Tschachotln
Tschachotln
Tschachotln
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C<br />
-'P~o[.Dr.<br />
<strong>Tschachotln</strong>
p rof. gr . S e r g e i T s c h a c h o t i n<br />
D R EI PFEIL<br />
G E G E N<br />
H AKEN K R E U Z<br />
(,<br />
RUB Bochum<br />
nst. -. Gesch.<br />
d. Ar~uit~rta.a.<br />
V E R L A G<br />
A KTIVE R S O Z IA L I S M U S<br />
K O P K N H A G K N<br />
AGi>ATION<br />
"~~l ~AScHp R'4EHRO&Pw tseTlwkt4<br />
E IS> RNE Ri?()qy
Copyright by<br />
. ',aktiver Sozialismus",<br />
Kopenhagen.<br />
1080<br />
, AikBJdEAPY"-~s%l"ellß<br />
. 8ihlivlck og Ar!
widmet':.:.-,<br />
den Kamy fern,'d.ie für<br />
Deut schla nds Frei eit<br />
und die %iedergebu rt des<br />
Sozialismus<br />
in der g anzen Vase<br />
allen<br />
I<br />
werden.<br />
lt : - 1<br />
t<br />
'1f • t'"'".
EINLEITUNG<br />
Es geht eine Welle über die Welt, über Europa.<br />
Es ist eine Welle, deren Ursprung man noch in dem<br />
vergangenen Ibieg suchen muss, es ist ein später Ausläufer<br />
der enormen Erschütterung, die die Menschheit<br />
durchzumachen hatte, So spät wirlct sie sich aus, weil<br />
sie ihre 13asis in der Masscnpsychologie hat, die die<br />
lugend von heute 1ccnnzcichnet. Erst jetzt ist diese<br />
Jugend, die dem Ikricgc entstammt und die die eigentliche<br />
Trägerin dieser Welle ist, der IGndheit entwach- '<br />
sen und tritt ins Lehen ein.<br />
Diese Welle ist der Paschismus, Man darf sie nicht<br />
unterschätzen, wie es immer noch in den heutigen<br />
Demoluatien' geschieht. Die ältere Generation, die<br />
bereits gewohnt ist, mehr mit dem Logischen, mit dem<br />
.Vernunftmässigen in ihrem Wollen und Handeln zu<br />
rcclmen, zu operieren, unterschätzt oft die Ikraft des<br />
Impulses, des gefühlsmässigen Erlebens.<br />
Hiez liegt die Quelle der Gefahr, Und es ist höchste<br />
Zeit, dass man sich näher mit den Ursachen der letzten<br />
Ereignisse,. besonders in Deutschland, befasst, dass<br />
man die herlcömlichen 13egriffc, mit denen man n«h<br />
ganz vor Ikurzcm alles Weltgeschehen erldärcn und.<br />
voraussagen wollte, schärfer unter die Luge nimmt<br />
und nicht ohne weiteres als unerschütterliche Dogmen<br />
ac stet. Unsere ganze moderne positive Wissen
schaft sagt nun ganz deutlich: der Mensch ist ehen<br />
keine g7gp auf wirtschaftlichc I'alctoren reagierende<br />
Maschine, die. Zeiten des naiven Darwinismus und des .<br />
'auf Qnn aufgebauten Vulgärmarxismus sind endgültig<br />
vorüber. Der Mensch ist, in g ewissem Sinne, eine<br />
Maschine, aber eine unendlich kompliziertere, als<br />
man es sich dachte und die kollektiven Organismen<br />
sind auch Mechanismen, aber ebenfalls viel vielsei<br />
' tigere und schxvieriger zu behandelnde; als man sich<br />
vorstellte.<br />
Die psychisch bedingten Handlungen des Menschen<br />
können von auswärts aus bewusst und nach einem<br />
-' Plan gelenkt werden — zu seinem Heil oder auch zu<br />
- 'seinem Verderben, Die politischen ICämpfe der letzten '<br />
" Jahre in D eutschland h aben es sehr h a n dgreiflich<br />
' gezeigt: es war kein a u sgesprochen wirtschaftlicher<br />
:::. . ICampf, wiewohl auch die wirtschaftlichc IConstellation .<br />
e inen wichtigen Untergrund dazu l i eferte. E s w a r<br />
vornehmlich ein psychologisches Hingen, ein Propagandakampf.<br />
D e r Sieger in d i esem ICampfe, Hitler,<br />
hat einmal selbst ganz offen und klar es ausgespro<br />
: ' chen — nach den Preussenwahlen im Frühjahr 1932<br />
sagte er i n e i n em A u f r u f a n s e ine P a r teigänger:<br />
:„Dieser Erfolg ist nicht das Ergebnis irgendeiner klu<br />
- gen Taktik„sondern die Frucht einer andauernden,<br />
unermüdlichen, fleissigen Arbeit. Was die politische<br />
Organisation und die Propaganda in diesen Wochen .<br />
' geleistet haben, ist einzig dastehend".<br />
ICaum.an die Macht gelangt, war eine seiner ersten<br />
Taten die Schaffung eines Propagandaministeriums,<br />
'-;,; mit dessen Führung cr den besten ICopf seiner Ge<br />
, ', f olgschaft, Dr. Goebbels, betraute, Hitler und.die Sei<br />
:-' :-,; -- -'nigen haben die Bedeutung der psychoIogischcn Momente<br />
im heutigen ICampf schon seit Langem klar,<br />
:-,-";".::-: wenn auch mehr intuitiv, erkannt und dementspre<br />
~.C ),~<br />
i.", ( .I ' I
chend gehandelt. Und der Sieg wurde ihrer.<br />
'Gegner, und .zwar die überwältigende AIehrhejt der' ,<br />
rc<br />
sozialdemokratischen Führer, hatte das nicht crkannt'-'.-,<br />
. und hat den Kampf verloren.<br />
Warum das so gekor en i s t , wie sich die E elg-'-nisse<br />
abrollten, welche Gesetzmässigkeiten sich in de~'.",:.<br />
Geschehen kundtaten, das will dieses Buch nun schi]'-!'.<br />
dem. Der Aufdeckung-der Wahrheit soll es dienen,';<br />
denn ohne dass wir der vollen ungeschmmkten Wahr '.- '.<br />
heit ins Gesicht sehen, können wir nicht hoffen unsere,'' ...<br />
Fehler zu e r k ennen, die uns zu 'der K atastrophe' .<br />
. geführt haben, und ohne dass wir unsere Fehler er-'. '<br />
kennen, können wir nicht hoffen sie nicht zu wieder-:;.". ~<br />
-'.-; holen — und das ist ja die,Voraussetzung für unseren .:-,;"-;:<br />
..-. weiteren Kampf um die Freiheit, um den Sozialismusl:
Aktivierung der Arbeiterschaft,<br />
„Die grosse Bewegung der klassenbewussten Arbeiterschaft<br />
steht in schicksalsschwerem I(ampf, überall<br />
und ganz bcsondcrs scharf iu. dicscm Augenblicke in<br />
Deutschland. De r H or i z ont i s t w i e d e r v e r sperrt,<br />
düstere gefahr(h'ohende Wolken ziehen dicht über<br />
das Land, das dumpfe Dröhnen eines'nahenden Gewitters<br />
wird hnmer deutlicher hörbar. Wirtschaftliche<br />
Not, unerhörte politische Hctzc der I(lassengcgncr und<br />
der nicht klassenbewussten Proletarier, unerwartete<br />
Passivität der staatlichen Schutzmcchanismcn gegenüber<br />
dem Trcibcn der zersetzenden Elemente — das<br />
sind die Grundfaktoren, welche die Situation bestimmen<br />
und ihr das charal(tcristischc Gepräge verleihen,<br />
Es gibt aus dieser Lage für die Arbeiterschaft nur<br />
. einen Ausweg. D a s i s t e i ne S teigerung ihrer p o litischen<br />
und gewcrkscliaftlich-organisatorischen Aktivität,<br />
Eine erhöhte Aktivität bringt es mit sich, dass<br />
die Lasten der wirtschaftlichen Notlage und die unvcrm<br />
cidlichen Opfei l e i ch tcr e r t ragen w e r den. E i n e<br />
g ste.'gerte Aktivität bringt auch. die bei Fehlen der<br />
. - Abwehr schier ins Unermessliche ansteigende' poli<br />
..tische Hetztatigkeit und die damit verknüpften künstlich<br />
aufgeblähten Erfolge der Gegner recht bald zum<br />
Stehen und schafft ein gewisses Gleichgewicht, das<br />
für den Oberblick über die Gcsamtlagc und für die<br />
' Entschci(lung über (lic zu treffen(lcu I
stchcn. Et besteht lcein Zweifel<br />
i e me<br />
I<br />
ir daran,<br />
d<br />
dass es<br />
an allen Eclccn und Enden anfängt<br />
l'<br />
n äag gesund zu gären.<br />
die schlqmmcrnclcn Abwehrlcräfte u d di<br />
4e Aagrif fs<br />
lust der Arbeitcrlciassc werden wach<br />
C 1.<br />
D<br />
avoa zeugt Qic<br />
' wachsende Flut der durch u nsere Pa t<br />
ar eiorgane veranstalteten<br />
Versammlungen im g anzen nze B n ch hc, , ehe<br />
ansteigende Zahl ihrer Besucher, der brausende Beifall,<br />
mit. dem die Massen gerade diejenigen Stellen ia<br />
den Ausführungcn der Redner unterstreichen etc en, woria<br />
clcr Abwchrsvillc sich äussert und.worin zur Einigkeit<br />
gemahnt wird. Die Tatsache der fortschreitenden Alctivieruag<br />
ist ganz Iclar ersichtlich aus dem Erfolge der<br />
Bildung der Eisernen Front und aus der Begeisterung<br />
clie gerade in clieser Beziehung bei den breitesten Arbeitermassen<br />
spontan zum Durchbruch lcommt.<br />
AVas trägt nun zu dieser Alctivicrung beil.I"ür einen<br />
aufmerksamen und - politisch geschulten Beobachter<br />
icclnn cs k c incn Zweifel geben: einen Eiauptaatcil<br />
haben
Freilich, auch diese Talctik, so kurzsichtig sie auch<br />
ist liat ihren Grund, sie baut auf zweierlei: auf dem<br />
Willen, die amorplicn Massen der bürgerlichen Spiesser<br />
einzuschüchtern und sie lahmzulegcn, und auf der<br />
Voraussetzung, dass der Prozess der Zermürbung der<br />
A rbeiterschaft durch di e w i r tschaftliche Not u n d<br />
durch den Bruderkampf innerhalb der Arbeiterschaft<br />
so weit vorgeschritten ist, dass es nicht mehr zu einer<br />
Tatbereitschaft, zu einer Alctivierung lcommen kann.<br />
, „Das ' ist eine präventive Einschüchterungsstrategie.<br />
Wenn sie im ersten Teil ih r Z i el auch erreichte, so<br />
' scheitert sie im zweiten. Der wunderbare Genius der<br />
rleutschen Arbeiterbewegung hat diese nicht verlas-.<br />
sen: ihre Massen lassen sich trotz aller Not und allen<br />
Abgcle»ktsciris nicht - ciirschiicir tern, i lr r g e sunder<br />
IQosscninstinkt r egt s i cli. „ De u tschland erwache I"<br />
-. schrien ihre Gegner und dochten nicht daran, doss<br />
das wahre, in der ganzen Welt geachtete Deutschland,<br />
das Deutschland der tatsachlich produktiven kräfte,<br />
. der deutsche Arbeiter selbst ist. Setzt wacht er a u f<br />
und wehe seinen Widersachern. Sie säetcn den Wind,<br />
sie werden jetzt den Sturm erntcnl"<br />
So stand es in einem Artilcel, den ich am G Dezember<br />
1931 dem „Vorwiirts", «ls dem IIauptorgon unserer<br />
Partei einschiclctc.' I reilich, wenn auch zunächst zu<br />
meinem grossen Erstaunen,, schickte ihn mir Gen.<br />
; Stampfer, der Ißauptredakteur der Zeitung, der mich .<br />
. übrigens als alten Journalisten, überzeugten Sozial<br />
-' demokraten, und einen, der mal im Vorwärts" in der<br />
:-.politischen Ibise 1928 einen Artilcel über Sovjetruss<br />
. lands Einstellung zu Deutschland, der viel Staub auf-.<br />
..-'. ', wirbelte, schrieb, sehr gut lcannte, zurück, Der Artilcel<br />
'".',:;. erschien erst viel später in anderen unseren Zcitungcn<br />
.':.:,, und Zeitschriften.<br />
' Die Totsoclie der Zuriiclcwcisung dicscr Gedanken<br />
;::::-:. 10<br />
I
f<br />
fp ~sQ~<br />
!<br />
gänge machte mich stutzig. Wie war das möglich?<br />
Schliefen die höchsten Parteistellen tatsächlich einen<br />
. giücldichen, gesegneten Schlaf, träumten sie wirlgich<br />
noch'mitten auf einem Schlachtfelde den Unschuld<br />
straum? Hatten sie aber auch im Ernst den unwlder<br />
- legbaren Gedanken vergessen, dass ihre ganze pole<br />
rierungspolitik.nur den Wert eines Zeitgcwinns.hatte, -. -' '-'.-,.'<br />
dass man unter dem Schutz der noch vom Schicksal<br />
gegönnten Galgenfrist nun um jeden Preis, mit hoch<br />
ster Anspannung aller Kräfte, in h öchster Eile die<br />
Abwehrmechanismen d er . A r b eiterschaft: : mobil ":-:-'. -<br />
machen, den strategischen Aufmarsch, im Angesicht<br />
des unvermeidlichen schicksalsschwercn Endkamyfes,;<br />
durchführen musstc? Sahen sie denn tatsächlich nichtdic'uninittclbare<br />
Gefahr, hatte» sie jcdcn Koiitakt mit<br />
der Masse verloren, so dass sie die Zeichen dqs gesun- '<br />
den wunderbaren Erwachens der A r b eiterschaft,;",':,:<br />
.l'<br />
nicht begriffen?<br />
2. Die faschistische Gefahr. -'<br />
Die grosse Gefahr war ja im Verzug. In aller Munde<br />
stand cs. Die Faschisten gingen zum Angriff über.<br />
Noch nie war die Lage so günstig für die Reaktion,<br />
noch nie ihro Aussichten so gross, Der grosse Wahlerfolg<br />
vom September 1930 hatte Hitler neue Schwingen<br />
wachsen lassen, die wirtschaftliche Not — die natürliche<br />
Basis für seine skrupellose Propaganda — stieg<br />
weiter an, das Hin- und Herschwanlcen der Regierung<br />
Brüning, die sich nie zu einer tatkräftigen Abwehr<br />
der unglaublichen Hetze gegen die Republik aufraffen<br />
licss, zersetzte wcitcr den Bcamtenapparat, der immer<br />
mehr und mehr nach rechts zi> schielen begann, das<br />
grosse I"ragczcichcn . der Rcicllswellly w o y o h t ischc<br />
I<br />
I<br />
i
I t iganten'und Abenteurer einen festen I"uss gcfasst .<br />
u haben schienen, trug das seine zur allgemeinen<br />
verwirrung bei<br />
Aussenpolitisch war die Situation solcher Entwicklung<br />
der Dinge auch recht günstig. In England der<br />
Sieg der Konservativen schlug der A r beiterpartei<br />
g rosse Wunden i n d e n K ö r p er, d e r G e d anke d e r<br />
unwiderstehlich zur Macht emporsteigenden Arbeiterklasse<br />
scl>ien überall iüsWankcn geraten zu sein — das<br />
wirktc sich psychologisch ungemein stark aus. In Italien<br />
sass Mussolini so stark wie nur jc, ciuc geschickt<br />
gciührtc P r opaganda d e r ,)A u f b au"-'l'üligkcit d e s '.<br />
faschistischcu Staatis brachte ihm Ansehen un(1 neue<br />
ICraft hinzu. Sovjctrussland war durch die immer steigende<br />
Spannung im Osten vollauf lahmgclcgt und di«<br />
ivirtschaftlichcn Schwicrigkcilc» d i eses «illxlgcu Alb<br />
citcrstaates der Weil w a ren nicht angclan für d i e<br />
allcrwürtigc Verwirklichung sei»cs Gedanke»s zu<br />
werben. In,l"rankreich war die Schlacht der Phrtcicn<br />
im vollen Gangc un d d e r du r c h d c utschc Bcchtssclnvcnkung<br />
wieder i n v o l ler T ü ti«kcit b c f i ndlichc<br />
Chauvinismus französischer Nazionalisten gab wieder<br />
der Ilitlerpropaganda neue Nahrung.<br />
Alles, aber Alles sprach dafür, dass die faschistischc<br />
Reaktion die sich bietende Chance des Losschlagcns.<br />
in einer so aussichtsvollen Konstellation nicht vorbeiziehen<br />
lassen werde, Jetzt oder nie. Das war ihre letzte<br />
.. Karte und dass sie sie zu spielen versuchen werde,<br />
stand für jeden einigermassen einsichtigen Politiker<br />
fest,<br />
8. Da s ICommen des Sozialismus.<br />
Was war da zu machens Vfie die der Arbeiterschaft<br />
drohende Gefahr abzuwehren'L .
Fjns war klar: der Sozialismus konnte nicht versch- '.:<br />
winden, sein Kommen war uns durch den ehernen<br />
Gang der Geschichte verbürgt, Karl Marx hatte uns<br />
allen das Fenster in die Zukunft geöffnet, Idar und.<br />
unzweideutig sah man daraus die reell existierende . '<br />
Ferne: der Kapitalismus grub . sich sein Grab:und<br />
verstrickte sich in dem Netz absurder Konsetluenzen,' ' .<br />
. Nur in Einem h atte M arx s ich v e r r echnet —. er' '<br />
konntc nicht das so baldige Kommen der k r i tischen<br />
Zeit vorausscltcn, cr rechnete mit Jahrzehnten, viel- .<br />
leicht gar rccltt viel«n Jahrzch»lcn. Aber die. Entwiclclung<br />
ging rascher, die Errungcnscltaflcn der modcrncn '<br />
'fccltttik wirkten sich in viel höherem Maassc in der:<br />
Wit tscltttft;tus, als man cs vorausschcn konntc, die<br />
ICtttvc tlcs Aufslicgs wttnlc i m mer s t cilcr, die 13cscltlcuttigtt»g<br />
i rntncr g t 'össct'. I . ttf tvct kcltr, T c l c- ..<br />
p ltonic, t l t a h llos«s F c r n sprcchwcscn, K i n o als . <br />
V crcinhcitlichet von Gcdankcn utul E t l chcn iti der :<br />
ganzen Welt , B at i onttlisierung i m W i r tscha f tsge-'<br />
triebe — das alles brach alle Schranken, das machte '.<br />
tlas Gcscheltcn allerwürts synchtoniscltcr, das Hollen<br />
der Welt ihrem von Marx so klar gcscltcnen Endziele<br />
zu wurde immer rascher, Der Weltkrieg mit seltlem<br />
fürcltterlichen Zerstören von W e r ten, beschleunigle - '.<br />
enorm das Kommen der IQ'ise.<br />
Und nun war sie da, sie tobte,. sie brach wild»les .'<br />
zusammen, die stabilsten Valuten krachten, Millionen .,<br />
von Existenzen wirbelten, arbeitslos geworden. ohn"<br />
mächtig durcheinander, der unbarmherzige Hunger-tod<br />
stand in Augen Vieler, Vieler. A lle Begriffe~ '<br />
durch Jahrhunderte verfestigt, w aren p l ö tzlich .;<br />
erschüttert, die Welt luachtc in allen Fugen<br />
Und nun stand schon im Osten, ein Sechstel<br />
Erdoberflhchc umfassend, eine neue, aber ganz ga"z<br />
anders gestaltete Maclst, der Sovjetstaat. Sie .wand<br />
18 '
sich freilich in f ü r chterlichen Ikrümpfcn, sie blutete<br />
und Rauchqualm stand über ihr, aber sie war da, als<br />
erster Arbeitcrstaat der Welt, sie erstarkte von Stunde<br />
- 'zu Stunde, sie war durch natürliche Faktoren<br />
geschützt, nichts konnte sie mehr in dem Aufbau des<br />
neuen, der alten kapitalistischen Welt auf Lehen und<br />
god verfeindeten Staatsgedankens, aufhalten. W e l t<br />
]~jse und Bestehen von Sovjetrussland, das waren die<br />
beiden Hauptcharakteristica der Lage, 'das waren die<br />
zwei Grundmomente,. die ganz klar aussagten: wir<br />
nahem uns dem Umschlagspunkte, der Schicksalss<br />
tunde der Menschheit mit einer unerbittlichen, mi t<br />
einer mathematischen Sicherheit,<br />
4. Biirgerlcrieg muss vermieden mc~4en,<br />
Aber wie würde es kommen — das war die grosse<br />
Frage. Für mich, der den russischen Bürgerkrieg mitgekampft,<br />
und alle seine Schrecken miterlebt hatte,<br />
und der zugleich Westeuropa gut kannte, war die Aufgabe<br />
klar vorgezeichnet: die Menschheit durfte nicht<br />
den russischen Weg gehen. Dort war ein riesiges, relativ<br />
schwach bevölkertes und auf einer noch primitiven<br />
Kulturstufe stehendes Land, h ier i n t ensive Ifultur,<br />
dichte Bevölkerung, engmaschiges Verkehrsnetz,<br />
enorme technische Mittel — lauter Momente, die die<br />
Zcrstörungsmöglichkcitcn und ihre Auswirkungen ins<br />
Ungcmcssene steigen l assen m u ssten; h i e r wa r e n ,<br />
enorme Kultuxsver te angehauf t, deren unvermeidlicher<br />
~;:,' = ' .Verlust in e i nem ' Bürgerkriege der M e nschheit<br />
;:" . - schrecldiche Wunden schlagen würde, Dort war eine<br />
relative Isolierung, die enormen Ausmaasse Russlands,<br />
llnwegbarkeit, Felden.von machtigen Nachbarn waren
Momente, die Bussland beliebige Experimente gestat'<br />
tcten; hier, speziell Deutschland, war von anderen<br />
starken Ländern umgeben, die zum Teil sogar feind<br />
lieh und misstrauisch ihm gegenüber gesinnt waren.'<br />
und deren Eingreifen immer im Bereich der leicht zu<br />
vcrwirklichcndcn Möglichkeiten lag.<br />
Aber noch gab es Überlegungen, die eine kqtastro<br />
phale Entwicklung in.'Deutschland unliebsam erschei<br />
nen liessen: im Bürgerkriege würden enorme Zer<br />
störungen zustande kommen, Aber der darauf folgende<br />
Arbeiterstaat durfte nicht ein Trümmerfeld erben,<br />
er musste. doch sofort.das neue Leben bauen, er<br />
brauchte selbst die Mechanismen, ohne welclie seine<br />
I'orklaucr abermals unter I'rage gestellt worden wäre,<br />
Und ausserdem: war der einzige Albcilclstaat der<br />
Welt, Sovjetrussland, nicht selbst durch eine eventuelle<br />
I(a tastrophc iu Dcu tschland gefährdet — könnte<br />
cr nicht vielleicht in Vcrwiclclungcn mithineingezogen<br />
werden, die seinen Aufbau, seine Erstarkung in Frage '<br />
stellen würden7 Und war d enn seine ' Erstarkung<br />
nicht eine I
fährige >fasse, eine künstlich zusammcngcschlagene<br />
J(raft zu schaffen. Wie konnte er cs2 Was tat cr dazu2<br />
Iiatte cr vielleicht ehvas besonders Sinnvolles, prinzipiell<br />
Neuartiges cntdecl t2 Nichts von alledem. Er hat<br />
nur mit Ausdauer, Konsequenz und Energie Methoden<br />
angewandt, die früher mal, vielleicht als erste, gerade<br />
die deutsche Sozialdemokratie mit Erfolg anwandte.<br />
gVaren die roten Fahnen der Arbeiterbewegung nicht<br />
Symbol, das den Massen im Nu ihre Einstellung<br />
kapitalistischen Staate und ihren Befreiungs- und<br />
Kampfeswillen in die Erinnerung rief2 W a ren der<br />
Spitzbart a la Bebel, die rote Nelke im Knopfloch, der<br />
' Schlapphut, nicht ehva propagandistisch wirkcndc<br />
äussere Zeichen, Symbole2 Waren es denn nicht<br />
Mittel, deren sich die Sozialdcmokrafiie frülicr ausgiebig<br />
bediente2<br />
I rcilich, jetzt was' sie in ihren cigcncn Augen älter,<br />
„vernünftiger", geworden, sie sah diese Zeichen als<br />
etwas äusserlichcs, minderwertiges an, ihre I
gemessen, ganze Propaganda-Mimsterien wurden<br />
den damaligen Regierungen errichtet. Man w ejss<br />
auch zur Genüge, dass Sovjetrussland grosszuglge<br />
. ' systematische P r opaganda a u c h wäh r end<br />
Durchführung des Fünf j ahresplanes in<br />
testen Vollcsmassen trieb, eine P r opaganda, die<br />
das seelische Erlebnis des V o llces dauernd. in<br />
einer gewissen Spannung zu halten vermochte, wel- '<br />
che jenes. nun auch befähigte die unerhörten Qy ferzu<br />
tragen, mit d enen di e V erwirlciichung dieses<br />
schwierigen Unternehmens verknüpft war.<br />
' Den Russen haben dann die italienischen Faschisten<br />
- Vieles abgeguclct, Mussolini licss die russischen Methoden<br />
systematisch beobachten und direlct nachäffen,<br />
auch in Italien fing man an nach russischen Mustern<br />
von einer „Battaglia del grano" (propagandistische .<br />
Unterstützung des landwirtschaftlichen Aufbaus) usw<br />
zu sprechen, eine „Nostra dclla Rivoluzionc Fascista"<br />
(Ausstellung der faschistischen Revolution) aufzuziehen<br />
und dcrgl. mehr, In I talien wurde auch lconseciucnt<br />
die bildliche Einschüchterungs-Propaganda<br />
angewandt: wer Italien bereist hat, hat sicherlich<br />
. überall auf den Wänden der Häuser, auf den Zäunen<br />
usw in den Strassen einen in schwarzer Farbe gehaltenen<br />
mittelst Schablone scharf gezeichneten Mussolini-Ikoyf<br />
mit drohenden, unheimlichen 'Gesichtszügen<br />
gesehen, unter dem immer die Worte stehen': „Guai'<br />
a chi toccal" (Wehe dem, der daran rührtl). Kreidewandaufschriften,<br />
wie W IL DUCEl(Es lebe der.Führer),<br />
M LENINl (Tod.dem Lenin) und umgekehrt waren<br />
und sind auch jetzt noch Beispiele aus derselben<br />
Kategorie. Auch der Duce legte sich ein Symbol beidas<br />
„Fascio" (das Lilctorenbündel), wie in Russiand<br />
vorher Sichel und Hammer zu Symbolen der Sowjet<br />
Proyaganda wurden, Mussoliai ging. aber noch weiter .
