Mobbing am Arbeitsplatz
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<strong>Mobbing</strong> <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong><br />
1
1 Einleitung 5<br />
1.1 Der Autor 5<br />
2 <strong>Mobbing</strong> – was ist das? 6<br />
2.1 Definition 6<br />
3 Ausmaß von <strong>Mobbing</strong> 10<br />
3.3 <strong>Mobbing</strong>quote nach Geschlecht 12<br />
3.4 <strong>Mobbing</strong>quote nach Alter 12<br />
4 <strong>Mobbing</strong>handlungen 14<br />
4.1 Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen 16<br />
4.2 Angriffe auf die sozialen Beziehungen 17<br />
4.3 Angriffe auf das soziale Ansehen 18<br />
4.4 Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation 19<br />
4.5 Angriffe auf die Gesundheit 20<br />
4.6 Katalog der 100+... <strong>Mobbing</strong>handlungen 21<br />
5 Charakteristika von Mobbern 21<br />
6 Ursachen für die Entstehung von <strong>Mobbing</strong> 22<br />
6.1 Einleitung 22<br />
6.2 Arbeitsorganisatorische Mängel 22<br />
6.3 Führungsverhalten von Vorgesetzten 23<br />
6.4 Umstrukturierungen und wirtschaftliche Situation 25<br />
6.5 Soziale Stellung des Betroffenen 26<br />
6.6 Der Arbeitsethos 28<br />
6.7 Konkurrenzverhalten 28<br />
2
7 Phasen des <strong>Mobbing</strong>s 29<br />
7.1 Einleitung 29<br />
7.2 Phase 1: Der Konflikt als Auslöser des <strong>Mobbing</strong>s 30<br />
7.3 Phase 2: Beginn der <strong>Mobbing</strong>handlungen 31<br />
7.4 Phase 3: Arbeitsrechtliche Maßnahmen 34<br />
7.5 Dauer des <strong>Mobbing</strong>prozesses 35<br />
8 Auswirkungen von <strong>Mobbing</strong> 36<br />
8.1 Auswirkungen auf den/die Betroffenen 36<br />
8.2 Auswirkungen auf den/die Mobber 39<br />
8.3 Auswirkungen auf das direkte Arbeitsumfeld 40<br />
7.4 Auswirkungen auf das Unternehmen und die<br />
Gesellschaft 41<br />
8.4.1 Auswirkungen auf das Unternehmen 41<br />
8.4.2 Auswirkung auf die Gesellschaft 43<br />
9 Rechtliche Bewertung von <strong>Mobbing</strong> 45<br />
9.1 Strafrechtliche Bewertung 45<br />
9.2 Zivil- und arbeitsrechtliche Bewertung 47<br />
10 Anti- <strong>Mobbing</strong>strategie 49<br />
10.1 Präventive Maßnahmen 49<br />
10.1.1 Durchführen einer Bestandsaufnahme 49<br />
10.1.2 Auswählen und Qualifizieren von Führungskräften 50<br />
10.1.3 Fördern der sozialen Beziehungen 51<br />
10.1.4 Weiterbildungsangebote für Betriebsangehörige 52<br />
10.1.5 Verbessern der Arbeitsorganisation und –abläufe 53<br />
10.1.6 Einrichten einer Konfliktberatungsstelle 54<br />
3
10.1.7 Systematisches Einführen neuer Mitarbeiter 55<br />
10.1.8 Abschließen einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung 56<br />
10.2 Die Intervention 57<br />
10.2.1 Einleitung 57<br />
10.2.2 Das Erstgespräch 57<br />
10.2.3 Die Situationsanalyse 59<br />
10.2.4 Die Konfliktbearbeitung 60<br />
10.2.5 Die <strong>Mobbing</strong>intervention 62<br />
10.3 Vorgehensweise bei unbekannten Tätern 63<br />
11 Schlusswort 65<br />
12 Abkürzungsverzeichnis 67<br />
13 Literaturverzeichnis 68<br />
14 Anlagen 70<br />
14.1 Katalog der 100+... <strong>Mobbing</strong>handlungen 70<br />
14.2 Leitsätze des LAG Thüringen 75<br />
14.3 Urteile 78<br />
14.3.1 Beweiswert eines ärztlichen Beschäftigungsverbots 78<br />
14.3.2 Schmerzensgeld wegen Persönlichkeitsverletzung 79<br />
14.3.3 Arbeitnehmer haftet für Entlassung... 81<br />
14.3.4 Kündigung eines <strong>Mobbing</strong>täters 82<br />
14.3.5 Kündigung eines <strong>Mobbing</strong>opfers während der Probezeit 83<br />
14.4 <strong>Mobbing</strong>- Fragebogen 84<br />
14.5 Entwurf einer Muster- Betriebsvereinbarung 88<br />
14.6 Offener Brief der Ford Motor Company 93<br />
4
1 Einleitung<br />
Die vorliegende Arbeit gibt einen aktuellen Stand zum Thema <strong>Mobbing</strong> <strong>am</strong><br />
<strong>Arbeitsplatz</strong> unter Berücksichtigung der neuesten Studie „Der <strong>Mobbing</strong>report“ 2002<br />
der Sozialforschungsstelle Dortmund wieder.<br />
Die verwendeten Zahlen und die grafischen Darstellungen basieren auf dieser<br />
Studie. 1<br />
Das Logo zu dieser Arbeit setzt sich aus dem Schriftzug „MoB“ für <strong>Mobbing</strong><br />
zus<strong>am</strong>men, wobei das „M“ für die Masse steht, die untätig zuschaut;<br />
das „B“ für die/den verfolgten Betroffenen und das „o“ für den organisierten Mobber,<br />
der unserem „B“ zusetzt.<br />
1.1 Der Autor<br />
Diese Arbeit wurde erstellt von<br />
Horst Reulecke<br />
Dipl.- Verwaltungswirt<br />
Betriebswirt mit Schwerpunkt Personalwesen<br />
Immobilienfachwirt<br />
- Einsatztrainer und Dozent -<br />
1<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
5
2 <strong>Mobbing</strong> – was ist das?<br />
2.1 Definition<br />
Das Wort <strong>Mobbing</strong> hat seinen Ursprung im Englischen „to mob = anpöbeln; über<br />
jemanden herfallen“ und im Schwedischen „mobba = Streit“, wurde von Konrad<br />
Lorenz im Rahmen seiner Verhaltensforschung in der Tierwelt geprägt und durch<br />
Leymann (1932-1999) auf die Arbeitspsychologie übertragen und ausgestaltet.<br />
Im angelsächsischen Raum wird der Begriff „Bullying“ verwendet.<br />
Als <strong>Mobbing</strong> bezeichnet man einen „Geschehensprozess in der Arbeitswelt, in dem<br />
destruktive Handlungen unterschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren<br />
Zeitraum gegen Einzelne vorgenommen werden, welche von den Betroffenen als eine<br />
Beeinträchtigung und Verletzung ihrer Person empfunden werden und<br />
dessen ungebremster Verlauf für die Betroffenen grundsätzlich dazu führt, dass ihre<br />
psychische Befindlichkeit und Gesundheit zunehmend beeinträchtigt werden, ihre<br />
Isolation und Ausgrenzung <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> zunehmen, dagegen die Chancen auf eine<br />
zufriedenstellende Lösung schwinden und der regelmäßig im Verlust ihres bisherigen<br />
beruflichen Wirkbereichs endet.“ 2<br />
Nach einer Definition des Landesarbeitsgerichts Thüringen versteht man unter<br />
<strong>Mobbing</strong> im arbeitsrechtlichen Verständnis „fortgesetzte, aufeinander aufbauende<br />
oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung<br />
dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer<br />
übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind<br />
und jedenfalls in ihrer Ges<strong>am</strong>theit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere<br />
ebenso zu schützende Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen<br />
verletzen.<br />
Ein vorgefasster Plan ist nicht erforderlich. Eine Fortsetzung des Verhaltens unter<br />
schlichter Ausnutzung der Gelegenheiten ist ausreichend.<br />
Zur rechtlich zutreffenden Einordnung kann dem Vorliegen von falltypischen<br />
Indiztatsachen (mobbingtypische Motivation des Täters, mobbingtypischer<br />
2<br />
Esser, Wolmerath, „<strong>Mobbing</strong>. Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung“, 2001, S.20<br />
6
Geschehensablauf, mobbingtypische Veränderung des Gesundheitszustands des<br />
Opfers) eine ausschlaggebende Rolle zukommen, wenn eine Konnexität zu den von<br />
dem Betroffenen vorgebrachten <strong>Mobbing</strong>handlungen besteht. Ein wechselseitiger<br />
Eskalationsprozess, der keine klare Täter-Opfer-Beziehung zulässt, steht regelmäßig<br />
der Annahme eines <strong>Mobbing</strong>sachverhaltes entgegen.“ 3<br />
Aus diesen Definitionen ergeben sich folgende Voraussetzungen:<br />
a) Es werden gegen eine Person destruktive Handlungen<br />
vorgenommen.<br />
Beispielhaft nennt das Thüringer LAG „Anfeindung, Schikane und<br />
Diskriminierung“. Im Folgenden gehen wir im Kapitel 4 detaillierter auf diese<br />
Handlungen ein.<br />
b) Ziel ist die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des<br />
Betroffenen, die Ehre und die Gesundheit, wobei sie nicht von der<br />
Rechtsordnung abgedeckt werden.<br />
Dies bedeutet, dass der Mobber das Opfer aus eigener Motivation angreift und<br />
sich unzulässiger Handlungen bedient.<br />
Diese Handlungen sind zum großen Teil in der<br />
Anlage 14.1 in den „100+... <strong>Mobbing</strong>handlungen“ erfasst und können sogar<br />
strafrechtlich relevante Taten darstellen, vgl. Kapitel 9.1.<br />
Die Motivation des Täters kann ebenfalls unterschiedlichster Natur sein.<br />
So kommen in Betracht:<br />
- ungelöste Konflikte<br />
- das Ausleben von Machtbedürfnissen<br />
- Ausschalten eines vermeintlichen Konkurrenten<br />
- Neid auf das Opfer aufgrund seiner Stellung oder seines Ansehens<br />
- erwünschter Stellenabbau<br />
- Antipathie<br />
3 , 01.02.02.<br />
7
c) Die Handlungen müssen wiederholt geschehen und sich über einen längeren<br />
Zeitraum erstrecken.<br />
Jede einzelne Handlung stellt für sich eine diskriminierende Tat dar. Sie<br />
können in der Anfangsphase durch den Mobber sogar unbewusst<br />
vorgenommen werden.<br />
"<strong>Mobbing</strong> entsteht durch die Ges<strong>am</strong>theit der aufeinander aufbauenden, bzw.<br />
ineinander übergreifenden diskriminierenden Handlungen". Daraus lässt sich<br />
schlussfolgern, dass dem Täter seine einzelnen Handlungen durchaus bewusst<br />
werden und er beginnt, zielgerichtet gegen das Opfer zu agieren.<br />
Dabei ist es gemäß dem o.g. Urteil unerheblich, ob er einen Plan entwickelt<br />
oder einfach sich ergebende Gelegenheiten nutzt.<br />
Die Zeiträume und die Häufigkeit der Handlungen wurden bisher nicht genau<br />
definiert.<br />
Leymann definierte den Zeitraum mit „über ein halbes Jahr oder länger“ 4<br />
Betrachtet man jedoch die Definition des LAG Thüringen, wonach bereits das<br />
Nutzen einer „Gelegenheit“ ausreicht, kommt man zwangsläufig zu dem<br />
Schluss, dass sich weder die Häufigkeit, noch die ges<strong>am</strong>te Dauer festlegen<br />
lässt.<br />
In dem 3. Leitsatz (vgl. Kapitel 14.2) des LAG Thüringen wird dem insofern<br />
Rechnung getragen, dass im Einzelfall auch ein „vorübergehender Zeitraum“<br />
ausreichend sein kann.<br />
Daraus folgt, dass die Gerichte die Intensität der Handlungen, deren<br />
Häufigkeit, den ges<strong>am</strong>ten Zeitraum des <strong>Mobbing</strong>s und die Folgen abzuwägen<br />
haben und den entsprechenden Einzelfall daraufhin bewerten.<br />
Auf die Bewertung der Handlungen seitens betrieblicher<br />
Ansprechpartner/innen wird im Kapitel 10.2.3 eingegangen.<br />
4<br />
Leymann , „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.22 und 1995, S.17f.<br />
8
d) Täter-Opfer- Verhältnis<br />
Ebenso bleibt das Verhältnis der beteiligten Parteien zu prüfen.<br />
Das LAG Thüringen grenzt negativ zum „wechselseitigen<br />
Eskalationsprozess“ ab. Eine solche Situation liegt bspw. vor,<br />
wenn zwei Mitarbeiter sich jeden Morgen mit abfälliger Mimik<br />
oder gar abfälligen Worten begrüßen.<br />
In diesem Fall erfolgen ebenfalls wiederholt Angriffe über einen<br />
längeren Zeitraum, jedoch unterliegt hier keine Partei.<br />
Daher verweist das LAG Thüringen auf die mobbingtypische<br />
Motivation des Täters, den mobbingtypischen Geschehensablauf<br />
und die mobbingtypische Veränderung des Gesundheitszustands<br />
des Opfers. Die Motivation des Täters wurde bereits unter b)<br />
betrachtet.<br />
Der typische Geschehensablauf wird in Kapitel 7 „Phasen des <strong>Mobbing</strong>s“; die<br />
typische Gesundheitsbeeinträchtigung in Kapitel 8.1 „Auswirkungen auf die<br />
Betroffenen“ behandelt.<br />
Es kann jedoch vorweggeschickt werden, dass das Opfer im langandauernden<br />
<strong>Mobbing</strong>prozess seine Gegenwehr nicht aufrecht erhalten kann und unterliegt.<br />
9
3 Ausmaß von <strong>Mobbing</strong><br />
1992 wurde von Prof. Dr. Heinz Leymann, Professor der Arbeitswissenschaften an<br />
der Universität Umea, Schweden eine Untersuchung über <strong>Mobbing</strong> <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong><br />
durchgeführt.<br />
Befragt wurden rund 2.500 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren, die währen der<br />
letzten zwölf Monate Lohnarbeit geleistet hatten.<br />
Die Auswertung ergab, dass 3,5 Prozent der Befragten mindestens einmal die<br />
Woche, mindestens über ein halbes Jahr lang <strong>Mobbing</strong> ausgesetzt waren. 5<br />
Der „Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten“ des Europäischen<br />
Parl<strong>am</strong>ents veröffentlichte 2001 einen Bericht über <strong>Mobbing</strong> <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong>, der zu<br />
einer Entschließung des Europäischen Parl<strong>am</strong>ents über diese Thematik führte. 6<br />
Unter Berufung auf eine Europäische Direktbefragung von 21.500<br />
Arbeitnehmer/innen 7 1996 durch die Dublin- Stiftung k<strong>am</strong> man zu dem Ergebnis,<br />
dass die Quote der Beschäftigten, die in den letzten 12 Monaten <strong>Mobbing</strong> ausgesetzt<br />
waren, bei ca. 8% lag.<br />
Die erste repräsentative Untersuchung in Deutschland k<strong>am</strong> zu dem Ergebnis, dass<br />
von den Befragten 5,5% im Jahre 2000 betroffen und 2,2% Ende 2000 noch von<br />
<strong>Mobbing</strong> betroffen waren.<br />
Berücksichtigt man noch frühere <strong>Mobbing</strong>fälle, beträgt die Betroffenheitsquote<br />
