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Skript zum Download - Praxis für Humangenetik Freiburg

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Interdisziplinäres Integriertes Seminar <strong>Humangenetik</strong>-Neurologie<br />

Sommersemester 2007<br />

Inhalt Seite<br />

Fallbericht A/B 2-3<br />

Fallbericht C/D 4-5<br />

Gruppenarbeit II/ A (Alzheimer-Demenz) 6-8<br />

Gruppenarbeit II/ B (Fronto-Temporale-Demenz) 9-11<br />

Gruppenarbeit II/ C (Chorea Huntington 1) 12-14<br />

Gruppenarbeit II/ D (Prädiktive Diagnostik) 15-16<br />

Lernziele 17<br />

Kennzeichen Mendel’scher Erbgänge (Lehrmaterial) 18-20<br />

©Institut <strong>für</strong> <strong>Humangenetik</strong> und Anthropologie, Universität <strong>Freiburg</strong>, Breisacher Str. 33 D-79106 <strong>Freiburg</strong>


Fallbericht Gruppe A/B:<br />

Patient R.B. ist 35 Jahre alt, als seiner Frau Veränderungen auffallen. Einerseits<br />

klagt er über Impotenz, andererseits ist er immer öfter aggressiv, kann besonders auf<br />

Geräusche extrem sensibel und aufbrausend reagieren. Er beginnt seine Frau und<br />

Kinder zu schlagen. Auch an der Arbeit, R.B. ist Handwerker, ist er nicht mehr<br />

tragbar. Nachdem er einen Kollegen mit einem Hammer angegriffen hat, wird er<br />

fristlos entlassen. Seine Frau will sich scheiden lassen, aber während einer weiteren<br />

aggressiven Episode ruft sie die Polizei und ihr Mann wird zwangsweise in ein<br />

psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Dort werden Neuroleptika verabreicht,<br />

aber die führen nicht zur Beruhigung sondern zur Verschlimmerung des Zustands.<br />

Bei der psychiatrisch-neurologischen Untersuchung fällt eine unklare<br />

Sprachverflachung auf, ebenso eine Affektarmut. Neurologisch zeigt sich ein leichter<br />

Rigor in Verbindung mit einem diskreten Ruhetremor. Ein kraniales CT ergibt<br />

schließlich eine deutliche frontotemporale Atrophie. Nach Entlassung kommt es<br />

binnen zwei Jahren zu einer dramatischen Sprachreduktion. Die affektive<br />

Verflachung wird ebenfalls deutlicher bei Erhalt der Aggressivität, Herr B. verliert<br />

jeglichen Kontakt zu früheren Freunden und Bekannten. Stereotype Bewegungen<br />

fallen auf, ebenfalls eine dauernde Bewegungsunruhe und Herumwandern sowie<br />

Stuhl- und Harninkontinenz. Dies alles verschlimmert sich dramatisch. Herr B. verliert<br />

auch die Fähigkeit, seine Hände sinnvoll einzusetzen. Die Ruhelosigkeit<br />

verschlimmert sich, Herr B. wandert auch nachts umher. Er verschlingt alles, was er<br />

in die Hände bekommt, besonders Süßigkeiten und andere Kohlenhydrat reiche<br />

Lebensmittel. Trotzdem verliert er massiv an Gewicht und wirkt kachektisch. Nach<br />

vier Jahren ist R.B. bettlägerig. Nur primitive Reflexe sind noch auslösbar. Mit 44<br />

Jahren stirbt Herr R.B. im Pflegeheim. Die letztendliche Diagnose lautet Fronto-<br />

Temporale Demenz mit Parkinsonismus.<br />

Die Familie, Frau B. und Ihre zwei 19 (Sohn) und 22 (Tochter) Jahre alten Kinder,<br />

kommen zur genetischen Beratung. Sie haben gehört, es könnte sich um etwas<br />

Erbliches handeln, und möchten sich informieren. Frau B. (43) ist gesund. Sie hat<br />

eine kinderlose Schwester (39). Die Mutter von Frau B. (65) ist gesund. Sie hatte<br />

keine Geschwister. Der Vater der Mutter von Frau B. starb kurz nach dem Krieg (34)<br />

in Gefangenschaft. Die Mutter der Mutter von Frau B. wurde 83 Jahre alt und war ab<br />

dem 75. Lebensjahr deutlich „verkalkt“. Der Vater von Frau B. starb mit 72 Jahren an<br />

2


einem Herzinfarkt. Er hatte keine Geschwister. Seine Eltern wurden 80 Jahre (Vater)<br />

und 92 Jahre (Mutter).<br />

Der verstorbene R. B. hatte zwei Schwestern. Die eine ist 37 Jahre alt und hat zwei<br />

Söhne im Alter von 4 und 5 Jahren. Die andere ist 36 Jahre und kinderlos. Beide sind<br />

bislang gesund. Der Vater von R.B. verstarb mit 63 Jahren an Bronchialkarzinom,<br />

nachdem er 40 Jahre lang geraucht hatte. Er hatte keine Geschwister. Seine Mutter<br />

wurde 87 Jahre alt und starb an Herzversagen, sein Vater wurde 82 Jahre alt, die<br />

