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Ich knall euch ab - Ravensburger

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Sekundarstufe I / II

9. / 10. Klasse

Erarbeitet von

Michael Baum

Herausgegeben von

Birgitta Reddig-Korn

© 2001

Ravensburger Buchverlag

RAVENSBURGER

ARBEITSHILFEN

Ich knall euch ab

THEMATIK

Gewalt unter Jugendlichen

Intoleranz

Gesellschaftlicher Konformitätsdruck

Waffenbesitz

Morton Rhue

Ich knall euch ab

160 Seiten, RTB 8172

INHALT

Die Geschichte könnte überall angesiedelt sein,

doch sie trägt sich zu in „Middletown“, einer

ganz normalen amerikanischen Stadt. Erzählt

wird von Brendan Lawlor und Gary Searle. Sie

lernen sich in der siebten Klasse kennen, nachdem

Brendan, mitten im Schuljahr, mit seinen

Eltern von Springfield nach Middletown umgezogen

war. Beide sind keine schlechten Schüler.

Nichts an ihnen ist – äußerlich betrachtet –

besonders auffällig. Gary gilt als eher ruhig, tüftelt

gerne an seinem Computer herum. Manchmal

wird er wegen seines leichten Übergewichts

gehänselt. Brendan hingegen ist dünn

und hoch aufgeschossen. Seine Freunde aus

Springfield kennen ihn als schlagfertig, witzig,

manchmal auch als aggressiv. Obwohl es seine

Figur nicht vermuten lässt, ist er kein schlechter

Sportler.

Trotzdem haben beide nun so ihre Probleme.

Gary leidet immer noch sehr unter der Scheidung

seiner Eltern. Sein Vater meldet sich

schlicht nicht mehr. Seiner Mutter möchte er,

obwohl er ihre Zuwendung genießt, in dieser

schweren Zeit nicht zur Last fallen. Brendan hingegen

macht der Umzug zu schaffen. Es fällt

ihm schwer, sich in der neuen Umgebung

zurechtzufinden. Seine Klassenkameraden

behandeln ihn zunächst wie Luft. So wird der

laute und selbstbewusste Junge still, wirkt auf

andere häufig mürrisch. Außerdem scheint er

mit seinen Eltern über die Probleme, die ihn

bewegen, nicht reden zu können. Fällt es ihnen

selbst schwer, in Middletown Fuß zu fassen?

In der achten Klasse bilden sich Cliquen. In

ihnen dominieren die sportbegeisterten Jungen

und Mädchen. Man interessiert sich für Markenklamotten,

achtet darauf, das richtige Handy zu

besitzen und beurteilt jeden und alles. In dieser

Zeit freunden sich Brendan und Gary an. Sie

spüren, wie sie beide in eine Außenseiterposition

gedrängt werden. Nur mit Ryan Clancy und

Allison Findley können sie noch reden.

98 114


INHALT

In der neunten Klasse wird alles noch schlimmer

für die beiden. Sie besuchen nun die Middletown

Highschool. Dort wird auf Sport, insbesondere

auf Football, besonderen Wert gelegt. Das gibt

Jungen wie Paul Burns und Sam Flach weiter

Auftrieb. Getragen von den Sympathien der

sportverrückten Leute aus Middletown nutzen

sie ihre Privilegien weidlich aus. In der Schule

genießen sie die Bevorzugung durch die Lehrer

und die Bewunderung der Mädchen. Wer nicht

auf ihrer Wellenlänge liegt, wird gehänselt,

drangsaliert, gedemütigt, verprügelt. Die bevorzugten

Opfer solcher Verhaltensweisen sind

Gary und Brendan.

Die jedoch schließen zu Beginn der neunten

Klasse eine Art Pakt, sind – geeint durch ihr Unterlegenheitsgefühl

– von da an völlig aufeinander

fixiert. Nachdem sie die vormittäglichen

Demütigungen ertragen haben, toben sie sich

vor dem Computer aus, indem sie stundenlang

Gewaltspiele konsumieren oder ihren aggressiven

Fantasien gegen die Sportler in virtuellen

Gesprächsforen freien Lauf lassen. Auch Drogen

und Alkohol spielen eine Rolle.

Irgendwann genügen die kompensatorischen

Handlungen nicht mehr. Nunmehr völlig entmächtigt

durch die Demütigungen ihrer Mitschüler,

ohne häuslichen Rückhalt, verzweifelt

an der Welt, schmieden sie einen unglaublichen

Plan. Ihre Peiniger sollen büßen. Gary

und Brendan besorgen sich – was in Middletown

nicht schwer ist – Waffen. Sie konstruieren

Bomben und testen deren Funktionsfähigkeit.

Immer heimlich. Niemand merkt

etwas, weil die beiden ja auch von niemanden

beachtet werden.

Eines Abends ist Abschlussball an der Middletown

Highschool. Die Turnhalle ist voll von Teenagern

und Lehrern. Brendan und Gary beschließen,

der Stadt einen fürchterlichen Denkzettel

zu verpassen. Endlich soll man auf ihr

Schicksal aufmerksam werden.

PROBLEMATIK

Morton Rhues Buch handelt davon, wie zwei

junge Menschen immer fester eingesponnen

werden in ein Netz aus Gewalterfahrungen,

Resignation und schließlich kompensatorischer

Aggression. Keines der geschilderten Negativerlebnisse

ist – für sich allein genommen – ausschlaggebend

auf dem Weg zur Katastrophe.

Erst der oben skizzierte soziale Teufelskreis

führt hin zu einer Situation, in der Gary und

Brendan in einem auch selbstzerstörerischen

Gewaltakt den einzigen Ausweg sehen. Dies

wirft die Frage auf, welchen Anteil an Verantwortung

die einzelnen Figuren (z. B. Eltern und Lehrer)

haben und inwiefern diese Verantwortung

ihrerseits wurzelt in den objektiv gegebenen

gesellschaftlichen Verhältnissen (von den

Erwachsenen vorgelebte Gewalt, allgemein üblicher

Waffenbesitz, fragwürdiges Schulsystem,

allgegenwärtiger Konformitätsdruck, Zugänglichkeit

und Konsum von Alkohol und Drogen, Dominanz

von Gewalt in den verschiedenen Medien

etc.).

