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Vortrag Dr. Bernd Niederland - Volkssolidarität Bundesverband e.V.

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<strong>Volkssolidarität</strong> <strong>Bundesverband</strong> e. V. Berlin, 06. Mai 2010<br />

Fachtagung: Wie viel Controlling verträgt – braucht die Pflege?<br />

Positionen zur Zukunft der Pflege aus Sicht der <strong>Volkssolidarität</strong><br />

Einführungsvortrag von <strong>Dr</strong>. <strong>Bernd</strong> <strong>Niederland</strong>, Bundesgeschäftsführer der <strong>Volkssolidarität</strong><br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

die Einführung der Sozialen Pflegeversicherung Mitte der neunziger Jahre war ein<br />

deutlicher Fortschritt. Allerdings mit dem Geburtsfehler, dass es sich eben um eine<br />

Art „Teilkasko-Versicherung“ handelt, bei der wichtige Pflegebedarfe keine<br />

Berücksichtigung fanden und finden. Schon wenige Jahre später wurde daher eine<br />

Pflegereform eingefordert – auch von der <strong>Volkssolidarität</strong>. Das im Dezember 2003<br />

beschlossene Pflegeleitbild der <strong>Volkssolidarität</strong> formulierte dafür unseren eigenen<br />

Anspruch (Zitat):<br />

„Die Würde des Menschen steht im Mittelpunkt unseres pflegerischen<br />

Handelns….Ziel unserer ganzheitlichen Pflege ist es, die Selbständigkeit im täglichen<br />

Leben zu fördern, zu erhalten oder wiederherzustellen.“<br />

Wir wissen sehr wohl, dass sich Pflege unter konkreten gesellschaftlichen<br />

Bedingungen bzw. Veränderungen vollzieht.<br />

Deshalb haben wir im Jahr 2005 mit den Eckpunkten „Menschenwürdige Pflege<br />

braucht sichere Rahmenbedingungen“ weitere eigene Vorschläge für eine<br />

Pflegereform unterbreitet.<br />

Als die Große Koalition schließlich 2007 eine Reform der Pflege auf den Weg<br />

brachte, hat die <strong>Volkssolidarität</strong> wichtige Verbesserungen im Pflege-<br />

Weiterentwicklungsgesetz 2008 ausdrücklich begrüßt, wobei nicht alle unserer<br />

Vorstellungen und Vorschläge berücksichtigt wurden.<br />

Zwei sehr grundsätzliche Ansprüche an den weiteren Entwicklungsprozess der<br />

Pflege möchte ich deshalb aus unserer Sicht hervorheben:<br />

Zum einen: Eine längst fällige Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs wurde<br />

zwar mit den Empfehlungen des Beirats beim Bundesgesundheitsministerium<br />

vorgeschlagen. Sie wurden leider nicht mehr gesetzlich umgesetzt, so dass wichtige<br />

Entscheidungen über eine bedarfsgerechtere und teilhabeorientierte Pflege nach wie<br />

vor ausstehen.<br />

Zum anderen wurde die Finanzierung der Pflege Gesellschaft weder nachhaltig noch<br />

solidarisch abgesichert. Es bleibt bei einer Trennung zwischen Sozialer und Privater<br />

Pflegeversicherung. Selbst der von der Großen Koalition 2005 versprochene<br />

Finanzausgleich zwischen beiden Systemen wurde nicht realisiert.<br />

Inzwischen haben wir eine neue Regierungskoalition.


2<br />

Nachfolgend werde ich auf einige Inhalte eingehen, die seitens der<br />

Regierungskoalition von CDU/CSU/FDP thematisiert werden.<br />

Zum Thema Menschenwürdige Pflege und Fachpersonal<br />

Die <strong>Volkssolidarität</strong> begrüßt es, dass im Koalitionsvertrag das Recht auf würdige<br />

Pflege einen hohen Rang erhält. Unterstützung verdient auch die Zielstellung, dass<br />

der eigentlichen Pflege am Menschen wieder mehr Zeit eingeräumt werden muss.<br />

