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Download - Kindergarten und Schule in Südtirol

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Lernwelten<br />

Tagung: Grenzüberschreitende Geschichtsprojekte<br />

Mit den Augen der anderen<br />

Wird Geschichte <strong>in</strong> Grenzregionen <strong>und</strong> <strong>in</strong> Gebieten mit mehreren Kulturen anders unterrichtet?<br />

Geschichtsdidaktiker<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> -didaktiker sowie Bildungsverantwortliche aus Europa <strong>und</strong> dem Nahen Osten berichten auf<br />

e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternationalen Tagung an der Universität Trient über ihre Erfahrungen <strong>und</strong> stellen grenzüberschreitende Projekte vor.<br />

<strong>Südtirol</strong> ist mit dem „Geschichtsbuch für alle Sprachgruppen“ <strong>und</strong> mit der Klassenpartnerschaft „Geschichte überschreitet<br />

Grenzen“ dabei.<br />

„Als wir das deutsch-französische Geschichtsbuch<br />

machten, glaubten wir, es gäbe<br />

<strong>in</strong>haltliche Differenzen. Weit gefehlt. Das E<strong>in</strong>zige,<br />

worüber sich Deutsche <strong>und</strong> Franzosen<br />

bei der Herstellung des Buches stritten, war<br />

die Didaktik“. Ra<strong>in</strong>er Bendick, Herausgeber<br />

des deutsch-französischen Buchprojekts,<br />

überrascht die Anwesenden <strong>in</strong> der ehrwürdigen<br />

Aula Kessler der Universität von Trient<br />

mit dieser po<strong>in</strong>tierten Aussage <strong>und</strong> genießt<br />

das Überraschungsmoment. Bendick ist e<strong>in</strong>er<br />

von <strong>in</strong>sgesamt 28 (!) Vortragenden auf der<br />

e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Tage dauernden geschichtsdidaktischen<br />

Großveranstaltung. „Den Franzosen<br />

war es wichtig, dass die Studierenden systematisches,<br />

solides Wissen erwerben. Den<br />

Deutschen, dass sie zum Forschen, Nachdenken<br />

<strong>und</strong> Diskutieren angeregt werden. Zwei<br />

geschichtsdidaktische Kulturen, die nicht e<strong>in</strong>fach<br />

unter e<strong>in</strong>en Hut zu br<strong>in</strong>gen waren.“<br />

Ganz anders die Situation <strong>in</strong> Israel <strong>und</strong> <strong>in</strong> Paläst<strong>in</strong>a:<br />

Sami Adwan, Paläst<strong>in</strong>enser <strong>und</strong> Dozent<br />

an der Universität <strong>in</strong> Bethlehem, berichtet<br />

über se<strong>in</strong> Projekt des Geschichtsunterrichts<br />

<strong>in</strong> Zeiten des Konflikts.<br />

Paläst<strong>in</strong>ensische <strong>und</strong> israelische Lehrpersonen<br />

diskutieren über die israelisch-paläst<strong>in</strong>ensische<br />

Vergangenheit <strong>und</strong> stellen gravierende<br />

Unterschiede <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>schätzung der<br />

Vergangenheit fest. Adwan schreibt beide<br />

Versionen auf <strong>und</strong> stellt sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Buch<br />

gegenüber. Das Ziel dieses Projekts: den Dialog<br />

zwischen den beiden Geschichtsdeutungen<br />

zu eröffnen. Offiziell ist das Buch <strong>in</strong> Israel<br />

<strong>und</strong> Paläst<strong>in</strong>a nicht zugelassen, die Verwendung<br />

im Unterricht wird sanktioniert.<br />

Geschichtsunterricht<br />

<strong>in</strong> Zeiten des Konflikts<br />

Wenig von den heroischen Geschichten, die<br />

seit dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert zur Identitätsstiftung<br />

e<strong>in</strong>er Nation oder e<strong>in</strong>er Region verfasst<br />

<strong>und</strong> über die <strong>Schule</strong>n tradiert werden, hält<br />

Luigi Cajani von der La Sapienza-Universität<br />

<strong>in</strong> Rom. Er er<strong>in</strong>nert daran, dass der Geschichtsunterricht<br />

e<strong>in</strong>geführt wurde, um die<br />

Bevölkerung zu Opfern für das Vaterland zu<br />

bewegen <strong>und</strong> im Kriegsfall auch das eigene<br />

Leben zu opfern. Diese Heldengeschichten<br />

sollten nicht durch e<strong>in</strong>e europäische Geschichtsschreibung<br />

ersetzt werden, da diese<br />

nur zu e<strong>in</strong>er eurozentrischen Sichtweise führe.<br />

Stattdessen setzt sich Cajani für e<strong>in</strong>e<br />

Lehrplanänderung e<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> der Tradition<br />

der Aufklärung von der Menschheitsgeschichte<br />

ausgeht <strong>und</strong> diese auch zum Inhalt<br />

hat. Damit werde e<strong>in</strong>e Instrumentalisierung<br />

der Geschichte erschwert. Alessandro Cavalli<br />

von der Universität Pavia äußert darauf se<strong>in</strong>e<br />

Befürchtung, dass e<strong>in</strong> solcher Geschichtsunterricht<br />

etwas langweilig werden könne. Er<br />

möchte se<strong>in</strong>en Enkelk<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>en solchen<br />

lieber ersparen.<br />

<strong>Südtirol</strong>er Erfahrungen<br />

Als klassische Grenzregion zwischen mehreren<br />

Kulturen kann auch <strong>Südtirol</strong> mit Erfahrungen<br />

aufwarten. Zwei Projekte werden<br />

vorgestellt: Die Klassenpartnerschaft „Geschichte<br />

schreiben“ <strong>und</strong> das Landesgeschichtebuch<br />

für alle drei Sprachgruppen“.<br />

Bei „Geschichte schreiben“ wirkten Schulklassen<br />

aus dem Trent<strong>in</strong>o, aus <strong>Südtirol</strong> <strong>und</strong><br />

aus dem B<strong>und</strong>esland Tirol mit. Die Jugendlichen<br />

forschten zu den Themen Denkmäler,<br />

Nationalsozialismus <strong>und</strong> Tourismus <strong>in</strong> der<br />

jeweiligen Herkunftsregion. Auf Partnerschaftstreffen<br />

präsentierten die Klassen die<br />

Ergebnisse <strong>und</strong> stellten Vergleiche an. Die<br />

Evaluierung des Projekts fiel trotz der<br />

Sprachbarrieren <strong>und</strong> der zu überw<strong>in</strong>denden<br />

Entfernungen positiv aus. Den Schüler<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Schülern gefielen das forschende Lernen<br />

<strong>und</strong> das Aufe<strong>in</strong>andertreffen mit Jugendlichen<br />

der Nachbarregionen sichtlich. Das<br />

Projekt wurde auf der Tagung von Chiara<br />

Taman<strong>in</strong>i vom Iprase Trient, von Irmgard<br />

Plattner vom Tiroler Landesschulrat <strong>und</strong> von<br />

Walter Pichler vom Bereich Innovation <strong>und</strong><br />

Beratung vorgestellt.<br />

Landesgeschichtebuch<br />

für drei Sprachgruppen<br />

Die Autoren Carlo Romeo <strong>und</strong> Giorgio Mezzalira<br />

erzählten die Vorgeschichte des „Geschichtebuchs<br />

für alle drei Sprachgruppen“.<br />

Romeo verweist auf die bedeutende Rolle der<br />

Geschichte für die Identitätsbildung der<br />

Sprachgruppen <strong>in</strong> <strong>Südtirol</strong>, <strong>und</strong> zwar besonders<br />

an den deutschen <strong>und</strong> lad<strong>in</strong>ischen <strong>Schule</strong>n.<br />

Mit dem zweiten Autonomiestatut 1972<br />

kommen neue Befugnisse <strong>in</strong> der Bildungspolitik,<br />

was sich auch <strong>in</strong> Unterrichtsprogrammen<br />

<strong>und</strong> Schulbüchern niederschlägt. Die<br />

Analyse der Schulbücher habe ergeben, dass<br />

sich seit den 1980er-Jahren e<strong>in</strong> Wechsel abzeichnet:<br />

Die Unterstreichung der Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit dem B<strong>und</strong>esland Tirol ist mehr <strong>und</strong> mehr<br />

e<strong>in</strong>er eigenen <strong>Südtirol</strong>er Identität gewichen.<br />

26 Februar 2013

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