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Kriterien zur Auswahl von Desinfektionsmitteln für Flächen ... - Arcana

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<strong>Kriterien</strong> <strong>zur</strong> <strong>Auswahl</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Desinfektionsmitteln</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Flächen</strong> und Personal<br />

Dr. Jörg Siebert und Dipl. Ing. Margarete Witt-Mäckel<br />

Schülke &Mayr GmbH, Norderstedt<br />

Korrespondenz: Dr. Jörg Siebert, Schülke &Mayr GmbH, Robert-Koch-Str. 2,<br />

22840 Norderstedt (Germany), e-mail: joerg.siebert@schuelke.com<br />

n ZUSAMMENFASSUNG<br />

Der bei der Durchführung einer Desinfektion angestrebte Erfolg<br />

stellt sich nur ein, wenn ein dem Anwendungsbereich angemessenes<br />

Desinfektionsverfahren eingesetzt wird. Bestimmend<br />

<strong>für</strong> den Erfolg sind das Desinfektionsmittel und seine<br />

Wirkstoffe, die Konzentration der Gebrauchslösung, die <strong>zur</strong><br />

Anwendung kommende Menge, die Verteilung am Objekt, die<br />

Einwirkzeit sowie mechanische Einflussgrößen. Beschrieben<br />

und erläutert werden neben den Verfahren <strong>zur</strong> Prüfung der<br />

mikrobiologischen Wirksamkeit der Desinfektionsmittel <strong>für</strong><br />

<strong>Flächen</strong> und Hände die generellen Anforderungen an diese<br />

Präparate <strong>für</strong> den Einsatz in GMP-Bereichen.<br />

1. Einleitung<br />

Regelmäßig im Zuge des Herstellungsprozesses durchgeführte<br />

Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen stellen<br />

Grundvoraussetzungen sowohl <strong>für</strong> die gewünschte<br />

mikrobiologische Stabilität der Produkte als auch <strong>für</strong><br />

den notwendigen Gesundheitsschutz dar. Sowohl die<br />

Händereinigung und -desinfektion als auch die <strong>Flächen</strong>desinfektion<br />

<strong>von</strong> Böden und Gerätschaften sind in diesem<br />

Zusammenhang wichtige Maßnahmen. Dabei stellt<br />

sich der bei der Durchführung einer Desinfektion angestrebte<br />

Erfolg nur ein, wenn ein dem Anwendungsbereich<br />

angemessenes Desinfektionsmittel <strong>zur</strong> Anwendung<br />

kommt. Bestimmend <strong>für</strong> den Erfolg sind das Desinfektionsmittel<br />

und seine Wirkstoffe, die Konzentration der<br />

Gebrauchslösung, die <strong>zur</strong> Anwendung kommende Menge,<br />

die Verteilung am Objekt, die Einwirkzeit sowie mechanische<br />

Einflussgrößen. Beschrieben und erläutert<br />

werden nachfolgend die Verfahren <strong>zur</strong> Prüfung der mikrobiologischen<br />

Wirksamkeit <strong>von</strong> <strong>Desinfektionsmitteln</strong><br />

<strong>zur</strong> <strong>Flächen</strong>desinfektion und <strong>zur</strong> hygienischen Händedesinfektion<br />

sowie die <strong>Kriterien</strong> <strong>zur</strong> <strong>Auswahl</strong> der optimalen<br />

Präparate.<br />

n ABSTRACT<br />

Wissenschaft und Technik<br />

Originale pharmind<br />

Selection Criteria for Disinfectants for Surfaces and<br />

Personnel<br />

Successful disinfection can only be guaranteed when the correct<br />

product is used for the given application. This success<br />

depends onseveral factors: active ingredients, concentration,<br />

application and distribution, contact time and mechanical influence.<br />

Microbiological efficacy testing of disinfectants for<br />

hand and surfaces together with the general requirements for<br />

their uses in GMP areas are explained within this document.<br />

2. Generelle Anforderungen<br />

Vielfältige Anforderungen bestimmen den Einsatz <strong>von</strong><br />

<strong>Desinfektionsmitteln</strong> in der Praxis (Tab. 1). Anforderungen<br />

<strong>zur</strong> Wirksamkeit müssen vom Anwender definiert werden.<br />

Insbesondere ist zu klären, gegen welche Arten <strong>von</strong> Mikroorganismen<br />