insges<strong>am</strong>t 11,3% der Erwerbstätigen. 8<br />
Im Jahre 2001 waren lt. Berechnungen des Statistischen Bundes<strong>am</strong>tes in<br />
Deutschland 38,8 Millionen Menschen erwerbstätig. 9<br />
5<br />
Leymann, “<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.84<br />
6<br />
EU- Bericht über <strong>Mobbing</strong> <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong>, bzw. Entschließung Nr. 2001/2339(INI) vom 16.07.2001<br />
7<br />
Zweite Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen 1996, veröffentlicht 1997,<br />
Amt für <strong>am</strong>tliche Veröffentlichung der EG<br />
8<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
9<br />
, Stand 19.02.2002<br />
10
Dies bedeutet in Zahlen:<br />
2,7% = 1.047.600 Betroffene Ende 2000<br />
5,5% = 2.134.000 Betroffene Jahr 2000<br />
11,3 % = 4.384.400 Betroffene Ges<strong>am</strong>t*<br />
*ca. jeder 9. Erwerbstätige wird in seinem Arbeitsleben von <strong>Mobbing</strong> betroffen.<br />
11
3.1 <strong>Mobbing</strong>quote nach Geschlecht<br />
Von den aktuell (Ende 2000) betroffenen Erwerbstätigen waren 3,5% Frauen<br />
gegenüber 2,0% Männer.<br />
Das bedeutet, dass das aktuelle <strong>Mobbing</strong>risiko für Frauen um 75% höher liegt als für<br />
Männer!<br />
Darüber hinaus werden Männer überwiegend von Männern angegriffen, Frauen aber<br />
durch Männer und Frauen. 10<br />
3.2 <strong>Mobbing</strong>quote nach Alter<br />
Ein erhöhtes <strong>Mobbing</strong>risiko haben die über 55jährigen, jedoch sind die unter<br />
25jährigen <strong>am</strong> stärksten betroffen.<br />
Parallel weist in der Studie die Gruppe der Auszubildenden ein besonders hohes<br />
<strong>Mobbing</strong>risiko auf, was mit der Altersstruktur einhergeht.<br />
Auffällig ist, dass ihre Arbeit gerne massiv und ungerecht kritisiert und ihre Arbeitsleistung<br />
falsch bewertet wird. D<strong>am</strong>it einhergehend werden sie oft als unfähig<br />
10<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
12
dargestellt und es finden Sticheleien und Hänseleien statt, bis hin zu Beleidigungen,<br />
wobei als Akteure meist Kollegen im Alter von 25 – 44 Jahre auftreten.<br />
Ein Generationskonflikt, der <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> ausgetragen wird, ist daher<br />
unwahrscheinlich.<br />
Gleichzeitig wird ihnen jedoch keinesfalls Arbeit entzogen oder Informationen<br />
vorenthalten. Es scheint fast, als würden sie gemäß dem althergebrachten Spruch<br />
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ gezielt kritisiert und gedemütigt, quasi als<br />
Ausbildungsbestandteil.<br />
Erschreckend ist diese Erkenntnis insofern, dass die jungen Auszubildenden <strong>am</strong><br />
Anfang ihres Berufslebens stehen und diese Erfahrungen sie immer begleiten<br />
werden.<br />
Die Gruppe der über 55jährigen ist häufig von der Verweigerung wichtiger<br />
Informationen und insbesondere von Arbeitsentzug betroffen.<br />
Sie werden selten als unfähig dargestellt, was aufgrund ihrer Berufserfahrung auch<br />
kaum möglich sein dürfte.<br />
Ihnen soll offensichtlich signalisiert werden, dass sie nicht mehr gebraucht werden.<br />
Einhergehend d<strong>am</strong>it tritt als Mobber mit steigenden Alter zunehmend der Chef auf.<br />
13
4 <strong>Mobbing</strong>handlungen<br />
Obwohl Konflikte, Intrigen, Psychoterror oder Schikanierung überall auftreten<br />
können, bezeichnet man als <strong>Mobbing</strong> nur die Ges<strong>am</strong>theit von diskriminierenden<br />
Handlungen in der Arbeitswelt.<br />
Es ist aber wichtig anzumerken, dass nicht jeder Konflikt gleichbedeutend ist mit<br />
einer <strong>Mobbing</strong>handlung. Verschiedene Ansichten in beruflichen Fragen können sogar<br />
förderlich sein, wenn diese auf einer sachlichen Ebene bearbeitet werden, um die für<br />
das Unternehmen bestmögliche Lösung zu finden.<br />
Dies setzt natürlich Konflikt- und Kompromissfähigkeit der Beteiligten voraus.<br />
Werden diese Konflikte nicht gelöst, können Spannungen zwischen den beteiligten<br />
Parteien entstehen und neue Konflikte bedingen. Dies kann dann der Auslöser für<br />
<strong>Mobbing</strong> sein.<br />
Darüber hinaus können jedoch auch Konflikte bereits bestehen, bevor bspw. eine<br />
neue Stelle angetreten wird. Auf die einzelnen Ursachen für die Entstehung von<br />
<strong>Mobbing</strong> wird im Kapitel 6 noch detailliert eingegangen.<br />
Die <strong>Mobbing</strong>opfer werden von Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten über<br />
einen längeren Zeitraum diskriminiert und zwangsläufig aus dem Kollegenkreis<br />
ausgegrenzt, bzw. isoliert.<br />
Unter Diskriminierung versteht man „jede Form von Benachteiligung,<br />
Nichtbeachtung, Ausschluss oder Ungleichbehandlung von einzelnen Menschen oder<br />
Gruppen auf Grund ihnen angedichteter oder in einem bestimmten Zus<strong>am</strong>menhang<br />
nicht relevanter Merkmale.“ 11 Diskriminierung hat also nicht diesen<br />
Verfolgungscharakter, kann aber Teil eines <strong>Mobbing</strong>prozesses sein.<br />
Es gibt verschiedene Arten, wie <strong>Mobbing</strong>opfer langfristig ausgegrenzt und psychisch<br />
labil gemacht werden können.<br />
11<br />
Magistrat der Stadt Wien: Antidiskriminierungsstelle – Definition von Diskriminierung<br />
, 16.01.02.<br />
14
Leymann teilte die Handlungen in fünf Gruppen ein:<br />
1. „Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen<br />
2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen<br />
3. Angriffe auf das soziale Ansehen<br />
4. Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation<br />
5. Angriffe auf die Gesundheit“ 12<br />
Die nachfolgende Grafik, bei der Mehrfachnennungen möglich waren, zeigt die<br />
häufigst angewandten <strong>Mobbing</strong>handlungen.<br />
Die Studie zeigt ebenfalls, dass Frauen eher auf der emotionalen Ebene und Männer<br />
eher auf der fachlichen Ebene angegriffen werden.<br />
Der Mobber wählt gezielt oder intuitiv die Mittel, mit denen er glaubt, möglichst<br />
effektiv sein Opfer schädigen zu können.<br />
12<br />
Leymann „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S. 23<br />
15
4.1 Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen<br />
Dies kann der Mobber erreichen, indem er das Opfer nicht mehr ausreden lässt,<br />
ständig unterbricht, permanent kritisiert, den Zugang zu Informationen unterbindet<br />
oder gar nicht mehr mit ihm spricht, bzw. nur noch nonverbal kommuniziert.<br />
Während die generelle falsche Bewertung der Arbeitsleistung eher darauf abzielt,<br />
eine Karriere zu behindern, kann das massive ungerechte kritisieren geleisteter Arbeit<br />
dazu dienen, das Opfer „mundtot“ zu machen und sein Selbstbewusstsein negativ zu<br />
beeinflussen.<br />
16
4.2 Angriffe auf die sozialen Beziehungen<br />
Eine weitere Möglichkeit zu mobben besteht darin, soziale Beziehungen des Opfers<br />
im Unternehmen zu unterbinden bzw. erst gar nicht zuzulassen. Dies erreicht man<br />
durch Versetzung in ein abgelegenes Büro, schneiden und ignorieren der Person. Die<br />
Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> umfassen ein gutes<br />
Betriebsklima, Kollegialität, tolerante Vorgesetzte und Kommunikation <strong>am</strong><br />
<strong>Arbeitsplatz</strong>. 13 Die Betroffenen werden sowie von Arbeitsbesprechungen, als auch<br />
von sozialen Aktivitäten, wie Feiern, Ausflügen und anderen Anlässen gezielt<br />
ferngehalten.<br />
13<br />
vgl. Bedürfnispyr<strong>am</strong>ide nach Maslow in Christ, L<strong>am</strong>mert, Schneider, „Handlungsfeld<br />
Personalwirtschaft, 1996, S.325, Abb.10-5<br />
17
4.3 Angriffe auf das soziale Ansehen<br />
„Die Wertschätzung durch die Umgebung ist eine wesentliche Quelle des<br />
Selbstvertrauens. Nur wer sich als vollwertiges Mitglied einer Gemeinschaft<br />
empfindet, kann auch ein positives Selbstwertgefühl aufbauen.“ 14<br />
Um das Ansehen einer Person zu schädigen, kann man sich über deren Schwächen<br />
lustig machen, sie öffentlich bloßstellen und respektlos behandeln, Gerüchte<br />
verbreiten oder sogar vertrauliche Informationen über sie preisgeben. Mit dem<br />
Verlust der Wertschätzung durch die Umgebung wird das Ansehen der/des<br />
Betroffenen geschädigt, worunter das Selbstvertrauen zwangsläufig leidet.<br />
14<br />
Leymann „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.28<br />
18
4.4 Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation<br />
Durch Übertragen von sinnlosen oder der beruflichen Stellung nicht adäquaten<br />
Aufgaben oder gar durch Entzug beruflicher Aufgaben wird die Qualität der<br />
Berufssituation beeinträchtigt.<br />
„Die Berufssituation eines Menschen ist heute zentral für sein ges<strong>am</strong>tes Leben“. 15<br />
Wer <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> mit <strong>Mobbing</strong> zu kämpfen hat, nimmt diese Probleme mit in seine<br />
Freizeit, d.h. sie werden ggfs. im F<strong>am</strong>ilien- und Freundeskreis erzählt. Genauer<br />
betrachtet bedeutet dies, dass Gefühle, wie Angst, Trauer, Wut, Selbstzweifel,<br />
Demotivation, Unsicherheit, etc. offenbart werden.<br />
Es kann jedoch vorkommen, dass der F<strong>am</strong>ilien- oder Freundeskreis mit diesen<br />
Gefühlen nicht umgehen kann, vielleicht auch, weil sie untypisch für die<br />
Betroffene/den Betroffenen sind oder sie stehen der Situation hilflos gegenüber, weil<br />
sie keine Interventionsmöglichkeiten in der Berufssituation des Opfers haben.<br />
Zu knapp 20% führen die Belastungen nach Angaben von Betroffenen zu Streit in<br />
der F<strong>am</strong>ilie bzw. in der Partnerschaft. 16<br />
15<br />
Leymann „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.30<br />
16<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
19
Zur Qualität der Berufssituation kann auch die falsche Bewertung der Arbeitsleistung<br />
gezählt werden, wodurch insbesondere ein beruflicher Aufstieg be- bzw. verhindert<br />
werden kann.<br />
4.5 Angriffe auf die Gesundheit<br />
Neben psychosomatischen Erkrankungen als Folge von <strong>Mobbing</strong> können auch<br />
- Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten,<br />
- körperliche, bzw. sexuelle Übergriffe und<br />
- Nötigungen<br />
in der Arbeitswelt vorkommen. So erfährt das Opfer neben der psychischen<br />
Angriffen auch noch physische Gewalt.<br />
Leider wurden in der Fragestellungen der Studie der Sozialforschungsstelle diese<br />
Aspekte nicht berücksichtigt, so dass keine gesicherten Aussagen getroffen werden<br />
können.<br />
20
Natürlich lassen sich die Grafiken je nach Kontext anders zuordnen, wozu eine<br />
genauere Aufsplittung der Fragen erforderlich wäre.<br />
So könnten bspw. öffentliche Beleidigungen durchaus auch unter dem Punkt<br />
„Angriffe auf das soziale Ansehen“ gefasst werden.<br />
4.6 Katalog der 100+... <strong>Mobbing</strong>handlungen<br />
Leymann listete 45 Handlungen auf, von denen -Anfang der achtziger Jahre- 300<br />
interviewte Opfer berichteten. 17<br />
Wolmerath und Esser haben diesen Katalog erweitert und den „Katalog der 100+<br />
<strong>Mobbing</strong>handlungen“ entworfen, der im August 2000 veröffentlicht wurde. Dieser<br />
Katalog ist als Anlage 14.1 beigefügt. 18<br />
Aber auch diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn der<br />
Kreativität der Täter sind keine Grenzen gesetzt.<br />
5 Charakteristika von Mobbern<br />
Die Betroffenen werden zu knapp 60% von Männern gemobbt. Zu einem hohen Teil<br />
sind Vorgesetzte beteiligt (vgl. Kap. 6.3), wobei zu berücksichtigen ist, dass in der<br />
Führungsebene nach wie vor wesentlich mehr männliche Beschäftigte anzutreffen<br />
sind.<br />
Das Gros der Mobber liegt in der Altersgruppe von 35 bis 54 Jahre und befindet sich<br />
meist sechs Jahre und mehr im Unternehmen, d.h. sie gehören zur St<strong>am</strong>mbelegschaft.<br />
Überspitzt bedeutet dies, dass der typische Mobber ein im Betrieb langjährig<br />
beschäftigter männlicher Vorgesetzter zwischen 35 und 54 Jahren ist. 19<br />
17<br />
Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.22, 33f.<br />
18<br />
Esser, Wolmerath, „<strong>Mobbing</strong>. Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessensvertretungen“, 2001, S.26f.<br />
19<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
21
6 Ursachen für die Entstehung von <strong>Mobbing</strong><br />
6.1 Einleitung<br />
Es gibt viele verschiedene Faktoren, die <strong>Mobbing</strong> zur Folge haben können.<br />
In der Regel liegt ein Konflikt zwischen Kollegen als Auslöser zugrunde. Dieser<br />
Konflikt wird nicht beigelegt, sondern schwelt im Laufe der Zeit immer weiter.<br />
Daraus können <strong>Mobbing</strong>prozesse, also systematischer Psychoterror gegen Personen,<br />
entstehen.<br />
Konflikte können jedoch auch schon für Antritt einer neuen Stelle vorhanden sein.<br />
Gründe dafür können abgelehnte interne Bewerber auf die Stelle oder aber Gerüchte<br />
sein, die der Person vorauseilen.<br />
Dieses Kapitel zeigt auf, wodurch Konflikte bis <strong>Mobbing</strong> begünstigt werden kann.<br />
6.2 Arbeitsorganisatorische Mängel<br />