Die Welt der Täter, die eben auch Opfer sind, ist

scheinbar völlig unzugänglich, düster und deprimierend.

Wäre sie aber nicht doch aufzubrechen

gewesen, z. B. von Dustin, der sowohl Football-

Spieler als auch kameradschaftlicher Nachbar

Brendans ist? Welche Rolle spielt am Ende

Emily Kirsch? Und (die brisanteste Frage): Welche

Chancen haben Brendan und Gary selbst

verpasst und warum? Fragen über Fragen, die

unbedingt gestellt werden müssen, wenn ein

deterministischer Blick auf die Geschehnisse

(der in einer Schullektüre ausgesprochen kontraproduktiv

wäre!) vermieden werden soll.

2


ZUGANG

Auch wenn die Problematik der Verbreitung von

Waffen in der Gesellschaft in Europa nicht die

selbe Brisanz aufweist wie in den USA: Es ist

unbestritten, dass unzählige in Rhues Buch geschilderte

Probleme direkte Entsprechungen

zum Schulalltag z. B. deutscher Schülerinnen

und Schüler haben (um nicht zu reden von den

allgemeinen Adoleszenz-Problemen, die in dieser

Geschichte ebenfalls vorkommen). Die

zunehmend aggressiven Umgangsformen, das

Mobbing, die Ignoranz vieler Lehrerinnen und

Lehrer, die familiären Probleme, die Medienerfahrungen.

All das hat seinen Platz in der Alltagserfahrung

junger Leute und bietet zahlreiche

Anknüpfungsmöglichkeiten. Vielleicht kann

diese Lektüre kritische Selbstreflexion befördern

und/oder Handlungsmöglichkeiten in scheinbar

ausweglosen Situationen aufzeigen. Vor einer

allzu moralisierenden Herangehensweise sei

aber gerade aus diesem Grunde gewarnt.

VERKNÜPFUNGEN

Collagen zu den Themen Mobbing, Gewalt, Drogen,

Sport etc. können im Kunstunterricht hergestellt

werden. Diese Themen haben häufig

auch einen Platz im Religions- und Ethikunterricht.

In Gemeinschaftskunde bzw. Politik werden

(in Baden-Württemberg z. B. in der zehnten

Klasse) die allgemeinen Bedingungen des

Zusammenlebens in komplexen Gesellschaften

behandelt. In Geschichte könnte ausführlich

erklärt werden, welche Tradition der Waffenbesitz

in der amerikanischen Gesellschaft hat. Das

Thema Medien (Internet!) spielt in den Lehrplänen

der neunten und zehnten Klasse u.a. in

Deutsch eine prominente Rolle. In Biologie

kann über die destruktive Wirkung von Drogen

gesprochen werden. Selbstverständlich bieten

sich Exkurse zu Ereignissen der jüngsten deutschen

Geschichte an (vgl. dazu das Vorwort des

Autors zur deutschen Ausgabe).

AUFBAU DER ARBEITSHILFE

Diese Arbeitshilfe ist thematisch aufgebaut, d. h.

zu den als besonders bedeutsam erachteten

Themen werden in verschiedener Form Anregungen

gegeben. Es bietet sich also an, die

Schülerinnen und Schüler das Buch vor dem

Beginn der Unterrichtseinheit vollständig lesen

zu lassen. Die Erfahrung zeigt, dass ein solch

spannendes Buch sowieso „in einem Atemzug“

gelesen wird. Umso wichtiger ist danach die

intensive Unterrichtsarbeit.

Hinweis: Die mit einem Stern (*) gekennzeichneten

Arbeitsblätter enthalten Lösungsvorschläge

bzw. weitere Informationen; sie sind für die

Hand der Lehrerin/des Lehrers gedacht.

3


ANGABEN ZUR

UNTERRICHTSGESTALTUNG

Thema 1: Erzählweise und Aufbau

Den Rahmen der Geschichte bildet eine Herausgeber-Fiktion der Denise Shipley (vgl. S. 11-13

sowie 144-145). Sie tritt auf als diejenige, welche die Aussagen der Beteiligten gesammelt und der

Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Damit wird viererlei erreicht:

• ein erzählerischer Rahmen hält die multiperspektivisch dargebotenen Ereignisse zusammen,

• die didaktische Intention des Textes wird durch die inhaltliche (Ziel: zu verstehen, „was sich dort

abgespielt hatte“; S. 11) und persönliche („Gary Searle war mein Stiefbruder“; S. 145) Motivation

der Herausgeberin verstärkt; ihre Hinweise auf die Notwendigkeit der kritischen Reflexion (vgl. S.

13) und die auffällige Affinität ihrer Aussagen zum Vorwort des Autors dienen dem selben Zweck,

• das Zusammenfassen einzelner Aussagen zu thematischen Gruppen (z. B. S. 34 ff.: Football; S. 60

ff.: Waffen/Medien) wird plausibel und erleichtert den Leserinnen und Lesern den Zugang zur

Geschichte,

• die unterschiedlichen Motivationen der Gesprächspartner lassen sich erkennen (vgl. S. 12). (Im

Haupttext selbst vertritt im Übrigen Chelsea Baker, von der erzählt wird, dass sie erst im zehnten

Schuljahr an die Middletown Highschool gekommen sei, eine Position, die derjenigen des kritischen

Lesers/der kritischen Leserin nahe kommt.)

Die Geschichte wird in Einzelaussagen entfaltet. Den verschiedenen Personen ist also jeweils eine

personale Perspektive und eine Erzählposition in der erzählten Welt zugeordnet; sie alle sind gewissermaßen

Ich-Erzähler. Dies bietet Anlass zur differenzierten Auseinandersetzung mit Figuren

aus dem Umfeld von Brendan und Gary (AB 8). T. Douglas Ellin und Beth Bender lassen z.B. ein

interessantes „double-binding“ erkennen: sie analysieren bisweilen messerscharf die Ursachen der

Katastrophe, sind aber gleichzeitig Teil des Problems.