– Bakterien, Pilze, Bakteriensporen, Mykobakterien,<br />

Viren – eine Wirksamkeit benötigt wird. Weiterhin<br />

ist festzulegen, bei welchen Einwirkzeiten, unter welchen<br />

Schmutzbelastungen, mit welchen Wirkstoffklassen oder<br />

unter welchen Umgebungseinflüssen die Wirkung erzielt<br />

werden soll. Schließlich können Randbedingungen hin-<br />

n KEY WORDS<br />

• Desinfektionsmittel<br />

• Europäische Normen<br />

• <strong>Flächen</strong>desinfektion<br />

• GMP<br />

• Händedesinfektion<br />

• Hygienische Händewaschung<br />

Pharm. Ind. 72, 1081–1085 (2010)<br />

sichtlichReinigungsvermögen, Materialverträglichkeit<br />

oder Akzeptanz durch das<br />

Personal bedeutsam sein.<br />

Als Wirkstoffe sind aus<br />

den einzelnen <strong>zur</strong> Verfügung<br />

stehenden Substanzklassen<br />

in aller Regel nur einzelne<br />

Vertreter geeignet. Sterische<br />

Eigenschaften, Dampfdruck,<br />

Toxikologie und Verträglich-<br />

Pharm. Ind. 72, Nr. 6, 1081–1085 (2010)<br />

©ECV · Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany) Siebert et al. · <strong>Auswahl</strong> <strong>von</strong> <strong>Desinfektionsmitteln</strong> 1081<br />

Nur <strong>für</strong> den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only


pharmind<br />

n Tabelle1<br />

<strong>Auswahl</strong>kriterien.<br />

Wissenschaft und Technik<br />

Originale<br />

<strong>Auswahl</strong>kriterien <strong>für</strong> <strong>Flächen</strong>desinfektionsmittel können<br />

sein:<br />

• betriebliche Vorgaben,<br />

• Konformität <strong>zur</strong> Biozid-Richtlinie,<br />

• Sterilität,<br />

• geprüfte mikrobiologische Wirksamkeit nach standardisierten<br />

Methoden (z. B. europäische Normen) mit entsprechenden<br />

Gutachten,<br />

• Art der Wirkstoffe,<br />

• Wechselwirkung der Wirkstoffe bei Einsatz zweier Desinfektionsmittel<br />

im Wechsel und zwischen Reinigern und <strong>Desinfektionsmitteln</strong><br />

(Seifenfehler),<br />

• Dosierbarkeit, Konzentration, Einwirkzeit,<br />

• Reinigungswirkung und Belastbarkeit bei Verschmutzung<br />

(Eiweißfehler),<br />

• Materialverträglichkeit, Korrosivität,<br />

• Toxikologie und Sicherheit <strong>für</strong> Mensch und Umwelt,<br />

• Geruch,<br />

• Abspülbarkeit, Rückstandsfreiheit (keine Beeinträchtigung <strong>für</strong><br />

das Produkt),<br />

• Kosten.<br />

n Tabelle2<br />

Wirkungsspektrum verschiedener Wirkstoffklassen.<br />

Bakterien/ Viren Bakterien-<br />

Pilze<br />

sporen<br />

Alkohole × (×) –<br />

Aldehyde × × ×<br />

Oxidationsmittel × × ×<br />

Amine × (×) –<br />

Phenole × (×) –<br />

Quaternäre Ammoniumverbindungen<br />

× (×) –<br />

×=wirksam; (×) =eingeschränkt wirksam; – =unwirksam<br />

keit, vor allem aber gute oder schlechte Wirkung bestimmen<br />

maßgeblich den Einsatz. Weitere Einschränkungen<br />

ergeben sich aus der Biozid-Richtlinie mit einer zukünftig<br />

nur begrenzten Vielfalt an zugelassenen Wirkstoffen sowie<br />

aus Arbeitssicherheitsaspekten (z. B. Diskussion um den<br />

Einsatz <strong>von</strong> Formaldehyd). Während die Mehrzahl der in<br />

<strong>Desinfektionsmitteln</strong> eingesetzten Wirkstoffegegen Bakterien<br />