Die Konsequenz daraus ist , dass mehr Personal eingesetzt wird, welches auch<br />

finanziert werden muss. Ansonsten kann diese Zielstellung in der Praxis nicht<br />

untersetzt werden.<br />

Seit geraumer Zeit sind wir damit konfrontiert, dass wir händeringend Fachpersonal<br />

suchen – gerade in den neuen Bundesländern.<br />

Wir sehen beim Thema Fachpersonal folgende Prioritäten:<br />

- Wir brauchen endlich Regelungen für eine angemessene Entlohnung aller in<br />

der Pflege Tätigen. Ausgebildete Fachkräfte mit Berufserfahrung sind deutlich<br />

besser zu bezahlen. Auch in der <strong>Volkssolidarität</strong> ist die Diskussion über<br />

Mindestlöhne in der Pflege produktiv zu machen. Pflegehilfskräfte dürfen nicht<br />

zu den Menschen gehören, die „arm trotz Arbeit“ sind. Dabei ist –<br />

gewissermaßen zusätzlich – zu berücksichtigen, dass in der Pflege viele<br />

Frauen oft nur in Teilzeit beschäftigt sind.<br />

Diese Probleme dürfen nicht auf die Leistungserbringer abgeschoben werden.<br />

Als gemeinnütziger Verband brauchen wir eine vernünftige Refinanzierung<br />

über die Entgelte der Pflegekassen als Kostenträger. Angesichts der<br />

Verhandlungsmacht der Kassen kann man die Refinanzierung nicht mit dem<br />

Hinweis auf Entgeltverhandlungen vom Tisch fegen. Hier steht die Politik nicht<br />

erst seit heute in der Verantwortung.<br />

Es geht um den Stellenwert der Pflege in der Gesellschaft, was die Pflege<br />

der Gesellschaft wert ist und wie die Politik mit dem Thema umgeht. Es<br />

kann nicht richtig sein , wenn eine Handwerkerstunde in der<br />

Autowerkstatt der Gesellschaft deutlich mehr „wert“ ist als eine Stunde<br />

fachlich hochwertiger und verantwortungsvoller Pflegetätigkeit: also die<br />

Technikstunde mehr „wert“ ist als der Dienst für hilfe- und<br />

pflegebedürftige Menschen.<br />

- Zugleich bedarf es einer deutlichen Aufwertung der Pflegeberufe. Wir<br />

begrüßen es, dass die Regierungskoalition beabsichtigt, das Bild pflegerischer<br />

Berufe attraktiver zu gestalten. Sie will ein neues Berufsgesetz für die<br />

pflegerischen Berufe auf den Weg bringen. Das entspricht langjährigen<br />

Forderungen der <strong>Volkssolidarität</strong>. Nach unserer Ansicht muss nicht nur das<br />

Bild, sondern der Pflegeberuf selbst attraktiver werden.<br />

Kritisch will ich an die Adresse der Politik anmerken, dass die Pflege nur sehr<br />

bedingt als Feld zur Lösung von Arbeitsmarktproblemen geeignet ist. Man


3<br />

kann nicht einerseits höchste Qualitätsansprüche an die Pflege stellen, aber<br />

andererseits ständig Pflegeeinrichtungen als billiges Beschäftigungsfeld<br />

anpreisen. Die damit verbundene Abwertung des Pflegeberufes ist mitunter<br />

unerträglich. Die in Rede gebrachte Pflege-Green-Card lehnen wir ab, weil<br />

auch diese Idee Abwertungsmomente des Pflegeberufes in sich trägt und<br />

darüber hinaus aus humanitären Gründen mit Blick auf die Herkunftsländer<br />

der potenziellen Pflegekräfte nicht zu vertreten ist.<br />

Auch hierbei geht es um den gesellschaftlichen Stellenwert der Pflege, um<br />

eine entsprechendes Berufsethos der Pflegekräfte, um die Anerkennung der<br />

Eigenständigkeit der Pflege als 4. Säule im System der gesundheitlichen<br />

Versorgung, gleichberechtigt neben der Prävention, der Kuration (Diagnostik,<br />