— er führte das Lautsymhol ein, die Hufe „A noil",<br />
,,Alalhl", „Ducel", mit denen sich die faschistiscl>cn<br />
Massen Blelctrisiertcn, er schuf auch das plastischc<br />
' Symbol, den „Römischen Gruss".<br />
Die deutschen Kommunisten machten alles den Russen<br />
nach. Hitler übernahm nun das Prinzipielle seiner,<br />
Z eichen von beiclcn Lagern, den Kommunisten, wie . .<br />
den italienischen Faschisten, mi t e i n e r u n e rhörten<br />
' Hartnäclciglceit pauicte er nun den Menschen, die er<br />
durch hemmungslosen Vlortschwall auf sich aufmerlcs<br />
am machte, seine Formeln und Symbole ein, V e r - '<br />
.. standnislos sahen die Machthabn der sogenannten<br />
deutschen Republilc dem Tr eiben zu. Er e r d r eistete<br />
sich immer mehr, er höhnte, er schimpfte, er drohte.<br />
Vnd jedes, so scharf gesprochene %fort, jeclc Drohung '<br />
verband sich i n d e n Seelen der i h m l a u schenden<br />
Menschen mit seinen Zeichen, sie wurden allmählich<br />
die XVicdcrerlccnnungszcichen seiner Pforte, seiner<br />
Drohungcn, Zwei Möglichlccil.cn waren in den Hündcn<br />
der Regierung diesen Assoziicrungsprozcss zu unterbinden<br />
— cs gcnügtc cntwccler die Symbole zu be<br />
- icämpfen I durch bestimmte Handlungen sie lächerlich<br />
• ' 1 Cg<br />
zu machen, oder zu verbieten, oder dem „Trommler<br />
das Schimpfen, Schreien und Drohen unmöglich zu<br />
machen, Weder'das Eine noch das Andere geschah.<br />
Und das Einpumpen der Kraft in die feindlichen Sym- .<br />
. bole ging ungestört vor sich weiter.<br />
Einem, der wie ich, die Pawlow'sehen Arbeiten über<br />
die bedingten Reflexe — war ich doch sein langjähriger<br />
Assistent gewesen — lcannte, diese grossartige<br />
wissenschaftliche Leistung, die uns den Vorhang über<br />
die die höchste Nerventätiglceit von Tieren und Menschen<br />
beherrschenden Gesetze lüftete, die uns nun so<br />
' Vieles im psychischen Leben der Geschopfe mit einem<br />
Schlag hegreifen liess, die die Grundlagen für ratio<br />
18
ncllc Dressur Erziehung, Reklame, Propagandatät;g<br />
kcitcn schuf war alles klar: Hitler ging den richtj cn<br />
ichen, c~ baute bestimmte<br />
bedingte Reflexe in die Gehirne der empfänglichen<br />
: ihlassen ein, er konnte, er musste'den Erfolg davontra<br />
jagen. Seine Gegner machten es nicht, und mussten vcr<br />
.. licren..<br />
In Aufregung wanderte ich im Jahre 1931 oft durch<br />
die Strassen Heidelbergs und. anderer deutschen .<br />
'Städte, sah ohnmächtig dem zielbewussten Treiben<br />
' der Hitlerpropaganda in den Strassen zu, wusste um<br />
ihre gesetzmässig bedingte Wirkung-und dachte so<br />
o ft an das' ur>ausblciblich Kommende, an das m i t<br />
absoluter Siclicrhcit vor meinen Augen sich abrollende<br />
Geschc»en. Wi e w a r d e m c n t gcgcnzutrctcn7<br />
Worum machten wir, Hitlers Gegner, es nicht ebenso'!<br />
. ' Aber wie, womit, was hätte für uns, für die Arbeiter<br />
• massen, ein Kampfsymbol sein könnende. Siel>ei und<br />
.. IIamrqer — das kommunistische Zeichen — war kein<br />
.Kampf-,' sondern ein Aufbausymbol, zugleich war es,.<br />
bereits so stark. parteipolitisch gefärbt, die enormen '<br />
ihlassen der deutschen Arbeiter, die in der sozialdemokratischcn<br />
Partei organisiert waren, lchuten es ab, an<br />
sein Durchdringen war nicht zu denken, zudem war<br />
es graphisch zu schwer, zu unbeholfen, es konnte nicht<br />
leicht von Jedem gezeichnet werden. Und darauf kam<br />
cs an: das Hakenkreuz prangte überall, millionenfach,<br />
gerade weil cs so leicht darstellbar war und darin lag<br />
scinc uügchcucrc Gefahr, Das Partciabzcic»cn der
q pß war lulmöglich — cs schien symbolisch für die<br />
-Schlapphclt und Anpassungswillcn, die ill der Partei<br />
waren, zu sein: CS War 3<br />
Wurmartigcs in diesem.pild, es schlüngeltc und wand<br />
sich und wirkte unmittelbar so abstossend, dass es<br />
• • • • • •<br />
sogar im Knopfloch f ast von k einem Parteimitglied<br />
' ausser der l'unktionäre bei l"cierlichkeiten getragen<br />
wurde,<br />
Was war nun für die Nazi-Propaganda besonders<br />
charakteristisch't Das war die A nwendung des Prinzips<br />
der Einschüchterung. mittelst eines ciniachstcn<br />
Plakat-Surrogats: des überall hingemalten Hakenkreuzes.<br />
Dieses graphische Symbol wurde nun durch<br />
ein plastisches, den von den italienischen Faschisten<br />
in sklavischer Nachäffung übernommenen sog. Rö<br />
. mischen Gruss, der übrigens in Deutschland nicht so<br />
feierlich wie in Italien, sondern recht schlapp, wie<br />
hingeworfen, geübt wurde, und durch ein Lautsymbol;<br />
' den Hitlergruss „Heil. Hitler". unterstützt. Zwecknlüssig<br />
war das System schon, das war mir als altem<br />
:;: ...: - . Propagandisten — im russischen Bürgerkriege — und<br />
.':-'".::.= .,;-'-.' 'als Pawlow-Schüler ganz glar, Iaar war es mir auch,<br />
" .": : « s s wir, Sozialdemokraten, keine Aussicht hatten mit<br />
-:,:--.,:--.'.,' -:20 -,'
unseren nur auf Logischem auf b t<br />
dc en l lici den jetzigen Massen gegenübergc<br />
au en alten<br />
der s<br />
Methp..<br />
ci<br />
. yhysiologisch r a tionell g e führten N azi r o a<br />
g g op g nda .<br />
g. Das Boxheimer Dolcument und unser Unbekannte - .<br />
Soldat.<br />
Gegen das Ende des Jahres 1931 erzitterte ganz<br />
Deutschland durch ein Ereignis: in der Nähe von<br />
Darmstadt wurde ein Dolcument gefunden, das seitclcm<br />
als das sog. Boxheimer Dokument bekannt wurde..<br />
Es war ein Programm der Nazis, wenn sie an die Macht<br />
lcommen solltcn. Es war ein blutrünstiges Stüclc, voll.<br />
von IIass, Mordwillen und Diohungen — auf alles gab<br />
cs nur eine Strafe: Erschicsscnl<br />
Ein Paar Sätze daraus seien hier angeführt:<br />
„I. J e der Anordnung der SA, 'Landeswehren usw,<br />
gleich von welchem Dienstgrade erteilt, ist sofort Folge<br />
zu leisten, %widerstand wird grundsätzlich mit dem ' .<br />
Tode bestraft.<br />
2. Jede Schusswaffe ist binnen 24 Stunden an' die<br />
SA usw. abzuliefern. Wer nach Ablauf dieser Frist<br />
. im Besitz einer Schusswaffe betroffen wird, wird als '<br />
Feind der SA und des deutschen Vollces ohne Verfahren<br />
auf der Stelle erschossen..<br />
3, Jeder im Dienste öffenßicher Behörden oder<br />
, öffentlicher Verlcehrsanstalten stehende Beamte, Angestellte<br />
und Arbeiter hat sofort seinen Dienst wieder<br />
aufzunehmen. widerstand und Sabotage wird mit dem .<br />
. Tode bestraft. An.die Stelle,der obersten Staatsbehör<br />
2i
den (ministerien) tritt die Führung der SA, vertreten<br />
durch mich.<br />
Die'von der Führung. der SA erlassenen Notverordnungen<br />
haben für jedermann mit dem Tage ihrer<br />
Veröffentlichung durch Anschlag Gesetzeslcraft..Versstösse<br />
gegen diese Notverordnungen werden in besonders<br />
schweren Fallen über die in i h nen bestimmten<br />
Strafen hinaus mit dem T ode bestraft".<br />
• • • • • • • • • • • • • • •<br />
Alle Lebensmittel stehen zur Verfügung der .<br />
Führung der SA und sind an deren Beauftragte auf<br />
Anforderung. ohne Entgelt abzuliefern.<br />
2, Jeder Verlrauf und jede tauschwcise Veräusserung<br />
von Lebensmitteln ist verboten".<br />
Eine ungeheuerc E r r egung b emächtigte s i ch<br />
Deutschlands, besonders in der Arbcitcrprcssc und in<br />
den Arbciterlcreiscn war m a n e m p ört, aufgebracht,<br />
aufs höchst«. gereizt.<br />
,Etwa füni Tage danach wanderte ich in den Stras<br />
' sen Heidelbergs herum und bli«b plötzlich. wie vom<br />
. Donner gerührt. stehen — an einer Ecke an der Wand<br />
stand ein Hal~enlcreuz angemalt, durch welches ein<br />
.wuchtiger weisser Strich zog. Ein Blitz durchzuckte<br />
mein ganzes Wesen, wie ein Licht ging es mir plötzlich<br />
auf: da war j a d i e g esuchte, die ' geträumte<br />
Lösung I<br />
Ich stellte mir sofort den psychologischen Hergang<br />
des Geschehens vor: irgend ein temperamentvoller<br />
. M ' :
Arbeiter, aufs höchste in diesen Tagen durch die ßox.<br />
heimer Geschichte aufgeregt, konnte nicht seiner Erre<br />
gung Herr werden, er musste abreagieren, er nahm<br />
ein Stück Kreide und versetzte dem verhassten S~<br />
hol einen Schlag, er vernichtete es, er durchstrich es<br />
und gab so seinem angehäuften Unwillen und Hass<br />
Luft. %'er war cs2 Nie v,erden wir es erfahren — das<br />
Bild eines Unbekannten Soldaten unserer grossen Arbeiterarmee<br />
stand plotzlich vor mir. In höchster Auf- '<br />
regung ging ich von dannen und überlegte mir'den<br />
Plan. Es war nun einfach und klar: das musste überall .<br />
geschehen, nicht ein Ha kenkreuz in g anz Deutschland<br />
durfte mehr unbehelligt bleiben, das als Auslöser<br />
des für Hitler günstigen bedingten Reflexes fungieren-'<br />
de Zeichen musste in sein Gegenteil u m gewandelt<br />
werden — cs sollte von nun an den unbändigen<br />
Eampfcswillcn, die AVucht seiner Gegner zeigen: alle<br />
Ilakenkrcuze durch eine unsichtbare Hand iortan<br />
durchstrichcn, zerschlagen, ein neuer bedingt«r Reflex<br />
in die Hirne der Massen .eingehämmert — der<br />
Nille einer neuen Macht, der endlich erwachten, der<br />
nun überall erscheinenden Arheiterschaftl<br />
7. Das Drei-Pfeile-Symbol.<br />
Ich hatte 'die Lösung, aber war sie praktisch durch<br />
. führbar2 Konnte ich hoffen sie in ganz Deutschland<br />
durchzusetzen2 Das war nu n di e grosse, die aufregendste<br />
Frage. Am nächsten Abend rief ich ein Dutzend<br />
jugendliche Arbeiter, Reichsbannerkameraden<br />
zusammen. Ich sprach ihnen von unserem Kampf, ich<br />
erläuterte denSinn der Symbole, feuerte sie an und gab<br />
Jedem ein Stück Kreide in die Hände:. „Jetzt los in<br />
28
den gampf, streicht das ecl.-ige Ungeheuer mit einem<br />
pfeile, mit einem Blitze durchl" Dc r S t r ich w u rde .<br />
somit zum Pfeil, weil so das Dynamische unseres<br />
~p f es noch besser zum Ausdruck lcam.<br />
Sie stürmten in die Nacht hinaus, sie jubelten, jetzt<br />
hatte auch i n ' i h nen p l ö tzlich d e r a n g esammelte,<br />
dauernd durch sog. „Ordnungs-" und „Zur Disziplin"<br />
Hufe der Pührcr künstlich gehemmte Tatendrang,<br />
freien Lauf beikommen. Die nächsten Nächte vergingen<br />
wie im Taumel. Sofort mcrl~ten die Gegner, dass<br />
nun was in der Stadt vor sich ging, sie horchten auf,<br />
e s tauchten frischgemalte Hakeniaeuze sofort a u f ,<br />
d ie von uns nim w i eder durchstrichcn wurden, S i e<br />
tobtcn vor Wut: nichts andcrcs lconntcn sie machen,<br />
als neue Iialccnlucuzc anzumalen. H i n I ( l c i nlcricg,<br />
eine eigenartige Guerilla cntspanu sich in der Stadt.<br />
Als Wisscuschaitlcr gewohnt einen Vorgang zahlcnmüssig<br />
zu überwachen, experimentel zu prülcn bcwalfnctc<br />
ich micli' mit cineast Notizbloclc und lict täglich<br />
morg«ns eine la»gc Strasse cntlan
es ihnen nun ging: „Jedesmal" — so sagten sie — „wo<br />
wir in den St assen gehen und das d urchstrlchcne<br />
Fcindeszeichen sehen, gibt es einen seelischen Schock<br />
da sind unsere Leute gewesen, sie kämpfen, sie<br />
kampfen wirl'lieh l"<br />
Also war di e A u fgabe lösbar, ich k o n nte<br />
rechnen, dass dieser Ikampf von Erfolg gekrönt seqn<br />
würde, ja musste, wenn er nur überall durchgeführt<br />
würde. Jetzt war der nächste Schritt zu wagen: unsere .<br />
Organisationen, unsere Führer d a für z u g e winnen.<br />
War das unmöglich? Das schien mir zunächst nicht<br />
das Schwierigste zu sein; die Gedankengänge waren .<br />
ja so einfach, praktisch war ja auch alles ausprobiert, -'<br />
dic Möglichkeit des Erfolges bewiesen, ja gesichert,<br />
I (ö»u ten hiev n och Z w e i fel s e in ? E i r ik
tischen, ix~rtschaftlichen rind physischcn Machtfaktoren<br />
unserer Bewegung.<br />
Aber noch mehr: in diesem Symbol lag eine Erkenntnis<br />
des Dynamischen, der Angriffsidee und ihrer<br />
Gehundenheit an drei Forderungen an sich selbst für<br />
jeden I(ämpfer, nämlich: Aktivität, Disziplin, und<br />
Einigkeit. Zugleich war drin auch die Dreiheit unscrcr<br />
höchsten Ideale verkörpert: Freiheit, Gleichheit, Hrüderlichkeitl<br />
Und noch . im Glcichgerichtetsein ag<br />
wunderbar auch. die Idee der Einheitsfront: Alles<br />
gegen den gemeinsamen Fcincl, auch alle politischen<br />
Richtungen und Schattierungen der s o zialistischen<br />
Tat.<br />
Dieses Symbol, das ausserordentlich leicht reproduiierbar<br />
war, so dass jedes IGnd cs zeichnen konnte,<br />
. war zugleich auch noch graphisch unverwüstlich,<br />
denn die Gegner konnten ihr Symbol nicht in gleicher<br />
Weise über das unsere setzen, wie.wir es taten, denn<br />
das Bild versteht auch dann Seder so, als ob das Hakenkreuz<br />
.durch unsere Pfeile durchstrichen. wäre,<br />
. Seine enorme überlegenheit über alle Symbole lag<br />
. auch darin, dass es nach dem christlichen kreuz das<br />
allereinfachste war. Ich stellte die bekannten Symbole<br />
neben einander — vom einfacheren zum komplizierteren<br />
— und verglich sie m an. könnte sie von<br />
.: diesem Gesichtspunkte aus in folgende Reihe bringen;<br />
das christliche Kreuz — das einfachste von allen, dann<br />
26<br />
I
die Drei Pfeile,.erst dann das Hakenkreuz — man<br />
vcrgisst ja immer, wohin es gewendet werden soli<br />
. was es will — nach rechts oder nach' links —, weiter<br />
der Halbmond — das Zeichen des Islam, das Sovjet<br />
zeichen — Sichel und Hammer, dann kamen die viel<br />
schwierigeren Symbole — das faschistische Liktoren<br />
' bündel und die imperialen Zeichen — die Adler.<br />
Ausser den bildartigen Symbolen gibt es freilich<br />
auch noch l3uchstabcnsymbole — die bekanntesten<br />
aus der Geschichte sind ja das römische S.P.Q.R (Senatus<br />
populusque romanus), das i m Alt e rtum,<br />
.vielerorts 'angebracht, die Kunde von der Macht Roms. '<br />
überall mit sich trug,' und das R.F; (Republique Franqaise)<br />
aus der Französischen Revolution, das sich bis<br />
heute in Frankreich halt. Diese 3uchstabensymboie<br />
ly<br />
k<br />
27
sind aber im allgemeinen mehr sekundär entstehende<br />
Staatssymbole, sie sind zunächst zu abstrakt, um die<br />
Massen zu fesseln, sie regen die Phantasie nicht unmittelbar<br />
an.<br />
-.-. Somit sind von allen politischen Symbolen das Ha<br />
- lccnkreuz und die Drei Pfeile vom Standpunkte der<br />
Ausbreitungsmöglichkeit wohl die geeignetsten, nun<br />
hat das Dreipfeilesymbol die ' enorme Überlegenheit<br />
über das Hakenkreuz infolge der ungeheueren Dyna-'<br />
mik, die darin liegt.. Und noch ein Stärkefalctor des<br />
'. -'-:. - . Drcipfeilesymbols — das ist die Zahl Drei, — die Drei<br />
. heit liegt tief im menschlichen Wesen verwurzelt<br />
Vater, Mutter, Kind — sehr oft trifft man die Dreizahl<br />
' ...'.': im menschlichen Leben, Denlcen, Fühlen, die „Drei"<br />
.' ist gewissermassen . auch geschichtlich „heilig". Da<br />
- durch, dass sie unterbewusst, verankert ist, hat si e ' ' .<br />
.eine ungeheuere l3cdcutung in l3ezug auf psychologische<br />
Wirlcungsmöglichkeitcn.<br />
Aber noch etwas — eine genaue logische Analyse<br />
zeigt, dass das Dreipfcilcsymbol uberhaupt nur das<br />
einzige inögliche Zeichen sein Imnn, w enn man d i e<br />
;- sozialistische Kampfidee verkörpern will. Die logischgraphische<br />
Entwicklung d i eses Zeichens sagt aus,<br />
dass es eine Art 2X2=4 ist. Folgende Gedankengänge<br />
führen dazu: wenn man sich frägt, was das Urcharak<br />
:".=„':...;-: terist4che des Sozialismus ist, so stellt man fest, dass<br />
- -":::::.".''-.;. es das Kollektive ist, man könnte es in einer ersten <br />
'.--.':-:;.:-;;.:-Phase' als eine chaotische Anhäufung von stabformi<br />
.'.:.'; "::; '28'-.:,-: .'
gen Elementen darstellen. Nun lcommt in einer zwei<br />
. ten Phase das Ordnungsmässige hinzu — ein eminent.<br />
sozialistischer Gedanke — z. B. Planwirtschaf t I — die<br />
Elemente richten sich, sie liegen nun alle parallel;<br />
das dritte für den Sozialismus Charalcteristische ist .<br />
die Bewegung, der Fortschritt, Zielstrebiglceit, Dyn<br />
milc. In dieser dritten Phase werden die gleichgerichtctcn<br />
Stäbe zu einer Vielheit von Pfeilen; und nun<br />
kommt das vierte hloment, das auch im Sozialismus<br />
stcclct, nömlig das Zusammcnt'assen, das System. Die<br />
Vielheit wird zur D r eiheit, und zwar eben nur z u r<br />
Dreiheit, weil die drei Elemente,- aus weichen die<br />
sozialistische Bewe jung - strukturell h esteht — p h ysische,<br />
wir tschaf tliche und geistig-politische Eraf tunbedingt<br />
lcatcgorialer Natur sind.<br />
Der Drcipfeil ist «las Symbol des Sozialismus. In<br />
sein«r schräg abwörts gerichteter Stellung ist es ein<br />
I(ampfsymbol — es erinnert an nicdersauscndc, .die<br />
l
mir beschieden war, einen grosscn diesheziiglichen<br />
Apparat zu schaffen und zu leiteo, kam mir zu Hilfe.<br />
Ich verfolgte auch schon seit langem Hitlers und<br />
besonders seit>es Propagandaleiters, Goebbels', Arbeitsweisen<br />
und sah zu meiner grössten Freude, dass<br />
ihr ganzer Aufbau recht primitiv war und nur deshalb<br />
einen so starken Erfolg hatte, weil ihre Gegner dem<br />
absolut nichts Ebenbürtiges entgegensetzten. Organi<br />
. satorisch gesehen, war es eine ganz gewölmliche Ge<br />
' neralstabsorganisation, die v o n e i nem' geschulten<br />
ehemaligen Offiziersmenschenmaterial getragen wur- .<br />
de. Nichts war darin von modernen rationellen Organisationsmethoden,<br />
von n e uen psychologischen und<br />
industriell-wissenschaf tlichen Erkenntnissen zu fin- '<br />
.den. Und doch handelt es sich beim Aufziehen einer<br />
modernen Propaganda heute darum, durch A n wendung<br />
rationeller Methoden den Wirkungsgrad der im<br />
politischen Ikampf eingcsctztcn Mittel — G eld, Zeit,<br />
Energie und Aufopferung der aktiven Mitkämpierim<br />
höchsten Maasse zu stel~«cm, Gellt lu so wie in dcl<br />
Wirtschaft durch Anwendung arbeitsparender Methoden<br />
mit Hilfe der Rationalisierung die Produktivität<br />
gesteigert wird, so ist auch in der politischen Propaganda<br />
der Leistungsgrad des Propagandaapparates<br />
durch Rationalisierung der Arbeitsweise zu steigern,<br />
Also hierin konnten wir im V orteil sein,<br />
Aber Hitler hatte bereits den zeitlichen Vorsprung<br />
vor uns. Wir m usstcn ihn ciuholen, wir . mussten in<br />
wenigen Wochen das tun, was er in Jahren getan<br />
hatte. Ich hatte die Zuversicht: wir konntiu dits. Das<br />
' Menschcnmaterial in der in der Sozialdemolcratischen<br />
Partei und in den Gewerkschaften. organisierten Ar<br />
. beiterschaft war ausgezeichnet, gescliult, diszipliniert, '<br />
ausdauernd. und wie mir nun die Erfahrung in der .<br />
. Heidelberger Symholguerilla gezeigt, auch tatfreudig.<br />
80 '..