Todesursache ist nicht bekannt.<br />

Über die Mutter von R.B. weiß Frau B. nur, daß sie mit 39 Jahren von einem Auto<br />

überfahren wurde, als sie eine Straße überquerte. Sie hatte sich zuvor äußerst heftig<br />

mit ihrem Mann gestritten und mit Geschirr um sich geworfen. R.B. hatte erzählt, daß<br />

seine Mutter sich im Laufe der Zeit merkwürdig verändert hatte. Zum einen sei sie<br />

äußerst eifersüchtig geworden, <strong>zum</strong> anderen gab es wohl Gerüchte, daß sie sich<br />

„allen Männern im Dorf an den Hals geworfen“ hätte. Frau B. hat sie nie<br />

kennengelernt. Über Geschwister der Mutter ist nur bekannt, dass ihr einziger Bruder<br />

mit etwa 30 Jahren mit Frau und zwei Töchtern nach Australien ausgewandert ist. Ihr<br />

Vater war mit etwa 30 Jahren im Krieg gefallen, die Mutter ist wohl mit 60 Jahren an<br />

Brustkrebs verstorben.<br />

Gruppe A: Bitte zeichnen Sie den Familienstammbaum.<br />

Gruppe B: Bitte beantworten Sie folgende Fragen:<br />

• Welchem Erbgang könnte die Erkrankung folgen?<br />

• Wer außer R.B. könnte betroffen (gewesen) sein?<br />

• Für welche Angehörigen besteht ein Erkrankungsrisiko?<br />

• Welche weiteren Informationen über die Erkrankung brauchen Sie <strong>für</strong><br />

eine genetische Beratung der Familie?<br />

• Welches Wiederholungsrisiko besteht <strong>für</strong> diese Angehörigen?<br />

3


Fallbericht Gruppe C/ D:<br />

Patientin S.D. ist 25 Jahre alt. Seit einem Jahr fühlt sie sich niedergeschlagen,<br />

deprimiert, und hat sich in psychotherapeutische Behandlung begeben. Die<br />

Therapeutin ist nach einer 20-stündigen Verhaltenstherapie in ihrer ursprünglichen<br />

Annahme einer lebensgeschichtlich bedingten Depression verunsichert, weil sich<br />

keine Erfolge einstellen. Andererseits sind ihr an der Patientin stereotype<br />

Bewegungen im Gesicht aufgefallen. Sie rät ihr, sich bei einem Neurologen<br />

untersuchen zu lassen, um eine organische Ursache der Depression nicht zu<br />

übersehen. In der neurologischen <strong>Praxis</strong> werden die Bewegungsstereotypien<br />

bestätigt. Die Patientin wird <strong>zum</strong> MRT geschickt, hier zeigt sich eine Atrophie der<br />

Stammganglien, besonders des Nucleus caudatus. Die Patientin wird mit der<br />

Verdachtsdiagnose Chorea Huntington zur genetischen Beratung geschickt.<br />

Frau D. hat drei Geschwister. Ihre Mutter hat ihren Vater verlassen, als die Patientin<br />

12 Jahre alt war. Der Vater war zu diesem Zeitpunkt etwa 55 Jahre alt. Frau D. hat<br />

ihn danach nicht mehr gesehen, erinnert sich aber an sehr merkwürdige<br />

Bewegungen des Vaters. Er habe alles fallengelassen, seine Arme plötzlich<br />

umhergeschleudert. Schon zwei Jahre vor Auftreten dieser deutlichen<br />

Bewegungsunruhe hatte er seine Arbeit am Fließband verloren, weil er die Taktung<br />

nicht mehr durchgehalten hatte. Zu Hause trank er danach viel Alkohol und saß<br />

vorwiegend vor dem Fernseher. Seine Sprache klang <strong>zum</strong> Zeitpunkt des Auftretens<br />

der Schleuderbewegungen sehr eigenartig, Frau D. erinnert sich daran, daß sich ihr<br />

Vater häufig ernsthaft verschluckte. Nach der Trennung gab es keinen Kontakt mehr<br />

<strong>zum</strong> Vater. Die Mutter der Patientin hat jedoch über gemeinsame Bekannte erfahren,<br />

daß ihr Ehemann von seinen Geschwistern mit 60 Jahren in ein Pflegeheim gebracht<br />

wurde, wo er nach 4 Jahren an den Folgen eines Druckgeschwürs verstorben ist.<br />

Die Geschwister von Frau D. sind 18 (Bruder), 19 (Schwester), und 22 (Bruder)<br />

Jahre alt und kinderlos. Frau D. ist seit 2 Jahren verlobt und wollte vor Ausbrechen<br />

ihrer depressiven Verstimmung heiraten, hat dann aber diesen Plan zurückgestellt.<br />

Ihre Mutter (52 Jahre) hatte einen Bruder, der mit 51 Jahren an Darmkrebs starb.<br />

