrcs lconntcn sie machen,<br />

als neue Iialccnlucuzc anzumalen. H i n I ( l c i nlcricg,<br />

eine eigenartige Guerilla cntspanu sich in der Stadt.<br />

Als Wisscuschaitlcr gewohnt einen Vorgang zahlcnmüssig<br />

zu überwachen, experimentel zu prülcn bcwalfnctc<br />

ich micli' mit cineast Notizbloclc und lict täglich<br />

morg«ns eine la»gc Strasse cntlan


es ihnen nun ging: „Jedesmal" — so sagten sie — „wo<br />

wir in den St assen gehen und das d urchstrlchcne<br />

Fcindeszeichen sehen, gibt es einen seelischen Schock<br />

da sind unsere Leute gewesen, sie kämpfen, sie<br />

kampfen wirl'lieh l"<br />

Also war di e A u fgabe lösbar, ich k o n nte<br />

rechnen, dass dieser Ikampf von Erfolg gekrönt seqn<br />

würde, ja musste, wenn er nur überall durchgeführt<br />

würde. Jetzt war der nächste Schritt zu wagen: unsere .<br />

Organisationen, unsere Führer d a für z u g e winnen.<br />

War das unmöglich? Das schien mir zunächst nicht<br />

das Schwierigste zu sein; die Gedankengänge waren .<br />

ja so einfach, praktisch war ja auch alles ausprobiert, -'<br />

dic Möglichkeit des Erfolges bewiesen, ja gesichert,<br />

I (ö»u ten hiev n och Z w e i fel s e in ? E i r ik


tischen, ix~rtschaftlichen rind physischcn Machtfaktoren<br />

unserer Bewegung.<br />

Aber noch mehr: in diesem Symbol lag eine Erkenntnis<br />

des Dynamischen, der Angriffsidee und ihrer<br />

Gehundenheit an drei Forderungen an sich selbst für<br />

jeden I(ämpfer, nämlich: Aktivität, Disziplin, und<br />

Einigkeit. Zugleich war drin auch die Dreiheit unscrcr<br />

höchsten Ideale verkörpert: Freiheit, Gleichheit, Hrüderlichkeitl<br />

Und noch . im Glcichgerichtetsein ag<br />

wunderbar auch. die Idee der Einheitsfront: Alles<br />

gegen den gemeinsamen Fcincl, auch alle politischen<br />

Richtungen und Schattierungen der s o zialistischen<br />

Tat.<br />

Dieses Symbol, das ausserordentlich leicht reproduiierbar<br />

war, so dass jedes IGnd cs zeichnen konnte,<br />

. war zugleich auch noch graphisch unverwüstlich,<br />

denn die Gegner konnten ihr Symbol nicht in gleicher<br />

Weise über das unsere setzen, wie.wir es taten, denn<br />

das Bild versteht auch dann Seder so, als ob das Hakenkreuz<br />

.durch unsere Pfeile durchstrichen. wäre,<br />

. Seine enorme überlegenheit über alle Symbole lag<br />

. auch darin, dass es nach dem christlichen kreuz das<br />

allereinfachste war. Ich stellte die bekannten Symbole<br />

neben einander — vom einfacheren zum komplizierteren<br />

— und verglich sie m an. könnte sie von<br />

.: diesem Gesichtspunkte aus in folgende Reihe bringen;<br />

das christliche Kreuz — das einfachste von allen, dann<br />

26<br />

I


die Drei Pfeile,.erst dann das Hakenkreuz — man<br />

vcrgisst ja immer, wohin es gewendet werden soli<br />

. was es will — nach rechts oder nach' links —, weiter<br />

der Halbmond — das Zeichen des Islam, das Sovjet<br />

zeichen — Sichel und Hammer, dann kamen die viel<br />

schwierigeren Symbole — das faschistische Liktoren­<br />

' bündel und die imperialen Zeichen — die Adler.<br />

Ausser den bildartigen Symbolen gibt es freilich<br />

auch noch l3uchstabcnsymbole — die bekanntesten<br />

aus der Geschichte sind ja das römische S.P.Q.R (Senatus<br />

populusque romanus), das i m Alt e rtum,<br />

.vielerorts 'angebracht, die Kunde von der Macht Roms. '<br />

überall mit sich trug,' und das R.F; (Republique Franqaise)<br />

aus der Französischen Revolution, das sich bis<br />

heute in Frankreich halt. Diese 3uchstabensymboie<br />

ly<br />

k<br />

27


sind aber im allgemeinen mehr sekundär entstehende<br />

Staatssymbole, sie sind zunächst zu abstrakt, um die<br />

Massen zu fesseln, sie regen die Phantasie nicht unmittelbar<br />

an.<br />

-.-. Somit sind von allen politischen Symbolen das Ha­<br />

- lccnkreuz und die Drei Pfeile vom Standpunkte der<br />

Ausbreitungsmöglichkeit wohl die geeignetsten, nun<br />

hat das Dreipfeilesymbol die ' enorme Überlegenheit<br />

über das Hakenkreuz infolge der ungeheueren Dyna-'<br />

mik, die darin liegt.. Und noch ein Stärkefalctor des<br />

'. -'-:. - . Drcipfeilesymbols — das ist die Zahl Drei, — die Drei­<br />

. heit liegt tief im menschlichen Wesen verwurzelt­<br />

Vater, Mutter, Kind — sehr oft trifft man die Dreizahl<br />

' ...'.': im menschlichen Leben, Denlcen, Fühlen, die „Drei"<br />

.' ist gewissermassen . auch geschichtlich „heilig". Da­<br />

- durch, dass sie unterbewusst, verankert ist, hat si e ' ' .<br />

.eine ungeheuere l3cdcutung in l3ezug auf psychologische<br />

Wirlcungsmöglichkeitcn.­<br />

Aber noch etwas — eine genaue logische Analyse<br />

zeigt, dass das Dreipfcilcsymbol uberhaupt nur das<br />

einzige inögliche Zeichen sein Imnn, w enn man d i e<br />

;- sozialistische Kampfidee verkörpern will. Die logischgraphische<br />

Entwicklung d i eses Zeichens sagt aus,<br />

dass es eine Art 2X2=4 ist. Folgende Gedankengänge<br />

führen dazu: wenn man sich frägt, was das Urcharak­<br />

:".=„':...;-: terist4che des Sozialismus ist, so stellt man fest, dass<br />

- -":::::.".''-.;. es das Kollektive ist, man könnte es in einer ersten ­<br />

'.--.':-:;.:-;;.:-Phase' als eine chaotische Anhäufung von stabformi­<br />

.'.:.'; "::; '28'-.:,-: .'


gen Elementen darstellen. Nun lcommt in einer zwei<br />

. ten Phase das Ordnungsmässige hinzu — ein eminent.<br />

sozialistischer Gedanke — z. B. Planwirtschaf t I — die<br />

Elemente richten sich, sie liegen nun alle parallel;<br />

das dritte für den Sozialismus Charalcteristische ist .<br />

die Bewegung, der Fortschritt, Zielstrebiglceit, Dyn<br />

milc. In dieser dritten Phase werden die gleichgerichtctcn<br />

Stäbe zu einer Vielheit von Pfeilen; und nun<br />

kommt das vierte hloment, das auch im Sozialismus<br />

stcclct, nömlig das Zusammcnt'assen, das System. Die<br />

Vielheit wird zur D r eiheit, und zwar eben nur z u r<br />

Dreiheit, weil die drei Elemente,- aus weichen die<br />

sozialistische Bewe jung - strukturell h esteht — p h ysische,<br />

wir tschaf tliche und geistig-politische Eraf tunbedingt<br />

lcatcgorialer Natur sind.<br />

Der Drcipfeil ist «las Symbol des Sozialismus. In<br />

sein«r schräg abwörts gerichteter Stellung ist es ein<br />

I(ampfsymbol — es erinnert an nicdersauscndc, .die<br />

l


mir beschieden war, einen grosscn diesheziiglichen<br />

Apparat zu schaffen und zu leiteo, kam mir zu Hilfe.<br />

Ich verfolgte auch schon seit langem Hitlers und<br />

besonders seit>es Propagandaleiters, Goebbels', Arbeitsweisen<br />

und sah zu meiner grössten Freude, dass<br />

ihr ganzer Aufbau recht primitiv war und nur deshalb<br />

einen so starken Erfolg hatte, weil ihre Gegner dem<br />

absolut nichts Ebenbürtiges entgegensetzten. Organi­<br />

. satorisch gesehen, war es eine ganz gewölmliche Ge­<br />

' neralstabsorganisation, die v o n e i nem' geschulten<br />

ehemaligen Offiziersmenschenmaterial getragen wur- .<br />

de. Nichts war darin von modernen rationellen Organisationsmethoden,<br />

von n e uen psychologischen und<br />

industriell-wissenschaf tlichen Erkenntnissen zu fin- '<br />

.den. Und doch handelt es sich beim Aufziehen einer<br />

modernen Propaganda heute darum, durch A n wendung<br />

rationeller Methoden den Wirkungsgrad der im<br />

politischen Ikampf eingcsctztcn Mittel — G eld, Zeit,<br />

Energie und Aufopferung der aktiven Mitkämpierim<br />

höchsten Maasse zu stel~«cm, Gellt lu so wie in dcl<br />

Wirtschaft durch Anwendung arbeitsparender Methoden<br />

mit Hilfe der Rationalisierung die Produktivität<br />

gesteigert wird, so ist auch in der politischen Propaganda<br />

der Leistungsgrad des Propagandaapparates<br />

durch Rationalisierung der Arbeitsweise zu steigern,<br />

Also hierin konnten wir im V orteil sein,<br />

Aber Hitler hatte bereits den zeitlichen Vorsprung<br />

vor uns. Wir m usstcn ihn ciuholen, wir . mussten in<br />

wenigen Wochen das tun, was er in Jahren getan<br />

hatte. Ich hatte die Zuversicht: wir konntiu dits. Das<br />

' Menschcnmaterial in der in der Sozialdemolcratischen<br />

Partei und in den Gewerkschaften. organisierten Ar­<br />

. beiterschaft war ausgezeichnet, gescliult, diszipliniert, '<br />

ausdauernd. und wie mir nun die Erfahrung in der .<br />

. Heidelberger Symholguerilla gezeigt, auch tatfreudig.<br />

80 '..


und entflammbar. Die bestehenden Organisationen<br />

w aren ein wunderbarer Apparat, ein Netz, das in lcür<br />

zester Zeit ein ganzes rationelles System von Propa<br />

ganclnmassnahmen auf di e w i r ksamstc Weise<br />

Wirlciichlccit umsetzen konnte. Es war nicht die enorm<br />

scluvicrigcre Aufgabe wie seinerzeit in Russland, wo<br />

man zugleich lcämpfen und bauen, und dazu noch mit<br />

. völlig ungeeignetem, ganz rohem Menschenmaterial,<br />

- musste,<br />

Welches sollte nun das System der Massnahmen<br />

sein7 Worauf musste es aufgebaut sein7 Hitler arbeitete<br />

mit Einschüchterung und mit Versprechen, mit<br />

Loclcen. Er l connte den' Massen in w i r tschaftlicher<br />

Hinsicht hellen Unsinn versprechen, ja direlct Ent-'<br />

..gcgengcsctztcs, und doch glnubtcn es ihm Millionen,'<br />

und liefen ihm nach. Wieso war das möglich't Die<br />

Anhvort ivnr niclrt sclnvcr: weil das Wcscrrtlichc hier<br />

clns „Wie" clcs Versprechens und Anloclccns.war. Er<br />

verstand cs, diese Mnsscrr zuerst irr einen Taumel zu<br />

vcrsctzen und


Anteil an ihrem Erleben, ihrem Wollen und Elandcln<br />

hat, Erst jetzt ist diese Jugend der Ikindhcit entwachsen<br />

und tritt ins Leben ein — das erklärt auch, warum<br />

die faschistischc %Pelle in der ganzen %feit, die nichts<br />

anderes als, -ein Ausläufer. des Wcltluieges, dieser<br />

enormen Erschütterung, di e d i e M enschheit durchzumachen<br />

hatte, ist, so spät, also erst jetzt in Erschei­<br />

.- nung tritt. Aus dieser Grunderkenntnis des Vorherrschens<br />

heute des Gefülsmässigen in den breiten und<br />

besonders auch in den jungen Massen, ist zu folgern,<br />

. dass bei einer richtig a u fgezogenen Propaganda die<br />

Triebe der menschlichen Seele vor allem ins Spiel<br />

gczogcn wcrdcn müssen.<br />

Wenn wir nun die Trichc,' die inneren l"cdcrn "...,.-' ', - so lche,, die u n m i ttelbar s e xuell e r r egend w i r k t e,<br />