Gelegentlich ist das der personalen Perspektive zugeordnete Wissen so gering, dass man von

einer neutralen oder Außenperspektive sprechen kann (siehe z. B. S. 14: „Aber Gary hatte sowas

Geheimnisvolles an sich, da wusste man nie so genau Bescheid.“) An solchen Stellen zeigt sich die

Notwendigkeit weiterer Reflexion.

Insgesamt liegt eine Mischform aus exemplarischem (thematische Bündelung, Verzicht auf konkrete

Informationen zu Zeit und Ort) und dokumentarischem Erzählen (Interviewform) vor. Es gibt also

gattungstheoretisch sowohl Beziehungen zur Parabel (z. B.: Brecht: „Maßnahmen gegen die

Gewalt“) als auch zum Dokumentar- oder Reportageroman (Kisch, Wallraff). Typisch sind in dieser

Hinsicht die Abschiedsbriefe Brendans und Garys; sie kreisen um die zentralen Inhaltsprobleme der

Geschichte und artikulieren gleichzeitig einen dokumentarischen Anspruch.

4


Empfehlungen zum Unterricht

UNTERSUCHUNG DER ERZÄHLMOTIVATION DER FIGUREN.

Von wem und warum erhält Denise Antworten?

Von wem und warum erhält sie keine Antworten?

(Vgl. dazu ihre eigenen Vermutungen, S. 12).

• Bedürfnis der Rechtfertigung: z. B. Schulleiter Allen Curry, Englischlehrer Dick Flanagan

(siehe z. B. S. 139: „Wenn sie nach Antworten suchen, werden sie auf der Schule keine finden.“).

• Wunsch nach Verarbeitung des Geschehenen: z.B. Beth Bender (wird immer kritischer im Verlauf

der Interviews, lässt eine Entwicklung erkennen) oder Allison Findley.

• keine Antwort (zu großer Schmerz oder Angst vor Selbsterkenntnis): Die Eltern von Brendan

greifen erst ein, als alles zu spät ist: in der Turnhalle. Vater und Mutter Lawlor sollte im

Unterricht eine Stimme gegeben werden. Warum konnten sie das Geschehene nicht

verhindern?

UNTERSUCHUNG DER ERZÄHLTECHNIK.

Verwendung des Begriffs des personalen points of view.

Diskussion der daraus resultierenden Probleme der Konstruktion von Wirklichkeit.

Analyse der kommunikativen Struktur (Autor – Denise Shipley – Figuren / Geschehen – impliziter

Leser – empirischer Leser).

Aufbrechen des personalen points of view durch

• selbst geschriebene und gespielte Interviews, die wesentlich später geführt werden („Eines wollte

ich noch genauer wissen ...“, „Middletown zwei Jahre danach ...“).

• Zeitungsartikel zum Geschehen.

• Fernseh- oder Radioreportage (bietet auch die Möglichkeit, Medienkritik mit einzubeziehen).

Thema 2: Football. Symbolische Selbstvergewisserung in Middletown

Jede gesellschaftliche Formation inszeniert ihre jeweils für gültig erachteten Werte durch symbolische

Handlungen. Preise für die besten Schülerinnen und Schüler gehören in unserer Gesellschaft

ebenso dazu wie die typische Architektur eines Bankhauses, der Kauf eines prestigeträchtigen Autos

oder die feierliche Ernennung eines Professors. Man anerkennt Fleiß, kommuniziert Rationalität und

Macht, inszeniert wirtschaftliche Potenz oder bestätigt eine soziale Hierarchie. Jedes Mal wird

gleichzeitig der Zusammenhalt der Gesellschaft gefestigt. Man weiß, was gilt. Trotzdem ist die durch

symbolische Handlungen zum Ausdruck gebrachte Einstellung nicht so leicht erkennbar, dass der

Einzelne nicht die Illusion aufrecht erhalten könnte, er teile diese freiwillig. Das unterscheidet symbolische

Handlungen z. B. von Staatssymbolen, die auf abstraktere Werte verweisen und deren Verwendung

zumeist in genau festgelegten Routinen (z. B. dem Aufziehen einer Flagge) erfolgt.

In Middletown kommt dem Football-Spiel die Bedeutung einer symbolischen Handlung zu. Symptomatisch

ist in diesem Zusammenhang die Aussage Beth Benders, dass Football „Teil der sozialen

Struktur dieser Stadt“ (S. 41) sei. Man könnte auch (stärker) sagen: Football ist eine Metapher für

das in Middletown herrschende Denken. Dementsprechend groß ist das Zuschauerinteresse (vgl.

S. 74). Interessant ist in diesem Zusammenhang die auf die Football-Clique bezogene Aussage von

Emily Kirsch: „Das Ganze von außen zu betrachten, war schon erstaunlich.“ (S. 38). Das heißt: Wer

sich die symbolische Bedeutung des Footballs und die daraus resultierenden Folgen für das Zusammenleben

der Bürger Middletowns klar macht, gleichsam aus einer neutralen Beobachterposition

heraus, der erkennt die mitunter zerstörerische Dynamik des Geschehens.

5


Empfehlungen zum Unterricht

AB 1 stellt die oben thematisierten Zusammenhänge systematisch dar. Die Schülerinnen und

Schüler sollen versuchen, die auf den vier Ebenen existierenden Affinitäten (auch begrifflich)

möglichst genau zu bestimmen. Die Folgen der direkten Verbindung beider Bereiche (vgl.

AB 1*) können z. B. in einem abschließenden Unterrichtsgespräch festgestellt und diskutiert

werden.

Dieses schwierige Problem sollte nicht ohne gründliche Vorbereitung im Unterricht angegangen

werden. Hinführende Unterrichtsformen wie Collagen und/oder Mindmaps zum Thema Football

(Quellen: Sportmagazine, Internet) sind unbedingt einzusetzen. Auch Vergleiche zur Funktion des

Fußballs (AB 2) für die deutsche Gesellschaft (gesellschaftliche und sportspezifische Parallelen)

bieten sich an.