Seine zwei Töchter (26, 28) sind gesund. Die Eltern der Mutter sind 76 (Vater) und<br />

74 Jahre (Mutter) alt. Sie sind beide, abgesehen von Bluthochdruck (beide) und<br />

Altersdiabetes (Mutter), gesund.<br />

4


Der verstorbene Vater von Frau S. D. hatte eine Schwester und einen Bruder. Der<br />

Bruder, kinderlos, ist jetzt 68 Jahre alt und seit 6 Jahren im Pflegeheim. Er soll sehr<br />

vergesslich gewesen sein und sich eigenartig bewegt haben. Die Schwester ist jetzt<br />

75 Jahre alt und soweit bekannt gesund. Sie hat zwei Söhne (46 und 47 Jahre alt)<br />

und eine Tochter (43), alle gesund. Die Mutter des Vaters wurde 64 Jahre alt und<br />

starb an einer Lungenentzündung. Der Vater wurde 82 Jahre und litt im Alter<br />

angeblich an „Parkinson“.<br />

Gruppe C: Bitte zeichnen Sie den Familienstammbaum.<br />

Gruppe D: Beantworten Sie bitte folgende Fragen:<br />

• Welchem Erbgang könnte die Erkrankung folgen?<br />

• Wer außer dem Vater von S. D. könnte betroffen (gewesen) sein?<br />

• Für welche Angehörigen besteht ein Erkrankungsrisiko?<br />

• Welche weiteren Informationen über die Erkrankung brauchen Sie <strong>für</strong><br />

eine genetische Beratung der Familie?<br />

• Welches Wiederholungsrisiko besteht <strong>für</strong> diese Angehörigen?<br />

• Wie könnten Sie das Erkrankungsalter in der Familie beschreiben?<br />

5


Alzheimer-Demenz (AD)<br />

Klinik<br />

Gruppenarbeit II: Gruppe A<br />

Die Alzheimer-Demenz (AD) ist charakterisiert durch progressiven Verlust kognitiver<br />

Funktionen wie Kurzzeitgedächtnis, abstraktes Denken, Konzentrationsfähigkeit,<br />

Sprache und räumlich-visuelle Wahrnehmung. Da sie mit leichten<br />

Gedächtnisverlusten beginnt, wird sie anfänglich oft als simple „Vergeßlichkeit“<br />

angesehen. Einige Patienten nehmen ihren schleichenden Wahrnehmungsverlust<br />

wahr und reagieren frustriert und verängstigt. Mit der Zeit werden die Patienten<br />

arbeitsunfähig und benötigen Betreuung. Soziale Etiquette und leichte Konversation<br />

funktionieren oft noch überraschend gut. Letztendlich werden die meisten Patienten<br />

starr, stumm, inkontinent und bettlägerig. Mit AD können assoziiert sein: Unruhe,<br />

sozialer Rückzug, Halluzinationen, Anfälle, Myoklonus und Parkinson-ähnliche<br />

Symptome. Die Patienten sterben an Unterernährung, Infektionen oder<br />

Herzerkrankung.<br />

Pathogenese<br />

AD ist eine zentrale neurodegenerative Erkrankung, speziell der cholinergen<br />

Neuronen des Hippocampus, des Neocortex und anderer limbischer Strukturen.<br />

Histopathologisch lassen sich Amyloid-Plaques und neurofibrilläre „Tangles“<br />

darstellen. Die Amyloid-Plaques („senile“ Plaques) enthalten verschiedene Proteine:<br />

neben dem Aβ-Amyloid finden sich u.a. Tau, Ubiquitin, Alpha1-Antichymotrypsin und<br />

Presenilin 1 und 2 (Abb. 1C). Die neurofibrillären Tangles bestehen hauptsächlich<br />

aus hyperphosphoryliertem „Tau“-Protein.<br />

Genetik<br />

Etwa 10% der über 70-Jährigen leiden unter Demenz, etwa die Hälfte davon hat AD.<br />

AD ist genetisch heterogen; weniger als 5% der Patienten haben früh-beginnende<br />

(vor dem 65. LJ) familiäre AD, 15-25% haben spät-beginnende familiäre AD und 75%<br />

haben sporadische AD. Etwa 10% der familiären AD zeigen autosomal-dominante<br />

Vererbung, die restlichen multifaktorielle Vererbung. Frühe, autosomal-dominante AD<br />

kann verursacht werden durch Mutationen im APP-Gen (10-15% der Fälle) und in<br />

den Presenilin-Genen PSEN1 (20-70%, je nach Studie) und PSEN2 (


Amyloid Precursor Protein (APP): Transmembranprotein, lokalisiert in Endosomen,<br />

Lysosomen, ER und Golgi. Normale Spaltung durch α-Sekretase erzeugt ein 40<br />

Aminosäuren langes Peptid unbekannter Funktion. Abnormale Spaltung durch β- und<br />

γ-Sekretase produziert das amyloidogene, 42 Aminosäuren lange β-Amylopeptid (Aβ-<br />

