Zypern-Bericht-Dr-Al.. - Lev-online.info
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<strong>Dr</strong>. Jürgen <strong>Al</strong>thaus Geschwister-Scholl-Str. 61<br />
40789 Monheim am Rhein<br />
Tel. 02173-60169<br />
Fax. 02173-940772 p.<br />
Tel. 0211-89-92722 d.<br />
E-Mail dr.juergen.althaus@t-<strong>online</strong>.de<br />
08.04.2006<br />
Forum EU-Kreisverband Herne im Herner Kulturzentrum am 06.04.2006<br />
„Wie steht es aktuell um <strong>Zypern</strong> ?“<br />
<strong>Bericht</strong>, Vortrag <strong>Dr</strong>. Gerasimos Tzviras, Bilder<br />
Auf Einladung des EU-Kreisvorstandes Herne nahm <strong>Dr</strong>. Jürgen <strong>Al</strong>thaus an dem Herner<br />
Forum am 06.04.2006 teil. Der KV-Vorsitzende <strong>Dr</strong>. Roland Kirchhof konnte mit seinem<br />
Vorstandsteam 18 interessierte TeilnehmerInnen begrüßen.<br />
Nach dem <strong>Dr</strong>. <strong>Al</strong>thaus <strong>Zypern</strong> 2003 anlässlich der 2-wöchigen Studienreise des EU<br />
Landesverbandes NRW historisch, gesellschaftlich und politisch an Ort und Stelle kennen<br />
gelernt hatte, war er daran sehr interessiert, wie der griechisch geborene und<br />
aufgewachsene Mediziner <strong>Dr</strong>. Gerasimos Tzivras ( Mitglied des EU-KV Herne ) aus seiner<br />
Sicht die nicht ganz unbedeutende Problematik des immer noch zwei-geteilten <strong>Zypern</strong>s<br />
beschreibt und beurteilt.<br />
<strong>Dr</strong>. Tzivras, der ebenfalls 2003 mit der EU-Reisegruppe auf <strong>Zypern</strong> war, hat recht objektiv<br />
und sachkundig über die Thematik referiert. Das spiegelte auch die anschließende<br />
Diskussion wieder.<br />
Sein überarbeitetes Referat und den englisch-verfaßten Anan-Plan 2004 hat <strong>Dr</strong>. Tzivras zur<br />
<strong>info</strong>rmellen Weitergabe freigegeben. <strong>Dr</strong>. <strong>Al</strong>thaus hat die ergänzenden Fotos von der<br />
Veranstaltung geliefert.<br />
Die Veranstaltung hat wieder einmal gezeigt, dass viel mehr Aufklärung notwendig, um<br />
politische Entwicklungen gerade in Ländern mit anderem kulturellen und ethnischen<br />
Hintergrund objektiv und vorurteilslos zu betrachten und zu beurteilen.<br />
Nichts ist so tödlich wie Unwissenheit, Intoleranz und Ungeduld.<br />
Autor: <strong>Dr</strong>. Jürgen <strong>Al</strong>thaus<br />
Anlagen:<br />
1 Übersichts-Lageplan <strong>Zypern</strong><br />
5 Fotos insgesamt<br />
Gruppenfoto 007 ( vlnr )<br />
Horst Nierle, Geschäftsführer Heinz-Jürgen Steinbach, NN, Vorsitzender <strong>Dr</strong>.<br />
Roland Kirchhof, stv. Vorsitzende Bärbel Steinbach, NN, <strong>Dr</strong>. Jürgen <strong>Al</strong>thaus, <strong>Dr</strong>.<br />
Gerasimos Tzivras
<strong>Dr</strong>. Gerasimos Tzivras Vortrag am 06.04.2006<br />
THEMA: „Die Ablehnung des Anan – Planes zur <strong>Zypern</strong>frage durch die Griechisch-<br />
Zyprioten“<br />
Einleitung<br />
<strong>Zypern</strong> ist nicht nur der legendäre Geburtsort der Liebes- und Schönheitsgöttin Aphrodite,<br />
sondern ein Land mit einer mehr als tausend Jahre alten Geschichte und seit 1960 eine<br />
unabhängige Republik.<br />
Geographie<br />
Geographisch gesehen, ist <strong>Zypern</strong> eher eine kleine Insel mit einer Größe von 9.251 Quadrat-<br />
KM. Ausdehnung von Ost nach West rd.240 km, von Norden nach Süden rd. 100 km. <strong>Zypern</strong><br />
liegt strategisch am östlichen Ende des Mittelmeeres, an der Kreuzung von Europa, Afrika<br />