und entflammbar. Die bestehenden Organisationen<br />
w aren ein wunderbarer Apparat, ein Netz, das in lcür<br />
zester Zeit ein ganzes rationelles System von Propa<br />
ganclnmassnahmen auf di e w i r ksamstc Weise<br />
Wirlciichlccit umsetzen konnte. Es war nicht die enorm<br />
scluvicrigcre Aufgabe wie seinerzeit in Russland, wo<br />
man zugleich lcämpfen und bauen, und dazu noch mit<br />
. völlig ungeeignetem, ganz rohem Menschenmaterial,<br />
- musste,<br />
Welches sollte nun das System der Massnahmen<br />
sein7 Worauf musste es aufgebaut sein7 Hitler arbeitete<br />
mit Einschüchterung und mit Versprechen, mit<br />
Loclcen. Er l connte den' Massen in w i r tschaftlicher<br />
Hinsicht hellen Unsinn versprechen, ja direlct Ent-'<br />
..gcgengcsctztcs, und doch glnubtcn es ihm Millionen,'<br />
und liefen ihm nach. Wieso war das möglich't Die<br />
Anhvort ivnr niclrt sclnvcr: weil das Wcscrrtlichc hier<br />
clns „Wie" clcs Versprechens und Anloclccns.war. Er<br />
verstand cs, diese Mnsscrr zuerst irr einen Taumel zu<br />
vcrsctzen und
Anteil an ihrem Erleben, ihrem Wollen und Elandcln<br />
hat, Erst jetzt ist diese Jugend der Ikindhcit entwachsen<br />
und tritt ins Leben ein — das erklärt auch, warum<br />
die faschistischc %Pelle in der ganzen %feit, die nichts<br />
anderes als, -ein Ausläufer. des Wcltluieges, dieser<br />
enormen Erschütterung, di e d i e M enschheit durchzumachen<br />
hatte, ist, so spät, also erst jetzt in Erschei<br />
.- nung tritt. Aus dieser Grunderkenntnis des Vorherrschens<br />
heute des Gefülsmässigen in den breiten und<br />
besonders auch in den jungen Massen, ist zu folgern,<br />
. dass bei einer richtig a u fgezogenen Propaganda die<br />
Triebe der menschlichen Seele vor allem ins Spiel<br />
gczogcn wcrdcn müssen.<br />
Wenn wir nun die Trichc,' die inneren l"cdcrn "...,.-' ', - so lche,, die u n m i ttelbar s e xuell e r r egend w i r k t e,<br />
,'t4 -'~"; .<br />
gQ
stützten sich i m Al t e r tum d i e M y s tcricn<br />
der Phalluskult, die z. B. P r ozessionen als eine<br />
gewisse Propagandaform dazu ausnützten. Elemen<br />
tar-negativ-erotisch ist A l l es, wa s v e rlacht . und<br />
verächthch macht. Hierher gehören z, B. Propaganda<br />
inhalte, die yersiflieren, so in F orm von Gassen<br />
hauern, lnrnevalistischen Umzügen, Karikaturen; ein<br />
gutes Beispiel hierzu ist die propagandistische Aus<br />
nützung des Slcandals um Hauptmann Röhm, den be<br />
Icanntiich homosexuell eingestellten obersten S,A,<br />
Führer der Nazi.<br />
In sublimiertcr Erotik l~önnen wir unterscheiden<br />
die mehr individucllc und die soziale Einstellung,.Zu<br />
erster gehört alles was mit echter Liehe und Freude<br />
zu tun hat — die propagandistischen Forinen dazu<br />
sind Vollcsmclodicn, Tänze, bei
nur dieses oder jenes Triebes setzen, sondern sie muss<br />
danach trachten, elle wesentliChen Triebe der menschlichen<br />
Seele in gewollte Schwingungen zu versetzen.<br />
nur die Totalität der Erfassung oller Triebe.<br />
gewährleistet den Enderfolg.<br />
Auch das Gefühlsmässige in der Propaganda lcann<br />
nach einem bestimmten System aufgebaut werden.<br />
9. Der Gruss „Freiheit"l und 'das System der<br />
Symbole, '<br />
-Entsprechend diesen seelenanalytischen Erwägun<br />
- .gen war nun ein Propaganda-Plan aufzubauen, Er bestand<br />
aus zwei Aufgaben: erstens, ei n System der<br />
Symbole aufstellen, das heisst Symbolformen zu finden,<br />
die-Ausdruck für bestimmte Inhalte sein sollten,<br />
und zweitens, ein ganzes System von Propagandatätigkcitcn,<br />
die sich gegenseitig ergänzen uncl auch abwechseln<br />
solltcn, d i e v e r schiedenen Gclegcnhcilcn<br />
und Möglichlcciten zug«ordnet wären. Diese zum Teil<br />
."chon geübte, aber bisher oft wenig wirlcsamc Propa-.<br />
gandaformen, mussten von Grund aus revidiert und<br />
auf neuen, mit v o r gehender A n alyse im E i n k l ang<br />
stehenden Prinzipien auf gebaut werden.<br />
Was das System der Symbole selbst betraf, so waren<br />
hier zunächst zwei Modalitäten'und drei Formarten<br />
zu'unterscheiden. Die Modalitäten waren; das<br />
Prinzip der Einschüchterung uncl das Prinzip der<br />
.'. Verspottung. Di e F o r m arten: g r aphisch, p l astisch,<br />
phonetisch. Beide Modalitäten mussten in jeder For<br />
, mart ihren Ausdruck finden, Das geschah nun in fol<br />
- gender Weise.<br />
Das graphische Einschüchterungssymbol' war das<br />
Dreipfeilebild: es wurde über das Halccnlcrcuz gemalt<br />
:-:: ':- ':'- 84
oder auch allein für sich, in letzter Form war cs zu<<br />
leich noch ein Z eichen, das unsere eigenen gut<br />
lcämpfer mit Freude und Mut. erfüllte. Es sollte nun<br />
überall mit Kreide, Stift, Kohle oder Farbe auf ~än. '.'<br />
de, Zäune, Strassen, Verlcehrsmittel, Bierfilze in den<br />
Wirtschaften usw, hingemalt werden, es sollte auf ro<br />
ten Fahnen, auf Fahrradwimpeln, auf Lampions, pa<br />
pierfähnchen und Transparentea erscheinen, auch als<br />
ein Abzeichen getragen werden; es musste auf den:<br />
- Kopfblättern und im Text der Zeitungen ständig sein,<br />
auf Plakaten, Flugblättern, Klehezettela prangen, ia<br />
, die Erde geritzt, mit Hauch an Fenster oder auf he .<br />
. ' staubte I"lächen, wie Schutzbleche von Automobilen,<br />
Trambahn- und Eisenbahnwagen und dgl. gezeichnet.<br />
'hlillioaenfach musste der Dreipfeil nunmehr zu sehen<br />
sein, dauernd im V ollce von der Eisernen Front, von<br />
' ihrem Willcri und ihrer Macht sprechen,<br />
Das graphische Spoftbild hatte die Aufgabe in die': -'.<br />
Symholpropaganda in den Strassen eine ironische<br />
Note zu bringen, aus' der Erlcenntnis, dass im. politischen<br />
Kampf das Lücl>crliche tötet. Dieses Bild war.<br />
nun eine Hitlcrfratzc, die mit wenigen Strichen aus<br />
einem jeweilig angetroffenea Halcenkreuz gemacht.<br />
wurde. Sie wurde dann mit den drei Pfeilen durch- " '<br />
strichen. Allerdings soll das verspottende Moment in<br />
dem Propaganda-Feldzug nicht übermässig gepflegt<br />
, werden, das wichtigere, weil wirksamere, Element ist<br />
doch die Einschüchterung. Am besten stellt sich etwa<br />
folgendes Rezept dar — dreiviertel Einschüchterung<br />
und nur ein Viertel Verspottung.<br />
Als plastisches Einschüchtermngssgmbol,'als Gegenstück<br />
zu Hitlers und Mussolinis Römischem Gruss .hahe<br />
ich nun den senkrecht erhobenen, energisch ausgestreclcten<br />
rechten Arm mit geballter Faust vorgeschlagen,'<br />
Diese G ebärde s y mbolisiert u n seren<br />
85
gampfcswillcn — daher gehallt, auch die lfraft der<br />
schaffenden Arbeit — das Elauptwcrkzcug der Arbeit<br />
ist der Arm u n d auch unsere Bereitschaft, Angriffslust<br />
— erhoben, zum Niedersausen auf die Gegner bereit.<br />
Zugleich kommt darin auch unser sozialistisches<br />
Emporstreben zum Ausdruck — ' daher erhoben, nach,<br />
oben gestreckt, entsprechend der sozialistischen Devise<br />
„Empor zu m L i c h t l " D i e G ebärde sollte g ebraucht<br />
werden al s Ikollektivgruss, als Einzelgruss,<br />
bei der Begrüssung auf der Strasse, bei Gclöbnissen,<br />
beim Vorbeimarschieren geschlossener Züge.<br />
Das Gegenstück, das plastische Verspottungssgmbol,<br />
ist die alte römische Geste, mit welcher das Volk<br />
in Rom bei Gladiatorenkämpfen das Schicksal der<br />
Unterlcgcncn besiegelte, nämlich die Paust mit d em<br />
nach unten gewendeten Daumen, Sic musstc den<br />
Gegnern sagen: „ihr seid dem Untergang geweiht, ihr<br />
seid sclnvach und werdet vcrnichtctl" Diese Gchärdc<br />
solltc auf den Strassen gebraucht werden, wenn die<br />
Nazis ihren Eiitlcrruf uns entgcgcnstclltcn. Sie sollte<br />
auch in Umzügen, bei Sprechchören und anderen vcr- .<br />
spottenden Gelegenheiten gebraucht werden.<br />
Als einschüchterndes phonetisches oder Lautsgrmbot<br />
habe ich nun, als Gegenstück zu Nazis Ruf „Heil Hitlerl"<br />
den Ruf „ P r eiheitf". vorgeschlagen, und zwar<br />
weil dieser Begriff unsere EIaup tforderung im<br />
en Symbolen eine möglichst rasche Verbreitung<br />
Wirlcung zu verschaffen, sollten zu einer best,mmt<br />
1 ung und<br />
C' • ' es mmtcn<br />
stunde systematisch Spaziergänge unserer gäm f<br />
amp er<br />
au fden<br />
belebten St assen der Städte organisiert wer<br />
den — das wurde technisch „Symbolbummel"<br />
nannt, sie sollten auch in die W i r tschaften hineingehen,<br />
wo sich um die bestimmte Stunde andere Ge<br />
nossen, die alle aucli das Dreipfeilezeichen zu tragen<br />
. hatten, einzufinden hatten, und die dann sich gegen- .<br />
seitig mit dem laut gesprochenen Ruf begrüssen soll- .'<br />
-ten, Auc1x Fahrten auf ,der Strassenbahn und den<br />
Stadtbahnen sollten organisiert werden, die an bestimmten<br />
Stellen an versammelten Genossen vorbeifahren<br />
und mit ihnen laut den Ruf und Gruss wechseln<br />
sollten. Der Ruf und Gruss sollten nicht schlapp,<br />
wie das meist bei den Nazis gemacht wurde, sondern<br />
mit höchster Energie hervorgebracht werden.<br />
All, verspolfencles Laulsgmbol wurde nun noch ein<br />
Ruf eingeführt, der den Nazis ihren provozierenden<br />
Ruf „I-lcil llitlcrl" verleiden, ihn lächerlich machen<br />
sollte. Zu diesem Zwecke deuteten wir das „Heil" in<br />
.„Heilt" um, und wenn die Gegner ihr „Heil HiOerl"<br />
riefen, sollten wir sofort ausrufen: „ja, freilich, vom .,<br />
Grössenwalinl" oder auch „wird schon geheiltl" oder<br />
„Die Eiserne Front heilt ihn schonl" Z u d erselben<br />
Kategorie gehörte auch die folgende Aufforderung an<br />
unsere Kämpfer: wenn man auf den Wänden die<br />
Worte „HEIL HITLER" angemalt vorfinde, so solle<br />
man dem L ein T hinzufügen, so dass also dann die<br />
- Inschrift so aussehe: „HEILT HITLER". Die Wirkung<br />
. des Hitlergrusses sollte somit'ins Lächerliche umge-:<br />
' waridelt werden.<br />
Welches sollte nun das System der Propagandatätiglccitcn<br />
sein7 Die Formen waren ja bekannt — es<br />
87
'- ; . ' . " : . -' . ' : . ' : ,'beruhenden.<br />
waren im Grosscn und Ganzen die bis jetzt meist gebrauchten<br />
Formen. Das Neue war nur, dass sie'durch<br />
hewusstes Anwenden dn Symbole eine gewisse .in<br />
ihrem Effekt vorausberechenbare Tönung erhalten<br />
so@ten. Freilich, sollten gewisse Formen der Propaganda<br />
mit dieser die Gefühlssaiten der Seele anzapfenden<br />
Methodik korreliert sein. So sollte das' Versprechen<br />
und Locken wirtschaftlicher Vorteile resp.<br />
d iesbezügliches H ervorheben d e s V e r sagens d e r<br />
gegnerischen Tätigkeit durch Flugblütter, Presse, Ver<br />
-' sammlungen und individuelle Propaganda geschehen,<br />
Das Einschüchtern der Gcgnei und der Passiven und<br />
Ermutigen eigener Parteigönger sollte v o rnehmlich<br />
durch die Symbolguerilla, auch den Flaggenkrieg,<br />
durch Auimörsche,,durch K l i b czettcl, Plakate usw.<br />
. zustande kommen. Um die Gefühle des Zorns, des Mitlcids<br />
und der Vorsorge um das Schicksal seiner Augc<br />
' . hörigen zu wecken, waren besonders Plakate, auch<br />
schlagkrüf tigc l
Flugblätter, Versammlungen, auch Plakate, die geeignetee<br />
Agitationsform.<br />
Organisatorisch sollte es von grösster Wichtigkeit<br />
sein, die einzelnen Propagandaformen und -mh<br />
nicht, wie bisher immer üblich; einfach in die Massen<br />
zu schleudern, ohne sich um das weitere Schicksal der<br />
getanen Propagandaschritte weiter zu kümmern, son<br />
dem ihren Effekt dauernd zu überwachen, möglichst<br />
objektiv festzustellen, übersichtlich darzusteHen und<br />
daraus praktische Folgerungen für weitere Aktionen,<br />
auch in Bezug auf Propagandainhalte, zu ziehen.<br />
Dazu sollte eine Durchführungs- und Erfolgskontrolle<br />
mit modernem Rüstzeug in Form von K arten, Schemen<br />
und Tabellen, organisiert. werden — der Erfolg<br />
meiner sog. „politischen Meteorologie" ,aus der Zeit<br />
. des russischcn Bürgerkrieges, wo,wir eigenartige poli- '<br />
tische Wcttcrkartcn zur l eichten Obersicht der Geschchnissc<br />
und I"cststcllung i h rer .ursächlichen Zusammcnlräng»<br />
vcrwcndcten, schwebte mir nu n auch<br />
hier.vor. Die Propaganda sollte rationell organisiert<br />
werden. Wenn man von Organisation, von einem.<br />
planmässigen Vorgehen spricht, so heisst es immer,-<br />
. dass man. bestimmte Schritte so in der Z eit im d i m<br />
Raum ordnet, dass ihr Zusammenspiel zu den ge-.<br />
wünschten und i m V o r aus b erechneten Resultaten<br />
führen soll. Das Prinzip der politischen Wetterkarten<br />
besteht darin, dass man geographische. Karten.von<br />
dem mit Propagandamassnahmen zu überziehenden<br />
' Gebiet bereithält, worin das auf möglichst objektiven<br />
Angaben fussende Resultat irgendeiner durchgeführten<br />
Massnahme mittels Farben oder Strichelungen<br />
eingetragen wird. Eine solche'Karte gibt dann den<br />
Leitern der Aktion die Möglichkeit sich rasch zu orien<br />
: tieren, um dann gewisse aus der Erkenntnis der Lage<br />
sich ergebende Folgerungen zu ziehen, und neue<br />
89
selben Verhältnis für alle Städte, wie ich es später<br />
nachprüfen l.-onnte. Wenn wir uns fragen, wieviel von<br />
diesen 60.000 als unsere aktiven Mitstreiter gelten können,<br />
so können wir es aus der Besucherzahl in den<br />
Versammlungen ergründen: es w aren etwa . 1000,<br />
' höchstens 2000 Menschen, in. Ersten Mai — Zug auch<br />
ungefähr 1000. Dasselbe galt von den aktivsten Gegnern,<br />
den Nazis. Die anderen kleineren und weniger<br />
aktiven Parteien brachten kaum auf m ehr al s 1000<br />
alle zusammen. Zusanunengerechnet ergab das etwa<br />
5000 relativ aktive Wähler. Wo sind aber die anderen<br />
55.000, die ja das gleiche Wahlrecht haben wie die<br />
Aktiven und deshalb mit ihrer Zahl das Endergebnis<br />
bestimmen 7<br />
D ie Aufgabe der Propaganda muss also sein, diese<br />
55,000 Passivercn zu erfassen, Wie lcann das aber<br />
gcschchcnP Unsere Presse lesen sie nicht, in unsere<br />
Versammlungen kommen sie nicht. Also unsere ganze<br />
Propaganda exsvcist sich als verlorene Mühe und verlorenes<br />
Geld — an die entscheidenden Elemente dringt<br />
sie gar nicht durch. Individualpropaganda zu treiben<br />
... erheischt viel Zeit, ist nicht leicht zu organisieren,<br />
-. denn sie erfordert zu g uter Ausführung eine Schulung<br />
von dazu geeigneten Menschen. Die 55,000 können<br />
nur. auf der Strasse erfasst werden, und so müssen<br />
wir mit unserer Propaganda auf di e Strasse gehen,<br />
Die Formen dazu waren bisher — Flugblätter, Plakate,<br />
Aufmärsche. Aber die Flugblätter sind relativ<br />
kostspielig und erfüllen ihren Zweck nur selten, weil<br />
sie, gerade bei uns, meist zu langatmig und infolge<br />
unbeholfener Tcchnilc of t recht wenig wirlcsmn waren.<br />
.; Aufmärsche sind sehr wirksam, besonders wenn sie<br />
n«h dynamischem Prinzip organisiert werden, ihre<br />
.;...;-:,:, organisation ist aber nicht leicht und zudem gesche<br />
-,;-'-":-:hcn sie nur recht selten — in Deutschland waren sie
J ahrelang verboten. Das g eklebte Bild<br />
Druckwort auf der S trasse, also Bildplakate und z. B,<br />
konnten wir nicht ausgiebig gebrauchen, weil es recht<br />
. kostspielig ist.<br />
Der einfachste Weg unsere Propaganda auf der<br />
Strasse wirksam zu gestalten, mit ihr zu den „55.000".<br />
durchzudringen, war die Anwendung volkstümlicher,<br />
einfacher und b i l liger Mittel d e s Symbolkamp fcs,<br />
' die, in grössten hlengen erzeugt, bestimmt an die 5fassen<br />
auf der Strasse herankommen mussten und zudem<br />
noch den grosscn Vorzug hatten, dass sie direkt auf<br />
unsere eigenen Anhängci' aktivierend wirkten, weil<br />
ein jeder sie leicht anwenden konnte.und somit sich<br />
aktiv am Kampfe beteiligte.<br />
Zugleich waren die Symbole Zeichen, die vornehmlich<br />
das Gefühlsmässige übermittelten, d. h. Erlebnisse<br />
von der Kategorie, auf welche die 55.000 Passiveren<br />
am leichtesten ansprachen. Und zwar am einfachsten<br />
war die Vbermittelung des Angst- oder Einschüchterungsgefühls<br />
— mittelst des Hakenkreuzes;<br />
resp. der Drei Pfeile — und das war ja wiederum das<br />
Wirksamste. ¹ c ht z u un t e rschätzen war n och der<br />
Umstand, dass diese Symbole im Bruchteil einer Sekunde<br />
wirkten — e s w a ren g e w issermassen stenographierte<br />
Plakate und waren somit dem hastigen<br />
. Tempo unserer Zeit vollkommen adäquat,<br />
Wenn eine politische Kampagne durchgeführt wer<br />
l<br />
gQ
den soll, müssen einige Grundsätze befolgt werden,<br />
v on ausschlaggebender Bedeutung sind: v o n<br />
diesen Grundprinzipien sind folgende ganz besonders<br />
von Wert: die ganze Propaganda muss auf wenigen,<br />
aber scharf, prägnant gefassten Formeln<br />
beruhen, diese Formeln müssen in die in einem besonders<br />
sensibilisierten Zustande sich bcfindende Masscnpsyche<br />
cingehämmcrt, hundert, j a t ausendfach<br />
wiederholt werden. — Dieses Prinzip beruht physiologisch<br />
auf der Bildung der Pawlow'sehen sog. bedingten<br />
Hcflczc. Eine andere Forderung ist die nach<br />
' Einheitlichlccit und Gleichzeitigkeit der Propagandaalction<br />
an vielen Stellen im L i n d e, wozu somit eine<br />
zentrale Leitung der ganzen Al~tion eine tincrlässliche<br />
Vorbedingung -ist. Eine wcitcre wichtige Forderung,<br />
die an eine gute Propaganda gestellt werden muss,<br />
ist die nach künstlerisch volhvcrtigcn Formen, verbunden<br />
mit der Losung „I(ampf dem ICitschl" I.cidcr ist<br />
gerade in unserer Partcipropaganda der falsche<br />
Standpunlct weit e i ngcrisscn, dass dem V ollce nur<br />
ganz Elcmentarcs, zum T ei l G r o bschlächtigcs und<br />
icünstlerisch Minderwertiges geboten werden lcönne.<br />
' Das ist absolut falsch: die Volksseele hat ein viel<br />
fcinfühligeres Empfinden, als wie es gewisse „Füllrer"<br />
glauben und spricht auf das wirlrlich Schöne viel<br />
eher an, als auf den ihr meist gebotenen IGtsch. Auch<br />
darf in der Propaganda nicht der moralische Boden<br />
verlassen werden — auch in diesem ist die Volksseele<br />
oft empfindsamer, als gewisse übcrgeschnnppte und<br />
blasierte „Propagandisten".<br />
Endlich ist noch eine Forderung an die Propaganda<br />
.. zu stellen: sie darf nicht auf Zufallsmomenten beruhen,<br />
wie es leider heute zu oft ist, Sie muss einen<br />
. lo gisch aufgebauten Plan aufweisen, worin jeder folgende<br />
Schritt' vom .vorhergehenden bestimmt wird,
worin somit eine planmässi~e Steigerun ~ zi<br />
L zu erlceniicn<br />
ist Erst dann lcann man von wirlclicher Le't<br />
ei ung, von<br />
zielbcwusstem Propagandafcldzug reden,<br />
Der erste Schlag. P<br />
Nun galt es i n 'den Kampf selbst zu ziehen: es<br />
näherte sich die erste Hindenburgwahlschlacht; Die<br />
Partei hatte die belcannte schmerzlich empfundene<br />
I arole ausgegeben. Schwer war es, aber es gab lceinen<br />
Ausweg: jede andere Kandidatur liatte sicher HiQer<br />
sofort zu r M a ch t g e bracht, un d d a s durfte nicllt<br />
Icommen, Zeit musste um jeden Preis gcxvonnen werden,<br />
aber freilich nur u m d i e K r äfte der Eisernen<br />
I ront zu sammeln, zu organisicrcn, sie auf strategisch<br />
• I.'<br />
te<br />
~'V<br />
aussichtsreiche positionen für d e n b evorstehenden<br />
Entsclieidungskampf . aufmarschieren zu<br />
l eich musste die Disziplin gewahrt werden — i e<br />
Parole war da, es war zu spät für teoretische Erörterungen.<br />
Es musste gekämpft wqrden.<br />
,Pro a andap 1an,<br />
I ch schiclcte nach Berhn e inen , p g<br />
Ich wartete vergebens auf eine<br />
eine Antwort. I c h ,koni<br />
erte das Symholbild, u nter welchem der<br />
am<br />
a m<br />
g eführt werden musste un d in welchem i e<br />
g
'..! i I<br />
prjnzjpjcn näßlljch das der Einschüchterung und der<br />
Verspottung, verknüpft waren — das wal auch der<br />
grund, warum später dieses kleine Bildchcn, das dann<br />
j n Qijihonen von Ezemplarcn v e rbreitet wurde, i n<br />
ganz deutschland so populär wurde. Von. Berlin aus<br />
bekam ich nach zehn Tagen, wenige Tage vor der<br />
SAcstj,1rbldlal Im gcljljjn Ol(14<br />
Wahl, die Antwort, cs würde bei der zweiten Wahl,<br />
„wenn möglich, Verwendung finden", Ich sandte das<br />
ganze System der Symbole, deren Begründung, eine<br />
ganze Reihe von konkreten Propaganda- und orga<br />
nisatorischen V o rschlägen, i n al l e n E in z elheiten<br />
.;: -'-.. ' durchgearbeitet, Berlin blieb stumm.<br />
Zugleich sah man aber nur klägliche Stücke unserer <br />
;=i
nicht einmal die Parteigänger. lasen wieder 'e er pprangte<br />
ein unbeholfenes, kitschiges Bildplakat an den<br />
en<br />
S"<br />
au<br />
l<br />
en,<br />
das. jammerte und winselte, den Teufel an die Wand<br />
mute und von den Schrecken des kommenden Qrjt<br />
, ten Reichs sprach. War es nicht heller Unsinn, ein<br />
Beweis völliger Unfähigkeit zu psychologischer Ein<br />
fühlung, so aufzutreten, förderte denn so etwas +icht<br />
die Sache HitlersY Er drohte ja und unsere Partei- .<br />
plakate unterstützten seine Drohungen —. sie trieben<br />
das, was ich umgeA.ehrte Emschiichterung nannte, Unsere<br />
Versammlungen waren gut besucht, aber was war<br />
meist das, was man dort zu hören belcam7 Wieder<br />
'waren es unendliche Reden, historische Schilderun-.<br />
gen, Zahlen, Statistiken, Beweise und dgl., ab und 'zu<br />
. durch plumpe Mätzchen „belebt". Wieder verzettelten'<br />
sich die besten, die aktivsten Genossen in sinnlosen<br />
[cieinen Versammlungen in clcn kleinsten Orten. Ich<br />
habe einmal einem in diesem Sinne, recht „aktiven".<br />
Parteisekretär vorgcrechnct — im heissesten Augenblick<br />
der W a h l lcampagne, wo di e N azi w ütetcn,<br />
marschierten, ihre Symbole malten, unsere 'Leute<br />
schlugen, war e r aus der Stadt verschwunden,. er<br />
sprach in 'einem Loch vor etwa 100 Leuten, wovon<br />
ehva 80 unsere Anhänger, die alsa sowieso für uns<br />
gestimmt haben würden, waren. Von den restlichcn<br />
20 Mann hätte er wohl kaum mehr. als die Flälfte für<br />
uns gewonnen. Also alles ging nur darum, um ehva<br />
10 Stimmen zu gewinnen) l Und zu diesem Zwecke<br />
hatte er sein Partcibüro im Stiche gelassen, die tatfreudige<br />
Jugend blieb in der Stadt ohne Aufgahen><br />
die Reichsbannerkamera den . irrten zieL><br />
n denn er<br />
Stadt herum und waren auch ohne Führung,<br />
hatte in ä h nliche Löcher auch den Reichsbannerdführer<br />
verschic c .<br />
- führer dieser Stadt und den Sugend<br />
Und das war überall so l
Au f alle meine Vorschläge der A k t i vierung, der<br />
>lodcrnisicrung des Ikampfcs sagten mir di e P arteiselcrctäre'und<br />
andere Funl'tionärc meist immer dasselbe:<br />
„Ohne Anweisung der Zentrale in Berlin lcönnen<br />
wir nichts unternehmen l" In heller Verzweiflung<br />
entschloss ich mich auf eigene Faust zu handeln, wer<br />
konnte es mi r al s e i nem Parteimitglied v erbieten,<br />
aktiv zu sein2 .<br />
-, Ich bereiste in zwei Tagen die wichtigsten Zentren<br />
- Südwestdeutschlands, ich sprach mi t l e i tenden Genossen,<br />
ich demonstrierte ihnen die neuen Methoden,<br />
ich liess junge Reichsbannerkameraden zusammenrufen<br />
und übte sie in den Formen des Symbolkampfcs.<br />
Ich hatte das Glück einige rührigc Menschen in relativ<br />
leitcndcr Stellung zu gewinnen, die Jungen griffen<br />
überall das Ncuc mit 13cgeistcrung auf und wendeten<br />
es mit 1
+ir wa r cs lclar, dass cs so kpnkmen mu<br />
Uss e: hütte<br />
doch die neue Methodilc clen enormen Vorzu<br />
orzug, gases j<br />
n • •<br />
sie dhrekt auf unsere eigenen Anhänger aktiviereag<br />
wirkte, weil ein jeder sich daran beteiligen, sie leicht<br />
anwenden'konnte, und weil darin eine gewisse romantik<br />
lag in Form eines icieincn persönlichen Ins>kos,<br />
was dem natürlichen Betätigungsdrang, ikesokk<br />
ders bei den J ü ngeren, einen Ausweg verschaffte,<br />
Nicht wenige wurden von der Polizei gefasst, mükk<br />
wurde vorsichtiger, aber. nicht weniger eifrig.<br />
In IIeidelberg selbst brodelte es wie in einem Kessel,<br />
die ganze Stadt stand unter dem Zeichen der Drei<br />
Pfeile und am Wahltage selbst waren alle feindlichen<br />
Klcbezettel vo n u n s eren schlagenden, drohenden,<br />
spottenden übcrlclebt, Hier ein Paar Beispiele davon: t<br />
oder:<br />
Und:<br />
„Hitler lcommt nicht an die Macht,<br />
Die Eiserne Front steht auf dcr %achtl"<br />
' Der Eiscrncn Front gilt unser Sclvvur,<br />
tl<br />
• • , ' cr<br />
Los, liebe Nazis, rührt euch nurl<br />
lang<br />
Sollt das Putschen ihr nur wagen<br />
Schla enl"<br />
Die Eiserne Front holt aus zum S g<br />
Spottverse waren zum üexspkel.<br />
oder:<br />
„Wer Goebbels hört und Hitler lcennt,<br />
Sagt: „Hindenburg wird Präsident".<br />
und dgl. mehr.<br />
)'!.<br />
i<br />
i"<br />
'l<br />
I
pp „:. P
ei der l3cvöliccrung aus: di e S 1 1 f<br />
Llserncn I' ront lllachte einen grosse H<br />
12. De r zweite Schlag.<br />
i I • l '><br />
Ich war zufrieden: die neue Propaganda-Metliodiic<br />
hatte die Feuerprobe bestanden — sie hatte sich be-.<br />
währt — das hörte ich j etzt von allen Seiten im Süden,<br />
Zwei Tage nach den AVahlen belcam ich aus 13erlin ein<br />
Telegramm; „Bitten soforL lcommcn, zwcitcr37ahlgang<br />
steht im Zeichen Ihrer 5Icthodcn". Es war die Bitte .<br />
einer unserer höchsten SLcllcn, Ircilich nicht des Pnr.<br />
Lcivorstai>des', Ich cilLc nach Berlin, voll Iloflnung und.<br />
Zuversicht. Nach meinen> Vorschlag wurden nun soforL<br />
aus allen T eilen des IKcichs Vertreter' telegraphisch<br />
zusammengerufen, eine Abteilung junger Genossen<br />
wurde zur Demonstration der neuen Methoden<br />
rasch angelernt. Der Vortrag, den ich nun vor unseren .<br />
alctivsten Leuten aus ganz Deutschland. hielt, worla<br />
n unserer neuen ~an%<br />
ich den Sinn und die I
trale die Sache lcitcn sollte, machte mich an die Arbeit,<br />
Nicht ein Tag, nicht eine Stui>de durfte verloren<br />
gehen.<br />
Das Kampfbild wurde sofort klischicrt und an alle<br />
Stellen im Reiche verschickt, wo es in Zeitungen mit<br />
Erläuterungen über die neue Symbolik erschien,<br />
sowie als Klchczcttcl i n M i l l i onen von Exemplaren<br />
verbreitet wurde. T o nnen von Kreide wurden. angeschaf<br />
ft und auf unsere Organisationen im Reiche ver<br />
. teilt. Der Effekt war überraschend, unerhört — 'Alles .<br />