Amyloid), das neurotoxisch ist und zu Amyloid-Plaques aggregiert (Abb.1 und 2).<br />

Mutationen im APP-Gen erhöhen selektiv die Produktion von Aβ-Amyloid. Mutationen<br />

in APP sind voll penetrant; Krankheitsbeginn zwischen 40 und 60 Jahren. Auch<br />

Duplikationen des APP-Gens führen zur Alzheimer-Demenz.<br />

Die Presenilin-Gene 1 und 2: PSEN1 und PSEN2 sind verwandte Gene; die<br />

Proteine sind zu 60% sequenzidentisch. Ihre genaue Funktion ist unbekannt, sie sind<br />

aber wahrscheinlich Komponenten des γ-Sekretase-Komplexes. PSEN1-Mutationen<br />

sind voll penetrant und führen zu stark progredientem Verlauf; Krankheitsbeginn 35-<br />

60 Jahre. PSEN2-Mutationen sind nicht voll penetrant und führen zu langsamerem<br />

Verlauf; Krankeitsbeginn 40-80 Jahre.<br />

Genetische Risiken<br />

Das Risiko <strong>für</strong> AD bei über 70-Jährigen ist 5%. Bei Verwandten ersten Grades mit<br />

AD nach dem 65. Lebensjahr erhöht sich das Risiko um den Faktor 3-6. Ist ein<br />

Geschwister vor dem 70. Lebensjahr von AD betroffen und ein Elternteil an AD<br />

erkrankt, ist das Risiko um den Faktor 7-9 erhöht. In Familien mit autosomal-<br />

dominanter AD hat jede Person ein 50%iges Risiko, das mutante Allel zu erben.<br />

Aufgabenstellung:<br />

Gestalten Sie eine kurze Präsentation (ca. 5 min) zur Alzheimer-Demenz unter<br />

Berücksichtigung der Klinik, der Pathohistologie und der Genetik<br />

7


Abb. 1: (A) Topologie des Amyloid-Precursor-Proteins (APP) ; (B) normale, nicht-<br />

amyloidogene Spaltung des APP durch α-Sekretase und Spaltung durch β- und γ-<br />

Sekretase <strong>zum</strong> Aβ-Amyloid; (C) Proteinzusammensetzung von Amyloid-Plaques<br />

(„senile“ Plaques).<br />

Abb. 2: Histologisches Bild eines Amyloid-Plaques;<br />

Immunhistochemie mit Antikörpern gegen Aβ-Amyloid.<br />

8


Frontotemporale Demenz (FTD)<br />

Gruppenarbeit II Gruppe B<br />

Die FTD ist eine Form der autosomal-dominant erblichen präsenilen Demenz, die<br />

durch einen Nervenzelluntergang in den Stirnlappen (Frontallappen) und<br />

Schläfenlappen (Temporallappen) des Gehirns verursacht wird (frontotemporale<br />

Atrophie). Sie ist neuropathologisch durch Ablagerungen aberranter tau-<br />

Proteinfilamente in Neuronen und Gliazellen charakterisiert. Die ersten Symptome<br />

treten normalerweise früher auf als bei der häufigen, senilen Form der Alzheimer-<br />

Krankheit. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt zwischen 50 und 60 Jahren,<br />

wobei die Spanne sehr groß ist (20 -85 Jahre) und von der vorliegenden Mutation<br />

abhängt. Bei der häufigen tau-Mutation p.P301S z.B. liegt das Erkrankungsalter<br />

zwischen 25 und 40 Jahren! Die FTD ist insgesamt viel seltener als die Alzheimer-<br />

Krankheit. Man schätzt, dass ca. 3 -9 % aller Demenzkranken an der FTD leiden<br />

(<strong>zum</strong> Vergleich: ca. 70 % aller Demenzen werden durch die Alzheimer-Krankheit<br />

verursacht). Bei Personen unter 65 Jahren (präsenile Demenz) treten die präsenile<br />

Alzheimer-Krankheit und die FTD gleich häufig auf. Die FTD beginnt häufig mit<br />

Persönlichkeits- und Verhaltensveränderungen. Sie kann einhergehen mit<br />

Parkinsonismus (Rigor, Tremor, Akinese sowie Bradykinese und Gang- und<br />

Standunsicherheit), Nachlassen der kognitiven Fähigkeiten, Gedächtnisverlust und<br />

Desorientierung gehören zu den zahlreichen weiteren bei FTD beschriebenen<br />

Symptomen. Die Überlebensdauer nach Erkrankungsbeginn liegt bei etwa 10<br />

Jahren.<br />

Mutationen im tau-Gen liegen bei ~20% von FTD-Patienten und ~40% von FTD-<br />

Patienten mit positiver Familiengeschichte vor (holländische Studie). Ebenso häufig<br />

scheinen Mutationen im Progranulin-Gen zu sein (erstmals 2006 erwähnt). Das tau-<br />

Gen hat 15 Exons. Im adulten Gehirn werden durch reguliertes Spleißen der Exons<br />

