INHALT 4 Hochschule der Künste Bern «Ein künstlerisches Forschungslabor» 7 Musikschule Konservatorium Bern Gemeinsam statt einsam 8 Abegg-Stiftung Illustre Provenienzen 11 Bernisches Historisches Museum Faszination China 13 Kunst und Kultur rund um Bern 14 Veranstaltungstipps 15 Boulevard IMPRESSUM Herausgeber und Gesamtherstellung <strong>Stämpfli</strong> Publikationen AG, Bern Tel. 031 300 66 66 www.staempfli.com Chefredaktion Isabelle Hertel Tel. 031 300 65 27 E-Mail: isabelle.hertel@staempfli.com Gestaltungskonzept Peter Sennhauser/Christoph Bigler Layout Désirée Maire Abonnemente Tel. 031 300 63 40 E-Mail: abonnemente@staempfli.com Inserate Tel. 031 767 83 30 E-Mail: inserate@staempfli.com Auflage 22 000 Exemplare ZUM T I T ELBILD Kessel (he) aus Bronze, 8.–5. Jh. v. Chr., Longxian, Museum des Kreises Longxian Foto: Shaanxi Cultural Heritage Promotion Centre, Xi’an (China) Ein kleines Podest für das Denkmal Die Stadt Bern hat kaum Denkmäler. Oder erinnern Sie sich an eines, das sich eingeprägt hätte wie etwa die «Schreibmaschine» in Rom, jenes pompöse, unförmige Ding, das an den ersten König des neu vereinten Italien erinnern soll? Hat irgendein Denkmal in Bern einen ähnlich boshaft-liebevollen Übernamen – «die Schreibmaschine»? Denkmäler in Bern? HIER EIN INVENTAR-VERSUCH. Da ist Rudolf v. Erlach, der legendäre Sieger der Schlacht von Laupen, anno 1339 – verschämt beiseitegestellt, unter Bäumen reitet er gegenüber dem Stadttheater ins Leere. Da ist, selbstverständlich, der Adrian v. Bubenberg, der einst symbolisch mit Blut und Gut aus Kupfer den Stadteingang beschützen sollte und dann einfach aus verkehrstechnischen Gründen zur Seite gestellt wurde. Da ist, drittens, das unsägliche, für bernische Verhältnisse riesige Denkmal des Welttelegraphenvereins auf dem Helvetiaplatz; so unsäglich es ist, so wenig ist es jedoch wegzudenken. Da ist weiter Albrecht v. Haller, der Universalgelehrte – auch er, einst zentral und in gewisser Weise monumental vor dem Hauptportal des Universitätsgebäudes postiert, steht nun, als wäre er ein Kleingeist, versteckt unter Bäumen auf der Grossen Schanze. Und so, im Kopf ein Inventar erstellend, erweist es sich: Es gibt viele Denkmäler in Bern. Für Oskar Bider, den Flieger, breitet ein Jungnackter auf der Kleinen Schanze die Arme aus. Bolivar, der südamerikanische Freiheitsheld, fristet aus irgendwelchen Gründen – weshalb steht er in Bern? – sein Dasein still in der Ecke des Weltpostvereins an der Muristrasse. Der radikale Bundesrat Jakob <strong>Stämpfli</strong> schaut vor der SBB-Generaldirektion vor sich hin und wartet seit Jahrzehnten auf die dringend notwendige Revision der Bundesverfassung. Und schliesslich prüft der mythische Stadtgründer Berchtold v. Zähringen in voller Rüstung jeden Sonntag, wie viele oder wie wenige Leute in der Nydeggkirche überhaupt noch zur Predigt gehen, und meint immer noch, hier werde die Messe gelesen. ES GIBT SIE ALSO DOCH, die Denkmäler für grosse Verdienste – irgendwelcher Art. Sie sind Ausdruck einer Kultur des 19. Jahrhunderts, als auch das demokratische Staatswesen diesen vor allem feudalen, teils auf die Polis in Athen zurückgehenden Brauch der Denkmalsetzung pflegte. Genau genommen gibt es in Bern und Umgebung sogar martialische Monumente: Auf dem Dentenberg rüstet sich Erinnert an notwendige Reformen: Denkmal des radikalen Bundesrates Jakob <strong>Stämpfli</strong> (1820–1879) auf der Grossen Schanze in Bern. der Soldat für die Grenzbesetzung; auf einem Hügel nahe der Autobahn im Grauholz erinnert ein Obelisk an das Jahr 