atmete plötzlich erleichtert auf, man sah nun endlich<br />
einen Ausweg, eine Möglichkeit. Zu Dutzenden liefen .<br />
• n un in der Zentrale Berichte ü ber d e n E r f o lg d e r<br />
neuen Propaganda ein, über den Bcgeisterungstaumel,<br />
in welchen unsere Kümplcrmassen gerieten. Die Berichte<br />
über die Wirkung auf die Gegner waren immer<br />
die gleichen — „vcrblül.'fi,", „übcrrlischt", „perplex"..<br />
Dic bürgcrlichcn Zeitungen sclnicben über die plötzlich<br />
einsetzende Aktivität der in der Eisernen front<br />
organisierten Massen.<br />
Bald kamen aber auch Nachrichten über gewisse<br />
sich nun z eigende Schwierigkeiten un d R eibungen<br />
innerhalb unserer Organisationen: cs 1cam zu Unstimmigkeiten.<br />
zwischen den Reichsbanner- und Eisernen '<br />
Front-Leitungen einerseits und den Partcistellen andererseits.<br />
Ich hatte die' Gefahr vorausgesehen und<br />
habe mir sofort nach meinem Vortrage in Berlin die<br />
g«sstc Mühe gegeben mit den höchsten Parteiinstan-,<br />
zen in Fühlung zu kommen, bei ihnen Interesse und '<br />
Vcrständniss für das Neue zu wecken, sie zu gewinnen<br />
und im Einklang mit der offiziellen Parteiwerbe<br />
Zentrale zu arbeiten, Ich wollte einen gemeinsamen<br />
' ko ordinierten Propagandafeldzugsplan erzielen, Alle<br />
meine Versuche blieben aber erfolglos; einen meinen. .<br />
, Q>
Vortrag im Parteiausschuss oder im Par' '<br />
ar
spiel Es 1cam Ostern und jede Arbeit hörte plötzlich<br />
auf — Alles lief auseinander und wollte nichts von<br />
krampf hgrcn. Ich lief hin und her, sprach von der<br />
unmöglichkeit vier ganze Tage mitten in iler Schlacht<br />
zu verlieren, ich verglich die Lage mit einer grossen<br />
Schlacht, wo der Generalstab doch auch nachts und '<br />
Sonntags arbeitet, ich k o nnte nachweisen, dass. die<br />
Gegner nicht schliefen — alles war vergebens — man<br />
'sah mich mit grossen Auge~ an, man lachte nüch gutmütig<br />
aus, man feierte; man tanzte, man spielte Karten,<br />
Ich lief in das Gewerkschaftshaus — da war ein<br />
spiessiges Fest im vollen Gange. Damen mit grossen<br />
bunten Schleifen am Rücken stolzierten umher, un<br />
- sere führenden „Genossen" in sclavarzen Röcken und<br />
mit dicken Zigarren zwischen den Zähnen lachten und<br />
ergötzten sich an W i t zen und Spässcn. I c h s u chte<br />
einen der,giarschälle" auf — er sass in seincin Garten<br />
und rührtc mit 5list seine llosenbcetc um. Er machte<br />
ein recht verdutztes G«sicht, als er m i c h p l ötzlich<br />
zweihundert I(ilomc tcr wei t von B erlin -auftauchen<br />
. sah und besprach mit mir die dringendsten Sachen<br />
ohne Zeichen von. Begeisterung und ICampfcswillen,<br />
Z ähneknirschend kam i ch z u rück nach Berlin, i c h<br />
'versuchte zu a r b eiten, aber praktisch was' ich ge- '<br />
lähmt: die 51echanismen der Organisation standen<br />
" still. Erst drei Tage später konnte wieder Alles laufen.<br />
Nun kamen aber die Intrigen, Im R eichsbannervorstand<br />
machte sich plötzlich der p r a k tisch abge-,<br />
setzte,,Püln er" Otto IIörsing lebend — er begann sicli<br />
zu rühren und zwar gegen das Neue — er erklärte das<br />
Neue wäre zu neu, „zu g efährlich", es k ö n nte der<br />
Pohzei nicht genehm erscheinen und'überdies käme.<br />
es ihm lücherlicl> vor, cr wäre besorgt vor der. Öffcntlic»keit<br />
im schiefen Licht zu erscheinen. Er forderte<br />
d»s alle weitere Entwicklung der neuen Propaganda 1
~ zu unterbleiben hätte, er drohte. Die<br />
lc<br />
Ze<br />
cn<br />
t<br />
ra<br />
• l<br />
e gehorch„<br />
c, sie kriegte plötzlich An
Begcjstcrungswelle, di e d u rch u nsere neuen<br />
Waffen entzündet war, nach meinem 33afürhalten<br />
l onntcn wir auf einen neuen Stjmmcnzuwachs von 4<br />
bjs 5 jgjlljonen rechnen. Nun war es unmöglich: jetzt<br />
würden wir für unsere Parole lmum mehr wie eine<br />
gjjljon Stinunen mehr erzielen. Es war nicht das, was<br />
nötjg war. D e n n d e r g a nze Plan m u sstc ja dahin<br />
zielen, einen enormen, eklatanten Sieg zu erzielen,<br />
den Gegner zu betäuben, die Republjlraner in einen<br />
Sjegestaumel zu versetzen, der sie ermöglichen würde<br />
sofort den Elan für di e gleich folgende Schlacht <br />
dje Preussenwahl auszunutzen, den entscheidenden<br />
. Schlag in Prcussen zu führen und in einer Reihe dann.<br />
weiter aufgezogener Propaganda-Ikampagnen den<br />
Gegner zu vcrnichtcn. Ich hatte den Plan dieser.ICam<br />
.pagncn unserer obersten Leitung und auch dem Par- .<br />
tcivorstande — persönlich dem Genossen Wels — vorgelegt.<br />
Der I'lau umfasste folge»dc sich stcjgcrndcn<br />
Stufen: sofort nach dem zu crlaimpfendcn Prcusscns<br />
ieg Erzwjngmng der Propagandafrcjhcjt für di e Eiserne<br />
Front — Aufhebung des Uniform- und Dcmonstrationsverbotes,<br />
maximale Ausnützung dieser Freiheit<br />
um grösstc 5Iasscn hinter uns zu reissen — danach<br />
mit Hilfe n euer Propagandawelle E r zwjngung d es<br />
SA-Verbotes (erst dann, nicht früher.l) — die nächste<br />
Ikampagne sollte der Beamtenschaft gelten — Schluss<br />
mit republilcfejndlicher Gesinnung im B e amtenlcörperl<br />
Alle diese als Folge bestimmter planmässig lconstruierter<br />
Tätjglrejt vorauszusehenden kampagnen<br />
und Erfolge würden einen ungeheueren Auftrieb des<br />
demos'atjschen Prestiges auch j m A u sland verursachen,<br />
was wiederum entscheidend für die bevorstehenden<br />
Wahlen in Franl;reich und den Sieg der<br />
: Linken dort sein müsstc. Dann stünde der Verständigung<br />
mit Franlcreich nichts im Wege, eine mächtige<br />
.:;, '.,::-.:,.: 66
neue ne Propagandawelle in diesem Shn>ne<br />
könnte c<br />
erzwmgen. • Die nächste ' Aufgabe 3e war e dan n e in cnt.<br />
. scxezdender Schritt i n d e r A brüstung<br />
rüs ung und<br />
d<br />
zu xvirt<br />
• I<br />
. schafthcher Gesundung gewesen.<br />
M ein l lan blieb ohne Beachtung die<br />
'e<br />
P<br />
ar e<br />
t i<br />
eitung<br />
l '<br />
hatte überhaupt keine Pläne, sie sah nicht<br />
mc b r eiter, als<br />
irgendwie über das Heute hinwegzukommen und sie<br />
traute weder 'sich noch den Kräften über welchen sie<br />
stand, sie hatte eigentlich jeden lebendigen Kontakt<br />
mit ihnen verloren, sie kannte sie nicht mehr und<br />
überliess Alles passiv dem Schicksal.<br />
Meine Prophezeiung wurde zur Tatsache: die Stnn<br />
. mung flaute zusehends ab, nicht einmal eine 5Iillion,<br />
Stimmenzuwachs erzielten wir, nur ehva 600.000, Von<br />
einem Elan, von einem Sicgestaumcl konnte nicht:<br />
mehr die liede sein, im Gegenteil, der Gegner, der sich<br />
bereits last für geschlagen hielt, schöpltc ncucn Shit<br />
und gchänlcte sich als „Sieger". Sein „Sieg" ovar<br />
freilich relativ, aber das gcnügtc schon. '<br />
Die Ironie des Schicksals wolltc nun, dass unser<br />
Generalstab, drei Tage vor der Wahl sich plötzlich<br />
von dem Hörsing-Schrecken erholte, hicss nun wieder<br />
Alles gut; und wollte dass Alles wieder weiter ginge '<br />
— die Maschinerie war aber zerstört, jetzt galt cs die<br />
Früchte eigener Schwäche und Fehler einzuheimsen.<br />
13. Der Zampf gegen Unverständnis.<br />
d ich die Lage.<br />
Bekümmert sahen meme Freunde und '<br />
' Und doch war es unsere Pflicht weiter zu kämpfen<br />
Aber die Aufgabe, die vor uns stand, war jetzt un<br />
Gegncr,würde seinen Vorsprung<br />
, ' les zurückgeworfen, «<br />
auszunützen vers c<br />
57
heu. Jetzt standen Landtagswahlcn in cincr Reihe von'<br />
Staaten bevor. Ilitlcr bcrcitcte sich vor, die deutsche<br />
Sch]üssclstellung — Prcusscn — zu überrennen. Sein<br />
eigentlicher Impressario, Goebbels, verkündete jetzt<br />
der ganzen Welt, dass sie nunmehr zu ganz neuen<br />
' „amerikanischen" — P r o p agandametho ivir aber mussten nun wieder alles von vorne<br />
68
a nfangen: ich stnn(1 vor der Aufgabe zun 'l . t<br />
Propaganda für clie Propaganda in unser<br />
. crcn<br />
•<br />
«igcncn<br />
.Rei1>en zu machen. • Die kiindcnburgwahllcöm ' cQIll p f c ha„<br />
h en em ersc.xreckendes T<br />
Zeugnis für die Unzulnzuönghch<br />
i ' 1<br />
keit unserer offiziellen Parteipropaganda abgelegt,<br />
Es war bcschämcnd konstatieren zu müssen, dass ausgerechnet<br />
die grösste und hestorganisierte politische<br />
Partei Deutschlands, diejeüige auf der eigentlicl> die.<br />
ganze Entscheidung des Ikampfes ruhte, so ohnmächtig<br />
in Bezug auf Handhabung der geistigen 3Vaffen .<br />
war und di e a m w e nigsten wirlcsame Propaganda<br />
führte, Alles, was sie brachte, war'en alte verrostete<br />
3Vaffen, aus der Rumpelkammer wieder ans Licht gezogen,<br />
unmodern, langweilig, dolctrinär, phantasielos,<br />
oft kitschig, grobschlächtig, dem Zcitgcist und unse-.<br />
rem ganzen Lebcnstcmpo kIohn sprechend, sclnvcr-,<br />
fällig, im Tone geradezu weinerlich, oft zu spät 1coinmend,<br />
vielerorts direkt lächerlich und abstosscnd wirkcnd,<br />
durch 1crassestc Unbeholfenheit in die Augen'<br />
springend. Ikurzum: clie ganze Mentalität der neunziger<br />
Jahre wirlctc sich noch einmal ausl Ein schönes<br />
Beispiel war z. B. das folgende Plalcat der Parteiwerhezcntrale<br />
— es stellte einen Eisbrccher mit der Auf-.<br />
schrift „Wir müssen durch" dar, Diejenigen, die dieses<br />
Plakat sahen, lconnten sich i i nes unwilllcürlichen<br />
Lächelns kaum e r w ehren; so l ächerlich ungeschiclct<br />
sah dieser „Eisbrecher" aus, lceine Spur von Wucht<br />
und Stärlce, ein alter blauer (warum denn hlau2) Kasten,<br />
der mit Mühe die ganz dünnen Eisschollen, die<br />
verschiedene politische $Vidcrwärfiüglccitcn darstellen<br />
sollten, zerbrach. Man hat auch nicht an die allgemein<br />
bclcanntc r c k l amctechnische E rlccnntnis gedacht<br />
wonach man nicht mitten im Prühling an etwas, was<br />
mit Vf i nter u n d K ä lte z usammenhängt, anspielen<br />
durf te; es mussten damit unwilllcürlich Unlustgefüb e<br />
69
gtcwcc1ct werden, die nicht grade zugunsten der Idee<br />
ausficlcn, für die man warb. Fast Alles, was von der<br />
partei kam, war von dieser Art. Das fiel cloch Allcll,<br />
aber Allen auf, warum, wieso, sahen cs unsere I'ührer<br />
nicht? Oder vielleicht sahen sie es, wagten aber nicht<br />
dagegen aufzutreten? Ja, warum denn nicht? Gab cs<br />
denn wirlciich Iccine ihiittcl den Bann zu brechen' !<br />
Es war inzwischen durch die ganze politische Entwicklung<br />
sehr w a hrscheinlich geworden, dass wir<br />
nicht mehr weit von neuen Reichstagswahlen stünden,<br />
im Falle eines HiOererfolges bei den Preussenwahlen<br />
schien diese Folgerung als unausbleiblich. Eigentlich<br />
war das, vom propagandistischen Stanclpunlct aus gesehen,<br />
für uns nicht u n günstig, wi r h ä t ten w i eder<br />
dann eine Gelegenheit uns mit dem Gegner zu messen,<br />
es wai' immerhin. ein Aufschub, ein Zcitgcwinn, vielleicht<br />
würde man bis dahin sich mit unscrcn Iclccn<br />
durchgedrungen haben. Ich wusstc ganz genau: belcamcn<br />
wir erst die Herrschaft über den Apparat, über<br />
das Netz unserer Organisationen in die Hände, dann<br />
wüsste ich schon, wie die Sache in wenigen Wochen<br />
zur Siedehitze gebracht werden lcönnte, es hättc dann<br />
s chon alles geklappt, A ber w i e w a r d i e erste, d i e<br />
schwierigste Klippe zu umgehen? Auf einem Parteitage<br />
lcönnte man vielleicht hoffen, di e hemmenden<br />
..IKifte in der Parteileitung niederzukämpfen, brenn.bares<br />
hlaterial war j a d u rch die Tolerierungspolitilc<br />
genug angesammelt — aber gerade deswegen gab es<br />
keine Aussicht, dass der Parteivorstand mitten im politischeii<br />
I(ampfc einen Parteitag einberufen würde.<br />
Es gab nur einen Weg — das wäre der Versuch die<br />
Hauptfaktoren zu überzeugen,<br />
Drei Wege wählte ich dazu: auf lciärende Artikel in<br />
,: den Zeitschriften, persönliche überredung und pralc<br />
..tischer Beweis durch Wahlerfolge in den lcommenden<br />
-'--- -' ' 60
Landtagswuhlcn. Ich vcröflcntlichtc nun eine Q 'l<br />
'lne cl l e<br />
von Artilcchl ilbcr die neuen Mcthodcn der Propagan<br />
da, über die Lehren der Wahlkämyfe, über die Anti<br />
vie eng der Arbeiterschaft in den „Sozialistischen jgp<br />
natsheften", i n d e r „ D eutschen Hcpublik", i n d en<br />
„Neuen Blättern für den Sozialismus". Ich vcrschiclde<br />
sie an die leitenden Genossen. Ich unternahm dann<br />
eine persönliche Bearbeitung eines Jeden von ihnen:<br />
Vogel, B r eitscheid, H i l f erding, Hertz, Grassmann,<br />
IkünsOer, Heilmann, Löbe, Stampfer und anderejedcn<br />
von ihnen suchte ich auf, ich sprach mit jedem<br />
über eine Stunde, ich mobilisierte meine ganze Beredsamlceit,<br />
ich brachte Zahlen, Tabellen, lesarten als<br />
Beweise. Alle sie, wenn man einzeln mit jedem von<br />
ihnen sprach, stimmtcn zu, gaben zu, dass bei uns<br />
Vieles oben schief zuging, vcrsprachcn dagegen zu<br />
lciimpfcn, den neuen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen.<br />
Aber sobald sie zusammen waren, kam nichts<br />
mehr her;lus, Zugleich wies i mmer Alles auf den<br />
„Zeus" hin, auf Otto Wels, aus den Gesprächen ldangimmer<br />
heraus: „Wenn 'der es nicht will, ist alles ver- '<br />
gebens".<br />
So wurde es mi r l d ar. — .ich musste ihn selbst<br />
erobern. Es galt eine harte Nuss zu 1cuaclcen. Denn<br />
ich wusste seine Einstellung unserer neuen Propaganda<br />
gegenüber und zwar aus ersten Händen, aus<br />
einer absolut zuverlässigen Quelle. Durch Otto Hörsing<br />
und die IQeaturen seiner eigenen Werbezentrale<br />
war Wels bereits der Sache gegenüber feindlich gestimmt<br />
worden, er wollte zunächst nichts von dem<br />
ganzen Symbolkampf wissen. Seine Argumente, im<br />
Munde des Führers einer revolutionären Partei ganz'<br />
unglaublich, waren: „Wir machen uns mit dem gan<br />
lichlcciten mit der Polizei" l Ein leitender Genosse er<br />
6i
Fiserncn Front snss' mal bei ilim v ollv. — sage und<br />
sclireibe — fünf Stunclcn, um ihn zu überrcclen, seiilen<br />
Segen über die neuen im I(nmpf bervits sich bewährten<br />
Symbole auszusprechen. Ei willigte schliesslich<br />
ein, als ilim aus dem Herlincr Polizeipräsidium .<br />
ein ci«ens von Juristen zusammvngcstclltcs Schrifts<br />
tüclc, von Polizeibehörden unterschrieben uncl m i t<br />
S tempel versehen, eingehändigt w urcle, w o ri n e s<br />
stand, dass die Polizei nichts einzuwenden hatte und<br />
dass sie nicht eingreifen werde, wenn die sozialdemo<br />
. lcratischen Arbeiter die Drei Pfeile mit der Iireide auf<br />
die Wände malen würdenl I<br />
So musstc icli doch versuchen ihn zu sprcclien. Icli<br />
erwischte ihn am 13 April in clvn BcichstngslculuarcngclcgcntlicI)<br />
clcr Tngu))g clcs Gcwcclcscl)nfislcongrcss<br />
vs, In seiner clriistisclivii Wvisv. npostrophicilc c r<br />
micli solort init clvr I"rngv.; »Nu)), wiis si»
at ist j eder .Situation gewachsen, cr v e rarbeitet<br />
prompt jede Aufgabe, wenn er nur auch will/ich ge<br />
nügcnd belastet wird, ich finde, dass es aber nicht im<br />
mer geschieht — in Wirldichlceit könnte er noch viel<br />
mehr tragen. Aber in Bezug auf den dritten Faktor,<br />
die Führung, muss ich Ihnen ganz offen sagen<br />
ICopf ist faul, IZicr liegt unsere Sc1uväche — die Füh<br />
rung hemmt Alles, jede Tat, jede Kampfeslust, sie ist<br />
mutlos, sie traut weder den i>lassen,.noch dem Appa<br />
rat, noch sich selbst etwas zu."'<br />
Das Gesicht Otto Wels' verfinsterte sich und wurde<br />
rot, die Umherstehcnden machten erschroclccnc Augen<br />
— jetzt musstc der Donner losgehen. Es war aber<br />
nur ein psychologischer Schachzug meinerseits, denn<br />
' sofort fuhr ich wt.'iler fort: .„aber Sie, Gcnossc Wels,<br />
können hier Abhilfe schaffen) Sie 1cö»ntcp die IRollc<br />
eines (Icutschcn Lenins st)iclcn — machen Sie cs, röu<br />
Illcn Sic schleunigst mit den Ilcmmungcn und l'chlcrn<br />
der untähigcn Fithrcr auf I" D i e G e sichtszüge Otto<br />
Wels' glätteten sich, in den Augen und um den Mund'<br />
herum lag jetzt ein gutmütiges Lächeln und er sagte'<br />
„Nun gut, wir wollen mal sprechen, kommen Sie mor-,<br />
gen ins Parteisekretariat, ich gebe Ihnen eine ganze '<br />
Stunde Zeit".<br />
Ich war zufrieden. Viele Genossen beglückwünschten<br />
mich und sagten — „Na, die Sache ist halbgewonnen.<br />
Vielleicht gelingt es dochi" Am nächsten Tage<br />
war ich bei Wels. Er war von einer Reihe von älteren<br />
Leuten aus der Partei-Bürolcratic um~eben. Ich mo<br />
O<br />
• •<br />
bihsierte meine ganze Beredsamkeit, ich überbot mich<br />
selbst, ich versuchte ihn und die Anderen zu gewin- .<br />
nen. Es war vergebens. N ach einer halben Stunde<br />
.wurde er abgerufen, die Anderen fielen über mich<br />
her. „Was wollen Sie" — sagten sie — „wir sind ja<br />
doch maximal aktiv, es wird alles Mögliche getan, wir<br />
68
zuhelfen, zu überreden, Leben hineinzubringen, waren<br />
vergebens, Es war 1'lar: der Kampf in Preussen<br />
war verloren. Upd so kam es,<br />
;Aber auch in Württemberg hatten wir eine Niederlage<br />
erlitten. Verdutzt eilte ich nach Stuttgart. 'und<br />
was erfuhr ich'I Nichts, aber Nichts von den Beschlüssen<br />
der Plankonfercnz war durchgeführt. Die Werbezentrale<br />
der Partei in Berlin hatte auch Württemberg<br />
'mit ihrer Papierproduktion überflutet, alle ICräfte wa-.<br />
' ren nach alter lQanier wieder in die Versammlungen<br />
- in den Löchern verbannt, die Eiserne Front war auch<br />
hier lahmgelegt,. die Kräfte reichten nicht aus, um das<br />
Neue, das allein wirksam sein könnte — wie sie alle<br />
s elbst jetzt wieder zugaben — d urchzuführen. D i e<br />
alte Trägheit hatte gesiegt, wir hatten «her eine wich-'<br />
tige Position verloren und i ch .zugleich die Möglichkeit<br />
mit evcntuellcm Erfolg in W ü r t temberg aufzutrumpfen<br />
und neuen Hoden bei der I"ührung für das<br />
Umwerlen des Steuers zu gewinnen.<br />
Nur eins hatte nicht versagt — das war Iiamburg.<br />
Dort hatten wir den von mi r v o rausgcschcncn glänzenden<br />
Sieg auch wirklich erfochten, Die neuen Methoden<br />
waren dort siegreich und jetzt fing Alles da<br />
'von zu sprechen an: der Symbolkampf wurde»unmehr<br />
in vielen ICrciscn der Partei, besonders der Prov<br />
inz, populär — j e tzt t r ugen die Elenschcn endlich , .<br />
das Drei-Pfeil-Abzeichen im ICnopf loch, jetzt tauchten .<br />
, überall schon rote Fahnen mit den drei Pfeilen auf,<br />
viele grüssten sich'auf den Strassen mit dem 1'rci<br />
»eitsruf und viele Parteizeitungen führten jetzt endlich<br />
das Dreipfeilesymbol au f i hr e n ICopfblättern,<br />
. Eine der wenigen, die es immer noch nicht machte,<br />
. die in ihrer starrköpfigen Ablehnung auch weiter verhau~te<br />
— war das Hauptorgan der Partei — der „Vor<br />
- wärts"..
15. De r T riumph/t in Hessen.<br />
.Der Sieg in Preussen liess den Nazis den Eamm<br />
schwellen — sie führten jetzt grosse Worte im Munde,'<br />
sie fordertcn des Wiederaufrichten der SA, die nach .<br />
dem zweiten Ißindcnhurgsiegc vcihotea war und ge<br />
härdetcn sich nunmehr völlig als die Icommenden Her<br />
ren. Die Staatsgewalt erlahmte zusehends. In der Luft<br />
la es, dass der Umschlagspunkt nicht mehr weit war,<br />
Der Nazipropagandaleitung war es Idar, dass'man<br />
noch eines psychologischen Stosses bedurfte, um das<br />
Terrain für den Umschwung vollauf bereit zu haben,<br />
Sie brauchten noch eine günstige Wahl.<br />
Sie erzwangen mit Hilfe der vollauf demoralisierten<br />
Deutschen Vollcspnrtci Ncuwnhlcn in Hessen. Nun<br />
stand auch uns ein neuer Eampf bevor. Ich atmete<br />
auf: hier bot sich endlich die günstige Gelegenheit für<br />
uns, hier hatten wir — d i e A n h änger des Neuen <br />
unsere besten Eräftc, auch an leitenden Stellen sassen<br />
.lebendige Eicnschcn. Ein Tclcgi nmm rief mich nus meiner<br />
ivissenschnftlichen Arbeit abermals heraus — ich<br />
eilte und stürzte mich mit Freude und Zuversicht in<br />
den Enmpf. Wir un d di e Gegner wussten um die Bedeutung<br />
dieses Enmples — es war die psychologische<br />
G eneralschlacht. Gewannen wir sie — d ann war d er .<br />
Weg für das Durchdringen der einzig sicheren Waffe<br />
vielleicht offea, auch war H i tler der Weg zur Macht<br />
abermals versperrt, eine neue Welle der Z uversicht .<br />
ia unseren Reihen musste die Folge sein, es waren<br />
dann weitere Chancen im K ampf sichtbar. G e w ann<br />
Hitler den hessischen I(ampf,.dann. hätte er bewiesen,<br />
dass sein Kommen absolut sicher sei, er h ä tte auch<br />
den Zersetzungserscheinungen in den Reihen der SA,<br />
die des ewigen Aufschubs der Erfüllung der Verspre<br />
. chungcn müde zu werden anfing, einen Riegel vorge
scliohen, Der hessische ICampf musstc ein Kampf aufs<br />
Messer mit geistigen Waffen sein. Alle Parteien mobilisiertcn<br />
alle ihre ICräfte, das kleine I.and war von<br />
Rednern, Plakaten, Flugblättern überflutet. Fast alle<br />
Reichstagsabgeordneten aus dem ganzen Reiche waren<br />
Iiier versammelt und bereisten das Land in allen<br />
Richtungen. Hitler überbot sich an Aktivitat — Goebbels<br />
liess ihn selbst in allen hcssisclicn Kreisen vor<br />
iingeheueren zusammengetrommelten Mensclicnmengen,<br />
besonders vor Bauern, im Fr eien sprechen, der<br />
grösste Tamtam worde inszeniert, Blumen, Fahnen,<br />
Trommelwirbel, Aufmärsche, Fackeln — A l l es war<br />
da.<br />
Diesmal aber schliefen auch wir nicht, Ein Plan der<br />
ganzen ICampagnc nach ollen Regeln der Organisa- '<br />
tionskunst wurde bereits in der ersten Nacht fertiggestellt,<br />
durchbcratcn lind in u nsere Orgnnisationcü<br />
geworfen. Eine m o d erne E
Neugier vom, Eisernen Schorsch", der sn der letz«n<br />
Woche in kIcssen aufttauchcn sollte, man frug sich<br />
. gcgcnsciti
P REIHE(7<br />
E)SEHNE FRQNTf<br />
zeichen über dem IIakcnlueuz bcdcckt, kecke, her aus- .<br />
fordernde, unserer anlacht bcwusste und zugleich sich<br />
. ins Gedächtnis eingrabende zweizeilige Verse . auf<br />
Elebezetteln prangten von allerwärts. Unsere Ikolonnen<br />
marschierten überall in dröhnendem Schritt, mit<br />
flatternden Fahnen, unsere Kampfesmürsche und Lieder<br />
spielend und von der Bevölkerung umjubelt. Jetzt<br />
waren wir endlich in unserer vollen 'Wucht auf der<br />
" Bildfläche erschienen. Und in Nu sticgcn unsere<br />
Chancen. Die Versammlungen erfreuten sich eines<br />
niedagesehenen Zustroms; i n i h nen wurde weniger<br />
. geredet, dafür aber umsomehr i ns Bewusstsein. das<br />
Treuegelöbnis und ins Unterbewusstsein die Zuversicht<br />
und die Kampfeslust eingepaukt. Die sogenannte<br />
„revolutionäre Gymnastilc", wi e w i r da s na n n ten,
ivurde dabei geübt: Auf e' '. z<br />
y recher und der Masse'<br />
u yeitschdialo<br />
b<br />
e z '<br />
asse; wobei der letztere '<br />
lieh<br />
E 1<br />
d K a m y fesmut<br />
in die Seele<br />
h- f r e>n zuyrägen und. fur die<br />
l eichter auslösbar zu m h A<br />
sen Jede Paar Minuten ' t<br />
hQpi r f y<br />
eis tVir antworteten prompt, An vielen Stellen versuchten<br />
sie unsere drei Pfeile durch wenige Striche in drei<br />
Regenschirme z u ve r w andeln, Wi r du r chstrichen<br />
nun abermals diese, als ein gewissermassen bürger<br />
1' h S b 1 — s o m i t waren wir wieder drüber. Sie<br />
zerstörten die W i r l~ung der Pfeile, indem sie nu<br />
G
am freien Ende Spitzen anbrachten, wir verwandelten<br />
dann sofort dieselben in g c f icdertc Pfeile — di e<br />
Wirlcung war-wiederhergestellt. Sie zeichneten drei<br />
geßrochene Pfeile und ein Hakenkreuz darüber<br />
t riumphierend — wi& verwandelten das Bild i u e i n<br />
Sti'om von Pfeilen, die das Ilalcenla'euz trafen — wieder<br />
hatten wir das letzte Wort. Sie zeichneten eine<br />
abwehrende Hand vor den drei Pfeilen und schrieben<br />
dazu „bis hierher und nicht weiter I" — wir verlänger<br />
..- ten die Pfeile und durchbohrten mit ihnen die Hand<br />
und schrieben darunter: „wir Iuiegen euch doch I".<br />
Und nun lcam der höchste Ausdruclc des politischen<br />
Massenwillens — die Aufmärsche. Inzwischen war die<br />
Papcnregicrung mit Hitlers Hilfe a n d i e N a cht ge- '<br />
lcommcn und sie quittierte diese Lichcsgabc mit einer<br />
entsprechenden gegenleistung, die ja von Hitlvr im<br />
berücliliglcn I
nun auch uniformierte 'er en 'Po r mationcn<br />
H b ' g D ' ei le fa hnc<br />
v om B a hnhof '<br />
tadt ab — diese spe lo ' isc h e Handlun l l Darm.<br />
takt zu unseren Aufm"<br />
g war der Auf<br />
u marschen in,Hessen. Und<br />
aute ich sie nach ganz neuen neue P ruuipien ' aus. Ich i<br />
von<br />
h<br />
folgenden Gedanlcen<br />
cen<br />
aus:<br />
aus:<br />
b'<br />
ei ein em Aufmarsch<br />
atte man die beiden Gruppen der Menschen, von denen<br />
ich oben — imIfap.10 — 'spr' sprac, h sozusagen haud<br />
g reif lieh in den Strassen vor sich d i ie A l c t iven<br />
marschierten<br />
im Zuge. d e Passiven, die „55.000" stmdeu<br />
• • 7$ ' S<br />
als neu~erxge Zuschauer auf den Bürgerstiegen Spalier.<br />
Das Endziel der Aufmärsche, xvie der ganzeri Propaganda,<br />
w a r d i ese letzteren zu gewinnen, zu alctivieren,<br />
sie mitzurcisscn. AVie lconnte nun das gesche-.<br />
hcnf M a n m u s ste i hr e i n N c u gin s ich öusscrnde<br />
Spannung aufs höchste steigern, bei ihnen Sympathie<br />
für uns, für unsere Idccn. und. Ziele wcclccn, den Glauben<br />
an unsere Kraft, und diese Gefühle dann in ge<br />
>ncinsarncs Wollen mi t u ns, i n T a t r imschmelzeu,<br />
Dazu solllc der Zu g g c wisscnnasscn ein Huch mit<br />
mehreren 13ildcrscilcn daislcllcn, die nutciunnder logisch<br />
l u I 1 d S1' 'l C l i n'<br />
ler V lir l cung steigernd • yerhuadcu,<br />
• • •<br />
s ein so lll en. n ; so so class c : die Zuschauer unwilllcürlich m '<br />
C lllell C tc( 1 O. n kcnlrichlcr c<br />
o der-strudel >i ' r gOI1<br />
x Schlussalclcord dann siehe<br />
gcn würden. und dem Sci<br />
terlägcn: also wäh<br />
ählt für uns I Das „Buc i hrere wur c sym '<br />
o nclcrn in gewissen s t<br />
nerformationen Ha<br />
mit ~eichsbanner<br />
mit unseren por<br />
der Gewerlcschaf n, m'<br />
: denn nach jeder r u lcöaaen,.<br />
gefüllt waren : bl ' l c sic h . erholen<br />
ini e Augen sccc<br />
4<br />
.isch zur Aufna<br />
um vceder fns<br />
Die vier<br />
'er typischen „ api e<br />
I. die t r aur>gc<br />
' I.