2, 3 und 10 insgesamt sechs Protein-Isoformen gebildet. Das alternative Spleißen<br />

von Exon 10 ist kritisch <strong>für</strong> die Lebensdauer von Nerven- und Gliazellen im adulten<br />

Gehirn. Im carboxyterminalen Abschnitt des Proteins finden sich 4 unvollständige<br />

Repeats aus 31 oder 32 Aminosäureresten. Diese werden von den Exons 9-13<br />

kodiert und enthalten Domänen, die <strong>für</strong> die Bindung des tau-Proteins an die<br />

Mikrotubuli wichtig sind. In Abhängigkeit davon, ob das 10. Exon ein- oder<br />

ausgespleißt wird, liegen 3 oder 4 Repeats in der betreffenden Isoform vor. Im<br />

fötalen Gehirn kommt nur 3-Repeat tau-Protein vor. Im adulten Cortex besteht eine<br />

9


Balance aus 3-Repeat und 4-Repeat-Isoformen mit einem Überschuß des 3-Repeat-<br />

Proteins. Die bekannten pathologischen Mutationen des tau-Gens verändern den<br />

carboxyterminalen Abschnitt des Proteins; viele dieser Mutationen begünstigen das<br />

Einspleißen von Exon 10 und erhöhen dadurch den Anteil von 4-Repeat-tau in<br />

Neuronen und Gliazellen. Das mutante Tau-Protein zeigt verminderte Bindung an<br />

Mikrotubuli, kann also nicht normal verwertet werden, wird dann überphosphoryliert<br />

und aggregiert in Form von sog. Tangles und neuritischen Plaques.<br />

(a) Schematische Darstellung der genomischen Organisation des tau-Gens.<br />

Exons sind durch Kästchen gekennzeichnet. Sechs verschiedene mRNA-Transkripte<br />

werden im Gehirn erzeugt durch alternatives Spleißen der Exons 2, 3 und 10. Exons<br />

4a, 6 und 8 fehlen in Gehirn-mRNA. Pfeile zeigen die position pathogener<br />

Mutationen an.<br />

(b) Schema der längsten Isoform von tau mit 441 Aminosäuren. Alternativ<br />

gespleißte Abschnitte sind in rot, die 4 Mikrotubuli-bindenden Repeats in grau<br />

dargestellt.<br />

10


Histologisches Bild der neurofibrillären Degeneration; Immunhistochemie mit<br />

Antikörpern gegen hochphosphoryliertes Tau.<br />

11


Huntington Krankheit, Info 1<br />

Gruppenarbeit II Gruppe C<br />

Huntington Krankheit (HD) / Chorea Huntington<br />

Klinik<br />

Die Huntington Krankheit ist eine progressive, neurodegenerative Erbkrankheit, bei<br />

der besonders im Striatum (Nucleus caudatus) und im Cortex Neurone absterben.<br />

Dadurch kommt es <strong>zum</strong> Auftreten neurologisch / psychiatrischer Symptome auf<br />

emotionaler, motorischer und kognitiver Ebene. Bei vielen Patienten treten als erste<br />

Symptome Depressionen, Gedächtnisstörungen und Konzentrationsschwäche auf,<br />

die oftmals als Beginn der Erkrankung verkannt werden. Im Vordergrund stehen<br />

choreatische (tanzartige), unter Stress verstärkte Bewegungsstörungen,<br />

Persönlichkeitsveränderungen, Demenz (Abbau der intellektuellen Fähigkeiten,<br />

Verlust von Merkfähigkeit und Gedächtnis) und allgemeiner körperlicher Verfall.<br />

Bei den meisten Patienten treten die ersten Symptome zwischen dem 30. und 50.<br />

Lebensjahr auf (adulte Form). In einigen Fallen kommt es bereits im Jugendalter zur<br />

Erstmanifestation (juvenile Form). Durchschnittlich 15 bis 20 Jahre nach ihrem<br />

Ausbruch führt die Erkrankung <strong>zum</strong> Tod.<br />

Vererbung<br />

Autosomal dominanter Erbgang mit nahezu vollständiger Penetranz (Penetranz:<br />

Anteil symptomatischer Mutationsträger an der Gesamtheit der Mutationsträger in<br />

%). Jedes Kind eines/ einer Betroffenen hat deshalb ein Risiko von 50 % das<br />

mutierte Allel zu ererben und selbst zu erkranken. Besonders bei der Vererbung über<br />

männliche Mutationsträger kann Antizipation (Vorverlagerung des Erkrankungsalters<br />

bei nachfolgenden Generationen) beobachtet werden.<br />

Häufigkeit der Erkrankung in Westeuropa ca. 1:20 000. Davon etwa 5-10 %<br />

Neumutationen.<br />

Das Huntington – Gen (IT15)<br />

Lokalisation auf dem kurzen Arm von Chromosom 4 (4p16). Das Gen beinhaltet 67<br />

Exons und codiert <strong>für</strong> ein 350 kDa Protein, Huntingtin (Abbildung 1). In Exon 1 des<br />