1798; in Langnau, gleich hinter der Kirche, gedenkt ein riesiger Stahlhelm der Emmentaler Opfer der Aktivdienstzeit 1914/18, unweit davon mahnt ein kleiner Obelisk an die bundestreuen Opfer des Schweizer Bürgerkriegs 1847, und ein Findling gedenkt des nach dem Bauernkrieg 1653 grausam hingerichteten Bauernführers Niklaus Leuenberger. Schwere Geschichten also. UNMERKLICH ATMET MAN AUF: Zum Glück gibt es nicht mehr von dieser Sorte, so harmlos, so idyllisch schweizerisch sie sich auch ausnehmen. Die Plätze wären überfüllt, weil es – das ist unzweifelhaft – so manche einschneidende Ereignisse gab, so manche Leute auch, die grosse Verdienste um das hatten, was früher das Gemeinwesen genannt wurde. Unmerklich atmet man allein deswegen auf, weil es im letzten Jahrhundert vor allem das Kennzeichen von totalitären Staaten war, ihre Führer und Vordenker, ihre Idole und Kratzebuckler, ihre Geheimdienstobristen und Militaristen mit irgendwelchen Büsten und grauenhaften Figurenassemblagen zu ehren. Deutschland machte da nach 1945 Tabula rasa: weg mit muskelbepackten Soldaten und Anabolika-Athleten, weg mit pseudorömischen Ariern. Man vermisst sie nicht. Und doch: Sie, die stellvertretend für die Täter stünden, würden so den Nachgeborenen die AUFTAKT VON KONRAD TOBLER 3 Augen öffnen, weil sie von der Ästhetisierung der Gewalt sprechen. Sie würden martialisch und stumm und unfreiwillig indirekt vom Unrecht und von der Unterdrückung erzählen. Wie viel schwieriger es ist, vom Entsetzen der Opfer zu reden und an dieses zu erinnern, zeugen die Debatten, die um Holocaust-Mahnmale geführt wurden. Eines der verschwiegensten befindet sich übrigens im Jüdischen Friedhof von Bern. OFT IST DIE GESELLSCHAFT FROH, die Geister loszuwerden, die sie rief und die in Bronze verewigt wurden, die schwarzen Gespenster, die sie drückten. Budapest hat das eindrücklich gezeigt. Nicht zerstört wurden dort die Grössen und die Kleingeister, die 1945 nach der schrecklichen Zeit mit dem Aufbau neuer Schrecken begannen. Ihren Denkmälern wurde nach 1989 kein Haar gekrümmt. Sie wurden eingesammelt und in einem Park aufgestellt, der so etwas wie einen Denkmal-Friedhof darstellt – ein merkwürdiges Paradox. Nun, Stalins Riesenstiefel, die als Einziges noch von des Tyrannen gewaltigem Denkmal erhalten blieben – und auch so ein starkes Dokument sind –, diese Stiefel in der Nähe von Budapest haben mit Bern nichts zu tun. Es sei nicht dafür plädiert, dass in der Länggasse ein Lenin-Denkmal errichtet werde, weil dieser während kurzer Zeit zufällig dort wohnte. Es sei nur für eine Kultur der Erinnerung plädiert, die kommenden Generationen im öffentlichen Raum erzählt, was die Leute einst bewegte. Was sie vor allem im positiven Sinne bewegte. Dafür genügen die verschämten Strassenschilder nicht, die in Bern als demokratischer Ersatz für den meistens zweifellos zweifelhaften Denkmalkult dient: der Gertrud-Kurz-Weg, der Mani- Matter-Stutz – hilflos wie die vielen Einstein-Schildchen. DIE ZUKUNFT BRAUCHT MEHR ERINNERUNG an die Vergangenheit. Was aber wäre eine zeitgemässe, nicht ihrerseits retrospektive ästhetische Form? Was tun? Das ist, ohne mit dieser Formulierung gleich Lenin zu zitieren, am Ende die Frage. Die Frage schreibt die Hilflosigkeit im Umgang mit Vergangenheit, Gedenken, Erinnerung und Ehrung allerdings nur weiter. Vielleicht gilt einfach ein Satz des US-Schriftstellers Ambrose Bierce, der sagte, ein Denkmal sei ein Bauwerk, das die Erinnerung an etwas stützen soll, das entweder dieser Stütze nicht bedarf oder an das man sich nicht erinnern könne.