6 chor tirol 03/08 300jährige Literaturloch vorzudringen, das in meinem Stimmfach zwischen Mozart und Britten klafft. Die Zyklen von Schubert und der „Krämerspiegel“ von Richard Strauss haben schon allein deshalb eine ganz besondere Bedeutung für mich bekommen. Schuberts Sprache ist mir außerdem persönlich so nahe, dass ich sehr oft das Gefühl hatte, er sagt und singt Dinge, wie ich sie selbst empfinde und vielleicht allein nicht ausdrücken konnte. Das kann man also wohl wirklich als „Herzensstücke“ bezeichnen. Bei der „Winterreise“ kommt noch dazu, dass ich diese Lieder gemeinsam mit meinem Freund Georg Steinschaden vor und nach seiner Leukämie-Erkrankung gesungen habe und sein erstes Konzert nach der Krankheit bleibt eine unvergessliche Erinnerung, die den Texten noch eine zusätzliche tiefe Bedeutung für mich gegeben hat. atemtechnik: begriffsverwirrung „stütze“ (gekürzter artikel) In den letzten Jahren habe ich viele Seminare zu diesem Thema gehalten. Durch meine Unterrichtstätigkeit konnte ich einen guten Überblick gewinnen, welche verschiedenen Anschauungen es in diesem Fachbereich gibt. Aufgrund dieser Erfahrungen muss ich leider feststellen, dass bezüglich „Atmung und Stütze“ noch immer eine unglaubliche Begriffsverwirrung vorherrscht. Mit diesem Artikel soll Klarheit geschaffen werden. Selbst wenn dieser für viele Musiker so unglücklich gewählte Begriff konkret angesprochen wird, gibt es die kontroversiellsten Meinungen. Hier ein Auszug der häufigsten Aussagen bzw. gängigsten Praktiken und Lehrmethoden: • Man muss beim Stützen die Bauchmuskulatur anspannen, um die Luft zu komprimieren. • Stütze ist das gleiche Gefühl, wie wenn man auf der Toilette sitzt. • Das Zwerchfell muss beim Blasen / Singen / Sprechen solange wie möglich eine Einatem-Tendenz beibehalten. Singstimmen sind anfällig, sie reagieren seismografisch auf körperliche und seelische Belastungen. Wie gehen Sie mit diesem Druck um? Sänger können den Zuhörer ja sehr direkt auf einer Ebene berühren, die weit über das Akustische hinausgeht, indem sie Musik ohne ein äußeres Instrument aus sich selbst hervorbringen. So steht man als Sänger, aber auch immer zu einem großen Teil als der Mensch da, der man selber ist. Man exponiert sich, spiegelt nach außen sehr viel Persönliches und macht sich dadurch verletzlich, auch wenn das vom Zuhörer vielleicht nur auf einer unterbewussten Ebene wahrgenommen wird. Das ist sicher eine besondere Herausforderung, aber eben auch gleichzeitig ein einzigartiges Geschenk. Wenn Countertenor-Stimmen oft ein besonderer Bezug zum Überirdischen nachgesagt wird – Sie müssen nur schauen, welche Rollen zeit- • Die Stütze ist die Summe aller Kräfte, die dem Ausströmen der Luft während der Tongebung entgegenwirken. All diese Aussagen sind sehr problematisch. 80 bis 90 Prozent aller Bläser und Sänger bekommen immer wieder Probleme, weil sie sich durch falsche Definitionen des Begriffes „Stütze“ verkrampfen. Meist wird die Tatsache völlig vernachlässigt, dass sich beim aktiven Ausatmen ein Öffnen des Brustkorbs, ein Heben des Brustbeins ergeben muss, eine Beweglichkeit im Oberkörper- / Schulterbereich erhalten bleiben muss. Ohne ein Öffnen des Oberkörpers schränkt man sich so sehr in der Beweglichkeit ein, dass man beim Blasen oder Singen unweigerlich zu viel Spannung in der Bauchdecke und im gesamten Rumpfbereich aufbaut. Die Folge: Immer wieder wirkt zu viel Druck und damit eine „schließende Kraft“ auf die Stimmbänder! tiroler