Auf keinen Fall sollte auf die Thematisierung des Footballs als symbolischer Ausdruck von Denk- und

Verhaltensformen verzichtet werden. Dies gilt umso mehr, als der Ortsname Middletown (!)

ganz offensichtlich auf viele amerikanische Provinzstädte, wenn nicht sogar auf das amerikanische

Denken schlechthin verweist. Der Autor hat diesem Sport nicht umsonst eine zentrale Bedeutung

zugemessen. Einen anspruchsvolleren, eher kognitiv orientierten Zugang bietet die Lektüre von

Sebastian Haffners Erinnerungen an die Sportbegeisterung der Zwanzigerjahre (AB 3). Außer der

offensichtlichen strukturellen Affinität sind zahlreiche Entsprechungen zwischen beiden Texten festzustellen

(z. B. das an Rekrutenausbildung erinnernde Training, von dem Rhue erzählen lässt; vgl. S.

133). Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf die explizite Thematisierung des Zusammenhangs

von Sport und Gewalt in Elfriede Jelineks „Ein Sportstück“.

Thema 3: Kommunikation – Medien – Gewalt

In „Ich knall euch ab“ wird die komplexe Beziehung und gegenseitige Durchdringung der Ebenen

von Macht und Gewalt dargestellt (vgl. dazu AB 4). Wenn z.B. Sam Brendan in Gegenwart einer Lehrerin

schubst (vgl. S. 45 f.), scheint das auf den ersten Blick eine harmlose, fast spielerische Form

der Gewalt zu sein. Tatsächlich handelt es sich um den Ausdruck einer Macht, die jederzeit härtere

Maßnahmen möglich macht (vgl. z. B. S. 53 und S. 91 ff.). In diesem Mechanismus, der durch die

Ungerechtigkeit der Lehrerinnen und Lehrer mit in Gang gehalten wird, sind Brendan und Gary die

Opfer. Die seelischen Belastungen, die daraus resultieren, sind beiden im Laufe der Zeit immer deutlicher

anzusehen. (So wird z. B. Brendan am Ende als „immer finsterer und wütender“

[S. 74] eingeschätzt.) Nach zwei Jahren besteht die einzige Chance zur Befreiung in den Augen der

beiden Jungen in der Umkehrung des Täter-Opfer-Verhältnisses. Die kompensatorische Beschäftigung

mit Gewaltspielen (vgl. z. B. S. 67) sowie die Entladung in verbalen Gewaltorgien (vgl. z.B.

S. 89 f.) genügt offensichtlich nicht mehr. Diese Zusammenhänge sind systematisch in AB 5 dargestellt;

es akzentuiert die kommunikative Mangellage der beiden Jungen als Motor der Gewalt.

Eine Anmerkung zum Thema Medien: Es fällt auf, dass die Figuren in „Ich knall euch ab“ Gewalterfahrungen

häufig mit Hilfe von medialen Vorbildern (z. B. Katastrophenszenen aus Filmen) zu

beschreiben versuchen. (Dies war auch durchgängige Praxis bei der Medienberichterstattung über

den Terroranschlag auf das World-Trade-Center am 11. September 2001.) Es ist aber trotzdem der

Aussage F. Douglas Ellins zuzustimmen (siehe S. 67 f.), der den Medien lediglich die Funktion der

Kanalisierung und Konkretisierung eines je spezifischen Gewaltpotenzials zuschreibt. Seine suggestive

Frage lautet: „Wenn jemand zur Gewalttätigkeit neigt – tragen solche Medien dazu bei, ihm zu

zeigen, wie er sie ausleben kann?“

6


Empfehlungen zum Unterricht

Die Medienerfahrungen von Schülerinnen und Schülern sollten in ausführlichen Unterrichtsgesprächen

(alternativ – um einen Bekenntniszwang zu vermeiden – in einer schriftlichen Umfrage

[AB 6] in der Klasse oder gesamten Klassenstufe) thematisiert werden. Fragen könnten sein:

Welche Medien nutze ich und wie lange nutze ich sie? Warum und wann nutze ich Medien?

Wie fühle ich mich vor dem Medienkonsum, wie danach?

Ziel ist nicht ein möglichst effektiver Einsatz der „Moralkeule“ („Lest lieber ein gutes Buch!“),

sondern die bewusste, wenn möglich reflektierte und kontrollierte Nutzung von Medien (die,

wenn sie eine bestimmte Grenze nicht überschreiten, sicher auch Gewalt simulieren dürfen).

Die Thematik kann durch Rollenspiele (mit PC!), Collagen und Verfahren des kreativen Schreibens

(z. B. Nacherzählung eines PC-Games als Basis der Diskussion) weiter vertieft werden.

Von wissenschaftlicher Seite wird das Problem angegangen, unter Verwendung des Begriffs der

„Mediensozialisation“:

„Die Sozialisationstheorie hilft, einen antiquierten mechanistischen Wirkungsbegriff aufzuheben,

indem sie prozessuale Strukturen [hier: die vielfältigen Ursachen der Katastrophe; M.B.] betont und

nicht das Ergebnis. Es muß also auch in der Betrachtung der Mediensozialisation darauf ankommen,

über die Art und Weise des Umgangs mit den Medien, der Rezeption und der Verarbeitung der

Medienangebote durch Kinder Genaueres zu erfahren und nicht ,Medieneffekte‘ zu bestimmen, die

nach dem simplen Schema ,vorher-nachher‘ gewonnen werden und den eigentlichen Wirkungsmechanismus

ausblenden.

Die Sozialisationstheorie beschreibt die Persönlichkeitsentwicklung als einen Prozeß der aktiven Auseinandersetzung

mit der Umwelt. Zur Umwelt gehören selbstverständlich auch die Medien. [...]

Als kommunikative Umwelt treten die Medien in enge Beziehung zu den personalen Interaktionsprozessen,

die für die Sozialisation entscheidend sind. Hier ist nach wie vor die Familie der wichtigste

Lebensbereich, in dem sich Kinder entwickeln. [vgl. Familie Lawlor!; M.B.]. Genaugenommen ist der

Mediengebrauch von Kindern im wesentlichen ein integraler Bestandteil der Familieninteraktion und

der Familienkommunikation. Selbst wenn der Vater bei seiner Zeitungslektüre am Abend nicht

gestört werden möchte, ist dies ein Faktum in der Mediensozialisation.“ [Hurrelmann 1994, 387].