Therapie) und Rehabilitation. Die Dominanz des Medizinischen (des<br />

Ärztlichen) gegenüber der Pflege ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Der<br />

Pflege und dem Pflegeberuf ist eine deutlich höhere Verantwortung<br />

zuzusprechen, was in der weiteren Entwicklung der Pflegewissenschaften<br />

seinen Ausdruck finden sollte.<br />

Natürlich sehen wir beim Thema Aufwertung und Attraktivität der Pflegeberufe auch<br />

unsere eigene Verantwortung als Pflegedienste und –einrichtungen. Stichworte<br />

sind dabei: Ausbildung und Qualifizierung, Entlohnung, Karrierechancen,<br />

Arbeitsbedingungen für ältere Pflegekräfte, Angebote für junge Männer etc.<br />

Zum Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />

Positiv bewerten wir, dass der Koalitionsvertrag vorsieht, die in der vergangenen<br />

Legislaturperiode erarbeiteten Grundlagen für eine Neufassung des<br />

Pflegebedürftigkeitsbegriffs aufzugreifen und eine Umsetzung im<br />

Sozialgesetzbuch XI zu prüfen.<br />

Dabei möchte ich auf einige Punkte hinweisen, die für die <strong>Volkssolidarität</strong> besonders<br />

wichtig sind.<br />

- Die Empfehlungen des Beirats verstehen wir als Aufforderung, den komplexen<br />

Bedarfen pflegebedürftiger Menschen differenzierter Rechnung zu tragen, d.<br />

h. weg von strengen Zeitmodulen und einer Orientierung auf Verrichtungen<br />

hin zu Fähigkeiten, den Alltag mehr oder weniger selbständig zu bewältigen.<br />

Dieser Ansatz ist zu begrüßen, weil er viel stärker als bisher den Menschen<br />

als bio-soziales Wesen mit vielfältigen Bedürfnissen, Fähigkeiten und sozialkulturellen<br />

Bindungen im Blick hat und auch auf gesellschaftliche Teilhabe<br />

gerichtet ist. Eine konsequente Umsetzung dieses Ansatzes in der Pflege<br />

ist aber kaum ohne Leistungsausweitung denkbar. Wenn Leistungen, z. B.<br />

für Menschen mit demenziellen Erkrankungen verbessert werden sollen, kann<br />

das nach unserer Ansicht nicht „kostenneutral“ realisiert werden. Es gibt<br />

vorsichtige Hinweise darauf, dass der Gesundheitsminister das ebenfalls<br />

erkannt haben könnte.<br />

- Eine Umsetzung der Empfehlungen des Beirats muss den Schnittstellen<br />

zwischen dem Sozialgesetzbuch XI (Pflegeversicherung) und anderen<br />

gesetzlichen Regelungen, gerecht werden, damit z. B. für Menschen mit<br />

Behinderungen wirkliche Verbesserungen erreicht werden können.


4<br />

Bei einer Umsetzung der Empfehlungen des Beirats darf<br />

kein Pflegebedürftiger schlechter gestellt werden.<br />

- Die enge Verbindung, die der Koalitionsvertrag zwischen einer Neufassung<br />

des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und einem Finanzierungsmodell, welches das<br />

bisherige solidarische Umlageverfahren durch eine verpflichtende,<br />

kapitalgedeckte Zusatzvorsorge ergänzen soll, halten wir für höchst<br />

problembeladen.<br />

Das sieht schon etwas nach Geiselnahme aus, nach dem<br />

Motto: wenn ihr einen neuen Pflegebegriff wollt, dann<br />

müsst ihr eine kapitalgedeckte Zusatzvorsorge<br />

akzeptieren.<br />

Qualität in der Pflege und Transparenz<br />

Eine hohe Pflegequalität ist eine sehr komplexe Führungsaufgabe. Pflegequalität ist<br />

erstrangiges Anliegen in unseren Einrichtungen und Diensten, bei den<br />

Mitarbeiterinnen, den Pflegedienstleitungen und Geschäftsführungen bis hin zum<br />