,'t4 -'~"; .<br />

gQ


stützten sich i m Al t e r tum d i e M y s tcricn<br />

der Phalluskult, die z. B. P r ozessionen als eine<br />

gewisse Propagandaform dazu ausnützten. Elemen<br />

tar-negativ-erotisch ist A l l es, wa s v e rlacht . und<br />

verächthch macht. Hierher gehören z, B. Propaganda<br />

inhalte, die yersiflieren, so in F orm von Gassen<br />

hauern, lnrnevalistischen Umzügen, Karikaturen; ein<br />

gutes Beispiel hierzu ist die propagandistische Aus<br />

nützung des Slcandals um Hauptmann Röhm, den be<br />

Icanntiich homosexuell eingestellten obersten S,A,<br />

Führer der Nazi.<br />

In sublimiertcr Erotik l~önnen wir unterscheiden<br />

die mehr individucllc und die soziale Einstellung,.Zu<br />

erster gehört alles was mit echter Liehe und Freude<br />

zu tun hat — die propagandistischen Forinen dazu<br />

sind Vollcsmclodicn, Tänze, bei


nur dieses oder jenes Triebes setzen, sondern sie muss<br />

danach trachten, elle wesentliChen Triebe der menschlichen<br />

Seele in gewollte Schwingungen zu versetzen.<br />

nur die Totalität der Erfassung oller Triebe.<br />

gewährleistet den Enderfolg.<br />

Auch das Gefühlsmässige in der Propaganda lcann<br />

nach einem bestimmten System aufgebaut werden.<br />

9. Der Gruss „Freiheit"l und 'das System der<br />

Symbole, '<br />

-Entsprechend diesen seelenanalytischen Erwägun­<br />

- .gen war nun ein Propaganda-Plan aufzubauen, Er bestand<br />

aus zwei Aufgaben: erstens, ei n System der<br />

Symbole aufstellen, das heisst Symbolformen zu finden,<br />

die-Ausdruck für bestimmte Inhalte sein sollten,<br />

und zweitens, ein ganzes System von Propagandatätigkcitcn,<br />

die sich gegenseitig ergänzen uncl auch abwechseln<br />

solltcn, d i e v e r schiedenen Gclegcnhcilcn<br />

und Möglichlcciten zug«ordnet wären. Diese zum Teil<br />

."chon geübte, aber bisher oft wenig wirlcsamc Propa-.<br />

gandaformen, mussten von Grund aus revidiert und<br />

auf neuen, mit v o r gehender A n alyse im E i n k l ang<br />

stehenden Prinzipien auf gebaut werden.<br />

Was das System der Symbole selbst betraf, so waren<br />

hier zunächst zwei Modalitäten'und drei Formarten<br />

zu'unterscheiden. Die Modalitäten waren; das<br />

Prinzip der Einschüchterung uncl das Prinzip der<br />

.'. Verspottung. Di e F o r m arten: g r aphisch, p l astisch,<br />

phonetisch. Beide Modalitäten mussten in jeder For­<br />

, mart ihren Ausdruck finden, Das geschah nun in fol­<br />

- gender Weise.<br />

Das graphische Einschüchterungssymbol' war das<br />

Dreipfeilebild: es wurde über das Halccnlcrcuz gemalt<br />

:-:: ':- ':'- 84


oder auch allein für sich, in letzter Form war cs zu<<br />

leich noch ein Z eichen, das unsere eigenen gut<br />

lcämpfer mit Freude und Mut. erfüllte. Es sollte nun<br />

überall mit Kreide, Stift, Kohle oder Farbe auf ~än. '.'<br />

de, Zäune, Strassen, Verlcehrsmittel, Bierfilze in den<br />

Wirtschaften usw, hingemalt werden, es sollte auf ro<br />

ten Fahnen, auf Fahrradwimpeln, auf Lampions, pa<br />

pierfähnchen und Transparentea erscheinen, auch als<br />

ein Abzeichen getragen werden; es musste auf den:<br />

- Kopfblättern und im Text der Zeitungen ständig sein,<br />

auf Plakaten, Flugblättern, Klehezettela prangen, ia<br />

, die Erde geritzt, mit Hauch an Fenster oder auf he .<br />

. ' staubte I"lächen, wie Schutzbleche von Automobilen,<br />

Trambahn- und Eisenbahnwagen und dgl. gezeichnet.<br />

'hlillioaenfach musste der Dreipfeil nunmehr zu sehen<br />

sein, dauernd im V ollce von der Eisernen Front, von<br />

' ihrem Willcri und ihrer Macht sprechen,<br />

Das graphische Spoftbild hatte die Aufgabe in die': -'.<br />

Symholpropaganda in den Strassen eine ironische<br />

Note zu bringen, aus' der Erlcenntnis, dass im. politischen<br />

Kampf das Lücl>crliche tötet. Dieses Bild war.<br />

nun eine Hitlcrfratzc, die mit wenigen Strichen aus<br />

einem jeweilig angetroffenea Halcenkreuz gemacht.<br />

wurde. Sie wurde dann mit den drei Pfeilen durch- " '<br />

strichen. Allerdings soll das verspottende Moment in<br />

dem Propaganda-Feldzug nicht übermässig gepflegt<br />

, werden, das wichtigere, weil wirksamere, Element ist<br />

doch die Einschüchterung. Am besten stellt sich etwa<br />

folgendes Rezept dar — dreiviertel Einschüchterung<br />

und nur ein Viertel Verspottung.<br />

Als plastisches Einschüchtermngssgmbol,'als Gegenstück<br />

zu Hitlers und Mussolinis Römischem Gruss .hahe<br />

ich nun den senkrecht erhobenen, energisch ausgestreclcten<br />

rechten Arm mit geballter Faust vorgeschlagen,'<br />

Diese G ebärde s y mbolisiert u n seren<br />

85


gampfcswillcn — daher gehallt, auch die lfraft der<br />

schaffenden Arbeit — das Elauptwcrkzcug der Arbeit<br />

ist der Arm u n d auch unsere Bereitschaft, Angriffslust<br />

— erhoben, zum Niedersausen auf die Gegner bereit.<br />

Zugleich kommt darin auch unser sozialistisches<br />

Emporstreben zum Ausdruck — ' daher erhoben, nach,<br />

oben gestreckt, entsprechend der sozialistischen Devise<br />

„Empor zu m L i c h t l " D i e G ebärde sollte g ebraucht<br />

werden al s Ikollektivgruss, als Einzelgruss,<br />

bei der Begrüssung auf der Strasse, bei Gclöbnissen,<br />

beim Vorbeimarschieren geschlossener Züge.<br />

Das Gegenstück, das plastische Verspottungssgmbol,<br />

ist die alte römische Geste, mit welcher das Volk<br />

in Rom bei Gladiatorenkämpfen das Schicksal der<br />

Unterlcgcncn besiegelte, nämlich die Paust mit d em<br />

nach unten gewendeten Daumen, Sic musstc den<br />

Gegnern sagen: „ihr seid dem Untergang geweiht, ihr<br />

seid sclnvach und werdet vcrnichtctl" Diese Gchärdc<br />

solltc auf den Strassen gebraucht werden, wenn die<br />

Nazis ihren Eiitlcrruf uns entgcgcnstclltcn. Sie sollte<br />

auch in Umzügen, bei Sprechchören und anderen vcr- .<br />

spottenden Gelegenheiten gebraucht werden.<br />

Als einschüchterndes phonetisches oder Lautsgrmbot<br />

habe ich nun, als Gegenstück zu Nazis Ruf „Heil Hitlerl"<br />

den Ruf „ P r eiheitf". vorgeschlagen, und zwar<br />

weil dieser Begriff unsere EIaup tforderung im<br />


en Symbolen eine möglichst rasche Verbreitung<br />

Wirlcung zu verschaffen, sollten zu einer best,mmt<br />

1 ung und<br />

C' • ' es mmtcn<br />

stunde systematisch Spaziergänge unserer gäm f<br />

amp er<br />

au fden<br />

belebten St assen der Städte organisiert wer­<br />

den — das wurde technisch „Symbolbummel"<br />

nannt, sie sollten auch in die W i r tschaften hineingehen,<br />

wo sich um die bestimmte Stunde andere Ge<br />

nossen, die alle aucli das Dreipfeilezeichen zu tragen<br />

. hatten, einzufinden hatten, und die dann sich gegen- .<br />

seitig mit dem laut gesprochenen Ruf begrüssen soll- .'<br />

-ten, Auc1x Fahrten auf ,der Strassenbahn und den<br />

Stadtbahnen sollten organisiert werden, die an bestimmten<br />

Stellen an versammelten Genossen vorbeifahren<br />

und mit ihnen laut den Ruf und Gruss wechseln<br />

sollten. Der Ruf und Gruss sollten nicht schlapp,<br />

wie das meist bei den Nazis gemacht wurde, sondern<br />

mit höchster Energie hervorgebracht werden.<br />

All, verspolfencles Laulsgmbol wurde nun noch ein<br />

Ruf eingeführt, der den Nazis ihren provozierenden<br />

Ruf „I-lcil llitlcrl" verleiden, ihn lächerlich machen<br />

sollte. Zu diesem Zwecke deuteten wir das „Heil" in<br />

.„Heilt" um, und wenn die Gegner ihr „Heil HiOerl"<br />

riefen, sollten wir sofort ausrufen: „ja, freilich, vom .,<br />

Grössenwalinl" oder auch „wird schon geheiltl" oder<br />

„Die Eiserne Front heilt ihn schonl" Z u d erselben<br />

Kategorie gehörte auch die folgende Aufforderung an<br />

unsere Kämpfer: wenn man auf den Wänden die<br />

Worte „HEIL HITLER" angemalt vorfinde, so solle<br />

man dem L ein T hinzufügen, so dass also dann die<br />

- Inschrift so aussehe: „HEILT HITLER". Die Wirkung<br />

. des Hitlergrusses sollte somit'ins Lächerliche umge-:<br />

' waridelt werden.<br />

Welches sollte nun das System der Propagandatätiglccitcn<br />

sein7 Die Formen waren ja bekannt — es<br />

87


'- ; . ' . " : . -' . ' : . ' : ,'beruhenden.<br />

waren im Grosscn und Ganzen die bis jetzt meist gebrauchten<br />

Formen. Das Neue war nur, dass sie'durch<br />

hewusstes Anwenden dn Symbole eine gewisse .in<br />

ihrem Effekt vorausberechenbare Tönung erhalten<br />

so@ten. Freilich, sollten gewisse Formen der Propaganda<br />

mit dieser die Gefühlssaiten der Seele anzapfenden<br />

Methodik korreliert sein. So sollte das' Versprechen<br />

und Locken wirtschaftlicher Vorteile resp.<br />

d iesbezügliches H ervorheben d e s V e r sagens d e r<br />

gegnerischen Tätigkeit durch Flugblütter, Presse, Ver­<br />

-' sammlungen und individuelle Propaganda geschehen,<br />

Das Einschüchtern der Gcgnei und der Passiven und<br />

Ermutigen eigener Parteigönger sollte v o rnehmlich<br />

durch die Symbolguerilla, auch den Flaggenkrieg,<br />

durch Auimörsche,,durch K l i b czettcl, Plakate usw.<br />

. zustande kommen. Um die Gefühle des Zorns, des Mitlcids<br />

und der Vorsorge um das Schicksal seiner Augc­<br />

' . hörigen zu wecken, waren besonders Plakate, auch<br />

schlagkrüf tigc l


Flugblätter, Versammlungen, auch Plakate, die geeignetee<br />

Agitationsform.<br />

Organisatorisch sollte es von grösster Wichtigkeit<br />

sein, die einzelnen Propagandaformen und -mh<br />

nicht, wie bisher immer üblich; einfach in die Massen<br />

zu schleudern, ohne sich um das weitere Schicksal der<br />

getanen Propagandaschritte weiter zu kümmern, son<br />

dem ihren Effekt dauernd zu überwachen, möglichst<br />

objektiv festzustellen, übersichtlich darzusteHen und<br />

daraus praktische Folgerungen für weitere Aktionen,<br />

auch in Bezug auf Propagandainhalte, zu ziehen.<br />

Dazu sollte eine Durchführungs- und Erfolgskontrolle<br />

mit modernem Rüstzeug in Form von K arten, Schemen<br />

und Tabellen, organisiert. werden — der Erfolg<br />

meiner sog. „politischen Meteorologie" ,aus der Zeit<br />

. des russischcn Bürgerkrieges, wo,wir eigenartige poli- '<br />

tische Wcttcrkartcn zur l eichten Obersicht der Geschchnissc<br />

und I"cststcllung i h rer .ursächlichen Zusammcnlräng»<br />

vcrwcndcten, schwebte mir nu n auch<br />

hier.vor. Die Propaganda sollte rationell organisiert<br />

werden. Wenn man von Organisation, von einem.<br />

planmässigen Vorgehen spricht, so heisst es immer,-­<br />

. dass man. bestimmte Schritte so in der Z eit im d i m<br />

Raum ordnet, dass ihr Zusammenspiel zu den ge-.<br />

wünschten und i m V o r aus b erechneten Resultaten<br />

führen soll. Das Prinzip der politischen Wetterkarten<br />

besteht darin, dass man geographische. Karten.von<br />

dem mit Propagandamassnahmen zu überziehenden<br />

' Gebiet bereithält, worin das auf möglichst objektiven<br />

Angaben fussende Resultat irgendeiner durchgeführten<br />

Massnahme mittels Farben oder Strichelungen<br />

eingetragen wird. Eine solche'Karte gibt dann den<br />

Leitern der Aktion die Möglichkeit sich rasch zu orien­<br />

: tieren, um dann gewisse aus der Erkenntnis der Lage<br />

sich ergebende Folgerungen zu ziehen, und neue<br />

89


selben Verhältnis für alle Städte, wie ich es später<br />

nachprüfen l.-onnte. Wenn wir uns fragen, wieviel von<br />

diesen 60.000 als unsere aktiven Mitstreiter gelten können,<br />

so können wir es aus der Besucherzahl in den<br />

Versammlungen ergründen: es w aren etwa . 1000,<br />

' höchstens 2000 Menschen, in. Ersten Mai — Zug auch<br />

ungefähr 1000. Dasselbe galt von den aktivsten Gegnern,<br />

den Nazis. Die anderen kleineren und weniger<br />

aktiven Parteien brachten kaum auf m ehr al s 1000<br />

alle zusammen. Zusanunengerechnet ergab das etwa<br />

5000 relativ aktive Wähler. Wo sind aber die anderen<br />

55.000, die ja das gleiche Wahlrecht haben wie die<br />

Aktiven und deshalb mit ihrer Zahl das Endergebnis<br />

bestimmen 7<br />

D ie Aufgabe der Propaganda muss also sein, diese<br />

55,000 Passivercn zu erfassen, Wie lcann das aber<br />

gcschchcnP Unsere Presse lesen sie nicht, in unsere<br />

Versammlungen kommen sie nicht. Also unsere ganze<br />

Propaganda exsvcist sich als verlorene Mühe und verlorenes<br />

Geld — an die entscheidenden Elemente dringt<br />

sie gar nicht durch. Individualpropaganda zu treiben<br />

... erheischt viel Zeit, ist nicht leicht zu organisieren,<br />

-. denn sie erfordert zu g uter Ausführung eine Schulung<br />

von dazu geeigneten Menschen. Die 55,000 können<br />

nur. auf der Strasse erfasst werden, und so müssen<br />

wir mit unserer Propaganda auf di e Strasse gehen,<br />

Die Formen dazu waren bisher — Flugblätter, Plakate,<br />

Aufmärsche. Aber die Flugblätter sind relativ<br />

kostspielig und erfüllen ihren Zweck nur selten, weil<br />

sie, gerade bei uns, meist zu langatmig und infolge<br />

unbeholfener Tcchnilc of t recht wenig wirlcsmn waren.<br />

.; Aufmärsche sind sehr wirksam, besonders wenn sie<br />

n«h dynamischem Prinzip organisiert werden, ihre<br />

.;...;-:,:, organisation ist aber nicht leicht und zudem gesche­<br />

-,;-'-":-:hcn sie nur recht selten — in Deutschland waren sie


J ahrelang verboten. Das g eklebte Bild<br />

Druckwort auf der S trasse, also Bildplakate und z. B,<br />

konnten wir nicht ausgiebig gebrauchen, weil es recht<br />

. kostspielig ist.<br />

Der einfachste Weg unsere Propaganda auf der<br />

Strasse wirksam zu gestalten, mit ihr zu den „55.000".<br />

durchzudringen, war die Anwendung volkstümlicher,<br />

einfacher und b i l liger Mittel d e s Symbolkamp fcs,<br />

' die, in grössten hlengen erzeugt, bestimmt an die 5fassen<br />

auf der Strasse herankommen mussten und zudem<br />

noch den grosscn Vorzug hatten, dass sie direkt auf<br />

unsere eigenen Anhängci' aktivierend wirkten, weil<br />

ein jeder sie leicht anwenden konnte.und somit sich<br />

aktiv am Kampfe beteiligte.<br />

Zugleich waren die Symbole Zeichen, die vornehmlich<br />

das Gefühlsmässige übermittelten, d. h. Erlebnisse<br />

von der Kategorie, auf welche die 55.000 Passiveren<br />

am leichtesten ansprachen. Und zwar am einfachsten<br />

war die Vbermittelung des Angst- oder Einschüchterungsgefühls<br />

— mittelst des Hakenkreuzes;<br />

resp. der Drei Pfeile — und das war ja wiederum das<br />

Wirksamste. ¹ c ht z u un t e rschätzen war n och der<br />

Umstand, dass diese Symbole im Bruchteil einer Sekunde<br />

wirkten — e s w a ren g e w issermassen stenographierte<br />

Plakate und waren somit dem hastigen<br />

. Tempo unserer Zeit vollkommen adäquat,<br />

Wenn eine politische Kampagne durchgeführt wer­<br />

l<br />

gQ


den soll, müssen einige Grundsätze befolgt werden,<br />

v on ausschlaggebender Bedeutung sind: v o n<br />

diesen Grundprinzipien sind folgende ganz besonders<br />

von Wert: die ganze Propaganda muss auf wenigen,<br />

aber scharf, prägnant gefassten Formeln<br />

beruhen, diese Formeln müssen in die in einem besonders<br />

sensibilisierten Zustande sich bcfindende Masscnpsyche<br />

cingehämmcrt, hundert, j a t ausendfach<br />

wiederholt werden. — Dieses Prinzip beruht physiologisch<br />

auf der Bildung der Pawlow'sehen sog. bedingten<br />

Hcflczc. Eine andere Forderung ist die nach<br />

' Einheitlichlccit und Gleichzeitigkeit der Propagandaalction<br />

an vielen Stellen im L i n d e, wozu somit eine<br />

zentrale Leitung der ganzen Al~tion eine tincrlässliche<br />

Vorbedingung -ist. Eine wcitcre wichtige Forderung,<br />

die an eine gute Propaganda gestellt werden muss,<br />

ist die nach künstlerisch volhvcrtigcn Formen, verbunden<br />

mit der Losung „I(ampf dem ICitschl" I.cidcr ist<br />

gerade in unserer Partcipropaganda der falsche<br />

Standpunlct weit e i ngcrisscn, dass dem V ollce nur<br />

ganz Elcmentarcs, zum T ei l G r o bschlächtigcs und<br />

icünstlerisch Minderwertiges geboten werden lcönne.<br />

' Das ist absolut falsch: die Volksseele hat ein viel<br />

fcinfühligeres Empfinden, als wie es gewisse „Füllrer"<br />

glauben und spricht auf das wirlrlich Schöne viel<br />

eher an, als auf den ihr meist gebotenen IGtsch. Auch<br />

darf in der Propaganda nicht der moralische Boden<br />

verlassen werden — auch in diesem ist die Volksseele<br />

oft empfindsamer, als gewisse übcrgeschnnppte und<br />

blasierte „Propagandisten".<br />

Endlich ist noch eine Forderung an die Propaganda<br />

.. zu stellen: sie darf nicht auf Zufallsmomenten beruhen,<br />

wie es leider heute zu oft ist, Sie muss einen<br />

. lo gisch aufgebauten Plan aufweisen, worin jeder folgende<br />

Schritt' vom .vorhergehenden bestimmt wird,


worin somit eine planmässi~e Steigerun ~ zi<br />

L zu erlceniicn<br />

ist Erst dann lcann man von wirlclicher Le't<br />

ei ung, von<br />

zielbcwusstem Propagandafcldzug reden,<br />

Der erste Schlag. P<br />

Nun galt es i n 'den Kampf selbst zu ziehen: es<br />

näherte sich die erste Hindenburgwahlschlacht; Die<br />

Partei hatte die belcannte schmerzlich empfundene<br />

I arole ausgegeben. Schwer war es, aber es gab lceinen<br />

Ausweg: jede andere Kandidatur liatte sicher HiQer<br />

sofort zu r M a ch t g e bracht, un d d a s durfte nicllt<br />

Icommen, Zeit musste um jeden Preis gcxvonnen werden,<br />

aber freilich nur u m d i e K r äfte der Eisernen<br />

I ront zu sammeln, zu organisicrcn, sie auf strategisch<br />

• I.'<br />

te<br />

~'V<br />

aussichtsreiche positionen für d e n b evorstehenden<br />

Entsclieidungskampf . aufmarschieren zu<br />

l eich musste die Disziplin gewahrt werden — i e<br />

Parole war da, es war zu spät für teoretische Erörterungen.<br />

Es musste gekämpft wqrden.<br />

,Pro a andap 1an,<br />

I ch schiclcte nach Berhn e inen , p g<br />

Ich wartete vergebens auf eine<br />

eine Antwort. I c h ,koni<br />

erte das Symholbild, u nter welchem der<br />

am<br />

a m<br />

g eführt werden musste un d in welchem i e<br />

g


'..! i I<br />

prjnzjpjcn näßlljch das der Einschüchterung und der<br />

Verspottung, verknüpft waren — das wal auch der<br />

grund, warum später dieses kleine Bildchcn, das dann<br />

j n Qijihonen von Ezemplarcn v e rbreitet wurde, i n<br />

ganz deutschland so populär wurde. Von. Berlin aus<br />

bekam ich nach zehn Tagen, wenige Tage vor der<br />

SAcstj,1rbldlal Im gcljljjn Ol(14<br />

Wahl, die Antwort, cs würde bei der zweiten Wahl,<br />

„wenn möglich, Verwendung finden", Ich sandte das<br />

ganze System der Symbole, deren Begründung, eine<br />

ganze Reihe von konkreten Propaganda- und orga­<br />

nisatorischen V o rschlägen, i n al l e n E in z elheiten<br />

.;: -'-.. ' durchgearbeitet, Berlin blieb stumm.<br />

Zugleich sah man aber nur klägliche Stücke unserer ­<br />

;=i


nicht einmal die Parteigänger. lasen wieder 'e er pprangte<br />

ein unbeholfenes, kitschiges Bildplakat an den<br />

en<br />

S"<br />

au<br />

l<br />

en,<br />

das. jammerte und winselte, den Teufel an die Wand<br />

mute und von den Schrecken des kommenden Qrjt<br />

, ten Reichs sprach. War es nicht heller Unsinn, ein<br />

Beweis völliger Unfähigkeit zu psychologischer Ein<br />

fühlung, so aufzutreten, förderte denn so etwas +icht<br />

die Sache HitlersY Er drohte ja und unsere Partei- .<br />

plakate unterstützten seine Drohungen —. sie trieben<br />

das, was ich umgeA.ehrte Emschiichterung nannte, Unsere<br />

Versammlungen waren gut besucht, aber was war<br />

meist das, was man dort zu hören belcam7 Wieder<br />

'waren es unendliche Reden, historische Schilderun-.<br />

gen, Zahlen, Statistiken, Beweise und dgl., ab und 'zu<br />

. durch plumpe Mätzchen „belebt". Wieder verzettelten'<br />

sich die besten, die aktivsten Genossen in sinnlosen<br />

[cieinen Versammlungen in clcn kleinsten Orten. Ich<br />

habe einmal einem in diesem Sinne, recht „aktiven".<br />

Parteisekretär vorgcrechnct — im heissesten Augenblick<br />

der W a h l lcampagne, wo di e N azi w ütetcn,<br />

marschierten, ihre Symbole malten, unsere 'Leute<br />

schlugen, war e r aus der Stadt verschwunden,. er<br />

sprach in 'einem Loch vor etwa 100 Leuten, wovon<br />

ehva 80 unsere Anhänger, die alsa sowieso für uns<br />

gestimmt haben würden, waren. Von den restlichcn<br />

20 Mann hätte er wohl kaum mehr. als die Flälfte für<br />

uns gewonnen. Also alles ging nur darum, um ehva<br />

10 Stimmen zu gewinnen) l Und zu diesem Zwecke<br />

hatte er sein Partcibüro im Stiche gelassen, die tatfreudige<br />

Jugend blieb in der Stadt ohne Aufgahen><br />

die Reichsbannerkamera den . irrten zieL><br />

n denn er<br />

Stadt herum und waren auch ohne Führung,<br />

hatte in ä h nliche Löcher auch den Reichsbannerdführer<br />

verschic c .<br />

- führer dieser Stadt und den Sugend­<br />

Und das war überall so l


Au f alle meine Vorschläge der A k t i vierung, der<br />

>lodcrnisicrung des Ikampfcs sagten mir di e P arteiselcrctäre'und<br />

andere Funl'tionärc meist immer dasselbe:<br />

„Ohne Anweisung der Zentrale in Berlin lcönnen<br />

wir nichts unternehmen l" In heller Verzweiflung<br />

entschloss ich mich auf eigene Faust zu handeln, wer<br />

konnte es mi r al s e i nem Parteimitglied v erbieten,<br />

aktiv zu sein2 .<br />

-, Ich bereiste in zwei Tagen die wichtigsten Zentren<br />

- Südwestdeutschlands, ich sprach mi t l e i tenden Genossen,<br />

ich demonstrierte ihnen die neuen Methoden,<br />

ich liess junge Reichsbannerkameraden zusammenrufen<br />

und übte sie in den Formen des Symbolkampfcs.<br />

Ich hatte das Glück einige rührigc Menschen in relativ<br />

leitcndcr Stellung zu gewinnen, die Jungen griffen<br />

überall das Ncuc mit 13cgeistcrung auf und wendeten<br />

es mit 1


+ir wa r cs lclar, dass cs so kpnkmen mu<br />

Uss e: hütte<br />

doch die neue Methodilc clen enormen Vorzu<br />

orzug, gases j<br />

n • •<br />