und Pilze wirksam sind (Tab. 2), ist die Wirksamkeit<br />

z. B. gegenüber Bakteriensporen bei einigen Wirkstoffen<br />

eingeschränkt. Darüber hinaus gibt es auch innerhalb<br />

<strong>von</strong> Wirkstoffklassen, z. B. den Alkoholen, abhängig <strong>von</strong><br />

der Kettenlänge und sterischen Besonderheiten häufig<br />

deutliche Wirksamkeitsunterschiede (Tab. 3). Wirkungslücken<br />

bei einzelnen Wirkstoffen können durch Kombination<br />

mehrerer Wirkstoffe (z. B. Ethanol/Propanol oder<br />

quaternäre Ammoniumverbindungen/Biguanid) optimal<br />

ausgeglichen und die Wirksamkeit teilweise sogar syner-<br />

n Tabelle3<br />

Mikrobizide Wirksamkeit aliphatischer Alkohole<br />

gegen Staphylococcus aureus bzw. Pseudomonas<br />

aeruginosa. Konzentration (w/w) imquantitativen<br />

Suspensionsversuch nach 2min Einwirkzeit.<br />

KonzentraStaphylococ- Pseudomonas<br />

tion %w/w cus aureus aeruginosa<br />

Methanol 50<br />

–<br />

×<br />

60<br />

×<br />

×<br />

Ethanol 40<br />

–<br />

–<br />

50<br />

×<br />

×<br />

n-Propanol 15<br />

–<br />

–<br />

20<br />

×<br />

×<br />

n-Butanol 5<br />

–<br />

–<br />

10<br />

×<br />

×<br />

n-Hexanol 3<br />

–<br />

×<br />

5<br />

×<br />

×<br />

n-Octanol 5 – ×<br />

n-Dodecanol 5<br />

–<br />

–<br />

15<br />

×<br />

×<br />

×=kein Wachstum, Desinfektionserfolg; – =Wachstum, kein<br />

Desinfektionserfolg.<br />

gistisch gesteigert werden. Daher bestehen die meisten<br />

ausformulierten Desinfektionsmittel aus mehr als nur einem<br />

Wirkstoff. Wichtig ist letztendlich die Wirksamkeit<br />

der Gesamtformulierung. Dies wird durch entsprechende<br />

Begutachtungen belegt. Hier<strong>für</strong> gibt es standardisierte<br />

Methoden wie beispielweise die entsprechenden europäischen<br />

Normen der Arbeitsgruppe CEN/TC 216.<br />

3. <strong>Flächen</strong>desinfektion<br />

Bei den Produkten <strong>zur</strong> <strong>Flächen</strong>desinfektion handelt es<br />

sich entweder um gebrauchsfertige Lösungen oder um<br />

Konzentrate, die entsprechend der Angaben der Hersteller<br />

mit Wasser auf Anwendungskonzentration verdünnt<br />

werden müssen. Besonders bei Konzentraten waren früher<br />

Aldehyde als Wirkstoffe sehr beliebt. Heutzutage<br />

werden bevorzugt aldehydfreie Produkte, beispielsweise<br />

auf Basis <strong>von</strong> quaternären Ammoniumverbindungen<br />

oder Aktivsauerstoff, eingesetzt. Alkohole werden üblicherweise<br />

als gebrauchsfertige Produkte angeboten und<br />

eignen sich insbesondere <strong>für</strong> Bereiche, wo eine schnelle<br />

Abtrocknung notwendig ist.<br />

Welche Applikation bzw. Methode (Sprühen und/<br />

oder Wischen) geeignet ist, wird durch den zu desinfizierenden<br />

Gegenstand vorgegeben. Für die Ausbringung<br />

der Desinfektionsmittel gibt es zudem eine Vielzahl <strong>von</strong><br />

Geräten. Angefangen <strong>von</strong> Systemwagen <strong>für</strong> die Wischdesinfektion<br />

großer <strong>Flächen</strong> über handliche Sprühflaschen<br />

<strong>für</strong> das Besprühen kleinerer <strong>Flächen</strong> und schwer<br />

wischbarer Bereiche und Gegenstände bis hin zu fahrbaren<br />

Sprühgeräten <strong>für</strong> größere Aufbringmengen <strong>zur</strong> Desinfektion<br />