und Asien und berührt die Handelsrouten, die Europa mit dem Mittleren Osten, Zentralasien<br />
und dem Fernen Osten verbinden.<br />
Republik <strong>Zypern</strong><br />
<strong>Zypern</strong> gewann seine Unabhängigkeit von der britischen Herrschaft im Jahre 1960.<br />
Im Jahr 1974 drang die Türkei nach <strong>Zypern</strong> ein und besetzte 35% des Landes. Die<br />
Waffenstillstandslinie läuft mitten durch die Insel, schneidet das Herz der Hauptstadt Nikosia<br />
und teilt somit die Stadt.<br />
Obgleich der Nordteil unter fremder Besatzung ist, wird die Republik <strong>Zypern</strong> international als<br />
der alleinige gesetzmäßige Staat auf der Insel, mit Hoheit über das gesamte Territorium<br />
anerkannt. Nur und ausschließlich die Besatzungsmacht Türkei hat den besetzten Norden<br />
<strong>Zypern</strong>s als eigenständigen Souveränstaat anerkannt .<br />
Regierungssystem<br />
Die Republik <strong>Zypern</strong> hat ein präsidiales Regierungssystem: Der Präsident wird direkt für 5<br />
Jahre gewählt. Die Exekutive wird durch einen 11-köpfigen, vom Präsidenten ernannten<br />
Ministerrat ausgeübt. Es gibt auch ein aus einer Kammer bestehendes Mehrparteien-<br />
Parlament, genannt Repräsentantenhaus. Die 50 Parlamentsmitglieder werden direkt vom<br />
Volk nach Verhältniswahlrecht für eine Periode von 5 Jahren gewählt.<br />
Bevölkerung<br />
<strong>Zypern</strong> hat ca. 800.000 Einwohner. Fast 81% sind Mitglieder der griechisch-zypriotischen<br />
Gemeinschaft, einschließlich 1% Maroniten, Armenier und Latiner, die beschlossen haben,<br />
der griechisch- zypriotischen Gemeinschaft anzugehören. 11% sind türkische Zyprioten und<br />
8% sind andere ausländische Staatsangehörige und Arbeiter. Die Bevölkerung schließt nicht<br />
die 119.000 türkischen Siedler im türkisch besetzten Teil von <strong>Zypern</strong> mit ein.<br />
1. Die griechischen Zyprioten sind Christen und gehören der (eigenständigen)<br />
griechisch-orthodoxen Kirche von <strong>Zypern</strong> an.<br />
2. Die türkischen Zyprioten sind Moslems, während die kleineren zypriotischen<br />
Minoritäten von Maroniten, Armeniern und Latinern anderen christlichen Kirchen<br />
angehören.
Machtverteilung<br />
Griechenland, die Türkei und Großbritannien sollten gemäß dem Zürich-London<br />
Vereinbarungen Garantiemächte der Unabhängigkeit des Landes sein. Großbritannien hat<br />
zwei souveräne Militärbasen.<br />
Die Macht wurde zwischen dem griechischen und türkischen Zyprioten geteilt in einem<br />
Verhältnis 7:3. Dieses gab der 18%-starken türkisch-zypriotischen Minorität 1/3 Beteiligung<br />
in der Regierung und in allen Institutionen. Zusätzlich wurden ihnen Vetorechte zugebilligt !<br />
Beginn des Konflikts<br />
Über Jahrhunderte lebten beide Völkergruppen friedlich neben- und miteinander. Nach 1960<br />
aber verfolgten beide Völkergruppen unterschiedliche Ziele:<br />
1. Die griechisch-zypriotische Mehrheit verfolgte das Ziel der Angliederung an<br />
Griechenland, die türkische Minderheit befürwortete die Gründung eines<br />
unabhängigen türkischen Teilstaates, was von der Türkei unterstützt wurde.<br />
2. In den Jahren 1963-67 ist es zu großen Auseinandersetzungen gekommen, die sogar<br />
in bewaffneten Kämpfen ihren Höhepunkt fanden.<br />
Der 20.07.1974 ist ein tragisches Datum !<br />
Konsequenzen der Invasion<br />
Ungefähr 142.000 griechische Zyprioten, die im Norden lebten - fast eine Viertel (23%) der<br />