„Kompetenzzentrum Pflege“ beim <strong>Bundesverband</strong>.<br />

Uns geht es um die bestmögliche Lebensqualität für die pflegebedürftigen Menschen<br />

in Verwirklichung gesetzlich vorgegebener Pflegestandards. Die Umsetzung des<br />

Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes hat eine Reihe von neuen Herausforderungen im<br />

Pflegealltag mit sich gebracht<br />

- Bis Ende 2010 müssen alle Einrichtungen und Dienste vom Medizinischen<br />

Dienst geprüft und nach einem Benotungssystem bewertet werden, das<br />

ist bekannt. Nach den mir bisher vorliegenden Informationen schneiden die<br />

Einrichtungen und Dienste der <strong>Volkssolidarität</strong> bei solchen Prüfungen<br />

überwiegend gut bis sehr gut ab. Manchmal dringt das sogar bis in die<br />

Presse. So beschreibt z. B. am 4. März d. J. die OSTSEE-Zeitung ausführlich<br />

eine MDK-Prüfung des ambulanten Pflegedienstes der <strong>Volkssolidarität</strong> in<br />

Wolgast, verbunden mit einer Befragung der Pflegepersonen, und kommt zu<br />

dem Ergebnis:<br />

Zitat: „Der ambulante Pflegedienst der <strong>Volkssolidarität</strong> leistet aus Sicht der<br />

Befragten beste Arbeit. Denn sie gaben den Fachkräften die Note 1,0. Aber<br />

auch die Kontrolleure waren zufrieden und bescheinigten eine 1,0. „Im<br />

Rahmen der Prüfung wird festgestellt, dass im Pflegedienst eine sehr gute<br />

Pflegequalität erbracht wird“, heißt es im Protokoll, das der OSTSEE-Zeitung<br />

vorliegt und demnächst im Internet unter www.pflegelotse.de einzusehen ist.“<br />

Meinen herzlichen Glückwunsch an das Team des<br />

Pflegedienstes in Wolgast. So wünschen wir uns das<br />

überall.


5<br />

- Die Forderung nach mehr Transparenz in der Pflege ist sicher berechtigt,<br />

wenn sie pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen hilft, zwischen<br />

guten, weniger guten und schlechten Pflegeangeboten eine Auswahl treffen<br />

zu können. Dennoch gibt es Umsetzungsprobleme. Wenn z. B. in einem<br />

Notensystem die Pflegedokumentation höher gewichtet wird als die<br />

eigentliche Pflegetätigkeit, dann droht die Aussagekraft<br />

der Benotung zu kippen und in die Irre zu führen.<br />

Im Übrigen sollten die Gesamtnoten nicht überbewertet<br />

werden und vielleicht sogar entfallen.<br />

Wir bleiben auch angesichts guter und sehr guter<br />

Prüfnoten bei der Aussage, dass man Pflegequalität nicht<br />

in die Dienste und Einrichtungen hineinkontrollieren kann. Bei den jährlich<br />

anfallenden 80 Millionen Euro für die Prüfungen muss die Frage erlaubt sein,<br />

ob nicht zumindest Teile dieses Geldes zielgerichteter zur Zukunftssicherung<br />

der Pflege verwendet werden sollten, z. B. für die Gewinnung und Ausbildung<br />

des Pflegekräftenachwuchses.<br />

Wir sind auch nicht so naiv zu glauben, dass es bei der Transparenz nur um die<br />

Information der Verbraucher geht. Es geht selbstredend auch – vielleicht vor allem –<br />

um Marketing, „Marktanteile“, Wettbewerb und Konkurrenz.<br />

Man kann nur davor warnen, unter diesen Aspekten erneut die Prozessqualität höher<br />

zu bewerten als die Ergebnisse der Pflege bei den betroffenen Menschen. Für uns<br />

haben die Ergebnisse der Pflege bei den zu Pflegenden oberste Priorität.<br />

Pflegezeit und Bedingungen für häusliche Pflege verbessern<br />

Der kürzlich von der Bundesfamilienministerin unterbreitete Vorschlag für eine<br />

