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moma 7 Thesen Papier - Modellstadt Mannheim

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Zielgerichtete Gestaltung der<br />

Energiewende in Deutschland<br />

Intelligente Energieinfrastruktur für regionale Beteiligung und<br />

überregionale Verbundenheit im effizienten und integrierten<br />

Energiesystem auf Grundlage Erneuerbarer Energien<br />

<strong>Thesen</strong>papier aus dem E-Energy-Projekt<br />

<strong>Modellstadt</strong> <strong>Mannheim</strong> 1 zur Diskussion mit politischen<br />

Mandatsträgern<br />

Autorenteam: Taskforce <strong>Modellstadt</strong> <strong>Mannheim</strong> Projekt:<br />

Andreas Kiessling (MVV), Detlef Schumann (IBM), Ingo Schönberg (PPC), Patrick Selzam (IWES)<br />

Datum: 20. April 2012; Version 1.0<br />

1 Das hier zugrunde liegende Vorhaben wird beim Projektträgers Jülich (PtJ) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt,<br />

Naturschutz und Reaktorsicherheit im Referat KI III 5 - Forschung und Entwicklung im Bereich Erneuerbare Energien - unter dem<br />

Förderkennzeichen 0325089C gefördert<br />

1


Sieben <strong>moma</strong>-<strong>Thesen</strong><br />

Um die ökologischen und energiepolitischen Ziele umzusetzen, wird die zügige Erhöhung des Anteils<br />

Erneuerbarer Energien sowie eine massive Steigerung der Energieeffizienz in den Bereichen Elektrizität,<br />

Wärme und Verkehr benötigt. Auf Grundlage der praktischen Erkenntnisse aus dem E-Energy-Projekt<br />

<strong>Modellstadt</strong> <strong>Mannheim</strong> haben wir folgende sieben <strong>Thesen</strong> zur Umsetzung der Ziele abgeleitet:<br />

1. Subsidiarität & Transformation<br />

Der Umbau zu einem nachhaltigen Energiesystem unter Beibehaltung der hohen<br />

Versorgungssicherheit erfordert die Erschließung von Energiepotentialen aus zentralen Lagen sowie<br />

auch der dezentralen Erzeugungskapazitäten bei Unternehmen, Kommunen und Bürgern.<br />

2. Gesellschaftliches Engagement<br />

Die Erschließung der Potentiale erfordert das Engagement aller gesellschaftlichen Kräfte beim<br />

Umbau des Energiesystems sowie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit.<br />

3. Transparenz<br />

Veränderungsprozesse erfordern Wissen über Zusammenhänge und wirtschaftliche Chancen für alle<br />

Beteiligten.<br />

4. Verbundenheit von dezentralen und zentralen Strukturen<br />

Regionale Interessen sind zu integrieren in ein verbundenes Energiesystem aus dezentralen und<br />

zentralen Erzeugungs-, Speicher- und Steuerungsmechanismen. Hohe Versorgungssicherheit wird<br />

weder allein durch ein zentralisiertes System noch durch regionale Egoismen entstehen. Ein<br />

zellularer Ansatz unterstützt auch dabei, Sicherheit und Datenschutz im Netz zu erhöhen<br />

5. Flexibilität<br />

Ein nachhaltiges Energiesystem mit hohem Anteil dezentralerer und fluktuierender Energiequellen<br />

erfordert die Erschließung vielfältiger ausgleichender Flexibilitäten. Diese Flexibilisierung ist nur<br />

durch eine engere Interaktion zwischen Markt- und Netzakteuren zu erreichen. Das intelligente<br />

Zusammenspiel zwischen Markt und einem aktiven Netz fördert Flexibilitätsangebote und begrenzt<br />

somit die notwendigen Netzausbaukosten.<br />

6. Modernisierung<br />

Das zukünftige Energiesystem mit den notwendigen Flexibilitätsoptionen erfordert die Moderni-<br />

sierung und erweiterte Vernetzung der Energieinfrastruktur (Smart Grids) verbunden mit Maß-<br />

nahmen zum Netz- und Speicherausbau. Grundlage ist eine intelligente Gesamtkonzeption, die den<br />

Einsatz moderner und leistungsfähiger Informations- und Kommunikationslösungen voraussetzt.<br />

7. Regelwerk<br />

Das aktuelle Marktdesign passt nicht zum Szenario eines nachhaltigen und dezentraleren<br />

Energiesystems. Ein zielgerichteter Umbau zu einer intelligenten Energieinfrastruktur sowie die<br />

Gestaltung energiewirtschaftlicher Rahmenbedingungen eines neuen Markt- und Systemdesigns<br />

fordern den Staat als Änderungskoordinator und Regelwerkgestalter. Aktuelle Strukturen sind dabei<br />

zu überprüfen und die Weichen für den Ausbau zu stellen.<br />

2


MAßNAHMEN FÜR EINE ERFOLGREICHE ENERGIEWENDE<br />

Mit den energiepolitischen Zielen und Anforderungen ist ein klarer Paradigmenwechsel verbunden. Der<br />