sie dhrekt auf unsere eigenen Anhänger aktiviereag<br />

wirkte, weil ein jeder sich daran beteiligen, sie leicht<br />

anwenden'konnte, und weil darin eine gewisse romantik<br />

lag in Form eines icieincn persönlichen Ins>kos,<br />

was dem natürlichen Betätigungsdrang, ikesokk<br />

ders bei den J ü ngeren, einen Ausweg verschaffte,<br />

Nicht wenige wurden von der Polizei gefasst, mükk<br />

wurde vorsichtiger, aber. nicht weniger eifrig.<br />

In IIeidelberg selbst brodelte es wie in einem Kessel,<br />

die ganze Stadt stand unter dem Zeichen der Drei<br />

Pfeile und am Wahltage selbst waren alle feindlichen<br />

Klcbezettel vo n u n s eren schlagenden, drohenden,<br />

spottenden übcrlclebt, Hier ein Paar Beispiele davon: t<br />

oder:<br />

Und:<br />

„Hitler lcommt nicht an die Macht,<br />

Die Eiserne Front steht auf dcr %achtl"<br />

' Der Eiscrncn Front gilt unser Sclvvur,<br />

tl<br />

• • , ' cr<br />

Los, liebe Nazis, rührt euch nurl<br />

lang<br />

Sollt das Putschen ihr nur wagen­<br />

Schla enl"<br />

Die Eiserne Front holt aus zum S g<br />

Spottverse waren zum üexspkel.<br />

oder:<br />

„Wer Goebbels hört und Hitler lcennt,<br />

Sagt: „Hindenburg wird Präsident".<br />

und dgl. mehr.<br />

)'!.<br />

i<br />

i"<br />

'l<br />

I


pp „:. P


ei der l3cvöliccrung aus: di e S 1 1 f<br />

Llserncn I' ront lllachte einen grosse H<br />

12. De r zweite Schlag.<br />

i I • l '><br />

Ich war zufrieden: die neue Propaganda-Metliodiic<br />

hatte die Feuerprobe bestanden — sie hatte sich be-.<br />

währt — das hörte ich j etzt von allen Seiten im Süden,<br />

Zwei Tage nach den AVahlen belcam ich aus 13erlin ein<br />

Telegramm; „Bitten soforL lcommcn, zwcitcr37ahlgang<br />

steht im Zeichen Ihrer 5Icthodcn". Es war die Bitte .<br />

einer unserer höchsten SLcllcn, Ircilich nicht des Pnr.­<br />

Lcivorstai>des', Ich cilLc nach Berlin, voll Iloflnung und.<br />

Zuversicht. Nach meinen> Vorschlag wurden nun soforL<br />

aus allen T eilen des IKcichs Vertreter' telegraphisch<br />

zusammengerufen, eine Abteilung junger Genossen<br />

wurde zur Demonstration der neuen Methoden<br />

rasch angelernt. Der Vortrag, den ich nun vor unseren .<br />

alctivsten Leuten aus ganz Deutschland. hielt, worla<br />

n unserer neuen ~an%<br />

ich den Sinn und die I


trale die Sache lcitcn sollte, machte mich an die Arbeit,<br />

Nicht ein Tag, nicht eine Stui>de durfte verloren<br />

gehen.<br />

Das Kampfbild wurde sofort klischicrt und an alle<br />

Stellen im Reiche verschickt, wo es in Zeitungen mit<br />

Erläuterungen über die neue Symbolik erschien,<br />

sowie als Klchczcttcl i n M i l l i onen von Exemplaren<br />

verbreitet wurde. T o nnen von Kreide wurden. angeschaf<br />

ft und auf unsere Organisationen im Reiche ver­<br />

. teilt. Der Effekt war überraschend, unerhört — 'Alles .<br />

atmete plötzlich erleichtert auf, man sah nun endlich<br />

einen Ausweg, eine Möglichkeit. Zu Dutzenden liefen .<br />

• n un in der Zentrale Berichte ü ber d e n E r f o lg d e r<br />

neuen Propaganda ein, über den Bcgeisterungstaumel,<br />

in welchen unsere Kümplcrmassen gerieten. Die Berichte<br />

über die Wirkung auf die Gegner waren immer<br />

die gleichen — „vcrblül.'fi,", „übcrrlischt", „perplex"..<br />

Dic bürgcrlichcn Zeitungen sclnicben über die plötzlich<br />

einsetzende Aktivität der in der Eisernen front<br />

organisierten Massen.<br />

Bald kamen aber auch Nachrichten über gewisse<br />

sich nun z eigende Schwierigkeiten un d R eibungen<br />

innerhalb unserer Organisationen: cs 1cam zu Unstimmigkeiten.<br />

zwischen den Reichsbanner- und Eisernen '<br />

Front-Leitungen einerseits und den Partcistellen andererseits.<br />

Ich hatte die' Gefahr vorausgesehen und<br />

habe mir sofort nach meinem Vortrage in Berlin die<br />

g«sstc Mühe gegeben mit den höchsten Parteiinstan-,<br />

zen in Fühlung zu kommen, bei ihnen Interesse und '<br />

Vcrständniss für das Neue zu wecken, sie zu gewinnen<br />

und im Einklang mit der offiziellen Parteiwerbe­<br />

Zentrale zu arbeiten, Ich wollte einen gemeinsamen<br />

' ko ordinierten Propagandafeldzugsplan erzielen, Alle<br />

meine Versuche blieben aber erfolglos; einen meinen. .<br />

, Q>


Vortrag im Parteiausschuss oder im Par' '<br />

ar


spiel Es 1cam Ostern und jede Arbeit hörte plötzlich<br />

auf — Alles lief auseinander und wollte nichts von<br />

krampf hgrcn. Ich lief hin und her, sprach von der<br />

unmöglichkeit vier ganze Tage mitten in iler Schlacht<br />

zu verlieren, ich verglich die Lage mit einer grossen<br />

Schlacht, wo der Generalstab doch auch nachts und '<br />

Sonntags arbeitet, ich k o nnte nachweisen, dass. die<br />

Gegner nicht schliefen — alles war vergebens — man<br />

'sah mich mit grossen Auge~ an, man lachte nüch gutmütig<br />

aus, man feierte; man tanzte, man spielte Karten,<br />

Ich lief in das Gewerkschaftshaus — da war ein<br />

spiessiges Fest im vollen Gange. Damen mit grossen<br />

bunten Schleifen am Rücken stolzierten umher, un­<br />

- sere führenden „Genossen" in sclavarzen Röcken und<br />

mit dicken Zigarren zwischen den Zähnen lachten und<br />

ergötzten sich an W i t zen und Spässcn. I c h s u chte<br />

einen der,giarschälle" auf — er sass in seincin Garten<br />

und rührtc mit 5list seine llosenbcetc um. Er machte<br />

ein recht verdutztes G«sicht, als er m i c h p l ötzlich<br />

zweihundert I(ilomc tcr wei t von B erlin -auftauchen<br />

. sah und besprach mit mir die dringendsten Sachen<br />

ohne Zeichen von. Begeisterung und ICampfcswillen,<br />

Z ähneknirschend kam i ch z u rück nach Berlin, i c h<br />

'versuchte zu a r b eiten, aber praktisch was' ich ge- '<br />

lähmt: die 51echanismen der Organisation standen<br />

" still. Erst drei Tage später konnte wieder Alles laufen.<br />

Nun kamen aber die Intrigen, Im R eichsbannervorstand<br />

machte sich plötzlich der p r a k tisch abge-,<br />

setzte,,Püln er" Otto IIörsing lebend — er begann sicli<br />

zu rühren und zwar gegen das Neue — er erklärte das<br />

Neue wäre zu neu, „zu g efährlich", es k ö n nte der<br />

Pohzei nicht genehm erscheinen und'überdies käme.<br />

es ihm lücherlicl> vor, cr wäre besorgt vor der. Öffcntlic»keit<br />

im schiefen Licht zu erscheinen. Er forderte<br />

d»s alle weitere Entwicklung der neuen Propaganda 1


~ zu unterbleiben hätte, er drohte. Die<br />

lc<br />

Ze<br />

cn<br />

t<br />

ra<br />

• l<br />

e gehorch„<br />

c, sie kriegte plötzlich An


Begcjstcrungswelle, di e d u rch u nsere neuen<br />

Waffen entzündet war, nach meinem 33afürhalten<br />

l onntcn wir auf einen neuen Stjmmcnzuwachs von 4<br />

bjs 5 jgjlljonen rechnen. Nun war es unmöglich: jetzt<br />

würden wir für unsere Parole lmum mehr wie eine<br />

gjjljon Stinunen mehr erzielen. Es war nicht das, was<br />

nötjg war. D e n n d e r g a nze Plan m u sstc ja dahin<br />

zielen, einen enormen, eklatanten Sieg zu erzielen,<br />

den Gegner zu betäuben, die Republjlraner in einen<br />

Sjegestaumel zu versetzen, der sie ermöglichen würde<br />

sofort den Elan für di e gleich folgende Schlacht ­<br />

dje Preussenwahl auszunutzen, den entscheidenden<br />

. Schlag in Prcussen zu führen und in einer Reihe dann.<br />

weiter aufgezogener Propaganda-Ikampagnen den<br />

Gegner zu vcrnichtcn. Ich hatte den Plan dieser.ICam­<br />

.pagncn unserer obersten Leitung und auch dem Par- .<br />

tcivorstande — persönlich dem Genossen Wels — vorgelegt.<br />

Der I'lau umfasste folge»dc sich stcjgcrndcn<br />

Stufen: sofort nach dem zu crlaimpfendcn Prcusscns<br />

ieg Erzwjngmng der Propagandafrcjhcjt für di e Eiserne<br />

Front — Aufhebung des Uniform- und Dcmonstrationsverbotes,<br />

maximale Ausnützung dieser Freiheit<br />

um grösstc 5Iasscn hinter uns zu reissen — danach<br />

mit Hilfe n euer Propagandawelle E r zwjngung d es<br />

SA-Verbotes (erst dann, nicht früher.l) — die nächste<br />

Ikampagne sollte der Beamtenschaft gelten — Schluss<br />

mit republilcfejndlicher Gesinnung im B e amtenlcörperl<br />

Alle diese als Folge bestimmter planmässig lconstruierter<br />

Tätjglrejt vorauszusehenden kampagnen<br />

und Erfolge würden einen ungeheueren Auftrieb des<br />

demos'atjschen Prestiges auch j m A u sland verursachen,<br />

was wiederum entscheidend für die bevorstehenden<br />

Wahlen in Franl;reich und den Sieg der<br />

: Linken dort sein müsstc. Dann stünde der Verständigung<br />

mit Franlcreich nichts im Wege, eine mächtige<br />

.:;, '.,::-.:,.: 66


neue ne Propagandawelle in diesem Shn>ne<br />

könnte c<br />

erzwmgen. • Die nächste ' Aufgabe 3e war e dan n e in cnt.<br />

. scxezdender Schritt i n d e r A brüstung<br />

rüs ung und<br />

d<br />

zu xvirt­<br />

• I<br />

. schafthcher Gesundung gewesen.<br />

M ein l lan blieb ohne Beachtung die<br />

'e<br />

P<br />

ar e<br />

t i<br />

eitung<br />

l '<br />

hatte überhaupt keine Pläne, sie sah nicht<br />

mc b r eiter, als<br />

irgendwie über das Heute hinwegzukommen und sie<br />

traute weder 'sich noch den Kräften über welchen sie<br />

stand, sie hatte eigentlich jeden lebendigen Kontakt<br />

mit ihnen verloren, sie kannte sie nicht mehr und<br />

überliess Alles passiv dem Schicksal.<br />

Meine Prophezeiung wurde zur Tatsache: die Stnn­<br />

. mung flaute zusehends ab, nicht einmal eine 5Iillion,<br />

Stimmenzuwachs erzielten wir, nur ehva 600.000, Von<br />

einem Elan, von einem Sicgestaumcl konnte nicht:<br />

mehr die liede sein, im Gegenteil, der Gegner, der sich<br />

bereits last für geschlagen hielt, schöpltc ncucn Shit<br />

und gchänlcte sich als „Sieger". Sein „Sieg" ovar<br />

freilich relativ, aber das gcnügtc schon. '<br />

Die Ironie des Schicksals wolltc nun, dass unser<br />

Generalstab, drei Tage vor der Wahl sich plötzlich<br />

von dem Hörsing-Schrecken erholte, hicss nun wieder<br />

Alles gut; und wollte dass Alles wieder weiter ginge '<br />

— die Maschinerie war aber zerstört, jetzt galt cs die<br />

Früchte eigener Schwäche und Fehler einzuheimsen.<br />

13. Der Zampf gegen Unverständnis.<br />

d ich die Lage.<br />

Bekümmert sahen meme Freunde und '<br />

' Und doch war es unsere Pflicht weiter zu kämpfen<br />

Aber die Aufgabe, die vor uns stand, war jetzt un­<br />

Gegncr,würde seinen Vorsprung<br />

, ' les zurückgeworfen, «<br />

auszunützen vers c­<br />

57


heu. Jetzt standen Landtagswahlcn in cincr Reihe von'<br />

Staaten bevor. Ilitlcr bcrcitcte sich vor, die deutsche<br />

Sch]üssclstellung — Prcusscn — zu überrennen. Sein<br />

eigentlicher Impressario, Goebbels, verkündete jetzt<br />

der ganzen Welt, dass sie nunmehr zu ganz neuen­<br />

' „amerikanischen" — P r o p agandametho ivir aber mussten nun wieder alles von vorne<br />

68


a nfangen: ich stnn(1 vor der Aufgabe zun 'l . t<br />

Propaganda für clie Propaganda in unser<br />

. crcn<br />

•<br />

«igcncn<br />

.Rei1>en zu machen. • Die kiindcnburgwahllcöm ' cQIll p f c ha„<br />

h en em ersc.xreckendes T<br />

Zeugnis für die Unzulnzuönghch­<br />

i ' 1<br />

keit unserer offiziellen Parteipropaganda abgelegt,<br />

Es war bcschämcnd konstatieren zu müssen, dass ausgerechnet<br />

die grösste und hestorganisierte politische<br />

Partei Deutschlands, diejeüige auf der eigentlicl> die.<br />

ganze Entscheidung des Ikampfes ruhte, so ohnmächtig<br />

in Bezug auf Handhabung der geistigen 3Vaffen .<br />

war und di e a m w e nigsten wirlcsame Propaganda<br />

führte, Alles, was sie brachte, war'en alte verrostete<br />

3Vaffen, aus der Rumpelkammer wieder ans Licht gezogen,<br />

unmodern, langweilig, dolctrinär, phantasielos,<br />

oft kitschig, grobschlächtig, dem Zcitgcist und unse-.<br />

rem ganzen Lebcnstcmpo kIohn sprechend, sclnvcr-,<br />

fällig, im Tone geradezu weinerlich, oft zu spät 1coinmend,<br />

vielerorts direkt lächerlich und abstosscnd wirkcnd,<br />

durch 1crassestc Unbeholfenheit in die Augen'<br />

springend. Ikurzum: clie ganze Mentalität der neunziger<br />

Jahre wirlctc sich noch einmal ausl Ein schönes<br />

Beispiel war z. B. das folgende Plalcat der Parteiwerhezcntrale<br />

— es stellte einen Eisbrccher mit der Auf-.<br />

schrift „Wir müssen durch" dar, Diejenigen, die dieses<br />

Plakat sahen, lconnten sich i i nes unwilllcürlichen<br />

Lächelns kaum e r w ehren; so l ächerlich ungeschiclct<br />

sah dieser „Eisbrecher" aus, lceine Spur von Wucht<br />

und Stärlce, ein alter blauer (warum denn hlau2) Kasten,<br />

der mit Mühe die ganz dünnen Eisschollen, die<br />

verschiedene politische $Vidcrwärfiüglccitcn darstellen<br />

sollten, zerbrach. Man hat auch nicht an die allgemein<br />

bclcanntc r c k l amctechnische E rlccnntnis gedacht<br />

wonach man nicht mitten im Prühling an etwas, was<br />

mit Vf i nter u n d K ä lte z usammenhängt, anspielen<br />

durf te; es mussten damit unwilllcürlich Unlustgefüb e<br />

69


gtcwcc1ct werden, die nicht grade zugunsten der Idee<br />

ausficlcn, für die man warb. Fast Alles, was von der<br />

partei kam, war von dieser Art. Das fiel cloch Allcll,<br />

aber Allen auf, warum, wieso, sahen cs unsere I'ührer<br />

nicht? Oder vielleicht sahen sie es, wagten aber nicht<br />

dagegen aufzutreten? Ja, warum denn nicht? Gab cs<br />

denn wirlciich Iccine ihiittcl den Bann zu brechen' !<br />

Es war inzwischen durch die ganze politische Entwicklung<br />

sehr w a hrscheinlich geworden, dass wir<br />

nicht mehr weit von neuen Reichstagswahlen stünden,<br />

im Falle eines HiOererfolges bei den Preussenwahlen<br />

schien diese Folgerung als unausbleiblich. Eigentlich<br />

war das, vom propagandistischen Stanclpunlct aus gesehen,<br />

für uns nicht u n günstig, wi r h ä t ten w i eder<br />

dann eine Gelegenheit uns mit dem Gegner zu messen,<br />

es wai' immerhin. ein Aufschub, ein Zcitgcwinn, vielleicht<br />

würde man bis dahin sich mit unscrcn Iclccn<br />

durchgedrungen haben. Ich wusstc ganz genau: belcamcn<br />

wir erst die Herrschaft über den Apparat, über<br />

das Netz unserer Organisationen in die Hände, dann<br />

wüsste ich schon, wie die Sache in wenigen Wochen<br />

zur Siedehitze gebracht werden lcönnte, es hättc dann<br />

s chon alles geklappt, A ber w i e w a r d i e erste, d i e<br />

schwierigste Klippe zu umgehen? Auf einem Parteitage<br />

lcönnte man vielleicht hoffen, di e hemmenden<br />

..IKifte in der Parteileitung niederzukämpfen, brenn.bares<br />

hlaterial war j a d u rch die Tolerierungspolitilc<br />

genug angesammelt — aber gerade deswegen gab es<br />

keine Aussicht, dass der Parteivorstand mitten im politischeii<br />

I(ampfc einen Parteitag einberufen würde.<br />

Es gab nur einen Weg — das wäre der Versuch die<br />

Hauptfaktoren zu überzeugen,<br />

Drei Wege wählte ich dazu: auf lciärende Artikel in<br />

,: den Zeitschriften, persönliche überredung und pralc­<br />

..tischer Beweis durch Wahlerfolge in den lcommenden<br />

-'--- -' ' 60


Landtagswuhlcn. Ich vcröflcntlichtc nun eine Q 'l<br />

'lne cl l e<br />

von Artilcchl ilbcr die neuen Mcthodcn der Propagan<br />

da, über die Lehren der Wahlkämyfe, über die Anti<br />

vie eng der Arbeiterschaft in den „Sozialistischen jgp<br />

natsheften", i n d e r „ D eutschen Hcpublik", i n d en<br />

„Neuen Blättern für den Sozialismus". Ich vcrschiclde<br />

sie an die leitenden Genossen. Ich unternahm dann<br />

eine persönliche Bearbeitung eines Jeden von ihnen:<br />

Vogel, B r eitscheid, H i l f erding, Hertz, Grassmann,<br />

IkünsOer, Heilmann, Löbe, Stampfer und anderejedcn<br />

von ihnen suchte ich auf, ich sprach mit jedem<br />

über eine Stunde, ich mobilisierte meine ganze Beredsamlceit,<br />

ich brachte Zahlen, Tabellen, lesarten als<br />

Beweise. Alle sie, wenn man einzeln mit jedem von<br />

ihnen sprach, stimmtcn zu, gaben zu, dass bei uns<br />

Vieles oben schief zuging, vcrsprachcn dagegen zu<br />

lciimpfcn, den neuen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen.<br />

Aber sobald sie zusammen waren, kam nichts<br />

mehr her;lus, Zugleich wies i mmer Alles auf den<br />

„Zeus" hin, auf Otto Wels, aus den Gesprächen ldangimmer<br />

heraus: „Wenn 'der es nicht will, ist alles ver- '<br />

gebens".<br />

So wurde es mi r l d ar. — .ich musste ihn selbst<br />

erobern. Es galt eine harte Nuss zu 1cuaclcen. Denn<br />

ich wusste seine Einstellung unserer neuen Propaganda<br />

gegenüber und zwar aus ersten Händen, aus<br />

einer absolut zuverlässigen Quelle. Durch Otto Hörsing<br />

und die IQeaturen seiner eigenen Werbezentrale<br />

war Wels bereits der Sache gegenüber feindlich gestimmt<br />

worden, er wollte zunächst nichts von dem<br />

ganzen Symbolkampf wissen. Seine Argumente, im<br />

Munde des Führers einer revolutionären Partei ganz'<br />

unglaublich, waren: „Wir machen uns mit dem gan­<br />

lichlcciten mit der Polizei" l Ein leitender Genosse er<br />

6i


Fiserncn Front snss' mal bei ilim v ollv. — sage und<br />

sclireibe — fünf Stunclcn, um ihn zu überrcclen, seiilen<br />

Segen über die neuen im I(nmpf bervits sich bewährten<br />

Symbole auszusprechen. Ei willigte schliesslich<br />

ein, als ilim aus dem Herlincr Polizeipräsidium .<br />

ein ci«ens von Juristen zusammvngcstclltcs Schrifts<br />

tüclc, von Polizeibehörden unterschrieben uncl m i t<br />

S tempel versehen, eingehändigt w urcle, w o ri n e s<br />

stand, dass die Polizei nichts einzuwenden hatte und<br />

dass sie nicht eingreifen werde, wenn die sozialdemo­<br />

. lcratischen Arbeiter die Drei Pfeile mit der Iireide auf<br />

die Wände malen würdenl I<br />

So musstc icli doch versuchen ihn zu sprcclien. Icli<br />

erwischte ihn am 13 April in clvn BcichstngslculuarcngclcgcntlicI)<br />

clcr Tngu))g clcs Gcwcclcscl)nfislcongrcss<br />

vs, In seiner clriistisclivii Wvisv. npostrophicilc c r<br />

micli solort init clvr I"rngv.; »Nu)), wiis si»


at ist j eder .Situation gewachsen, cr v e rarbeitet<br />

prompt jede Aufgabe, wenn er nur auch will/ich ge<br />

nügcnd belastet wird, ich finde, dass es aber nicht im<br />

mer geschieht — in Wirldichlceit könnte er noch viel<br />

mehr tragen. Aber in Bezug auf den dritten Faktor,<br />

die Führung, muss ich Ihnen ganz offen sagen<br />

ICopf ist faul, IZicr liegt unsere Sc1uväche — die Füh<br />

rung hemmt Alles, jede Tat, jede Kampfeslust, sie ist<br />

mutlos, sie traut weder den i>lassen,.noch dem Appa<br />

rat, noch sich selbst etwas zu."'<br />

Das Gesicht Otto Wels' verfinsterte sich und wurde<br />

rot, die Umherstehcnden machten erschroclccnc Augen<br />

— jetzt musstc der Donner losgehen. Es war aber<br />

nur ein psychologischer Schachzug meinerseits, denn<br />

' sofort fuhr ich wt.'iler fort: .„aber Sie, Gcnossc Wels,<br />

können hier Abhilfe schaffen) Sie 1cö»ntcp die IRollc<br />

eines (Icutschcn Lenins st)iclcn — machen Sie cs, röu­<br />

Illcn Sic schleunigst mit den Ilcmmungcn und l'chlcrn<br />

der untähigcn Fithrcr auf I" D i e G e sichtszüge Otto<br />

Wels' glätteten sich, in den Augen und um den Mund'<br />

herum lag jetzt ein gutmütiges Lächeln und er sagte'<br />

„Nun gut, wir wollen mal sprechen, kommen Sie mor-,<br />

gen ins Parteisekretariat, ich gebe Ihnen eine ganze '<br />

Stunde Zeit".<br />

Ich war zufrieden. Viele Genossen beglückwünschten<br />

mich und sagten — „Na, die Sache ist halbgewonnen.<br />

Vielleicht gelingt es dochi" Am nächsten Tage<br />

war ich bei Wels. Er war von einer Reihe von älteren<br />

Leuten aus der Partei-Bürolcratic um~eben. Ich mo­<br />

O<br />

• •<br />

bihsierte meine ganze Beredsamkeit, ich überbot mich<br />

selbst, ich versuchte ihn und die Anderen zu gewin- .<br />

nen. Es war vergebens. N ach einer halben Stunde<br />

.wurde er abgerufen, die Anderen fielen über mich<br />

her. „Was wollen Sie" — sagten sie — „wir sind ja<br />

doch maximal aktiv, es wird alles Mögliche getan, wir<br />

68


zuhelfen, zu überreden, Leben hineinzubringen, waren<br />

vergebens, Es war 1'lar: der Kampf in Preussen<br />

war verloren. Upd so kam es,<br />

;Aber auch in Württemberg hatten wir eine Niederlage<br />

erlitten. Verdutzt eilte ich nach Stuttgart. 'und<br />

was erfuhr ich'I Nichts, aber Nichts von den Beschlüssen<br />

der Plankonfercnz war durchgeführt. Die Werbezentrale<br />

der Partei in Berlin hatte auch Württemberg<br />

'mit ihrer Papierproduktion überflutet, alle ICräfte wa-.<br />

' ren nach alter lQanier wieder in die Versammlungen<br />

- in den Löchern verbannt, die Eiserne Front war auch<br />

hier lahmgelegt,. die Kräfte reichten nicht aus, um das<br />

Neue, das allein wirksam sein könnte — wie sie alle<br />

s elbst jetzt wieder zugaben — d urchzuführen. D i e<br />

alte Trägheit hatte gesiegt, wir hatten «her eine wich-'<br />

tige Position verloren und i ch .zugleich die Möglichkeit<br />

mit evcntuellcm Erfolg in W ü r t temberg aufzutrumpfen<br />

und neuen Hoden bei der I"ührung für das<br />

Umwerlen des Steuers zu gewinnen.<br />

Nur eins hatte nicht versagt — das war Iiamburg.<br />

Dort hatten wir den von mi r v o rausgcschcncn glänzenden<br />

Sieg auch wirklich erfochten, Die neuen Methoden<br />

waren dort siegreich und jetzt fing Alles da­<br />

'von zu sprechen an: der Symbolkampf wurde»unmehr<br />

in vielen ICrciscn der Partei, besonders der Prov<br />

inz, populär — j e tzt t r ugen die Elenschcn endlich , .<br />

das Drei-Pfeil-Abzeichen im ICnopf loch, jetzt tauchten .<br />

, überall schon rote Fahnen mit den drei Pfeilen auf,<br />

viele grüssten sich'auf den Strassen mit dem 1'rci­<br />

»eitsruf und viele Parteizeitungen führten jetzt endlich<br />

das Dreipfeilesymbol au f i hr e n ICopfblättern,<br />

. Eine der wenigen, die es immer noch nicht machte,<br />

. die in ihrer starrköpfigen Ablehnung auch weiter verhau~te<br />

— war das Hauptorgan der Partei — der „Vor­<br />

- wärts"..