künstlerinnen und künstler im interview genössische Komponisten uns gerne zuschreiben – dann ist es für uns vielleicht auch eine besonders lohnende Aufgabe, sich ganz bewusst auch mit diesen außerweltlichen Aspekten von Stimme auseinanderzusetzen. Ich bemühe mich, mein Ganzes mit einzubeziehen, für Signale aus meinem Innern möglichst offen zu sein und nicht dagegen, sondern wenn möglich damit zu arbeiten und bereite mich auf Auftritte auch auf Ebenen vor, die auf den ersten Blick nichts mit Gesangstechnik zu tun haben. Auch meine Arbeit mit anderen Sängern ist sehr ganzheitlich und geht nicht selten auch in eine therapeutische Richtung. Und hier habe ich dann schon wieder Neuländer gefunden, in die es weiter mit Begeisterung vorzudringen gilt und bei so einem Thema, das ja ein lebenslanger Lernprozess ist, kommt man auch nie in die Nähe von Routine oder Stillstand. (Ursula Strohal) auch singen will gelernt sein – für gesangspädagogen • Warum dies passiert ist einfach erklärt: Wenn sich unser Knochengerüst nicht bewegt (werden beispielsweise nur die Schultern fixiert oder verengt), ist das Einzige, was sich beim Blasen / Singen bewegen kann, die Muskulatur, die rundherum kontrahiert und sich immer mehr verfestigt und verkrampft. Ist das Knochengerüst hingegen beweglich, ermöglicht man durch ein Öffnen des Brustkorbs und die Beweglichkeit der Schultern eine gewisse Flexibilität, so bleibt die Muskulatur locker genug, um auch große körperliche Leistungen, wie sie etwa beim Blasen von „High-notes“ oder beim Singen einer dramatischen Arie erforderlich sind, ohne übermäßige Anstrengung - geschweige denn ein Verkrampfen - bewältigen zu können. • Wie kann man es also schaffen, konsequent zu üben (zu trainieren), ohne sich ständig dabei zu verkrampfen? Hierbei kann man durchaus Vergleiche mit Spitzensportlern ziehen, denn jeder Sportler, Bläser oder Sänger, generell auch singen will gelernt sein – für gesangspädagogen jeder Mensch, der sich in irgendeiner Form körperlich betätigt und durch tägliches Training (Üben) bestimmte Muskelgruppen für seinen spezifischen Bereich stärkt, führt gleichzeitig einen ständigen Kampf gegen ein Verkrampfen der Muskulatur. Eine Optimierung der bewegungstechnischen Zusammenhänge ist von Nöten, weil man sich nur problemlos weiterentwickeln kann, wenn Beweglichkeit und Lockerheit erhalten bleiben. Man muss also zuerst eine gute Technik erlernen, um in einen „positiven Bereich“ zu kommen. Erst dann kann man durch konsequente Arbeit die Muskulatur in Bezug auf Ausdauer und Kraft so stärken, dass ein guter Fortschritt und eine Entwicklung bis hin zu einem professionellen Ergebnis möglich wird. Das Wichtigste ist prinzipiell die ständige Beweglichkeit, die Möglichkeit der Bewegung an sich, weil nur so ein Verkrampfen der Muskulatur verhindert werden kann. Eine große Beweglichkeit bedeutet auch, dass viel Luft bewegt werden kann, dass man mehr Reserven hat und nicht so schnell an seine Grenzen gelangt. Deshalb sollte man sich drei Schlagwörter immer wieder ins Gedächtnis rufen: Offenheit, Beweglichkeit, Lockerheit In der Praxis sind eine offene Körpersprache und Beweglichkeit im gesamten Rumpfbereich Voraussetzung, um sich eine gewisse Lockerheit zu bewahren! zur person Mit „Stütze“ ist das erzeugen einer konstanten Luftsäule mit einem gewissen Luftdruck für den jeweilig zu produzierenden Ton gemeint. Die ökonomischste Art und Weise eine solche Luftsäule zu erzeugen, also eine in ihren Bewegungsabläufen