<strong>von</strong> Anlagen. Zur Herstellung und leichten Ent-<br />

Pharm. Ind. 72, Nr. 6, 1081–1085 (2010)<br />

1082 Siebert et al. · <strong>Auswahl</strong> <strong>von</strong> <strong>Desinfektionsmitteln</strong> ©ECV · Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany)<br />

Nur <strong>für</strong> den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only


nahme <strong>von</strong> gebrauchsfertigen Lösungen aus Konzentraten<br />

eignen sich spezielle Dosiergeräte, die eine konstante<br />

und geprüfte Konzentration der Gebrauchslösung<br />

ermöglichen.<br />

Zur Beurteilung der Wirksamkeit <strong>von</strong> <strong>Flächen</strong>desinfektionsmitteln<br />

dienen standardisierte Methoden z. B.<br />

nach europäischen Normen. Diese unterteilen sich in<br />

Phase 1- und Phase 2-Prüfungen. Während die Prüfungen<br />

der Phase 1 „Basisteste“ sind, die die grundsätzliche<br />

Wirksamkeit gegen Bakterien, Pilze und Bakteriensporen<br />

belegen (EN 1040, EN 1275, EN14374), gehen die<br />

Prüfungen der Phase 2stärker auf die besonderen Anwendungsbedingungen<br />

der Produkte ein. Die Phase 2-<br />

Prüfungen untergliedern sich in zwei Stufen.<br />

Phase 2/Stufe 1sind quantitative Suspensionsversuche<br />

(Abb. 1), die die bakterizide, fungizide oder sporizide<br />

Wirksamkeit eines Produktes unter simulierten Praxisbedingungen<br />

bestätigen sollen. Bei diesen Untersuchungen<br />

geht es darum, zuzeigen, dass das Produkt <strong>für</strong> die<br />

vorgesehene Verwendung geeignet ist, indem das Desinfektionsmittel<br />

im Gegensatz zu Phase 1-Prüfungen nun<br />

in Anwesenheit <strong>von</strong> organischer Belastung getestet wird<br />

(z. B. Rinderserumalbumin). Dabei wird unterschieden<br />

zwischen hoher (z. B. 0,3 % Rinderserumalbumin) und<br />

niedriger organischer Belastung (z. B. 0,03 %Rinderserumalbumin).<br />

Die Art der Belastungssubstanz orientiert sich<br />

dabei ander vorgesehenen Verwendung des Produktes.<br />

Gefordert ist hier eine Reduktion der Keimzahl <strong>von</strong> mindestens<br />

3,0 log <strong>für</strong> sporizide Wirksamkeit (EN 13 704),<br />

<strong>von</strong> mindestens 4,0 log <strong>für</strong> fungizide Wirksamkeit (z. B.<br />

EN 1650) und eine Reduktion <strong>von</strong> mindestens 5,0 log<br />

<strong>für</strong> bakterizide Wirksamkeit (z. B. EN 1276).<br />

Noch praxisnäher sind die Prüfungen der Phase 2/<br />

Stufe 2. Denn durch sogenannte Keimträgerversuche<br />

(Abb. 2), d. h. Testungen auf definierten Testoberflächen<br />

mit spezifischen Belastungssubstanzen in Analogie der<br />

Phase 2-Stufe 1-Versuche und weiteren Simulationsparametern<br />

wie beispielsweise die Antrocknung auf Oberflächen,<br />

wird die vorgesehenen Anwendung möglichst praxisnah<br />

nachgestellt. Gefordert ist hier eine Reduktion<br />

der Keimzahl <strong>von</strong> mindestens 4,0 log <strong>für</strong> bakterizide<br />

Wirksamkeit (z. B. EN 13 697) und eine Reduktion <strong>von</strong><br />

mindestens 3,0 log <strong>für</strong> fungizide Wirksamkeit (z. B.<br />

EN 13 697).<br />

Für den Einsatz <strong>von</strong> <strong>Flächen</strong>desinfektionsmitteln in<br />

pharmazeutischen Betrieben sind allerdings neben den<br />

oben genannten Aspekten auch gesetzliche Forderungen<br />

zu berücksichtigen. Der EU-GMP-Leitfaden einer Guten<br />

Herstellungspraxis <strong>für</strong> Arzneimittel fordert in den ergänzenden<br />

