Wanderungen durch den Heilsgau. Ergangen von Simon Weinert
Wanderungen durch den Heilsgau. Ergangen von Simon Weinert Wanderungen durch den Heilsgau. Ergangen von Simon Weinert
Heilsgau Wir möchten Sie an dieser Stelle mit der vielleicht interessantesten Neuerung im Heilsgauer Boten bekannt machen. Gemäß seinem völkerverbindendem Sendungsauftrag möchten wir ihnen nicht nur die süddeutsche Geisteswelt näher bringen, sondern Sie auch dazu einladen, mit uns durch die pittoresken Tälchen und Schlüchtchen und Felsklämmchen der Schwäbischen Alb zu streifen. Lassen Sie sich auch für ihren nächsten Urlaub inspirieren (falls Sie sich so etwas überhaupt leisten können) und genießen Sie die Vorstellung der Heilsgauer Gauen und Auen. Wir beginnen mit dem ersten Beitrag der Serie (diese Reihenfolge erschien uns sinnvoll), weitere werden folgen. Wanderungen durch den Heilsgau Durch viele schöne Stunden Fühl ich mich Dir verbunden Und darf Dich Heimat nennen. Ist Deine Schönheit mir bekannt, So bin ich dennoch weggerannt, Ohne viel zu flennen. Rund um den Wilhelmplatz in Bad Urach ich mach euch eine sach bekannt aus dem schönen schwabenland Mit diesen Versen könnte ich getrost meinen Erinnerungsstreifzug durch einen Teil Bad Urachs beginnen, wenn ich nur wollte. Will ich aber nicht. Ich möchte sie nur als Anstoß nehmen, oder vielmehr möchte ich zwei Worte daraus zum Stein des Anstoßens nehmen: schönes Schwabenland. Ich kann euch sagen, wenn man von Metzingen aus nach Urach das Ermstal hoch fährt, entweder mit dem Auto auf der B 28 oder – was noch besser ist – mit der Ermstalbahn, womöglich noch bei schönem Wetter oder irgendeiner stimmungsvollen abendlichen Beleuchtung, dann wird man gestehen müssen: das ist schön. Selbst zu Zeiten, in denen ich fast täglich diese Strecke hinter mich brachte, stumpfte meine Empfindung dieses erhabenschönen Eindrucks nicht ab. Wie sehr die Natur dieses Tal mit Schönheit und Anmut begabt hat, mag man daran ersehen, dass es nicht zu Schanden gerichtet werden konnte durch all die großen, frevelhaften Bausünden, mit denen die fleißige Bevölkerung den Reizen des Tals zu Leibe rücken wollte, als da wären: das Industriegebiet von Dettingen, die ekelhafte Ausdehnung der Neubausiedlungen Heiligenbrunnen und Buchhalde in Dettingen mit ihrer peniblen anständigen Einfallslosigkeit, der kilometerlange langweilige Wurmfortsatz Urachs von der Altstadt bis zum Kurgebiet, und die Krone der Geschmacklosigkeit: die Bebauung des Breitenstein, des Hanges oberhalb des Uracher Kurgebiets, mit wahren weithin blickenden Monstrositäten in Architektur gegossen. Nur gegen die Hässlichkeit Metzingens kann sich das Tal mit
- Seite 2 und 3: all seiner Pracht nicht mehr wehren
- Seite 4: O! du Duft! warum hast du mich verl
<strong>Heilsgau</strong><br />
Wir möchten Sie an dieser Stelle mit der vielleicht interessantesten Neuerung im<br />
<strong>Heilsgau</strong>er Boten bekannt machen. Gemäß seinem völkerverbin<strong>den</strong>dem<br />
Sendungsauftrag möchten wir ihnen nicht nur die süddeutsche Geisteswelt näher<br />
bringen, sondern Sie auch dazu einla<strong>den</strong>, mit uns <strong>durch</strong> die pittoresken Tälchen<br />
und Schlüchtchen und Felsklämmchen der Schwäbischen Alb zu streifen. Lassen<br />