Thema 4: Gary und Brendan

AB 7 darf nicht im Sinne eines biografischen Determinismus gedeutet werden. Die Verhältnisse an

der Middletown Highschool erzeugen das Klima, in welchem die destruktiven Anteile des Ichs (über

die jeder Mensch verfügt) zur Geltung kommen. (Die chronologische Anordnung der Informationen

trägt dem Rechnung. Es bietet sich an, arbeitsteilig vorzugehen; z. B. können zwei Gruppen Informationen

zum Verhalten und Charakter Brendans vor und nach der Mitte der achten Klasse sammeln.

Entsprechend kann bei Gary verfahren werden.)

Das andere Extrem wäre freilich eine reine Milieutheorie: Brendan und Gary ausschließlich als Opfer

der Verhältnisse zu sehen. Jedem Bewusstseinsvorgang, jeder Handlung, liegt, wie von Hurrelmann

gesagt, die Interaktion von Individuum und Umwelt zu Grunde. In diesem Sinne müssen die Verhältnisse

in Middletown als äußerst ungünstige Einflussfaktoren gewertet werden. Bisweilen spielen

auch Zufälle eine Rolle (z. B. Brendans schon vor dem Umzug vorhandene Aversion gegen Mannschaftssportarten).

7


Empfehlungen zum Unterricht

Im Unterrichtsgespräch ist darauf hinzuweisen, dass harmlose oder durchaus positive Charaktereigenschaften

(AB 8/8a), wie z. B. der ausgeprägte Gerechtigkeitssinn Brendans, unter den außergewöhnlich

schlechten Sozialisationsbedingungen die Eskalation begünstigen (so besteht Brendan

auf seinem Recht, den Flur zu benutzen und sich nicht an die Seite drängen zu lassen, was wiederum

die Stärkeren „provoziert“; vgl. etwa S. 42).

Ereignisse, die mit der Zeit – freilich niemals ohne seelische Verwundungen – hätten verarbeitet werden

können (z. B. die Trennung von Garys Eltern), forcieren die Katastrophe.

Thema 5: Konformitätsdruck. Die Herrschaft der Cliquen

Die Cliquen, die sich zu Beginn der achten Klasse bilden, sind für Allison, Ryan, Brendan und Gary

unerreichbar. Sie bewirken einen Ausschluss von der Kommunikation in- und außerhalb der Schule.

Es gibt eine unsichtbare Grenze, die kaum je überschritten werden kann. Wer einen Platz in der

Clique hat strahlt „wie die Sonne und wir anderen waren kleine Planeten in der Umlaufbahn“ (S. 28).

(Auf diese Metapher bezieht sich auch AB 9).

Die Clique steht wiederum pars pro toto für den gesamtgesellschaftlichen Konformitätsdruck (vgl.

Brendans Abschiedsbrief; den „gepflegten Garten“ seiner Eltern, S. 21; die perfekten Frisuren und

die perfekte Haut, S. 83; schließlich: die von den meisten Leuten in Middletown als wichtig erachteten

Normen allgemein).

Zwei Aussagen sollten in diesem Zusammenhang gründlich sprachlich und inhaltlich analysiert

werden:

• Dick Flanagans Plädoyer für (noch!) mehr „Zusammenhalt“ in der Schule (vgl. S. 74); es stammt

aus dem Munde eines Lehrers, der Brendans bluttriefende Gewaltphantasien genau kannte (vgl. S.

50) und der trotzdem pädagogisch in dieser Sache nichts unternommen hatte. Die Aussage ist vor

allem hinsichtlich des vierfachen Gebrauchs des Indefinitpronomens „man“ verräterisch. Wo bleiben

die Interessen der Individuen?

• Die zumindest für europäische Ohren geradezu groteske Gleichsetzung von Freiheit, Verfassung

und Recht auf Waffenbesitz, ebenfalls von Dick Flanagan zum Ausdruck gebracht (vgl. S. 90 f.).

Diese Figur steht in Rhues Text für das, was man hierzulande in Anführungszeichen als „gesundes

Volksempfinden“ bezeichnet.

Empfehlungen zum Unterricht

Da dieses Problem von Schülerinnen und Schülern naturgemäß besonders gut nachvollzogen werden

kann, sollte es ausführlich thematisiert werden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten der kreativen

Textaneignung, z. B. ein gut vorbereitetes szenisches Spiel, in der die demonstrative Missachtung

einzelner Schülerinnen und Schüler durch andere dargestellt wird (auf Kleider, Mimik, Gestik sowie

die „richtigen“ Worte achten). Eine intensive Diskussion sollte sich anschließen.

Selbstverständlich ist darauf hinzuweisen, dass Cliquenbildung zumeist ganz normal ist. Man entschließt

sich eben, Zeit mit denen zu verbringen, die im Moment am sympathischsten erscheinen.

(Das gilt fast unverändert auch für die sogenannte Welt der Erwachsenen.) Problematisch wird die

Sache, wenn nicht mehr die Sympathie in der Clique, sondern die Antipathie (evtl. sogar der Hass)

gegen andere den Zusammenhalt sichert.

8


Weitere Hinweise und Möglichkeiten

• Selbstverständlich kann das Thema Schule auch ausführlicher behandelt werden. Ausgangspunkt

können z.B. die Aussage des Schulleiters, dass die Schule wie ein Unternehmen zu

führen sei (vgl. S. 82) oder die grundfalsche Behauptung „wenn Sie nach Antworten suchen,

werden Sie auf der Schule keine finden“ (S. 139) sein.

• Eine wichtige Internetadresse: http://mobbingzirkel.emp.paed.uni-muenchen.de; vgl. dazu

auch den Artikel „Bauchkrämpfe morgens um sieben Uhr“ (Süddeutsche Zeitung, 13. April

2000, Beilage, S. 47).