Oftmals spielen arbeitsorganisatorische Mängel eine Rolle.<br />
Dazu zählen beispielsweise:<br />
- „unbesetzte Stellen<br />
- hoher Zeitdruck<br />
- starre Hierarchie<br />
- hohe Verantwortung bei geringem Handlungsspielraum<br />
- geringe Bewertung der Tätigkeit.“ 20<br />
20<br />
Deutscher Gewerkschaftsbund – DGB: <strong>Mobbing</strong>. ,<br />
Stand 29.09.2001.<br />
22
Die oben gezeigte Grafik spiegelt die Angaben von Betroffenen zur den arbeitsorganisatorischen<br />
Aspekten im Betrieb zum Zeitpunkt des <strong>Mobbing</strong>s wieder.<br />
6.3 Führungsverhalten von Vorgesetzten<br />
Leymann untersuchte im Rahmen seiner Studien ebenfalls, wer wen mobbt:<br />
Es kristallisiert sich deutlich die Beteiligung von Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern alleine<br />
oder in Kombination mit Vorgesetzten heraus. 21<br />
Aber gerade Vorgesetzte, welche die Verantwortung und Fürsorgepflicht für ihre<br />
Mitarbeiter tragen, sind in der Regel ihre ersten Ansprechpartner und<br />
Vertrauenspersonen.<br />
Führungskräfte sollten <strong>Mobbing</strong> schon im Ansatz erkennen können und frühzeitig<br />
unterbinden. Wenn nun aber gerade sie beteiligt sind, dürfte daran wenig Interesse<br />
bestehen.<br />
21<br />
Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S. 47<br />
23
Außer einer persönlichen Beteiligung <strong>am</strong> <strong>Mobbing</strong>geschehen können Vorgesetzte<br />
durch ihren Führungsstil entscheidend auf das Betriebsklima Einfluss nehmen.<br />
„Das soziale Klima ist in autoritativ geführten Unternehmungen leicht gespannt und<br />
nicht frei von Cliquenbildung“. 22<br />
Der autoritative Führungsstil spiegelt den Umgang mit Machtkomponenten, wie<br />
Anordnungen, Befehle, Gehors<strong>am</strong>... wieder.<br />
Der Stellenwert des Mitarbeiters beschränkt sich auf ein ausführendes Organ.<br />
Das Vorleben solcher Umgangsformen wirkt sich negativ auf das Betriebsklima aus.<br />
Insges<strong>am</strong>t 65,3% der Betroffenen bezeichnen das Arbeitsklima zum Zeitpunkt der<br />
<strong>Mobbing</strong>handlungen als schlecht. 23<br />
Die nachfolgende Grafik zeigt, dass bei <strong>Mobbing</strong>handlungen zu 51% Vorgesetzte<br />
aktiv beteiligt sind.<br />
Bei den <strong>Mobbing</strong>handlungen im Kollegenkreis kann vermutet werden, dass zudem<br />
ein hoher Teil der Vorgesetzten Kenntnis von den Vorgängen hat, aber nicht<br />
interveniert.<br />
22<br />
Christ, L<strong>am</strong>mert, Schneider Fachbuch für Wirtschaft, Handlungsfeld Personalwirtschaft, 1996, S. 321<br />
23<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
24
Besonders hervorgehoben wird durch die Betroffenen mit 60,9%, dass eine<br />
Gesprächsbereitschaft des Vorgesetzten nicht vorhanden und mit 42,2%, dass er<br />
eher konfliktscheu war.<br />
6.4 Umstrukturierungen und wirtschaftliche Situation<br />
Es liegt auch der Verdacht nahe, dass in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs von<br />
einigen Unternehmensleitungen <strong>Mobbing</strong> geduldet oder gefördert wird, da<br />
Mitarbeiter, die freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden, billiger sind als ein<br />
möglicher Sozialplan oder die Zahlung von Abfindungen. So wurde bspw. Niedl im<br />
Rahmen einer Präsentation zum Thema <strong>Mobbing</strong> von drei Teilnehmern darauf<br />
angesprochen, wie man bei <strong>Mobbing</strong> richtig vorgehen könne – ob es so etwas wie<br />
eine Anleitung gäbe. Hintergrund war, dass alle drei kostengünstig Personal<br />
abzubauen hatten. 24<br />
Nach den Defiziten in der Arbeitsorganisation und im Führungsverhalten folgen<br />
strukturelle Veränderungen und die wirtschaftliche Situation als Begründung.<br />
Die macht deutlich, wie sensibel das Thema Umstrukturierung im Betrieb behandelt<br />
werden sollte.<br />
24<br />
Niedl in „Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht“, Hrsg. Heinz Leymann, 1995, S.61<br />
25
6.5 Soziale Stellung des Betroffenen<br />
„Für die Entstehung der <strong>Mobbing</strong>situation kann es ausreichen, dass eine Person in<br />
einer bestimmten Gruppe aufgrund ihrer Persönlichkeit, ihres Geschlechts, Hautfarbe,<br />
kulturellen oder nationalen Identität in eine sozial herausgehobene Stellung geraten<br />
ist“. 25<br />
Leymann führte 1992 eine repräsentative Untersuchung über die <strong>Mobbing</strong>situation<br />
von Behinderten als Gewerkschaftsmitglieder in gemeinnützigen Organisationen in<br />
Schweden durch.<br />
Während die Behinderten zu 22 Prozent von <strong>Mobbing</strong> betroffen waren, lag die Quote<br />
bei den übrigen Angestellten gerade bei 4 Prozent. 26<br />
Eine weitere Untersuchung wurde 1993 durch Lindroth, Siv, Heinz und Leymann über<br />
„<strong>Mobbing</strong> von Männern in einem Beruf, der von Frauen dominiert wird“ in einer<br />
schwedischen Stadt durchgeführt.<br />
Bei der Gruppe handelte es sich um 2.000 Kindergärtnerinnen und Kindergärtner.<br />
Darunter befanden sich lediglich 115 Männer, die befragt werden konnten. Genauso<br />
viele Kolleginnen wurden als Vergleichsgruppe befragt. Die Befragung ergab, dass<br />
unter den Frauen 4 Prozent <strong>Mobbing</strong>opfer waren, bei den Männern jedoch 8<br />
Prozent. 27<br />
Dieses Resultat erinnert stark an die Situation der ersten Frauen in<br />
männerdominierten Berufen.<br />
Uns ist keine Studie bekannt, in der die <strong>Mobbing</strong>situation „gesellschaftlicher<br />
Randgruppen, bzw. „Personen einer sozial exponierten Stellung“ umfassend<br />
beleuchtet wird.<br />
Die o.g. Beispiele bestärken uns jedoch in der Annahme, dass sog. Randgruppen<br />
oder vermeintlich Schwächere öfter von Diskriminierung und <strong>Mobbing</strong> betroffen sind,<br />
als andere.<br />
25<br />
Resch „<strong>Mobbing</strong> und Konflikte <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong>“, 03/1997, S.15<br />
26<br />
Leymann, “<strong>Mobbing</strong>“, S.98,184<br />
27<br />
Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, S.101f., 184<br />
26
Folgende Gruppen kommen dabei in Betracht:<br />
- Frauen in männerdominierten Berufen und umgekehrt<br />
- Alleinerziehende<br />
- Personen mit Behinderungen/Einschränkungen aller Art<br />
- Ausländische Arbeitnehmer, bzw. Arbeitnehmer ausländischer<br />
Abst<strong>am</strong>mung und/oder anderer Religionsangehörigkeit<br />
- Homosexuelle<br />
- Personen, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsmerkmale für schwach gehalten<br />
werden<br />
- Lebensältere, etc.<br />
Gründe für eine Ablehnung dieser Personen können sein:<br />
- Vorurteile aufgrund Informationsdefizite,<br />
- Vorurteile aufgrund religiöser oder politischer Einstellung,<br />
- Machtbestreben, Konkurrenzverhalten,<br />
- Neid (bes. bei Sonderzahlungen) und<br />
- Angst vor dem Unbekannten.<br />
Gerade die unter 25jährigen vermuten als Motiv des/der Mobber(s) nach den<br />
Aspekten Arbeitsstil, Herhalten als Sündenbock und unzureichende Leistungsfähigkeit<br />
als Neuling insbesondere Kritik an ihrem Lebensstil, Geschlecht, Aussehen,<br />
Nationalität und sexuelle Orientierung. 28<br />
Interessanterweise liegt das Risiko, von <strong>Mobbing</strong> betroffen zu werden in den sozialen<br />
Berufen (Sozialarbeiter, Pädagogen, Pfleger, etc.) 2,8fach höher, gefolgt von<br />
Verkaufspersonal und Bank- und Versicherungsfachleuten mit einem doppelt so<br />
hohen Risikofaktor als der Durchschnitt.<br />
28<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
27
6.6 Der Arbeitsethos<br />
<strong>Mobbing</strong> wird aber auch durch eine schlechte „betriebliche Moral“ gefördert.<br />
Beschäftigte können unbewusst zu Handlangern des Mobbers werden, indem sie als<br />
Mitläufer ebenfalls gegen das Opfer agieren, ohne es so wahrzunehmen.<br />
Der Mobber kann als informeller Führer das Wort in der Gruppe übernehmen. Andere<br />
ordnen sich ihm im Gruppengefüge unter und imitieren sein Handeln, um seine<br />
Sympathie zu erlangen.<br />
Knapp drei Viertel der Betroffenen gaben an, dass das <strong>Mobbing</strong> zunächst nur von<br />
einer Person ausging, sich aber im weiteren Verlauf andere Personen anschlossen, 29<br />
woraus folgert: Je länger der <strong>Mobbing</strong>prozess andauert, desto mehr Beschäftigte<br />
sind involviert.<br />
Wer versucht, sich der Gruppendyn<strong>am</strong>ik zu entziehen, kann schnell selbst als<br />
Außenseiter gelten und Betroffene/Betroffener von diskriminierenden Handlungen<br />
oder <strong>Mobbing</strong> werden.<br />
Leymann zitiert eine norwegische Studie, in der 20% von 2.200 befragten Personen<br />
angaben, dass an ihrem <strong>Arbeitsplatz</strong> auch andere während der letzten 6 Monate<br />
gemobbt wurden. 30<br />
Es besteht zwingend die Notwendigkeit, die Hintergründe über <strong>Mobbing</strong> und<br />
Handlungsalternativen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu vermitteln, d<strong>am</strong>it<br />
<strong>Mobbing</strong>handlungen rechtzeitig erkannt und frühzeitig verhindert werden können.<br />
5.7 Konkurrenzverhalten<br />
Gut 60% der Befragten gaben an, dass sie gemobbt wurden, weil sie vom Mobber<br />
als Konkurrenz empfunden wurden und knapp 25% gaben an, dass der Mobber ihren<br />
Arbeitsbereich an sich ziehen wollte.<br />
<strong>Mobbing</strong> wird gegen die Betroffenen gezielt als Karrierestrategie eingesetzt.<br />
Auch hier kommt den Vorgesetzten eine hohe Verantwortung zu, die Fairness im<br />
betrieblichen Konkurrenzverhalten zu überwachen.<br />
29<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
30<br />
Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“ 1993, S.93<br />
28
7 Phasen des <strong>Mobbing</strong>s<br />
7.1 Einleitung<br />
In der Literatur wird der <strong>Mobbing</strong>prozeß, basierend auf die Einteilung nach Leymann,<br />
überwiegend in vier Phasen eingeteilt:<br />
- Konflikte bleiben ungelöst<br />
- Übergang zu <strong>Mobbing</strong> und Psychoterror<br />
- Rechtsbrüche durch Über- und Fehlgriffe der Personalverwaltung<br />
- Ausschluss aus der Arbeitswelt 31<br />
Grundlage dieser Einteilung waren Erkenntnisse, die Leymann aus seinen<br />
wissenschaftlichen Untersuchungen erlangt hatte.<br />
In einem neueren Werk von Esser/Wolmerath wird eine Dreiteilung vorgenommen:<br />
Die <strong>Mobbing</strong>phase steht für sich, wobei es eine Vorlaufphase und einen Endzustand<br />
gibt.<br />
In der Erläuterung zur Vorlaufphase wird jedoch ersichtlich, dass diese identisch mit<br />
den ungelösten Konflikten und die Endphase mit dem Ausschluss aus der Arbeitswelt<br />
nach Leymann ist.<br />
Die Phase der Rechtsbrüche durch Über- und Fehlgriffe der Personalverwaltung wird<br />
nicht gesondert ausgewiesen. 32<br />
Nachfolgend wird ebenfalls ein 3 Phasenmodell vorgestellt, wobei lediglich die dritte<br />
und vierte Phase nach Leymann zu einem Block „Arbeitsrechtliche Maßnahmen“<br />
zus<strong>am</strong>mengefasst wird.<br />
31<br />
vgl. Prof. Dr. Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“ 1993, Schaubild S.59<br />
32<br />
vgl. Dr. Axel Esser/Dr. Martin Wolmerath, „<strong>Mobbing</strong>. Der Ratgeber für Betroffene und ihre<br />
Interessenvertretungen“, 1997, 4. Auflage 2001, Schaubild S.39, Erläuterung S.40<br />
29
7.2 Phase 1: Der Konflikt als Auslöser des <strong>Mobbing</strong>s<br />
Konflikte sind manchmal für ein vernünftiges Arbeiten notwendig, denn nur durch<br />
Meinungsverschiedenheiten werden Probleme offensichtlich.<br />
In einer sachlich geführten Auseinandersetzung können sie diskutiert werden und<br />
günstigstenfalls einigt man sich gemeins<strong>am</strong> auf eine Lösung. Konflikte können aber<br />
auch Auslöser für <strong>Mobbing</strong>handlungen sein, wenn sie nicht offen ausgetragen<br />
werden, sondern zwischen den Betroffenen weiter schwelen. So entsteht ein<br />
angespanntes Verhältnis zwischen dem späteren Opfer und dem Täter, welches<br />
einen <strong>Mobbing</strong>prozess begünstigen kann.<br />
Es ist wichtig, den Unterschied zwischen einfachen Konflikten und gezielten<br />
<strong>Mobbing</strong>handlungen zu verdeutlichen:<br />
Konflikten kann eine ungelöste Diskussion über eine Sachfrage zu Grunde liegen,<br />
während beim Täter im <strong>Mobbing</strong>prozess die systematische Schädigung des Opfers im<br />
Vordergrund steht und das Sachproblem allenfalls vorgeschoben wird. Natürlich wird<br />
auch versucht, die persönlichen Konflikte als Sachkonflikte nach außen darzustellen.<br />
Aber nicht nur ungelöste Konflikte können zu <strong>Mobbing</strong> führen, sondern auch einfach<br />
gestörte zwischenmenschliche Beziehungen.<br />
Es kann vorkommen, dass zwei Personen nicht „auf einer Wellenlänge liegen“, also<br />
sich von Beginn an unsympathisch sind. Passiert so etwas auf privater Ebene,<br />
können sich die beteiligten Menschen aus dem Weg gehen, im Arbeitsleben ist dies<br />
weitaus schwerer und oftmals nicht zu realisieren.<br />
Noch problematischer wird es, wenn die Antipathie nicht auf Gegenseitigkeit beruht,<br />
sondern nur vom späteren Täter so empfunden wird. So kann der Mobber zunächst<br />