15. De r T riumph/t in Hessen.<br />

.Der Sieg in Preussen liess den Nazis den Eamm<br />

schwellen — sie führten jetzt grosse Worte im Munde,'<br />

sie fordertcn des Wiederaufrichten der SA, die nach .<br />

dem zweiten Ißindcnhurgsiegc vcihotea war und ge<br />

härdetcn sich nunmehr völlig als die Icommenden Her<br />

ren. Die Staatsgewalt erlahmte zusehends. In der Luft<br />

la es, dass der Umschlagspunkt nicht mehr weit war,<br />

Der Nazipropagandaleitung war es Idar, dass'man<br />

noch eines psychologischen Stosses bedurfte, um das<br />

Terrain für den Umschwung vollauf bereit zu haben,<br />

Sie brauchten noch eine günstige Wahl.<br />

Sie erzwangen mit Hilfe der vollauf demoralisierten<br />

Deutschen Vollcspnrtci Ncuwnhlcn in Hessen. Nun<br />

stand auch uns ein neuer Eampf bevor. Ich atmete<br />

auf: hier bot sich endlich die günstige Gelegenheit für<br />

uns, hier hatten wir — d i e A n h änger des Neuen ­<br />

unsere besten Eräftc, auch an leitenden Stellen sassen<br />

.lebendige Eicnschcn. Ein Tclcgi nmm rief mich nus meiner<br />

ivissenschnftlichen Arbeit abermals heraus — ich<br />

eilte und stürzte mich mit Freude und Zuversicht in<br />

den Enmpf. Wir un d di e Gegner wussten um die Bedeutung<br />

dieses Enmples — es war die psychologische<br />

G eneralschlacht. Gewannen wir sie — d ann war d er .<br />

Weg für das Durchdringen der einzig sicheren Waffe<br />

vielleicht offea, auch war H i tler der Weg zur Macht<br />

abermals versperrt, eine neue Welle der Z uversicht .<br />

ia unseren Reihen musste die Folge sein, es waren<br />

dann weitere Chancen im K ampf sichtbar. G e w ann<br />

Hitler den hessischen I(ampf,.dann. hätte er bewiesen,<br />

dass sein Kommen absolut sicher sei, er h ä tte auch<br />

den Zersetzungserscheinungen in den Reihen der SA,<br />

die des ewigen Aufschubs der Erfüllung der Verspre­<br />

. chungcn müde zu werden anfing, einen Riegel vorge­


scliohen, Der hessische ICampf musstc ein Kampf aufs<br />

Messer mit geistigen Waffen sein. Alle Parteien mobilisiertcn<br />

alle ihre ICräfte, das kleine I.and war von<br />

Rednern, Plakaten, Flugblättern überflutet. Fast alle<br />

Reichstagsabgeordneten aus dem ganzen Reiche waren<br />

Iiier versammelt und bereisten das Land in allen<br />

Richtungen. Hitler überbot sich an Aktivitat — Goebbels<br />

liess ihn selbst in allen hcssisclicn Kreisen vor<br />

iingeheueren zusammengetrommelten Mensclicnmengen,<br />

besonders vor Bauern, im Fr eien sprechen, der<br />

grösste Tamtam worde inszeniert, Blumen, Fahnen,<br />

Trommelwirbel, Aufmärsche, Fackeln — A l l es war<br />

da.<br />

Diesmal aber schliefen auch wir nicht, Ein Plan der<br />

ganzen ICampagnc nach ollen Regeln der Organisa- '<br />

tionskunst wurde bereits in der ersten Nacht fertiggestellt,<br />

durchbcratcn lind in u nsere Orgnnisationcü<br />

geworfen. Eine m o d erne E


Neugier vom, Eisernen Schorsch", der sn der letz«n<br />

Woche in kIcssen aufttauchcn sollte, man frug sich<br />

. gcgcnsciti


P REIHE(7<br />

E)SEHNE FRQNTf<br />

zeichen über dem IIakcnlueuz bcdcckt, kecke, her aus- .<br />

fordernde, unserer anlacht bcwusste und zugleich sich<br />

. ins Gedächtnis eingrabende zweizeilige Verse . auf<br />

Elebezetteln prangten von allerwärts. Unsere Ikolonnen<br />

marschierten überall in dröhnendem Schritt, mit<br />

flatternden Fahnen, unsere Kampfesmürsche und Lieder<br />

spielend und von der Bevölkerung umjubelt. Jetzt<br />

waren wir endlich in unserer vollen 'Wucht auf der<br />

" Bildfläche erschienen. Und in Nu sticgcn unsere<br />

Chancen. Die Versammlungen erfreuten sich eines<br />

niedagesehenen Zustroms; i n i h nen wurde weniger<br />

. geredet, dafür aber umsomehr i ns Bewusstsein. das<br />

Treuegelöbnis und ins Unterbewusstsein die Zuversicht<br />

und die Kampfeslust eingepaukt. Die sogenannte<br />

„revolutionäre Gymnastilc", wi e w i r da s na n n ten,


ivurde dabei geübt: Auf e' '. z<br />

y recher und der Masse'<br />

u yeitschdialo<br />

b<br />

e z '<br />

asse; wobei der letztere '<br />

lieh<br />

E 1<br />

d K a m y fesmut<br />

in die Seele<br />

h- f r e>n zuyrägen und. fur die<br />

l eichter auslösbar zu m h A<br />

sen Jede Paar Minuten ' t<br />

hQpi r f y<br />

eis tVir antworteten prompt, An vielen Stellen versuchten<br />

sie unsere drei Pfeile durch wenige Striche in drei<br />

Regenschirme z u ve r w andeln, Wi r du r chstrichen<br />

nun abermals diese, als ein gewissermassen bürger­<br />

1' h S b 1 — s o m i t waren wir wieder drüber. Sie<br />

zerstörten die W i r l~ung der Pfeile, indem sie nu<br />

G


am freien Ende Spitzen anbrachten, wir verwandelten<br />

dann sofort dieselben in g c f icdertc Pfeile — di e<br />

Wirlcung war-wiederhergestellt. Sie zeichneten drei<br />

geßrochene Pfeile und ein Hakenkreuz darüber<br />

t riumphierend — wi& verwandelten das Bild i u e i n<br />

Sti'om von Pfeilen, die das Ilalcenla'euz trafen — wieder<br />

hatten wir das letzte Wort. Sie zeichneten eine<br />

abwehrende Hand vor den drei Pfeilen und schrieben<br />

dazu „bis hierher und nicht weiter I" — wir verlänger­<br />

..- ten die Pfeile und durchbohrten mit ihnen die Hand<br />

und schrieben darunter: „wir Iuiegen euch doch I".<br />

Und nun lcam der höchste Ausdruclc des politischen<br />

Massenwillens — die Aufmärsche. Inzwischen war die<br />

Papcnregicrung mit Hitlers Hilfe a n d i e N a cht ge- '<br />

lcommcn und sie quittierte diese Lichcsgabc mit einer<br />

entsprechenden gegenleistung, die ja von Hitlvr im<br />

berücliliglcn I


nun auch uniformierte 'er en 'Po r mationcn<br />

H b ' g D ' ei le fa hnc<br />

v om B a hnhof '<br />

tadt ab — diese spe lo ' isc h e Handlun l l Darm.<br />

takt zu unseren Aufm"<br />

g war der Auf<br />

u marschen in,Hessen. Und<br />

aute ich sie nach ganz neuen neue P ruuipien ' aus. Ich i<br />

von<br />

h<br />

folgenden Gedanlcen<br />

cen<br />

aus:<br />

aus:<br />

b'<br />

ei ein em Aufmarsch<br />

atte man die beiden Gruppen der Menschen, von denen<br />

ich oben — imIfap.10 — 'spr' sprac, h sozusagen haud<br />

g reif lieh in den Strassen vor sich d i ie A l c t iven<br />

marschierten<br />

im Zuge. d e Passiven, die „55.000" stmdeu<br />

• • 7$ ' S<br />

als neu~erxge Zuschauer auf den Bürgerstiegen Spalier.<br />

Das Endziel der Aufmärsche, xvie der ganzeri Propaganda,<br />

w a r d i ese letzteren zu gewinnen, zu alctivieren,<br />

sie mitzurcisscn. AVie lconnte nun das gesche-.<br />

hcnf M a n m u s ste i hr e i n N c u gin s ich öusscrnde<br />

Spannung aufs höchste steigern, bei ihnen Sympathie<br />

für uns, für unsere Idccn. und. Ziele wcclccn, den Glauben<br />

an unsere Kraft, und diese Gefühle dann in ge­<br />

>ncinsarncs Wollen mi t u ns, i n T a t r imschmelzeu,<br />

Dazu solllc der Zu g g c wisscnnasscn ein Huch mit<br />

mehreren 13ildcrscilcn daislcllcn, die nutciunnder logisch<br />

l u I 1 d S1' 'l C l i n'<br />

ler V lir l cung steigernd • yerhuadcu,<br />

• • •<br />

s ein so lll en. n ; so so class c : die Zuschauer unwilllcürlich m '<br />

C lllell C tc( 1 O. n kcnlrichlcr c<br />

o der-strudel >i ' r gOI1<br />

x Schlussalclcord dann siehe<br />

gcn würden. und dem Sci<br />

terlägcn: also wäh<br />

ählt für uns I Das „Buc i hrere wur c sym­ '<br />

o nclcrn in gewissen s t<br />

nerformationen Ha<br />

mit ~eichsbanner<br />

mit unseren por<br />

der Gewerlcschaf n, m'<br />

: denn nach jeder r u lcöaaen,.<br />

gefüllt waren : bl ' l c sic h . erholen<br />

ini e Augen sccc<br />

4<br />

.isch zur Aufna<br />

um vceder fns<br />

Die vier<br />

'er typischen „ api e<br />

I. die t r aur>gc<br />

' I.


Gegenwart, 2, die Nacht unseres Ipfcs dagegen,<br />

B, Der Spott ubcr den 1'elnd, 1. Unsere Ziele und Ideale.<br />

Die vier Gruudgefühlc, an welche man hiermit<br />

appethcrtc, wwaren, in derselben,Helhenfolgc aufge­<br />

, zählt: i~gitleid — 'Angst (beim Gegner) und Mut (bei<br />

uns) — L a chen — Fr e u d e.. Die Zuschauermassen<br />

musstcn diese ganze Stafi'cl von Gcfühlcn zwangslaufig<br />

durchlaufen,<br />

Zunachst wurde bei der Z uschauermenge..ein de­<br />

" pressives Gefühl erzeugt, die Bestürzung: ohne Musik,<br />

in unheimlich wirkendcr Stille, gingen die Opfer des<br />

IQiegcs, die Waisen, die Wihven, die Invaliden, Verstümmelte<br />

wurden gefahren, dann kamen die Opfer<br />

der kapitalistischen ICrisc — die Arbeitslosen, die Verkommenen,<br />

Obdachloscn und Ausgchungcrtcn, weiter<br />

die Opfer der Nazis — die Verprügelten, die Verwundeten<br />

auf ihren IQ'ückcn, nut verbundenen ICöpfcn<br />

und Gliedern. Die Menge war crgiiffcn, die inncrstcn<br />

Schlupfwinkel der Scclc waren aufgewühlt, sie litt,<br />

sie scufztc, sie cmpörtc sich.<br />

Und nun ein Ausweg, ein Lichtstrahl, eine IIoffnung<br />

j etzt k amen d i e E r l öser, u n sere M a cht u n d<br />

K ampfcswillen für des Volkes Freiheit, für di e A b ­<br />

schaffung allen sozialen Unrechts und Unglücks vcrsinnbildlichcnd;<br />

mit k l i ngendem Spiel, mit Bravourmärschen<br />

und fcstcm,dröhnendem Tritt marschierten<br />

die uniformierten Formationen und zwischen ihnen<br />

waren Symbolgruppen angebracht, die die IQaft und<br />

' Angriffslust unserer Kämpfer darstellten — v ora n<br />

marschierte eine' Gruppe von 12 ausgesuchten Jüng­<br />

- lingen in einheitlicher IGeidung, die drei enorme metallische;<br />

lackierte und in der Sonne glänzende Pfeile<br />

-..., über ihren Köpfen sclnvehcnd trugen, Im Musiktalct<br />

wurden nun die Pfeile wie auf Ikommando vorgetrie-.<br />

bcn und dabei „I'reihcitl" gerufen. Jede 15 Sekunden,<br />

74 .