Leitlinien <strong>für</strong> die Herstellung steriler Arzneimittel<br />

(Annex 1) ebenso wie die FDA-Leitlinie <strong>für</strong> die<br />

Herstellung steriler Arzneimittel unter aseptischen Bedingungen,<br />

dass Reinigungs- und Desinfektionsmittel<br />

vor dem Einsatz in den Reinheitsklassen Aund B(ISO-<br />

Klasse 5) steril sein sollen. Für sensible Bereiche außerhalb<br />

der Reinheitszonen Aund Bbieten keimfiltrierte<br />

Abb. 1: Prinzip des Suspensionsversuchs. Merkmale: frei bewegliche<br />

Organismen, unbegrenzte Desinfektionsmittelmenge.<br />

Einwirkmöglichkeiten <strong>von</strong> allen Seiten.<br />

Abb. 2: Prinzip des Auftrageverfahrens <strong>für</strong> Keimträgerversuche.<br />

Merkmale: fixierte Organismen, die evtl. durch organische<br />

Materie geschützt sind; begrenzte Desinfektionsmittelmenge;<br />

eingeschränkte Einwirkzeiten.<br />

Produkte einen besonderen Schutz. Eine mögliche Selektion<br />

adaptiv-resistenter Keime im Produktionsbereich<br />

soll durch den durch die Leitlinien geforderten Wechsel<br />

der Desinfektionsmitteltypen vermieden werden. Dieser<br />

Wechsel <strong>von</strong> Desinfektionsmittelwirkstoffen lässt sich<br />

gut mit einer weiteren Forderung der FDA-Leitlinie <strong>für</strong><br />

die Herstellung steriler Arzneimittel unter aseptischen<br />

Bedingungen verbinden. Routinemäßig ist der Einsatz<br />

<strong>von</strong> <strong>Desinfektionsmitteln</strong>, die gegen die unter normalen<br />

Bedingungen zu erwartende vegetative Keimflora wirksam<br />

sind, zwar ausreichend, dennoch sollte ein effektives<br />

Desinfektionsprogramm ein sporizides Desinfektionsmittel<br />

beinhalten. Dessen Einsatz erfolgt nach<br />

einem vorgeschriebenen Wechsel und sobald durch das<br />

mikrobiologische Monitoring die Anwesenheit <strong>von</strong> Bakteriensporen<br />

festgestellt wird. Wird <strong>für</strong> ein Desinfektionsprogramm<br />

ein nicht sporizides Desinfektionsmittel,<br />

z. B. auf Basis <strong>von</strong> quaternären Ammoniumverbindungen,<br />

und ein sporizides Desinfektionsmittel, z. B. auf Basis<br />

<strong>von</strong> Aktivsauerstoff, ausgewählt und im Wechsel eingesetzt,<br />

so werden beide zuletzt genannten Forderungen<br />

erfüllt.<br />

Pharm. Ind. 72, Nr. 6, 1081–1085 (2010)<br />

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pharmind<br />

Wissenschaft und Technik<br />

Originale<br />

Abb. 3: Standardverfahren <strong>zur</strong> Sicherstellung der vollständigen Desinfektion aller<br />

Hautpartien der Hand (Standardeinreibemethode gem. EN 1500).<br />

4. Händereinigung und-desinfektion<br />

Die Hände stellen eine der wichtigsten Übertragungsquellen<br />

<strong>für</strong> mögliche Krankheits- und Verderbniserreger<br />

dar. Das Ziel der hygienischen Händedesinfektion ist es,<br />

diese an der Hand haftenden Kontaminationskeime abzutöten<br />

oder zu inaktivieren, um durch eine derartige<br />

Maßnahme eine Übertragung auf andere Personen, Gegenstände<br />

oder Produkte durch Kontakt zu verhindern.<br />

In der pharmazeutischen Industrie wird ein direkter<br />

Kontakt mit der Hand in der Regel durch das Tragen<br />

<strong>von</strong> Handschuhen vermieden. Da Mikroperforationen<br />

bei neuen oder in Gebrauch befindlichen Handschuhen<br />

nicht ausgeschlossen werden können, stellt das Tragen<br />

<strong>von</strong> Handschuhen keinen Ersatz <strong>für</strong> eine regelmäßig<br />