Gegenwart, 2, die Nacht unseres Ipfcs dagegen,<br />
B, Der Spott ubcr den 1'elnd, 1. Unsere Ziele und Ideale.<br />
Die vier Gruudgefühlc, an welche man hiermit<br />
appethcrtc, wwaren, in derselben,Helhenfolgc aufge<br />
, zählt: i~gitleid — 'Angst (beim Gegner) und Mut (bei<br />
uns) — L a chen — Fr e u d e.. Die Zuschauermassen<br />
musstcn diese ganze Stafi'cl von Gcfühlcn zwangslaufig<br />
durchlaufen,<br />
Zunachst wurde bei der Z uschauermenge..ein de<br />
" pressives Gefühl erzeugt, die Bestürzung: ohne Musik,<br />
in unheimlich wirkendcr Stille, gingen die Opfer des<br />
IQiegcs, die Waisen, die Wihven, die Invaliden, Verstümmelte<br />
wurden gefahren, dann kamen die Opfer<br />
der kapitalistischen ICrisc — die Arbeitslosen, die Verkommenen,<br />
Obdachloscn und Ausgchungcrtcn, weiter<br />
die Opfer der Nazis — die Verprügelten, die Verwundeten<br />
auf ihren IQ'ückcn, nut verbundenen ICöpfcn<br />
und Gliedern. Die Menge war crgiiffcn, die inncrstcn<br />
Schlupfwinkel der Scclc waren aufgewühlt, sie litt,<br />
sie scufztc, sie cmpörtc sich.<br />
Und nun ein Ausweg, ein Lichtstrahl, eine IIoffnung<br />
j etzt k amen d i e E r l öser, u n sere M a cht u n d<br />
K ampfcswillen für des Volkes Freiheit, für di e A b <br />
schaffung allen sozialen Unrechts und Unglücks vcrsinnbildlichcnd;<br />
mit k l i ngendem Spiel, mit Bravourmärschen<br />
und fcstcm,dröhnendem Tritt marschierten<br />
die uniformierten Formationen und zwischen ihnen<br />
waren Symbolgruppen angebracht, die die IQaft und<br />
' Angriffslust unserer Kämpfer darstellten — v ora n<br />
marschierte eine' Gruppe von 12 ausgesuchten Jüng<br />
- lingen in einheitlicher IGeidung, die drei enorme metallische;<br />
lackierte und in der Sonne glänzende Pfeile<br />
-..., über ihren Köpfen sclnvehcnd trugen, Im Musiktalct<br />
wurden nun die Pfeile wie auf Ikommando vorgetrie-.<br />
bcn und dabei „I'reihcitl" gerufen. Jede 15 Sekunden,<br />
74 .
wurde diese Bewegung gemocht. Das gab dem ganzen '<br />
eine ungchcucr dynumischc Vhrkung, alles jubelte,<br />
;illes rief „ F r c i h citl" m i t , und zitterte vor Erregung,,<br />
Dann k;im ein Auto mit einem stämmigen Heichsbanncrmann<br />
mit einer roten Dreipfcilefahne in einem .<br />
Arrrl, und den zweiten Arm zu unserem Frciheitsgruss '.<br />
crliobcn, Er. war umgehen von Fonforenbläscrn nut<br />
roten Drcipfcilcwimpcln, Ei n w e iteres Auto führte ..<br />
den „Schatten Hebels" als Mahnung: auf einer Leinwand<br />
war eine grosse schwarze Silhouette mit dem<br />
charakteristischen, Bebelkopf angebracht, die. von<br />
einem auf dem Auto postierten Scheinwerfer grell beleuchtet.war.<br />
Auf einem anderen Auto, das mit grunen<br />
Ästen und r o tem T u c h d r a piert wa r, st and eine<br />
. F f 'gur — d i e F r e iheitsgöttin" — es war ein grosses<br />
hübsches Mädchen in rotem Gewand un p iry' 'scher.<br />
Mütze, nach vorne blickend, in<br />
'<br />
der<br />
Pfeilen<br />
linken<br />
haltend,<br />
Hand<br />
.<br />
eine grosse rote l ahne mit den Drei P<br />
76
I<br />
der rechte Aim mit einem Dcgcn nach vorne wciscn
• O<br />
ncr Buckcnwand eine Puppe in SA-Unifo<br />
1 dahint e r g i ngen 5Iensch<br />
.sangen abwechslend die Volksl ' » ' i<br />
'e o iede r „ AIuss' i<br />
ei en ut weh"' und m<br />
ce . a rm ka m en B auer<br />
V olkstrachten, die auf Mistgab l f ' rpsse<br />
a e n au gespiesstc rosse<br />
H alcenlcreuze trugen, dann kam ' Hl<br />
cam em hlagefärbtes Auto<br />
• • •<br />
st e f feminierten Jünglingen in SA-U 'f<br />
- m orm und Ne.<br />
gersoldaten — eine Anspielung auf d St b<br />
es a schefs der<br />
SA, Hauptmanns Röhm's,.widernatürliche Neigungen,<br />
arm lcamen Gruppen, die den populären Schlager<br />
aus dem Film „ D er K ongress tanzt" sangen, freilich<br />
mit umgedichteten Worten, die lauteten:<br />
„Den gab's nui' einmal, .<br />
Der kommt nicht wieder..." usw.<br />
Lachlcrämpfc crschüitcrtcn die Zuschauer. Duzivischcn<br />
marschicr ten di e Sportler, verschiedene Vcreinc,<br />
Jugend usw., riefen dauernd„I rcihcitl" und erhoben<br />
den Arm mi t der geballten Faust zum Grass.<br />
Die Menge stimmte in die I"reihcitsrufc ein.<br />
Jetzt Icam das vierte „I(apitcl" das Zuges — ' unsere<br />
sozialistischen Ideale und F orderungen darstellend.<br />
Da marschierten die Ikolonnen der Sozialistischen Arbeiterjugend,<br />
mit Pfeifen und Trommeln, lcnallrote<br />
Fahnen m i t den Dr e i Pf e i len s chwingend und<br />
Transparente mit der Aufschrift „Die junge Hoffnung<br />
eine Gruppe<br />
1 V lk e s " v orantragend. Dann kam ei n pp<br />
Die Völkerverbrüderung"; auf e'<br />
n Nationaltrachten un<br />
EIenschen in ' v e r sch~ede<br />
r eichten sich ehe Hände.<br />
e. Eine andere hiess<br />
'<br />
„Das<br />
as<br />
e><<br />
der Arbeit : es war<br />
r ein Auto mit einem<br />
en darauf und sch ugen<br />
starke Arbeiter standen<br />
-Ii tcr dem Auto '<br />
en Hammern im<br />
Talct der Musik zu. I- n cr
glllgcn Arbeiter mit verschiedenen Werkzeugen Dann<br />
war die Gruppe „Einigung von Arbeitern und Bauern"<br />
derbe Figure» in Baucrntracht ritten auf sclnvcren<br />
pferden . umgehen von Handwerkern in B l usen, mit<br />
Emblcmcn ihrer Arbeit, die die Pferde am Zügel führten<br />
und den Bauern die Hände reichten. Wcitcrc ähnl<br />
iche Gruppen folgtcn. E i n e der letzten war; „Di e ,<br />
sieghaften Drei Pfeile": zwei Reihen von hübschen<br />
jrlädchen in hellen IGeidern trugen Blumen- und Blätter-Guirlanden,<br />
in . der 5 I i tte m a rschierten h i ntereinander<br />
drei Mädchen, eine schwarze, eine rothaa<br />
- rige und eine blonde und trugen drei grosse glänzende<br />
Pfeile, blumcngeschmückt und zum Himmel weisend,<br />
. entsprechend der sozialisti schen Parole „Empor zum<br />
Licht l",' die 5Iusiklcapcllc spielte abwechseln(1 (las<br />
Lied „Brüder, zur Sonne, zur Frcihcitl", lcichtc Volksmelodien<br />
und Johann Sbauss' Walzer.<br />
Das war die Apotheose, die Klenge jubelte in frcudigcr<br />
L
ll(.'Llcr lllll ter Z<br />
.ui„ ohne - Ti' ahnen, ohne MI 'k; c<br />
lell die alctivicrtcn, die 'e mit mi gerissenen c Zuschaue<br />
llcn — sie konnten nicht h<br />
me r passiv bleiben, sie I;c.<br />
cn nacll, sie machten-mit —. sie waren gc<br />
ein lclarer, unumstösslicher Bewei d<br />
cweis er crzicltcll' .<br />
ctlvIerung, ein Triumph der AVirlcsaml 't d<br />
csam ccl Cr neuen<br />
Propa gandamethoden.<br />
Ein Bild blieb mir unauslöschbar in 'n der e r E rl ' n n erullg .<br />
aus dem letzten grossen Fackelzuge vor den1 Vjlaill<br />
tage in Darmstadt. Zwanzig Tausend Mann Inarschierten<br />
in der von F a ckeln erleuchteten, von deren Qua1111 .<br />
durchzogenen Dunkelheit, phantastisch tauchten zivischcn<br />
den Nassen plötzlich die bunten, wogendell,<br />
grell crlcuchtctcn, von Leben pulsierenden symbolischcll<br />
Gruppen auf, ihlusiic, Prcihcitsrufc, (las Dröhnen<br />
der Scllritte von Tausenden flossen zu cincr unerhörten<br />
Symphonie zusammen, ein Delirium bclnöchtigtc<br />
sich der Massen. Ich stand auf einem Platz neben den<br />
Autos der Pressevertreter uncl der Hcichstagsabgcordnetcn<br />
7di<br />
e i n e i ner stattlichcn Zahl hic:r vcrsammclt<br />
• • •<br />
waren. Ich beobachtete Lohe. E r s tand, einen lilm<br />
überreichten Blumenstrauss mit b cidcn kiöndcn an<br />
sich drückend, er sah in die.Augen der an ihm vorbcimarschierendcn<br />
und ihn alclclamlerendcn Masscll,<br />
' l- belte wie traumverloren, cs schie<br />
lötzlich in<br />
ewissenhaf te, ruhige P arlamentarier, p ö<br />
cIne andere, phantastische We<br />
'<br />
v<br />
t<br />
e<br />
erschüttert.<br />
r se<br />
e r<br />
sahes' h ihm m an a , er w a r ü b erwältlg, lm mir<br />
" er Löbe kam auf mich zu, nahm<br />
pochte d I e<br />
Wir verabschie e en<br />
d h tz<br />
I C of<br />
f n ung: wird er es durc se<br />
d 1'<br />
h an der 4irk<br />
I Il H e ssen zweifelte Nieman<br />
a m fesmitt , v o
horte man j etzt: „Endlich kommt di e A r beiterklasse<br />
zum Bewusstscin ihrer Machtl", „D i e N a zis<br />
sind in die Defensive gedrangtl". Ein Seder hatte die<br />
Szenen der Begeisterung bei unseren Ikundgebungcn<br />
selbst erlebt, sie spotteten j edn B eschreibung und<br />
machten einen unauslöschlichen Eindruck auf die, die<br />
sie geseben haben. K o llektives Selbstbewusstsein,<br />
S iegeszuversicht, j a Me nschenfrcundlichkeit u n d<br />
Glucksempfinden waren mit einem Schlage vqe hervorgezaubert:<br />
ein wunderbares Zeugnis davon lieferte<br />
das Studium des Gesichtsausdrucks der Teilnehmer<br />
an solchen IKundgchungcn auf den dabei gemachten<br />
Photos. Man sah keine boshaft verkrampften Gesichter,<br />
sondern Menschen in Ekstasc, in glitckhafter Erlösung.<br />
73 "<br />
j<br />
J t<br />
»~W ' ~'>g'1 ~)..<br />
• 4 Yß<br />
glac j "<br />
Vor Aller Augen geschah das Wunder der Umwandlung<br />
der akkumulicrten enormen inneren Energie der<br />
Arbeiterklasse in die aktive Dynamik, Dcr 1commcnde<br />
80
Sieg leuchtctc in Aller Augen in IIcssen. Und'cr kam<br />
auch om 19 Juni. Di e Sozialdcmolcratic hatte sich<br />
nicht nur aufs glönzcndstc behauptet, sie hatte allen<br />
h,'rwartungen der sicgcsbcwusstenl
System aus wäre und das Dritte Reich vor den To<br />
f1<br />
ren stünde.<br />
Zahlen war<br />
ugend. all~ Parteien, selbst das Zentrum, veilos~n<br />
en, die Nazis hatten gar 600 Stimmenverlust,<br />
Die einzige Partei, die gewanu, war die Sozialdemokratie.<br />
Ihr Stimmcnzuwachs betrug in Darmstadt «llcn.Erwartungen<br />
entgegen fast 1500 Stimmen.<br />
. Es gab nun w i r l d ich u n t rügliche 13eweise dafür,<br />
dass unser Erfolg tatsächlich das Resultat bewusster<br />
. Anwendung p r o pagandistisch r i c h ti g b e r echneter.<br />
5lassnalunen war. Folgende Zahlen sagten es aus: von<br />
fünf hessischen Städten — Of fc n bach, Darmstadt,<br />
5lainz, Worms und Gicsscn — ' wurden in den vier ersten<br />
die sogcnanntcn „Zündungskonfcrcnzcn" der<br />
F unktionäre durchgeführt, in Giessen aber nicht <br />
ich wählte diese, Stadt bcwusst als gcwisscrmasscn ein<br />
Versuchskaniuclicn — und nun stellte es sich heraus,<br />
dass Giessen die einzige Stadt war, wo die SPD Verluste<br />
zu verzeichnen hatte, während wir i n den vier<br />
anderen Städten überall Stimmenzuwachs hatten. Die<br />
Folgerung war ld ar ; der E r f olg war eine Funl'tion<br />
einer ganz besthnmten organisatorischen Massnahme.<br />
Aber noch mehr: die propagandistische Aukurbclung<br />
der vier erstgenannten Städte geschah zeitlich in fol<br />
. gender Reihenfolge: Offenbach am 25. Mai, Darmstadt<br />
am 27. Mai, Mainz am 80. Mai, Worms am G.<br />
>uni. Mit ihrem Stimmenzuwachs stehen nun diese<br />
.: Städte in derselben Reihe; Offenbach mit BB00 Stimmen,<br />
Darmstadt mit 1500, Mainz mit 1300, Worms mit<br />
~00 Die Folgerung war 1clar: bei dieser Methodik war<br />
«r Erfolg lediglich eine Funktion der Zeit.<br />
Somit war das hessische Experiment absolut gelungen.<br />
Wir hatten in unseren Händen sichere Mittel, die<br />
gestellte Aufgabe zu lösen,<br />
82
gg. gic Hoffnung um Enttäuschung.<br />
Schon wührend des tobenden hessischen Wahllcampfcs<br />
war plotzlich im ganzen.aeiclle eine neue<br />
pohtischc Situation eingetreten: Papen löste den<br />
Reichstag auf und schrieb neue Wahlen für den 81<br />
Juli aus. Die Pai'tcileitung stand vor d e r A u f gabe<br />
sclilcunigst den b cvorstclienden Grosslcamp f vor<br />
zubereiten. Das Hamburger Resultat und di e allen<br />
... nun sichtbaren Erfolge des von uns nun mi t n euen<br />
Elittcln geführten Kampfes in Hessen rüttelten endlich<br />
die Parteileitung aus ihrem Schlaf auf. Jetzt, wo<br />
bereits die ganze Feinclcs- uncl bürgerliche Presse<br />
Deutschlands und die 'grösstcn Zeitungen des Auslandes,<br />
l)csondcrs der „Manchcstcr Guardian" auf die vor<br />
aller Augen crsichtlichc Alctivierung der Sozialdcmolciatie<br />
in Hessen hinwiesen, und sie 'ganz klar d em<br />
Syinbollcampf und der Anwendung neuer Propagandamethodilc<br />
der Eiscrncn Front z uschrieben, j etzt '<br />
öffneten endlich auch die offiziellen Führer der SPD<br />
ihre Augen und Ohren und machten Anstalten einlenlcen<br />
zu wollen, sie geruhten jetzt sich für das Neue<br />
zu interessieren. Mein Freund, d e r a usgezeichnete<br />
hessische Abgcordncte Dr, Kiicrcndorff, und icli wurden<br />
telegraphisch nach Berlin berufen — wir sollten<br />
dort im Parteiausschuss Vortrüge über die neuen Methoden<br />
des Ikampfes halten. Wieder tauchte die Hoffnung<br />
auf — jetzt würde vielleicht das Ziel zu errei<br />
'chen sein. KIit höchster Anspannung wurde gearbeitet<br />
— alle Erfahrungen des Wahllcampfes in Hessen wurden<br />
herüclcsich ichtigt, ' ein organischer Plan der Reichs-.<br />
• tagswahllcampagne aufgestellt, alle..Aktionen, Losungen,<br />
te inische Schritte durchdacht und fertiggestellt<br />
v or dem Parteiausschuss auf. E s w a r<br />
cnc Mühe — ich sah sofort, auf ein tiefes Ver<br />
verlorene
' stä„dnis war hier nicht zu rechnen. D e r A usschuss<br />
akzeptierte zwar die neuen Symbole und dcl'rctierte<br />
wohl den Symbollcampf, aber sein Kampfcswillc war<br />
freilich nur ein Schein. Man konntc nicht den neuen<br />
W ein in alte durchlöcherte Schläuche füllen, A u c h<br />
jetzt hatte man nicht den Mut die I"ührung dieses heissen<br />
Kampfes frischen, .jungen, unverbrauch ten IQ äften<br />
zu übertragen, sie somit zum Tragen der Verantwortung<br />
zu'erziehen, sie in der Führung sich üben zu<br />
lassen. Die alte Clique wollte nun doch allein alles<br />
machen, sie wollte aus dem Neuen zugleich sich ncucs<br />
kapital schlagen, sie wollte ihre schon gründlich in<br />
den Augen der Massen untergrabcne Autorität nun<br />
durch Anwendung der unbestreitbar aussichtsrcichen<br />
Methodik wieder aufrichtcii. Sie iibcriiahm die Forine,<br />
sie kleidctc sich in Gewänder mit neuen Symbolen,<br />
abei ihr G eist blieb w i e c r w a r : k l e i n lich,<br />
, schüchtern, der Lage nicht gewachsen und auch dem<br />
ganzen Tempo der Zeit und des Ringens nicht angepasst.<br />
Einen Plan hatten sie nicht, begriffen gar nicht<br />
seine Notwendigkeit und auch bei der A n w endung<br />
n euer Methoden wollten sie sie mi t a l tem u n wirl <br />
samen Zeug so durcheinandermischen, dass dadurch<br />
die Durchschlagskraft des Neuen unbedingt herabgesetzt.<br />
würde.<br />
Es wurde eine Kommission eingesetzt, die A l l es<br />
durchberaten sollte. Statt sofort den bereits vorgelegten<br />
Plan zu untersuchen, wollte sie sich erst in einigen<br />
T agen versammeln und A l les von v ornherein u n d<br />
nach ihren „Gesiclitspunken" neu aufbauen. Das war<br />
heller Unsinn und n i chtwiedergutzumachender Zeitverlust,<br />
Für die Mentalität dieser Leute war ein'Ausspruch<br />
eines ihrer „Führer" charakteristisch — er<br />
frug nämlich meinen Freund über mich: W a r u m i st<br />
«(d. h. ich) eigentlich so alctiv2 Will cr bei uns etwa
eine Anstellung haben)" Jede Hoffnung darauf, diese<br />
Elemente zu gewinnen, zu überzeugen, war vergebens,<br />
es gab nun nur noch eine Möglichkeit, zu versuchen,<br />
ihnen den Apparat durch eigene Alct vität, durch<br />
eigene aufs höchste gesteigerte Initiative zu entreisscn,<br />
Es war sehr schwer, es lcomplizierte die Lage,<br />
wir standen doch mitten im Kampfe gegen den mächtigen<br />
Gegner, und jetzt musste man auch noch den<br />
Kampf in den eigenen Reihen, gegen die eigene unfähige<br />
Führung führen, In b edrüclcter Gemütsverfassung<br />
ging ich nach Hessen zurüclc.<br />
Freilich, der wunderbare Kampf dort, das Brausen<br />
clcr erwachenden Vollcsscele liess balcl den Unwillen,<br />
die momcutanc Niedergeschlagenheit ob des Berliner<br />
Misscrfolgcs vcrschmcrzcn. Jetzt galt cs clcn Hcsscnkampf<br />
zu Ende zu führen und daraus die Ikonscctuenzcn<br />
zu ziehen. Wir lcümpftcn nun weiter und wir siegten.<br />
17. Der Einfingerplcn;<br />
Die ersten Tage nach dem Siege vergingen im Taumel.<br />
Aber schon wurde Alles bereitgestellt, um d e n<br />
nun auch in Hessen in sechs Wochen bevorstehenden<br />
neuen Reichstagswaldkamyf durchzufechten. Natürlich<br />
gang hier Alles nach den neuen Methoden und<br />
ohne sich viel um die sogenannte Tätigkeit" der Par<br />
tl<br />
tcuentrale in Berlin zu kümmern. D i ese verzapfte<br />
wieder Ungeschicldichkeit auf Ungeschiclciichlceit. Sie<br />
wollten nun auch den Symholkampf zentralisieren,<br />
die'Herstellung und Verbreitung der Abzeichen, Fahnen<br />
usw, in eigenen Händen haben. Dadurch wurde<br />
Alles weiter verzögert; in Hessen hatten wir bei etwa<br />
e ' 85
gpppp cingcschrichcncn l'artcimitglicdcrn in 2 XVo-.<br />
chcn über 50.000 Abzeichen verbreitet, das würde,<br />
auf das Reich übertragen, eine fertigzustellende Masse<br />
von mindestens 5 Millionen bedeuten. D i e Zentrale<br />
aber „aus Vorsicht" hatte kaum etwa 1 M i l lion bestellt;<br />
das hätte zudem zugleich an ehva zehn Stellen<br />
getan werden sollen, nein, sie wollten damit noch Geschäfte<br />
machen und gaben den Auftrag einer Firma<br />
auf — die l onnte es freilich nicht in kurzer Zeit bewältigen<br />
und der von allen Seiten nun kommenden<br />
Forderung nach Lieferung von D r eipfeileabzeichen<br />
. konnte nicht entsprochen werden, so dass einzelne Bezirke<br />
im l etzten Augenbliclcc die Fertigstellung auf<br />
eigene Faust betrieben. Das wiederholte sich mit Fahnen,<br />
Wimpeln und A l lem. D o b ci ü b crschüttctc die<br />
Zentrale in Berlin das ganze Land wiederum mit Papier<br />
— )lillioncn von. unbrauchbare», schwerfälligen,<br />
unwirksamen l"lugblättcrn wurden versandt, zu Tausenden<br />
sah ich sie in d«n Portcisckrctoriotcn noch den<br />
XVahlcn herumliegen — d enn d iese weigerten sich<br />
oft dieses oft direkt schädliche Zeug zu verbreiten,<br />
Alle Parteien arbeiteten mit Plakaten — nur die.unsere<br />
nicht — sie verschickte nun zum Teil Plakate,<br />
die von der Prcusscnwohl zurückgeblieben. waren l I<br />
Das einzig Positive war, dass jetzt endlich die Symbole<br />
offiziell anerkannt und frcigcgehen wurden und<br />
die Eiserne Front nun w i eder in den Symbolkampf<br />
eingriff, Dauernd und überall waren aber nun Ikon<br />
• flikte zwischen den Partei- und den Eisernen-Front<br />
O rganisationen an der Tagesoidnung, E s war k l a r ,<br />
man musste hierin Ordnung schaffen. Ich sprach auf<br />
g«ssen sogenannten „Zündungskonferenzen" in verschiedenen<br />
Städten Deutschlands, die wir von der<br />
. Eisernen Front aus veranstalteten, ich wollte es auch<br />
'.n Berlin tun, die Berliner Organisation hotte dozu
schon Alles vorbereitet, mein Vortrag wurde ober von<br />
der Porte. 'zentrale uerboten.<br />
In der eigentlichen Leitung der Eisernen Front sah<br />
man endlich ein, es konnte nicht weiter so gehen, man<br />
musste den Wcg finden, d i e effelctive Führung in<br />
unsere Hände zu bekommen. Da reifte der sogenannte<br />
Einfingerplon bei uns: wir m ussten Ilei der Parteiführung<br />
durchsctzcn, dass man uns den Auftrag üherliess<br />
I an vier Stellen im Reiche grosse Musteraufmär<br />
• •<br />
• sehe wie der von Darmstadt war, zu organmeren, zu<br />
welchen die Delegierten aus den benachbarten Krei •<br />
sen Icommen und sich die ganze Durchführung ans<br />
ehen sollten. Mit den Aufmärschen war aber freilich ' <br />
c ler ganze Symbollcampf mit allem Drum und D r an<br />
aufs engste verbunden. Wir sollten sozusagen nur<br />
ci»en l'inger uns sichern, wir würden clonn in ICürze<br />
mit höchst olctivcm Auftreten und einer Reihe v on<br />
1(niffcn clcn ganzen Agitationslcörper zu uns hcrübcrxi«h«n,<br />
i» unscrc llä»cle endlich hclcommcn. Dcsscn<br />
war ich siel>cr. Nacl> hartem l
Ich hatte damals die Bitte abgeschlagen, weil cs keinen<br />
Sinn hatte die Anweisung zu einem Plan zu geben,<br />
der an sich abgelehnt war.<br />
Der Parteivorstand beschloss nun di e B r oschüre,<br />
die jetzt von allen Seiten stürmisch verlangt wurde,<br />
einzustampfen, denn, begründete er lächerlicherweise,<br />
die Nazis könnten daraus was lernen. Nur mit grosser<br />
Blühe gelang es unserer Führung den Finstampfbefehl<br />
wieder rückgängig zu machen und die Broschüre<br />
unter crsclnverten Bedingungen zu verbreiten.<br />
18. Das Verluiltnis zu den I(ommunislen.<br />
Die Klärung des Verhältnisses zwischen der Sozialdemokratischcn<br />
und der Kommunistischen Partei in<br />
Deutschland wurde von Tag zu Tag dringender. In<br />
gewissen ICreisen um unseren Parteivorstand herum<br />
war ich als Bolschewist bezeichnet worden und das<br />
wurde auch im ICampf gegen mich von dieser Seite<br />