unauffällig agieren. Diese erste Phase des <strong>Mobbing</strong>prozesses ist schwer erkennbar,<br />
da die wiederkehrenden Konflikte noch nicht den Verfolgungscharakter<br />
verdeutlichen. Ungefähr ein Viertel der Betroffenen äußert, die erste Phase nicht<br />
bemerkt zu haben. 33 Denkbar ist auch, dass Betroffene die ständigen<br />
Reibungspunkte verdrängen.<br />
33<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
30
7.3 Phase 2: Beginn der <strong>Mobbing</strong>handlung<br />
Die <strong>Mobbing</strong>handlungen waren für das Opfer anfangs nicht als bewusster Terror<br />
gegen die eigene Person erkennbar. Nun tritt der ungelöste Konflikt in den<br />
Hintergrund und gegen den Betroffenen wird seitens des Mobbers systematisch<br />
vorgegangen.<br />
Der Gemobbte kann verschiedene Bewältigungsstrategien anwenden 34 35 wie z.B.<br />
Direkte Gegenwehr:<br />
- Klärungsversuch<br />
Eine Eigeninitiative durch Ansprechen des Mobbers dürfte in dieser Phase in<br />
der Regel scheitern, da im Vordergrund nicht mehr die Sachfrage steht,<br />
sondern die Beziehungsebene. Der Täter hat ein Interesse, der/dem<br />
Betroffenen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu schaden. Moralische<br />
Bedenken treten hinter dieses Bedürfnis zurück.<br />
- Gegenwehr<br />
Eine Gegenwehr kann ebenfalls unterschiedlich geartet sein.<br />
Es kommt insbesondere die situative Gegenwehr direkt gegen den Täter oder<br />
die Gegenwehr mit Unterstützung offizieller Stellen, wie der<br />
Personalvertretung in Betracht.<br />
Je nach Intensität des Angriffs fällt die direkte Gegenwehr unterschiedlich<br />
stark aus. Oftmals erfolgen diese Angriffe aber versteckt, so dass sie den<br />
Kolleginnen und Kollegen oder den Vorgesetzten im Arbeitsumfeld nicht<br />
auffallen, wohl aber das -für den außenstehenden Betrachter- auffallende<br />
Verteidigungsverhalten des Opfers. Dies kann dem Opfer auf Dauer seitens<br />
der anderen Beschäftigten oder der Unternehmensleitung negativ ausgelegt<br />
werden. 36<br />
34<br />
vgl. Dr. Martin Wolmerath, „<strong>Mobbing</strong> . Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessensvertretung“, 1997,<br />
4. Auflage 2001, S.54<br />
35<br />
vgl. Prof. Dr. Heinz Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.69<br />
36<br />
vgl. Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.61f.<br />
31
Entscheidet man sich sehr spät zu einer Intervention über die Interessensvertretungen<br />
oder über Vorgesetzte kann es sein, dass man bereits einen<br />
bestimmten „Ruf weg hat“. Die Aussichten auf Erfolg schwinden d<strong>am</strong>it.<br />
Die Verhaltensänderungen beim Opfer werden im Kapitel 8.1 näher betrachtet.<br />
Es ist leicht zu erkennen, dass Opfer schnell in einen Teufelskreis geraten<br />
können, aus dem sie ohne Hilfe und Unterstützung nicht mehr<br />
herauskommen.<br />
Indirekte Gegenwehr:<br />
- Suche nach Rückhalt und Bestätigung<br />
Dies kann auf verschiedenste Art und Weise geschehen, z.B.:<br />
Die/der Betroffene versucht, möglichst viel und gut zu arbeiten um<br />
Anerkennung und Bestätigung von den Kolleginnen/Kollegen und Vorgesetzten<br />
zu erlangen.<br />
Oder es wird versucht, andere Kolleginnen/Kollegen und Vorgesetzte auf die<br />
eigene Seite zu ziehen.<br />
In beiden Fällen sind die Bemühungen zum Scheitern verurteilt, wenn die<br />
Kolleginnen/Kollegen und/oder der Vorgesetzte involviert sind, bzw. die<br />
<strong>Mobbing</strong>situation billigen.<br />
- Fluchtverhalten<br />
Hier kommen z.B. Unterordnungsversuche und Vermeidungsverhalten in<br />
Betracht.<br />
Mit Vermeidungsverhalten ist hier gemeint, dass das Opfer dem Täter aus dem<br />
Weg geht. Da der Täter aber nur auf eine Gelegenheit wartet zuschlagen zu<br />
können, wird das Opfer auch d<strong>am</strong>it keinen Erfolg haben.<br />
Der Versuch, sich unterzuordnen bedeutet, dass das Opfer nachgibt und den<br />
Täter als den „Stärkeren“, bzw. als den informellen Führer akzeptiert und ihm<br />
dies signalisiert. Dadurch wird der Täter u.U. sogar angespornt, da er zum<br />
einen das Opfer ungestraft erfolgreich schädigen kann.<br />
37<br />
vgl. Esser, Wolmerath, „<strong>Mobbing</strong>. Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung, 4. Auflage,<br />
32
Zum anderen verfolgt der Täter nicht das Ziel der Unterwerfung, sondern der<br />
Ausgrenzung, der Entfernung des Opfers aus dem Arbeitsumfeld. 37<br />
Die nachfolgend dargestellte Grafik macht deutlich, dass ein hoher Teil der<br />
Betroffenen versucht, durch direkte Gegenwehr die <strong>Mobbing</strong>handlungen zu stoppen.<br />
Lediglich 12,7% unterließen eine Gegenwehr, weil bspw. das <strong>Mobbing</strong> von<br />
Vorgesetzten ausging, Angst vor Verlust des <strong>Arbeitsplatz</strong>es bestand, die Situation als<br />
hoffnungslos eingeschätzt wurde oder Resignation eintrat.<br />
Leider waren nur 7,7% der Betroffenen mit dieser Strategie erfolgreich.<br />
Bei 83,1% der Betroffenen wurden Klärungsversuche blockiert bzw. unterdrückt und<br />
9,2% sind sich über die Wirkungsweise ihrer Strategie unsicher. 38<br />
2001, S.91<br />
38<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
33
7.4 Phase 3: Arbeitsrechtliche Maßnahmen<br />
Durch das <strong>Mobbing</strong> wird das Opfer in seinem Verhalten beeinflusst.<br />
Es kann durch das genannte Verteidigungsverhalten, durch krankheitsbedingte<br />
Fehlzeiten oder durch vermehrte Fehler in den Arbeitsergebnissen negativ auffallen.<br />
Sofern Vorgesetzte nicht selbst als Täter aktiv waren, können sie unbewusst zum<br />
„Mittäter“ werden, denn fehlen ihnen die Kenntnisse über das Phänomen <strong>Mobbing</strong>,<br />
rechnen sie das oben geschilderte Verhalten nur dem Opfer zu und betrachten ihre<br />
arbeitsrechtlichen Maßnahmen ihm gegenüber als die „Lösung einer<br />
Disziplinarfrage“. 39<br />
Typische Fehler, die seitens des Arbeitgebers begangen werden, sind:<br />
- „Verstöße gegen das Recht, gehört zu werden<br />
In vielen Fällen wird dem oder der Betroffenen das Recht genommen, seine<br />
oder ihre Version des Geschehens darzulegen. Man wird verurteilt, ohne<br />
gehört zu werden. Der Zeuge, der Ankläger, und der Richter sind ein und<br />
dieselbe Person.<br />
- Sich weigern, Mitteilungen entgegenzunehmen<br />
Zum Beispiel die Annahme von schriftlichen Stellungnahmen des Opfers<br />
verweigern oder ihren Sinn verdrehen.<br />
- Keine Aufklärung über die Rechtslage<br />
...oder über Möglichkeiten von Auswegen für das Opfer geben.<br />
- Absprachen hinter dem Rücken des Opfers<br />
Nicht selten kommt es vor, dass Arbeitgeber und Gewerkschaftsvertreter<br />
Absprachen treffen, von denen das Opfer nichts weiß.“ 40<br />
39<br />
vgl. Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.65<br />
40<br />
Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.64<br />
34
Aus der <strong>am</strong>erikanischen Erhebung „U.S. Hostile Workplace Survey 2000“ geht hervor,<br />
dass Vorgesetzte die Mobber in 42% der Fälle aktiv unterstützten, in 40% der Fälle<br />
untätig blieben und nur in 7% der Fälle gegen den/die Mobber vorgingen.<br />
In 36% der Fälle richteten sich ihre Maßnahmen gegen das Opfer. 41<br />
Mit diesen oder auch anderen Fehlern von Vorgesetzten und Personalabteilungen<br />
kann die Situation nur noch verschärft werden, d.h. die geschilderten Fehler häufen<br />
sich, da die Belastung des Opfers zunimmt. Als letzte Maßnahme bleibt nur noch der<br />
Ausschluss aus der Arbeitswelt. Dies kann bedeuten: 42<br />
- die Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis, auch durch Abfindung oder<br />
Vorruhestandsregelungen,<br />
- das Abschieben in ein entlegenes Büro, u.U. ohne oder mit sinnlosen<br />
Arbeitsaufträgen, oder<br />
- fortlaufende Versetzungen<br />
Die aktuelle Studie belegt, das in ca. drei Viertel der Fälle das <strong>Mobbing</strong> erst mit dem<br />
Entfernen des Gemobbten aus dem Arbeitsbereich beendet wurde, d.h. durch eigene<br />
Kündigung, Versetzung bzw. zwangsweise durch den Arbeitgeber oder aufgrund<br />
Vorruhestand, Rente oder Vertragsablauf. 43<br />
6.5 Dauer der <strong>Mobbing</strong>handlungen 44<br />
Mehr als die Hälfte der Befragten erlebte sogar die letzte Phase des <strong>Mobbing</strong>prozesses.<br />
Für ca. ein Drittel dauerte der <strong>Mobbing</strong>prozess weniger als 6 Monate.<br />
Die Dauer der einzelnen Phasen wurde individuell sehr unterschiedlich angegeben.<br />
Dies bedeutet, dass je nach Bemerken der <strong>Mobbing</strong>handlungen und deren Intensität<br />
ein Richtwert nicht vorgegeben werden kann.<br />
Hinsichtlich der Intensität ist jedoch festzustellen, dass bei Langzeitbetroffenen (drei<br />
und mehr Jahre) zu dem ursprünglich auf der Fachebene betriebenen <strong>Mobbing</strong><br />
41<br />
, Stand 09.03.2002<br />
(Online- Erhebung 01.03.- 30.05.2000 mit 1..335 Teilnehmern)<br />
42<br />
vgl. Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.65f.<br />
43<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
44<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
35
Angriffe auf der kommunikativen Ebene, wie Beleidigungen, Hänseleien und<br />
Gerüchte streuen, hinzukommen.<br />
Denkbar ist, dass die erfolglosen Angriffe auf der Fachebene langfristig den Mobber<br />
veranlassen, zusätzliche Maßnahmen gegen das Opfer zu ergreifen.<br />
7 Auswirkungen von <strong>Mobbing</strong><br />
8.1 Auswirkungen auf die Betroffenen<br />
<strong>Mobbing</strong>betroffene werden vom Täter unter Stress gesetzt.<br />
Schon nach kurzer Zeit treten erste psychosomatische Symptome des Unwohlseins,<br />
wie Magen- Darmprobleme, Rückenschmerzen, leichte Depressionen, Schlafstörungen,<br />
Kopfschmerzen etc. 45 auf. Diese Symptome könnten schnell wieder<br />
abklingen, wenn die belastende Situation beendet würde und die Anspannung<br />
nachläße.<br />
Eine <strong>Mobbing</strong>situation ist jedoch auf Ausgrenzung des Opfers ausgelegt und dauert<br />
länger an, d.h. die ständigen Übergriffe erzeugen beim Opfer dauerhaft Stress. 46<br />
Die Untersuchungen Leymanns ergaben, dass bei Personen, die über einem halben<br />
Jahr <strong>Mobbing</strong>handlungen ausgesetzt waren, behandlungsbedürftige Posttraumatische<br />
Belastungsstörungen vorlagen, d.h. PTSD (post-traumatic-stress-disorder) wurde<br />
diagnostiziert. 47 Übersetzt bedeutet PTSD „Stressbelastung nach einem Trauma“.<br />
Dazu zählen Merkmale wie die o.g. körperlichen Symptome und:<br />
„Müdigkeit, Schreckhaftigkeit, Unausgeglichenheit, vermehrte Reizbarkeit,<br />
Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten, Unfähigkeit Frustration zu ertragen,<br />
Gefühle der Hilflosigkeit, des Kontrollverlustes und der existenziellen Bedrohung“. 48<br />
Bei einem Trauma handelt es sich in der Psychologie um einen psychischen,<br />
seelischen Schock. 49<br />
45<br />
vgl. Leymann, „Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht“, 1995, S.139<br />
46<br />
Ebenda, S. 47f.<br />
47<br />
Leymann, „Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht“, 1995, S.42<br />
48<br />
Leymann, „Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht“, 1995, S.140<br />
49<br />
Bünting, „Deutsches Wörterbuch“, 1996<br />
36
Dies bedeutet, dass die/der Betroffene eine derart bedrohliche Situation erlebt hat,<br />
dass sie/er eine intensive Lebens- oder Existenzgefahr verspürt, also Angst um das<br />
eigene Leben, um die eigene Existenz.<br />
Leymanns Analysen brachten zutage, dass die Langzeit gemobbten Personen immer<br />
Maximalwerte bei den PTSD- Untersuchungen zeigten! 50<br />
Zu Beachten ist, dass die auslösende Situation auf andere, Unbeteiligte, durchaus<br />
nicht so bedrohlich wirken kann und keinen Schock auslöst. Es kommt also auch auf<br />
das persönliche Bewältigungsvermögen an. Neben der Intensität der Belastung<br />
spielen auch Erfahrungswerte dabei eine Rolle.<br />
Der mögliche Personenkreis erstreckt sich von Opfern oder Zeugen eines Unfalles<br />
oder einer Straftat (Primär-/Sekundäropfer) bis hin zu Betroffenen eines Krieges, des<br />
Holocaust oder von Naturkatastrophen.<br />
Das besondere bei <strong>Mobbing</strong> ist die Tatsache, dass die Betroffenen der belastenden<br />
Situation nicht nur einmal ausgesetzt sind, sondern ständig, wenn auch in<br />
verschiedener Intensität! Daher erklären sich auch die genannten Maximalwerte des<br />
PTSD.<br />
<strong>Mobbing</strong> als Ursache von Krankheiten wurde 1998 in die deutschen Lehrbücher der<br />
Psychotraumatologie aufgenommen. 51<br />
PTSD wurde in das psychiatrische Diagnosebild der Weltgesundheitsorganisation<br />
WHO aufgenommen (ICD.10, 1991).<br />
Leymann beobachtete auch Reaktionen bei Betroffenen, die ca. 1-2 Jahre diesen<br />
Situationen ausgesetzt waren, (Durchschnittswert 1,25 J.).<br />
„Die/der Betroffene scheint sich dann in einem generellen Angstzustand zu<br />
befinden....“ 52<br />
Es liegen uns keinerlei Zahlen über Behandlungskosten der geschädigten Opfer vor.<br />
Diese statistisch zu erfassen dürfte unmöglich sein, da nicht jede <strong>Mobbing</strong>situation<br />
als Ursache erkannt wird.<br />