Gens befindet sich ein hoch polymorphes CAG-Repeat.<br />

12


(CAG)n<br />

5’<br />

Exon 1 2 3 4 67<br />

Abbildung 1: Das Huntington – Gen (IT15)<br />

Molekulargenetik der Huntington-Krankheit – dynamische Mutation<br />

Anzahl der CAG-Repeats<br />

> 40 voll penetrant Huntingtonallele<br />

36 – 39 verminderte Penetranz<br />

27 – 35 meiotisch instabil<br />

10 – 26 meiotisch stabil Normalallele<br />

Huntingtin<br />

Abbildung 2: Anzahl der CAG-Repeats bei Normalallelen und Huntingtonallelen<br />

Bei nicht von der Huntington Krankheit betroffenen Personen werden Allele im<br />

Bereich von 10 - 35 CAG-Repeats gefunden. Normalallele mit 26 oder weniger CAG-<br />

Repeats sind nicht mit der Krankheit assoziiert und sind meiotisch stabil, werden also<br />

unverändert an Nachkommen weitergegeben. Allele mit 27-35 CAG-Repeats sind<br />

nicht krankheitsverursachend, aber meiotisch instabil und können bei der Vererbung<br />

über den Vater in den Huntington-Allel-Bereich expandieren (ca. 5-10 % der Fälle),<br />

da die meiotische Instabilität beim Huntington-Allel in der Spermatogenese stärker<br />

ausgeprägt ist als in der Oogenese (Tabelle 1). Allele mit 36 bis 39 CAG-Repeats<br />

führen entweder zu einem späteren Krankheitsbeginn oder nicht zur Huntington<br />

Krankheit. Im diesem Bereich liegt unvollständige Penetranz vor. Allele mit 40 oder<br />

mehr CAG-Repeats sind voll penetrant, sie führen immer zur Erkrankung.<br />

Zwischen der Repeatlänge und dem Auftreten der ersten Symptome besteht eine<br />

inverse Korrelation: je länger das Repeat, umso früher der Erkrankungsbeginn.<br />

Patienten, die erst nach dem 60. Lebensjahr erkranken, tragen in der Regel weniger<br />

3’<br />

13


als 45 CAG-Einheiten auf dem betroffenen Allel. Personen mit 55 und mehr<br />

Einheiten erkranken meist vor dem 30. Lebensjahr. Die meisten betroffenen<br />

Erwachsenen haben 36 bis 55 Repeats. In juvenilen Fällen treten häufiger<br />

Expansionen mit mehr als 60 Repeats auf. Dies kommt im Allgemeinen durch<br />

Expansion des väterlichen Huntington-Allels zustande.<br />

Pathogenese der Huntington-Krankheit<br />

Das CAG - Triplet im Huntingtin (IT15)-Gen kodiert <strong>für</strong> die Aminosäure Glutamin.<br />

Durch die Zunahme der CAG-Tripletts kommt es zu einer überlangen<br />

Polyglutaminkette am N-Terminus des Huntingtin-Proteins. Deshalb spricht man<br />

auch von einer Polyglutaminerkrankung. Durch die verlängerte Polyglutaminkette<br />

kommt es zu Aggregationen von Huntingtin mit sich selbst oder mit anderen<br />

Proteinen. Huntingtin-Proteine mit Glutaminketten in pathologischen Bereich bilden in<br />

vitro hochmolekulare Proteinaggregate, während Proteine mit kurzen Glutaminketten<br />

(20-30) dazu nicht in der Lage sind. Normalerweise ist Huntingtin im Zytoplasma<br />

lokalisiert, bei Huntington-Patienten wird es in den Zellkern transportiert, gespalten<br />

und in Form von Einschlusskörperchen deponiert. Normales Huntingtin scheint mit<br />

einer großen Vielzahl verschiedener Proteinen, darunter verschiedene<br />

Transkriptionsfaktoren, zu interagieren. Es gibt verschiedene Theorien über den<br />

Pathomechanismus bei der Huntington-Krankheit. Weshalb es <strong>zum</strong> Absterben<br />

bestimmter Neurone im Gehirn kommt, ist allerdings nicht erwiesen.<br />

Aufgabenstellung<br />

Gestalten Sie eine kurze Präsentation (ca. 5 min) zur Huntington – Krankheit unter<br />

Berücksichtigung der Klinik, der Vererbung, des Mutationstyps und Pathogenese der<br />

Huntington-Krankheit.<br />

14


Gruppenarbeit II, Gruppe D<br />

15


Prädiktive genetische Diagnostik<br />

1. Was versteht man unter prädiktiver genetischer Diagnostik?<br />

2. Welche Voraussetzungen müssen zur Durchführung einer prädiktiven<br />

genetischen Testung erfüllt sein?<br />

3. Welcher Personenkreis (außer der Person, die den Test durchführen lassen<br />

möchte) ist von der Entscheidung einer prädiktiven genetischen Testung<br />

betroffen?<br />

4. Stellen Sie sich vor, Sie selbst stehen vor der Entscheidung zu einer prädiktiven<br />

genetischen Testung. Welche Punkte sprechen aus Ihrer Sicht <strong>für</strong>, welche gegen<br />

die Durchführung eines solchen Tests?<br />

16


Lernziele<br />

• Zeichnen eines Familienstammbaums anhand familienanamnestischer Daten.<br />

• Bewertung des Stammbaums hinsichtlich des wahrscheinlichsten Erbmodus<br />

und Interpretation der anamnestischen Angaben hinsichtlich des Phänotyps<br />

des Indexpatienten.<br />

• Abschätzen von Wiederholungsrisiken bei einfachen Mendel’schen<br />

Erbgängen unter Berücksichtigung von Penetranz und Expressivität.<br />

• Erwerb von genetischen und pathophysiologischen Kenntnissen über drei<br />

beipielhafte neurodegenerative Erkrankungen (präsenile Demenzen<br />

(Alzheimer- und Fronto-Temporale Demenz), Chorea Huntington).<br />

• Erwerb basaler Kenntnisse über Pathophysiologie und Genetik der sog.<br />

Triplett-Repeat-Erkrankungen.<br />

• Vermittlung eines Verständnisses <strong>für</strong> die Problematik der Prädiktiven<br />

Diagnostik insbesondere bei nicht therapierbaren neurodegenerativen<br />

Erkrankungen.<br />

• Vermittlung der Bedeutung genetischer Erkrankungen in der Neurologie:<br />

o genetische Erkrankungen <strong>für</strong> sich genommen sind meist selten.<br />

o In der Neurologie werden viele genetisch-bedingte Erkrankungen<br />

diagnostiziert und behandelt.<br />

o Ein Großteil der monogen vererbten Erkrankungen in der Neurologie<br />

wird autosomal-dominant vererbt.<br />

o Monogen vererbte Formen häufiger Erkrankungen (Beispiel M.<br />

Alzheimer, auch M. Parkinson) sind i.d.R. an einem besonders frühen<br />

und schweren Krankheitsverlauf zu erkennen. Bei Verdacht auf eine<br />

genetische Disposition sollte immer ein Familienstammbaum erhoben<br />

oder ein <strong>Humangenetik</strong>er konsultiert werden.<br />

17


Kennzeichen Mendel’scher Erbgänge<br />

Nach der in der Meiose erfolgten Aufteilung (Segregation) erhält jede Gamete einen<br />

haploiden Chromosomensatz, also jeweils ein Allel eines Gens. In der Zygote wird<br />

der diploide Chromosomensatz wiederhergestellt. An den beiden homologen<br />

Ausgaben eines Gens auf jedem der beiden Chromosomen kann man<br />

unterscheiden, ob die beiden Allele gleich oder verschieden sind. Sind sie gleich, ist<br />

dieser Genlocus homozygot; sind sie verschieden, ist er heterozygot. Dieser<br />

Unterschied wird als Genotyp bezeichnet. Allele (verschiedene Ausgaben eines<br />

Gens an demselben Genlocus), die sich in heterozygotem Zustand in ihrer Wirkung<br />

auf das Erscheinungsbild (Phänotyp) beobachtbar auswirken, sind dominant. Allele,<br />

die sich nur im homozygoten Zustand auf den Phänotyp auswirken, sind rezessiv.<br />

Daraus ergeben sich bei der Transmission über die Gameten zur Zygote bestimmte<br />

Regelmäßigkeiten, wie 1865 zuerst von Gregor Mendel <strong>für</strong> Autosomen erkannt:<br />

Allele mit dominanter Wirkung auf den Phänotyp lassen die 1:1 Verteilung in der<br />

nächsten Generation erkennen. Dies ist ein autosomal-dominanter Erbgang. Allele,<br />

die eine Wirkung auf den Phänotyp nur im homozygoten Zustand zeigen, lassen dies<br />

in der nächsten Generation nur in einem Verhältnis von 1 von 4 (25%) erkennen.<br />

Dies ist ein autosomal-rezessiver Erbgang.<br />

Ein X-chromosomaler Erbgang (von Mendel nicht beschrieben) bezieht sich auf alle<br />

auf dem X-Chromosom liegenden Genloci. Männliche Individuen mit nur einem X-<br />

Chromosom sind hemizygot, weibliche Individuen mit zwei X-Chromosomen sind<br />

entweder homozygot oder heterozygot. Aus diesen Zusammenhängen ergeben sich<br />

bestimmte Charakteristika <strong>für</strong> jeden der drei Erbgänge.<br />

Die Begriffe dominant und rezessiv sind ein Attribut des Phänotyps (d.h. im<br />

klinischen Sinne Krankheitsmanifestation). Sie sind von der<br />

Beobachtungsgenauigkeit abhängig und haben keine fundamentale biologische<br />

Bedeutung. Sie bilden aber ein <strong>für</strong> die <strong>Praxis</strong> verwendbares Einteilungsprinzip, weil<br />

die Feststellung eines Erbgangs eine zuverlässige Aussage über die<br />

Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens einer Krankheit in einer Familie erlaubt.<br />

Die Gene selber sind nicht dominant oder rezessiv.<br />

Autosomal-dominante Vererbung zeigt folgende Merkmale <strong>für</strong> Krankheiten, die auf<br />

einer krankheitsauslösenden Veränderung (Mutation) eines einzelnen Gens beruhen:<br />

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(1) Ein erkranktes Individuum hat einen erkrankten Elternteil, wenn es sich nicht<br />

um eine neue Mutation handelt oder die Penetranz vermindert ist,<br />

(2) ein erkranktes Individuum hat im Durchschnitt 50 % normale und 50 %<br />

erkrankte Nachkommen (dies ist aber bei kleiner Kinderzahl häufig nicht<br />

erkennbar),<br />

(3) nicht-erkrankte Kinder eines erkrankten Elternteils haben selber keine<br />

erkrankten Nachkommen (bei vollständiger Penetranz),<br />

(4) männliche und weibliche Individuen sind gleich häufig betroffen (bei kleiner<br />

Kinderzahl häufig nicht erkennbar),<br />

(5) kein Geschlechtsunterschied in der Häufigkeit der Transmission,<br />

(6) vertikale Transmission über mehrere Generationen ist möglich und legt<br />

autosomal-dominante Vererbung nahe.<br />

(7) Eine Vererbung von Vater zu Sohn kann nur bei autosomal-dominanter oder<br />

Y-chromosomaler Vererbung beobachtet werden. Da letztere aber extrem<br />

selten ist, weist diese Transmission mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine<br />

autosomal-dominante Vererbung hin. Wenn in derselben Familie auch eine<br />

Vererbung von Vater zu Tochter beobachtet wird, ist eine autosomal-<br />

dominante Vererbung nahezu bewiesen.<br />

Viele autosomal dominant erbliche Erkrankungen sind so schwer, daß Erkrankte<br />

keine eigenen Kinder haben können. Deshalb ist der Anteil neuer Mutationen um so<br />

höher, je schwerer die Erkrankung ist. Autosomal-dominant erbliche Krankheiten sind<br />

innerhalb einer Familie in ihrer Ausprägung (Expression) meistens variabel. In<br />

Ausnahmefällen ist die Anwesenheit des mutanten Allels nicht erkennbar (reduzierte<br />

Penetranz).<br />

Autosomal-rezessiv erbliche Krankheiten manifestieren sich nur im homozygoten<br />

Zustand. Man beobachtet in der Regel:<br />

(1) beide Eltern sind nicht betroffen,<br />

(2) keine vertikale Transmission der Erkrankung,<br />

(3) nur Geschwister sind erkrankt,<br />

(4) die erwartete Krankheitshäufigkeit <strong>für</strong> jedes Kind beträgt 25% und <strong>für</strong> Nicht-<br />

Auftreten der Erkrankung 75%,<br />

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(5) beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen,<br />

(6) normalerweise kein Auftreten der Erkrankung bei kollateralen<br />

Familienmitgliedern wie Cousinen/Cousins oder Onkel/Tante. Autosomal-<br />

rezessiv erbliche Erkrankungen treten häufig isoliert bei nur einem Patienten<br />

pro Familie auf. Klinisch sind autosomal-rezessive Krankheiten in der Regel<br />

innerhalb einer Familie ähnlich,<br />

(7) sind die Eltern blutsverwandt, erhärtet das den Verdacht auf autosomal-<br />

rezessive Vererbung.<br />

Bei X-chromosomal-rezessivem Erbgang beobachtet man i.d.R.:<br />

(1) keine vertikale Transmission von einem erkrankten Elternteil auf die Kinder<br />

(Ausnahme: vorwiegend das normale X-Chromosom ist inaktiviert),<br />

(2) Söhne einer heterozygoten Mutter haben ein 50%-iges Krankheitsrisiko,<br />

(3) alle Töchter eines erkrankten Vaters sind heterozygot,<br />

(4) keine Transmission vom Vater auf einen Sohn (eine Vater-Sohn-Transmission<br />

schließt einen X-chromosomalen Erbgang aus). Nicht-erkrankte Söhne einer<br />

heterozygoten Mutter können die Erkrankung nicht weitervererben.<br />

Bei X-chromosomalen Erkrankungen kann zwischen rezessiv und dominant oft nicht<br />

genau unterschieden werden. Nur wenige X-chromosomale Erkrankungen sind<br />

dominant. Bei ihnen ist die Mutation im männlichen Geschlecht meistens pränatal<br />

letal. Im Stammbaummuster findet man nur erkrankte weibliche Individuen, die<br />

heterozygot <strong>für</strong> das mutante Allel sind. Die Erkrankung tritt statistisch bei 50% der<br />

Töchter auf, und man beobachtet eine erhöhte Rate von Spontanfehlgeburten infolge<br />

Letalität im männlichen Geschlecht (Beispiele: Incontinentia pigmenti, Focale<br />

Dermale Hypoplasie, Oro-Facio-Digitales Syndrom, Hyperammonämie infolge<br />

Ornithin-Transcarbamylase-Defizienz).<br />

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