wurde diese Bewegung gemocht. Das gab dem ganzen '<br />

eine ungchcucr dynumischc Vhrkung, alles jubelte,<br />

;illes rief „ F r c i h citl" m i t , und zitterte vor Erregung,,<br />

Dann k;im ein Auto mit einem stämmigen Heichsbanncrmann<br />

mit einer roten Dreipfcilefahne in einem .<br />

Arrrl, und den zweiten Arm zu unserem Frciheitsgruss '.<br />

crliobcn, Er. war umgehen von Fonforenbläscrn nut<br />

roten Drcipfcilcwimpcln, Ei n w e iteres Auto führte ..<br />

den „Schatten Hebels" als Mahnung: auf einer Leinwand<br />

war eine grosse schwarze Silhouette mit dem<br />

charakteristischen, Bebelkopf angebracht, die. von<br />

einem auf dem Auto postierten Scheinwerfer grell beleuchtet.war.<br />

Auf einem anderen Auto, das mit grunen<br />

Ästen und r o tem T u c h d r a piert wa r, st and eine<br />

. F f 'gur — d i e F r e iheitsgöttin" — es war ein grosses<br />

hübsches Mädchen in rotem Gewand un p iry' 'scher.<br />

Mütze, nach vorne blickend, in<br />

'<br />

der<br />

Pfeilen<br />

linken<br />

haltend,<br />

Hand<br />

.<br />

eine grosse rote l ahne mit den Drei P<br />

76


I<br />

der rechte Aim mit einem Dcgcn nach vorne wciscn


• O<br />

ncr Buckcnwand eine Puppe in SA-Unifo<br />

1 dahint e r g i ngen 5Iensch<br />

.sangen abwechslend die Volksl ' » ' i<br />

'e o iede r „ AIuss' i<br />

ei en ut weh"' und m<br />

ce . a rm ka m en B auer<br />

V olkstrachten, die auf Mistgab l f ' rpsse<br />

a e n au gespiesstc rosse<br />

H alcenlcreuze trugen, dann kam ' Hl<br />

cam em hlagefärbtes Auto<br />

• • •<br />

st e f feminierten Jünglingen in SA-U 'f<br />

- m orm und Ne.<br />

gersoldaten — eine Anspielung auf d St b<br />

es a schefs der<br />

SA, Hauptmanns Röhm's,.widernatürliche Neigungen,<br />

arm lcamen Gruppen, die den populären Schlager<br />

aus dem Film „ D er K ongress tanzt" sangen, freilich<br />

mit umgedichteten Worten, die lauteten:<br />

„Den gab's nui' einmal, .<br />

Der kommt nicht wieder..." usw.<br />

Lachlcrämpfc crschüitcrtcn die Zuschauer. Duzivischcn<br />

marschicr ten di e Sportler, verschiedene Vcreinc,<br />

Jugend usw., riefen dauernd„I rcihcitl" und erhoben<br />

den Arm mi t der geballten Faust zum Grass.<br />

Die Menge stimmte in die I"reihcitsrufc ein.<br />

Jetzt Icam das vierte „I(apitcl" das Zuges — ' unsere<br />

sozialistischen Ideale und F orderungen darstellend.<br />

Da marschierten die Ikolonnen der Sozialistischen Arbeiterjugend,<br />

mit Pfeifen und Trommeln, lcnallrote<br />

Fahnen m i t den Dr e i Pf e i len s chwingend und<br />

Transparente mit der Aufschrift „Die junge Hoffnung<br />

eine Gruppe<br />

1 V lk e s " v orantragend. Dann kam ei n pp<br />

Die Völkerverbrüderung"; auf e'<br />

n Nationaltrachten un<br />

EIenschen in ' v e r sch~ede<br />

r eichten sich ehe Hände.<br />

e. Eine andere hiess<br />

'<br />

„Das<br />

as<br />

e><<br />

der Arbeit : es war<br />

r ein Auto mit einem<br />

en darauf und sch ugen<br />

starke Arbeiter standen<br />

-Ii tcr dem Auto '<br />

en Hammern im<br />

Talct der Musik zu. I- n cr


glllgcn Arbeiter mit verschiedenen Werkzeugen Dann<br />

war die Gruppe „Einigung von Arbeitern und Bauern"<br />

derbe Figure» in Baucrntracht ritten auf sclnvcren<br />

pferden . umgehen von Handwerkern in B l usen, mit<br />

Emblcmcn ihrer Arbeit, die die Pferde am Zügel führten<br />

und den Bauern die Hände reichten. Wcitcrc ähnl<br />

iche Gruppen folgtcn. E i n e der letzten war; „Di e ,<br />

sieghaften Drei Pfeile": zwei Reihen von hübschen<br />

jrlädchen in hellen IGeidern trugen Blumen- und Blätter-Guirlanden,<br />

in . der 5 I i tte m a rschierten h i ntereinander<br />

drei Mädchen, eine schwarze, eine rothaa­<br />

- rige und eine blonde und trugen drei grosse glänzende<br />

Pfeile, blumcngeschmückt und zum Himmel weisend,<br />

. entsprechend der sozialisti schen Parole „Empor zum<br />

Licht l",' die 5Iusiklcapcllc spielte abwechseln(1 (las<br />

Lied „Brüder, zur Sonne, zur Frcihcitl", lcichtc Volksmelodien<br />

und Johann Sbauss' Walzer.<br />

Das war die Apotheose, die Klenge jubelte in frcudigcr<br />

L


ll(.'Llcr lllll ter Z<br />

.ui„ ohne - Ti' ahnen, ohne MI 'k; c<br />

lell die alctivicrtcn, die 'e mit mi gerissenen c Zuschaue<br />

llcn — sie konnten nicht h<br />

me r passiv bleiben, sie I;c.<br />

cn nacll, sie machten-mit —. sie waren gc<br />

ein lclarer, unumstösslicher Bewei d<br />

cweis er crzicltcll' .<br />

ctlvIerung, ein Triumph der AVirlcsaml 't d<br />

csam ccl Cr neuen<br />

Propa gandamethoden.<br />

Ein Bild blieb mir unauslöschbar in 'n der e r E rl ' n n erullg .<br />

aus dem letzten grossen Fackelzuge vor den1 Vjlaill<br />

tage in Darmstadt. Zwanzig Tausend Mann Inarschierten<br />

in der von F a ckeln erleuchteten, von deren Qua1111 .<br />

durchzogenen Dunkelheit, phantastisch tauchten zivischcn<br />

den Nassen plötzlich die bunten, wogendell,<br />

grell crlcuchtctcn, von Leben pulsierenden symbolischcll<br />

Gruppen auf, ihlusiic, Prcihcitsrufc, (las Dröhnen<br />

der Scllritte von Tausenden flossen zu cincr unerhörten<br />

Symphonie zusammen, ein Delirium bclnöchtigtc<br />

sich der Massen. Ich stand auf einem Platz neben den<br />

Autos der Pressevertreter uncl der Hcichstagsabgcordnetcn<br />

7di<br />

e i n e i ner stattlichcn Zahl hic:r vcrsammclt<br />

• • •<br />

waren. Ich beobachtete Lohe. E r s tand, einen lilm<br />

überreichten Blumenstrauss mit b cidcn kiöndcn an<br />

sich drückend, er sah in die.Augen der an ihm vorbcimarschierendcn<br />

und ihn alclclamlerendcn Masscll,<br />

' l- belte wie traumverloren, cs schie<br />

lötzlich in<br />

ewissenhaf te, ruhige P arlamentarier, p ö<br />

cIne andere, phantastische We<br />

'<br />

v<br />

t<br />

e<br />

erschüttert.<br />

r se<br />

e r<br />

sahes' h ihm m an a , er w a r ü b erwältlg, lm mir<br />

" er Löbe kam auf mich zu, nahm<br />

pochte d I e<br />

Wir verabschie e en<br />

d h tz<br />

I C of<br />

f n ung: wird er es durc se<br />

d 1'<br />

h an der 4irk­<br />

I Il H e ssen zweifelte Nieman<br />

a m fesmitt , v o


horte man j etzt: „Endlich kommt di e A r beiterklasse<br />

zum Bewusstscin ihrer Machtl", „D i e N a zis<br />

sind in die Defensive gedrangtl". Ein Seder hatte die<br />

Szenen der Begeisterung bei unseren Ikundgebungcn<br />

selbst erlebt, sie spotteten j edn B eschreibung und<br />

machten einen unauslöschlichen Eindruck auf die, die<br />

sie geseben haben. K o llektives Selbstbewusstsein,<br />

S iegeszuversicht, j a Me nschenfrcundlichkeit u n d<br />

Glucksempfinden waren mit einem Schlage vqe hervorgezaubert:<br />

ein wunderbares Zeugnis davon lieferte<br />

das Studium des Gesichtsausdrucks der Teilnehmer<br />

an solchen IKundgchungcn auf den dabei gemachten<br />

Photos. Man sah keine boshaft verkrampften Gesichter,<br />

sondern Menschen in Ekstasc, in glitckhafter Erlösung.<br />

73 "<br />

j<br />

J t<br />

»~W ' ~'>g'1 ~)..<br />

• 4 Yß<br />

glac j "<br />

Vor Aller Augen geschah das Wunder der Umwandlung<br />

der akkumulicrten enormen inneren Energie der<br />

Arbeiterklasse in die aktive Dynamik, Dcr 1commcnde<br />

80


Sieg leuchtctc in Aller Augen in IIcssen. Und'cr kam<br />

auch om 19 Juni. Di e Sozialdcmolcratic hatte sich<br />

nicht nur aufs glönzcndstc behauptet, sie hatte allen<br />

h,'rwartungen der sicgcsbcwusstenl


System aus wäre und das Dritte Reich vor den To­<br />

f1<br />

ren stünde.<br />

Zahlen war<br />

ugend. all~ Parteien, selbst das Zentrum, veilos~n<br />

en, die Nazis hatten gar 600 Stimmenverlust,<br />

Die einzige Partei, die gewanu, war die Sozialdemokratie.<br />

Ihr Stimmcnzuwachs betrug in Darmstadt «llcn.Erwartungen<br />

entgegen fast 1500 Stimmen.<br />

. Es gab nun w i r l d ich u n t rügliche 13eweise dafür,<br />

dass unser Erfolg tatsächlich das Resultat bewusster<br />

. Anwendung p r o pagandistisch r i c h ti g b e r echneter.<br />

5lassnalunen war. Folgende Zahlen sagten es aus: von<br />

fünf hessischen Städten — Of fc n bach, Darmstadt,<br />

5lainz, Worms und Gicsscn — ' wurden in den vier ersten<br />

die sogcnanntcn „Zündungskonfcrcnzcn" der<br />

F unktionäre durchgeführt, in Giessen aber nicht ­<br />

ich wählte diese, Stadt bcwusst als gcwisscrmasscn ein<br />

Versuchskaniuclicn — und nun stellte es sich heraus,<br />

dass Giessen die einzige Stadt war, wo die SPD Verluste<br />

zu verzeichnen hatte, während wir i n den vier<br />

anderen Städten überall Stimmenzuwachs hatten. Die<br />

Folgerung war ld ar ; der E r f olg war eine Funl'tion<br />

einer ganz besthnmten organisatorischen Massnahme.<br />

Aber noch mehr: die propagandistische Aukurbclung<br />

der vier erstgenannten Städte geschah zeitlich in fol­<br />

. gender Reihenfolge: Offenbach am 25. Mai, Darmstadt<br />

am 27. Mai, Mainz am 80. Mai, Worms am G.<br />

>uni. Mit ihrem Stimmenzuwachs stehen nun diese<br />

.: Städte in derselben Reihe; Offenbach mit BB00 Stimmen,<br />

Darmstadt mit 1500, Mainz mit 1300, Worms mit<br />

~00 Die Folgerung war 1clar: bei dieser Methodik war<br />

«r Erfolg lediglich eine Funktion der Zeit.<br />

Somit war das hessische Experiment absolut gelungen.<br />

Wir hatten in unseren Händen sichere Mittel, die<br />

gestellte Aufgabe zu lösen,<br />

82


gg. gic Hoffnung um Enttäuschung.<br />

Schon wührend des tobenden hessischen Wahllcampfcs<br />

war plotzlich im ganzen.aeiclle eine neue<br />

pohtischc Situation eingetreten: Papen löste den<br />

Reichstag auf und schrieb neue Wahlen für den 81<br />

Juli aus. Die Pai'tcileitung stand vor d e r A u f gabe<br />

sclilcunigst den b cvorstclienden Grosslcamp f vor<br />

zubereiten. Das Hamburger Resultat und di e allen<br />

... nun sichtbaren Erfolge des von uns nun mi t n euen<br />

Elittcln geführten Kampfes in Hessen rüttelten endlich<br />

die Parteileitung aus ihrem Schlaf auf. Jetzt, wo<br />

bereits die ganze Feinclcs- uncl bürgerliche Presse<br />

Deutschlands und die 'grösstcn Zeitungen des Auslandes,<br />

l)csondcrs der „Manchcstcr Guardian" auf die vor<br />

aller Augen crsichtlichc Alctivierung der Sozialdcmolciatie<br />

in Hessen hinwiesen, und sie 'ganz klar d em<br />

Syinbollcampf und der Anwendung neuer Propagandamethodilc<br />

der Eiscrncn Front z uschrieben, j etzt '<br />

öffneten endlich auch die offiziellen Führer der SPD<br />

ihre Augen und Ohren und machten Anstalten einlenlcen<br />

zu wollen, sie geruhten jetzt sich für das Neue<br />

zu interessieren. Mein Freund, d e r a usgezeichnete<br />

hessische Abgcordncte Dr, Kiicrcndorff, und icli wurden<br />

telegraphisch nach Berlin berufen — wir sollten<br />

dort im Parteiausschuss Vortrüge über die neuen Methoden<br />

des Ikampfes halten. Wieder tauchte die Hoffnung<br />

auf — jetzt würde vielleicht das Ziel zu errei­<br />

'chen sein. KIit höchster Anspannung wurde gearbeitet<br />

— alle Erfahrungen des Wahllcampfes in Hessen wurden<br />

herüclcsich ichtigt, ' ein organischer Plan der Reichs-.<br />

• tagswahllcampagne aufgestellt, alle..Aktionen, Losungen,<br />

te inische Schritte durchdacht und fertiggestellt<br />

v or dem Parteiausschuss auf. E s w a r<br />

cnc Mühe — ich sah sofort, auf ein tiefes Ver­<br />

verlorene


' stä„dnis war hier nicht zu rechnen. D e r A usschuss<br />

akzeptierte zwar die neuen Symbole und dcl'rctierte<br />

wohl den Symbollcampf, aber sein Kampfcswillc war<br />

freilich nur ein Schein. Man konntc nicht den neuen<br />

W ein in alte durchlöcherte Schläuche füllen, A u c h<br />

jetzt hatte man nicht den Mut die I"ührung dieses heissen<br />

Kampfes frischen, .jungen, unverbrauch ten IQ äften<br />

zu übertragen, sie somit zum Tragen der Verantwortung<br />

zu'erziehen, sie in der Führung sich üben zu<br />

lassen. Die alte Clique wollte nun doch allein alles<br />

machen, sie wollte aus dem Neuen zugleich sich ncucs<br />

kapital schlagen, sie wollte ihre schon gründlich in<br />

den Augen der Massen untergrabcne Autorität nun<br />

durch Anwendung der unbestreitbar aussichtsrcichen<br />

Methodik wieder aufrichtcii. Sie iibcriiahm die Forine,<br />

sie kleidctc sich in Gewänder mit neuen Symbolen,<br />

abei ihr G eist blieb w i e c r w a r : k l e i n lich,<br />

, schüchtern, der Lage nicht gewachsen und auch dem<br />

ganzen Tempo der Zeit und des Ringens nicht angepasst.<br />

Einen Plan hatten sie nicht, begriffen gar nicht<br />

seine Notwendigkeit und auch bei der A n w endung<br />

n euer Methoden wollten sie sie mi t a l tem u n wirl ­<br />

samen Zeug so durcheinandermischen, dass dadurch<br />

die Durchschlagskraft des Neuen unbedingt herabgesetzt.<br />

würde.<br />

Es wurde eine Kommission eingesetzt, die A l l es<br />

durchberaten sollte. Statt sofort den bereits vorgelegten<br />

Plan zu untersuchen, wollte sie sich erst in einigen<br />

T agen versammeln und A l les von v ornherein u n d<br />

nach ihren „Gesiclitspunken" neu aufbauen. Das war<br />

heller Unsinn und n i chtwiedergutzumachender Zeitverlust,<br />

Für die Mentalität dieser Leute war ein'Ausspruch<br />

eines ihrer „Führer" charakteristisch — er<br />

frug nämlich meinen Freund über mich: W a r u m i st<br />

«(d. h. ich) eigentlich so alctiv2 Will cr bei uns etwa


eine Anstellung haben)" Jede Hoffnung darauf, diese<br />

Elemente zu gewinnen, zu überzeugen, war vergebens,<br />

es gab nun nur noch eine Möglichkeit, zu versuchen,<br />

ihnen den Apparat durch eigene Alct vität, durch<br />

eigene aufs höchste gesteigerte Initiative zu entreisscn,<br />

Es war sehr schwer, es lcomplizierte die Lage,<br />

wir standen doch mitten im Kampfe gegen den mächtigen<br />

Gegner, und jetzt musste man auch noch den­<br />

Kampf in den eigenen Reihen, gegen die eigene unfähige<br />

Führung führen, In b edrüclcter Gemütsverfassung<br />

ging ich nach Hessen zurüclc.<br />

Freilich, der wunderbare Kampf dort, das Brausen<br />

clcr erwachenden Vollcsscele liess balcl den Unwillen,<br />

die momcutanc Niedergeschlagenheit ob des Berliner<br />

Misscrfolgcs vcrschmcrzcn. Jetzt galt cs clcn Hcsscnkampf<br />

zu Ende zu führen und daraus die Ikonscctuenzcn<br />

zu ziehen. Wir lcümpftcn nun weiter und wir siegten.<br />

17. Der Einfingerplcn;<br />

Die ersten Tage nach dem Siege vergingen im Taumel.<br />

Aber schon wurde Alles bereitgestellt, um d e n<br />

nun auch in Hessen in sechs Wochen bevorstehenden<br />

neuen Reichstagswaldkamyf durchzufechten. Natürlich<br />

gang hier Alles nach den neuen Methoden und<br />

ohne sich viel um die sogenannte Tätigkeit" der Par­<br />

tl<br />

tcuentrale in Berlin zu kümmern. D i ese verzapfte<br />

wieder Ungeschicldichkeit auf Ungeschiclciichlceit. Sie<br />

wollten nun auch den Symholkampf zentralisieren,<br />

die'Herstellung und Verbreitung der Abzeichen, Fahnen<br />

usw, in eigenen Händen haben. Dadurch wurde<br />

Alles weiter verzögert; in Hessen hatten wir bei etwa<br />

e ' 85


gpppp cingcschrichcncn l'artcimitglicdcrn in 2 XVo-.<br />

chcn über 50.000 Abzeichen verbreitet, das würde,<br />

auf das Reich übertragen, eine fertigzustellende Masse<br />

von mindestens 5 Millionen bedeuten. D i e Zentrale<br />

aber „aus Vorsicht" hatte kaum etwa 1 M i l lion bestellt;<br />

das hätte zudem zugleich an ehva zehn Stellen<br />

getan werden sollen, nein, sie wollten damit noch Geschäfte<br />

machen und gaben den Auftrag einer Firma<br />

auf — die l onnte es freilich nicht in kurzer Zeit bewältigen<br />

und der von allen Seiten nun kommenden<br />

Forderung nach Lieferung von D r eipfeileabzeichen<br />

. konnte nicht entsprochen werden, so dass einzelne Bezirke<br />

im l etzten Augenbliclcc die Fertigstellung auf<br />

eigene Faust betrieben. Das wiederholte sich mit Fahnen,<br />

Wimpeln und A l lem. D o b ci ü b crschüttctc die<br />

Zentrale in Berlin das ganze Land wiederum mit Papier<br />

— )lillioncn von. unbrauchbare», schwerfälligen,<br />

unwirksamen l"lugblättcrn wurden versandt, zu Tausenden<br />

sah ich sie in d«n Portcisckrctoriotcn noch den<br />

XVahlcn herumliegen — d enn d iese weigerten sich<br />

oft dieses oft direkt schädliche Zeug zu verbreiten,<br />

Alle Parteien arbeiteten mit Plakaten — nur die.unsere<br />

nicht — sie verschickte nun zum Teil Plakate,<br />

die von der Prcusscnwohl zurückgeblieben. waren l I<br />

Das einzig Positive war, dass jetzt endlich die Symbole<br />

offiziell anerkannt und frcigcgehen wurden und<br />

die Eiserne Front nun w i eder in den Symbolkampf<br />

eingriff, Dauernd und überall waren aber nun Ikon­<br />

• flikte zwischen den Partei- und den Eisernen-Front­<br />

O rganisationen an der Tagesoidnung, E s war k l a r ,<br />

man musste hierin Ordnung schaffen. Ich sprach auf<br />

g«ssen sogenannten „Zündungskonferenzen" in verschiedenen<br />

Städten Deutschlands, die wir von der<br />

. Eisernen Front aus veranstalteten, ich wollte es auch<br />

'.n Berlin tun, die Berliner Organisation hotte dozu


schon Alles vorbereitet, mein Vortrag wurde ober von<br />

der Porte. 'zentrale uerboten.<br />

In der eigentlichen Leitung der Eisernen Front sah<br />

man endlich ein, es konnte nicht weiter so gehen, man<br />

musste den Wcg finden, d i e effelctive Führung in<br />

unsere Hände zu bekommen. Da reifte der sogenannte<br />

Einfingerplon bei uns: wir m ussten Ilei der Parteiführung<br />

durchsctzcn, dass man uns den Auftrag üherliess<br />

I an vier Stellen im Reiche grosse Musteraufmär­<br />

• •<br />

• sehe wie der von Darmstadt war, zu organmeren, zu<br />

welchen die Delegierten aus den benachbarten Krei •<br />

sen Icommen und sich die ganze Durchführung ans<br />

ehen sollten. Mit den Aufmärschen war aber freilich ' ­<br />

c ler ganze Symbollcampf mit allem Drum und D r an<br />

aufs engste verbunden. Wir sollten sozusagen nur<br />

ci»en l'inger uns sichern, wir würden clonn in ICürze<br />

mit höchst olctivcm Auftreten und einer Reihe v on<br />

1(niffcn clcn ganzen Agitationslcörper zu uns hcrübcrxi«h«n,<br />

i» unscrc llä»cle endlich hclcommcn. Dcsscn<br />

war ich siel>cr. Nacl> hartem l


Ich hatte damals die Bitte abgeschlagen, weil cs keinen<br />

Sinn hatte die Anweisung zu einem Plan zu geben,<br />

der an sich abgelehnt war.<br />

Der Parteivorstand beschloss nun di e B r oschüre,<br />

die jetzt von allen Seiten stürmisch verlangt wurde,<br />

einzustampfen, denn, begründete er lächerlicherweise,<br />

die Nazis könnten daraus was lernen. Nur mit grosser<br />

Blühe gelang es unserer Führung den Finstampfbefehl<br />

wieder rückgängig zu machen und die Broschüre<br />

unter crsclnverten Bedingungen zu verbreiten.<br />

18. Das Verluiltnis zu den I(ommunislen.<br />

Die Klärung des Verhältnisses zwischen der Sozialdemokratischcn<br />

und der Kommunistischen Partei in<br />

Deutschland wurde von Tag zu Tag dringender. In<br />

gewissen ICreisen um unseren Parteivorstand herum<br />

war ich als Bolschewist bezeichnet worden und das<br />

wurde auch im ICampf gegen mich von dieser Seite<br />

aus verwendet. Das war falsch. Freilich, wie ein jeder<br />

überzeugter Sozialist, war ich in meinen letzten Idealen<br />

Kommunist, ich hätte auch Alles geopfert, Alles<br />

eingesetzt, wenn di e l e iseste Aslöglichkeit bestehen<br />

'. würde diesen Traum der EIcnschhcit bald vcrwirlclichcn<br />

zu können, Aber als einem wisse»schaftlich geschult«n<br />

Mcnsclicn und realer» l'olitikcr w«r cs inir<br />

klai', dass iu AVcslcuropa diese hiüglichkcit zticltf bestand,<br />

oder vielmehr nur nach «incnz tol«lcu lusauamcubruch,<br />

nach «iucr unerhörten ICatastroplic, vielleicht<br />

eintreten 1cön»te, Und selbst in diesem Falle<br />

wäre cs noch lauge 1cL1u l(ollllllulllsnlus) der llllll zur<br />

. Iiealität würde, sondern nur der Anfang eines 'Weges,<br />

der vielleicht zum kommunismus führen würde. Die


ggrhed>lCu" ng dazu die Katastrophe, barg aber in sich<br />

g~qatc d' ic enorme c n Gefahr einer. völligcn Zerstörung<br />

~cdcr menschlichen Kultur. Damit war weder der Arbeiterschaft<br />

noch der Menschheit im'allgemeinen gedient.<br />

Dass sollte nicht kommen und war auch nicht<br />

nötig, Es gab eine Noglichlceit den Sieg des sozialisti-'<br />

' schen Gedankens schon in unserer Zeit herbeizufüh-.<br />

ren — denn wirtschaftlich war ja die Welt nun reif<br />

dazu — und zwar auf eine Weise, die ohne zu grosse ..<br />

Erschütterungen möglich.war. Das war i m G r u n de'<br />

g enommen derselbe „legale" Weg, den Hitler g i n g<br />

— cs war der Propagandakampf. Der Schlüssel zu<br />

diesem XVcg war die von mir schon'oben (im Kapitel<br />

10) angeführte Berechnung: 5.000 aktive und 55.000<br />

passive Menschen unter den Wählern.<br />

l reilich, in Bezug auf Russland war ich kein Feind<br />

der Politik der Sowjetregicrung: ihre Hauptmission<br />

erblickte ich vor .Allem darin, dass das durch das<br />

jahrhundertelange Verbrechen der Zarenregierung<br />

zurückgebliebene russische . Volk zum S o zialismus<br />

vorbcrcitct, erzogen werden musstc, denn es war klar<br />

dass ein Volk ohne Zeitbegriff, ohne organisatorische<br />

Gewohnheiten und O r dnungssinn k eine P l anwir tschaft<br />

führen, keinen sozialistischen Staat aufbauen<br />

könnte. In k u r zer F r ist k onnte vom V o lk e d i ese<br />

Schule bei in -Russland gegebener Konstellation nur<br />

auf die. Weise durchgegangen werden, wie es tatsäch-.<br />

lich dort geschah. Al)cr für Wcstcuropa wäre ein solcher<br />

Plan falsch gewesen. Zudem musslc ein jeder<br />

reale 1 Qlitik«r mit der Tatsache rechnen, dass im Westen<br />

seit Jahrzehnten bestehende, organisatorisch vcrfcstigtc<br />

sozialdcmokratischc Parteien czisticrtcn, und<br />

die Ä'crwirklichung des sozialistischen Ideals, der<br />

Kamp!' für den Arbciterstaat nur durch sie, nur mit<br />

ihren Kräften durchzuführen war. . D as. Ziel i h r er,<br />

89'


ge"s förung und Neu«ufsaugung durch kommunistis­<br />

. chec Parteien ovar ein gefährlicher AVahnsinnstraum,<br />

. dessen Verwirklichung nur dem 1"aschismus zugute<br />

kommen könntc. Di e T a t sache des ' Bestehens in<br />

Deutschland grosser kommunistisch wählender blassen<br />

sollte Niemanden täuschen,. Das war ein Resultat<br />

vornehmlich der Inaktivitat der sozialdemokratischen<br />

pührer — jetzt wo ich näher mit diesen in Berührung<br />

. 1cam, war es mir ganz einleuchtend — waren doch die<br />

1communistiscllen Parteien i n d e n j enigcn L ändern,<br />

wo die Sozialdemokratie aktiver war, wi e i n S k andinavien,<br />

ganz unbedeutend.<br />

Die Teoric, dass in Deutschland die V«relendung<br />

die ihiassen zu den ICommunistcn trieb, war nicht stich- .<br />

haltig, denn zugleich liefen die blassen in noch höheren<br />

Scharen auch zu ihrem ausgesprochenen l eind,<br />

, zu'Ilillcr. Aussclllaggchcnd war im letzten Glundc die .<br />

psycllischc Bccinllussu»g, die Plopaganda. Irrig war<br />

auch die kommunistisch«. Taktik, di«dllllin zi«lte, die<br />

Masse» Il»reh w i r tschaf tliclle» Ikl«i»kanlpf, d u l'ch<br />

Streiks zunl K l l lssc»bcwllsstscl» zll cl ' / I c llc» ll » ll i »<br />

'ihnen den revolutionären Geist auf diese XVcisc zu<br />

: züchtefl. Das war gut in den neunziger Jahren des<br />

vorigcn Jahrhunderts und vielleicht noch vor dem<br />

Kriege. Jetzt, mit der enorm vorgeschrittenen Technik,'<br />

mit Anhäufung von ungeheueren hIitteln in den Eiänäen<br />

der Machthaber, mit Durchdringen organisatorischer<br />

Kenntnisse und rationeller Arbeitsweisen, bei<br />

steigender Arbeitslosigkeit und Bestehen gut organisierter<br />

bürgerlicher, uns feindlicher sä f t e — w a r<br />

' diese Taktik v o l l k ommen v e rj ährt. D i e ld e i nen<br />

Streiks erzogen unter diesen Umständen die Nassen<br />

nicht, im Gegenteil sie demoralisiertcn sie. Wirksam<br />

nul' dcl' politisch«. Gcn«ralstrcik s«in können,<br />

; aber auch nicht allein an sich, sondern nur in V er­<br />

90


indung nut<br />

't ~I<br />

g etc<br />

' l zeitigemAngriff<br />

>zei i<br />

auf allepolitischen<br />

51nchtpositionen l t t' un und Mi tt el der Gegner, das heisst mit<br />

Bevolulion.<br />

Aber cs gab noch ausgezeichnete hlittei, w e l che<br />

auch die I(ommunisten vernachlässigten — das warder<br />

Ikampf mit geistigen Waffen, die Propaganda. Es<br />

war mir gar nicht sc)dover festzustellen, wie unbeholfen<br />

und unsicher auch sie diese Waffen gebrauchten, ihre<br />

Propaganda war.zwar heftiger, agressiver, aber auch<br />

sie verfuhren recht prhnitiv, auch sie hatten keinen<br />

eigentlichen Plan, keine durchdachte Pührung, I~'reilich<br />

das Prinzip der sozialdemokratischen Propagan-.<br />

da mit Hewcisgründcn zu operieren und warten bis<br />

die absolute 51ehrzahl des Volkes, von ihrer Wahrbeil<br />

überzeugt und ihrer Tüchtigkeit lkredit spendcnd,<br />

sie mit der 1


Groll gegen diese Tatsache, die Bereitschaft zum Zu- .<br />

sammengehen war überall vorhanden und der gesunde<br />

Instinkt der Massen verlangte cs immer stärker, je<br />

weiter sich die Lage verfinsterte. Aber die zünftigen<br />

Politiker und ihre ganze Presse hielten dieses Bestreben<br />

im Schach, dauernd schürten sie das Feuer der<br />

Unverständnis und des Gegensatzes. W o mi t d enn't<br />

Nun, wiederum mit Propagandamitteln, — sie führten<br />

beiderseits Schimpfworte im Munde, sie waren intolerant,<br />

aus jeder Mücke machten sie einen Elcfantcn,<br />

mit einer unerhörten Hartnäckigkeit hetzten sie die .<br />

Anhänger beider Arbeitcrparteicn auf einander auf.<br />

Ihre sonst vcrmisstc Aktivität licss in dicscr unheilv<br />

ollen Hichtung nichts zu wü»schcn übrig. Dic Aus- :<br />

drücke wie das einerseits gchrauchtc Wort „ Sozialfaschistcu"<br />

und andererseits „Nazi und Ikozi w i r lctcn<br />

immer wie rotes Tuch aul' den Stier.<br />

Ilicr war der erste Schritt zu tun — man sollte endlich<br />

mal das Geschimpfe aus der Welt schaffen. Auf<br />

e inem kommunistischen Antifakongress trat ich mi t<br />

diesem Gedanken auf. Ich schlug konkret I'olgcndcs<br />

vor; man sollte während des I(ampfes gegen den gemeinsamen<br />

Feind beiderseits unter den Arbeiterpar­<br />

. teien das gegenseitige Verunglimpfen u~d Beschelten<br />

• .bewusst unterlassen, auf einzelne Ausfalle nicht reagieren,<br />

ich schlug vor, dass beide Parteien einen Wettlauf<br />

in Aktivität gegenüber dem Feind veranstalten<br />

und den Arbcitcrmassen selbst überlassen sollten, für<br />

wen sie dann stimmen wollten — es war ja klar, dass<br />

diese vornehmlich für di e Pa rtei eintreten würden,<br />

. die den Kampf am erfolgreichsten und aktivsten füh­<br />

' ren würde. Es wäre ein Stimulans für beide Parteien<br />

gewesen, und der Erfolg eines solchen Wettlaufes<br />

würde nur der Arbeiterbewegung zugute kommen,<br />

Dasselbe predigte ich auch in unseren Kreisen. Die<br />

92


Arbeiter und mancher aktiver Fuhrcr waren mit mir<br />

darin vollko~ c n e ins, die Oberführer,aber beider-.<br />

seits standen in Abwehrhaltung und lceiner + ollte den<br />

ersten Schritt tun, Umso sinnloser, umso verbiecherischer<br />

war diese Haltung der Führer als in den AIassen<br />

pralctische Anläufe zu einer Versöhnung spontan zum<br />

Durchbruch kamen: die Arbeiter, die unser Dreipfeile-.<br />

abzcichen und andere, die das Antifazeichen trugen,<br />

grüsstcn sich schon manchmal gegenseitig, während<br />

u»scrcr Aufmärsche standen auch Ikommunisten auf<br />

den Hürgcrsticgcn und grüsstcn unsere vorbeimarschicrcndcn<br />

I(olouncn mit durcliaus nicht feindseligen<br />

H ufen, ja an vcrschicdcncn Orten reilitcn si e s i ch<br />

schon i» unsere Züge ein. Allcr


ingcnden Versuchen hincin,'die Verbreitung ihrer<br />

. meist unwirl~samen und alles überflutendcn Papicrprodul;te<br />

belegte mit unnötiger Arbeit viele, I(räfte,<br />

die eine bessere Arbeit zu leisten hätten, von der Anwendung<br />

der crwiesencrmassen höchst w i rlcsamcn;<br />

auch billigen und daher in Millionen herzustellenden<br />

IQebezetteln hatten sie plötzlich Abstand genommen, '<br />

so dass wir lolcal diese Massnahme auf eigene I aust<br />

durchführten, wofür allerdings uns' das eigene Geld<br />

.i<br />

J­<br />

jgfg+Qb: p st'<br />

meist fehlte, Au f S c hritt u n d T r i t t w a ren i n n ere<br />

Schwieriglceiten, Iiindcrnisse, IIemmungen zu ü b erwinden.<br />

Freilich, auch jetzt noch hahen die wunderbaren<br />

deutschen Arbeitermassen die Scharte ausgewctzt, sie<br />

verstanden viele Fehler der F ü h rung durch i h r en<br />

Elan zunichte zu machen, wuchtige Arbeiterdemonstrationen<br />

licsscn die deutschen Städte durch d en<br />

c iserncn Tritt i h rer M assen erdröhncn, d u rch d i e<br />

': . unendlichen Freiheitsrufe erzittern. W i r a r b eiteten


mit Hochdruck, man eilte, man flog aus einer Stadt in<br />

die andere, man zündete die Massen, jetzt war alles<br />

mit unseren Symbolen bedeckt, das Dreipfeilzeichen<br />

zuckte und blitzte überall auf, in Aufmärschen trug<br />

man es in den verschiedensten Formen, jetzt spielte<br />

die Phantasie der V eranstalter von A u f zügen von<br />

selbst, tausendfache Formen des Ikampfes unter dem<br />

neuen Zeichen wurden erfunden, es brodelte und<br />

kochte wie in einem Ikesscl. Drei enorme Pfeile, aus<br />

clcktrischcn GlC(l(birnen zusamIIlcllgcßtcllt, g l ü htcn<br />

zum Beispiel in (ler Nacht von den Wänden der Gcwcrkschaftshäuser,<br />

ganze Strasscnzügc prangten in<br />

rotcnl l'laggcnschmuck mit dem Drcipfcilsymbol, ausgcstanztc<br />

Papicrkonfettis in I ' orm von (lrci P f eilen<br />

lagen ill (Ion Strassl n überall Iler(lma Iu ( 1cr erst( n<br />

Woche (las Jt(li lingcn die Ilakcukrcuzabzeichen auf<br />

den Röcl(cn (lcr llitleranhängcr iu dau Strassen der<br />

grossen Städte zu verschwinden an, an den Tagen unserer<br />

Aulmärschc waren gar lceinc Hakenkreuze<br />

mehr im I(nopf loch, auch 1ccinc braunen Jacken mehr<br />

z u sehen, die Helden vcrlcrochcn sich hunmchr, I n<br />

Berlin z. B. wurden einzelne SA-Leute von den Massen<br />

in Höfe gedrängt, ihnen die braunen Hosen ausgezogen<br />

und sie in diesem Zustand auf der Strasse laufen<br />

gelassen, in Frankfurt am Main mussten die SAhiänner<br />

auf Autos von der Polizei heimgebracht werden..<br />

Die Welle stieg, sie stieg trotz Allem, wunderbar,<br />

unaufhaltsam, wie eine Flut...<br />

Gegen ilIitte Juli war es mir Idar geworden — die<br />

Nazis waren überall in die Defensive gedrängt wor- '<br />

den — die Initiative des Angriffs war überall in unsere<br />

Hände, in die der Eiserneh Front, übergegangen,<br />

So lautete ein Geheimdokument, von Goebbels unterzeichnet,<br />

und an alle nationalsozialistischen Gaue und .<br />

. Propagandaleiter im Reiche gerichtet: „... Es muss


unseren Prcssc- und Propagandaleitern in icürzcstcr<br />

Frist gelingen, die Partei aus der Dcfcnsivc herauszuführen<br />

und qffensiv gegen die marxistischen Parteien<br />

und gegen das Zentrum in di e Pront zu bringen".<br />

Ich greife aus meiner I(artei nur einen Zeitungsbericht.<br />

aus Mittelbaden um die Zeit heraus. Es lautet<br />

darin Folgendes:<br />

„... Alle diese Iiundgebungcn waren von einem in<br />

unserer Partei lange Zeit uni)clcanntcn Elan gell agcn.<br />

Es gibt arbeitslose Genossen, die ohne einen Pfennig<br />

Zchrgeld in der Tasche stundenlange An- und Abmärsche<br />

zurücldegen, um .unseren Demonstrationen' den<br />

. crforderlichcn Nachhall zu sichern. Überall 1


Iiopf rot umrandet' R o tmorrl will 20 000 hlenschcn<br />

in I'lammen umkommen lassenl" Aha, jetzt sprachen<br />

die berüchtigten „Helden" endlich eine andereSprache,<br />

jetzt trieben sie die „negative Einschüchtcrungspropaganda",<br />

jetzt gingen ihnen die Nerven. durch,<br />

jetzt heklagtcn sie sich über uns bei der Bevölkerung,<br />

stellten uns als die Mächtigeren heraus. Wohlauf I Das<br />

C413rr annnan A pß.l<br />

Rlrbcrn erhol@II<br />

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34)NN'5 rnrg 26000 %CNf@CN<br />