aus verwendet. Das war falsch. Freilich, wie ein jeder<br />
überzeugter Sozialist, war ich in meinen letzten Idealen<br />
Kommunist, ich hätte auch Alles geopfert, Alles<br />
eingesetzt, wenn di e l e iseste Aslöglichkeit bestehen<br />
'. würde diesen Traum der EIcnschhcit bald vcrwirlclichcn<br />
zu können, Aber als einem wisse»schaftlich geschult«n<br />
Mcnsclicn und realer» l'olitikcr w«r cs inir<br />
klai', dass iu AVcslcuropa diese hiüglichkcit zticltf bestand,<br />
oder vielmehr nur nach «incnz tol«lcu lusauamcubruch,<br />
nach «iucr unerhörten ICatastroplic, vielleicht<br />
eintreten 1cön»te, Und selbst in diesem Falle<br />
wäre cs noch lauge 1cL1u l(ollllllulllsnlus) der llllll zur<br />
. Iiealität würde, sondern nur der Anfang eines 'Weges,<br />
der vielleicht zum kommunismus führen würde. Die
ggrhed>lCu" ng dazu die Katastrophe, barg aber in sich<br />
g~qatc d' ic enorme c n Gefahr einer. völligcn Zerstörung<br />
~cdcr menschlichen Kultur. Damit war weder der Arbeiterschaft<br />
noch der Menschheit im'allgemeinen gedient.<br />
Dass sollte nicht kommen und war auch nicht<br />
nötig, Es gab eine Noglichlceit den Sieg des sozialisti-'<br />
' schen Gedankens schon in unserer Zeit herbeizufüh-.<br />
ren — denn wirtschaftlich war ja die Welt nun reif<br />
dazu — und zwar auf eine Weise, die ohne zu grosse ..<br />
Erschütterungen möglich.war. Das war i m G r u n de'<br />
g enommen derselbe „legale" Weg, den Hitler g i n g<br />
— cs war der Propagandakampf. Der Schlüssel zu<br />
diesem XVcg war die von mir schon'oben (im Kapitel<br />
10) angeführte Berechnung: 5.000 aktive und 55.000<br />
passive Menschen unter den Wählern.<br />
l reilich, in Bezug auf Russland war ich kein Feind<br />
der Politik der Sowjetregicrung: ihre Hauptmission<br />
erblickte ich vor .Allem darin, dass das durch das<br />
jahrhundertelange Verbrechen der Zarenregierung<br />
zurückgebliebene russische . Volk zum S o zialismus<br />
vorbcrcitct, erzogen werden musstc, denn es war klar<br />
dass ein Volk ohne Zeitbegriff, ohne organisatorische<br />
Gewohnheiten und O r dnungssinn k eine P l anwir tschaft<br />
führen, keinen sozialistischen Staat aufbauen<br />
könnte. In k u r zer F r ist k onnte vom V o lk e d i ese<br />
Schule bei in -Russland gegebener Konstellation nur<br />
auf die. Weise durchgegangen werden, wie es tatsäch-.<br />
lich dort geschah. Al)cr für Wcstcuropa wäre ein solcher<br />
Plan falsch gewesen. Zudem musslc ein jeder<br />
reale 1 Qlitik«r mit der Tatsache rechnen, dass im Westen<br />
seit Jahrzehnten bestehende, organisatorisch vcrfcstigtc<br />
sozialdcmokratischc Parteien czisticrtcn, und<br />
die Ä'crwirklichung des sozialistischen Ideals, der<br />
Kamp!' für den Arbciterstaat nur durch sie, nur mit<br />
ihren Kräften durchzuführen war. . D as. Ziel i h r er,<br />
89'
ge"s förung und Neu«ufsaugung durch kommunistis<br />
. chec Parteien ovar ein gefährlicher AVahnsinnstraum,<br />
. dessen Verwirklichung nur dem 1"aschismus zugute<br />
kommen könntc. Di e T a t sache des ' Bestehens in<br />
Deutschland grosser kommunistisch wählender blassen<br />
sollte Niemanden täuschen,. Das war ein Resultat<br />
vornehmlich der Inaktivitat der sozialdemokratischen<br />
pührer — jetzt wo ich näher mit diesen in Berührung<br />
. 1cam, war es mir ganz einleuchtend — waren doch die<br />
1communistiscllen Parteien i n d e n j enigcn L ändern,<br />
wo die Sozialdemokratie aktiver war, wi e i n S k andinavien,<br />
ganz unbedeutend.<br />
Die Teoric, dass in Deutschland die V«relendung<br />
die ihiassen zu den ICommunistcn trieb, war nicht stich- .<br />
haltig, denn zugleich liefen die blassen in noch höheren<br />
Scharen auch zu ihrem ausgesprochenen l eind,<br />
, zu'Ilillcr. Aussclllaggchcnd war im letzten Glundc die .<br />
psycllischc Bccinllussu»g, die Plopaganda. Irrig war<br />
auch die kommunistisch«. Taktik, di«dllllin zi«lte, die<br />
Masse» Il»reh w i r tschaf tliclle» Ikl«i»kanlpf, d u l'ch<br />
Streiks zunl K l l lssc»bcwllsstscl» zll cl ' / I c llc» ll » ll i »<br />
'ihnen den revolutionären Geist auf diese XVcisc zu<br />
: züchtefl. Das war gut in den neunziger Jahren des<br />
vorigcn Jahrhunderts und vielleicht noch vor dem<br />
Kriege. Jetzt, mit der enorm vorgeschrittenen Technik,'<br />
mit Anhäufung von ungeheueren hIitteln in den Eiänäen<br />
der Machthaber, mit Durchdringen organisatorischer<br />
Kenntnisse und rationeller Arbeitsweisen, bei<br />
steigender Arbeitslosigkeit und Bestehen gut organisierter<br />
bürgerlicher, uns feindlicher sä f t e — w a r<br />
' diese Taktik v o l l k ommen v e rj ährt. D i e ld e i nen<br />
Streiks erzogen unter diesen Umständen die Nassen<br />
nicht, im Gegenteil sie demoralisiertcn sie. Wirksam<br />
nul' dcl' politisch«. Gcn«ralstrcik s«in können,<br />
; aber auch nicht allein an sich, sondern nur in V er<br />
90
indung nut<br />
't ~I<br />
g etc<br />
' l zeitigemAngriff<br />
>zei i<br />
auf allepolitischen<br />
51nchtpositionen l t t' un und Mi tt el der Gegner, das heisst mit<br />
Bevolulion.<br />
Aber cs gab noch ausgezeichnete hlittei, w e l che<br />
auch die I(ommunisten vernachlässigten — das warder<br />
Ikampf mit geistigen Waffen, die Propaganda. Es<br />
war mir gar nicht sc)dover festzustellen, wie unbeholfen<br />
und unsicher auch sie diese Waffen gebrauchten, ihre<br />
Propaganda war.zwar heftiger, agressiver, aber auch<br />
sie verfuhren recht prhnitiv, auch sie hatten keinen<br />
eigentlichen Plan, keine durchdachte Pührung, I~'reilich<br />
das Prinzip der sozialdemokratischen Propagan-.<br />
da mit Hewcisgründcn zu operieren und warten bis<br />
die absolute 51ehrzahl des Volkes, von ihrer Wahrbeil<br />
überzeugt und ihrer Tüchtigkeit lkredit spendcnd,<br />
sie mit der 1
Groll gegen diese Tatsache, die Bereitschaft zum Zu- .<br />
sammengehen war überall vorhanden und der gesunde<br />
Instinkt der Massen verlangte cs immer stärker, je<br />
weiter sich die Lage verfinsterte. Aber die zünftigen<br />
Politiker und ihre ganze Presse hielten dieses Bestreben<br />
im Schach, dauernd schürten sie das Feuer der<br />
Unverständnis und des Gegensatzes. W o mi t d enn't<br />
Nun, wiederum mit Propagandamitteln, — sie führten<br />
beiderseits Schimpfworte im Munde, sie waren intolerant,<br />
aus jeder Mücke machten sie einen Elcfantcn,<br />
mit einer unerhörten Hartnäckigkeit hetzten sie die .<br />
Anhänger beider Arbeitcrparteicn auf einander auf.<br />
Ihre sonst vcrmisstc Aktivität licss in dicscr unheilv<br />
ollen Hichtung nichts zu wü»schcn übrig. Dic Aus- :<br />
drücke wie das einerseits gchrauchtc Wort „ Sozialfaschistcu"<br />
und andererseits „Nazi und Ikozi w i r lctcn<br />
immer wie rotes Tuch aul' den Stier.<br />
Ilicr war der erste Schritt zu tun — man sollte endlich<br />
mal das Geschimpfe aus der Welt schaffen. Auf<br />
e inem kommunistischen Antifakongress trat ich mi t<br />
diesem Gedanken auf. Ich schlug konkret I'olgcndcs<br />
vor; man sollte während des I(ampfes gegen den gemeinsamen<br />
Feind beiderseits unter den Arbeiterpar<br />
. teien das gegenseitige Verunglimpfen u~d Beschelten<br />
• .bewusst unterlassen, auf einzelne Ausfalle nicht reagieren,<br />
ich schlug vor, dass beide Parteien einen Wettlauf<br />
in Aktivität gegenüber dem Feind veranstalten<br />
und den Arbcitcrmassen selbst überlassen sollten, für<br />
wen sie dann stimmen wollten — es war ja klar, dass<br />
diese vornehmlich für di e Pa rtei eintreten würden,<br />
. die den Kampf am erfolgreichsten und aktivsten füh<br />
' ren würde. Es wäre ein Stimulans für beide Parteien<br />
gewesen, und der Erfolg eines solchen Wettlaufes<br />
würde nur der Arbeiterbewegung zugute kommen,<br />
Dasselbe predigte ich auch in unseren Kreisen. Die<br />
92
Arbeiter und mancher aktiver Fuhrcr waren mit mir<br />
darin vollko~ c n e ins, die Oberführer,aber beider-.<br />
seits standen in Abwehrhaltung und lceiner + ollte den<br />
ersten Schritt tun, Umso sinnloser, umso verbiecherischer<br />
war diese Haltung der Führer als in den AIassen<br />
pralctische Anläufe zu einer Versöhnung spontan zum<br />
Durchbruch kamen: die Arbeiter, die unser Dreipfeile-.<br />
abzcichen und andere, die das Antifazeichen trugen,<br />
grüsstcn sich schon manchmal gegenseitig, während<br />
u»scrcr Aufmärsche standen auch Ikommunisten auf<br />
den Hürgcrsticgcn und grüsstcn unsere vorbeimarschicrcndcn<br />
I(olouncn mit durcliaus nicht feindseligen<br />
H ufen, ja an vcrschicdcncn Orten reilitcn si e s i ch<br />
schon i» unsere Züge ein. Allcr
ingcnden Versuchen hincin,'die Verbreitung ihrer<br />
. meist unwirl~samen und alles überflutendcn Papicrprodul;te<br />
belegte mit unnötiger Arbeit viele, I(räfte,<br />
die eine bessere Arbeit zu leisten hätten, von der Anwendung<br />
der crwiesencrmassen höchst w i rlcsamcn;<br />
auch billigen und daher in Millionen herzustellenden<br />
IQebezetteln hatten sie plötzlich Abstand genommen, '<br />
so dass wir lolcal diese Massnahme auf eigene I aust<br />
durchführten, wofür allerdings uns' das eigene Geld<br />
.i<br />
J<br />
jgfg+Qb: p st'<br />
meist fehlte, Au f S c hritt u n d T r i t t w a ren i n n ere<br />
Schwieriglceiten, Iiindcrnisse, IIemmungen zu ü b erwinden.<br />
Freilich, auch jetzt noch hahen die wunderbaren<br />
deutschen Arbeitermassen die Scharte ausgewctzt, sie<br />
verstanden viele Fehler der F ü h rung durch i h r en<br />
Elan zunichte zu machen, wuchtige Arbeiterdemonstrationen<br />
licsscn die deutschen Städte durch d en<br />
c iserncn Tritt i h rer M assen erdröhncn, d u rch d i e<br />
': . unendlichen Freiheitsrufe erzittern. W i r a r b eiteten
mit Hochdruck, man eilte, man flog aus einer Stadt in<br />
die andere, man zündete die Massen, jetzt war alles<br />
mit unseren Symbolen bedeckt, das Dreipfeilzeichen<br />
zuckte und blitzte überall auf, in Aufmärschen trug<br />
man es in den verschiedensten Formen, jetzt spielte<br />
die Phantasie der V eranstalter von A u f zügen von<br />
selbst, tausendfache Formen des Ikampfes unter dem<br />
neuen Zeichen wurden erfunden, es brodelte und<br />
kochte wie in einem Ikesscl. Drei enorme Pfeile, aus<br />
clcktrischcn GlC(l(birnen zusamIIlcllgcßtcllt, g l ü htcn<br />
zum Beispiel in (ler Nacht von den Wänden der Gcwcrkschaftshäuser,<br />
ganze Strasscnzügc prangten in<br />
rotcnl l'laggcnschmuck mit dem Drcipfcilsymbol, ausgcstanztc<br />
Papicrkonfettis in I ' orm von (lrci P f eilen<br />
lagen ill (Ion Strassl n überall Iler(lma Iu ( 1cr erst( n<br />
Woche (las Jt(li lingcn die Ilakcukrcuzabzeichen auf<br />
den Röcl(cn (lcr llitleranhängcr iu dau Strassen der<br />
grossen Städte zu verschwinden an, an den Tagen unserer<br />
Aulmärschc waren gar lceinc Hakenkreuze<br />
mehr im I(nopf loch, auch 1ccinc braunen Jacken mehr<br />
z u sehen, die Helden vcrlcrochcn sich hunmchr, I n<br />
Berlin z. B. wurden einzelne SA-Leute von den Massen<br />
in Höfe gedrängt, ihnen die braunen Hosen ausgezogen<br />
und sie in diesem Zustand auf der Strasse laufen<br />
gelassen, in Frankfurt am Main mussten die SAhiänner<br />
auf Autos von der Polizei heimgebracht werden..<br />
Die Welle stieg, sie stieg trotz Allem, wunderbar,<br />
unaufhaltsam, wie eine Flut...<br />
Gegen ilIitte Juli war es mir Idar geworden — die<br />
Nazis waren überall in die Defensive gedrängt wor- '<br />
den — die Initiative des Angriffs war überall in unsere<br />
Hände, in die der Eiserneh Front, übergegangen,<br />
So lautete ein Geheimdokument, von Goebbels unterzeichnet,<br />
und an alle nationalsozialistischen Gaue und .<br />
. Propagandaleiter im Reiche gerichtet: „... Es muss
unseren Prcssc- und Propagandaleitern in icürzcstcr<br />
Frist gelingen, die Partei aus der Dcfcnsivc herauszuführen<br />
und qffensiv gegen die marxistischen Parteien<br />
und gegen das Zentrum in di e Pront zu bringen".<br />
Ich greife aus meiner I(artei nur einen Zeitungsbericht.<br />
aus Mittelbaden um die Zeit heraus. Es lautet<br />
darin Folgendes:<br />
„... Alle diese Iiundgebungcn waren von einem in<br />
unserer Partei lange Zeit uni)clcanntcn Elan gell agcn.<br />
Es gibt arbeitslose Genossen, die ohne einen Pfennig<br />
Zchrgeld in der Tasche stundenlange An- und Abmärsche<br />
zurücldegen, um .unseren Demonstrationen' den<br />
. crforderlichcn Nachhall zu sichern. Überall 1
Iiopf rot umrandet' R o tmorrl will 20 000 hlenschcn<br />
in I'lammen umkommen lassenl" Aha, jetzt sprachen<br />
die berüchtigten „Helden" endlich eine andereSprache,<br />
jetzt trieben sie die „negative Einschüchtcrungspropaganda",<br />
jetzt gingen ihnen die Nerven. durch,<br />
jetzt heklagtcn sie sich über uns bei der Bevölkerung,<br />
stellten uns als die Mächtigeren heraus. Wohlauf I Das<br />
C413rr annnan A pß.l<br />
Rlrbcrn erhol@II<br />
• • » • 11 • • 1 • IM I H M »M<br />
Ml H l » M M H M »H » H M<br />
0»r»»»lgkn I a m »~ H M l I »H<br />
D l WlrrlQ<br />
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• 1 • H • • • 1 •<br />
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Saß bcrrif4c Sbcrrhbla)f Irr Qcu(irr<br />
aarrleUalnrsaalra + ~ „ r ', r + a Crl r r r lrrrlrcanl<br />
l slra rrr Qrrrrlarr • r w I • I I<br />
• 1 • 1 • M l • l • 11 • • II I I I I , • • l<br />
• • • 1 • I • • • I »l» • IIII • • • • IL<br />
M HM • • A 11 • 1 • I<br />
• I I I I I I I • H I I I I I<br />
34)NN'5 rnrg 26000 %CNf@CN<br />
in gfemeCa uefaeeCa taNCtrr.<br />
war ein ausgezeichnetes Symptom der b e ginnenden<br />
Verwirrung, worauf ich gewartct, Jetzt galt cs aber<br />
weiter, weiter schlagen, 'dem Feind nicht eine Sekunde<br />
Zeit zur Besinnung gehenl<br />
Es fiel mir in den Strassen Berlins ein Naziflugblatt<br />
in die iiände: oben in grosser Aufmachung standen die<br />
d rei Pfeile und das Wort „ I "rciheitl" — S o , j e t z t<br />
musstcn sie gar mit unseren Begriffen, mit unseren<br />
Symbol«n op«riercnl Alle ilrrc Blätter, Zcilungcn,<br />
W itzblätter' waren jetzt voll von A n griffen auf d i e<br />
„Drei I'f«ilc", sie wrrn(lcrr sich nun dauernd wie ein<br />
getroffener Wurm unter ihren Schlägen, sie versuchlcn<br />
jclzl mit allen Mitteln (las nun sieghaft vordringe@de<br />
Symbol nicderzukämpfc». Es liattc ihnen<br />
angclanl<br />
Weitere Symptome tauchten auf: in Mannheim z. B.<br />
- 97'
infrn gs olms nnl nnrnan bsmn 4)c gonen fbr 6nrcbcr norn 6difsbc ba '<br />
6nlib, 'dlinmß nnl 6ncicrL c)lc grnbnl fbl clc 'lfalbcnlcr 0cl 'Q ifel,<br />
lu grnbdr,crs mn nr )4 g'brcn rnmcn ldnnr babrn. Cln gmibcn, ln nnl<br />
garns mnb bar Omnlm~f bar 6+D. 'Drmm nnl Osncnnl bcfibrin<br />
gams nan tri, lll fc)na gs mn ioclcnm4llrclrnb unliirllcn gaben n< nlnc<br />
i • gabi«bis ornliinncrr g libltcir G %ltttloncn Cgrrlcrbbtofl.<br />
gflgtioncn ocrnlcfifllcr igniftcngcn, ein acrdcnbcfrß %otf ftub<br />
blc Opfer b!cfcr 'Bcglcrungßfunff.<br />
Qffgbee QtfNt f<br />
sticss ich am 17 Juli auf ein grosses Plakat der Nazis,<br />
vollkommen in defcnsiven Tönen gehalten, jetzt waren<br />
sie nicht mehr (lic sicgcsbcwusstcn,
Selbst der V on v ä r ts" t r u g j e t z t e n d l ich die<br />
Drcipieilc auf seiner ICopfseite und überschrieb bombastisch<br />
eine Nachricht: „PPir greifen ani" Allerdings<br />
daneben stand mit grossen Lettern eine andere Nachricht:<br />
„Das Demonstrationsverbotl" mit dem darunter<br />
s eine wirkliche Psychologie verratenden Untertite i n<br />
I'orm einer Frage: „Auf Umwegen zur Vernunftg"<br />
Das Unerhörte, Unerklärliche war nämlich, d a ss<br />
die führenden SPD-Kreise dauernd in einer eigenartigen<br />
Angst, panikartigen Stimmung ob der entfaohten<br />
Volksbewegung lebten, sie konnten immer >poch<br />
nicht den Sinn des sich vor ihren-Augen abrollenden<br />
Geschehens bcgrcifcn, sie hatten eben Iccincn Ikontakt<br />
mit den Massen und waren verblüfft, dass nun<br />
das verbasste und gefürchtete Nazimittcl — P r opaga»da<br />
durch Uniform und Demonstration — plötzlich<br />
sich gegen die Nazis selbst wcndctc, dass cs zu unserem<br />
eigenen Trumpf wurde. Denn nun fingen die<br />
Nazis selbst Ißindcnburg und Papen mit hysterischen<br />
Telegrammen und Forderungen zu bestürmen an;<br />
, „Demonstra tionsvcrbot, sofort und um j e den Preis l"<br />
Unser gewaltiger Vormarsch musste um jeden Preis<br />
zum Stillstand gebracht werden. Die braunen Helden<br />
hatten plötzlich den Mut verloren. Sie hatten sich verrechnet,<br />
sie glaubten darin ein Monopol zu besitzen.<br />
Aber das Unerhörte geschah nun: unsere eigenen<br />
Führerkrcise stimmten jetzt mit den Nazis übereinauch<br />
sie verlangtcn dasselbe. Ab.18 Juli nahm der<br />
preussische Staatsrat mit d«i> Stimmen des Zentrums<br />
naß der So ialdcmol'rgIie einen Antrag an, worin<br />
cs bicss: „Der Staatsrat hält cs i nsbesondere für<br />
dringend notwendig, dass über die inzwischen verordnete<br />
13cschränkung der D cmoustrationsfrcihcit<br />
hinaus das Uniformverbot wieder eingeführt ... wird".<br />
Am 17 Juli hatte gar der SPD-Vorstand in einem Tele
gr)unm, unterschrieben von W els un d 13rcitschcid,<br />
iiindcnburg um das Dcmoustrationsvcrbot angcf loht l I<br />
Zwei Tage vordem war es mir Idar — wi r h a tten<br />
' mit zwei hlomenten zu rechnen;.erstens, die Nazileitung<br />
war effektiv in die Defensive gedrängt, zweitens,<br />
verharrten die SPD-l'iHirer in einer Angstpsychose.<br />
L~ Erkenntnis dieser Tatsachen waren zwei<br />
Schritte sofort zu unternelunen: die uns gimstige Tatsache,<br />
dass wir i m s i c ghaftcn Vordringen w aren,<br />
musstc überall bekannt gemacht wcrdcn, sie solltc<br />
maximal agitatorisch ausgenutzt werden — die ganze<br />
auswärtige Presse musstc schleunigst die Tatsachen,<br />
die Dokumente, die Erl.-lärungcn' dazu in die Hünde<br />
kriegen, und sie in die weite Welt tragen — ein. psychologisch<br />
sich enorm auswirkcndcr Schlag sollte nun<br />
gegen die Ilitlcrbcwcgung geführt werden, zugleich<br />
sollte unser Angriffstcmpo wcitcr gcstcigcrt werden<br />
— die Aufmärsche noch intensiver, noch kämpferischer<br />
werden, wir näherten uns mit Riesenschritten<br />
dem Höhepunkt — immer mehr drüngtc sich mir jetzt<br />
der Gedanke auf, dass wir w omöglich die W ahlen<br />
. nicht mehr nötig haben werden, dass die Entscheidung<br />
noch früher fallen könnte. A m 1 8 Zuli sollte unser<br />
grosser Presseempfang stattfinden, ich bereitete Alles<br />
dazu vor, eine ganze Ausstellung von Bildern unserer<br />
Aufmärsche, unserer ganzen Symbolik, die typischsten<br />
I"ormen aus der Hitlerschcn und uuscrcr neuen Propaganda<br />
waren systcinatiscli geordnet, dokuinc»tarischc<br />
Beweise, dass kIitler von uns in die Defensive gedrängt<br />
war, waren zusammcngcbraclit. An> 17 inusstc ich<br />
dem Aufmarsch in Eiagdchurg beiwohnen, eilte<br />
dorthin und nalun daran organisatorisch t«il, am 18<br />
war ich morgens in AIauuhcim, um den grosscri<br />
I'ackelzug dort vorzubercitcn, Nn selben Abend sollte<br />
nun in Berlin der schicksalschwcre Presseschachzug<br />
l00
gegen Ilitler erfolgen. Ich flog nach Berlin..Als >cl»n<br />
Tcmyclhof aus der Maschine stieg, erfuhr ich von dem<br />
ehen erfolgten Demonstrationsverbot.<br />
Das war ein enormer Schlag gegen uns — cr Icam<br />
den Nazis zugute, Es ovar aber keine Zeit zu verlieren<br />
— der Presseschlag sollte doch erfolgen. Auf unserem<br />
Büro traf ich die Menschen in voller Bestürzung — die<br />
Leitung war niedergeschlagen und wollte nun nichts<br />
mehr auch mit der Presse unternehmen. Nichts half,<br />
man drohtc mir im F alle cincr eigenmächtig unternommenen<br />
Aktion in der Presse. Ich musste es einsehen<br />
— man koootc clicscr nun nicht den Einblick in<br />
unsere eigenen Verhältnissc gchcn — jede Alction war<br />
unter diesen Umstündcn a ussichtslos. Zähoclcnirschcod<br />
rousste ich mich fügco. Es war lclar: Alles war<br />
verloren.<br />
20: Der 20 Juli — Die ilfarnescltlacht der Bonzen.<br />
Und doch war noch immer nicht A l les verloren:<br />
noch immer zeigte das Schiclcsal und der wunderbare<br />
Instinlct der Arbeiterschaft einen Schluyfweg, noch<br />
immer war die Möglichkeit zum Handeln da. Das Demonstrationsverbot<br />
traf uns urierhört hart — die Nazis<br />
atmeten auf, wieder fingen ihre Blätter an, den<br />
M und ivcit aufzurcissen und un s anzulclüffen: s i e<br />
Icooolco sich die io Umzüuouogco auf 14cooplützco<br />
usw. erlaubten Demonstrationen ganz gu t l e i sten,<br />
, cleoo clas Geld zoon Mieten dieser tcucrcn I lütze das<br />
hatten sie von ihren Geldgcbero — clco Baronen ui>d<br />
der Industrie. Nur die Arbeite?schaft Icoootc es sich<br />
nicht leisten,<br />
Ich traf sofort die Gcgenmassnahme: wir mussten<br />
das Verbot, auf der Strasse unseren Ifamyfeswillen zu .