Bevölkerung - wurden aus ihren Häusern vertrieben und wurden Flüchtlinge. Weitere 20.000<br />
griechische Zyprioten in den Enklaven des besetzten Gebietes wurden stufenweise, durch<br />
Verweigerung ihrer grundlegenden Menschenrechte gezwungen, ihre Häuser zu verlassen<br />
und Schutz im von der Regierung kontrollierten Gebiet zu finden. Heute leben weniger als<br />
600 griechische Zyprioten in den Enklaven. 70% des produktiven Potentials der Insel war<br />
verloren und 30% der Bevölkerung wurde arbeitslos. Seit der Invasion sind ca. 119.000<br />
Türken vom Festland illegal in das besetzte Gebiet eingewandert und türkische Zyprioten<br />
ausgewandert, die nur noch 11% der einheimischen Bevölkerung sind.<br />
Das „unabhängige“ Nord-<strong>Zypern</strong><br />
Am 15. November 1983 erklärte der türkisch besetzte Teil <strong>Zypern</strong>s sich einseitig zum<br />
unabhängigen „Staat“. Der UN-Sicherheitsrat hat, in einer entsprechenden Resolution, diese<br />
Erklärung für unzulässig erklärt und ihre Zurücknahme verlangt. Bis heute hat kein Land in<br />
der Welt, ausgenommen die Türkei, den türkisch besetzten Teil <strong>Zypern</strong>s als unabhängigen<br />
Staat anerkannt.<br />
Bemühungen um eine Lösung des <strong>Zypern</strong> - Problems<br />
UNO - geförderte Bemühungen, das <strong>Zypern</strong>-Problem zu beheben, sind bis jetzt gescheitert,<br />
und beide Seiten bleiben über die Form einer Lösung gespalten. Die griechisch-zypriotische<br />
Seite ist um eine Lösung bemüht, welche auf den UN-Resolutionen, internationalem Recht<br />
und den Prinzipien der Demokratie, der Freiheit und des Rechtsstaats basiert.<br />
Die Regierung <strong>Zypern</strong>s wünscht die Schaffung einer bikommunalen und bizonalen<br />
Föderation mit einer Zentralverwaltung, welche die Einheit des Staates und seine
Souveränität sicherstellt. Grundlegende Menschenrechte, wie Freizügigkeit und freier<br />
Wohnsitz und das Recht auf Besitz, sollen geschützt werden.<br />
Die Regierung <strong>Zypern</strong>s ist auch ein starker Fürsprecher einer Entmilitarisierung von ganz<br />
<strong>Zypern</strong> !<br />
Referendum am 24. April 2004<br />
Am 24. April 2004 war das Volk von <strong>Zypern</strong> aufgerufen, in getrennten, aber dennoch<br />
gleichzeitigen Referenden den Vorschlag des UN-Generalsekretärs zur Lösung des<br />
<strong>Zypern</strong>problems, inzwischen Annan-Plan V, anzunehmen oder abzulehnen. Das Ergebnis<br />
dieser Wahl ein beinah´ 78%tiges OXI (=Nein) der griechischen Zyprer, sorgte international<br />
für großes Aufsehen.<br />
Gemäß der am 13 Febr. 2004 in New York getroffenen Vereinbarung, sollte der UN-<br />
Generalsekretär, nach zwei Verhandlungsrunden zwischen beiden Seiten zur Erreichung<br />
einer Einigung in allen Schlüsselfragen, den Plan nach seinem Ermessen abschließen.<br />
Leider stellte sich die Aussicht einer abschließenden Festlegung des Plans durch den<br />
Generalsekretär am Ende der vereinbarten Prozedur als ein Hemmschuh für substantielle<br />
Verhandlungen in <strong>Zypern</strong> und in der Schweiz heraus.<br />
Worüber wurde eigentlich in <strong>Zypern</strong> abgestimmt ?<br />
Es war nicht die Frage der Wiedervereinigung, die die griechischen Zyprer mit einem<br />
mehrheitlich und überparteilichen „NEIN“ dokumentierten, sondern die Frage nach<br />
der Akzeptanz des Annan Plans.<br />
Die ausschlaggebenden Punkte für das „NEIN“ der griechischen Zyprer<br />
