Dr. Karin Waringo Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat ... - Pro Asyl
Dr. Karin Waringo Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat ... - Pro Asyl
Dr. Karin Waringo Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat ... - Pro Asyl
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
zustimmt, das auch der Zustimmung des Bundesrates bedarf,. Der Gesetzgeber muss bei<br />
der Bestimmung <strong>ein</strong>es <strong>Herkunftsstaat</strong>es zum sicheren <strong>Herkunftsstaat</strong> die Vorgaben der<br />
Verfassung berücksichtigen. Es muss sich demnach um Staaten handeln, bei denen<br />
aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgem<strong>ein</strong>en politischen<br />
Verhältnisse gewährleistet ersch<strong>ein</strong>t, dass dort weder politische Verfolgung noch<br />
unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Dabei geht es<br />
also nach dem Wortlaut des Artikels 16a III 1 GG nicht nur um politische<br />
Verfolgungstatbestände, sondern auch um menschenrechtswidrige Praktiken im<br />
betreffenden Staat, die in den Blick zu nehmen sind. Und es geht ganz besonders auch um<br />
die Praxis, nämlich die Frage, inwieweit Gesetze, die menschenrechtliche Aspekte betreffen,<br />
angewendet und damit vor dem Hintergrund der allgem<strong>ein</strong>en politischen Situation im<br />
jeweiligen Staat wirksam werden.<br />
Die Tatsache, dass es nicht nur auf politische Verfolgungstatbestände ankommt, sondern<br />
auch auf die Beurteilung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, ist von erheblicher<br />
Bedeutung. In <strong>ein</strong>er ganzen Reihe von Staaten mag die Behandlung von Minderheiten oft<br />
nicht die Schwelle erreichen, damit sie als politische Verfolgung <strong>ein</strong>gestuft werden kann. Sie<br />
kann jedoch durchaus als menschenrechtswidrig beurteilt werden, und entsprechende<br />
Praktiken sind bei der Frage, ob es sich um <strong>ein</strong>en sicheren <strong>Herkunftsstaat</strong> handelt, zwingend<br />
zu berücksichtigen. Ganz besonders gilt dies, wenn die Mängel systematisch sind.<br />
Der folgende Bericht belegt, dass <strong>Serbien</strong> nicht die Voraussetzungen erfüllt, um als <strong>sicherer</strong><br />
<strong>Herkunftsstaat</strong> <strong>ein</strong>gestuft zu werden. Er stützt sich in erster Linie auf die Berichte<br />
internationaler Organisationen, wie des Europarats oder der Europäischen Kommission, die<br />
zeigen, dass die menschenrechtliche Lage in <strong>Serbien</strong> nach wie vor prekär ist, und dass<br />
insbesondere Minderheiten unter den Folgen von struktureller Diskriminierung und der<br />
Missachtung bestehender Rechtsvorschriften leiden. Dies hat zur Folge, wie in den Berichten<br />
immer wieder hervorgehoben wird, dass Menschen, insbesondere Angehörige von<br />
Minderheiten und anderen gesellschaftlich benachteiligten Gruppen, nur begrenzt in der<br />
Lage sind, ihre Grundrechte auszuüben. Außerdem zeigt der Bericht, dass der<br />
Demokratisierungsprozess in <strong>Serbien</strong> längst nicht abgeschlossen ist, was sich insbesondere<br />
an den Angriffen auf JournalistInnen und den Einschränkungen politischer Freiheiten äußert.<br />
Menschen, die Minderheiten angehören oder als Angehörige von Minderheiten<br />
wahrgenommen werden, riskieren nach wie vor, Opfer von Willkür und Gewalt zu werden,<br />
was auch am Beispiel der Behandlung von Homo- und Transsexuellen deutlich wird.<br />
<strong>Serbien</strong> befindet sich in langwierigen und schwierigen Demokratisierungsprozessen, wie<br />
auch andere Staaten der Region. Fortschritten in manchen Bereichen, insbesondere im<br />
Bereich der Gesetzgebung, stehen Stagnation, Rückschritte und fortdauernde Defizite<br />
gegenüber, zu denen auch die strukturelle und bis zur Existenzgefährdung gehende<br />
Ausgrenzung der Roma gehört. Dass <strong>Serbien</strong> nicht die Voraussetzungen erfüllt, um zu<br />
<strong>ein</strong>em sicheren <strong>Dr</strong>ittstaat erklärt zu werden, ist k<strong>ein</strong>e diskriminierende Feststellung. Die Liste<br />
derjenigen Staaten, die Deutschland als sichere <strong>Herkunftsstaat</strong>en ansieht, ist bekanntlich<br />
kurz. PRO ASYL hat die Idee <strong>ein</strong>er Liste angeblich verfolgungsfreier und durchweg<br />
menschenrechtskonform agierender „Positivstaaten“ schon vor der <strong>Asyl</strong>rechtsänderung, mit<br />
der sie <strong>ein</strong>geführt wurde, für mehr als fragwürdig gehalten. Solange es jedoch das<br />
Instrument der sicheren <strong>Herkunftsstaat</strong>en gibt, ist darauf zu achten, dass zumindest die<br />
verfassungsrechtlichen Anforderungen bei ihrer Bestimmung <strong>ein</strong>gehalten werden.<br />
Im vorliegenden Text nehmen Menschenrechtsverletzungen gegenüber Roma breiten Raum<br />
<strong>ein</strong>. Als marginalisierte Minderheit, die sowohl aus rassistischen Gründen, aber auch aus<br />
Gründen der Armut diskriminiert und ausgegrenzt wird, sind die Roma in besonderer Weise<br />
von Verstößen gegen Menschenrechte betroffen. Allerdings werden auch andere Aspekte<br />
der extrem problematischen Menschenrechtslage in <strong>Serbien</strong> dargestellt, wie beispielsweise<br />
die Aktivitäten rechtsextremer Gruppen, die sich in <strong>Serbien</strong> nahezu ungestört entfalten<br />
3