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Abklärung pathologischer Leberwerte: Was ist notwendig, was ist ...

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<strong>Abklärung</strong> <strong>pathologischer</strong> <strong>Leberwerte</strong>: <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>notwendig</strong>, <strong>was</strong> <strong>ist</strong> überflüssig?<br />

(Prof. Dr. Hartwig Klinker)<br />

Laborchemische Tests nehmen gerade in der Leberdiagnostik einen breiten Raum ein. Zunehmend wird die<br />

Bestimmung der "<strong>Leberwerte</strong>" allerdings nicht nur zur gezielten Diagnostik von Lebererkrankungen eingesetzt,<br />

vielmehr <strong>ist</strong> sie zu einem festen Bestandteil der Basisuntersuchung bei vielfältigen Krankheitsbildern geworden.<br />

Bei pathologischem Ausfall von <strong>Leberwerte</strong>n stellt sich dann häufig die Frage nach der Wertigkeit der Befunde,<br />

der Kontrollbedüftigkeit und des weiteren differentialdiagnostischen Vorgehens.<br />

Grundsätzlich <strong>ist</strong> bei der Diagnostik und Beurteilung von Lebererkrankungen in Anbetracht der vielfältigen<br />

Partialfunktionen und der Komplexität eine gemeinsame klinische, laborchemische und morphologische<br />

(Bildgebung/ H<strong>ist</strong>ologie) Betrachtungsweise anzustreben.<br />

Laborchemische "Lebersuchtests" ersetzen nicht die gezielte Anamnese und körperliche<br />

Untersuchung!<br />

Dennoch findet als Screening-methode die konventionelle Enzymdiagnostik aufgrund ihrer einfachen<br />

Durchführbarkeit vielfache Verwendung. Folgende Parameter sind hier von Bedeutung:<br />

Transaminasen: Die GOT (= Glutamat-Oxalacetat-Transaminase = Aspartat-Aminotransferase = AST) findet<br />

sich nicht nur in der Leber, sondern auch im Skelettmuskel, im Myokard und in der Niere. Sie <strong>ist</strong> also kein<br />

leberspezifisches Enzym. Ca. 70% der GOT-Aktivität der Leberzellen sind in den Mitochondrien, ca. 30% im<br />

Zytoplasma lokalisiert.<br />

Eine erhöhte GOT <strong>ist</strong> ein Indikator für (Leber-) Zellnekrosen.Die GPT (= Glutamat-Pyrovat-Transaminase =<br />

Alanin-Aminotransferase = ALT) kommt fast ausschließlich in der Leber vor, sie <strong>ist</strong> daher ein leberspezifisches<br />

Enzym. Die GPT <strong>ist</strong> ausschließlich im Zytoplasma der Leberzelle lokalisiert und findet sich innerhalb des<br />

Leberläppchens vor allem im periportalen Bereich. Eine erhöhte GPT zeigt eine Störung der<br />

Leberzellpermeabilität, wie sie bereits bei leichterer Zellschädigung auftreten kann, an.<br />

Die GLDH (Glutamat-Dehydrogenase) <strong>ist</strong> ein leberspezifisches Enzym mit Lokalisation in den Mitochondrien der<br />

Leberzellen. Innerhalb des Leberläppchens <strong>ist</strong> die GLDH vor allem im zentralen, perivenösen Bereich lokalisiert,<br />

eine Erhöhung des Enzyms im Serum we<strong>ist</strong> auf eine schwere Leberzellschädigung hin.<br />

Die gamma-GT (gamma-Glutamyltransferase) stellt ein membrangebundenes Enzym dar, welches in Niere,<br />

Leber, Pankreas und Dünndarm vorkommt. Das Enzym wird besonders bei hepatobiliären Erkrankungen<br />

freigesetzt. Es <strong>ist</strong> ein sehr sensitiver, aber wenig spezifischer Marker für eine Leberzellschädigung, eine<br />

Induktion mikrosomaler Enzyme, eine gesteigerte Entgiftungsfunktion und für Gallenwegserkrankungen.<br />

Die alkalische Phosphatase (AP) <strong>ist</strong> ein nicht leberspezifisches Enzym, AP-Isoenzyme kommen außer in der<br />

Leber im Knochen, in der Niere, im Darm und in der Plazenta vor. Beim Gesunden resultiert die me<strong>ist</strong>e AP-<br />

Aktivität aus der Leber und aus dem Knochen. Eine Erhöhung der AP findet sich vor allem bei Vorliegen einer<br />

Cholestase. Ebenfalls ein Cholestase-Enzym <strong>ist</strong> die LAP (Leucin-Amino-Peptidase). Die Bestimmung des<br />

Bilirubins (direkt/indirekt) gibt Hinweise auf eine Überlastung oder Störung des Bilirubinstoffwechsels.<br />

Die Aussagekraft von Leberferment-Quotienten (z. B. GOT/GPT=De Ritis-Quotient, GOT+GPT/GLDH oder<br />

LDH/GOT) <strong>ist</strong> in Anbetracht der heute zur Verfügung stehenden weiterführenden Diagnostik begrenzt.<br />

Die Höhe <strong>pathologischer</strong> <strong>Leberwerte</strong> korreliert nicht mit dem Schweregrad einer Lebererkrankung<br />

und sagt weder et<strong>was</strong> aus über die Ätiologie der Leberschädigung noch über die Funktion der Leber.<br />