Sie sich auch für ihren nächsten Urlaub inspirieren (falls Sie sich so etwas<br />
überhaupt leisten können) und genießen Sie die Vorstellung der <strong>Heilsgau</strong>er Gauen<br />
und Auen. Wir beginnen mit dem ersten Beitrag der Serie (diese Reihenfolge<br />
erschien uns sinnvoll), weitere wer<strong>den</strong> folgen.<br />
<strong>Wanderungen</strong> <strong>durch</strong> <strong>den</strong> <strong>Heilsgau</strong><br />
Durch viele schöne Stun<strong>den</strong><br />
Fühl ich mich Dir verbun<strong>den</strong><br />
Und darf Dich Heimat nennen.<br />
Ist Deine Schönheit mir bekannt,<br />
So bin ich <strong>den</strong>noch weggerannt,<br />
Ohne viel zu flennen.<br />
Rund um <strong>den</strong> Wilhelmplatz in Bad Urach<br />
ich mach euch eine sach bekannt<br />
aus dem schönen schwabenland<br />
Mit diesen Versen könnte ich getrost meinen Erinnerungsstreifzug <strong>durch</strong><br />
einen Teil Bad Urachs beginnen, wenn ich nur wollte. Will ich aber nicht. Ich<br />
möchte sie nur als Anstoß nehmen, oder vielmehr möchte ich zwei Worte daraus<br />
zum Stein des Anstoßens nehmen: schönes Schwabenland.<br />
Ich kann euch sagen, wenn man <strong>von</strong> Metzingen aus nach Urach das Ermstal<br />
hoch fährt, entweder mit dem Auto auf der B 28 oder – was noch besser ist – mit<br />
der Ermstalbahn, womöglich noch bei schönem Wetter oder irgendeiner<br />
stimmungsvollen abendlichen Beleuchtung, dann wird man gestehen müssen: das<br />
ist schön. Selbst zu Zeiten, in <strong>den</strong>en ich fast täglich diese Strecke hinter mich<br />
brachte, stumpfte meine Empfindung dieses erhabenschönen Eindrucks nicht ab.<br />
Wie sehr die Natur dieses Tal mit Schönheit und Anmut begabt hat, mag man<br />
daran ersehen, dass es nicht zu Schan<strong>den</strong> gerichtet wer<strong>den</strong> konnte <strong>durch</strong> all die<br />
großen, frevelhaften Bausün<strong>den</strong>, mit <strong>den</strong>en die fleißige Bevölkerung <strong>den</strong> Reizen<br />
des Tals zu Leibe rücken wollte, als da wären: das Industriegebiet <strong>von</strong> Dettingen,<br />
die ekelhafte Ausdehnung der Neubausiedlungen Heiligenbrunnen und Buchhalde<br />
in Dettingen mit ihrer peniblen anständigen Einfallslosigkeit, der kilometerlange<br />
langweilige Wurmfortsatz Urachs <strong>von</strong> der Altstadt bis zum Kurgebiet, und die<br />
Krone der Geschmacklosigkeit: die Bebauung des Breitenstein, des Hanges oberhalb<br />
des Uracher Kurgebiets, mit wahren weithin blicken<strong>den</strong> Monstrositäten in<br />
Architektur gegossen. Nur gegen die Hässlichkeit Metzingens kann sich das Tal mit
all seiner Pracht nicht mehr wehren, weshalb es bei Metzingen kapituliert und<br />
einfach aufhört, in eine Art schiefe Ebene übergeht, die sich vom Albtrauf bis zum<br />
Neckar neigt.<br />
Metzingen, dir freu<strong>den</strong>leere, dir wer<strong>den</strong> wir wohl einst noch ein eigenes<br />
tiefschwarzes Kapitel in <strong>den</strong> „<strong>Wanderungen</strong> <strong>durch</strong> <strong>den</strong> <strong>Heilsgau</strong>“ widmen müssen!<br />
Die pauschale Schönheit des Schwabenlandes hört aber bei der Natur auf,<br />