in gfemeCa uefaeeCa taNCtrr.<br />

war ein ausgezeichnetes Symptom der b e ginnenden<br />

Verwirrung, worauf ich gewartct, Jetzt galt cs aber<br />

weiter, weiter schlagen, 'dem Feind nicht eine Sekunde<br />

Zeit zur Besinnung gehenl<br />

Es fiel mir in den Strassen Berlins ein Naziflugblatt<br />

in die iiände: oben in grosser Aufmachung standen die<br />

d rei Pfeile und das Wort „ I "rciheitl" — S o , j e t z t<br />

musstcn sie gar mit unseren Begriffen, mit unseren<br />

Symbol«n op«riercnl Alle ilrrc Blätter, Zcilungcn,<br />

W itzblätter' waren jetzt voll von A n griffen auf d i e<br />

„Drei I'f«ilc", sie wrrn(lcrr sich nun dauernd wie ein<br />

getroffener Wurm unter ihren Schlägen, sie versuchlcn<br />

jclzl mit allen Mitteln (las nun sieghaft vordringe@de<br />

Symbol nicderzukämpfc». Es liattc ihnen<br />

angclanl<br />

Weitere Symptome tauchten auf: in Mannheim z. B.<br />

- 97'


infrn gs olms nnl nnrnan bsmn 4)c gonen fbr 6nrcbcr norn 6difsbc ba '<br />

6nlib, 'dlinmß nnl 6ncicrL c)lc grnbnl fbl clc 'lfalbcnlcr 0cl 'Q ifel,<br />

lu grnbdr,crs mn nr )4 g'brcn rnmcn ldnnr babrn. Cln gmibcn, ln nnl<br />

garns mnb bar Omnlm~f bar 6+D. 'Drmm nnl Osncnnl bcfibrin<br />

gams nan tri, lll fc)na gs mn ioclcnm4llrclrnb unliirllcn gaben n< nlnc<br />

i • gabi«bis ornliinncrr g libltcir G %ltttloncn Cgrrlcrbbtofl.<br />

gflgtioncn ocrnlcfifllcr igniftcngcn, ein acrdcnbcfrß %otf ftub<br />

blc Opfer b!cfcr 'Bcglcrungßfunff.<br />

Qffgbee QtfNt f<br />

sticss ich am 17 Juli auf ein grosses Plakat der Nazis,<br />

vollkommen in defcnsiven Tönen gehalten, jetzt waren<br />

sie nicht mehr (lic sicgcsbcwusstcn,


Selbst der V on v ä r ts" t r u g j e t z t e n d l ich die<br />

Drcipieilc auf seiner ICopfseite und überschrieb bombastisch<br />

eine Nachricht: „PPir greifen ani" Allerdings<br />

daneben stand mit grossen Lettern eine andere Nachricht:<br />

„Das Demonstrationsverbotl" mit dem darunter<br />

s eine wirkliche Psychologie verratenden Untertite i n<br />

I'orm einer Frage: „Auf Umwegen zur Vernunftg"<br />

Das Unerhörte, Unerklärliche war nämlich, d a ss<br />

die führenden SPD-Kreise dauernd in einer eigenartigen<br />

Angst, panikartigen Stimmung ob der entfaohten<br />

Volksbewegung lebten, sie konnten immer >poch<br />

nicht den Sinn des sich vor ihren-Augen abrollenden<br />

Geschehens bcgrcifcn, sie hatten eben Iccincn Ikontakt<br />

mit den Massen und waren verblüfft, dass nun<br />

das verbasste und gefürchtete Nazimittcl — P r opaga»da<br />

durch Uniform und Demonstration — plötzlich<br />

sich gegen die Nazis selbst wcndctc, dass cs zu unserem<br />

eigenen Trumpf wurde. Denn nun fingen die<br />

Nazis selbst Ißindcnburg und Papen mit hysterischen<br />

Telegrammen und Forderungen zu bestürmen an;<br />

, „Demonstra tionsvcrbot, sofort und um j e den Preis l"<br />

Unser gewaltiger Vormarsch musste um jeden Preis<br />

zum Stillstand gebracht werden. Die braunen Helden<br />

hatten plötzlich den Mut verloren. Sie hatten sich verrechnet,<br />

sie glaubten darin ein Monopol zu besitzen.<br />

Aber das Unerhörte geschah nun: unsere eigenen<br />

Führerkrcise stimmten jetzt mit den Nazis übereinauch<br />

sie verlangtcn dasselbe. Ab.18 Juli nahm der<br />

preussische Staatsrat mit d«i> Stimmen des Zentrums<br />

naß der So ialdcmol'rgIie einen Antrag an, worin<br />

cs bicss: „Der Staatsrat hält cs i nsbesondere für<br />

dringend notwendig, dass über die inzwischen verordnete<br />

13cschränkung der D cmoustrationsfrcihcit<br />

hinaus das Uniformverbot wieder eingeführt ... wird".<br />

Am 17 Juli hatte gar der SPD-Vorstand in einem Tele­


gr)unm, unterschrieben von W els un d 13rcitschcid,<br />

iiindcnburg um das Dcmoustrationsvcrbot angcf loht l I<br />

Zwei Tage vordem war es mir Idar — wi r h a tten<br />

' mit zwei hlomenten zu rechnen;.erstens, die Nazileitung<br />

war effektiv in die Defensive gedrängt, zweitens,<br />

verharrten die SPD-l'iHirer in einer Angstpsychose.<br />

L~ Erkenntnis dieser Tatsachen waren zwei<br />

Schritte sofort zu unternelunen: die uns gimstige Tatsache,<br />

dass wir i m s i c ghaftcn Vordringen w aren,<br />

musstc überall bekannt gemacht wcrdcn, sie solltc<br />

maximal agitatorisch ausgenutzt werden — die ganze<br />

auswärtige Presse musstc schleunigst die Tatsachen,<br />

die Dokumente, die Erl.-lärungcn' dazu in die Hünde<br />

kriegen, und sie in die weite Welt tragen — ein. psychologisch<br />

sich enorm auswirkcndcr Schlag sollte nun<br />

gegen die Ilitlcrbcwcgung geführt werden, zugleich<br />

sollte unser Angriffstcmpo wcitcr gcstcigcrt werden<br />

— die Aufmärsche noch intensiver, noch kämpferischer<br />

werden, wir näherten uns mit Riesenschritten<br />

dem Höhepunkt — immer mehr drüngtc sich mir jetzt<br />

der Gedanke auf, dass wir w omöglich die W ahlen<br />

. nicht mehr nötig haben werden, dass die Entscheidung<br />

noch früher fallen könnte. A m 1 8 Zuli sollte unser<br />

grosser Presseempfang stattfinden, ich bereitete Alles<br />

dazu vor, eine ganze Ausstellung von Bildern unserer<br />

Aufmärsche, unserer ganzen Symbolik, die typischsten<br />

I"ormen aus der Hitlerschcn und uuscrcr neuen Propaganda<br />

waren systcinatiscli geordnet, dokuinc»tarischc<br />

Beweise, dass kIitler von uns in die Defensive gedrängt<br />

war, waren zusammcngcbraclit. An> 17 inusstc ich<br />

dem Aufmarsch in Eiagdchurg beiwohnen, eilte<br />

dorthin und nalun daran organisatorisch t«il, am 18<br />

war ich morgens in AIauuhcim, um den grosscri<br />

I'ackelzug dort vorzubercitcn, Nn selben Abend sollte<br />

nun in Berlin der schicksalschwcre Presseschachzug<br />

l00


gegen Ilitler erfolgen. Ich flog nach Berlin..Als >cl»n<br />

Tcmyclhof aus der Maschine stieg, erfuhr ich von dem<br />

ehen erfolgten Demonstrationsverbot.<br />

Das war ein enormer Schlag gegen uns — cr Icam<br />

den Nazis zugute, Es ovar aber keine Zeit zu verlieren<br />

— der Presseschlag sollte doch erfolgen. Auf unserem<br />

Büro traf ich die Menschen in voller Bestürzung — die<br />

Leitung war niedergeschlagen und wollte nun nichts<br />

mehr auch mit der Presse unternehmen. Nichts half,<br />

man drohtc mir im F alle cincr eigenmächtig unternommenen<br />

Aktion in der Presse. Ich musste es einsehen<br />

— man koootc clicscr nun nicht den Einblick in<br />

unsere eigenen Verhältnissc gchcn — jede Alction war<br />

unter diesen Umstündcn a ussichtslos. Zähoclcnirschcod<br />

rousste ich mich fügco. Es war lclar: Alles war<br />

verloren.<br />

20: Der 20 Juli — Die ilfarnescltlacht der Bonzen.<br />

Und doch war noch immer nicht A l les verloren:<br />

noch immer zeigte das Schiclcsal und der wunderbare<br />

Instinlct der Arbeiterschaft einen Schluyfweg, noch<br />

immer war die Möglichkeit zum Handeln da. Das Demonstrationsverbot<br />

traf uns urierhört hart — die Nazis<br />

atmeten auf, wieder fingen ihre Blätter an, den<br />

M und ivcit aufzurcissen und un s anzulclüffen: s i e<br />

Icooolco sich die io Umzüuouogco auf 14cooplützco<br />

usw. erlaubten Demonstrationen ganz gu t l e i sten,<br />

, cleoo clas Geld zoon Mieten dieser tcucrcn I lütze das<br />

hatten sie von ihren Geldgcbero — clco Baronen ui>d<br />

der Industrie. Nur die Arbeite?schaft Icoootc es sich<br />

nicht leisten,<br />

Ich traf sofort die Gcgenmassnahme: wir mussten<br />

das Verbot, auf der Strasse unseren Ifamyfeswillen zu .


"eigen, zu umgehen wissen, lind so bclcanlcn unsere<br />

Leute sofort die V,'cisung — jetzt ständig die sog«nannten<br />

vcrzcttelten Demonstrationen, dcn~S m bolbummel,<br />

durclizufühven: in den Fiuuptstvussen f~ulrcn<br />

massönhaft unsere Hadfuhrer mi t d e n D v eipfeilew<br />

impcln herum, i h nen e n tgegen gingen au f d e n<br />

Bürgcrstiegen unsere L eute mi t de m Dre i p f eileabzeichcn,<br />

sie spazierten vereinzelt oder 'zu zweien,<br />

sie grülssten laut sich gcgcnseitig und die Hadfahrcr<br />

mit d«m Frcihcitsgvuss. Die Menschen in den Strassen<br />

sahen, dass wir du waren und uns nicllt unterkriegen<br />

llcsscn.<br />

Die Stimmung war noch immer und trotz allem da,<br />

die XV«llcn .bvan


. S crhluss oss sströmten r o die Massen in di e S trassen unter<br />

fortdauernden Freiheitsrufcn und zum Teil auc i mit<br />

liässlichcn Hufen „Hitler-Judasl" und „Hitler verreclcel",<br />

die ilmcn ein slcrupclloscr Redner aus dem Par<br />

tcivorstande in. seiner Rede viele linie einpaulcte und<br />

sie zum Wiederholen reizte. Die Erregung, die sich<br />

, der Massen bemächtigte, war so enorm, dass man lciar<br />

'sah, es schäumt in Berlin über, noch ein Paar solche<br />

Tngc und Berlin steht im Glühen, die Revolution'ist<br />

dn. In mir bohrte dauernd der Gcdnnlcc — „Pnpen<br />

wird, Pnpcn muss eingreifen, sonst ist er verloren,"<br />

Popen hat noch in derselben Nacht von Hindenburg<br />

die Vollmacht zum Schlussmnchcn, zu seinem Staats- .<br />

streich in Prcussen crwirlct.<br />

Am nächsten Morgen wnr der Rubilcon überschritten.<br />

In unserem Büro war um 9~/„Alarm: es traf die<br />

Nachricht ein, Severing und Grzcsinsky wnren verhaftet.<br />

Jetzt musste die Aktion gegen uns und die Partei<br />

sofort einsetzen. Wenn Papen es ernst meinte, dann<br />

mussten alle.unseren, zentralen Apparate in einer halben<br />

Stunde besetzt, verhaftet, ausser Alctionsfähiglccit<br />

gebracht werden, Die Uhr des revolutionären Handelns<br />

von beiden. Seiten hatte nunmehr zwölf geschla­<br />

'gen. Die Entscheidung stand auf der Messerschncide.<br />

In der Lindenstrasse 8 versammelte sich der Parteivorstand,<br />

die Gcwerlcschaftsführer, unsere Führung.<br />

I m letzten Augenbliclce sprach ich m i t d i eser, i c h<br />

sagte: „Jetzt oder nicinnlsl Nchmcn Si« v ier unserer<br />

bewaffneten Leute, treten Sie vor die versammelten<br />

Bonzen und stcllcn Sic ihnen clns Ultimatum: es wird<br />

nicl>t mehr diskutiert, das Handeln wird jetzt unserer<br />

Wchrorganisation übertragen, Stemmen die sich da- .<br />

gegen so erlciären Sie sie in Schutzhaft und handeln<br />

Sie selber — schleunigst heraus aus dem in Belage- .<br />

rungszustand erlciärten Berlin, M obilmachungsordre<br />

108


aus einer anderen Stadt an unser ganzes Netz und Ul­<br />

' timatum an l'apen: sofort Alles rurücknehmcnl"<br />

Und nun geschah das Unerwartete, ein letzter Wink<br />

des Schicksals: Papcn zögcrtc, Popen hatte Angster<br />

hatte gedroht, aber er unternahm nichts — volle<br />

sieben Stunden liess. er verstreichen. In einer halben<br />

Stunde erfuhr man, dass die erste Nachricht unwahr<br />

war, weder Severing noch Grzesinsky hatten was erlitten,<br />

sie waren unbehelligt auf i h ren Posten, Nie­<br />

. mand kam zu uns, Nicmaud umzingelte das Gebäude,<br />

'wo die' Vertreter unscrcr Spitzcnorganisationcn über<br />

die Lage. berieten. Es war klar: Papen zögerte, Papcn<br />

hatte Angst, Angst vor uns, vor L i ndenstrassc B, cr<br />

wartctc: was sagL' nun die mächtige Partci2 War cs<br />

nicht doch zu gefährlich den crstcn Schlag zu führer><br />

und damit den SLcin ins Rollen zu bringcn2 Er war­<br />

' tctc, cr war tctc gg1l~e äicben 8ltujdeij.<br />

Die „I'ührcr" der mächtigen Part«i aber sassen und<br />

sassen, ricLcn und bcrictcn,' und gegen 3 Uhr Nach-'<br />

niitiags war die klassischc Antwort da: „Ruhe, Disziplin,<br />

lasst euch nichL provozieren, wir antworten vernichtend<br />

am Bi Juli ... mit dem Stimmzette t"<br />

Die Würfel waren gefallen. Ganz Berlin lachte, die<br />

Arbeiter ballten die Fäuste zusammen, Tränen standen<br />

Vielen in den Augen, Papen hatte keine Angst<br />

mehr. Papcn handelte j etzt; ein Rcichswchroffizicr<br />

und zwei Soldaten kamen zu dem Ilei'rn Polizciministcr<br />

Mitglied cipcr mächtigen rcvolutionärcu Partei,<br />

die Eiillionen von Anhängern, die eine eigene Wehr­<br />

: -macht hatte, und dem zugleich noch eine ausgezeichnet .<br />

ausgerüstete, disziplinierte Polizeimacht, mit Maschi- .<br />

nengewehren, Maschinenpistolen, Panzerautos usw.<br />

unterstand. Sic kamen und sagten kurz und bündig;<br />

„Wegl" Und der Il crr Polizeiministcr, Mitglied usw.<br />

usw., deklamierte pathetisch „ich weiche der Gewalt"<br />

104


und .. . e n t f ernte s ich l n sei n e Pri v a twohnung<br />

nchcnan. So am 20 Juli 1932, 5 Uhr Nachmittags in<br />

der Reichshauptstadt Berlin geschehen. Die offiziell<br />

registrierte Stunde des Ablehens der"deutschen'Soziald<br />

emokratie, der s t olzen P artei B ebels un d L i e h ­<br />

lcnechts, der genialen Schöpfung Lassalles.<br />

21. De r llalbe Sieg.<br />

Nun war jede Iloffnung darauf, dass man dem<br />

. Schiclcsal entrinnen lcönnte, verloren: D e u tschland<br />

war nicht mehr zu retten, jede Möglichkeit clcn I(ampf<br />

olu)c gvossc Opfer, cluvch reines Propan>ailclafcchtcn'<br />

fühvcn zu lcönncn, war endgültig cvlcdigt. Was jetzt<br />

unausl)1«il)lieh lcomm«n musstc — (las war der l3flrgcvkl<br />

i«g mit allen scincn I(onscclucnzcn. Würden jetzt<br />


gungcn zu setzen, vicllcicht wärdc die jahrzehntelang<br />

'in den Arbcitcrorganisationcn angehüufte und systcmatisiertc<br />

Encrgic nun mit clemcntarcr Gewalt durchbrechen<br />

und die entfesselten ICrüfte, wie schon so oft<br />

in der Geschichte, den richtigen weg, wenn auch<br />

durch Opfer besät, finden.<br />

Das was jetzt nach dem 20 Juli Qberall zu sehen<br />

war, war, wenn auch erklärlich un d l ogischen 'Gesetzen<br />

folgend, so doch im höchsten Grade bcträblich:<br />

eine enorme Depression', eine bis ins IClcinstc sich<br />

.kundtucndc Nicdcrgeschlagcnheit,. Alles schien wie<br />

' gclühmt und diese Lähmung, gerade in den fQhrenden<br />

ICreiscn, Qbte cinc zcrsetzendc Wirkung auf die im<br />

Lande noch wogcnde Erregung unter den Arbcitcrmasscn.<br />

Statt nun umsoinchr den ICanipfcswillc» der<br />

blassen weiter zu schüren, statt sofort zur Organisation<br />

des reellen ausserparlamentarischcn ICampfes zu<br />

schreiten und dem Volke den 13cgriff der nun unvermeidlichen<br />

opfervollcn, aber auch sicgcsgewissen Revolution<br />

nahezubringen, zappelten die „FQhrer" und<br />

ihre Prcssc hilflos und mit 1üchcrlichcn Gebärden und<br />

stammelten zum hundertstcn fiale die alten abgedroschenen<br />

und von N i emandem mehr e r nst genommenen<br />

Formeln — „Nun erst rechti" (eigentlich was<br />

denn erst recht7), „Auf un d d urchl", „ Ran an d en<br />

Feind l" und dgl.<br />

Die Depression äusserte sich so stark, dass man ihre<br />

Auswirkungen sofort selbst psycho-physiologisch fcststcllen<br />

konnte; so war die Zahl der in den Strassen<br />

mit dem Preiheitsruf sich Grüssenden sofort gesunken,<br />

auch wurde der Gruss selbst oft nicht mehr energisch<br />

ausgestreckt, herausfordernd getan, sondern<br />

schlapp, 1caum zur Schulter rcichcnd, wie der kommunistische<br />

Botfrontgruss. Die Zahl der D r eipfeilcabzeichen<br />

im Knopfloch war im Schwinden begriffen.