Fallstricke können sich ergeben bei permanent oder rezidivierend gering erhöhten Leberfermenten (auch hier<br />

kann durchaus eine schwerwiegende Lebererkrankung vorliegen!) sowie bei extrahepatischen Erkrankungen,<br />

bei denen der Leberbefund eher eine Begleiterscheinung darstellt. Es <strong>ist</strong> deshalb immer eine ganzheitliche<br />

Betrachtungsweise anzustreben.<br />

Pathologische <strong>Leberwerte</strong> sollten immer dann weiter abgeklärt werden, wenn zusätzliche Hinweise auf eine<br />

Lebererkrankung vorliegen oder erhöhte Werte der GPT auf ca. > 50 U/l oder g-GT auf ca. > 100 U/l über einen<br />

Zeitraum von mehr als ca. 6 Monaten vorliegen.<br />

Bei "entzündlicher" Leberlabor-Konstellation (vornehmlicher Erhöhung von GOT, GPT, GLDH) umfasst die<br />

laborchemische Folgediagnostik die Bestimmung von anti-HAV, HbsAG, anti-HBc, anti-HCV, ggf. HCV-RNA, ggf.<br />

anti-HDV und ggf. anti-HEV zur Frage einer Virushepatitis A-E, daneben bei entsprechender Klinik die<br />

Bestimmung von Herpes simplex-, Varizella-Zoster-, Ebstein-Barr- und Zytomegalie-Virus-Antikörpern (virale<br />

Begleithepatitis?). Bei Verdacht auf eine (alkohol-) toxische Hepatitis können das MCV, die quantitative<br />

IgA-Bestimmung und das CDT (Carbohydrat-defizientes Transferrin) wertvolle Hinweise geben, eine<br />

Autoimmunhepatitis <strong>ist</strong> gekennzeichnet durch eine IgG- Erhöhung und den Nachweis von Autoantikörpern<br />

(antinukleäre-, glatte Muskulatur-, Lebermembran-, zytoplasmatische-, Leber-Niere-Mikrosomen-Antikörper).<br />

Zu denken <strong>ist</strong> ebenfalls an Stoffwechselerkrankungen wie die Hämochromatose und den M. Wilson. Hier<br />

bietet sich die Bestimmung des Serumeisens, des Transferrins, des Ferritins, ggf. der Hämochromatose-<br />

Gentest/Mutation C282Y sowie die Bestimmung von Coeruloplasmin im Serum und die Kupferbestimmung in<br />

Serum und Urin an.<br />

Bei allen chronischen Lebererkrankungen sollte alle 6-12 Monate eine AFP-Bestimmung zur Frage eines<br />

Leberzellkarzinoms durchgeführt werden.<br />

Bei "cholestatischer" Leberlabor-Konstellation (vornehmlicher Erhöhung von g-GT, AP, LAP) <strong>ist</strong> die<br />

ergänzende Bestimmung von IgM quantitativ und antimitochondrialen Antikörpern (insbesondere M2) zur Frage<br />

einer primär biliären Zirrhose ebenso angezeigt wie eine Bestimmung von Anti-Neutrophilen-Antikörpern (p-


ANCA) zur Frage einer primär sklerosierenden Cholangitis.<br />

Die <strong>Abklärung</strong> einer Cholestase beinhaltet obligat die Bildgebung von Leber und Gallenblase/ -wegen.Hier<br />

steht die Sonographie als nicht strahlenbelastende, nicht invasive Untersuchungsmethode an erster Stelle und<br />

sollte deshalb großzügig eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere bei der Differentialdiagnose des Ikterus.<br />

Laborchemische Diagnostik <strong>ist</strong> allerdings auch bei dieser Fragestellung hilfreich. So geben die Differenzierung<br />

des Bilirubins (direkt/indirekt), die Bestimmung der LDH, der Retikulozytenzahl, des Haptoglobins, der<br />

Transaminasen und der Cholestaseparameter oft bereits wertvolle Hinweise auf die pathophysiologische<br />

Ursache eines Ikterus ( prä-, intra- oder posthepatisch). Bei der häufigen funktionellen Hyperbilirubinämie (M.<br />

Meulengracht) findet sich eine überwiegende Erhöhung des indirekten Bilirubins bis max. etwa 6 mg/dl, die<br />

<strong>Leberwerte</strong> sind normal.<br />

Die bildgebende Diagnostik <strong>ist</strong> entsprechend der Verdachtsdiagnose gezielt zu ergänzen. Zum Einsatz kommen<br />

die Farbdopplersonographie, die Angiographie, die CT, die MRT, zur detaillierten Darstellung der<br />

Gallenwege die ERCP mit der Möglichkeit der gleichzeitigen Intervention oder die MRCP (MR-tomographische<br />

Darstellung von Galle- und Pankreasgang).<br />

Eine Leberh<strong>ist</strong>ologie <strong>ist</strong> für die exakte Zuordnung und die Stadieneinteilung von Lebererkrankungen oft<br />

unerlässlich und kann mittels Blindpunktion oder laparoskopisch gewonnen werden.<br />

Die Differentialtherapie vieler Lebererkrankungen hat sich in den vergangenen Jahren entscheidend<br />

verbessert. Ein diagnostischer Nihilismus <strong>ist</strong> deshalb, gerade angesichts der vielfältig zur Verfügung stehenden<br />

Möglichkeiten, heute nicht mehr angezeigt.

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