<strong>den</strong>n kommt man zur Betrachtung der Bewohner dieser Schatzkiste der Natur, dem<br />
schwäbischen Volke, und dem was dieses so alles produziert und <strong>von</strong> sich gibt,<br />
dann wird man neben dem Schönen eine ebenso große Menge Unschönes fin<strong>den</strong>,<br />
dann wird leicht aus der Schatzkiste, eine Kiste der Pandora. Deshalb möchte ich<br />
mich an <strong>den</strong> Versen so gern ein wenig anstoßen, weil das mit dem schönen<br />
Schwabenland so eine Sache ist und bleibt. 1<br />
Nachdem dieser Punkt ausreichend geklärt ist, kann ich die Augen meiner<br />
Erinnerung <strong>von</strong> meiner errungenen Berliner Warte tiefer in das schöne Tal<br />
hineinwandern lassen, in die Gässchen der Uracher „Innenstadt“, wo die Brauerei<br />
Olpp tatsächlich nur noch in der Erinnerung existiert. Doch hoffe ich, dass es mir<br />
gestattet ist, auch einen Teil des Weges, der meinen wandern<strong>den</strong> Erinnerungsblick<br />
zur Olpp-Brauerei führt, sehen<strong>den</strong> Auges abzuschreiten, was kein leichtes<br />
Unterfangen ist.<br />
Aber ich will’s wagen! Das sagte sich auch unser allerverehrlicher Graf<br />
Eberhard im Barte, aber auf Lateinisch: Attempto! Und da er sehr viele nicht leichte<br />
Unterfangen vor sich hatte, sagte er andauernd: Attempto! Und so wurde dieses<br />
schwungvolle Wort zu seiner Devise. Ein Mann, der derlei Devise mit sich im<br />
Munde führt, findet in der suebischen Volksseele beinahe uneingeschränkte<br />
Anerkennung 2 - anders als z.B. sein berühmter Nachfahre Karl Eugen, der wenig<br />
gewagt aber viel Geld für unnütze Dinge wie ausländische Künstler und sein<br />
liederliches Mensch aus Preußen ausgab und damit kaum suebische Anerkennung<br />
ernten konnte. Und so wurde unser hochverehrlicher Graf Eberhard zum<br />
Nationalhel<strong>den</strong> der Schwaben, zum Wilhelm Tell und Robin Hood, weil er nämlich<br />
so ein anständiger Mann gewesen ist.<br />
Wie aber freuen sich die Uracher, dass dieser überallesverehrliche Eberhard<br />
mitsamt seinem Bart in Urach residierte – weil nämlich sein Vater, der<br />
auchirgendwieverehrliche aber einer so mannhaften und anständigen Devise<br />
entbehrende Graf Ludwig I <strong>von</strong> Württemberg Urach zu seiner Resi<strong>den</strong>zstadt erkor:<br />
„dich, du kleinste unter <strong>den</strong> Städten Judas!“<br />
1 Spitzfindige Leser könnten hier folgende Spitze gegen das <strong>von</strong> mir Gesagte abschießen: nämlich dass der<br />
Begriff Schwabenland die Bewohner ja nicht unbedingt einschließen muss. Dagegen wiederum mein folgender<br />
Gedanke: wäre das Schwabenland tatsächlich unabhängig vom Völkchen der Schwaben, dann würde es nicht<br />
nach ihm benannt wer<strong>den</strong>, dann müsste man einfach nur Land sagen und das Schwabenland würde gar nicht als<br />
solches existieren. Diese Wortklauberei zeigt recht deutlich die Unzertrennlichkeit <strong>von</strong> Land und bewohnendem<br />
Menschenschlag.<br />
2 beinahe uneingeschränkt, weil die schwäbische Seele <strong>den</strong> Dualismus so sehr ins Herz geschlossen hat, dass sie<br />
neben dem Wagen immer genauso auch das Zagen in Betracht zieht. Es könnte nämlich wenn man’s mal so<br />
anguckt – woiß ma’s?