Dic Dcmonstratio»cn, di e nu n i n U m z i iunungcn<br />

durchgeführt wcrclcn Iconntcn, waren nur noch ein<br />

schwacher Abklatsch clcr noch vor K u r zem überall<br />

aufbrausendcn Erregung, zudem hatten sie jeden Sinn<br />

verloren, denn die passiven und zu beeinflussenden<br />

grossen Massen auf den Strassen bekamen sie nicht .<br />

zu Gesicht.<br />

In allen Zentralorganisationen war volle Zerfahrenheit<br />

und Panikstimmung, Alles brachte nun seine Sachen<br />

in Gewahrsam, Vieles wurde im Angesicht der<br />

bestehenden Dilctatur aufgelöst, ma n b e r iet l c eine<br />

Plane, sondern wechselte nur gegenseitig Nachrichten, .<br />

Meinungen und Vermutungen aus. Das Lieblingsthema<br />

überall war jetzt: „Das Zentrum Ifcsst sich das<br />

cloch nicht g e f allen l" N i c h t a u f . cl i « A rb e i ters<br />

chaft, nicht au f e i g ene ICraft h a ute m a n s e i n e<br />

Iloffnungcn, aber auf clie Pfaffen! Ich 'erinnerte mich<br />

— cs war genau clas Bild der Verwirrung in den menschcwistischen<br />

ICrcisen Russlands in clcn Tagen vor<br />

und wahrcncl der Olctohcrrcvolutiou. So war also clic<br />

Scclcnvcrwandtsclraft t r ot z a n d erer I Constcllatiou,'<br />

Vollcscharakters, Macht der unter ihrer L eitung stehenden<br />

Massen, trotz anders gearteten Gegners und<br />

trotz des Allen belcannten historischen Beispiels der<br />

russischen Revolution — bis aufs Haar gediehen. Jetzt<br />

war es mir ganz lciar; alles war verloren,<br />

Und doch waren. die Vagen der grossen Juli- '<br />

. Zrrcgung im Vollce, die Folgen der durch den Symhollcampf<br />

entfesselten Bewegung, immer n i ch t zum<br />

Stillstand gelcommen — sie braudetcn und grolltentrotz<br />

allen Flotfnungen FIitlers und Papens wurde der<br />

31 Ju' uli nicht zu ihrem Sieg. Ich hatte in meinen Fländen<br />

wührcnd des Juni-Juli-ICampfcs interessante Zahlen:<br />

es waren Angaben aus den führenden Feindeskreisen,-die<br />

mir unsere Agenten zustellten, Mit 54 %<br />

107


erechnete die Ilitlcrlcitung i hr e I commcnclc Stimmcnznhl<br />

zunächst, nls sie von Papcn die Auflösung<br />

des Bcichstqgs und das Ausschreiben ncucr Wahlc»<br />

: erwirlcte; das ovar zu Anfing der zweiten Junihalfte.<br />

Und dann fielen diese von den Gegnern selbst errech­<br />

'neten Zahlen im Laufe der Kampagne dauernd und<br />

immer rascher: zunächst auf 51, dann 47, dann 44,.<br />

und um die Mitte Juli waren sie bereits auf 87 angelnngt.<br />

Das war ein ausgezeichnetes Symptom ihrer<br />

Depression uriter der E i nwirkung des Erfolges un- '.<br />

serer Kampfcsmittel. Nnch dem 20 Juli wusste ich, die<br />

Zahl wird wieder in clic Iiölic schncllcn. Und so knm<br />

.cs; sie lcricgtcn zusammen mit ihren Vcrbü»clctc», clc»<br />

Deutsch-Nationalen, 44 o/o, nllcrclings nur 44l I I i i l cr<br />

' war abermals gcschlngcn, abermnls war sei» Traum .<br />

zunichte gcworclcn. Und clns trotzdem cr im l e tzte»<br />

Augenbliclce noch den Schlag Papens gegen uns crwirlcte.<br />

Es hatte sich aber gczcigt, dass cs doch.zu<br />

spät war —. die von uns erzeugtc Erregung war zu tief<br />

ins Volk gedrungen, zu hoch gingen die Wellen, dass<br />

. sie in 10 Tagep vollkommen picclergcschlagen werden<br />

lcönnten,<br />

Aber der Geschlagene war nicht nur H i tler: auch<br />

unsere Bonzen erlitten eine Niederlage, denn eine<br />

vollkommene Zerstörung Hitlers, worauf wir hinziel­<br />

. ten und die, angesichts des stürmischen Erfolges unserer<br />

Waffen, vollauf im B ereich der Elöglichlceitcn<br />

lag, war nicht ei»getreten, im Gegenteil clic seit dem<br />

20 Juli cingctretcne psychologische Weixdung wnr nun<br />

wicclcr »u r I l i t lcr gü»stig. Wi c z u e r w a r ten war,<br />

wirlcte sich unscrc mornlischc NiccIcrlnge gn»z bcsonclcrs<br />

starlc am Orte der letzten Gcschch»issc selbst aus<br />

— iu 13crli»; cln ware» u»sure Stürm>c» als Xcichc»<br />

der Empörung der Massen gegen unsere Pührung ganz<br />

gewaltig zurückgegangen un.d kamen den Kommuni­<br />

l08


stcn zugutc. In der Provinz hatte die negative AVellc<br />

noch nicht die Zeit sich auszubreiten und daher waren<br />

unscrc Verluste im allgemeinen nicht so gross.<br />

22. Die EEonsequenzen.<br />

Somit war das unmittelbare Ergebnis der gemahlen<br />

vom 31 Juli — ein halber Sieg für uns — EIitlcr war,<br />

wieder aufgehalten worden. I~"reilich, barg diese IIalbhcit<br />

in sich die grössten Gefahren für uns und Jeder,<br />

der Einsicht in ihre Ursachen und die nach dem 20<br />

Juli geschaffene Loge hatte, wusste g;u>z genau: die<br />

I(onscciu«uzen werden nicht lange auf s ich w a r t en<br />

, lassen. Jetzt begann und musstc auch der Nicdcrgang<br />

bei uns einsctzcn, cs war klar, dass grosse Massen bei<br />

uns mürbe werden mussten, dass andere, zum T eil<br />

temperamentvollere, zum Teil weniger bewusste Elemente<br />

nunmehr in immer steigendem Masse zu den<br />

kommunisten hinüberwandern würden, Die Autorität<br />

unserer I


w ieder in unsere Wehrorganisntionen hinein, m a n<br />

verschaffte sich Waffen, man wartete und war bereit.<br />

Zugleich.ging auch im EIitlcrlnger etwas vor: eine<br />

nochmalige Aufschiebung der Entscheidung wirkte<br />

zersetzend in seinen Reihen, der Hindenburgsehlag<br />

gegen ihn am 18 August lratte ihn weiter erschüttert,<br />

pnpen rückte von ihm ab — di e Nazileitung führte<br />

nun grosse Reden gegen Papcn, die beiden Brüder<br />

schienen gehörig sich in den IIaaren zu liegen. Papen<br />

versuchte nun scincrseits den Schlag gcgcn Ilitlcr zu<br />

führen — cr glaubtc endlich den Schlüssel zu Ilitlcrs<br />

Erfolg erfnsst zu haben — allcnthnlbcn kündigte cr<br />

nun nn, dnss eine gvosszügige ofl'izicllc Rcgicvungspropngandn<br />

einsetzen werde, cr glnubtc mit Hilfe der<br />

Dvutschnationalen und dvs St:dtlhclms dasselbe tun<br />

zu können, was bisher Hitler tat: ein mi t g r össtem<br />

Tamtam in Berlin aufgczogcner Stahlhclmtag mit Parade,<br />

I"ahnen und anderen Propagandatricks wurde<br />

inszeniert. Die Ikonstellation schien Papen günstig zu<br />

sein: die Sozialdemokratie durch ilire EIaltung am 20<br />

Juli moralisch erledigt, die kommunisten wieder die<br />

ganze Wucht ihrer Agitation gegen die Sozialdemokratie<br />

führend, die Nazis ebenfalls in Zersetzung. Er<br />

glaubte nun allein handeln zu.können: es war eine<br />

antizipierte Dollfussiade, freilich mi t n o ch weniger<br />

Basis im Volke und ohne irgendwelche Aussichten auf<br />

dauernden Erfolg.<br />

Dcn Dcgviff dcv Wirksamkeit der I'vopngnnda jetzt<br />

im I(opfc, und Ilitlcr Alles nachmachend — die gvosscn<br />

Reden im nun fü r s ich a l l «in n >onopolisicvten<br />

Rundfunk, was sogar ein Vovspvung vov Itillcv wnv —.<br />

glnubtc Pnpen auch das seither von I l i l lcv nls entscheiden(l<br />

erstrebte Nltlcl nnchül fell zu ki jllnell<br />

Ausschreiben von Neuwahlen, Durchführen derselben<br />

; unter grösster Entfaltung der P r opagandamassnah­<br />

ilO


Er1angcn einer gefügigcn hiehrheit, zu der er<br />

noch das Zentrum hinzuziehen hoffte — dann hatte<br />

nicht Hitler, sondern er, Papen, eine „parlamentari<br />

sehe" Basis unter den Füsscn, lconnte sich das Er<br />

mächtigungsgesetz bewilligen lassen, die Verfassung<br />

ändern — dauernd sprach er davon — das Parlament<br />

hcimschiclcen und nun seine eigene Diktatur aufrichten.<br />

Es war ein lächerlicher Traum, aber er bestand<br />

doch und Papcn setzte wenigstens das durch, dass der<br />

Reichstag abermals aufgelöst und wicdcr neue XVahlcn<br />

zum G Novcmbcr ausgcschrichen wurden.<br />

. 1~'rcilich zog Papcns hausbaclccne Propaganda, dazu<br />

noch in so kurzer I rist zusammengcleimt, nicht — er<br />

hoffte ja auf die hiachtmittcl des Staates, die ihm zur<br />

Verfügung standen und bcsondcrs auf die Möglichlccit<br />

viel Geld hincinzulcgen, Hier zeigte cs sich wieder einmal,<br />

dass die Propaganda, auch wenn sie noch so gut<br />

aufgezogen ist und. über Geldmittel verfügt, doch ohne<br />

Wirkung bleibt, wenn ihr kein politischer Inhalt zu­<br />

. grunde liegt. Und in diesem Sinne war das ganze Papcnschc<br />

Unternehmen eine lcünstliche Blüte, ein Ding<br />

ohne Fleisch und Blut, Politische Propaganda und Renoch<br />

in so lcurzer Frist zusammcngeleimt, nicht — er<br />

Papen erzielte, wie zu erwarten war, am 6 November<br />

lceinen Erfolg, er hatte zwar den Nazis Stimmen<br />

ahgewonnen, aber das war unbedeutend. Freilich IRtlcr<br />

war ordentlich geschlagen diesmal — er büsste<br />

über 2 Millionen Stimmen ein, aber das war nicht ein<br />

Erfolg von Papen, sondern eine sich nunmehr auswirlccndc<br />

l'olgc der Zclsetzungscrsclll!lnungcll ln scrncm<br />

I.ager, wiederum als l(onsc


pic grosscn Gcwinnler vom G November waren nur<br />

die kommunisten, sie haben zum Teil uns, zum Teil<br />

den Nazis Stimmen abgcwonncn. Es war ein klares<br />

Symptom, wenn auch olinc iigci>dwclchc praktischc<br />

Bedeutung.<br />

arie ordenOich Geschlagenen waren nun wiederum<br />

unsere Bonzen — wir v erloren jetzt zum erstenmal<br />

fast eine Million Stimmen — j e t z t w i r kte sich die<br />

Schlappheit vom 20 Juli aus — nun gingen von uns<br />

Viele un


schaf fcn. Unsere Versammlungen. wurden )mmer<br />

weniger un u )d weri'> weriiger besucht, cs sassen drin nur ganz<br />

vcrspiesstc und hof lnuugslose Funktionäre, die jeden<br />

Versuch ihnen die Wahrheit zu sagen und gegen die<br />

a n unserem Niedergang einzig Schuldigen Oberbon ,<br />

zen aufzutretcn — mit Ablehnung, Hass und Verdäch<br />

tigungen quittierten. Waren sie doch von diesen guch<br />

wirtschaftlich abhängig. Selbst nach der N ovember<br />

nicderlagc waren sie unvcrbcsscrlich, verharrten in<br />

Jeder Ablcl)uung scli)stäIldigcn Denkens 'und hofften<br />

nur irgendwie forhvurstcln zu können.<br />

Um die Zeit erschien in der Zeitschrift „Das Tage<br />

' buch" ein Artil'cl „Schluss mit Wels und Co", wo ganz<br />

richtige - Gedanken über di e sozialdcmokratischcn<br />

Fül)rcr un d n u n A l l e n b e k annte T atsachen i h r er<br />

Schlappheit und Schuld vorgebracht waren — in den<br />

obersten I(reisen der Partciführung hat man mich sofort<br />

als den Urheber dieses Artikels verdächtigt, was<br />

vollkommen falsch war, obwohl ich den dort dargeb<br />

rachten Gedanlcengäugen selbstverständlich v o l l ­<br />

kommen beistimmte. Eine entsprechende Hetze gegen<br />

mich setzte ein.<br />

Als man mich im Oktober mal als Fachmann auf.<br />

dem Gebiete des Propagandawesens anfrug, was denn<br />

für die am 6 November bevorstehende Wahl noch für<br />

. wirlcsame P r opagandamöglichkciten be s tünden,<br />

konntc ich leider nur auf eine Massnahme hinweisen,<br />

. die wirldich in die Massen noch im letzten Augenbliclce<br />

neuen Mut und Hoffnungen bringen könnte. Das<br />

wäre, wenn der Parteivorstand spontan den revolutionären<br />

Mut gehabt hätte an die Gesamtheit der Partei<br />

mit einem Aufruf zu treten,'dessen Sinn gewesen<br />

wäre „Pater, pcccavi", d. h. wenn er darin öffentlich<br />

seine Schuld belcenncn würde und sagen würde, dass '<br />

er nun die Verantwortung für den bevorstehenden


krampf in die Hände ncucr, unverbrauchter Iirüfte<br />

lege. Das wäre ein hcroischcs illittcl gewesen, aber cs<br />

. war auch das einzige, das in diesem Augenblicke noch<br />

Qlancen gehaßt hütte, psychologisch zu wirlccn. Eine<br />

solche Wirkung als Propagandamittel heisst kathartisch,<br />

lösend, läuternd. L enin h a tte .diese Methode<br />

manchmal verwendet, als er öffentlich sich selbst der<br />

b egangenen Fehler bezichtigte und sagte: „Ich habe ,<br />

die Fehler gemacht, ich bin der Schuldige, ich habe<br />

sie erkannt, ich tue sie nicht mehr", Das wirkt propagandistisch<br />

i m mer e r s chütternd, d ie D e p r ession<br />

schlägt dann oft in A u f regung und einen Seelenzustand<br />

um, aus dem neuer Mut und neue Kräfte spros-'<br />

sen können. 1"reilich. einen.Lenin gab cs in der so­<br />

zialdcmokratischcn Führung nicht, m e i n V orschlag<br />

t<br />

klang naiv und war auch von mir sellist nicht ernst<br />

gemeint.<br />

M. De r Z usammenbruch;<br />

Nun entwickelte sich Alles im beschleunigten Tempo.<br />

Zunachst fiel Papen — alle seine Plane waren zunichte<br />

geworden, die Lage blieb wie früher ungelöst,<br />

in den IQ'eisen um Hindenburg herum glaubte man,<br />

dass man einerseits der Öffentlichkeit doch gewisse<br />

Zugeständnisse machen, andererseits aber auch an die<br />

~lilitärs Anlehnung suchen sollte — man konntc nie<br />

wissen, weichen letzten Ausgang die Ereignisse finden '<br />

könnten. In General Schleicher stand eine Person zur<br />

, .Verfügung, die beides zu vereinigen schien, zumal<br />

demselben die Gewohnheit des Stürzens von ehemaligen<br />

I(ollegen und Vorgesetzten,— Hermann Müller,<br />

Gröner, Brüning — sozusagen ins Fleisch und l3lut<br />

. übergegangen war, Also stürzte Schleicher nun Pa­<br />

.:-: .-,114


p cn un d sass s ass bald a an seiner Stelle. Er schielte nun<br />

n och rechts und schielte nach links, er sprach m i t<br />

HiOcr und wandte sich auch an die Gewerkschaften,.<br />

cr balancierte hin und her bis man endlich auch seiner<br />

müde wurde und wieder in Kuhhandel mit Hit­<br />

• ler t r a t. Die-er hatte nun seit dem 13 August was gelernt,<br />

cr liess dieses Mal die Gelegenheit nicht vorbei­<br />

' ziehen, er wusste genau, dass er am Fädchen hing ­<br />

die Niederlage vom G November beschleunigte immer<br />

mehr den inneren Zcrsetzungsprozess in seinen. Bei<br />

hen, der Krach mit Gregor Strasser war ein drohendes<br />

Symptom, das Intrigcnspiel in seiner nächsten Umgebung<br />

verschürfte sich immer mehr. Es war keine Minute<br />

zu vcrlicrcn. Er nahm das Angebot an, cr wurde<br />

Bcichskonzlcr.<br />

Er hotte sich diesmal nicht verrechnet — psychologisch<br />

war sein Entsciduss für die SA und die Millionen<br />

seiner Anhänger. im Bürgertum ein Sieg. Durch<br />

geschickte Aufpeitschpropaganda Goebbels' wurden<br />

die Massen in Taumel versetzt, sie jubelten und glaubten<br />

ihr Heil würe nunmehr hereingebrochen.<br />

Jetzt setzte folgerichtig die Hetze gegen die verhossten<br />

Gegner ein. Schlag auf Schlag folgten nun.'<br />

Bcichstagsauf lösung, der Reichstagsbrand als Propagandamittel<br />

und Grund zu r te r r o ristischen Beeinflussung<br />

der Wahlen, die Wahlen selbst, Verbot der<br />

Kommunistischen Partei, Verhaf tungen, Judenhetze,<br />

sog. Korruptionslmmpagne, der Erste Lügcnmai, Zerschlagen<br />

der Gewerkschaften, Auflösung und totale<br />

Vernichtung der. SPD... Und nun zuletzt der Ausfall<br />

gegen die Verbündeten — Stahlhelm und die Deutschn<br />

ationalen, der Sturz Hugenbergs und Schluss m i t<br />

Zentrum, Bayerischer Volkspartei und Staatspartei.<br />

Wie in einem Filmroman rollten die Ereignisse vor<br />

uns ab. So rasch ging die ganze Entwicklung, wie sie


weder in Sowjehussland noch in Italien vor sich gegangen<br />

war. Es war ein ungchcuercr Galopp, worin<br />

dem deutschen Spiesser alle Sinne vergingen, Die armen<br />

sozialdemoleatischen „l'ührer" liessen sich nun<br />

'zum Nazi-„Führer" f ühren — v o l lkommen erschlagen,<br />

geblendet, e i ner er b ä rmlichen S chafsherde<br />

gleich, gaben sie ihm ihre Stimmen, die er mit einem<br />

Fusstritt quittierte — sie wurden trotz ihrer sich plötzlich<br />

als „ echt n a tional" e n tpuppendcn Gcsinmmg<br />

hinausgejagt. l-'in Naziministcr hielt ihnen ciu Grab- .<br />

rcdc, indem er sagte: "sclnvcigcn und sich schämen<br />

sollten sie." Jetzt hat die Nemesis der Geschichte ihr<br />

letztes AVort über sie gesprochen, sie haben endlich<br />

das'geerntet, evas sie gcsüt, Es trauert 1ccin Arbeiter,<br />

kein Sozialist über ihr Schicksal.<br />

N. H i t l ers Aussichten.<br />

Nun ist Hitlers Traum erfüllt — er ist der Alleinherrscher.<br />

Der Schatten Hindenburgs bat Nichts mehr<br />

zu sagen, womöglich erreicht auch i h n b a l d ' d as<br />

Schicksal von Hugenberg und anderen;,historischen<br />

I


d C' h r eine n vorbildlichen Ordnungs- und<br />

dessen Hinwo ncr einen<br />

0 ' t' nn besi t zen p l ö tzlich e ine absolute,<br />

eine hundertprozentige Null stehen sollte. Denn alle,<br />

die Eiitler aus nächster Nähe, Freunde wie Gegner,<br />

als Person kennen lernen, sagen übereinstimmend,<br />

dass es nicht der Staatsmann, nicht der l ührer sei<br />

die von Goebbels um ihn herum organisierte Reklame<br />

— was kann man heute nicht Alles mit der Reklame<br />

t un I — sie kann die Tatsachen nicht aus der W e l t<br />

schaffen. Eins kann man Ilitlcr nur zubilligen — er<br />

hat zur rechten Zeit verstanden~die ungchcuere Starr.köpfigkcit<br />

n chcn v o l lkomme))cr W i l l c nssclnvöchc,<br />

Scl)lal)1)hcit der dcutschcn socialdcmokratischcn Führer<br />

sich nutzbar zu machen und sie durch recht primitive<br />

Mittel in solche Bedrängnis zu bringen, dass<br />

sie ihm die ganze dcutsclxc Arbeitcrbcwcgung gcdan­<br />

1ccn- und kan)pf los an die Schlachtbank. auslicfcrten.<br />

Wic lange wird und kann die Nacht ubcr Deutschland<br />

dauern2 Welche Aussichten hat Eiitler am Ruder<br />

zu bleiben2 Sie sind sehr schwach — so beurteilen sie<br />

seine nächsten Freunde, die italienischen Faschisten.<br />

Schon während der Judenhetze hatte ich Gelegenheit<br />

mit solchen zu sprechen und war erstaunt aus ihrem .<br />

Munde Folgendes zu h ö r en: „ D as, w a s j e t z t i n<br />

D eutschland geschieht, ist vollendete Barbarei, m i t<br />

der wir, seine Urbilder, wie er es ausposaunt, nicht<br />

das Geringste zu tun haben und auch nicht haben<br />

wollen. Das Tempo, in dem e r s e ine „ R evolution"<br />

durchführt, seine Massnahmen trifft, ist so ungeheuer,<br />

dnss es absolut ausgeschlossen ist, dass sie sich stabilisieren<br />

können. Wie lange hat unser Mussolini, der<br />

ja docl), wie olle Welt nun.erlccnut, aus ganz anderem<br />

Material als IIitler geformt ist, gebraucht, um seine<br />

Umwiilzungcn durchzufi>hr«n2 Die b«rühmte „Gleichschaltung"<br />

ist ja nichts anderes, als ein Resultat von


unerhortcm Terror, und als solche hat sie nicht die<br />

cringste bedeutung, eher umgekehrt: die auf solche<br />

g ~ejse „glqichgeschaltetcn" 4ilenschen bewahren i n<br />

ihrem Inneren untcrbcwusst einen unkompcnsicrtcn<br />

Erlebnisrest vo n Vc r g cwaltigtwordensein, de r in<br />

nen immer eine für eine gewisse Spanne Zeit unterdrückte<br />

feindliche Gesinnung schüren wird, bis sie<br />

eines Tages gewaltsam losbricht. Das ist eine blinde,<br />

unkluge Politikl I n k ü r zester Zeit ist er verbraucht<br />

und dann ist sein Lied aus." Das ist die Prognose sei- .<br />

ner I'reundc,der Faschisten.<br />

Und nun zur Analyse der objektiven Faktoren, die<br />

seine Lage bcstimmcn. Es sind deren drei: der ausscnpolitische<br />

I'"aktor, der wirtschai'Lspolitischc und der<br />

innenpoli tische.<br />

Ausscnpolitisch ist die Lage Ilitlcr-Deutschlands<br />

verzweifelt: keine Aussicht für eine 13csscru»g. Frankreich<br />

und seine Verbündeten sind auf der Lauer, von<br />

irgendwelchen Zugeständnissen ist lange keine Hede<br />

mehr, IRtler musste bereits von dieser Seite. aus recht<br />

bittere Pillen schlucken. England, das in den letzten<br />

Jahren, besonders seitdem die IConservativen ans Huder<br />

gekommen sind, schon gewisse Sympathien. gegenüber<br />

Deutschland bekundete und i n e i nem u nver­<br />

1cennbaren Gegensatz zu Franlcrcich stand, hat vollkommen<br />

ICchrt um getan, In Skandinavien sitzen Soziald«nsokratc»,<br />

l l i t lcrs ü b crzcugtcslc Gegner, die<br />

durch den Terror gegen ihre Genossen in Deutschland<br />

aufs Höchste erbittert sind, am Ruder, Seit der<br />

Revolution vom 1917 war es unmöglich Hussland und<br />

I'rankreich irgendwie einander näher z u b r i n gen,<br />

llitler vermochte diese Verständigung zwischen seinen<br />

geführlichsten Gegnern in wenigen %lochen zur Healitä<br />

t we rden z u l assen. Durch die Judenhetze hat er<br />

.. H8


gegen sich ' I ganz Ameri eri k a aufgebracht, Selbst Italien<br />

Ist I'ecllt ci t vol'slc " hti g li n Hckundungcn seiner Solidarität<br />

mit Hlt H tl er gcwor g w o rden en und gar das Ideine Üsterreich<br />

wagt Elitlers stolze Dritte Reich mit F usstrIttcn und '<br />

Ollrfeigcn unter unverkennbaren Schadenfrcudebe<br />

zeugungen gen er der ganzen Welt zu traktieren. Wäre das<br />

Dritte Reich auf dem Monde oder eine Welt für sich,<br />

.wie Sowjetrussland, dann könnte ihm das Alles relativ<br />