In der Fachzeitschrift „Deutsches Ärzteblatt, Heft 27“ 53 wird von den Autoren<br />
geschildert, wie <strong>Mobbing</strong>betroffene von Ärzten, die sich mit der <strong>Mobbing</strong>problematik<br />
50<br />
Leymann, „Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht“, 1995, S.45f.<br />
51<br />
Fischer, Riedesser, „Lehrbuch der Psychotraumatologie“, 1998, Reinhard- Verlag, aus:<br />
, Stand 08.03.2002<br />
52<br />
Leymann, „Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht“, 1995, S. 48<br />
53<br />
Bämayr, Argeo, im dt. Ärzteblatt 1998, Heft 27 vom 06.07.2001, Seite A-1811<br />
„<strong>Mobbing</strong>: Hilflose, Helfer in Diagnostik und Therapie“<br />
37
nicht auskennen, als selbst verantwortlich für ihren Zustand hingestellt und falsche<br />
Diagnosen gestellt werden, wodurch ihnen wieder Unrecht wiederfährt.<br />
Eine -nicht repräsentative- schwedische Untersuchung aus 1986 ergab, dass sich<br />
mindestens 100, vermutlich aber 300 Menschen wegen der Verhältnisse <strong>am</strong><br />
<strong>Arbeitsplatz</strong> das Leben nahmen.<br />
In dem gleichen Zeitraum k<strong>am</strong>en 65 Menschen aus „klassischen“, also<br />
sicherheitsbedingten Gründen ums Leben. 54<br />
54<br />
vgl. Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S. 121,f.<br />
38
8.2 Auswirkungen auf den/die Mobber<br />
Der Mobber wird sich vielleicht in seiner Rolle wohl fühlen.<br />
So ist er nicht lange alleine und vers<strong>am</strong>melt eine Schar Mitläufer um sich, die im<br />
schlimmsten Fall die <strong>Mobbing</strong>aktivitäten unterstützen.<br />
Selbst Kollegen, die seine Handlungen nicht gutheißen, werden sich voraussichtlich<br />
aus Angst nicht einmischen, um nicht selbst Opfer zu werden. So solidarisieren sie<br />
sich ungewollt mit dem Täter, da sie die Taten durch „wegsehen“ tolerieren.<br />
<strong>Mobbing</strong> ist vermutlich aber auch für den Täter nerven- und zeitaufwendig, denn er<br />
muss ständig auf der Hut sein, um ja keine Gelegenheit zu verpassen, das Opfer zu<br />
schädigen.<br />
Darüber hinaus muss er sich gegenüber den Vorgesetzten ins rechte Licht setzen um<br />
einen Vertrauensvorschuss zu erlangen/bewahren und sich der Loyalität der Mitläufer<br />
versichern.<br />
So kann sich der Mobber nicht sicher sein, wie er tatsächlich von den anderen<br />
gesehen wird. Möchte er eine Veränderung des selbstgewählten Images erwirken,<br />
liegt ein langer und harter Weg vor ihm. Zum einen muss er hierbei sein Gesicht vor<br />
seinen „Anhängern“ wahren, zum anderen ist die Reintegration in die Gruppe der<br />
„Mitläufer“ auf Grund des Vertrauensverlustes nicht gewährleistet.<br />
Psychosomatische Erkrankungen des Mobbers sind also ebenfalls denkbar. 55<br />
55<br />
vgl. Dr. Axel Esser, Dr. Martin Wolmerath, „<strong>Mobbing</strong>. Der Ratgeber für Betroffene und ihre<br />
Interessensvertretung“, 4. Auflage 2001, S. 51<br />
39
8.3 Auswirkungen auf das direkte Arbeitsumfeld<br />
Neben dem Opfer und vielleicht auch dem Täter kann die ges<strong>am</strong>te Belegschaft unter<br />
dem <strong>Mobbing</strong> leiden.<br />
War das Betriebsklima früher noch kollegial, so arbeitet man nun in einem<br />
gespannten Betriebsklima. Neben der eigenen Ansicht über den/die Täter könnte<br />
auch Unzufriedenheit über die eigene Person entstehen, wenn man weggesehen und<br />
nicht in den <strong>Mobbing</strong>prozeß eingegriffen hat. Eine Verschlechterung des<br />
Betriebsklimas wird von den Beschäftigten durchaus wahrgenommen.<br />
Fehlzeiten und Minderleistungen des Opfers müssen von der restlichen Belegschaft<br />
kompensiert werden. Mehrarbeit bei gleichem Gehalt ist die Folge.<br />
Darüber hinaus könnte sich auch durchaus Misstrauen entwickeln, wenn an früheren<br />
<strong>Mobbing</strong>handlungen Vorgesetzte beteiligt waren, denn es dürfte die Frage<br />
aufkommen, ob man noch in der Gunst der Führungskraft steht oder ob man nicht<br />
ebenfalls auf diese Art und Weise „wegrationalisiert“ werden soll.<br />
Unzufriedenheit, Demotivation, Personalfluktuation, verringerte Effektivität und<br />
Produktivität, zunehmende Kooperationsprobleme, aber auch wachsende Kritik an<br />
und mangelndes Vertrauen in die Geschäftsleitung können daraus resultieren. 56<br />
Ebenso kann sich das <strong>Mobbing</strong>, dass innerhalb einer Abteilung stattfand, im<br />
Unternehmen herumsprechen und Schwierigkeiten nach sich ziehen, offene Stellen<br />
neu zu besetzen.<br />
Das <strong>Mobbing</strong> keineswegs ein Einzelfall ist, zeigt die nachfolgende Grafik.<br />
Die Betroffenen gaben an, dass <strong>Mobbing</strong> vor ihnen, parallel und auch nach ihnen<br />
wieder vork<strong>am</strong>.<br />
56<br />
vgl. EU- Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten „Bericht über <strong>Mobbing</strong> <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong>,<br />
Nr. 2001/2339(INI) vom 16.07.2001, S.14<br />
40
8.4 Auswirkungen auf das Unternehmen und die Gesellschaft<br />
8.4.1 Auswirkungen auf das Unternehmen<br />
Es kann zwischen direkten und indirekten Kosten unterschieden werden: Direkte<br />
Kosten sind die Aufwendungen, die für die Einstellung einer neuen<br />
Mitarbeiterin/eines neuen Mitarbeiters anfallen, wie bspw. Insertionswerbung,<br />
Auswahlverfahren, Einarbeitung, etc. 57<br />
Die indirekten Kosten sind jedoch schwer messbar, wie bspw. die Kosten für die<br />
Arbeitszeit, die von den Parteien für <strong>Mobbing</strong> oder für dessen Bewältigung<br />
aufgewendet wird (u.a. Gespräche mit Vorgesetzten, Interessensvertretungen, etc.)<br />
oder für Produktionsstörungen, Ausschuss, etc. 58<br />
In Leymanns Buch wird die Schätzung einer deutschen Unternehmensberatungsfirma<br />
zitiert, die versuchte, die Kosten einer Fluktuation<br />
verschiedener Hierarchieebenen zu konkretisieren.<br />
57<br />
vgl. Leymann, „Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht“, 1995, S.73<br />
58<br />
vgl. Leymann, „Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht“, 1995, S. 73<br />
41
Die Fluktuation kostet demnach (Stand 1985) für<br />
- eine Lagerarbeiterin/ Facharbeiterin, bzw.<br />
eine Facharbeiterin/eines Facharbeiters: 7.500€<br />
- eine Sekretärin, bzw. einer mittleren<br />
Facharbeiterin/eines mittleren Facharbeiters: 12.500€<br />
- eine höhere qualifizierte Facharbeiterin/eines<br />
höher qualifizierten Facharbeiters: 25.000€<br />
- eine Führungskraft mit einem Jahreseinkommen<br />
von 60.000€: 200.000€ 59<br />
In einer norwegischen Untersuchung gaben 27 % der Befragten an, dass <strong>Mobbing</strong><br />
<strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> ihre Effektivität sehr reduziert. 60<br />
Die genannten Erkenntnisse sollen verdeutlichen, dass selbst für das Unternehmen<br />
hohe Kosten durch <strong>Mobbing</strong>prozesse entstehen.<br />
Dies kann sich für ein Unternehmen allenfalls dann rentieren, wenn ein zügiger<br />
Stellenabbau erwünscht ist und <strong>Mobbing</strong> dafür akzeptiert wird.<br />
Unberücksichtigt bleiben hier Auswirkungen, dass ein Prestigeverlust denkbar ist,<br />
wenn sich die Vorgänge auf dem Markt herumsprechen oder eine Wiederholung von<br />
<strong>Mobbing</strong>vorgängen, auch wenn diese u.U. gar nicht mehr erwünscht sind.<br />
59<br />
Harlander, 1985, S. 375, aus: Leymann, „Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht“, 1995, S. 73<br />
Angaben von DM in Euro, vereinfacht 1:2<br />
60<br />
Matthiesen, Raknes, Rökkum, „<strong>Mobbing</strong> pa arbeidsplassen. Tidskrift for Norsk Psykologforening“,<br />
1989, S. 26; 761-774 in „<strong>Mobbing</strong>“, Leymann, 1993, S.93.<br />
42
8.4.2 Auswirkungen auf die Gesellschaft<br />
Nicht nur der Betrieb wird mit Kosten belastet, auch die Gesellschaft hat für die<br />
Folgeschäden, wie medizinische und psychologische Heilbehandlungen,<br />
Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit, bzw. Frühverrentung tief in die Tasche zu greifen.<br />
„Groeblinghoff beispielsweise schätzt, dass die durch <strong>Mobbing</strong> bedingten<br />
Behandlungskosten ca. 50.000,00€ bis 65.000,00€ 61 je Fall (bei einer<br />
Behandlungsdauer von drei bis vier Jahren) betragen (vgl. Groeblinghoff, S. 142).<br />
Gemäß einer Hochrechnung von Resch werden aufgrund <strong>Mobbing</strong> jährlich zwischen<br />
12.000 und 25.000 Personen frühverrentet, wodurch Kosten zwischen 1,5 und 3<br />
Milliarden Euro pro Jahr entstehen (Resch, Seite 127).“ 62 „Ein Prozent Krankenstand<br />
kostet für ein Unternehmen mit ca. 1.000 Mitarbeiter 200.000€ jährlich“. 63<br />
Leymann errechnete in dem authentischen <strong>Mobbing</strong>fall „Lena- die Schweißerin“ die<br />
ungefähr entstandenen Kosten bei Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung (hier 24<br />
Jahre). Die Ges<strong>am</strong>tkosten betrugen umgerechnet 700.000€. 64<br />
Bei den genannten Angaben handelt es sich um Schätzung, die verdeutlichen, wie<br />
sozial schädlich sich <strong>Mobbing</strong> <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> auswirken kann.<br />
61<br />
Angaben von DM in Euro, vereinfacht 1:2<br />
62<br />
Esser/Wolmerath, “<strong>Mobbing</strong>. Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretungen”, 2001<br />
63<br />
DGB „<strong>Mobbing</strong>“ 2000 in , Stand 29.09.2001<br />
64<br />
Leymann, „<strong>Mobbing</strong>“, 1993, S.125f.<br />
43
Nachstehende Grafik verdeutlicht die zu erwartenden <strong>Mobbing</strong>folgen und lässt<br />
erahnen, dass jeder <strong>Mobbing</strong>fall die Gesellschaft immense Kosten bereitet.<br />
44
9 Rechtliche Bewertung von <strong>Mobbing</strong><br />
9.1 Strafrechtliche Bewertung<br />
Der Begriff <strong>Mobbing</strong> taucht im Strafrecht nicht auf, da er sich aus vielen einzelnen<br />
Handlungen zus<strong>am</strong>mensetzt, von der jede einzelne auf strafrechtliche Aspekte hin<br />
betrachtet werden kann. Durch einzelne<br />
Handlungen im <strong>Mobbing</strong>prozeß können u.a. folgende Straftaten verwirklicht werden:<br />
- Beleidigung, § 185 StGB (trotz Wahrheitsbeweises: § 192 StGB)<br />
- üble Nachrede, § 186 StGB<br />
- Verleumdung, § 187 StGB<br />
- Nötigung, § 240 StGB<br />
- Bedrohung, § 241 StGB<br />
- Körperverletzung, § 223ff. StGB<br />
- Diebstahl/Unterschlagung, §§ 242ff., 248 StGB<br />
- Sachbeschädigung, § 303 StGB, u.v.m.<br />
Zu Beachten ist, dass - außer bei der Nötigung- ein Strafantrag erforderlich ist 65 , der<br />
innerhalb von 3 Monaten - nach Kenntniserlangung der Tat- 66 bei der Polizei oder<br />
Staatsanwaltschaft zwecks Strafverfolgung gestellt werden muss.<br />
Es handelt sich bei den o.g. Taten um Vergehenstatbestände.<br />
„Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren<br />
Freiheitsstrafe (Anm.: als Verbrechen mit 1 Jahr Mindestmaß) oder die mit Geldstrafe<br />
bedroht sind“. 67<br />
Eine strafrechtliche Bewertung erfolgt anhand bestimmter Fakten, z.B.: A schlägt B<br />
<strong>am</strong> soundso vielten um soundso viel Uhr in x- Stadt.<br />
Hier kann ein Körperverletzungsdelikt strafrechtlich geprüft werden.<br />
Einzelne Körperverletzungsdelikte im <strong>Mobbing</strong>prozess erfüllen diese Nachprüfbarkeit.<br />
Problematisch ist eine Einstufung des ges<strong>am</strong>ten <strong>Mobbing</strong>prozesses als<br />
65<br />
vgl. §§ 194, 230, 248a, 303c, i.V.m. § 77 StGB<br />
66<br />
§ 77(2) StGB<br />
67<br />
§ 12(2) StGB<br />
45
Körperverletzung, da er wiederum in einzelne fassbare Handlungen auseinanderdividiert<br />
werden muss.<br />
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Staatsanwaltschaft jeweils öffentliches<br />
Interesse zur Verfolgung der Tat bejaht. Dies dürfte z.B. bei einer Beleidigung i.d.R.<br />
erst der Fall sein, wenn sie über die Beteiligten hinaus von anderen Personen<br />
wahrgenommen und dadurch die/der Geschädigte in besonderer Weise herabgesetzt<br />
wurde.<br />
Im Falle einer Gerichtsverhandlung muss das Opfer die Tat(en) nachweisen können,<br />
beispielsweise durch Aufzeichnungen und Zeugenaussagen, was sich insbesondere<br />
dann schwierig gestaltet, wenn aus dem Kollegenkreis <strong>Mobbing</strong> betrieben wird und<br />
sich keine Zeugen zur Verfügung stellen.<br />
Wurde schließlich eine rechtswidrige Tat, bspw. eine Beleidigung bejaht, wird ein<br />
entsprechendes Strafmaß festgelegt.<br />
Da aber der <strong>Mobbing</strong>prozeß nicht als solcher im Strafgesetzbuch erfasst ist, wird die<br />
einzelne Tat bestraft, wobei sich das Strafmaß an der schwere der Tat und an den<br />
persönlichen Daten des Täters orientiert (Vorstrafen). Liegen keine Vorstrafen vor,<br />
kann das Gericht nach seinem Ermessen das Verfahren wegen Geringfügigkeit<br />
einstellen oder bspw. eine Geldstrafe verhängen.<br />
Schadensersatzansprüche, bzw. Schmerzensgeld von Opfern werden zunächst nicht<br />
berücksichtigt.<br />
In Frankreich kann <strong>Mobbing</strong> seit Mai 2001 mit bis zu einem Jahr Gefängnis, bzw. mit<br />
einer Geldstrafe von bis zu 15.000€ geahndet werden.<br />
Bemerkenswert ist insbesondere, dass die Beweislast umgekehrt wurde, d.h. die<br />
Beweislast liegt beim Angeklagten. Er muss nachweisen, dass sein Verhalten kein<br />