Ja, die Uracher freuen sich wie blöd darüber, dass der große Held Eberhard<br />
in ihrem sauberen und luftgekürten Örtchen residierte, ihre Freude geht so weit,<br />
dass sie beständig vergessen, dass ebenjener überdiemassenverehrliche Graf die<br />
Resi<strong>den</strong>z wieder nach Stuttgart verlegte. Aber das vielfache Attempto!, das einem<br />
im Palmensaal des Uracher Resi<strong>den</strong>zschlosses, das ursprünglich eine Wasserburg<br />
war und deshalb architektonisch sehr stark an eine überdimensionierte<br />
Prachtscheuer erinnert, vielfach in Riesenlettern entgegenprangt, ist zusammen mit<br />
dem Stolz der Uracher im Ort geblieben.<br />
Neben diesem Schloss, das sich hervorragend als ein Ort für kulturelle<br />
Veranstaltungen eignet 3 , steht seit ca. 100 Jahren ein Schulgebäude, das wie der<br />
angrenzende Platz nach einem Wilhelm benannt ist (welch Schande, dass ich nicht<br />
weiß, welcher Wilhelm Pate stand). In diesem Gebäude, der Wilhelmschule also,<br />
war allerdings keine Wilhelmschule mehr drin, <strong>den</strong>n diese hatte ihre Existenz,<br />
nicht aber ihren Namen schon längst aufgegeben. In der Wilhelmschule waren<br />
nunmehr die Räumlichkeiten für vier Grundschulklassen der Uracher Grund- und<br />
Hauptschule und für die untersten bei<strong>den</strong> Klassen des Uracher Gymnasiums, das<br />
wie zu erwarten nach dem imbärtigen Eberhard benannt ist, der nämlich für alles<br />
Volk als ein anständiges und mannhafte Devisen im Munde führendes Vorbild<br />
gelten mag.<br />
Übrigens erzähle ich das mit <strong>den</strong> untersten bei<strong>den</strong> Gymnasiumsklassen<br />
deshalb, weil ich diese selbst auf zwei Jahre verteilt besucht habe. 4 In diesen zwei<br />
Jahren hielt ich mich also sehr oft in und um die Wilhelmschule, am Wilhelmplatz<br />
gelegen, auf. Übrigens wäre der Wilhelmplatz in Urach sehr schön, wenn er nicht<br />
<strong>durch</strong> Nachkriegsbauten so verschandelt wor<strong>den</strong> wäre, <strong>den</strong>n nahebei ragt die<br />
kulturelle Prachtscheuer des Schlosses, noch näher, nämlich direkt am Platz ragt<br />
der Turm der Amanduskirche, gegenüber steht das wunderschöne mittelalterliche<br />
Gebinenhaus, ein uriges Fachwerkkleinod, in dem früher Gebinen untergebracht<br />
waren. 5 Dazwischen aber tummeln sich die nicht unansehnliche, aber stilbrüchige<br />
Wilhelmschule, die zur Baracke heruntergekommene Schloßmühle und der Anbau<br />
zum evangelischen Stift, der an Hässlichkeit seinesgleichen sucht. Die Giebelseite<br />
des Hauptgebäudes der Grund- und Hauptschule fehlt noch in der Liste der<br />
städtebaulichen Unannehmlichkeiten, die <strong>den</strong> Wilhelmplatz wie ein Heer <strong>von</strong><br />
Barbaren umzingeln.<br />
Nun ist der Weg abgeschritten, <strong>den</strong>n nun sitze ich erinnerungshalber wieder<br />
in einem zum Platz weisen<strong>den</strong> Klassenzimmer der Wilhelmschule bei einem xbeliebigen<br />
Unterricht, die Fenster sind geöffnet und herein dringt belebender<br />
Malzduft!<br />
3<br />
übrigens <strong>durch</strong>aus auch hochkarätige: hier fin<strong>den</strong> z.B. auch Konzerte im Rahmen der Bad Uracher Herbstlichen<br />
Musiktage statt, einem Musikfestival, das <strong>von</strong> Hermann Prey ins Leben gesungen wurde und sich zu einer<br />
großen Attraktion (für alle, die mindestens 50 Kilometer weit entfernt wohnen, <strong>den</strong>n seit <strong>den</strong> Tagen Karl Eugens<br />
konnte sich die arbeitende und grübelnde, anständige Provinzbevölkerung nie mehr so recht für teure Kunst<br />
begeistern) gemausert hat.<br />
4<br />
Auf die berechtigte Frage des spitzfindigen und aufmerksamen Lesers, wo <strong>den</strong>n die restlichen fünf<br />
Jahrgangsstufen des Graf-Eberhard-(im Barte)-Gymnasiums verblieben seien, antworte ich wie folgt: Im neueren<br />
aber zu kleinen Schulhauptgebäude, das gleich neben dem Kurgebiet und unterhalb der monströsen Breitenstein-<br />
Siedlung platziert ist, und <strong>von</strong> der Wilhelmsschule <strong>durch</strong> <strong>den</strong> langweiligen kilometerlangen Uracher<br />
Wurmfortsatz, der sich ereignislos <strong>durch</strong>s Tal aalt, getrennt ist.<br />
5<br />
Der Name „Gebinen“ ließ mich immer an Imkerinnen <strong>den</strong>ken, aber tatsächlich waren Gebinen wohl so etwas<br />
Ähnliches wie Nonnen.