LITERATUR – QUELLEN – MATERIALIEN

• Canetti, Elias: Masse und Macht, Frankfurt am Main 2000. [zuerst 1960].

• Haffner Sebastian: Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914–1933,

Stuttgart/München 2001. [niedergeschrieben 1939].

• Hasel, Verena: Bauchkrämpfe morgens um sieben Uhr. Verzweifelte Kinder, hilflose Lehrer:

Internetprojekt gegen Mobbing an Schulen. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 13. April 2000,

Beilage Nr. 87, S. 47.

• Hurrelmann, Bettina: Kinder und Medien. Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die

Kommunikationswissenschaft, hrsg. von Klaus Merten, Siegfried J. Schmidt und Siegfried

Weischenberg, Opladen 1994, S. 377–407.

• Jelinek, Elfriede: Ein Sportstück, Reinbek bei Hamburg 1998.

• Müller, Peter: Im Land der gnadenlosen Wohltäter. Die ZEIT Nr. 36, 30. August 2001,

S. 9 bis 12.

• Sofsky, Wolfgang: Traktat über die Gewalt, Frankfurt am Main 1996.

• http://mobbingzirkel.emp.paed.uni-muenchen.de. [zum Artikel von Verena Hasel].

• http://www.zeit.de/2001/36/wisconsin. [zum Artikel von Peter Müller].

9


10

Arbeitsblätter


Football als Spiegel der Gesellschaft

Aufgabe: Finde die Entsprechungen und trage sie in die freien Spalten ein.

Football

Gesellschaft

Ziel:

Ziel:

Sieg im sportlichen Wettkampf

Fähigkeiten/Charakter:

Fähigkeiten/Charakter:

Entschlusskraft, Selbstvertrauen,

Kampfkraft

Idee:

Idee:

optimales Zusammenspiel von

individuellem Ehrgeiz und

gesamtgesellschaftlichem

Wohlstand

Strukturmerkmale:

Strukturmerkmale:

traditionelles Rollenverständnis,

Mobbing, Machtmissbrauch,

Gewalt als Reaktion auf den

Leistungsdruck

Ich knall euch ab AB 1

11


Football als Spiegel der Gesellschaft

Football

Gesellschaft

Ziel: Sieg im sportlichen Wettbewerb

Ziel: Aufstieg in der sozialen Hierarchie

(„American dream“)

Fähigkeiten: Schnelligkeit,

Selbstvertrauen, Kampfkraft

Fähigkeiten/Voraussetzungen:

Entschlusskraft, Selbstvertrauen,

Durchsetzungsfähigkeit

Idee: optimaler Einsatz des einzelnen

Spielers für den Erfolg der

Mannschaft und seinen Erfolg

Idee: optimales Zusammenspiel von

individuellem Ehrgeiz und

gesamtgesellschaftlichem

Wohlstand

Strukturmerkmale:

• Dominanz der Männer (Frauen als

Zuschauer), Verbindung von Sport und

sexueller Attraktivität

• in Middletwon: Kompensation des

Leistungsdrucks (vgl. S. 73) durch

Gewalt

Strukturmerkmale:

• (vor allem außerhalb der Metropolen):

traditionelles Rollenverständnis

• Kompensation des Leistungsdrucks

durch Mobbing, Machtmissbrauch,

Gewalt

Folgen der direkten Verbindung beider Bereiche

• Sportler-Sein als gesellschaftliches Ideal (vgl. S. 41 f.)

und als Prestigegrund (vgl. S. 39)

• Ausschluss von Außenseitern, die den Football nicht

mögen (z. B. Brendan und Gary)

• Privilegierung erfolgreicher Sportler (in der Schule: vgl.

S. 40 f./83; in der Gesellschaft: vgl. S. 183)

• Stabilisierung des Zusammenlebens („Gemeinschaftsgefühl“),

z.B. durch den Besuch von Sportveranstaltungen

12


Aufgabe: Was fällt dir zum Thema Fußball ein? Notiere Stichwörter.

Aufgabe: Versuche deine Stichwörter zu strukturieren und fertige eine mind-map an.

Ich knall euch ab AB 2

13


Sport und Gewalt in historischer Perspektive

Der Historiker und Publizist Sebastian Haffner erinnert sich im englischen Exil an

sportbegeisterte Jahre:

„In den Jahren 1924, 25 und 26 entwickelte sich Deutschland schlagartig zu einer

Sport-Großmacht. [...]

Es ist der letzte große Massenwahn, dem ich selbst mit erlegen bin. Zwei Jahre lang

stand mein geistiges Leben fast still, und ich trainierte verbissen Mittel- und

Langstreckenlauf und hätte meine Seele unbedenklich dem Teufel dafür verkauft, ein

einziges Mal 800 Meter unter 2 Minuten zu laufen. Ich ging zu jedem Sportfest, und

ich kannte jeden Läufer und die beste Zeit, die er laufen konnte, nicht zu reden von

der Liste der deutschen und Weltrekorde, die ich im Schlafe hätte herunterschnurren

können. Die Sportberichte spielten eine Rolle wie vor zehn Jahren die Heeresberichte

und was damals Gefangenenzahlen und Beuteziffern gewesen waren, das waren jetzt

jetzt Rekorde und Rennzeiten. [...]

Das Komische ist, daß die Politiker von rechts bis links dieser auffallenden

anfallsweisen Massenverblödung der Jugend nicht genug Lob zu spenden wußten.

Nicht genug, daß wir wieder einmal dem alten Laster unserer Generation frönen

konnten, dem Rauschgift des kalten, wirklichkeitsentblößten Zahlenspiels: Wir taten

es diesmal unter der konzentrierten Aufmerksamkeit und dem einmütigen Beifall

unserer Erzieher. Die ,Nationalen‘, dumm und plump wie immer, fanden, wir hätten

mit gesundem Instinkt einen prächtigen Ersatz für die fehlende Militärpflicht

entdeckt. Als ob es irgendeinem von uns auf die ,körperliche Ertüchtigung‘

angekommen wäre! Die ,Linken‘, überschlau und daher im Ergebnis fast noch

dümmer als die ,Nationalen‘ (wie immer), hielten es für eine großartige Erfindung,

daß von nun an die kriegerischen Instinkte auf dem friedlichen grünen Rasen mit

Rennen und Freiübungen abreagiert wurden, und sahen den Weltfrieden gesichert.

