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Die Gesichter<br />
des Brotes<br />
Über die kultisch-religiöse Bedeutung<br />
der nahrhaften Mischung aus Mehl,<br />
Wasser und Salz.<br />
Julia Brugger<br />
Es ist seit Jahrtausenden zentrales Grundnahrungsmittel<br />
eines großen Teiles der Menschen<br />
und vor allem in Nordafrika und Europa mit Unmengen<br />
an kultureller Symbolik aufgeladen: das<br />
Brot. Was vor rund 10.000 Jahren den Menschen<br />
noch der Getreidebrei war, wurde in den darauffolgenden<br />
Jahrhunderten das auf heißem Stein<br />
gebackene Fladenbrot. Vor 6.000 Jahren bauten<br />
die Ägypter dann die ersten Bäckereien und die<br />
Römer folgten in einem nächsten Schritt mit<br />
den ersten Großbackstuben. <strong>Das</strong> Getreide dafür<br />
wurde dam<strong>als</strong> durchaus schon aus entfernten<br />
Ländereien importiert. Mit dem Verlust von Getreideflächen<br />
ging schließlich auch der Verfall<br />
des römischen Reiches einher.<br />
Brot bildet aber nicht nur die Grundlage der<br />
Ernährung. Es hat viele, auch gegensätzliche Gesichter:<br />
So war es Dreh- und Angelpunkt religiöser<br />
Streitigkeiten, Symbol für gesellschaftliche<br />
Abgrenzung und es ist bis heute Sinnbild für<br />
Freundschaft und etwas Heiliges.<br />
Brot: Mittel zur Abgrenzung und Heiligtum<br />
Weißbrot war bis ins 20. Jahrhundert hinein der<br />
europäischen Oberschicht vorbehalten. Für die Armen<br />
gab es Graubrot, Haferbrei und – in guten Zeiten<br />
– sonntags „Luxus-Knödel“ aus Weizenmehl und<br />
Speck. Religiös betrachtet repräsentiert Brot den Leib<br />
Christi oder ein Geschenk Allahs, <strong>als</strong>o etwas Heiliges.<br />
Wobei es bei der Verwertung in verschiedenen Religionen<br />
unterschiedliche Zugänge gibt: Trockenes<br />
Brot, das ein Christ auch mal bedenkenlos an Pferde<br />
oder Vögel verfüttert, würde ein praktizierender<br />
Muslim in traditionellen Gerichten verkochen, weil<br />
Brot im Islam <strong>als</strong> viel zu wertvoll gilt, <strong>als</strong> dass es weggeworfen<br />
oder verfüttert würde.<br />
8<br />
Gegenstand von Streit und Trennung ...<br />
In der jüdischen Tradition spielt das ungesäuerte<br />
Brot eine wesentliche Rolle. Vor allem während des<br />
Pessachfestes, einem der wichtigsten jüdischen Feste,<br />
ist das sogenannte ‚Matzebrot‘ zentrales Nahrungsmittel.<br />
Es erinnert an den Auszug der Israeliten aus<br />
Ägypten, <strong>als</strong> beim Aufbruch keine Zeit blieb, den<br />
Teig für die Brote säuern zu lassen.<br />
In der christlichen Religion wurde der Streit darüber,<br />
ob im religiösen Ritus gesäuertes oder ungesäuertes<br />
Brot verwendet werden soll, zu einem wesentlichen<br />
Grund für die Spaltung der Kirche. Die römisch-katholische<br />
Westkirche präferierte ungesäuerte Oblaten,<br />
wohingegen die orthodoxe Ostkirche, in Abgrenzung<br />
zur jüdischen Tradition, auf gesäuertes<br />
Brot bestand. Für beide Bräuche fanden sich biblische<br />
Zitate <strong>als</strong> Begründung.<br />
Die ersten Christen machten sich aus der Zusammensetzung<br />
des Brotes hingegen noch weniger. Was<br />
heute hauchdünne Weizenoblate ist, war zur Zeit der<br />
ersten Christen Gerstenbrot: ein schwer und mühsam<br />
zu kauendes Brot mit bitterem Nachgeschmack,<br />
das die Gläubigen selbst zum Gottesdienst mitbrachten.<br />
Erst im Hochmittelalter setzte sich dann Weizen<br />
<strong>als</strong> Grundlage des rituellen Brotes durch.<br />
... von Freundschaft und Verbundenheit<br />
Brot war zu jeder Zeit ein beliebtes rituelles Geschenk,<br />
das zu allen möglichen Anlässen unterschiedlich<br />
geformt wurde. An den großen christlichen<br />
Festen spielten lange Zeit auch aus Brot oder<br />
Gebäck geformte Tiere oder Figuren eine wichtige<br />
Rolle. Neben dem klassischen Christstollen, dem Allerheiligenstriezel<br />
oder dem Osterbrot gab es den<br />
Hahn, den Hirsch oder das Pferd zu Ostern, das Wickelkind,<br />
die Eidechse oder den Nikolaus zum Nikolausfest.<br />
Es wird vermutet, dass diese Gestalten auf ehemalige<br />
antike Tieropfergaben zurückzuführen sind.<br />
Heute findet man rituell verwendetes Brot nur noch<br />
selten. Doch gerade in ländlichen Gebieten wird die<br />
eine oder andere Tradition noch von einzelnen Leuten<br />
am Leben erhalten.<br />
9<br />
Brot-Traditionen<br />
Danke...<br />
* Der antike Kult, einem Neugeborenen sofort einen<br />
Glücksbringer aus Brot umzuhängen, wurde lange<br />
Zeit auch bei uns praktiziert.<br />
* An Ostern und Allerseelen schenkt(e) der Pate/die<br />
Patin dem Patenkind ein Gebäck: dem Mädchen eine<br />
Henne oder einen Hahn, dem Jungen einen Hasen,<br />
Hirsch oder ein Pferd.<br />
* An Allerseelen gab man Brotspenden an die Armen.<br />
* Heute noch wird bei der Agape nach der christlichen<br />
Hochzeit den Gästen traditionell Brot mit Salz<br />
gereicht.<br />
* Zur Wohnungseinweihung schenkte man Brot und<br />
Salz, um auszudrücken, dass es an beidem im Haus<br />
nie mangeln solle. Beides ist bei Juden, Christen und<br />
Muslimen gleichermaßen ein Symbol für Gastfreundschaft.<br />
Vereinzelt wird dieser Brauch auch<br />
noch heute praktiziert.