O! du Duft! warum hast du mich verlassen!<br />
Ach, die Lust, die du früh in mir geweckt,<br />
wird gestillt jetzto nur mit vollen Maßen<br />
guten Biers, das wie du nach Malze schmeckt!<br />
Wie stark dieser Geruch meine jungen Sinne berührte, welch tiefen Eindruck<br />
er auf mein Bild der Welt machte, wie er mein noch zartes Gemüt prägte und<br />
formte, vermag auf Er<strong>den</strong> nichts und niemand zu ermessen. Wie Heerscharen<br />
lieblichster Engel schwebte das Aroma <strong>durch</strong> <strong>den</strong> Äther!<br />
Doch woher kam er, dieser selig machende Duft? Der Leser weiß es bereits<br />
und wird sogleich mit mir die Antwort geben können: <strong>von</strong> der Brauerei Olpp. Diese<br />
lag in einem der zwei Gässchen, die vom Wilhelmplatz nach Nor<strong>den</strong> hin<br />
wegführen und sich in ihrem Verlauf beide nach Osten krümmen, bis sie oberhalb<br />
des Ochsenbuckels in die Stuttgarterstraße mün<strong>den</strong>. Ging man also das linke der<br />
bei<strong>den</strong> Gässchen entlang, so stieß man nach wenigen Dutzend Metern auf die<br />
Brauerei Olpp. Das Gebäude war wie der Betrieb recht groß, jedoch so in die Enge<br />
und verwinkelte Unübersichtlichkeit der Altstadt hineingepasst, dass man die<br />
Ausmaße vom Gässchen aus gar nicht erfassen konnte. Ich hatte das Glück, die<br />
Brauerei auf sehr private Weise <strong>von</strong> Innen zu sehen, <strong>den</strong>n ich wurde <strong>von</strong> Hardi,<br />
dem Sohn des Inhabers, der sehr bald mein Freund wurde, nachdem wir uns beide<br />
in der fünften Klasse kennen gelernt hatten, herumgeführt. Bis heute beeindruckt<br />
mich unser Aufenthalt im Gärkeller, nicht weil ich aufgrund Sauerstoffmangels<br />
meine ersten Visionen gehabt hätte – die Türen waren alle geöffnet – sondern, weil<br />
die Gerüche so belebend und wohltuend waren - man hätte am liebsten ein Bad in<br />
<strong>den</strong> riesigen Becken nehmen wollen, in <strong>den</strong>en das schäumende braune Nass stand!<br />
Doch so schön dieser Gärkellerbesuch war, so musste er doch ein Ende<br />
haben. Und wenige Jahre nach dem Ende meines Besuchs, wurde die Brauerei<br />
verkauft, dann geschlossen, das Gebäude wurde abgerissen, gab Platz für hässliche<br />
und keinerlei Aroma verströmende Wohnhäuser. Mit dem Duft verflüchtigte sich<br />
ein Reiz der kleinen Kurstadt, ein Genius wurde mit dem Geruch aus ihren Mauern<br />
vertrieben und das gute Bier gab es auch nicht mehr.<br />
Und als ob die Vergänglichkeit noch nicht mit ihrem Werk zufrie<strong>den</strong><br />
gewesen wäre, musste dann auch noch der ehemalige Inhaber, der Vater meines<br />
damaligen Freundes, bei der Jagd <strong>durch</strong> einen verfluchten und schmerzhaft<br />
unwahrscheinlichen Zufall ums Leben kommen. Dabei war er doch ein Mensch,<br />
der auf mein Kindsgemüt so einen förderlichen, aufrichtigen und gerechten<br />
Eindruck gemacht hatte. Ungefähr so wie man sich <strong>den</strong> Grafen im Barte vorstellen<br />
würde, so erschien er mir damals. Weiß der Leser eigentlich, wie schwer es ist, im<br />
schönen Schwabenlande Menschen anzutreffen, die <strong>den</strong> hohen Idealen <strong>von</strong><br />
Wahrheit und Aufrichtigkeit entsprechen, die manch eine verträumte Jugend<br />
besitzt? Glaub es mir, grübelnder Leser, es ist genauso schwer wie andernorts!<br />
Die Vergänglichkeit hat nicht halt gemacht, weder vor dem guten Bier, noch<br />
vor dem besseren Menschen, und deshalb, sei ihr auch das abschließende<br />
Schlendern meiner Erinnerung gewidmet: