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Der Riese auf der Überholspur - Quelle: IHKplus 07/2011 - PFERD

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Betrieb und Praxis | Brasilien – Auslandsmarkt mit großen Perspektiven<br />

Brasilien<br />

<strong>Der</strong> <strong>Riese</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Überholspur</strong><br />

Gigantischer Binnenmarkt, wachsende Mittelklasse, stabiles politisches System: Brasilien zählt für deutsche Investoren<br />

zu einer attraktiven Zielregion. Doch die Löhne sind gestiegen und gut ausgebildete Fachkräfte werden knapper.<br />

Wenn Jim Rüggeberg, Geschäftsführer <strong>der</strong><br />

August Rüggeberg GmbH & Co. KG in Marienheide,<br />

die Aktivitäten <strong>der</strong> 18 ausländischen<br />

Unternehmenstöchter analysiert,<br />

dann macht <strong>der</strong> Blick <strong>auf</strong> Brasilien zurzeit<br />

beson<strong>der</strong>s viel Freude. Um 30 Prozent<br />

wuchs das Geschäft dort vergangenes Jahr.<br />

Seit 2000 ist die Firma, die unter <strong>der</strong> Marke<br />

„<strong>PFERD</strong>“ Werkzeuge für die Oberfl ächenbearbeitung<br />

und zum Trennen von Werkstoff<br />

en entwickelt, fertigt und vertreibt, in<br />

Curitiba, südlich von São Paulo, mit einer<br />

Vertriebstochter vertreten. Die hohen Investitionen<br />

im Vorfeld von Weltmeisterschaft<br />

und Olympischen Spielen (siehe Grafik)<br />

lassen die Wirtschaft boomen. Rüggeberg:<br />

„<strong>Der</strong> Markt platzt aus allen Nähten.“<br />

Laut jüngstem Konjunkturbericht <strong>der</strong><br />

IHK Köln hat Südamerika bei vielen Unternehmern<br />

<strong>der</strong> Region an Attraktivität gewonnen.<br />

Für 25,8 Prozent <strong>der</strong> Befragten gehört<br />

Südamerika zu einer wichtigen Zielregion<br />

für Auslandsinvestitionen, während es im<br />

Vorjahr nur elf Prozent waren. Als größter<br />

Markt Südamerikas übt dabei Brasilien<br />

eine beson<strong>der</strong>e Anziehungskraft aus. Das<br />

rohstoff reiche Land wurde beim Wachstum<br />

(7,5 Prozent) im vergangenen Jahr zwar von<br />

Indien (9,9) und China (10,1) überholt, doch<br />

Brasilien hat als einziges Land stärker zugelegt<br />

als vor <strong>der</strong> Krise.<br />

Die Kehrseite des Booms: Als Reaktion<br />

<strong>auf</strong> den zum Teil starken Preis<strong>auf</strong>trieb<br />

und die Lohnentwicklung haben Notenbank<br />

und Regierung zuletzt restriktive<br />

geld- und fiskalpolitische Maßnahmen<br />

ergriffen. Das Wachstum geht seitdem<br />

zurück. Victor Vogt, Geschäftsführer International<br />

<strong>der</strong> IHK Köln: „Während <strong>der</strong><br />

Präsidentschaft von Lula Da Silva hat sich<br />

Brasilien zu einem stabilen Schwellenland<br />

entwickelt und ist unter die zehn größten<br />

Volkswirtschaften <strong>der</strong> Welt <strong>auf</strong>gerückt. Das<br />

Pro-Kopf-Einkommen <strong>der</strong> Bevölkerung ist<br />

stark gestiegen und hat zu einer k<strong>auf</strong>kräf-<br />

8 <strong>IHKplus</strong> Juli | August <strong>2011</strong><br />

In Brasilien aktiv: Jim Rüggeberg, Geschäftsführer <strong>der</strong> August Rüggeberg GmbH & Co. KG<br />

aus Marienheide (o.), und Dieter Morszeck, Geschäftsführer des Koff erproduzenten Rimowa.<br />

tigen Mittelschicht geführt, die auch für<br />

deutsche Produkte <strong>auf</strong>geschlossen ist.“<br />

Ganz bewusst hat sich Rüggeberg wie<br />

das Gros <strong>der</strong> deutschen Investoren im Süden<br />

des Landes nie<strong>der</strong>gelassen. Dort leben<br />

zahlreiche aus Deutschland ausgewan<strong>der</strong>te<br />

Brasilianer, die immer noch die Sprache<br />

sprechen. Rüggeberg: „Auch genießen<br />

deutsche Investoren in Brasilien einen<br />

sehr guten Ruf wegen ihrer hochwertigen<br />

Produkte und ihrer disziplinierten Arbeitsweise.“<br />

Sein Unternehmen habe deshalb<br />

immer an einer Premium-Preisstrategie<br />

festgehalten. Das zahlt sich jetzt aus. Denn<br />

aktuell sind Preise und Gehälter stark gestiegen.<br />

Die Gehälter für das Management<br />

liegen laut Rüggeberg mittlerweile fast <strong>auf</strong><br />

deutschem Niveau, die übrigen noch etwa<br />

25 Prozent darunter. Noch fi ndet <strong>der</strong> Unternehmer<br />

ausreichend Mitarbeiter. Doch<br />

in einigen technischen Bereichen macht<br />

sich bereits Fachkräftemangel bemerkbar.<br />

So hat <strong>der</strong> nationale Industrieverband CNI<br />

ausgerechnet, dass im kommenden Jahr<br />

rund 150.000 Ingenieure fehlen würden.<br />

Bei Dieter Morszeck, Geschäftsführer<br />

beim Kölner Kofferproduzenten Rimowa,<br />

fällt die aktuelle Bilanz zum langjährigen<br />

Brasilien-Engagement etwas gedämpfter<br />

aus. Seit einigen Jahren verk<strong>auf</strong>t das Unternehmen<br />

sein Reisegepäck bereits in Flagship-Stores<br />

in den Metropolen des Landes.<br />

„Aufgrund <strong>der</strong> extrem hohen Importkosten<br />

waren unsere Koff er aber in Brasilien dann<br />

mehr als doppelt so teuer wie in Deutschland.“<br />

Das habe den Verk<strong>auf</strong> sehr gebremst.<br />

Vor gut drei Monaten startete Rimowa deshalb<br />

ein Werk in Indaiatuba südlich von São<br />

Paulo. Eine Investition, die sich schnell ausgezahlt<br />

hat. Denn <strong>der</strong> Absatz <strong>der</strong> Koff er, die<br />

jetzt deutlich günstiger angeboten werden<br />

können, hat sich schnell sehr belebt. <strong>Der</strong> Haken:<br />

Teile für die Produktion lässt Rimowa<br />

von seinem kanadischen Werk kommen.


„Die Container hängen oft wochenlang im<br />

Zoll fest, was die Produktion vor Ort erheblich<br />

erschwert. Oft geht es um reine Schikane.“<br />

Gleiches gelte für die Radarlizenz,<br />

die man etwa für Im- und Exporte benötige<br />

und oft nur mit erheblichem zeitlichem und<br />

bürokratischem Aufwand bekomme. Immer<br />

wie<strong>der</strong> treff e man dabei <strong>auf</strong> korrupte Beamte.<br />

„Und wer einmal zahlt, zahlt immer.“<br />

Sein Fazit: „Wie Indiana Jones im Dschungel<br />

muss ein Unternehmer in Brasilien abenteuerliche<br />

Prüfungen bestehen, aber dann lockt<br />

ein sehr lukrativer Markt.“<br />

Wie Rüggeberg und Rimowa freut sich<br />

auch die Kölner Cyklop GmbH, Spezialist für<br />

Transportgutsicherung, über hohes Wachstum<br />

in Brasilien. Bereits seit den 50er Jahren<br />

ist das Unternehmen dort aktiv, beschäftigt<br />

heute rund 300 Mitarbeiter in Produktion<br />

und Vertrieb. Das Werk führt ein Brasilianer,<br />

Fachkräfte werden regelmäßig nach<br />

Deutschland zum Training entsandt.<br />

Rolf Ackermann, Commercial Director<br />

bei Cyklop: „Als wir starteten, war Brasilien<br />

ein Land <strong>der</strong> Zukunft. Heute ist es in<br />

<strong>der</strong> Zukunft angekommen.“<br />

Text: Eli Hamacher | Fotos: Lars Welding,<br />

Rimowa<br />

SWOT- Analyse „Brasilien“<br />

Die SWOT-Analyse stellt einan<strong>der</strong> die Stärken (engl. Strengths), Schwächen<br />

(Weaknesses), Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) gegenüber.<br />

STÄRKEN<br />

• Rohstoff e und Agrarprodukte<br />

im Überfl uss<br />

• Reserveagrarfl ächen<br />

• Außenhandelsfl exibilität<br />

• strenge Finanzmarktregeln<br />

• Nettoauslandsgläubigerland<br />

• solides Bankensystem<br />

• starker Binnenmarkt<br />

• hohe Konsumneigung<br />

• Investitionssicherheit<br />

• starke Industriepräsenz<br />

• stabile Demokratie<br />

• kein Terrorismus<br />

• keine Kriegsgefahr<br />

• Dienstleistungsmentalität<br />

• Improvisationstalent<br />

• über 50% <strong>der</strong> Energie aus<br />

erneuerbaren <strong>Quelle</strong>n<br />

CHANCEN<br />

• anhaltende Commoditynachfrage <strong>auf</strong><br />

dem Weltmarkt<br />

• staatlich geför<strong>der</strong>te Exploration <strong>der</strong><br />

Off shorevorräte<br />

• hoher Zufl uss von Kapital aus dem<br />

Ausland<br />

• Infrastrukturausbau<br />

• Bauwirtschaftsför<strong>der</strong>programme<br />

• Fußballweltmeisterschaft 2014 und<br />

Olympiade 2016<br />

• wahrscheinliche Öff nung <strong>der</strong><br />

Industriestaaten für Ethanol<br />

• wachsendes Umweltbewusstsein<br />

IHK<br />

Information<br />

Tipps von IHK und AHK<br />

Mit sogenannten Firmenpools unterstützen<br />

die Industrie- und Handelskammern mittelständische<br />

Unternehmen beim Einstieg<br />

in Auslandsmärkte. Für den Firmenpool in<br />

Brasilien ist die IHK Essen zuständig. Die<br />

Dienstleistungen konzentrieren sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>auf</strong> die Suche nach Vertriebs- und<br />

Kooperationspartnern, Messevor- und -nachbereitungen,<br />

Erstellung von Marktanalysen,<br />

Gründungen von Tochtergesellschaften o<strong>der</strong><br />

Joint Ventures. Das Beratungsgespräch ist<br />

kostenfrei.<br />

Ansprechpartner:<br />

Tobias Slomke<br />

Tel. 0201 1892-244<br />

tobias.slomke@essen.ihk.de<br />

SCHWÄCHEN<br />

• überlastete Häfen und Flughäfen<br />

• unzureichen<strong>der</strong> öff entlicher<br />

Nahverkehr<br />

• Gütertransport <strong>auf</strong> Straße<br />

konzentriert<br />

• sehr hohe Steuern und kompliziertes<br />

Steuersystem<br />

• Facharbeitermangel<br />

• niedrige Arbeitsproduktivität<br />

• geringe Wertschöpfung in vielen<br />

Exportbereichen<br />

• ausufernde Bürokratie<br />

• langwierige Rechtsprechung<br />

• ausgrenzendes Bildungssystem<br />

• hohes Wohnungsdefi zit (Favelas)<br />

• ineffi ziente Staatsausgaben<br />

• Müll- und Abwasserprobleme<br />

• extrem hohes Zinsniveau<br />

RISIKEN<br />

• überbewerteter Real<br />

• Nachfrageausfälle <strong>auf</strong> dem Weltmarkt<br />

• hohe Abhängigkeit von<br />

Commoditypreisen<br />

• Energieversorgung hängt stark von<br />

Wasserkraft ab<br />

• private Verschuldung hoch<br />

• Deindustrialisierung durch<br />

hohe Importe<br />

• Kriminalität<br />

• Schwarzmarkt<br />

• Stromausfälle<br />

Außerdem beraten Auslandshandelskammern<br />

(AHKs) in Rio de Janeiro, São Paulo<br />

sowie Porto Alegre die Investoren vor Ort.<br />

www.ahkbrasil.com<br />

Auch bei <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ungsgesellschaft<br />

Germany Trade and Invest (GTAI)<br />

fi nden Investoren zahlreiche Informationen<br />

rund um Brasilien.<br />

www.gtai.de<br />

Ansprechpartner in <strong>der</strong> IHK Köln für das<br />

Thema Brasilien ist<br />

Victor Vogt<br />

Tel. 0221 1640-550<br />

victor.vogt@koeln.ihk.de<br />

<strong>IHKplus</strong> Juli | August <strong>2011</strong> 9<br />

<strong>Quelle</strong>: IHK Essen

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