Neufassung der Pflegezeit hat die Diskussion über die Vereinbarkeit von Pflege<br />

und Beruf neu belebt. Das ist zu begrüßen.<br />

Sicher ist der Vorschlag von Frau Schröder ein gangbarer Weg für pflegende<br />

Angehörige, die einen recht guten Verdienst erzielen und sich daher eine<br />

Reduzierung ihres Einkommens von 25 Prozent über vier Jahre leisten können. Im<br />

Übrigen müssten sie zeitlich so flexibel sein, dass sie trotz Pflege noch mindestens<br />

50 Prozent ihrer bisherigen Vollzeit arbeiten.<br />

Gemessen an den Lebensrealitäten wirft der Vorschlag einige Fragen auf, z. B.<br />

warum für zwei Jahre häusliche Pflege allein pflegende Angehörige – in der Regel<br />

Frauen aufkommen sollen – mit vier Jahren Einkommensverlust von 25 Prozent<br />

Das ist mit geringeren Sozialversicherungsbeiträgen verbunden, die dann zu<br />

geringeren Ansprüchen beispielsweise in der Rente führen. Wie gesagt – das muss<br />

man sich erst mal leisten können. Frauen mit niedrigen Verdiensten hilft dieser<br />

Vorschlag jedenfalls nicht weiter.<br />

Die <strong>Volkssolidarität</strong> hat sich dafür ausgesprochen, die Leistungen für die Pflege von<br />

Angehörigen weitgehend auf die gleiche Stufe zu heben wie die Erziehung von<br />

Kindern.


6<br />

Wieder geht es um den gesellschaftlichen Wert der Pflege.<br />

Bezogen auf eine Pflegezeit leiten wir zwei Forderungen ab<br />

- Angehörige sollen die Möglichkeit einer bezahlten Freistellung für die Dauer von<br />

10 Werktagen haben – ähnlich wie bei der Erkrankung von Kindern. In den meisten<br />

Fällen reicht diese Zeit aus, um mit Hilfe von Pflegekassen und sozialen Diensten ein<br />

Pflege-Arrangement auf den Weg zu bringen.<br />

- Die bisher bestehende Möglichkeit, für bis zu sechs Monaten eine unbezahlte<br />

Pflegezeit bei Erhalt des Arbeitsplatzes zu nehmen, sollte ausgebaut werden,<br />

indem sie durch eine steuerfinanzierte Lohnersatzleistung untersetzt wird. Was<br />

beim Elterngeld möglich ist, sollte auch für die Pflege von Angehörigen möglich sein.<br />

Darüber hinaus sehen wir die Notwendigkeit, das Pflegegeld für die häusliche Pflege<br />

nach dem Jahre 2012 deutlich zu erhöhen.<br />

Schließlich muss die Pflege von Angehörigen auch in der Rente besser bewertet<br />

werden, d. h. im ersten Schritt – ein Entgeltpunkt für ein Jahr Pflege – wie bei den<br />

Kindererziehungszeiten.<br />

Und das heißt auch, dass Pflege bei der Rente im Osten nicht länger schlechter<br />

bewertet werden darf als im Westen.<br />

Finanzierung von Pflege – mehr Solidarität statt privatisierte Vorsorge<br />

Menschenwürdige Pflege in hoher Qualität und Leistungsausweitungen, wie wir sie<br />

mit einer Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs für notwendig halten, müssen<br />

entsprechend finanziert werden. Das gilt umso mehr, da wir in einer älter werdenden<br />

Gesellschaft leben und die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen zunehmen wird,<br />

von heute 2,2 Millionen auf voraussichtlich etwa 3 Millionen im Jahre 2030, also um<br />

mehr als ein <strong>Dr</strong>ittel.<br />

Angesichts dieser und anderer Sachverhalte will die Regierungskoalition „neben<br />

dem bestehenden Umlageverfahren eine Ergänzung durch Kapitaldeckung, die<br />

verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet sein<br />

muss“. Also eine kapitalgedeckte Zwangsversicherung mit individuellen Prämien<br />

nach Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand etc?<br />

Die <strong>Volkssolidarität</strong> hat schwerste Bedenken dagegen, auch in der Pflege den<br />