Es fiel ihnen nicht auf, daß die ,deutschen Meister‘ sich ausnahmslos schwarz-weißrote

Schleifen ansteckten, obwohl die Reichsfarben damals schwarz-rot-gold waren.

Sie kamen nicht auf die Idee, daß der Reiz des Kriegsspiels, die alte Figur des

großen, spannenden Wettkampfs der Nationen, hier nur geübt und wachgehalten

wurde – keineswegs ,kriegerische Instinkte‘ abreagiert. Sie sahen die Verbindung

und den Rückfall nicht.“

[Haffner 1939/2001, S. 72-74].

Aufgabe:

1. Wie zeigt sich die Sportbegeisterung, von der Haffner spricht? Unterstreiche.

2. Welche Beziehung besteht hier zwischen Sport, Gesellschaft und Politik?

3. Wo sieht Haffner die diesbezüglichen Probleme?

4. Welche Parallelen existieren zur Funktion des Sports in Middletown?

Ich knall euch ab AB 3

14


Macht und Gewalt

Der Schriftsteller Elias Canetti thematisiert in seinem Buch „Masse und Macht“ den

Unterschied zwischen Macht und Gewalt:

„Mit Gewalt verbindet man die Vorstellung von etwas, das nah und gegenwärtig ist.

Sie ist zwingender und unmittelbarer als die Macht. Man spricht, verstärkend, von

physischer Gewalt. Macht auf tieferen und mehr animalischen Stufen ist besser als

Gewalt zu bezeichnen. Eine Beute wird mit Gewalt ergriffen und mit Gewalt in den

Mund geführt. Wenn die Gewalt sich mehr Zeit läßt, wird sie zur Macht. Aber im

akuten Augenblick, der dann doch einmal kommt, im Augenblick der Entscheidung

und Unwiderruflichkeit, ist sie wieder reine Gewalt. Macht ist allgemeiner und

geräumiger als Gewalt, sie enthält vielmehr, und sie ist nicht mehr ganz so

dynamisch. Sie ist umständlicher und hat sogar ein gewisses Maß an Geduld. [...]

Der Unterschied zwischen Gewalt und Macht läßt sich auf sehr einfache Weise

darstellen, nämlich am Verhältnis zwischen Katz und Maus.

Die Maus, einmal gefangen, ist in der Gewalt der Katze. Sie hat sie ergriffen, sie hält

sie gepackt, sie wird sie töten. Aber sobald sie mit ihr zu spielen beginnt, kommt

etwas Neues dazu. Sie läßt sie los und erlaubt ihr, ein Stück weiterzulaufen. Kaum

hat die Maus ihr den Rücken gekehrt und läuft, ist sie nicht mehr in ihrer Gewalt.

Wohl aber steht es in der Macht der Katze, sie sich zurückzuholen. Läßt sie sie ganz

laufen, so hat sie sie auch aus ihrem Machtbereich entlassen. Bis zu dem Punkte

aber, wo sie ihr sicher erreichbar ist, bleibt sie in ihrer Macht. Der Raum, den die

Katze überschattet, die Augenblicke der Hoffnung, die sie der Maus läßt, aber unter

genauester Bewachung, ohne daß sie ihr Interesse an ihr und ihrer Zerstörung

verliert, das alles zusammen, Raum, Hoffnung, Bewachung und Zerstörungsinteresse,

könnte man als den eigentlichen Leib der Macht oder einfach als die

Macht selbst bezeichnen.“

[Canetti 1960/2000, S. 333].

Aufgabe:

1. Kennst du – vom Hörensagen oder aus eigener Erfahrung – Verhältnisse, die sich mit

dem Begriffspaar Macht/Gewalt erklären lassen?

2. Wer hat in Middletown über wen Macht? Und: Welche Erscheinungsformen der Gewalt

resultieren aus dieser Macht?

3. Kann man das Handeln von Brendan und Gary auch mit Hilfe der Terminologie Canettis

erklären?

Ich knall euch ab AB 4

15


Kommunikation – Medien – Gewalt

Aufgabe: Die Situation von Brendan und Gary eskaliert.

Belege die einzelnen Entwicklungsschritte mit Textstellen.

Ausschluss von der „KOMMUNIKATION“

Niederlage im Machtspiel,

Opfer von Gewalt

Frustration, Aggression

kompensatorisch-verbal

Überschreiten der reinen Kompensationshandlung

Tat, Umkehr des Täter-Opfer-Verhältnisses

Wiederaufnahme der „KOMMUNIKATION“

Ich knall euch ab AB 5

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Kommunikation – Medien – Gewalt

Gesellschaft Situation von Brendan & Gary Gesellschaft

Ausschluss von der

KOMMUNIKATION, Niederlage im

Machtspiel, Opfer von Gewalt

Tolerierung

systemimmanenter

Gewalt

problematische

Familienverhältnisse

Frustration, Aggression

(kompensatorisch-verbal; simuliert

im Mediengebrauch)

(vgl. Sofsky 1996)

gleichgültige

Gesellschaft

(heute: „allen

alles egal“;

S. 69)

Verfügbarkeit

von Waffen

Überschreitung der reinen

Kompensationshandlungen (erster

Waffenkauf, S. 61; Irritieren von

Autofahrern, S. 64 f.; Schießen aus

dem fahrenden Auto, S. 75-77;

Testsprengung, (S. 85 bis 88)

Alkohol- und

Drogenkonsum

üblich

Tat, Umkehr des Täter-Opfer-

Verhältnisses, Adaption des Gut-

Böse-Schemas (auch Dustin soll

sterben!; vgl. S. 103), Wiederaufnahme

der „KOMMUNIKATION“

Die flankierenden gesellschaftlichen Faktoren können ergänzend behandelt werden. Das AB

bildet den Prozess der Eskalation ab. Jeder Schritt ist die kausale (freilich nicht allein

zwingende) Folge des vorhergehenden. Ist den SchülerInnen diese logische Struktur der

Skizze klar, fällt ihnen die Bearbeitung der Leerstellen sicher nicht mehr allzu schwer.