Übergang aus der zentralen Energiewelt mit fossilen Kraftwerken und Kernkraftwerken hin zu Erneuerbaren<br />

Energien unter Berücksichtigung einer hohen Energieeffizienz bewirkt eine verteiltere und dezentralere<br />

Energieversorgung mit vielfältiger Beteiligung von neuen Akteuren in den Regionen und Kommunen bis hin<br />

zu den einzelnen Bürgern. Dieses Energiesystem ist nicht mehr zentral zu steuern. Deshalb sind auch in der<br />

Steuerung eines zukünftig über Strom, Wärme und Gas hinweg gemeinsam geführten Systems neue<br />

dezentrale Mechanismen für Markt- sowie für Netzführungsprozesse notwendig und bedingen einen<br />

intensiveren Einsatz geeigneter Informations- und Kommunikationssysteme. Folgende Maßnahmenfelder<br />

wurden identifiziert.<br />

1. Energiemarkt<br />

Neue Flexibilitätsmärkte: Energiemärkte für die Elektrizitäts- und Wärmeversorgung sowie den Verkehr<br />

vermitteln Energiemengen zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Die Angebotsschwankungen bei<br />

Erneuerbaren Energien erfordern aber die Entwicklung neuer Flexibilitätsmärkte auf Basis flexibler<br />

Kraftwerke, flexibler Verbräuche und von Speicherangeboten. Das aktuelle Marktdesign unterstützt die<br />

Entwicklung benötigter Flexibilitätsprodukte sowie den Betrieb flexibler Kraftwerke und Speicher noch nicht<br />

ausreichend. Eine mögliche Ausgestaltung wären regionale Flexibilitätsmechanismen, die in Analogie zur<br />

heutigen Regelenergie im Verantwortungsbereich des Übertragungsnetzbetreibers, dem Verteilnetzbetreiber<br />

Flexibilitäten zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit zur Verfügung stellen. Auch hier sind die<br />

energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen angemessen anzupassen.<br />

Zentrale und regionale Marktmechanismen: Die nachhaltige Energiegewinnung basiert auf gegenläufigen<br />

Trends mit zentralen Quellen von Wind- und Solarenergie sowie mit dezentralerer und kleinteiligerer<br />

Erzeugung in Regionen, Kommunen und bei Bürgern. Während für den ersten Bereich neue Mechanismen<br />

am Großhandelsmarkt benötigt werden, erfordert die dezentrale Erzeugung neue Aggregations- und stärker<br />

dezentralisierte Ausgleichsmechanismen. Diese sollten sowohl Erzeugungs-, Speicher- als auch<br />

Lastmanagement-Optionen erfassen und in sinnvoller regionaler Abgrenzung erfolgen. Dies erfordert neue<br />

Bilanzierungsmechanismen.<br />

Kundenorientierte Lösungen: Die notwendige Flexibilisierung des Energiesystems erfordert auch die enge<br />

Einbindung von Endkunden in immer zeitkritischere Prozesse. Insofern sind auch die Verfahren zur<br />

Kundenverhaltensprognose, der Energiebeschaffungsverfahren sowie der Kundeninteraktion mit variablen<br />

Anreizen neu zu gestalten und in akzeptierten Teilbereichen zu automatisieren. Heutige<br />

Kommunikationsmechanismen erfüllen diese Anforderungen nicht, weshalb die bisherige energetische<br />

Schnittstelle zum Kunden durch eine neu zu definierende Mess- und Steuerschnittstelle als Bestandteil des<br />

Smart Grids zu ergänzen ist.<br />

2. Energienetze und Infrastruktur<br />

Energienetze und Flexibilisierung: Zukünftig übernimmt das Verteilnetz eine verantwortlichere und<br />

aktivere Rolle. Es stellt Kapazitäten zur Verfügung und agiert in einer flexiblen Abstimmung mit dem Markt,<br />

der Angebote zur flexiblen Erzeugungs- und Verbrauchssteuerung sowie zur Nutzung von<br />

Speicherpotentialen bereit stellt. Das Verteilungsnetz wird somit zum aktiven Partner bei der<br />

Gesamtsystemoptimierung. Die regulierte Rolle des Verteilungsnetzbetreibers ist zwar im Rahmen der<br />

Entflechtung von Markt und Netz in einer dienenden Funktion, aber sie ist gleichzeitig ein aktives Regulativ<br />

für ein funktionierendes und sicheres Energiesystem.<br />

Informationstechnische Infrastruktur: Die neuen Anforderungen setzen eine intelligente<br />

Energieinfrastruktur (Smart Grids) bis hin zum Endkunden als Grundlage für Markt- und Netzakteure voraus.<br />

Diese vernetzte Infrastruktur muss eine hohe Versorgungssicherheit gewährleisten und über sichere IKT-<br />

Strukturen verfügen. Insofern ist die Entwicklung der Kommunikations- und Diensteinfrastruktur als Basis<br />

von Smart Grids eine interdisziplinäre Aufgabe und sollte unter Koordinationsaspekten staatlich unterstützt<br />

werden. Zu prüfen wäre die Zuordnung dieser Infrastrukturmaßnahmen zum Verteilnetzbetreiber in<br />

systemischer Verantwortung für die energetische und informationstechnische Einheit im Spartenverbund.<br />