Weg einer verstärkten Kapitaldeckung zu gehen, die allein von den Versicherten<br />

zu tragen ist. Die Fehler in der Alterssicherung müssen in der Pflege nicht wiederholt<br />

werden – wir brauchen keinen „Pflege-RIESTER“! Denn eine verpflichtende private<br />

Zusatzvorsorge führt bei Arbeitnehmern und Rentnern zu weniger Netto vom Brutto<br />

und würde lediglich die Arbeitgeberseite entlasten.<br />

Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass Rentner den vollen Beitrag zur<br />

Pflegeversicherung allein tragen – zusätzlich zu den überdurchschnittlich<br />

gewachsenen Belastungen im Gesundheitsbereich. Wir sind dafür, die mit dem GKV-


7<br />

Modernisierungsgesetz 2004 eingeführte Regelung zu streichen, dass Rentner den<br />

vollen Beitragssatz zur Pflegeversicherung zu entrichten haben.<br />

Da menschenwürdige Pflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, müssen<br />

die Arbeitgeber auch in Zukunft paritätisch – also zu gleichen Teilen – an der<br />

Finanzierung der Pflege beteiligt werden.<br />

Außerdem wäre es für eine bessere Finanzierung der Pflege notwendig, die<br />

unsolidarische Trennung zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung zu<br />

überwinden. Als erster Schritt dazu sollte ein Finanzausgleich zwischen beiden<br />

Systemen auf den Weg gebracht werden, der ein weitgehend einheitliches<br />

Leistungsniveau auf der Grundlage eines erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriffs<br />

sichert.<br />

Die <strong>Volkssolidarität</strong> setzt sich weiterhin für eine solidarische Finanzierung der Pflege<br />

ein, d. h. längerfristig auch für eine Bürgerversicherung in der Pflege, in die alle<br />

Erwerbstätigkeiten, alle Einkommensarten und Einkommensquellen einbezogen sind,<br />

natürlich auch die paritätischen Arbeitgeberanteile.<br />

Eine Privatisierung des Pflegerisikos und eine zunehmende<br />

Kommerzialisierung von Pflegeleistungen führen nicht weiter, weil sie einen<br />

ungerechten Zugang zu Pflegeleistungen fördern und eine Zwei-Klassen-Pflege<br />

verstärken.<br />

Wir wissen selbst, dass gute Pflege nicht zum Nulltarif zu haben ist. Aber zu einem<br />

Altern in Würde gehört auch, dass es bei Pflegebedürftigkeit nicht vom Bankkonto<br />

abhängen darf, ob und welche Leistungen genutzt werden können.<br />

Vermerkt sei an dieser Stelle, dass die solidarisch finanzierten, sozialen<br />

Sicherungssysteme als Umlageverfahren in der aktuellen Finanz- und<br />

Wirtschaftskrise stabilisierend gewirkt haben und wirken.<br />

Derartige Erkenntnisse und Erfahrungen – auch aus der Geschichte Deutschlands:<br />

nach dem II. Weltkrieg, Deutsche Einhait – sollte die Politik nicht leichtfertig<br />

vernachlässigen.<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

6.560 Beschäftigte gewährleisten in den 152 ambulanten Pflegediensten, in 50<br />

Einrichtungen der Tages- und Kurzzeitpflege sowie in 54 Pflegeheimen täglich für<br />

fast 37.000 Menschen eine stabile, qualitätsgerechte sozial-pflegerische Begleitung<br />

und Betreuung unter dem Dach der <strong>Volkssolidarität</strong>.<br />

Deshalb sei mir abschließend gestattet, ein besonders großes Dankeschön<br />

auszusprechen an alle, die in der <strong>Volkssolidarität</strong> in der Pflege beschäftigt sind oder<br />

dafür haupt- bzw. ehrenamtliche Verantwortung tragen. (Bitte weiter so, nah bei den<br />

Menschen zu sein, die uns brauchen und wollen.)<br />

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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