"eigen, zu umgehen wissen, lind so bclcanlcn unsere<br />
Leute sofort die V,'cisung — jetzt ständig die sog«nannten<br />
vcrzcttelten Demonstrationen, dcn~S m bolbummel,<br />
durclizufühven: in den Fiuuptstvussen f~ulrcn<br />
massönhaft unsere Hadfuhrer mi t d e n D v eipfeilew<br />
impcln herum, i h nen e n tgegen gingen au f d e n<br />
Bürgcrstiegen unsere L eute mi t de m Dre i p f eileabzeichcn,<br />
sie spazierten vereinzelt oder 'zu zweien,<br />
sie grülssten laut sich gcgcnseitig und die Hadfahrcr<br />
mit d«m Frcihcitsgvuss. Die Menschen in den Strassen<br />
sahen, dass wir du waren und uns nicllt unterkriegen<br />
llcsscn.<br />
Die Stimmung war noch immer und trotz allem da,<br />
die XV«llcn .bvan
. S crhluss oss sströmten r o die Massen in di e S trassen unter<br />
fortdauernden Freiheitsrufcn und zum Teil auc i mit<br />
liässlichcn Hufen „Hitler-Judasl" und „Hitler verreclcel",<br />
die ilmcn ein slcrupclloscr Redner aus dem Par<br />
tcivorstande in. seiner Rede viele linie einpaulcte und<br />
sie zum Wiederholen reizte. Die Erregung, die sich<br />
, der Massen bemächtigte, war so enorm, dass man lciar<br />
'sah, es schäumt in Berlin über, noch ein Paar solche<br />
Tngc und Berlin steht im Glühen, die Revolution'ist<br />
dn. In mir bohrte dauernd der Gcdnnlcc — „Pnpen<br />
wird, Pnpcn muss eingreifen, sonst ist er verloren,"<br />
Popen hat noch in derselben Nacht von Hindenburg<br />
die Vollmacht zum Schlussmnchcn, zu seinem Staats- .<br />
streich in Prcussen crwirlct.<br />
Am nächsten Morgen wnr der Rubilcon überschritten.<br />
In unserem Büro war um 9~/„Alarm: es traf die<br />
Nachricht ein, Severing und Grzcsinsky wnren verhaftet.<br />
Jetzt musste die Aktion gegen uns und die Partei<br />
sofort einsetzen. Wenn Papen es ernst meinte, dann<br />
mussten alle.unseren, zentralen Apparate in einer halben<br />
Stunde besetzt, verhaftet, ausser Alctionsfähiglccit<br />
gebracht werden, Die Uhr des revolutionären Handelns<br />
von beiden. Seiten hatte nunmehr zwölf geschla<br />
'gen. Die Entscheidung stand auf der Messerschncide.<br />
In der Lindenstrasse 8 versammelte sich der Parteivorstand,<br />
die Gcwerlcschaftsführer, unsere Führung.<br />
I m letzten Augenbliclce sprach ich m i t d i eser, i c h<br />
sagte: „Jetzt oder nicinnlsl Nchmcn Si« v ier unserer<br />
bewaffneten Leute, treten Sie vor die versammelten<br />
Bonzen und stcllcn Sic ihnen clns Ultimatum: es wird<br />
nicl>t mehr diskutiert, das Handeln wird jetzt unserer<br />
Wchrorganisation übertragen, Stemmen die sich da- .<br />
gegen so erlciären Sie sie in Schutzhaft und handeln<br />
Sie selber — schleunigst heraus aus dem in Belage- .<br />
rungszustand erlciärten Berlin, M obilmachungsordre<br />
108
aus einer anderen Stadt an unser ganzes Netz und Ul<br />
' timatum an l'apen: sofort Alles rurücknehmcnl"<br />
Und nun geschah das Unerwartete, ein letzter Wink<br />
des Schicksals: Papcn zögcrtc, Popen hatte Angster<br />
hatte gedroht, aber er unternahm nichts — volle<br />
sieben Stunden liess. er verstreichen. In einer halben<br />
Stunde erfuhr man, dass die erste Nachricht unwahr<br />
war, weder Severing noch Grzesinsky hatten was erlitten,<br />
sie waren unbehelligt auf i h ren Posten, Nie<br />
. mand kam zu uns, Nicmaud umzingelte das Gebäude,<br />
'wo die' Vertreter unscrcr Spitzcnorganisationcn über<br />
die Lage. berieten. Es war klar: Papen zögerte, Papcn<br />
hatte Angst, Angst vor uns, vor L i ndenstrassc B, cr<br />
wartctc: was sagL' nun die mächtige Partci2 War cs<br />
nicht doch zu gefährlich den crstcn Schlag zu führer><br />
und damit den SLcin ins Rollen zu bringcn2 Er war<br />
' tctc, cr war tctc gg1l~e äicben 8ltujdeij.<br />
Die „I'ührcr" der mächtigen Part«i aber sassen und<br />
sassen, ricLcn und bcrictcn,' und gegen 3 Uhr Nach-'<br />
niitiags war die klassischc Antwort da: „Ruhe, Disziplin,<br />
lasst euch nichL provozieren, wir antworten vernichtend<br />
am Bi Juli ... mit dem Stimmzette t"<br />
Die Würfel waren gefallen. Ganz Berlin lachte, die<br />
Arbeiter ballten die Fäuste zusammen, Tränen standen<br />
Vielen in den Augen, Papen hatte keine Angst<br />
mehr. Papcn handelte j etzt; ein Rcichswchroffizicr<br />
und zwei Soldaten kamen zu dem Ilei'rn Polizciministcr<br />
Mitglied cipcr mächtigen rcvolutionärcu Partei,<br />
die Eiillionen von Anhängern, die eine eigene Wehr<br />
: -macht hatte, und dem zugleich noch eine ausgezeichnet .<br />
ausgerüstete, disziplinierte Polizeimacht, mit Maschi- .<br />
nengewehren, Maschinenpistolen, Panzerautos usw.<br />
unterstand. Sic kamen und sagten kurz und bündig;<br />
„Wegl" Und der Il crr Polizeiministcr, Mitglied usw.<br />
usw., deklamierte pathetisch „ich weiche der Gewalt"<br />
104
und .. . e n t f ernte s ich l n sei n e Pri v a twohnung<br />
nchcnan. So am 20 Juli 1932, 5 Uhr Nachmittags in<br />
der Reichshauptstadt Berlin geschehen. Die offiziell<br />
registrierte Stunde des Ablehens der"deutschen'Soziald<br />
emokratie, der s t olzen P artei B ebels un d L i e h <br />
lcnechts, der genialen Schöpfung Lassalles.<br />
21. De r llalbe Sieg.<br />
Nun war jede Iloffnung darauf, dass man dem<br />
. Schiclcsal entrinnen lcönnte, verloren: D e u tschland<br />
war nicht mehr zu retten, jede Möglichkeit clcn I(ampf<br />
olu)c gvossc Opfer, cluvch reines Propan>ailclafcchtcn'<br />
fühvcn zu lcönncn, war endgültig cvlcdigt. Was jetzt<br />
unausl)1«il)lieh lcomm«n musstc — (las war der l3flrgcvkl<br />
i«g mit allen scincn I(onscclucnzcn. Würden jetzt<br />
gungcn zu setzen, vicllcicht wärdc die jahrzehntelang<br />
'in den Arbcitcrorganisationcn angehüufte und systcmatisiertc<br />
Encrgic nun mit clemcntarcr Gewalt durchbrechen<br />
und die entfesselten ICrüfte, wie schon so oft<br />
in der Geschichte, den richtigen weg, wenn auch<br />
durch Opfer besät, finden.<br />
Das was jetzt nach dem 20 Juli Qberall zu sehen<br />
war, war, wenn auch erklärlich un d l ogischen 'Gesetzen<br />
folgend, so doch im höchsten Grade bcträblich:<br />
eine enorme Depression', eine bis ins IClcinstc sich<br />
.kundtucndc Nicdcrgeschlagcnheit,. Alles schien wie<br />
' gclühmt und diese Lähmung, gerade in den fQhrenden<br />
ICreiscn, Qbte cinc zcrsetzendc Wirkung auf die im<br />
Lande noch wogcnde Erregung unter den Arbcitcrmasscn.<br />
Statt nun umsoinchr den ICanipfcswillc» der<br />
blassen weiter zu schüren, statt sofort zur Organisation<br />
des reellen ausserparlamentarischcn ICampfes zu<br />
schreiten und dem Volke den 13cgriff der nun unvermeidlichen<br />
opfervollcn, aber auch sicgcsgewissen Revolution<br />
nahezubringen, zappelten die „FQhrer" und<br />
ihre Prcssc hilflos und mit 1üchcrlichcn Gebärden und<br />
stammelten zum hundertstcn fiale die alten abgedroschenen<br />
und von N i emandem mehr e r nst genommenen<br />
Formeln — „Nun erst rechti" (eigentlich was<br />
denn erst recht7), „Auf un d d urchl", „ Ran an d en<br />
Feind l" und dgl.<br />
Die Depression äusserte sich so stark, dass man ihre<br />
Auswirkungen sofort selbst psycho-physiologisch fcststcllen<br />
konnte; so war die Zahl der in den Strassen<br />
mit dem Preiheitsruf sich Grüssenden sofort gesunken,<br />
auch wurde der Gruss selbst oft nicht mehr energisch<br />
ausgestreckt, herausfordernd getan, sondern<br />
schlapp, 1caum zur Schulter rcichcnd, wie der kommunistische<br />
Botfrontgruss. Die Zahl der D r eipfeilcabzeichen<br />
im Knopfloch war im Schwinden begriffen.
Dic Dcmonstratio»cn, di e nu n i n U m z i iunungcn<br />
durchgeführt wcrclcn Iconntcn, waren nur noch ein<br />
schwacher Abklatsch clcr noch vor K u r zem überall<br />
aufbrausendcn Erregung, zudem hatten sie jeden Sinn<br />
verloren, denn die passiven und zu beeinflussenden<br />
grossen Massen auf den Strassen bekamen sie nicht .<br />
zu Gesicht.<br />
In allen Zentralorganisationen war volle Zerfahrenheit<br />
und Panikstimmung, Alles brachte nun seine Sachen<br />
in Gewahrsam, Vieles wurde im Angesicht der<br />
bestehenden Dilctatur aufgelöst, ma n b e r iet l c eine<br />
Plane, sondern wechselte nur gegenseitig Nachrichten, .<br />
Meinungen und Vermutungen aus. Das Lieblingsthema<br />
überall war jetzt: „Das Zentrum Ifcsst sich das<br />
cloch nicht g e f allen l" N i c h t a u f . cl i « A rb e i ters<br />
chaft, nicht au f e i g ene ICraft h a ute m a n s e i n e<br />
Iloffnungcn, aber auf clie Pfaffen! Ich 'erinnerte mich<br />
— cs war genau clas Bild der Verwirrung in den menschcwistischen<br />
ICrcisen Russlands in clcn Tagen vor<br />
und wahrcncl der Olctohcrrcvolutiou. So war also clic<br />
Scclcnvcrwandtsclraft t r ot z a n d erer I Constcllatiou,'<br />
Vollcscharakters, Macht der unter ihrer L eitung stehenden<br />
Massen, trotz anders gearteten Gegners und<br />
trotz des Allen belcannten historischen Beispiels der<br />
russischen Revolution — bis aufs Haar gediehen. Jetzt<br />
war es mir ganz lciar; alles war verloren,<br />
Und doch waren. die Vagen der grossen Juli- '<br />
. Zrrcgung im Vollce, die Folgen der durch den Symhollcampf<br />
entfesselten Bewegung, immer n i ch t zum<br />
Stillstand gelcommen — sie braudetcn und grolltentrotz<br />
allen Flotfnungen FIitlers und Papens wurde der<br />
31 Ju' uli nicht zu ihrem Sieg. Ich hatte in meinen Fländen<br />
wührcnd des Juni-Juli-ICampfcs interessante Zahlen:<br />
es waren Angaben aus den führenden Feindeskreisen,-die<br />
mir unsere Agenten zustellten, Mit 54 %<br />
107
erechnete die Ilitlcrlcitung i hr e I commcnclc Stimmcnznhl<br />
zunächst, nls sie von Papcn die Auflösung<br />
des Bcichstqgs und das Ausschreiben ncucr Wahlc»<br />
: erwirlcte; das ovar zu Anfing der zweiten Junihalfte.<br />
Und dann fielen diese von den Gegnern selbst errech<br />
'neten Zahlen im Laufe der Kampagne dauernd und<br />
immer rascher: zunächst auf 51, dann 47, dann 44,.<br />
und um die Mitte Juli waren sie bereits auf 87 angelnngt.<br />
Das war ein ausgezeichnetes Symptom ihrer<br />
Depression uriter der E i nwirkung des Erfolges un- '.<br />
serer Kampfcsmittel. Nnch dem 20 Juli wusste ich, die<br />
Zahl wird wieder in clic Iiölic schncllcn. Und so knm<br />
.cs; sie lcricgtcn zusammen mit ihren Vcrbü»clctc», clc»<br />
Deutsch-Nationalen, 44 o/o, nllcrclings nur 44l I I i i l cr<br />
' war abermals gcschlngcn, abermnls war sei» Traum .<br />
zunichte gcworclcn. Und clns trotzdem cr im l e tzte»<br />
Augenbliclce noch den Schlag Papens gegen uns crwirlcte.<br />
Es hatte sich aber gczcigt, dass cs doch.zu<br />
spät war —. die von uns erzeugtc Erregung war zu tief<br />
ins Volk gedrungen, zu hoch gingen die Wellen, dass<br />
. sie in 10 Tagep vollkommen picclergcschlagen werden<br />
lcönnten,<br />
Aber der Geschlagene war nicht nur H i tler: auch<br />
unsere Bonzen erlitten eine Niederlage, denn eine<br />
vollkommene Zerstörung Hitlers, worauf wir hinziel<br />
. ten und die, angesichts des stürmischen Erfolges unserer<br />
Waffen, vollauf im B ereich der Elöglichlceitcn<br />
lag, war nicht ei»getreten, im Gegenteil clic seit dem<br />
20 Juli cingctretcne psychologische Weixdung wnr nun<br />
wicclcr »u r I l i t lcr gü»stig. Wi c z u e r w a r ten war,<br />
wirlcte sich unscrc mornlischc NiccIcrlnge gn»z bcsonclcrs<br />
starlc am Orte der letzten Gcschch»issc selbst aus<br />
— iu 13crli»; cln ware» u»sure Stürm>c» als Xcichc»<br />
der Empörung der Massen gegen unsere Pührung ganz<br />
gewaltig zurückgegangen un.d kamen den Kommuni<br />
l08
stcn zugutc. In der Provinz hatte die negative AVellc<br />
noch nicht die Zeit sich auszubreiten und daher waren<br />
unscrc Verluste im allgemeinen nicht so gross.<br />
22. Die EEonsequenzen.<br />
Somit war das unmittelbare Ergebnis der gemahlen<br />
vom 31 Juli — ein halber Sieg für uns — EIitlcr war,<br />
wieder aufgehalten worden. I~"reilich, barg diese IIalbhcit<br />
in sich die grössten Gefahren für uns und Jeder,<br />
der Einsicht in ihre Ursachen und die nach dem 20<br />
Juli geschaffene Loge hatte, wusste g;u>z genau: die<br />
I(onscciu«uzen werden nicht lange auf s ich w a r t en<br />
, lassen. Jetzt begann und musstc auch der Nicdcrgang<br />
bei uns einsctzcn, cs war klar, dass grosse Massen bei<br />
uns mürbe werden mussten, dass andere, zum T eil<br />
temperamentvollere, zum Teil weniger bewusste Elemente<br />
nunmehr in immer steigendem Masse zu den<br />
kommunisten hinüberwandern würden, Die Autorität<br />
unserer I
w ieder in unsere Wehrorganisntionen hinein, m a n<br />
verschaffte sich Waffen, man wartete und war bereit.<br />
Zugleich.ging auch im EIitlcrlnger etwas vor: eine<br />
nochmalige Aufschiebung der Entscheidung wirkte<br />
zersetzend in seinen Reihen, der Hindenburgsehlag<br />
gegen ihn am 18 August lratte ihn weiter erschüttert,<br />
pnpen rückte von ihm ab — di e Nazileitung führte<br />
nun grosse Reden gegen Papcn, die beiden Brüder<br />
schienen gehörig sich in den IIaaren zu liegen. Papen<br />
versuchte nun scincrseits den Schlag gcgcn Ilitlcr zu<br />
führen — cr glaubtc endlich den Schlüssel zu Ilitlcrs<br />
Erfolg erfnsst zu haben — allcnthnlbcn kündigte cr<br />
nun nn, dnss eine gvosszügige ofl'izicllc Rcgicvungspropngandn<br />
einsetzen werde, cr glnubtc mit Hilfe der<br />
Dvutschnationalen und dvs St:dtlhclms dasselbe tun<br />
zu können, was bisher Hitler tat: ein mi t g r össtem<br />
Tamtam in Berlin aufgczogcner Stahlhclmtag mit Parade,<br />
I"ahnen und anderen Propagandatricks wurde<br />
inszeniert. Die Ikonstellation schien Papen günstig zu<br />
sein: die Sozialdemokratie durch ilire EIaltung am 20<br />
Juli moralisch erledigt, die kommunisten wieder die<br />
ganze Wucht ihrer Agitation gegen die Sozialdemokratie<br />
führend, die Nazis ebenfalls in Zersetzung. Er<br />
glaubte nun allein handeln zu.können: es war eine<br />
antizipierte Dollfussiade, freilich mi t n o ch weniger<br />
Basis im Volke und ohne irgendwelche Aussichten auf<br />
dauernden Erfolg.<br />
Dcn Dcgviff dcv Wirksamkeit der I'vopngnnda jetzt<br />
im I(opfc, und Ilitlcr Alles nachmachend — die gvosscn<br />
Reden im nun fü r s ich a l l «in n >onopolisicvten<br />
Rundfunk, was sogar ein Vovspvung vov Itillcv wnv —.<br />
glnubtc Pnpen auch das seither von I l i l lcv nls entscheiden(l<br />
erstrebte Nltlcl nnchül fell zu ki jllnell<br />
Ausschreiben von Neuwahlen, Durchführen derselben<br />
; unter grösster Entfaltung der P r opagandamassnah<br />
ilO
Er1angcn einer gefügigcn hiehrheit, zu der er<br />
noch das Zentrum hinzuziehen hoffte — dann hatte<br />
nicht Hitler, sondern er, Papen, eine „parlamentari<br />
sehe" Basis unter den Füsscn, lconnte sich das Er<br />
mächtigungsgesetz bewilligen lassen, die Verfassung<br />
ändern — dauernd sprach er davon — das Parlament<br />
hcimschiclcen und nun seine eigene Diktatur aufrichten.<br />
Es war ein lächerlicher Traum, aber er bestand<br />
doch und Papcn setzte wenigstens das durch, dass der<br />
Reichstag abermals aufgelöst und wicdcr neue XVahlcn<br />
zum G Novcmbcr ausgcschrichen wurden.<br />
. 1~'rcilich zog Papcns hausbaclccne Propaganda, dazu<br />
noch in so kurzer I rist zusammengcleimt, nicht — er<br />
hoffte ja auf die hiachtmittcl des Staates, die ihm zur<br />
Verfügung standen und bcsondcrs auf die Möglichlccit<br />
viel Geld hincinzulcgen, Hier zeigte cs sich wieder einmal,<br />
dass die Propaganda, auch wenn sie noch so gut<br />
aufgezogen ist und. über Geldmittel verfügt, doch ohne<br />
Wirkung bleibt, wenn ihr kein politischer Inhalt zu<br />
. grunde liegt. Und in diesem Sinne war das ganze Papcnschc<br />
Unternehmen eine lcünstliche Blüte, ein Ding<br />
ohne Fleisch und Blut, Politische Propaganda und Renoch<br />
in so lcurzer Frist zusammcngeleimt, nicht — er<br />
Papen erzielte, wie zu erwarten war, am 6 November<br />
lceinen Erfolg, er hatte zwar den Nazis Stimmen<br />
ahgewonnen, aber das war unbedeutend. Freilich IRtlcr<br />
war ordentlich geschlagen diesmal — er büsste<br />
über 2 Millionen Stimmen ein, aber das war nicht ein<br />
Erfolg von Papen, sondern eine sich nunmehr auswirlccndc<br />
l'olgc der Zclsetzungscrsclll!lnungcll ln scrncm<br />
I.ager, wiederum als l(onsc
pic grosscn Gcwinnler vom G November waren nur<br />
die kommunisten, sie haben zum Teil uns, zum Teil<br />
den Nazis Stimmen abgcwonncn. Es war ein klares<br />
Symptom, wenn auch olinc iigci>dwclchc praktischc<br />
Bedeutung.<br />
arie ordenOich Geschlagenen waren nun wiederum<br />
unsere Bonzen — wir v erloren jetzt zum erstenmal<br />
fast eine Million Stimmen — j e t z t w i r kte sich die<br />
Schlappheit vom 20 Juli aus — nun gingen von uns<br />
Viele un
schaf fcn. Unsere Versammlungen. wurden )mmer<br />
weniger un u )d weri'> weriiger besucht, cs sassen drin nur ganz<br />
vcrspiesstc und hof lnuugslose Funktionäre, die jeden<br />
Versuch ihnen die Wahrheit zu sagen und gegen die<br />
a n unserem Niedergang einzig Schuldigen Oberbon ,<br />
zen aufzutretcn — mit Ablehnung, Hass und Verdäch<br />
tigungen quittierten. Waren sie doch von diesen guch<br />
wirtschaftlich abhängig. Selbst nach der N ovember<br />
nicderlagc waren sie unvcrbcsscrlich, verharrten in<br />
Jeder Ablcl)uung scli)stäIldigcn Denkens 'und hofften<br />
nur irgendwie forhvurstcln zu können.<br />
Um die Zeit erschien in der Zeitschrift „Das Tage<br />
' buch" ein Artil'cl „Schluss mit Wels und Co", wo ganz<br />
richtige - Gedanken über di e sozialdcmokratischcn<br />
Fül)rcr un d n u n A l l e n b e k annte T atsachen i h r er<br />
Schlappheit und Schuld vorgebracht waren — in den<br />
obersten I(reisen der Partciführung hat man mich sofort<br />
als den Urheber dieses Artikels verdächtigt, was<br />
vollkommen falsch war, obwohl ich den dort dargeb<br />
rachten Gedanlcengäugen selbstverständlich v o l l <br />
kommen beistimmte. Eine entsprechende Hetze gegen<br />
mich setzte ein.<br />
Als man mich im Oktober mal als Fachmann auf.<br />
dem Gebiete des Propagandawesens anfrug, was denn<br />
für die am 6 November bevorstehende Wahl noch für<br />
. wirlcsame P r opagandamöglichkciten be s tünden,<br />
konntc ich leider nur auf eine Massnahme hinweisen,<br />
. die wirldich in die Massen noch im letzten Augenbliclce<br />
neuen Mut und Hoffnungen bringen könnte. Das<br />
wäre, wenn der Parteivorstand spontan den revolutionären<br />
Mut gehabt hätte an die Gesamtheit der Partei<br />
mit einem Aufruf zu treten,'dessen Sinn gewesen<br />
wäre „Pater, pcccavi", d. h. wenn er darin öffentlich<br />
seine Schuld belcenncn würde und sagen würde, dass '<br />
er nun die Verantwortung für den bevorstehenden
krampf in die Hände ncucr, unverbrauchter Iirüfte<br />
lege. Das wäre ein hcroischcs illittcl gewesen, aber cs<br />
. war auch das einzige, das in diesem Augenblicke noch<br />
Qlancen gehaßt hütte, psychologisch zu wirlccn. Eine<br />
solche Wirkung als Propagandamittel heisst kathartisch,<br />
lösend, läuternd. L enin h a tte .diese Methode<br />
manchmal verwendet, als er öffentlich sich selbst der<br />
b egangenen Fehler bezichtigte und sagte: „Ich habe ,<br />
die Fehler gemacht, ich bin der Schuldige, ich habe<br />
sie erkannt, ich tue sie nicht mehr", Das wirkt propagandistisch<br />
i m mer e r s chütternd, d ie D e p r ession<br />
schlägt dann oft in A u f regung und einen Seelenzustand<br />
um, aus dem neuer Mut und neue Kräfte spros-'<br />
sen können. 1"reilich. einen.Lenin gab cs in der so<br />
zialdcmokratischcn Führung nicht, m e i n V orschlag<br />
t<br />
klang naiv und war auch von mir sellist nicht ernst<br />
gemeint.<br />
M. De r Z usammenbruch;<br />
Nun entwickelte sich Alles im beschleunigten Tempo.<br />
Zunachst fiel Papen — alle seine Plane waren zunichte<br />
geworden, die Lage blieb wie früher ungelöst,<br />
in den IQ'eisen um Hindenburg herum glaubte man,<br />
dass man einerseits der Öffentlichkeit doch gewisse<br />
Zugeständnisse machen, andererseits aber auch an die<br />
~lilitärs Anlehnung suchen sollte — man konntc nie<br />
wissen, weichen letzten Ausgang die Ereignisse finden '<br />
könnten. In General Schleicher stand eine Person zur<br />
, .Verfügung, die beides zu vereinigen schien, zumal<br />
demselben die Gewohnheit des Stürzens von ehemaligen<br />
I(ollegen und Vorgesetzten,— Hermann Müller,<br />
Gröner, Brüning — sozusagen ins Fleisch und l3lut<br />
. übergegangen war, Also stürzte Schleicher nun Pa<br />
.:-: .-,114
p cn un d sass s ass bald a an seiner Stelle. Er schielte nun<br />
n och rechts und schielte nach links, er sprach m i t<br />
HiOcr und wandte sich auch an die Gewerkschaften,.<br />
cr balancierte hin und her bis man endlich auch seiner<br />
müde wurde und wieder in Kuhhandel mit Hit<br />
• ler t r a t. Die-er hatte nun seit dem 13 August was gelernt,<br />
cr liess dieses Mal die Gelegenheit nicht vorbei<br />
' ziehen, er wusste genau, dass er am Fädchen hing <br />
die Niederlage vom G November beschleunigte immer<br />
mehr den inneren Zcrsetzungsprozess in seinen. Bei<br />
hen, der Krach mit Gregor Strasser war ein drohendes<br />
Symptom, das Intrigcnspiel in seiner nächsten Umgebung<br />
verschürfte sich immer mehr. Es war keine Minute<br />
zu vcrlicrcn. Er nahm das Angebot an, cr wurde<br />
Bcichskonzlcr.<br />
Er hotte sich diesmal nicht verrechnet — psychologisch<br />
war sein Entsciduss für die SA und die Millionen<br />
seiner Anhänger. im Bürgertum ein Sieg. Durch<br />
geschickte Aufpeitschpropaganda Goebbels' wurden<br />
die Massen in Taumel versetzt, sie jubelten und glaubten<br />
ihr Heil würe nunmehr hereingebrochen.<br />
Jetzt setzte folgerichtig die Hetze gegen die verhossten<br />
Gegner ein. Schlag auf Schlag folgten nun.'<br />
Bcichstagsauf lösung, der Reichstagsbrand als Propagandamittel<br />
und Grund zu r te r r o ristischen Beeinflussung<br />
der Wahlen, die Wahlen selbst, Verbot der<br />
Kommunistischen Partei, Verhaf tungen, Judenhetze,<br />
sog. Korruptionslmmpagne, der Erste Lügcnmai, Zerschlagen<br />
der Gewerkschaften, Auflösung und totale<br />
Vernichtung der. SPD... Und nun zuletzt der Ausfall<br />
gegen die Verbündeten — Stahlhelm und die Deutschn<br />
ationalen, der Sturz Hugenbergs und Schluss m i t<br />
Zentrum, Bayerischer Volkspartei und Staatspartei.<br />
Wie in einem Filmroman rollten die Ereignisse vor<br />
uns ab. So rasch ging die ganze Entwicklung, wie sie
weder in Sowjehussland noch in Italien vor sich gegangen<br />
war. Es war ein ungchcuercr Galopp, worin<br />
dem deutschen Spiesser alle Sinne vergingen, Die armen<br />
sozialdemoleatischen „l'ührer" liessen sich nun<br />
'zum Nazi-„Führer" f ühren — v o l lkommen erschlagen,<br />
geblendet, e i ner er b ä rmlichen S chafsherde<br />
gleich, gaben sie ihm ihre Stimmen, die er mit einem<br />
Fusstritt quittierte — sie wurden trotz ihrer sich plötzlich<br />
als „ echt n a tional" e n tpuppendcn Gcsinmmg<br />
hinausgejagt. l-'in Naziministcr hielt ihnen ciu Grab- .<br />
rcdc, indem er sagte: "sclnvcigcn und sich schämen<br />
sollten sie." Jetzt hat die Nemesis der Geschichte ihr<br />
letztes AVort über sie gesprochen, sie haben endlich<br />
das'geerntet, evas sie gcsüt, Es trauert 1ccin Arbeiter,<br />
kein Sozialist über ihr Schicksal.<br />
N. H i t l ers Aussichten.<br />
Nun ist Hitlers Traum erfüllt — er ist der Alleinherrscher.<br />
Der Schatten Hindenburgs bat Nichts mehr<br />
zu sagen, womöglich erreicht auch i h n b a l d ' d as<br />
Schicksal von Hugenberg und anderen;,historischen<br />
I
d C' h r eine n vorbildlichen Ordnungs- und<br />
dessen Hinwo ncr einen<br />
0 ' t' nn besi t zen p l ö tzlich e ine absolute,<br />
eine hundertprozentige Null stehen sollte. Denn alle,<br />
die Eiitler aus nächster Nähe, Freunde wie Gegner,<br />
als Person kennen lernen, sagen übereinstimmend,<br />
dass es nicht der Staatsmann, nicht der l ührer sei<br />
die von Goebbels um ihn herum organisierte Reklame<br />
— was kann man heute nicht Alles mit der Reklame<br />
t un I — sie kann die Tatsachen nicht aus der W e l t<br />
schaffen. Eins kann man Ilitlcr nur zubilligen — er<br />
hat zur rechten Zeit verstanden~die ungchcuere Starr.köpfigkcit<br />
n chcn v o l lkomme))cr W i l l c nssclnvöchc,<br />