1. Die Türkei durfte auf lange Zeit hin Militär auf <strong>Zypern</strong> stationiert haben.<br />
Im 3. Annan-Plan gab die Perspektive für den Abzug des Gesamten Militärs. Der<br />
UNO-Generalsekretär hat Positionen der türkischen Seite in den fünften Plan mit<br />
aufgenommen, ohne dass es hierüber Verhandlungen gaben !<br />
2. Der Türkei sollte ein erweitertes Interventionsrecht eingeräumt werden. Dieses würde<br />
sich nicht auf den im Plan vorgesehenen türkisch-zypriotischen Teilstaat<br />
beschränken, sondern für ganz <strong>Zypern</strong> gelten.<br />
3. Der Garantievertrag durch GR / TÜRK sollte für unbestimmte Zeit fortdauern.<br />
4. <strong>Zypern</strong> sollte seine Häfen bzw. Flughäfen im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits-<br />
und Außenpolitik der Europäischen Union, nicht ohne die Zustimmung Griechenlands<br />
und der Türkei zur Verfügung stellen.<br />
5. Türkische Siedler sollten die zypriotische Staatsbürgerschaft erhalten.<br />
6. Die dauerhaften Einwanderungs-Möglichkeiten türkischer Staatsbürger sollten fest<br />
geschrieben werden.<br />
7. Die GR-Zyprioten waren der Ansicht, dass durch den Annan-Plan ein komplizierter<br />
und nicht funktionsfähiger Staat errichtet würde. Das könnte (wie nach dem
London/Züricher-Abkommen) mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Lähmung der<br />
Staatstätigkeit führen.<br />
8. Der Plan beinhaltet in einige Bestimmungen einen klaren Bruch bzw. eine langfristige<br />
Aussetzung von Grundrechten. Diese Bedingungen würden entzweiende Strukturen<br />
im politischen Bereich, in Fragen des Wohnsitzes, im Recht auf Eigentum und sogar<br />
im Recht auf Geschäftsführung institutionalisieren.<br />
9. Das Recht auf sichere Rückkehr der Vertriebene in ihre Häuser, die Ausübung der<br />
Eigentumsrechte zur Wiedererlangung von Besitz und überhaupt die Bestimmungen<br />
über<br />
Das Thema Wiedergutmachung ist voller Unklarheiten und läßt erhebliche Zweifel über ihre<br />
künftige materielle Umsetzbarkeit ( bisherige Ausnahme: DINA LOIZIDOU aus Kyrinia ).<br />
Konsequenzen bei einer Zustimmung<br />
1. Wenn es von beiden Seiten ein „JA“ gegeben hätte, dann wäre die Republik <strong>Zypern</strong><br />
aufgelöst worden. Nach 24 Stunden hätte es den so genannten „New State of<br />
Affairs“ gegeben.<br />
2. Die türkisch-zypriotische Seite hätte alles bzw. die Gründung eines eigenen<br />
Teilstaates in einer Föderation und die Aufnahme in die EU erreicht.<br />
3. Die griechisch-zypriotische Seite hingegen hätte keine unmittelbaren Vorteile gehabt.<br />
Die griechischen Zyprioten hätten zunächst nur die Hoffnung gewonnen, dass die<br />
Türkei ihren Verpflichtungen nachkommen würde. Dabei geht es um einen Zeitraum<br />
von bis zu 20 Jahren.<br />
Ein Beispiel: Die Rückkehr der vertriebenen griechischen Zyprioten: Die Türkei hätte<br />
plötzlich sagen können, dass sie die türkisch-zypriotischen Siedler anatolischen<br />
Ursprungs nicht erneut entwurzeln will. Was wäre in solch´ einem Fall geschehen?<br />
Reaktion auf die Ablehnung<br />
Die Ablehnung des Annan-Plans durch die Mehrheit der griechischen Zyprioten wurde in den<br />
deutschen Medien und von Seiten der Regierungsparteien weitgehend negativ beurteilt. Die<br />
Enttäuschung der internationalen Gemeinschaft darüber, dass keine Einigung erzielt wurde,<br />
ist absolut verständlich.<br />
Aber die größte Enttäuschung haben die griechischen Zyprioten selbst erlebt!<br />
Autor<br />
<strong>Dr</strong>. Gerasimos Tzivras