17


1. Welche Medien nutzt du täglich?

Fernseher Video CD Radio PC Buch Zeitung Zeitschrift

2. Wieviel Zeit verbringst du im Durchschnitt pro Tag mit diesen Medien?

Fernseher Video CD Radio PC Buch Zeitung Zeitschrift

_____ _____ _____ _____ _____ _____ _____ _____

3. Hast du beim Gebrauch eines dieser Medien Gewohnheiten entwickelt?

___________________________________________________________________

___________________________________________________________________

4. Welche Sendungen bevorzugst du im Fernsehen?

___________________________________________________________________

5. Nach welchen Kriterien wählst du Sendungen, Spiele etc. aus?

___________________________________________________________________

6. Was erwartest du von der Nutzung der genannten Medien?

___________________________________________________________________

___________________________________________________________________

7. Wie fühlst du dich nach der Nutzung einiger der genannten Medien?

___________________________________________________________________

___________________________________________________________________

Ich knall euch ab AB 6

18


Brendan und Gary: Typische Außenseiter?

Aufgabe: Beschreibe den Verlauf der Freundschaft und die Veränderung in dem

Verhalten der beiden Jungen.

Brendan und Gary vor dem Kennenlernen in Springfield:

Brendan

Gary

Brendan und Gary zu Beginn ihrer Freundschaft in Middletown

Brendan

Gary

Brendan und Gary nach den Sommerferien. Sie sind eng befreundet.

Brendan

Gary

Ich knall euch ab AB 7

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Brendan und Gary: typische Außenseiter?

BRENDAN

GARY

Vor dem Kennenlernen

In Springfield:

• recht guter Sportler, schlagfertig,

witzig, aggressiv (vgl. S. 20 f.)

• wechselvolles Verhältnis zum Fußball;

Trainer: der Vater! (vgl. S. 21);

Passivität und Übereinsatz als Spiegel

des Vater-Sohn-Verhältnisses? (Liebe

vs. Enttäuschung)

• ordentlicher Schüler (vgl. S. 21)

• des Öfteren unzufrieden mit sich selbst

(vgl. S. 22)

• ausgeprägter Gerechtigkeitssinn (vgl.

S. 22)

• Eltern: „zugeknöpft“ (vgl. S. 24)

• „geknickt“, als er vom Umzug erfährt

(vgl. S. 24)

Umzug nach Middletown (in der Mitte

der 7. Klasse)

• mag Emily Kirsch (vgl. S. 27)

• Scheidung der Eltern; offensichtlich als

Gary in der ersten Klasse war (vgl.

S. 14)

Æ Umzug in Middletown

• „schrecklich enttäuscht“ über die

Scheidung der Eltern (S. 15)

• ruhiger (trauriger?) Junge in der

4. Klasse

• in der sechsten Klasse bereits:

„verschlossen“ (S. 16)

• Mutter überfordert

• liebt seine Mutter, trauert um ihr

Schicksal (vgl. S. 59)

Mitte der achten Klasse: beginnende Freundschaft

• weitgehend isoliert in der neuen

Umgebung; gehört zu keiner der

Cliquen (vgl. S. 28)

• Ende der achten Klasse: tief getroffen

wegen der von anderen beobachteten

Szene mit Allison (vgl. S. 32)

Nach den Sommerferien: enge Freundschaft

• Brendan wird „finster“ (S. 34)

• wird bekannt als einer, „der sich

einfach nicht einfügen“ will (S. 36)

• wirkt auf Dustin „jämmerlich und

schwach“ (S. 48 f.)

• gibt nicht klein bei, „auch wenn er

Angst hatte“ (vgl. S. 74)

• will auf die Militärschule „fliehen“ (vgl.

S. 95)

• Gary wird offensichtlich immer

depressiver

• Todessehnsucht: prüft demonstrativ die

Tauglichkeit des Mastes für Selbstmordversuch

(vgl. S. 47)

• will am liebsten gar nicht aus dem Bett

(vgl. S. 50)

• sieht alles als „sinnlos“ an (vgl. S. 52)

• Bombenbauer (vgl. S. 84)

20


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Aufgabe: $XIJDEH(UVWHOOH3HUVRQHQNDUWHQ6FKUHLEHJHQDXDXIZDVGX Erstelle Personenkarten. Schreibe genau auf, was du über EHUGLHMHZHLOLJH

die jeweilige

Person 3HUVRQZHL‰W'LHDUWHQN|QQHQDQGHU:DQGDXIJHKlQJWZHUGHQXQGLP/DXIH

weißt. Die Karten können an der Wand aufgehängt werden und im Laufe

der GHU/HNW Lektürebearbeitung UHEHDUEHLWXQJHUJlQ]WZHUGHQ9HUVXFKHGLHIHUWLJHQDUWHQVR]X

ergänzt werden. Versuche die fertigen Karten so zu

platzieren, SOD]LHUHQGDVVGHXWOLFKZLUGZLHGLH3HUVRQHQ]XHLQDQGHUVWHKHQ$XFKKLHU

dass deutlich wird, wie die Personen zueinander stehen. Auch hier

kann NDQQHVLP/DXIHGHU%HDUEHLWXQJ9HUVFKLHEXQJHQJHEHQ

es im Laufe der Bearbeitung Verschiebungen geben.

Ich knall euch ab AB 8

21


Die Herrschaft der Cliquen

Ich knall euch ab AB 9

S. 80 f.

S. 141 f.

Aufgabe: Lies die Seiten 80 f. und 141 f. nochmals.

Versuche dieses Schaubild zu füllen.

22


Allison

Brendan

Die Herrschaft der Cliquen

„Beurteilerei“ (S. 80)

Football-Spieler

Cheerleader

Fans

Markenklamotten

Stärke

Sozialprestige

Mobbing (S. 141 f.)

Gary

Ryan

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