Scl)lal)1)hcit der dcutschcn socialdcmokratischcn Führer<br />
sich nutzbar zu machen und sie durch recht primitive<br />
Mittel in solche Bedrängnis zu bringen, dass<br />
sie ihm die ganze dcutsclxc Arbeitcrbcwcgung gcdan<br />
1ccn- und kan)pf los an die Schlachtbank. auslicfcrten.<br />
Wic lange wird und kann die Nacht ubcr Deutschland<br />
dauern2 Welche Aussichten hat Eiitler am Ruder<br />
zu bleiben2 Sie sind sehr schwach — so beurteilen sie<br />
seine nächsten Freunde, die italienischen Faschisten.<br />
Schon während der Judenhetze hatte ich Gelegenheit<br />
mit solchen zu sprechen und war erstaunt aus ihrem .<br />
Munde Folgendes zu h ö r en: „ D as, w a s j e t z t i n<br />
D eutschland geschieht, ist vollendete Barbarei, m i t<br />
der wir, seine Urbilder, wie er es ausposaunt, nicht<br />
das Geringste zu tun haben und auch nicht haben<br />
wollen. Das Tempo, in dem e r s e ine „ R evolution"<br />
durchführt, seine Massnahmen trifft, ist so ungeheuer,<br />
dnss es absolut ausgeschlossen ist, dass sie sich stabilisieren<br />
können. Wie lange hat unser Mussolini, der<br />
ja docl), wie olle Welt nun.erlccnut, aus ganz anderem<br />
Material als IIitler geformt ist, gebraucht, um seine<br />
Umwiilzungcn durchzufi>hr«n2 Die b«rühmte „Gleichschaltung"<br />
ist ja nichts anderes, als ein Resultat von
unerhortcm Terror, und als solche hat sie nicht die<br />
cringste bedeutung, eher umgekehrt: die auf solche<br />
g ~ejse „glqichgeschaltetcn" 4ilenschen bewahren i n<br />
ihrem Inneren untcrbcwusst einen unkompcnsicrtcn<br />
Erlebnisrest vo n Vc r g cwaltigtwordensein, de r in<br />
nen immer eine für eine gewisse Spanne Zeit unterdrückte<br />
feindliche Gesinnung schüren wird, bis sie<br />
eines Tages gewaltsam losbricht. Das ist eine blinde,<br />
unkluge Politikl I n k ü r zester Zeit ist er verbraucht<br />
und dann ist sein Lied aus." Das ist die Prognose sei- .<br />
ner I'reundc,der Faschisten.<br />
Und nun zur Analyse der objektiven Faktoren, die<br />
seine Lage bcstimmcn. Es sind deren drei: der ausscnpolitische<br />
I'"aktor, der wirtschai'Lspolitischc und der<br />
innenpoli tische.<br />
Ausscnpolitisch ist die Lage Ilitlcr-Deutschlands<br />
verzweifelt: keine Aussicht für eine 13csscru»g. Frankreich<br />
und seine Verbündeten sind auf der Lauer, von<br />
irgendwelchen Zugeständnissen ist lange keine Hede<br />
mehr, IRtler musste bereits von dieser Seite. aus recht<br />
bittere Pillen schlucken. England, das in den letzten<br />
Jahren, besonders seitdem die IConservativen ans Huder<br />
gekommen sind, schon gewisse Sympathien. gegenüber<br />
Deutschland bekundete und i n e i nem u nver<br />
1cennbaren Gegensatz zu Franlcrcich stand, hat vollkommen<br />
ICchrt um getan, In Skandinavien sitzen Soziald«nsokratc»,<br />
l l i t lcrs ü b crzcugtcslc Gegner, die<br />
durch den Terror gegen ihre Genossen in Deutschland<br />
aufs Höchste erbittert sind, am Ruder, Seit der<br />
Revolution vom 1917 war es unmöglich Hussland und<br />
I'rankreich irgendwie einander näher z u b r i n gen,<br />
llitler vermochte diese Verständigung zwischen seinen<br />
geführlichsten Gegnern in wenigen %lochen zur Healitä<br />
t we rden z u l assen. Durch die Judenhetze hat er<br />
.. H8
gegen sich ' I ganz Ameri eri k a aufgebracht, Selbst Italien<br />
Ist I'ecllt ci t vol'slc " hti g li n Hckundungcn seiner Solidarität<br />
mit Hlt H tl er gcwor g w o rden en und gar das Ideine Üsterreich<br />
wagt Elitlers stolze Dritte Reich mit F usstrIttcn und '<br />
Ollrfeigcn unter unverkennbaren Schadenfrcudebe<br />
zeugungen gen er der ganzen Welt zu traktieren. Wäre das<br />
Dritte Reich auf dem Monde oder eine Welt für sich,<br />
.wie Sowjetrussland, dann könnte ihm das Alles relativ<br />
gleichgülltig sein und I l i tler k ö n nte v i e l leicht<br />
seine Wllhnidccn ungestraft lüngcrc Zeit in Deutschland<br />
sich austoben lassen, Zum Glück fü r D e u tschland<br />
und die Welt ist es doch mitten'in einer zivilisierten<br />
AVclt und dem systcmatisierten Unsinn sind'zeitlich<br />
Grenzen gezogen.<br />
AViltscllaftspolitiscll ist Dcutscllland noch in s t ürkercm<br />
Maassc in Abllängigkeit von der übrigen feindlich<br />
gesinntcn Welt und ist. ausserstandc die wirtschai<br />
tlicllc Eliscrc inl cigcllcn Ihluse zu meistcln. Zudem<br />
hat Ilitler in scincr der Machtübernahme vorgebenden<br />
Agitation Allen Alles versprochen — jetzt gilt<br />
cs unter zugleich erschwerten Verhältnissen die Versprechungen<br />
zu erfüllen, den Wechsel zu zahlen, was<br />
nachweislich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Freilich<br />
wird er nun versuchen, durch mehr oder weniger geschickte<br />
Propaganda, gestützt durch Terror, die Bedürfnisse<br />
der Deutschen herabzuschrauben — das<br />
Beispiel Sowjctrusslands lockt — sagen doch. bereits<br />
schlc Allllitllgcl'>»Wil' slum bei'clt Ü I agc zu llungcrn><br />
wenn man uns nur einen Tag in der Woche unter dem<br />
I (lang der Militärmärsche marschieren lässt"! Z u<br />
einem solchen Program hat er ja in Goebbels einen<br />
vorzüglichen Manager und 'in Goering den entsprechenden<br />
I&üppel. Dass aber die Sache auf die Dauer<br />
selbst in Deutschland nicht durchführbar sein wird, '<br />
braucht Jedem, der Deutschland kennt, nicht beson
ders gesagt zu werden. So sind auch in dieser Beziehung<br />
die Aussichten Iiitiers nicht rosig.<br />
Innenpolitisch gar sind seine Massnahmcn in Bezug<br />
- auf sein Heil vollkommen verkehrt und uris ausser<br />
:ordentlich zugutckommend. Jetzt, wo für Deutschland<br />
absolut der Satz gilt „Je, schlimmer, desto besser l", beschleunigt<br />
solch eine Galopppolitik ganz entschieden<br />
die Entwicklung. Es liegt in der Natur des Paschismus,<br />
dass er keine anderen Parteien neben sich dulden<br />
kann und in diesem Sinn ist IIitlcr gczwungcn logisch<br />
zu handeln — aber darin liegt «ben auch sein<br />
Verderben. Die Bcispiclc des faschistischcn Italiens<br />
und des bolsch«wistischcn Russhin
schcn Revolution die Geschiclce Italiens hestinuutea,<br />
nicht beigebracht werden,<br />
Was die Geschichte in Italien Mussolini zu tun<br />
zwingt, das wird in Russland.durch die Sowjetdikta<br />
tur erzielt, Auch hier ist das zurückgebliebene Volle<br />
durch Sichancignung von Organisations- und Ordnungssinn<br />
reif für den sozialistischen Aufbau zu ma<br />
ehen, zu erziehen — darin liegt die grosste Bedeutung<br />
der Sowjetdilctatur,' abgesehen davon, dass Russlaad,<br />
das auch technisch und wirtschaftlich recht weit hinter<br />
clen übrigen europäischen Staaten zurückgeblieben<br />
ist, nun auch noch in dieser Hinsicht vorwärts gebracht<br />
wcrdcn soli. Das ist aber an sich noch lccine<br />
spczitisch sozialistische Auigabe, wiewohl cs auch<br />
lclar ist, dass in einem inclustrialisicrtcu Laacl die sozialistischcu<br />
Idccn leichter verwirlclicht werden lcöuncn.<br />
In l curzcr I"rist sind d i csc h eiclcn Aufgaben<br />
»ur mittelst einer Diktatur zu lösen..<br />
In Dcutschlancl aber liegen die Verhältnisse ganz<br />
«nders;,weder das eine, noch das andere tut Not.<br />
Dculschland ist eins der am weitesten in seiner iudustriellen<br />
Euhvickiung vorgeschrittenen Lander und<br />
wohl Niemand würde behaupten wollen, dass sein Volk<br />
noch'zu Organisation und Ordnung erzogen werden<br />
sollte. Daher ist die ausgeprägte Hitler-Diktatur in<br />
Deutschland ein I(unstprodukt, bedingt vornehmlich<br />
durch die historisch nunmehr erwiesene Unzulänglichlccit<br />
seiner Gegner. Die sogenaante „nationale Revolution"<br />
ist keine Revolution im eigentlichen Sinne,<br />
wie etwa die Russische oder die Grosse Französische,<br />
sie hat viel mehr Ähnlichlceit mit den südamerika-'<br />
nischen Umstürzen, sie hat d urchaus keine t i efen<br />
Wurzeln, sie ist nicht durch tiefgreifende wirtschaftlichcn<br />
uncl sozialen Ursachen und Umwälzungea bedingt.<br />
Es ist eine ziemlich durch Zufall bedingte Auge
lcgcnheit, eine durch geschiclctc Propagartdnmachc<br />
bei glcichzeitigem unerhörten Versagen der Gcgenspicler<br />
erzielt@ künstliche Blttte.<br />
Drc Grundlagen für eine Dilctatur von Hitlers Art<br />
feltlen in Deutschland und so wircl und muss das Anwenden<br />
ihrer Hegeln hier den umgekehrten Erfolg<br />
zeitigen: durch gewaltsame Beseitigung aller Gcgnerorganisationen,<br />
und dazu noch in solchem Tempo und<br />
auf solche brutale Art, wird nur Erbitterung und Hass<br />
nlckumulicrt, di e d i e U r sachen tier u nvermeidlich<br />
lcommcndcn neuen Umwälzung sein wcrdctt.<br />
Inzwischen ober macht Ilitlcr Schule — die Dcolctionürc<br />
nller Scltntticrttngcn tnöclt ten rtttn gerne scinc.<br />
Methoden für sielt irr Anspruclt ncltnrcn, dcrt Vcrsttclt<br />
die Mttcltt in iltt e Iiünde zu l)ckommc» itbcroll wngcn,<br />
Wir haben oben schon den misslungenen Versuch vort<br />
Pttpcn geschildert, jetzt sind Dollfuss, Irlond, Estland<br />
und Bulgarien nn der Heilte, Gelüste rcgcn sich itt gewissen<br />
ICreiscn überall, S e l bst in D ä nemark, zum<br />
Beispiel, übcrnchmcn die Iionscrvativen ghttt die Methodilc<br />
der Ilitlerpropaganda — sie stellen Stutantruppen<br />
auf, sie führen sogar den Hitlergruss ein, mit allen<br />
Mitteln versuclten sie das Uniformverbot zu umgehen,<br />
sie lcämpfen, und nicht ganz ohne Erfolg, um<br />
die Gewinnung der Jugend; für so wichtig halten sie<br />
das alles heute, dass sie sich gar nicht scheuen mitten<br />
in der 1"etienzcit clcn Lancltogszusammcntritt zu fortlcrn,<br />
um für die jttgcttdlicltcn Pfodfirtderorgnnistttionc»<br />
das Uniformvcrbot aufzuheben I<br />
25.. Das Positive in 'der ECcfasirophe,<br />
Somit ist die Lage IIitlers und seiner Diktatur durch- .<br />
.-.: aus nicht rosig, Zudem wird er ständig mit d em<br />
.::: '..";182 ".
Glimmen von Feuer unter der Asche zu rechnen haben<br />
und dauernd vor der Notwendigkeit stehen sich<br />
durch Tcrrormassnahmcn über dem Wasser zu halten<br />
mit «)er historisch bekanntlich unausbleiblichen<br />
Folge, dass Terror Gegenterror erzeugt.<br />
Es gibt aber für uns, seine Gegner, noch eine. Reihe<br />
von wichtigen und Zuversicht weckenden Überlegun<br />
gen. Wir haben oben'gesehen, dass seine Diktatur<br />
nicht die historische Aufgabe haben kann wie die Dik- 'taturen<br />
in Sowjctrussland und in Italien. Iiat sie aber<br />
vielleicht doch cincn historischcn Sinn, eine andere<br />
Bedeutung? Ja, das hat sie tatsächlich l<br />
llitlcr ist vom Schicksal gezwungen sich selbst ein<br />
Grab zu grollen und dem 1commendcn Sozialismus ein<br />
freies Feld für seine» künftigen Aufbau zu bercitcn,<br />
Die von den sozialistischen Kräften in D e utschland<br />
durchlebte'IQilastrophe hat, wie man es jetzt bereits<br />
I'onstaticrcn kann, auch ihre guten Seiten, Da ist zunächst<br />
der Vmstand, dass Hitler reinen Tisch auch mit<br />
einer rechtnclastenhlachtmacht: erbeseitigtgründlich<br />
den politischen Katholizismus. Und Dieses ist unbedingt<br />
eine Grundbedingung für den künftigen. sozialistischen<br />
Staat, der mit der Kirche als politischem Faktor<br />
nichts anzufangen hätte. Jetzt fällt der ganze Hass<br />
der entsprechenden Kreise dafür auf Hitler' — wir<br />
werden vor einer Tabula rasa stehen, was uns zugute<br />
kommen wird,<br />
r •<br />
,Zweitens, schafft Hitler den deutschen Einheitsstaat<br />
— das ist auch eine Arbeit, die zuletzt wiederum dem<br />
sozialistischen n A rbeitcrstaate b '<br />
nur nützlich sein kann<br />
organisatorisch stünde das sozialistische Deutschland<br />
vor einer unlöslichen Aufgabe, wenn es die alten<br />
unnöti ~cn Ländcrgrenzcn, Enklaven usw. bei sei- '<br />
nem Aufbau,ber üclcsicht>gen zu haben hätte. Dass<br />
man'auf -Schwieri ' rigkeiten k ' bei der .Beseitigung der<br />
123
Klcinstaatcrci, auf IIcmmuugcn und Widerstand stosscn<br />
würde, würc sicher. Diese Aufgabe wird uns sonlit<br />
durch Ilitler auch erlcichtcrt.<br />
Ein drittes Positives ist der Umstand, dass Hitler<br />
heute den Zwiespalt in der A r b eiterschaft vollkommen<br />
aus der Welt schafft, denn sein Wüten gegen dieselbe,<br />
gleich viel ob di e A r beiter Sozialdemokraten<br />
. oder Kommunisten sind, ist heute ein sehr solider I
nicht vielmehr die mächtige, wohlgeordnete, lcampfbcrcitc<br />
Arbciterarmce von unfähigen Führerin,<br />
dauernd auf einem Rüclczuge begriffen waren,<br />
schliesslich in eine Geländesenlcung gchracht worden,<br />
wo giftige Gase ausströmten und die stolzen Forma<br />
tionen heimtückisch und ohne Kampf untergehen lies<br />
' sen't.<br />
Und doch ist sie nicht tot, die deutsche Arbeiterbe<br />
' wegung.l Und doch glimmt es unter der Asche und<br />
sammelt sich und schmicdct die ncucn W a f fen und<br />
sucht sich neue bessere Führer und macht sich neue<br />
Pläne, Alles hat man dem dcutschcn Arbcitcr genommen,<br />
die Mittel, die in clcr Organisation bcstchcndc<br />
I(raft, die Bewegungsfreiheit. Aber Eins — das Wichtigstc<br />
— I c onntc nian ilmx nicht cntrcisscn — di e<br />
innere scclische Kraft, den Glauben an seine wcltbcfreicndc<br />
proletarische Mission. Wer di e schlichten<br />
deutschen Arbeitermassen im vorigen Jahre mitten im<br />
Kampfe gesehen hat, wer die helle Begeisterung miterlebte,<br />
mit welcher ihre Bataillone die Strassen der<br />
n ch)nlich wird, d ann wir d e s w i e e i n W i n d ü b e r<br />
Deutschland gehen, dann stdlen u n sere deutschen<br />
Brüdei wieder-..da, seel)sch ungebrochen, m)t neuem<br />
$[ut und dieses Mal mit vollem Wissen um das Flandeln,<br />
in voller Wucht des sieghaftcn Angriffs.<br />
Wer daran zweifeln 1cönntc, braucht sich nur einer<br />
Tatsache zu erinnern — des 5 März. Bei diesen Wahlen<br />
war plötzlich die Arbeiterschaft fünf Tage vorher<br />
aller ihrer I
gegen die frühere Führung,<br />
gegen ihre Schlapphelt und Fe)ghelt.<br />
Eins wissen, müssen die neuen Führer, die jetzt<br />
Icommen, wissen, mit diesen Massen ist Alles zu tun,<br />
Alles zu wagen. Und das wird auch getan, denn die<br />
deusche Arbeiterschaft, sie ersteht schon, sie gesun<br />
det, sie schüttelt Alles, aber. Alles unbrauchbare, ver.-'<br />
moderte ab, sie reinigt und läutert sich jetzt durch das<br />
Feuer, das unter der Asche glimmt, wie ein Phönix<br />
' >vird sie sich dann zum Schrecken ihrer Feinde erheben'<br />
und wehe dann dem, der. ihr ins strahlende,<br />
ins glühende Gesicht zu sehen wagen wird.<br />
27. AIiliuer Oplimisnlus.<br />
Es wäre nun genau so falsch einem Pessimismus,<br />
wie einem passiven Optimismus sich herzugeben. Der<br />
letzte baut nur auf logischen Überlegungen und hofft<br />
. dass nun die Zeit für uns arbeitet, man hätte nur ruhig<br />
zu sitzen und zu warten, bis die gebratenen Tauben<br />
uns in den Mund fliegen und bis alles Heil von<br />
selbst kommt. Das ist.der Standpunkt der unverbesserlichen<br />
Teoretiker, der eingefleischten, „ h u n dertprozentigen<br />
Marxisten", der Zahlenjonglcurc und Statistikcnanl)ctcr.<br />
Falsch und verhängnisvoll ist dieser<br />
Stanclpu)lkl, ihm erklären wi r d e n u n e r bittlichsten<br />
I(ricg, Nci», glüclclichcrwcisc ist dieser Standpunkt<br />
heute,, besonders in unseren jugendlichcn Schichten,<br />
und ganz besonders nach der.deutschen katastrophe, '<br />
im Schwinden begriffen. Optimismus ist am Platze,<br />
freilich, aber nur der schaffende, kämpfende aktive<br />
p ' ' , Nur dann geht man. sicher, wenn man<br />
immer in Bewegung ist, wenn man Pläne schmiedet,<br />
'127
g zäftc sammelt, .den J(ampf u n erbittlich und m i t<br />
höchster Energie führt, wenn man immer bestrebt ist<br />
die Initiative des Ifampfes an sich zu reisscn und sie<br />
in eigenen Händen auch zu bewahren,<br />
Die überlu'itische Einstellung muss endlich im Angesicht<br />
der untrüglichen Zeichen der Aktivierung der<br />
blassen abgelegt werden. Man muss endlich begreifen,<br />
dass in einem Aktivitätszustand solche Eraftrescrven<br />
lebendig werden, an die man sonst gar nicht zu denken<br />
pflegt. Elan muss zu Optimisten werden, denn der<br />
Optimismus ist ein miichtigcr, bcfruchtcndcr 1'aktor<br />
des Gelingens im sozialen Geschchcn. Optimismus und<br />
Aktivität stchcn m c i n c r e n gen ull d scltsalllcn w ccllselscitigcn<br />
13eziclrung: nur wo Optimismus herrscht,<br />
ist positive Aktivität möglich, aber auch wo Aktivität<br />
zuhause ist, da erscheint ein die Zuversicht wcckcnder,<br />
an eigene I(räfte glaubcndcr, Pläne sclmxicdcndcr<br />
Optimismus. I'reilich, soll d e r O p t i mismus n i cht<br />
lcichtfcrtig, unbcgründct sein, cr soll auf Erlccnntnis<br />
der rcalcn Lage und Elöglichkcitcn fusscn, aber ist<br />
denn das in der Arbeiterklasse wachsende 13ewusstsein<br />
ihrer Nacht kein realer Faktor, der die Lage ausserordentlich<br />
mitbestimmt2<br />
Der Optimismus darf nie passiv sein, sich in den<br />
Gedankengängen wiegen, es käme Alles von selbst,<br />
die Konjunktur wäre das Entscheidende, man brauche<br />
nur ruhig das günstigste Noment abzuwarten und die<br />
Ereignisse nicht zu „forcieren" — das ist der belichte<br />
Ausdruck solcher. I(unktatoren und Übervorsichtigcn.<br />
Sie sind dann auch gar zu oft bereit, den Aktivitütswillen<br />
der blassen künstlich zu hemmen. Sic haben<br />
deswegen Unrecht, weil m a n d e n E r f olg n i cht als<br />
einen Lottcriczufall betrachten soll, der gcwolltc Erfolg<br />
ist immer und nur eine Funktion der Tätigkeit,<br />
der Aktivität, Nicht umsonst sagt die Volksweisheit:
„Frisch gewagt, ist halb gewonnen". Denn im $fo.<br />
mcnt der wagnis, der Aktivität, werden Kräfte frei,<br />
die sonst verborgen sind und an die ein „realer" Po<br />
litiker gewönhlich nicht denkt'und die er in seine<br />
Rechnung nicht aufnimmt. Die Geschichte aller Revo.<br />
lutionen ist der beste Beweis dafür.<br />
Auf die heutigen Verhaltnisse übertragen, was be<br />
deutet, was bezweckt ein solcher aktiver Optimismus<br />
in der Volksbewegung, die als Abwehr gegen das<br />
Obcrhandnchmcn des Pessimismus sich 1cundtutg<br />
D enn wahrlich, ei n P e ssimismus war i m m e r d i e<br />
Giundlage der sogcnanntcn radikalen Strömungen in<br />
der hcutigcn Welt. Es mag vielleicht paradox erscheinen,<br />
wenn man behaupten wollte; wie es hier geschieht,<br />
dass die Nazi-Bewegung auf dem Phänomen<br />
des passiven Pessimismus der sich zersetzenden bürgerlichen<br />
Welt gross geworden ist. Dass sie zum Teil<br />
auch gewisse durch die Krise und Arbeitslosigkeit besonders<br />
zermürbtc Kreise von weniger bewussten<br />
Prolctaricrn ergriffen hat, widerspricht dem d urchaus<br />
nicht. Im Grunde war es eine pessimistische Bewegung<br />
und ihre ernster zu nehmenden Ideologen<br />
würden nie behaupten können, dass sie wirklich<br />
Lösungswege aufzeigen können, die eine wirtschaftlich<br />
fundierte Basis hätten. Diese pessimistische Bewegung<br />
ist aber im Grunde genommen auch passiv,<br />
auch wenn sie sich noch so wild, „aktiv", gebärdet;<br />
so enorm angeschwollen ist sie ja nur durch die Massen<br />
der Spiesser, der verängstigten, '[zeinen Ausweg<br />
mehr sehenden bürgerlichen Elemente, und diese sind<br />
nun immer passiv und können es nicht anders sein,<br />
weil ihnen als IQasse das aktivierende ideologische.<br />
Prinzip fehlt, das in der Arbeiterklasse so eklatant<br />
zum Durchbruch kommt, Die beängstigende „Aktivität"<br />
in der Nazi-Bewegung ist ein Charakteristikum
nur der Pührer, der skrupellosen Abentcurcr, die ge<br />
. - schäftstüchtig die v c rz>veifelnden Stimmun ien der<br />
ch zugute machten und durch mo<br />
erne und auf von kapitalist<br />
ischen Scharfmachern<br />
flüssig gemachten Geldmitteln aufgebaute Propagandamassnahmen<br />
einen Schein von „Al tivität" zu<br />
schaffen verstanden haben.<br />
Die linksradikale Bewegung, die kommunistische,<br />
ist auch ein Ausfluss des um sich greifenden Pessimismus<br />
der weningcr reifen Elemente der Arbcitcrschaft.<br />
Aber entsprechend ihrem soziaicn Milieu, den<br />
Arbeitern, ist dieser Pessimismus im Gegensatz zu<br />
dem passiven der Nazi-Bewegung, aktiv. Die Parole<br />
hier h(.isst oft: „ J e schlimmer, desto bessert", also<br />
. -: Zerstörung von allem und um j eden Preis, irgcndwic<br />
und irgendwann soll dann eine bcsscrc Welt entstehen:<br />
eine typisch barbarische, an das spezifisch Altrussische,<br />
erinnernde Einstellung,<br />
Dagegen positiv, oplimistiscll) wal un(l ist die Arbeiterbewegung,<br />
die sozialistische, 13ewcgung imnxcr,<br />
aber das, was bis jetzt in den letzten Jahren in der<br />
- cigcntlichen Arbeiterpartei Deutschlands, in der Sozialdemolcratie<br />
war, kann nur als passiver Optimismus<br />
bezeichnet werden: man zweifelte nicht an den Endsieg<br />
des Sozialismus, aber man sah doch keine eigentlichen<br />
Auswege aus der Sackgasse der heutigen Lage,<br />
man war ehen passiv, — Daher das Sichbeschränken<br />
. auf eine Dcfcnsivpolitik, di e A ngst vor j c (1cm entschieden<br />
mit a l ten T r aditionen brechenden Schritt,<br />
vor jeder Initiative im I(ampf um den Sozialismus,<br />
»e deutsche katastrophe und die sie begleitenden<br />
" . Ilrnstände, der ganze IIcrgang der Geschchnissc, und<br />
das nun klar vorliegende Spiel der Mechanismen, die<br />
" "abci mitgewirkt haben, müssen endlich Allen in unserem<br />
Lager die Augen öffnen und sie in eine einzig<br />
;.-".„- 180
• d' des neu en Aktiven, Soziali<br />
r ichtige Einstellung, i e e s n<br />
Dic I'rage steht ht nun: : is ist a ber ein alctiver Sozialismus<br />
mög " l'ci l l p S' 1I1d<br />
die Voraussetzungen für emen<br />
aIcliven Optimismus da'I<br />
Die Hauptvoraussetzung ist d a: es i st d er e r <br />
w achende ilfachtwille der Arbeiterschaft, der W i l l e,<br />
i hn zu bclcunden, ihn auszuüben, Es gilt ih m n i c h t<br />
zuwiderzuhandeln, im Gegenteil, ihm w eiter zum<br />
Durchbruch zu verhelfen, ihn anzuspornen, in die Esse<br />
zu blasen. Und immer in sich die Erlcenntnis tragendcr<br />
Sozialismus Icann erobert werden und bald. D i e<br />
Voraussetzung dazu ist: dauernde alctive Propaganda<br />
für ihn, nicht von Wahlen zu Wahlen, wie es die Sozialdemolcratie<br />
tat, sondern immer, fortwährend, wie<br />
auch Hitler es für sein Drittes Hcich tat. Auch wir<br />
m üssen ulle unsere IQäfte mm mobilisieren und mi t<br />
den modernen, als die wirlcsamstcn sich erwiesenen<br />
hkthodcn dauernd Agitation treiben, solange unser.<br />
Ziel nicht crrcicht ist,<br />
Und ganz besonders jetit wird cs notwendig die'.<br />
sozialistische Aktivierung mit allen Mitteln zu fördern,<br />
Denn — caveant consulesl Es wird höchste Zeit<br />
der faschistischen Welle, die sich bereits im interna-.<br />
t ionalen Ausmaasse auszudehnen beginnt, nu n e i n<br />
wirlciich international aufgebautes einheitliches Ahwehrsystcm<br />
entgegenzusetzen. Das wichtigste dabei<br />
• wird sein, das Neue, das Charakteristische in den jetzt<br />
an der Tagesordnung stehenden Kämpfen zu erkennen,<br />
die Tulctilc zu m o dernisieren, sie e i nheitlich,<br />
wuchtig und in höchstem Maasse alctiv zu gestalten.<br />
Das Entscheidende ist die grundsätzliche Erkenntnis<br />
der enormen Bedeutung von psychologischen Eampfcsmethodcn<br />
und ihre entsprechende Organisierung.<br />
Falsch wäre es auch zu glauben, den faschistischen,<br />
18i
) usbreitungs- und Propagandaversuchcn mit allerlei<br />
Verboten Einhalt tun zu können — alle Verbote sind<br />
~mcr und überall nur Ül aufs glimmende Pcucr gejycscn,<br />
Nein, nur mit aktiver, psychologischcr Gegenw<br />
ehr, mit Weckung der Angriffslust im Kampf f ü r<br />
unsere völkerverbrudernden, weltbefreienden Ideale,<br />
nur mit Obergang zu Kampfesmethoden, die zur siegesbewussten,<br />
opferbereiten, freudigen Begeisterung<br />
hinreissen, werden wir die Jugend für uns haben,<br />
werden wir der drohenden Gefahr IIcrr werden. Noch<br />
ist es nicht zu spät! Aber di e Z eit drängt. Deshalb<br />
rufen wir die gesamte Arbeiterschaft und a l le f reih<br />
eitslichcndcn Menschen in allen Ländern zur A b <br />
wehr, deshalb schmettern wir in alle Winde — Alarm I<br />
Alarm l