durchzuführende Händedesinfektion dar.<br />

Bei alkoholbasierten Einreibepräparaten („rub in“-<br />

Produkte) ist zum Zwecke der Hautschonung eine vorher<br />

durchgeführte Seifenwaschung im Allgemeinen nicht<br />

notwendig. Lediglich bei sichtbarer Verschmutzung der<br />

Hände oder vor Arbeitsbeginn sollte vor der Händedesinfektion<br />

eine vollständige Reinigung der Hände mit Hilfe<br />

eines Waschpräparates erfolgen und die Hände nachfolgend<br />

mit Einmalhandtüchern getrocknet werden. Die<br />

Hände müssen mit dem Händedesinfektionsmittel vollständig<br />

benetzt werden. Das Einreiben erfolgt sehr sorgfältig,<br />

vor allem die Nagelfalzen werden häufig vergessen.<br />

Die Einwirkungszeiten liegen im Allgemeinen bei<br />

30 Sekunden. Hierzu ist meist eine Menge <strong>von</strong> 3mlausreichend.<br />

Die Händedesinfektionsmittel bestehen in der<br />

Regel aus einer Wirkstoffkombination <strong>von</strong> kurzkettigen<br />

Alkoholen (d. h. Ethanol und/oder 1- bzw. 2-Propanol)<br />

in hoher Konzentration (50–80 %). Die Alkohole sind <strong>für</strong><br />

die schnelle und umfassende Wirksamkeit verantwortlich<br />

und verflüchtigen sich aufgrund ihres hohen Dampfdruckes<br />

schnell <strong>von</strong> den desinfizierten Hautarealen.<br />

Weitere Wirkstoffe ingeringen Konzentrationen können<br />

den Händedesinfektionsmitteln zusätzlich zugesetzt<br />

sein, um eine sogenannte remanente Wirkung über die<br />

eigentliche Einwirkzeit hinaus zu gewährleisten.<br />

Als weitere Möglichkeit können bei stärkerer Fettund<br />

Proteinbelastung der Hände auch antimikrobielle<br />

Präparate <strong>zur</strong> hygienischen Händewaschung („Scrub“-<br />

Produkte) eingesetzt werden.<br />

Die Überprüfung der Präparate auf ausreichende<br />

Wirksamkeit erfolgt abhängig vom Produkttyp nach verschiedenen<br />

harmonisierten europäischen Normen. Bei<br />

der hygienischen Händedesinfektion nach EN 1500 als<br />

Einreibeverfahren unter Verwendung Alkohol-basierter<br />

Präparate ohne Zusatz <strong>von</strong> Wasser darf die Verringerung<br />

der Keimabgabe nach künstlicher Kontamination<br />

der Hände freiwilliger Probanden mit dem Prüfkeim<br />

Escherichia coli und nachfolgender Desinfektion nicht<br />

signifikant geringer sein als die durch das Referenzpräparat<br />

(2-Propanol, 60 %). Bei dem zweiten Verfahren,<br />

der desinfizierenden Händewaschung nach EN 1499,<br />

wird das Präparat unter Anwendung <strong>von</strong> Leitungswasser<br />

als Waschpräparat eingesetzt. Die Wirksamkeit des Präparates<br />

muss signifikant besser sein als die einer nichtantimikrobiellen<br />

Seife.<br />

Neben Art und Menge der eingesetzten Wirkstoffe sowie<br />

der Einwirkzeit hängt die Wirksamkeit der Präparate<br />

maßgeblich auch <strong>von</strong> der gleichmäßigen und vollständigen<br />

Benetzung der Hände ab. Diese Benetzung ist<br />

durch ein entsprechendes Einreibe- bzw. Waschverfahren<br />

sicherzustellen (Abb. 3).<br />

5. Fazit<br />

Grundsätzlich zeigt sich, dass die Durchführung der<br />

Desinfektion um so wirtschaftlicher und effektiver wird,<br />

je besser sie im Vorfeld geplant und organisiert wird. Die<br />

richtige <strong>Auswahl</strong> der Desinfektionsmittel entsprechend<br />

den betrieblichen und regulatorischen Anforderungen<br />

unterstützt das Ziel, einen hohen Hygienestatus zu erreichen.<br />

Pharm. Ind. 72, Nr. 6, 1081–1085 (2010)<br />

1084 Siebert et al. · <strong>Auswahl</strong> <strong>von</strong> <strong>Desinfektionsmitteln</strong> ©ECV · Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany)<br />