3


Der Verteilnetzbetreiber kann diese Struktur dann Marktteilnehmern diskriminierungsfrei zur Verfügung<br />

stellen sowie Synergien und eine dauerhafte Weiterentwicklung sichern.<br />

Informationssicherheit und Datenschutz ist eine entscheidende Grundlage bei der Vernetzung der<br />

kritischen Infrastruktur. Sie muss durch technische aber auch durch organisatorische Maßnahmen definiert<br />

werden. Da die Gewährleistung von Informationssicherheit in der vernetzten Energieinfrastruktur die<br />

Netzzuverlässigkeit sowie die Akzeptanz des Smart Grids beeinflusst, ergibt sich ebenso die Vermutung,<br />

dass eine Zuordnung der systemischen Verantwortung zum Netzbetreiber angemessen sein könnte.<br />

3. Energiepolitik<br />

Gesellschaftliche Koordination: Die zukünftig stark vernetzte Energieinfrastruktur bei zunehmender<br />

Interaktion von Markt- und Netzakteuren zur Erschließung von Flexibilitäten erfordert von der Energiepolitik<br />

und der Regulierung die Fähigkeit in vernetzten Strukturen prozessorientiert und über vorhandene<br />

Marktrollen hinaus zu denken. Eine unabhängige Koordinierungsstelle für das zur Bewältigung der<br />

Energiewende notwendige Änderungsmanagement kann die vernetzte Sicht einnehmen und die Politik zur<br />

Definition notwendiger Rahmenbedingungen beraten.<br />

Kohärente Abstimmung: Es wird ein Verfahren zur kohärenten Abstimmung bei der Implementierung der<br />

intelligenten Energieinfrastruktur und der Gestaltung des Marktdesigns zur Integration der Erneuerbaren<br />

Energien sowie zur Beförderung regionaler Mechanismen benötigt. Im Gesamtkontext sind inhaltlich zu<br />

regeln<br />

Rahmenbedingungen und Maßnahmen zur Implementierung notwendiger technischer<br />

Mindestausstattungen,<br />

Standardisierunganforderungen an notwendige Kernprozesse zwischen verschiedenen Akteuren,<br />

Maßnahmen zur Einhaltung von Informationssicherheit, Datenschutz und Systemzuverlässigkeit<br />

sowie<br />

energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen.<br />

Europäischer Kontext: Die Schaffung notwendiger energiewirtschaftlicher Rahmenbedingungen sollte sich<br />

in den EU-Rahmen zur Umsetzung europäischer Energieinfrastrukturprioritäten einordnen, der die Adoption<br />

von Smart Grid-Technologien in der gesamten Union fordert, um effizient das Verhalten und die Aktionen<br />

aller mit dem elektrischen Netzwerk verbundenen Akteure zu integrieren.<br />

Internationale Technologieführerschaft: Die Energiewende bietet Deutschland bedeutende Chancen bei<br />

der Erlangung der Vorreiterrolle auf einem neuen Technologiegebiet und damit in der Sicherstellung der<br />

wirtschaftlichen Stärke durch die Konzentration auf einem für die Zukunft der Welt entscheidendem<br />

Wirtschaftszweig. Die Gestaltung des deutschen Rahmens für die Energiewende muss sich deshalb in das<br />

internationale Umfeld einordnen.<br />

Anreize und Infrastrukturprogramme: Auf Basis der energiepolitischen Zielstellungen sowie dem damit<br />

verbundenen Paradigmenwechsel im Szenario der zentralen sowie dezentralen Erzeugung und Steuerung<br />

des Energiesystems erwachsen die Anforderungen für ein neues Marktdesign sowie für ein verbundenes<br />

und integriertes Energiesystem. Durch damit verbundene neue technische Anforderungen ergibt sich die<br />

Notwendigkeit eine intelligente Energieinfrastruktur (Smart Grids) auszubauen. Politische Maßnahmen<br />

sollten den Umgestaltungsprozess zur vollständigen Transformation des Energiesystems fördernd und<br />

anleitend durch Anreize für alle Akteure bis hin zum Endkunden in Gang bringen. Insbesondere sind<br />

Infrastrukturprogramme für intelligente Energiesysteme auf den Weg zu bringen, da diese sich im Rahmen<br />

des heutigen Marktdesigns nicht ausreichend entwickeln werden. Letztendlich geht es darum, ob die<br />

Erweiterung zur intelligenten Energieinfrastruktur jeder Markt- und Netzakteur in verengter Sicht allein<br />

vornimmt oder ob dies eine gemeinsame Infrastrukturaufgabe ist, die im Sinne volkswirtschaftlicher<br />

Synergien sowie mit hoher Informationssicherheit, hoher Akzeptanz und hoher Systemzuverlässigkeit<br />

versehen in übergreifender Systemverantwortung gerichtet entwickelt wird.<br />

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