gezieltes <strong>Mobbing</strong> war. 68<br />
Erfahrungswerte bezüglich strafrechtlicher Verfolgung von <strong>Mobbing</strong>handlungen in<br />
Deutschland liegen uns nicht vor.<br />
Aus den o.a. Aspekten und der im Kapitel 9.2 genannten aktuellen Rechtsprechung<br />
erscheinen uns zivil- und arbeitsrechtliche Schritte sinnvoller.<br />
68<br />
, Stand 16.02.2002<br />
46
9.2 Zivil- und arbeitsrechtliche Bewertung<br />
Es kommen auch zivil- bzw. arbeitsrechtliche Mittel in Betracht, wie<br />
- Schadenersatz wegen unerlaubter Handlung, § 823 BGB<br />
- Widerruf und Unterlassen ehrverletzender Äußerungen,<br />
analog §§ 1004, 823 BGB<br />
- Unterlassen von <strong>Mobbing</strong>handlungen, analog §§ 1004, 823 BGB<br />
- Schmerzensgeld, § 847 BGB<br />
- Entschädigung wegen Verletzung des allg. Persönlichkeitsrechts,<br />
Art.1(1), Art.2(1)GG<br />
Bis April 2001 konnten Unterlassungsverfügungen, Schadensersatz- oder<br />
Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden, wobei -wie im Strafrecht- die<br />
Beweislast beim Opfer lag.<br />
Im Arbeitsrecht überwog bisher die Zahl der Klageabweisungen, bzw. der<br />
Gerichtsentscheide mit negativem Ausgang für <strong>Mobbing</strong>betroffene, ebenfalls wegen<br />
mangelnder Beweisbarkeit. 69<br />
Ein Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts (LAG) vom 10.04.2001 stellt einen<br />
Meilenstein in der Rechtsprechung dar, da darin die Beweislast zugunsten des<br />
Arbeitnehmers im Verfahren auf den Arbeitgeber verlagert wurde.<br />
Es stellte u.a. 6 Leitsätze auf, in denen<br />
- <strong>Mobbing</strong> definiert wird<br />
- der Arbeitgeber verpflichtet wird, keine Eingriffe in das allgemeine<br />
Persönlichkeitsrecht oder in die Freiheitssphäre des Arbeitnehmers zu dulden,<br />
bzw. vorzunehmen (Fürsorgepflicht)<br />
- der Arbeitgeber verpflichtet wird, Maßnahmen zu ergreifen, d<strong>am</strong>it eine<br />
Verletzung des allg. Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen ist sowie einen<br />
69<br />
Wolmerath in „Der Personalrat“ 12/2001, S.536<br />
47
menschengerechten <strong>Arbeitsplatz</strong> zur Verfügung zu stellen und die<br />
Arbeitnehmerpersönlichkeit zu fördern (Prävention)<br />
- der Arbeitgeber kurzfristige Eingriffe in diese Rechte , bzw. Eingriffe ohne<br />
finanzielle Nachteile für den Arbeitnehmer nicht als Rechtfertigung anführen<br />
kann<br />
- der Beweisnot des Betroffenen Rechnung getragen und der Parteienanhörung<br />
vor Gericht Beweiskraft gegeben wurde.<br />
Daraus folgt, dass der Arbeitgeber mit bekannt werden einer <strong>Mobbing</strong>situation in der<br />
Pflicht ist, tätig zu werden und dagegen Maßnahmen einzuleiten, da er ansonsten<br />
haftbar gemacht und zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt werden kann.<br />
Darüber hinaus hat der Arbeitgeber präventive Maßnahmen gegen <strong>Mobbing</strong><br />
durchzuführen und Hilfen zur Lösung akuter Konfliktsituationen bereitzuhalten.<br />
Dies bedeutet für <strong>Mobbing</strong>betroffene, dass sie lediglich ein Unterlassen des<br />
Arbeitgebers und einen durch <strong>Mobbing</strong> entstandenen Schaden nachweisen müssen.<br />
Ein Schaden in diesem Sinne kann gem. Leitsatz auch der Totalentzug der<br />
Beschäftigung oder eine nicht vertragsgemäße Beschäftigung sein.<br />
Bezüglich des Nachweises hat das Gericht der Parteianhörung ein starkes Gewicht<br />
eingeräumt, d.h. als Beweis wird die glaubhafte Schilderung der/des<br />
<strong>Mobbing</strong>betroffenen zugelassen.<br />
Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitnehmer die Initiative ergreift und den<br />
Sachverhalt über die innerbetrieblichen Ansprechpartner, über die Betriebsleitung<br />
oder über außerbetriebliche Beratungsstellen aktenkundig macht.<br />
Die Anrufung des Arbeitsgerichtes sollte derart frühzeitig geschehen, dass das<br />
Beschäftigungsverhältnis nicht gefährdet wird, also spätestens wenn der Betrieb die<br />
<strong>Mobbing</strong>handlungen nicht erkennt, untätig bleibt oder sich gar mit arbeitsrechtlichen<br />
70 71<br />
Maßnahmen gegen das Opfer wendet.<br />
Die entscheidenden 6 Leitsätze sind dieser Arbeit als Anlage 14.2 beigefügt.<br />
70<br />
vgl. Wolmerath, Artikel. „Rechtschutz bei <strong>Mobbing</strong>“ in „Der Personalrat“ 12/2001, S..535f.<br />
71<br />
vgl. Georg Lorenz, Rechtsreferent, Artikel „<strong>Mobbing</strong> <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> – Handlungsmöglichkeiten<br />
von Betroffenen, Arbeitgeber und Personalrat“ in „Der Personalrat“ 02/2002, S.65f.<br />
48
10 Anti- <strong>Mobbing</strong>- Strategie<br />
10.1 Präventive Maßnahmen gegen <strong>Mobbing</strong><br />
10.1.1 Durchführen einer Bestandsaufnahme<br />
Ziel einer Bestandsaufnahme ist es, die Arbeitsbedingungen und das soziale Klima zu<br />
erfassen und anschließend mit geeigneten Maßnahmen zu verbessern. Es bietet sich<br />
an, im Rahmen von Organisationsveränderungen Mitarbeiterbefragungen durchzuführen.<br />
Der Schwerpunkt sollte auf betriebliche Defizite, Führungsprobleme und<br />
Sozialbeziehungen liegen.<br />
Die Befragung gibt im Ergebnis die Stimmung im Unternehmen wieder und kann als<br />
„Frühwarnsystem“ dienen. Sie sollte anonym angelegt sein und das nicht nur<br />
bezüglich des Absenders. Formulierungen wie „mit wem arbeiten Sie besonders<br />
gerne“ oder „mit wem arbeiten Sie nicht gerne“ sollten tunlichst unterbleiben. 72<br />
Bei einer intakten Gruppe könnte dies u.E. als Denunziantentum aufgefasst werden<br />
und dementsprechend zu einem Boykott führen.<br />
Um ein genaueres Bild über die Konflikte zu gewinnen, kann sich diese Befragung<br />
über eine bestimmte Zeitspanne erstrecken, entweder durch eine Befragung über<br />
einen bestimmten Zeitraum (Tagesprotokolle) oder durch eine wiederholte punktuelle<br />
Befragung, da <strong>Mobbing</strong> sich nicht an einem einzigen Konflikt festmachen lässt.<br />
Ein Muster- Fragebogen ist als Anlage 14.4 beigefügt.<br />
72<br />
vgl. Kratz, „<strong>Mobbing</strong>: Erkennen, ansprechen, vorbeugen“ 2. Auflage 2000, S.56<br />
49
10.1.2 Auswählen und Qualifizieren von Führungskräften<br />
Grundsätzlich steht die Unternehmensleitung vor der Wahl, eine Führungskraft nach<br />
fachlicher oder sozialer Kompetenz auszusuchen.<br />
Während früher oftmals Führungskräfte überwiegend nach ihrer Fachkompetenz<br />
ausgewählt wurden, gewinnt die Sozialkompetenz heute mehr Bedeutung bei der<br />
Auswahl.<br />
Bei einer ausgeprägten Sozialkompetenz ist es einfacher und vermutlich auch<br />
preiswerter, das spezielle Fachwissen für die zukünftige Abteilung zu vermitteln, als<br />
Fähigkeiten, wie Konfliktlösungen, Kommunikation und soziale Integration künftigen<br />
Führungskräften nahe zu bringen. Ohne jegliche persönliche Disposition kann auch<br />
bezweifelt werden, ob das Erlernen - im Sinne von Praktizieren – der sozialen<br />
Elemente überhaupt möglich ist.<br />
Von den Betroffenen gaben 60,9% an, dass eine Gesprächsbereitschaft des<br />
Vorgesetzten nicht vorhanden war und 42,2%, dass ihr Vorgesetzter eher<br />
konfliktscheu war. 73 Hier wird deutlich, welchen Stellenwert die soziale Kompetenz<br />
einer Führungskraft hat.<br />
Gerade die mittlere und untere Führungsebene steht im direkten Kontakt zu den<br />
Mitarbeitern und benötigt ein fundiertes Wissen und Können, um Konflikteskalationen<br />
und <strong>Mobbing</strong>handlungen zu verhindern, denn sie sind es, die als Erste mit diesen<br />
Entwicklungen konfrontiert werden.<br />
Empfehlenswert sind Seminare in Kommunikation, Te<strong>am</strong>arbeit, Stress- und<br />
Konfliktbewältigung, Büro- und Zeitmanagement, Mitarbeiterführung, etc.<br />
Die Qualifizierungsmaßnahmen sollten möglichst vor Antritt einer neuen Stelle<br />
durchgeführt werden, d<strong>am</strong>it die Führungskräfte von Anfang an in der Lage sind,<br />
Defizite zu erkennen und wichtige Korrekturen einleiten zu können.<br />
Vorgesetzte, die Konflikte methodisch lösen und nach der win-win- Strategie 74 lösen<br />
können, dürften auch aufgrund dessen in der Belegschaft an Ansehen gewinnen.<br />
73<br />
Meschkutat, Stackelbeck, Langenhoff, „Der <strong>Mobbing</strong>report“, Wirtschaftsverlag NW, Dortmund 2002<br />
74<br />
Win-win- Strageie: Beide Konfliktparteien einigen sich durch Zugeständnisse. Es gibt kein Sieger-<br />
Verlierer – Verhältnis nach der Konfliktlösung.<br />
50
10.1.3 Fördern der sozialen Beziehungen<br />
Neben Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit durch Minimieren von<br />
Organisationsmängeln, Optimierung von Arbeitsabläufen, Beteiligung von<br />
Mitarbeitern und Schaffen einer Eigenverantwortlichkeit ist ein entscheidender Aspekt<br />
die Förderung des Gemeinschaftsgefühls und des Vertrauens untereinander.<br />
Zunächst ist es unabdingbar, dass die Geschäftsleitung einen freundlichen und fairen<br />
Umgang vorlebt und dies auch von der Belegschaft einfordert, d.h. es wird ein<br />
„moralischer Standard“ geschaffen, der Grundlage eines guten Betriebsklimas ist.<br />
Darüber hinaus gibt es jedoch viele Möglichkeiten, das Betriebsklima zu verbessern,<br />
z.B.<br />
- Lob und Anerkennung<br />
Wann haben Sie das letzte Mal einen Mitarbeiter oder ihren<br />
Kollegen bewusst gelobt?<br />
In der Regel unterbleiben Anerkennungen, weil „ja alles läuft“.<br />
Ist etwas nicht in Ordnung, ist man oft mit negativer Kritik<br />
schnell zur Stelle und das meist ohne Verbesserungsvorschläge.<br />
Wenn etwas optimal läuft, was aber nur der Fall sein kann, wenn jeder<br />
seinen Beitrag dazu leistet, ist dies ein Fall für Anerkennung.<br />
Dies betrifft nicht nur Führungskräfte.<br />
- Feierlichkeiten und Jubiläen<br />
Diese sollten explizit in einem bestimmten Rahmen gestattet und<br />
gefördert werden, denn es gibt Gelegenheiten, wie „runde<br />
Geburtstage“, „Nachwuchs“, Firmenjubiläen, etc., die es verdienen,<br />
gewürdigt zu werden. Außer einem „Glückwunsch“ und<br />
„shake hands“ darf man sich durchaus auch einer Rede bedienen<br />
und d<strong>am</strong>it Wertschätzung vorleben.<br />
- Förderung von Betriebsausflügen<br />
Nicht immer stehen Betriebsausflüge an oberster Stelle in der<br />
Beliebtheitsskala. Um sie abwechslungsreich zu gestalten sollte<br />
51
jeder, auch die Geschäftsleitung Infos für mögliche Ziele geben.<br />
Auch inhaltlich können Betriebsausflüge Vertrauen fördern, wenn<br />
beispielsweise die Teilnehmer auf gegenseitige Unterstützung angewiesen<br />
sind, so z.B. bei „Flussfahrten mit Booten“ oder jedem bekannte<br />
„Schnitzeljagden“.<br />
- Förderung des Gesundheitsschutzes<br />
Nicht nur wegen der täglichen Arbeitsbelastung gibt es in asiatischen<br />
Unternehmen Entspannungsübungen bis Sportangebote während der<br />
Arbeitszeit. Gemeins<strong>am</strong> durchgeführte Übungen mit gegenseitiger<br />
Unterstützung oder aber auch Ballspiele erfordern ein<br />
Zus<strong>am</strong>menspiel, das wiederum das Vertrauen untereinander<br />
stärkt.<br />
Dies sind nur ein paar Beispiele, wie Gemeins<strong>am</strong>keiten geschaffen oder je nach<br />
Angebot neu geschaffen werden können. Prämien, Zulagen und Gratifikationen allein<br />
reichen nicht aus, Vertrauen aufzubauen und ein persönliches Wohlbefinden<br />
herbeizuführen.<br />
10.1.4 Weiterbildungsangebote für Betriebsangehörige<br />
Für die Betriebsangehörigen sollten Informationsveranstaltungen und Seminare zum<br />
Thema <strong>Mobbing</strong> angeboten werden.<br />
Nur wenn die Mitarbeiter befähigt werden, <strong>Mobbing</strong>strukturen zu erkennen und zu<br />
verstehen, können sie aktiv dagegen agieren, statt wegzusehen und zu schweigen.<br />
Daneben sollten Informationsmaterialien allen Betriebsangehörigen einfach<br />
zugänglich sein, beispielsweise an Broschürenständern.<br />
Zusätzliche Seminare in Kommunikation, Te<strong>am</strong>arbeit, Stress- und Konfliktbewältigung<br />
sowie Büro- und Zeitmanagement können das Entstehen von <strong>Mobbing</strong> verhindern<br />
und die Arbeitszufriedenheit erhöhen.<br />
52
10.1.5 Verbessern der Arbeitsorganisation und -abläufe<br />
Durch Stellenabbau insbesondere auf den Führungsebenen haben Vorgesetzte<br />
oftmals eine zu große Führungsspanne, d.h. sie sind für zu viele Mitarbeiter<br />
verantwortlich.<br />
Werden die Führungskräfte nun mit zusätzlichen Aufgaben belastet und exzessiv<br />
Gesprächstermine anberaumt, geht ihnen leicht die Kontrolle über ihre Arbeitseinheit<br />
verloren.<br />
Es steht ihnen keine Zeit mehr für die Belange der Mitarbeiter zur Verfügung und ein<br />
Überblick über die täglichen Abläufe wird ebenfalls erschwert, da ihnen immer<br />
weniger Zeit für ihre Führungsaufgabe zur Verfügung steht.<br />
Es sollte eine angemessene Führungsspanne beibehalten werden, die Vor-gesetzte<br />
nicht überfordert und ihnen Gelegenheit gibt, ihrer Führungsverantwortung gerecht<br />
zu werden.<br />
Unseres Erachtens sollte die Führungsspanne 10 bis maximal 15<br />
Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter betragen.<br />
Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass die Hierarchie stimmig ist und<br />
Mitarbeiter nicht von verschiedenen Vorgesetzten u.U. noch widersprüchliche<br />
Anweisungen erhalten.<br />
Die Optimierung von Arbeitsabläufen liegt schon aus wirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten im ureigensten Interesse eines Unternehmens, da Mängel zu<br />
Produktionsverzögerungen und Ausschuss führen, also Verluste bedeuten.<br />
Eine Verbesserung der Arbeitsabläufe kann zudem zu mehr Arbeitszufriedenheit<br />
führen, gerade dann, wenn die Mitarbeiter daran beteiligt werden.<br />
Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die dazu erforderlichen Besprechungen<br />
einem Controlling unterzogen und nicht zu einem Selbstzweck werden.<br />
53
10.1.6 Einrichten einer Konfliktberatungsstelle<br />
Hierbei sind zwei Faktoren wichtig, die Örtlichkeit und die Anforderungen an den/die<br />
Ansprechpartner.<br />
Die Beratungsstelle sollte möglichst so gelegen sein, dass sie leicht aufgesucht<br />
werden kann, ohne ganze Abteilungen auf dem Weg dorthin durchqueren zu<br />
müssen. D<strong>am</strong>it soll die Hemmschwelle vor dem Aufsuchen des Ansprechpartners<br />
möglichst gering gehalten werden.<br />
Für diese Aufgabe dürfen nur vertrauenswürdige und kompetente Personen<br />
angenommen werden. Optimal wäre sicherlich die Beauftragung von zwei<br />
Ansprechpartnern, um eine Vertretungsregelung zu schaffen und dem einzelnen<br />
Ansprechpartner die Möglichkeit der Meinungsfindung und des Austauschs zu geben.<br />
Dies können innerbetriebliche Ansprechpartner, z.B. Personen des Betriebs-<br />
/Personalrats, Frauenbeauftragte oder Schwerbehindertenbeauftragte sein. Der<br />
Vorteil besteht hier zudem in den bereits bestehenden Strukturen und Kompetenzen,<br />
die nicht neu eingerichtet werden müssten. Sie genießen spezielle Rechte , wie z.B.<br />
- das Recht auf Teilnahme an speziellen Schulungs- und<br />
Bildungsveranstaltungen auf Kosten des Arbeitgebers unter Fortzahlung<br />
ihres Entgelts gem. § 37 BetrVG/§§ 44, 46 BPersVG<br />
- der besondere Schutz vor Benachteiligungen und Kündigungen, vgl. §§<br />
37, 78, 103 BetrVG/§§ 46, 47 BPersVG, § 15 KSchG.<br />
- die Anschaffung spezieller Sachmittel (z.B. Literatur) auf Kosten des<br />
Arbeitgebers, § 40 BetrVG/§ 44 BPersVG<br />
Auf jeden Fall sollten die Rechte des Ansprechpartners in der Betriebs- bzw.<br />
Dienstvereinbarung festgehalten werden, um seine Arbeit beispielsweise bei einem<br />
Wechsel der Geschäftsleitung weiterhin sicherzustellen.<br />
Handelt es sich um ein kleines Unternehmen, in dem kein Betriebsrat vorhanden ist<br />
und auch kein Ansprechpartner eingerichtet werden kann, ist auf außerbetriebliche<br />
Ansprechpartner hinzuweisen, bspw. auf Rechtsanwälte, Psychotherapeuten, (Ärzte-)<br />
K<strong>am</strong>mern, Gewerkschaften, Selbsthilfegruppen und Vereine.<br />
54
10.1.7 Systematisches Einführen von Mitarbeitern<br />
Tritt eine Person eine neue Stelle an, ist sie in der Regel unsicher, da sie in ein<br />
bestehendes Beziehungsgefüge hineinkommt und die anderen Kolleginnen und<br />
Kollegen und ihre Einstellung zum neuen Mitarbeiter zunächst unbekannt ist.<br />
In der Einführungsphase ist es für den Neuzugang ein Leichtes, ungeschickt<br />
aufzutreten, also „in ein Fettnäpfchen zu treten“.<br />
Andererseits wird ein neuer Mitarbeiter von den etablierten Kollegen genau<br />
beobachtet. Es können ihm sehr schnell Steine in den Weg gelegt werden, wenn er<br />
den Erwartungen der etablierten Mitarbeiter nicht entspricht.<br />
Ein sich daraus entwickelndes <strong>Mobbing</strong> kann durch eine strukturierte Einführung<br />
eines neuen Mitarbeiters verhindert werden.<br />
Dies beinhaltet die Information und Begleitung des neuen Mitarbeiters, als auch der<br />
etablierten Kollegen.<br />
Bereits eine eindeutige Stellenbeschreibung legt den ersten Grundstein, denn darin<br />
sollten neben den Anforderungen an den Stelleninhaber und Angabe der Hierarchie<br />
die Aufgaben und Kompetenzen klar niedergelegt sein.<br />
Werden diese Kompetenzen mit dem neuen Mitarbeiter und seinen zukünftigen<br />
Kollegen durchgegangen, können Abgrenzungskämpfe im Vorfeld minimiert werden.<br />
Darüber hinaus empfiehlt es sich, den neuen Mitarbeiter hinsichtlich seines<br />
bisherigen Werdegangs vorzustellen, womit seine fachliche Kompetenz unterstrichen<br />
werden kann. Eine persönliche Vorstellung des neuen Mitarbeiters darf dadurch<br />
jedoch nicht ersetzt werden.<br />
Mit der Abarbeitung der Aufgaben und Kompetenzen ist es jedoch noch nicht getan.<br />
Ein weiterer entscheidender Faktor sind die gewachsenen Gruppennormen, also<br />
meist ungeschriebene Handlungsweisen nach dem Motto „das macht man hier so“.<br />
Der neue Mitarbeiter soll auch in dieser Hinsicht vor „Fettnäpfen“ bewahrt bleiben.<br />
Dies lässt sich bewerkstelligen, wenn ihm für die Einführungsphase ein „Pate“ zur<br />
Seite gestellt wird, der ihn begleitet und für Fragen zur Verfügung steht. 75<br />
Die Kreativität des Neuen soll d<strong>am</strong>it keineswegs untergraben werden.<br />
75<br />
Christ, L<strong>am</strong>mert, Schneider „Handlungsfeld Personalwirtschaft“, 1996, S.189<br />
55
Nach Kennenlernen der Normen obliegt es der Geschicklichkeit und Diplomatie des<br />
Neuen, seine Ideen und Vorstellungen zu verwirklichen.<br />
10.1.8 Abschließen einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung<br />
Betriebs- oder Dienstvereinbarungen haben zum einen Regelungscharakter. Darin<br />
verdeutlicht, wie sich der einzelne Arbeitnehmer gegenüber seinen Arbeitskollegen<br />
und seinem Arbeitgeber zu verhalten hat (Verhaltenscodex) und an wen er sich<br />
wenden kann, wenn er Hilfe benötigt. Aber auch die Stellung des Ansprechpartners<br />
und das entsprechende Equipment wird darin festgeschrieben.<br />
Zum anderen beinhalten sie eine präventive Komponente, denn die Prä<strong>am</strong>bel gibt die<br />
Unternehmensphilosophie wieder und das weitere Regelwerk die zu erwartenden<br />
Sanktionen bei Verstößen.<br />
Um einen verbindlichen Charakter herzustellen sollten auf neutrale oder pauschale<br />
Formulierungen, wie „man sollte“ bewusst verzichtet werden.<br />
Die Vereinbarung ist unmissverständlich, für jeden nachvollziehbar und in<br />
persönlicher Anrede zu formulieren, d<strong>am</strong>it sie nicht nur eine Alibifunktion erfüllt,<br />
sondern von den Mitarbeitern angenommen wird.<br />
D<strong>am</strong>it geht jedoch einher, dass eine abgeschlossene Betriebs- oder<br />
Dienstvereinbarung allen Mitarbeitern zur Kenntnis gegeben wird.<br />
Es empfiehlt sich, jedem Mitarbeiter ein persönliches Exemplar zukommen zu lassen.<br />
Mit dem Abschluss und der Zustellung der Betriebs- oder Dienstvereinbarung darf es<br />
jedoch nicht getan sein.<br />
Die in der Betriebsvereinbarung aufgeführten präventiven Maßnahmen zur<br />
Verhinderung von <strong>Mobbing</strong> müssen langfristig umgesetzt werden.<br />
Selbst wenn alle bisher genannten Maßnahmen umgesetzt und viele Seminare<br />
durchgeführt wurden bleibt zu beachten, dass neue Mitarbeiter oder Führungskräfte<br />
ebenfalls geschult werden und die etablierten Arbeitnehmer und der Arbeitgeber<br />
Auffrischungsseminare erhalten. Der soziale Umgang ist ebenfalls als<br />
Qualitätsstandard zu sehen, den es zu halten gilt.<br />
56
10.2 Die Intervention<br />
10.2.1 Einleitung<br />
Unter Punkt 10.1.6 „Einrichten einer Konfliktberatungsstelle“ wurde bereits auf die<br />
Auswahl der Ansprechpartner eingegangen.<br />
Bevor sie ihre Arbeit aufnehmen sollten sie durch Weiterbildungsseminare in<br />
Kommunikation und Stress- und Konfliktbewältigung geschult werden. Sie müssen<br />
befähigt werden, mit den verschieden stark ausgeprägten Sachverhalten von der<br />
Bewältigung von Konflikten bis zu extremen <strong>Mobbing</strong>handlungen umgehen zu<br />
können.<br />
Das bedeutet nicht, dass sie immer die ges<strong>am</strong>te Bandbreite alleine bis zum Ende des<br />
Konflikts lösen können.<br />
Vielmehr sind sie zunächst „Ersthelfer“, indem sie den Betroffenen zuhören, sie<br />
beraten und ihnen angepasst auf die jeweiligen Bedürfnisse Vorschläge machen. Bei<br />
Konflikten können Beratungsgespräche oder Konfliktbearbeitungen erforderlich, bei<br />
<strong>Mobbing</strong>fällen Konfliktbearbeitungen bis zu arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen den<br />
Agitator notwendig sein.<br />
9.1.2 Das Erstgespräch<br />
In der vorliegenden Arbeit benutzten wir vorwiegend den Begriff des „Opfers“. Dies<br />
ist im Hinblick auf die erlittene psychische, strukturelle, ggfs. sogar physische Gewalt<br />
und den daraus resultierenden Folgen, wie dem PTSD durchaus gerechtfertigt.<br />
In den Gesprächen mit Ratsuchenden sollte der Ausdruck ihnen gegenüber u.E.<br />
möglichst nicht gebraucht werden, da er mit Unterlegenheit und Hilflosigkeit in<br />
Verbindung gebracht wird, was den Betroffenen unangenehm sein könnte und sie<br />
negativ bestärkt.<br />
Beim Erstgespräch besteht ihre Aufgabe als Ansprechpartner zunächst darin, dem<br />
Beschwerdeführer zuzuhören, wobei u.U. viel Zeit benötigt wird. Der Umfang des<br />
zugrunde liegenden Falles ist noch unbekannt.<br />
57
Es kann vorkommen, dass ein Mitarbeiter sie direkt aus einer für ihn belastenden<br />
Situation aufsucht und emotional aufgewühlt ist.<br />
Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen:<br />
Das Gespräch sollte ungestört und im Sitzen stattfinden.<br />
Ist der Beschwerdeführer aufgeregt, sollte ihm Gelegenheit gegeben werden, sich<br />
abreagieren zu können, indem er ausführlich ausreden kann. Dabei können Sie durch<br />
die Methode des aktiven Zuhörens eine Vertrauensbasis schaffen.<br />
Ständiges Nachfragen engt zu sehr ein und sollte unterbleiben.<br />
Ein <strong>Mobbing</strong>opfer ist psychischer und/oder physischer und/oder struktureller Gewalt<br />
ausgesetzt.<br />
Wichtig ist es, den vorgetragenen Sachverhalt nicht zu negieren, zu bagatellisieren<br />
oder herunterzuspielen, da der Betroffene dies ebenfalls als Gewalt empfindet und<br />
wieder in die Opferrolle gedrängt wird (Sekundärviktimisierung).<br />
Meist wird zuerst der „Auslöser“ für die Aufregung geschildert. Die Hintergründe<br />
kommen oft erst später im Verlaufe der Unterhaltung oder in weiteren Gesprächen<br />
zutage.<br />
Bewerten Sie nicht die Situation. Offensichtlich ist, dass ein Konflikt vorhanden ist.<br />
Ob es sich um <strong>Mobbing</strong> handelt oder nicht, ist nicht entscheidend.<br />
Der Begriff wird zum Teil inflationär verwandt; lassen Sie sich daher auch nicht auf<br />
diesen Wortgebrauch festlegen.<br />
Hat sich der Gesprächspartner beruhigt, kann begonnen werden seine Bedürfnisse zu<br />
ermitteln. Möchte er eine einmalige Beratung, eine Konfliktbearbeitung, weitere<br />
Unterstützung durch sie oder durch andere?<br />
Die Ziele sollten gemeins<strong>am</strong> formuliert werden, da sie Grundlage für Ihr weiteres<br />
Vorgehen sind.<br />
58
10.2.3 Die Situationsanalyse<br />
Liegt tatsächlich <strong>Mobbing</strong> vor?<br />
Prüfen Sie anhand der Schilderungen, ob die <strong>Mobbing</strong>definition erfüllt ist. Dazu<br />
gehört die Häufigkeit, der Zeitraum der Handlungen, deren Intensität und ob der<br />
Mobber seine Absicht(en) zu erkennen gegeben hat, wie bspw. eine beabsichtigte<br />
Ausgrenzung des Opfers.<br />
Legen Sie die Erkenntnisse schriftlich fest. Sie dienen ggfs. später als Grundlage für<br />
arbeitsrechtliche Maßnahmen. Dies gilt natürlich auch, wenn nach der Definition kein<br />
<strong>Mobbing</strong> vorliegt.<br />
Benötigt die/der Betroffene sofort weitere Unterstützung?<br />
Ergibt der erste Schritt, dass <strong>Mobbing</strong> vorliegt, sollte in den Gesprächen betrachtet<br />
werden, ob das Opfer psychosomatische Erscheinungen schildert und weitere Hilfe<br />
benötigt.<br />
Gibt es Krankheitssymptome, besteht die Möglichkeit, ihr/ihm Kontaktmöglichkeiten<br />
zu Ärzten, bzw. ausgebildeten Therapeuten auszuhändigen.<br />
Wie geschildert, können selbst Ärzte bei der Diagnose Fehler machen und das Opfer<br />
für gestört halten. Daraus ergibt sich, Kontaktadressen von geeigneten<br />
Ärzten/Therapeuten vorzuhalten, die bspw. über die in der Anlage aufgelisteten<br />
Anlaufstellen ermittelt werden können. 76<br />
Uns erscheint dieser Aspekt als erste Reaktion auf das Erstgespräch <strong>am</strong> wichtigsten.<br />
Opfer einer Straftat oder eines Verkehrsunfalls erfahren erste Hilfe. Genau dies sollte<br />
<strong>Mobbing</strong>opfern ebenfalls ermöglicht werden. Ein Spezialist in medizinischer Hinsicht<br />
sind Sie als Ansprechpartner jedoch nicht!<br />
Sollten bereits arbeitsrechtliche, bzw. disziplinarische Maßnahmen gegen das Opfer<br />
eingeleitet worden sein, sollte die/der Betroffene ebenfalls auf die Möglichkeit der<br />
Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes hingewiesen werden. Darüber hinaus sollte<br />
dem Opfer Informationsmaterial ausgehändigt werden, d<strong>am</strong>it es in Ruhe etwas über<br />
die Hintergründe und Abläufe lesen und somit einordnen kann, was gerade mit ihm<br />