gleichgülltig sein und I l i tler k ö n nte v i e l leicht<br />

seine Wllhnidccn ungestraft lüngcrc Zeit in Deutschland<br />

sich austoben lassen, Zum Glück fü r D e u tschland<br />

und die Welt ist es doch mitten'in einer zivilisierten<br />

AVclt und dem systcmatisierten Unsinn sind'zeitlich<br />

Grenzen gezogen.<br />

AViltscllaftspolitiscll ist Dcutscllland noch in s t ürkercm<br />

Maassc in Abllängigkeit von der übrigen feindlich<br />

gesinntcn Welt und ist. ausserstandc die wirtschai<br />

tlicllc Eliscrc inl cigcllcn Ihluse zu meistcln. Zudem<br />

hat Ilitler in scincr der Machtübernahme vorgebenden<br />

Agitation Allen Alles versprochen — jetzt gilt<br />

cs unter zugleich erschwerten Verhältnissen die Versprechungen<br />

zu erfüllen, den Wechsel zu zahlen, was<br />

nachweislich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Freilich<br />

wird er nun versuchen, durch mehr oder weniger geschickte<br />

Propaganda, gestützt durch Terror, die Bedürfnisse<br />

der Deutschen herabzuschrauben — das<br />

Beispiel Sowjctrusslands lockt — sagen doch. bereits<br />

schlc Allllitllgcl'>»Wil' slum bei'clt Ü I agc zu llungcrn><br />

wenn man uns nur einen Tag in der Woche unter dem<br />

I (lang der Militärmärsche marschieren lässt"! Z u<br />

einem solchen Program hat er ja in Goebbels einen<br />

vorzüglichen Manager und 'in Goering den entsprechenden<br />

I&üppel. Dass aber die Sache auf die Dauer<br />

selbst in Deutschland nicht durchführbar sein wird, '<br />

braucht Jedem, der Deutschland kennt, nicht beson­


ders gesagt zu werden. So sind auch in dieser Beziehung<br />

die Aussichten Iiitiers nicht rosig.<br />

Innenpolitisch gar sind seine Massnahmcn in Bezug<br />

- auf sein Heil vollkommen verkehrt und uris ausser­<br />

:ordentlich zugutckommend. Jetzt, wo für Deutschland<br />

absolut der Satz gilt „Je, schlimmer, desto besser l", beschleunigt<br />

solch eine Galopppolitik ganz entschieden<br />

die Entwicklung. Es liegt in der Natur des Paschismus,<br />

dass er keine anderen Parteien neben sich dulden<br />

kann und in diesem Sinn ist IIitlcr gczwungcn logisch<br />

zu handeln — aber darin liegt «ben auch sein<br />

Verderben. Die Bcispiclc des faschistischcn Italiens<br />

und des bolsch«wistischcn Russhin


schcn Revolution die Geschiclce Italiens hestinuutea,<br />

nicht beigebracht werden,<br />

Was die Geschichte in Italien Mussolini zu tun<br />

zwingt, das wird in Russland.durch die Sowjetdikta<br />

tur erzielt, Auch hier ist das zurückgebliebene Volle<br />

durch Sichancignung von Organisations- und Ordnungssinn<br />

reif für den sozialistischen Aufbau zu ma<br />

ehen, zu erziehen — darin liegt die grosste Bedeutung<br />

der Sowjetdilctatur,' abgesehen davon, dass Russlaad,<br />

das auch technisch und wirtschaftlich recht weit hinter<br />

clen übrigen europäischen Staaten zurückgeblieben<br />

ist, nun auch noch in dieser Hinsicht vorwärts gebracht<br />

wcrdcn soli. Das ist aber an sich noch lccine<br />

spczitisch sozialistische Auigabe, wiewohl cs auch<br />

lclar ist, dass in einem inclustrialisicrtcu Laacl die sozialistischcu<br />

Idccn leichter verwirlclicht werden lcöuncn.<br />

In l curzcr I"rist sind d i csc h eiclcn Aufgaben<br />

»ur mittelst einer Diktatur zu lösen..<br />

In Dcutschlancl aber liegen die Verhältnisse ganz<br />

«nders;,weder das eine, noch das andere tut Not.<br />

Dculschland ist eins der am weitesten in seiner iudustriellen<br />

Euhvickiung vorgeschrittenen Lander und<br />

wohl Niemand würde behaupten wollen, dass sein Volk<br />

noch'zu Organisation und Ordnung erzogen werden<br />

sollte. Daher ist die ausgeprägte Hitler-Diktatur in<br />

Deutschland ein I(unstprodukt, bedingt vornehmlich<br />

durch die historisch nunmehr erwiesene Unzulänglichlccit<br />

seiner Gegner. Die sogenaante „nationale Revolution"<br />

ist keine Revolution im eigentlichen Sinne,<br />

wie etwa die Russische oder die Grosse Französische,<br />

sie hat viel mehr Ähnlichlceit mit den südamerika-'<br />

nischen Umstürzen, sie hat d urchaus keine t i efen<br />

Wurzeln, sie ist nicht durch tiefgreifende wirtschaftlichcn<br />

uncl sozialen Ursachen und Umwälzungea bedingt.<br />

Es ist eine ziemlich durch Zufall bedingte Auge


lcgcnheit, eine durch geschiclctc Propagartdnmachc<br />

bei glcichzeitigem unerhörten Versagen der Gcgenspicler<br />

erzielt@ künstliche Blttte.<br />

Drc Grundlagen für eine Dilctatur von Hitlers Art<br />

feltlen in Deutschland und so wircl und muss das Anwenden<br />

ihrer Hegeln hier den umgekehrten Erfolg<br />

zeitigen: durch gewaltsame Beseitigung aller Gcgnerorganisationen,<br />

und dazu noch in solchem Tempo und<br />

auf solche brutale Art, wird nur Erbitterung und Hass<br />

nlckumulicrt, di e d i e U r sachen tier u nvermeidlich<br />

lcommcndcn neuen Umwälzung sein wcrdctt.<br />

Inzwischen ober macht Ilitlcr Schule — die Dcolctionürc<br />

nller Scltntticrttngcn tnöclt ten rtttn gerne scinc.<br />

Methoden für sielt irr Anspruclt ncltnrcn, dcrt Vcrsttclt<br />

die Mttcltt in iltt e Iiünde zu l)ckommc» itbcroll wngcn,<br />

Wir haben oben schon den misslungenen Versuch vort<br />

Pttpcn geschildert, jetzt sind Dollfuss, Irlond, Estland<br />

und Bulgarien nn der Heilte, Gelüste rcgcn sich itt gewissen<br />

ICreiscn überall, S e l bst in D ä nemark, zum<br />

Beispiel, übcrnchmcn die Iionscrvativen ghttt die Methodilc<br />

der Ilitlerpropaganda — sie stellen Stutantruppen<br />

auf, sie führen sogar den Hitlergruss ein, mit allen<br />

Mitteln versuclten sie das Uniformverbot zu umgehen,<br />

sie lcämpfen, und nicht ganz ohne Erfolg, um<br />

die Gewinnung der Jugend; für so wichtig halten sie<br />

das alles heute, dass sie sich gar nicht scheuen mitten<br />

in der 1"etienzcit clcn Lancltogszusammcntritt zu fortlcrn,<br />

um für die jttgcttdlicltcn Pfodfirtderorgnnistttionc»<br />

das Uniformvcrbot aufzuheben I<br />

25.. Das Positive in 'der ECcfasirophe,<br />

Somit ist die Lage IIitlers und seiner Diktatur durch- .<br />

.-.: aus nicht rosig, Zudem wird er ständig mit d em<br />

.::: '..";182 ".


Glimmen von Feuer unter der Asche zu rechnen haben<br />

und dauernd vor der Notwendigkeit stehen sich<br />

durch Tcrrormassnahmcn über dem Wasser zu halten<br />

mit «)er historisch bekanntlich unausbleiblichen<br />

Folge, dass Terror Gegenterror erzeugt.<br />

Es gibt aber für uns, seine Gegner, noch eine. Reihe<br />

von wichtigen und Zuversicht weckenden Überlegun<br />

gen. Wir haben oben'gesehen, dass seine Diktatur<br />

nicht die historische Aufgabe haben kann wie die Dik- 'taturen<br />

in Sowjctrussland und in Italien. Iiat sie aber<br />

vielleicht doch cincn historischcn Sinn, eine andere<br />

Bedeutung? Ja, das hat sie tatsächlich l<br />

llitlcr ist vom Schicksal gezwungen sich selbst ein<br />

Grab zu grollen und dem 1commendcn Sozialismus ein<br />

freies Feld für seine» künftigen Aufbau zu bercitcn,<br />

Die von den sozialistischen Kräften in D e utschland<br />

durchlebte'IQilastrophe hat, wie man es jetzt bereits<br />

I'onstaticrcn kann, auch ihre guten Seiten, Da ist zunächst<br />

der Vmstand, dass Hitler reinen Tisch auch mit<br />

einer rechtnclastenhlachtmacht: erbeseitigtgründlich<br />

den politischen Katholizismus. Und Dieses ist unbedingt<br />

eine Grundbedingung für den künftigen. sozialistischen<br />

Staat, der mit der Kirche als politischem Faktor<br />

nichts anzufangen hätte. Jetzt fällt der ganze Hass<br />

der entsprechenden Kreise dafür auf Hitler' — wir<br />

werden vor einer Tabula rasa stehen, was uns zugute<br />

kommen wird,<br />

r •<br />

,Zweitens, schafft Hitler den deutschen Einheitsstaat<br />

— das ist auch eine Arbeit, die zuletzt wiederum dem<br />

sozialistischen n A rbeitcrstaate b '<br />

nur nützlich sein kann<br />

organisatorisch stünde das sozialistische Deutschland<br />

vor einer unlöslichen Aufgabe, wenn es die alten<br />

unnöti ~cn Ländcrgrenzcn, Enklaven usw. bei sei- '<br />

nem Aufbau,ber üclcsicht>gen zu haben hätte. Dass<br />

man'auf -Schwieri ' rigkeiten k ' bei der .Beseitigung der<br />

123


Klcinstaatcrci, auf IIcmmuugcn und Widerstand stosscn<br />

würde, würc sicher. Diese Aufgabe wird uns sonlit<br />

durch Ilitler auch erlcichtcrt.<br />

Ein drittes Positives ist der Umstand, dass Hitler<br />

heute den Zwiespalt in der A r b eiterschaft vollkommen<br />

aus der Welt schafft, denn sein Wüten gegen dieselbe,<br />

gleich viel ob di e A r beiter Sozialdemokraten<br />

. oder Kommunisten sind, ist heute ein sehr solider I


nicht vielmehr die mächtige, wohlgeordnete, lcampfbcrcitc<br />

Arbciterarmce von unfähigen Führerin,<br />

dauernd auf einem Rüclczuge begriffen waren,<br />

schliesslich in eine Geländesenlcung gchracht worden,<br />

wo giftige Gase ausströmten und die stolzen Forma<br />

tionen heimtückisch und ohne Kampf untergehen lies<br />

' sen't.<br />

Und doch ist sie nicht tot, die deutsche Arbeiterbe<br />

' wegung.l Und doch glimmt es unter der Asche und<br />

sammelt sich und schmicdct die ncucn W a f fen und<br />

sucht sich neue bessere Führer und macht sich neue<br />

Pläne, Alles hat man dem dcutschcn Arbcitcr genommen,<br />

die Mittel, die in clcr Organisation bcstchcndc<br />

I(raft, die Bewegungsfreiheit. Aber Eins — das Wichtigstc<br />

— I c onntc nian ilmx nicht cntrcisscn — di e<br />

innere scclische Kraft, den Glauben an seine wcltbcfreicndc<br />

proletarische Mission. Wer di e schlichten<br />

deutschen Arbeitermassen im vorigen Jahre mitten im<br />

Kampfe gesehen hat, wer die helle Begeisterung miterlebte,<br />

mit welcher ihre Bataillone die Strassen der<br />


n ch)nlich wird, d ann wir d e s w i e e i n W i n d ü b e r<br />

Deutschland gehen, dann stdlen u n sere deutschen<br />

Brüdei wieder-..da, seel)sch ungebrochen, m)t neuem<br />

$[ut und dieses Mal mit vollem Wissen um das Flandeln,<br />

in voller Wucht des sieghaftcn Angriffs.<br />

Wer daran zweifeln 1cönntc, braucht sich nur einer<br />

Tatsache zu erinnern — des 5 März. Bei diesen Wahlen<br />

war plötzlich die Arbeiterschaft fünf Tage vorher<br />

aller ihrer I


gegen die frühere Führung,<br />

gegen ihre Schlapphelt und Fe)ghelt.<br />

Eins wissen, müssen die neuen Führer, die jetzt<br />

Icommen, wissen, mit diesen Massen ist Alles zu tun,<br />

Alles zu wagen. Und das wird auch getan, denn die<br />

deusche Arbeiterschaft, sie ersteht schon, sie gesun<br />

det, sie schüttelt Alles, aber. Alles unbrauchbare, ver.-'<br />

moderte ab, sie reinigt und läutert sich jetzt durch das<br />

Feuer, das unter der Asche glimmt, wie ein Phönix<br />

' >vird sie sich dann zum Schrecken ihrer Feinde erheben'<br />

und wehe dann dem, der. ihr ins strahlende,<br />

ins glühende Gesicht zu sehen wagen wird.<br />

27. AIiliuer Oplimisnlus.<br />

Es wäre nun genau so falsch einem Pessimismus,<br />

wie einem passiven Optimismus sich herzugeben. Der<br />

letzte baut nur auf logischen Überlegungen und hofft<br />

. dass nun die Zeit für uns arbeitet, man hätte nur ruhig<br />

zu sitzen und zu warten, bis die gebratenen Tauben<br />

uns in den Mund fliegen und bis alles Heil von<br />

selbst kommt. Das ist.der Standpunkt der unverbesserlichen<br />

Teoretiker, der eingefleischten, „ h u n dertprozentigen<br />

Marxisten", der Zahlenjonglcurc und Statistikcnanl)ctcr.<br />

Falsch und verhängnisvoll ist dieser<br />

Stanclpu)lkl, ihm erklären wi r d e n u n e r bittlichsten<br />

I(ricg, Nci», glüclclichcrwcisc ist dieser Standpunkt<br />

heute,, besonders in unseren jugendlichcn Schichten,<br />

und ganz besonders nach der.deutschen katastrophe, '<br />

im Schwinden begriffen. Optimismus ist am Platze,<br />

freilich, aber nur der schaffende, kämpfende aktive<br />

p ' ' , Nur dann geht man. sicher, wenn man<br />

immer in Bewegung ist, wenn man Pläne schmiedet,<br />

'127


g zäftc sammelt, .den J(ampf u n erbittlich und m i t<br />

höchster Energie führt, wenn man immer bestrebt ist<br />

die Initiative des Ifampfes an sich zu reisscn und sie<br />

in eigenen Händen auch zu bewahren,<br />

Die überlu'itische Einstellung muss endlich im Angesicht<br />

der untrüglichen Zeichen der Aktivierung der<br />

blassen abgelegt werden. Man muss endlich begreifen,<br />

dass in einem Aktivitätszustand solche Eraftrescrven<br />

lebendig werden, an die man sonst gar nicht zu denken<br />

pflegt. Elan muss zu Optimisten werden, denn der<br />

Optimismus ist ein miichtigcr, bcfruchtcndcr 1'aktor<br />

des Gelingens im sozialen Geschchcn. Optimismus und<br />

Aktivität stchcn m c i n c r e n gen ull d scltsalllcn w ccllselscitigcn<br />

13eziclrung: nur wo Optimismus herrscht,<br />

ist positive Aktivität möglich, aber auch wo Aktivität<br />

zuhause ist, da erscheint ein die Zuversicht wcckcnder,<br />

an eigene I(räfte glaubcndcr, Pläne sclmxicdcndcr<br />

Optimismus. I'reilich, soll d e r O p t i mismus n i cht<br />

lcichtfcrtig, unbcgründct sein, cr soll auf Erlccnntnis<br />

der rcalcn Lage und Elöglichkcitcn fusscn, aber ist<br />

denn das in der Arbeiterklasse wachsende 13ewusstsein<br />

ihrer Nacht kein realer Faktor, der die Lage ausserordentlich<br />

mitbestimmt2<br />

Der Optimismus darf nie passiv sein, sich in den<br />

Gedankengängen wiegen, es käme Alles von selbst,<br />

die Konjunktur wäre das Entscheidende, man brauche<br />

nur ruhig das günstigste Noment abzuwarten und die<br />

Ereignisse nicht zu „forcieren" — das ist der belichte<br />

Ausdruck solcher. I(unktatoren und Übervorsichtigcn.<br />

Sie sind dann auch gar zu oft bereit, den Aktivitütswillen<br />

der blassen künstlich zu hemmen. Sic haben<br />

deswegen Unrecht, weil m a n d e n E r f olg n i cht als<br />

einen Lottcriczufall betrachten soll, der gcwolltc Erfolg<br />

ist immer und nur eine Funktion der Tätigkeit,<br />

der Aktivität, Nicht umsonst sagt die Volksweisheit:


„Frisch gewagt, ist halb gewonnen". Denn im $fo.<br />

mcnt der wagnis, der Aktivität, werden Kräfte frei,<br />

die sonst verborgen sind und an die ein „realer" Po<br />

litiker gewönhlich nicht denkt'und die er in seine<br />

Rechnung nicht aufnimmt. Die Geschichte aller Revo.<br />

lutionen ist der beste Beweis dafür.<br />

Auf die heutigen Verhaltnisse übertragen, was be<br />

deutet, was bezweckt ein solcher aktiver Optimismus<br />

in der Volksbewegung, die als Abwehr gegen das<br />

Obcrhandnchmcn des Pessimismus sich 1cundtutg<br />

D enn wahrlich, ei n P e ssimismus war i m m e r d i e<br />

Giundlage der sogcnanntcn radikalen Strömungen in<br />

der hcutigcn Welt. Es mag vielleicht paradox erscheinen,<br />

wenn man behaupten wollte; wie es hier geschieht,<br />

dass die Nazi-Bewegung auf dem Phänomen<br />

des passiven Pessimismus der sich zersetzenden bürgerlichen<br />

Welt gross geworden ist. Dass sie zum Teil<br />

auch gewisse durch die Krise und Arbeitslosigkeit besonders<br />

zermürbtc Kreise von weniger bewussten<br />

Prolctaricrn ergriffen hat, widerspricht dem d urchaus<br />

nicht. Im Grunde war es eine pessimistische Bewegung<br />

und ihre ernster zu nehmenden Ideologen<br />

würden nie behaupten können, dass sie wirklich<br />

Lösungswege aufzeigen können, die eine wirtschaftlich<br />

fundierte Basis hätten. Diese pessimistische Bewegung<br />

ist aber im Grunde genommen auch passiv,<br />

auch wenn sie sich noch so wild, „aktiv", gebärdet;<br />

so enorm angeschwollen ist sie ja nur durch die Massen<br />

der Spiesser, der verängstigten, '[zeinen Ausweg<br />

mehr sehenden bürgerlichen Elemente, und diese sind<br />

nun immer passiv und können es nicht anders sein,<br />

weil ihnen als IQasse das aktivierende ideologische.<br />

Prinzip fehlt, das in der Arbeiterklasse so eklatant<br />

zum Durchbruch kommt, Die beängstigende „Aktivität"<br />

in der Nazi-Bewegung ist ein Charakteristikum


nur der Pührer, der skrupellosen Abentcurcr, die ge­<br />

. - schäftstüchtig die v c rz>veifelnden Stimmun ien der<br />

ch zugute machten und durch mo<br />

erne und auf von kapitalist<br />

ischen Scharfmachern<br />

flüssig gemachten Geldmitteln aufgebaute Propagandamassnahmen<br />

einen Schein von „Al tivität" zu<br />

schaffen verstanden haben.<br />

Die linksradikale Bewegung, die kommunistische,<br />

ist auch ein Ausfluss des um sich greifenden Pessimismus<br />

der weningcr reifen Elemente der Arbcitcrschaft.<br />

Aber entsprechend ihrem soziaicn Milieu, den<br />

Arbeitern, ist dieser Pessimismus im Gegensatz zu<br />

dem passiven der Nazi-Bewegung, aktiv. Die Parole<br />

hier h(.isst oft: „ J e schlimmer, desto bessert", also<br />

. -: Zerstörung von allem und um j eden Preis, irgcndwic<br />

und irgendwann soll dann eine bcsscrc Welt entstehen:<br />

eine typisch barbarische, an das spezifisch Altrussische,<br />

erinnernde Einstellung,<br />

Dagegen positiv, oplimistiscll) wal un(l ist die Arbeiterbewegung,<br />

die sozialistische, 13ewcgung imnxcr,<br />

aber das, was bis jetzt in den letzten Jahren in der<br />

- cigcntlichen Arbeiterpartei Deutschlands, in der Sozialdemolcratie<br />

war, kann nur als passiver Optimismus<br />

bezeichnet werden: man zweifelte nicht an den Endsieg<br />

des Sozialismus, aber man sah doch keine eigentlichen<br />

Auswege aus der Sackgasse der heutigen Lage,<br />

man war ehen passiv, — Daher das Sichbeschränken<br />

. auf eine Dcfcnsivpolitik, di e A ngst vor j c (1cm entschieden<br />

mit a l ten T r aditionen brechenden Schritt,<br />

vor jeder Initiative im I(ampf um den Sozialismus,<br />

»e deutsche katastrophe und die sie begleitenden<br />

" . Ilrnstände, der ganze IIcrgang der Geschchnissc, und<br />

das nun klar vorliegende Spiel der Mechanismen, die<br />

" "abci mitgewirkt haben, müssen endlich Allen in unserem<br />

Lager die Augen öffnen und sie in eine einzig<br />

;.-".„- 180


• d' des neu en Aktiven, Soziali<br />

r ichtige Einstellung, i e e s n<br />

Dic I'rage steht ht nun: : is ist a ber ein alctiver Sozialismus<br />

mög " l'ci l l p S' 1I1d<br />

die Voraussetzungen für emen<br />

aIcliven Optimismus da'I<br />

Die Hauptvoraussetzung ist d a: es i st d er e r ­<br />

w achende ilfachtwille der Arbeiterschaft, der W i l l e,<br />

i hn zu bclcunden, ihn auszuüben, Es gilt ih m n i c h t<br />

zuwiderzuhandeln, im Gegenteil, ihm w eiter zum<br />

Durchbruch zu verhelfen, ihn anzuspornen, in die Esse<br />

zu blasen. Und immer in sich die Erlcenntnis tragendcr<br />

Sozialismus Icann erobert werden und bald. D i e<br />

Voraussetzung dazu ist: dauernde alctive Propaganda<br />

für ihn, nicht von Wahlen zu Wahlen, wie es die Sozialdemolcratie<br />

tat, sondern immer, fortwährend, wie<br />

auch Hitler es für sein Drittes Hcich tat. Auch wir<br />

m üssen ulle unsere IQäfte mm mobilisieren und mi t<br />

den modernen, als die wirlcsamstcn sich erwiesenen<br />

hkthodcn dauernd Agitation treiben, solange unser.<br />

Ziel nicht crrcicht ist,<br />

Und ganz besonders jetit wird cs notwendig die'.<br />

sozialistische Aktivierung mit allen Mitteln zu fördern,<br />

Denn — caveant consulesl Es wird höchste Zeit<br />

der faschistischen Welle, die sich bereits im interna-.<br />

t ionalen Ausmaasse auszudehnen beginnt, nu n e i n<br />

wirlciich international aufgebautes einheitliches Ahwehrsystcm<br />

entgegenzusetzen. Das wichtigste dabei<br />

• wird sein, das Neue, das Charakteristische in den jetzt<br />

an der Tagesordnung stehenden Kämpfen zu erkennen,<br />

die Tulctilc zu m o dernisieren, sie e i nheitlich,<br />

wuchtig und in höchstem Maasse alctiv zu gestalten.<br />

Das Entscheidende ist die grundsätzliche Erkenntnis<br />

der enormen Bedeutung von psychologischen Eampfcsmethodcn<br />

und ihre entsprechende Organisierung.<br />

Falsch wäre es auch zu glauben, den faschistischen,<br />

18i


) usbreitungs- und Propagandaversuchcn mit allerlei<br />

Verboten Einhalt tun zu können — alle Verbote sind<br />

~mcr und überall nur Ül aufs glimmende Pcucr gejycscn,<br />

Nein, nur mit aktiver, psychologischcr Gegenw<br />

ehr, mit Weckung der Angriffslust im Kampf f ü r<br />

unsere völkerverbrudernden, weltbefreienden Ideale,<br />

nur mit Obergang zu Kampfesmethoden, die zur siegesbewussten,<br />

opferbereiten, freudigen Begeisterung<br />

hinreissen, werden wir die Jugend für uns haben,<br />

werden wir der drohenden Gefahr IIcrr werden. Noch<br />

ist es nicht zu spät! Aber di e Z eit drängt. Deshalb<br />

rufen wir die gesamte Arbeiterschaft und a l le f reih<br />

eitslichcndcn Menschen in allen Ländern zur A b ­<br />

wehr, deshalb schmettern wir in alle Winde — Alarm I<br />

Alarm l

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