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n LITERATUR<br />

[1] EN 1040. Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika –<br />

Quantitativer Suspensionsversuch <strong>zur</strong> Bestimmung der bakteriziden<br />

Wirkung (Basistest) chemischer Desinfektionsmittel und Antiseptika<br />

– Prüfverfahren und Anforderungen (Phase 1). 2006.<br />

[2] EN 1275. Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika –<br />

Quantitativer Suspensionsversuch <strong>zur</strong> Bestimmung der fungiziden<br />

oder levuroziden Wirkung (Basistest) chemischer Desinfektionsmittel<br />

und Antiseptika – Prüfverfahren und Anforderungen<br />

(Phase 1). 2006.<br />

[3] EN 1276. Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika –<br />

Quantitativer Suspensionsversuch <strong>zur</strong> Bestimmung der bakteriziden<br />

Wirkung chemischer Desinfektionsmittel und Antiseptika in<br />

den Bereichen Lebensmittel, Industrie, Haushalt und öffentliche<br />

Einrichtungen – Prüfverfahren und Anforderungen (Phase 2/<br />

Stufe 1). 1997.<br />

[4] EN 1499. Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika – Desinfizierende<br />

Händewaschung – Prüfverfahren und Anforderungen<br />

(Phase 2/Stufe 2). 1997.<br />

[5] EN 1500. Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika – Hygienische<br />

Händedesinfektion – Prüfverfahren und Anforderungen<br />

(Phase 2/Stufe 2). 1998.<br />

[6] EN 1650. Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika –<br />

Quantitativer Suspensionsversuch <strong>zur</strong> Bestimmung der fungiziden<br />

oder levuroziden Wirkung chemischer Desinfektionsmittel<br />

und Antiseptika in den Bereichen Lebensmittel, Industrie, Haushalt<br />

und öffentliche Einrichtungen – Prüfverfahren und Anforderungen<br />

(Phase 2, Stufe 1). 1998.<br />

[7] EN 13 697. Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika –<br />

Quantitativer Oberflächen-Versuch <strong>zur</strong> Bestimmung der bakteriziden<br />

und/oder fungiziden Wirkung chemischer Desinfektionsmittel<br />

in den Bereichen Lebensmittel, Industrie, Haushalt und öffentliche<br />

Einrichtungen – Prüfverfahren und Anforderungen<br />

(Phase 2/Stufe 2). 2001.<br />

[8] EN 13 704. Chemische Desinfektionsmittel – Quantitativer Suspensionsversuch<br />

<strong>zur</strong> Bestimmung der sporiziden Wirkung chemischer<br />

Desinfektionsmittel in den Bereichen Lebensmittel, Industrie,<br />

Haushalt und öffentliche Einrichtungen – Prüfverfahren<br />

und Anforderungen (Phase 2, Stufe 1). 2002.<br />

[9] EN 14 347. Chemische Desinfektionsmittel und Antiseptika – Sporizide<br />

Wirkung (Basistest) – Prüfverfahren und Anforderungen<br />

(Phase 1). 2005.<br />

[10] EU-Leitfaden einer Guten Herstellungspraxis <strong>für</strong> Arzneimittel.<br />

Teil Iund II mit den ergänzenden Leitlinien 1bis 19. Schopfheim:<br />

Maas &Peither GMP-Verlag; 2008.<br />

[11] European Committee for Standardisation. CEN/TC 216 – Application<br />

of European standards for chemical disinfectants and<br />

antiseptics. European Committee for Standardisation. Brussels,<br />

Belgium. 2003.<br />

[12] Steinhauer K. Nutzen der EN-Prüfungen <strong>von</strong> <strong>Desinfektionsmitteln</strong>.<br />

Reinraumtechnik. 2006;3:20–24.<br />

[13] US Food and Drug Administration. Finale Guidance for Industry.<br />

Sterile Drug Products Produced by Aseptic Processing – Current<br />

Good Manufacturing Practice. 2004. http://www.fda.gov/cder/<br />

guidance/pv.htm<br />

[14] Witt-Mäckel M. Das richtige Desinfektionsmittel <strong>für</strong> Ihren Betrieb.<br />

Contamination Control Report. 2008;2:12–15.<br />

Pharm. Ind. 72, Nr. 6, 1081–1085 (2010)<br />

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