natürliche und lockere Atemstütze aufzubauen, kann nur folgende sein: Beim aktiven Ausatmen (Blasen / Singen / Sprechen) ZIEHEN SICH Bauch-, Flanken-, und Rückenmuskulatur unter dem Brustkorb ZUSAMMEN und unterstützen das Zwerchfell in seiner Bewegung nach OBEN. Dabei bewegt sich vornehmlich die Bauchdecke nach IN- NEN, womit also in einer einheitlichen, gleichgerichteten Bewegung die Luft gegen den Widerstand, den die Lippen / Stimmbänder bieten, komprimiert wird. Diese Bewegung von Bauchdecke und Zwerchfell nach INNEN-OBEN bewirkt im Idealfall, dass der Brustkorb aufgerichtet wird bzw. sich das Brustbein hebt. Der Oberkörper muss sich dabei also öffnen! Ist der entsprechende Luftdruck für den zu produzierenden Ton aufgebaut, geben die Lippen / Stimmbänder die Luft frei und die an ihnen vorbeistreichende Luft bringt sie zum Schwingen. So wird die Luft vorerst komprimiert und schließlich freigegeben (in der Praxis vollzieht sich dieser Ablauf in Sekundenbruchteilen). Man kann in diesem Sinne sagen, die Luftsäule trägt als lockere Atemstütze die produzierten Töne. Robert Kreutzer Geboren am 16. <strong>Juni</strong> 1966 in Zeltweg (Steiermark / Austria). Studium Trompete (Klassik, Jazz) und Sologesang (Oper, Lied, Oratorium). 1994: Staatliche Lehrbefähigungsprüfung im Fach Sologesang, Schwerpunktstudium Jazz (Trompete) mit Auszeichnung. 1996: Künstlerisches Diplom im Fach Sologesang mit Auszeichnung. Meisterkurse bei KS Prof. Kurt Equiluz (1992) und KS Prof. Walter Berry (1996). Ab 1994: Gastspiele als Gesangssolist am Stadttheater Klagenfurt, Konzerttätigkeit. Intensive Beschäftigung mit Atemtechnik, sowie Idee und Entwicklung einer natürlichen Atem- chor tirol 02/09 7 Entscheidend ist dabei: Jedes bewusste, kraftvolle Anspannen der Muskulatur, jedes Fixieren der Bauchdecke und jedes Verengen des Oberkörpers muss vermieden werden, weil durch all diese kraftbetonten Methoden zu viel Druck auf die Stimmbänder ausgeübt wird und eine „schließende Kraft“ auf die Stimmbänder wirkt, die im Extremfall einen Stimmband-Totalverschluss bedingt. Ein solcher Totalverschluss der Stimmbänder bewirkt wiederum einen Luftstau, der unweigerlich ins Verkrampfen führt, weil die Luft nicht mehr entweichen kann. Es gibt sicher viele Wege, die zum Ziel führen. Geht man jedoch davon aus, dass wir alle über die gleichen anatomischen Anlagen verfügen, muss es auch ein einfaches, allgemein gültiges atemtechnisches Prinzip geben, das jeder erlernen kann. Ich selbst lehre und praktiziere eine Atemtechnik, die auf natürlichen Grundlagen basiert und somit der uns von der Natur mitgegebenen Funktionalität des menschlichen Körpers nicht widerspricht: eine Atemtechnik ohne jeden unnötigen Kraftaufwand […] vollständiger Artikel unter: www.robertkreutzer.at Buchtipp: Robert Kreutzer »Stütze!!? – Atemtechnik für Bläser und Sänger. Theoretische Analyse und praktische Anwendung« Eigenverlag, 1996. - Erscheint bereits in 5. Auflage (2004) technik für Bläser und Sänger bzw. Sprechberufe. 1996: Autor und Herausgeber des Fachbuches «Stütze!!? – Atemtechnik für Bläser und Sänger. Theoretische Analyse und praktische Anwendung». Diese Publikation setzte, was die Beschreibung der atemtechnischen Zusammenhänge betrifft, neue Maßstäbe in Verständlichkeit, Logik und Praxisbezogenheit. Arbeitet heute als Gesangspädagoge und Trompetenlehrer. Umfangreiche Tätigkeit als Leiter von Seminaren zum Thema Atem-, Blas- und Stimmtechnik. Autor von Fachartikeln zu diesem Thema.