passiert.<br />
76<br />
vgl. Anlage 11.8<br />
59
Wer sind die Beteiligten?<br />
Befragen Sie die/den Betroffene(n), wer involviert ist.<br />
Wer ist Akteur und begeht die Angriffe; wer ist unbeteiligt?<br />
Diese Erkenntnisse werden sie benötigen, um Ihre Strategie zu planen.<br />
Im Erstgespräch werden Sie schon erfahren haben, wer der Hauptakteur ist, doch<br />
spielt für die Beurteilung der weiteren Vorgehensweise ebenfalls eine Rolle, ob<br />
mehrere Personen gemeinschaftlich gegen das Opfer vorgehen und ob eine<br />
Führungskraft an den Handlungen beteiligt ist. Raten Sie dem Opfer, sich<br />
ausführliche Notizen über die entsprechenden Handlungen zu machen.<br />
Dazu kann er sich der folgender Frage bedienen:<br />
Wer hat was, wann, wo, mit wem, wie und wieso gemacht; wer war Zeuge?<br />
Die Beweisführung ist für die Beurteilung der <strong>Mobbing</strong>entwicklung sinnvoll.<br />
10.2.4 Die Konfliktbearbeitung<br />
Liegt ein Konflikt zugrunde, kommt ein Konfliktgespräch in Betracht, zu dem Sie<br />
beide Parteien einladen.<br />
Ihre Rolle ist die eines Moderators. Sie geben beiden Parteien Gelegenheit, ihren<br />
Standpunkt ungestört darzustellen und versuchen, das zugrunde liegende Problem<br />
möglichst genau herauszufiltern und zu beschreiben.<br />
Verdeutlichen Sie ihre Rolle und dass Sie eine gemeins<strong>am</strong>e Lösung für das Problem<br />
anstreben, wobei es keinen „Gewinner“ und keinen „Verlierer“ gibt, sondern die<br />
Beteiligten in der Pflicht sind, aktiv an einer Lösung mitzuarbeiten.<br />
Anschließend s<strong>am</strong>meln Sie von beide Parteien Vorschläge für mögliche Lösungen. Die<br />
Vorschläge werden nicht diskutiert, sondern nur ges<strong>am</strong>melt (Brainstorming). Dabei<br />
können auch phantasievolle Vorschläge gemacht werden.<br />
Nun suchen Sie gemeins<strong>am</strong> nach Lösungswegen. Diese heißt u.U., dass beide Seiten<br />
Kompromisse eingehen. Sie erhalten die Möglichkeit, Einwände gegen einen<br />
Lösungsvorschlag auszudiskutieren.<br />
D<strong>am</strong>it grenzen Sie die Vorschläge auf die beste Lösung ein.<br />
60
Ist eine Lösung gefunden, werden konkrete Schritte zur praktischen Umsetzung<br />
festgelegt und auf beide Parteien verteilt, so dass sie gleichermaßen daran beteiligt<br />
sind.<br />
Diese Vereinbarung halten Sie schriftlich fest und vereinbaren mit den Beteiligten<br />
einen Termin für eine Nachbesprechung, um zu prüfen, ob der Konflikt dadurch<br />
beigelegt werden konnte.<br />
Wichtig für die Konfliktlösung ist, dass Sie eine Legitimation haben.<br />
Liegt keine Betriebs- oder Dienstvereinbarung vor, nach der sich die Beteiligten<br />
vertraglich verpflichtet haben, bei Konflikten an einem Schlichtungsverfahren<br />
teilzunehmen, sollten Sie sich das Mandat von den beteiligten Parteien einholen. 77<br />
Dies ist umso wichtiger, wenn der Konflikt sich auf verschiedenen Hierarchieebenen,<br />
zwischen Untergebenen und Vorgesetzten, abspielt.<br />
Wird die Legitimation nicht erteilt, sollte der nächsthöhere Vorgesetzte angerufen<br />
werden.<br />
Lässt sich ein Konflikt nicht einvernehmlich lösen, besteht je nach Ausgestaltung des<br />
Schlichtungsverfahrens in der Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Möglichkeit, die<br />
Geschäftsleitung abschließend eine Entscheidung fällen zu lassen oder einen<br />
externen Konfliktberater einzuschalten.<br />
Auch diese Maßnahmen sollten auf ihre Wirks<strong>am</strong>keit hin überprüft werden, denn<br />
wurde der Konflikt nicht beigelegt und schwelt weiter vor sich hin, könnte sich ein<br />
<strong>Mobbing</strong>prozess daraus entwickeln. Haben alle Maßnahmen zur Konfliktbearbeitung<br />
nicht genutzt, müssen in letzter Konsequenz arbeitsrechtliche Maßnahmen bei<br />
weiteren Verstößen eingeleitet werden.<br />
77<br />
vgl. Leymann, “<strong>Mobbing</strong>”, 1993, S. 152f.<br />
61
10.2.5 Die <strong>Mobbing</strong>intervention<br />
Liegt Ihrer Ansicht nach ein <strong>Mobbing</strong>prozess zugrunde, sollten Sie nach<br />
dem Erstgespräch, der Situationsanalyse und Einleitung der „1. Hilfe-<br />
Maßnahmen“ prüfen, ob die Beteiligten zu einer einvernehmlichen<br />
Konfliktlösung bereit sind. Ist das der Fall, kann eine Konfliktbearbeitung (s.o.)<br />
angegangen werden.<br />
Ist eine einvernehmliche Lösung nicht zu erwarten oder wurden bereits<br />
arbeitsrechtliche Schritte gegen das Opfer eingeleitet, sollte unverzüglich eine<br />
Kommission einberufen werden.<br />
In Literatur und div. Betriebs- oder Dienstvereinbarungen gibt es verschiedene<br />
Bezeichnungen für die Kommission.<br />
Sie sollte aus dem Ansprechpartner als Vorsitzenden, aus je einem Vertreter der<br />
Arbeitgeberseite und der Arbeitnehmerseite (Betriebs-/Personalrat) bestehen.<br />
Dort werden die beteiligten Personen und die Erkenntnisse des Ansprechpartners<br />
gehört.<br />
Die Kommission beurteilt den Sachverhalt, unterbreitet einen Lösungsvorschlag und<br />
zeigt die Konsequenzen weiteren Fehlverhaltens auf.<br />
Sanktionen können bei Bedarf verhängt werden, d.h. je nach Schwere des<br />
Fehlverhaltens sofort oder aber nach erfolglosen Lösungsversuchen.<br />
Die Sitzungen der Kommission sollten limitiert sein, d<strong>am</strong>it verbindlich eine<br />
Lösung gefunden wird, d.h. führen bspw. drei Sitzungen mit den Beteiligten nicht zur<br />
Einstellung der <strong>Mobbing</strong>handlungen, kommen nur noch Sanktionen in Betracht. Die<br />
Abstände der Treffen sollten ebenfalls festgeschrieben werden und bei max. 4<br />
Wochen liegen.<br />
Sanktionen können Abmahnungen, Versetzungen und notfalls verhaltensbedingte<br />
fristgemäße oder fristlose Kündigungen sein.<br />
Der Betriebsrat ist durch seinen Vertreter in der Kommission ständig informiert und<br />
an den Entscheidungen beteiligt.<br />
Die Kommission kann selbstverständlich auch einen externen Konfliktberater<br />
hinzuziehen.<br />
62
Leitsatz der angestrebten Lösung sollte „Einsicht vor Sanktion“ sein, da die<br />
Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Verhaltensänderung durch Einsicht höher ist als<br />
durch Sanktionen.<br />
Sanktionen allein können für den Mobber Gesichtsverlust bedeuten und ihn in seiner<br />
negativen Einstellung gegenüber dem Opfer bestärken.<br />
Eine Konflikt- oder <strong>Mobbing</strong>bearbeitung kann u.U. nur kurz- bis mittelfristig wirken.<br />
Wie bereits geschildert, können auch andere Personen, ggfs. später als neues Opfer<br />
auserkoren werden.<br />
Daher empfehlen wir, parallel zur beschriebenen Bearbeitung präventive Maßnahmen<br />
einzuleiten. So sollte spätestens jetzt mit der in Kapitel 10.1.2 und 10.1.4 genannten<br />
Schulung von Führungskräften und Beschäftigten begonnen<br />
und diese langfristig angeboten werden.<br />
Dabei dürfen Sachverhaltsschilderungen keine N<strong>am</strong>en oder Fakten beinhalten, von<br />
denen man auf die beteiligten Personen schließen könnte.<br />
Dies würde den geschilderten Gesichtsverlust und letztends „Gegenmobbing“<br />
bedeuten.<br />
10.3 Vorgehensweise bei unbekannten Tätern<br />
Erstaunlicherweise konnte nichts zu unbekannten Tätern aus dem Arbeitsumfeld<br />
gefunden werden.<br />
<strong>Mobbing</strong> bedeutet nicht unbedingt, dass der Täter entlarvt wird.<br />
Es kann auch vorkommen, dass<br />
- Beschäftigte wiederholt beleidigende Nachrichten auf dem Schreibtisch<br />
vorfinden<br />
- private Sachen aus dem Büro entwendet werden<br />
- wichtige Unterlagen aus dem Büro verschwinden<br />
- der PC manipuliert wird<br />
- der PKW auf dem Firmenparkplatz beschädigt wird<br />
- zusätzlich des Nachts Telefonterror betrieben wird, etc.<br />
63
Wie schon eingangs geschildert – der Kreativität eines Täters sind keine Grenzen<br />
gesetzt.<br />
Die Auswirkungen sind die gleichen wie bei <strong>Mobbing</strong>handlungen, bei denen der Täter<br />
ausgemacht wurde.<br />
Zudem sind in den hier genannten Fällen Misstrauen gegen alle Kolleginnen und<br />
Kollegen, bis zu Verfolgungsängsten denkbar.<br />
Da der Täter nicht bekannt ist, kann eine klassische Intervention nicht stattfinden. Es<br />
können trotzdem Grenzen aufgezeigt werden.<br />
So kann ein „offener Brief“ durch die Geschäftsleitung und den Betriebsrat gefertigt<br />
und ausgehängt werden, der die Vorgänge (ohne N<strong>am</strong>ensnennung) beschreibt, die<br />
Handlungen verurteilt und die zu erwartenden Sanktionen nennt. Dies stellt einen<br />
wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung und Missbilligung in der Belegschaft dar und<br />
zeigt dem Täter, dass er sich nicht auf ein Wegsehen der Masse verlassen kann.<br />
So schickte Alex Trotman von Ford Motor Company 1997 ein Schreiben an alle<br />
Beschäftigten weltweit, in dem die Unternehmensethik geschildert und die Einhaltung<br />
des Verhaltenscodex eingefordert wurde. 78<br />
Darüber hinaus können die schon erwähnten Weiterbildungsmaßnahmen eingeleitet<br />
werden, um auch den Beschäftigten den Raum und die Zeit für eine Diskussion und<br />
Meinungsbildung zu geben.<br />
Führen diese Maßnahmen nicht zur Beendigung der Übergriffe, bestehen<br />
untersuchungs- bzw. überwachungstechnische Möglichkeiten zur Ermittlung eines<br />
Täters, auf die wir hier im Einzelnen jedoch nicht eingehen.<br />
78<br />
vgl. Anlage 14.6<br />
64
11 Schlusswort<br />
Im Februar 2002 stellte Landesarbeitsminister Harald Schartau das Projekt<br />
„Gemeinschaftsinitiative Gesünder Arbeiten e.V. (GiGA)“ vor.<br />
Dabei handelt es sich um ein Netzwerk, in dem sich u.a. die Landesregierung,<br />
Unternehmen, kirchliche Beratungsstellen und Krankenkassen zus<strong>am</strong>men geschlossen<br />
haben, um ein modernes Verständnis von Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />
verstärkt in der Öffentlichkeit zu verankern und in Betrieben umzusetzen. Die<br />
K<strong>am</strong>pagne ist auf drei Jahre angelegt und wird mit Plakaten, Veranstaltungen,<br />
Broschüren, Artikeln und Radiospots öffentlichkeitswirks<strong>am</strong> begleitet. Unter einer<br />
zentralen Hotline, Nummer 0180-3100113, können auch <strong>Mobbing</strong>opfer Experten um<br />
Rat befragen. 79<br />
Da sich insbesondere Personen ohne fundierte Ausbildung aus wirtschaftlichen<br />
Interessen dieser Thematik widmen und sich als „Berater“ anbieten, sollte darauf<br />
geachtet werden, dass möglichst offizielle Ansprechpartner empfohlen werden, die<br />
auch im Kontakt mit entsprechend geschulten Therapeuten und Medizinern stehen.<br />
Die Bundesregierung wird die EU-Richtlinien "zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes<br />
ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft" und<br />
"zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der<br />
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf" durch ein zivilrechtliches und ein<br />
arbeitsrechtliches Antidiskriminierungsgesetz in deutsches Recht umsetzen.“ 80<br />
Die Umsetzung dieses Gesetzes ist verbindlich vorgeschrieben, d.h. ab der<br />
vorgeschriebenen Umsetzungsfrist in nationales Recht hat ein Betroffener/eine<br />
Betroffene die Möglichkeit, bei der Europäischen Kommission Beschwerde<br />
einzureichen, die sich allerdings gegen die deutsche Regierung richten muss<br />
(unterlassene Umsetzung) und zum Ziel ggfs. eine Einzelfallregelung durch deutsche<br />
Gerichte nach sich ziehen kann.<br />
Durch dieses Gesetz soll auch die Verbandsklage ermöglicht werden, d.h. Vereine<br />
und Verbände sollen die Möglichkeit erhalten, stellvertretend für ihre Mitglieder<br />
Rechte einklagen zu können, was <strong>Mobbing</strong>betroffenen ebenfalls zugute kommen<br />
79<br />
vgl. , Stand 19.02.2002<br />
80<br />
, Stand 14.03.2002<br />
65
dürfte, die selbst oftmals keine Kraft mehr für zivil- oder arbeitsrechtliche Prozesse<br />
haben.<br />
Die „GIGA“- K<strong>am</strong>pagne könnte sich zu einem großen Netzwerk entwickeln, deren<br />
Mitglieder sich bestimmter Standards zum Gesundheits- und Arbeitsschutz<br />
verpflichten. Dies ist u.E. ebenfalls ein richtiger Schritt und zukunftsweisend für das<br />
Arbeitsverhältnis in Wirtschaft und Verwaltung.<br />
Darüber hinaus kann jede/r Einzelne durch ihr/sein persönliches Engagement, durch<br />
Position beziehen, Zivilcourage zeigen und wertschätzenden Umgang verhindern,<br />
dass <strong>Mobbing</strong> entsteht!<br />
66
12 Abkürzungsverzeichnis<br />
Abs.<br />
Absatz<br />
Art.<br />
Artikel<br />
Az.<br />
Aktenzeichen<br />
BAG<br />
Bundesarbeitsgericht<br />
bes.<br />
besonders<br />
BetrVG<br />
Betriebsverfassungsgesetz<br />
BGB<br />
Bürgerliches Gesetzbuch<br />
BPersVG<br />
Bundespersonalvertretungsgesetz<br />
bspw.<br />
beispielsweise<br />
bzw.<br />
beziehungsweise<br />
ca.<br />
circa<br />
DAG<br />
Deutsche Angestelltengewerkschaft<br />
DGB<br />
Deutscher Gewerkschaftsbund<br />
d.h.<br />
das heißt<br />
div.<br />
diverse<br />
DM<br />
Deutsche Mark<br />
dt.<br />
deutsch(e/s)<br />
etc.<br />
et cetera<br />
EUR/€<br />
Euro<br />
Evtl.<br />
eventuell<br />
f. folgend(e)<br />
ggfs.<br />
gegebenenfalls<br />
gem.<br />
gemäß<br />
GG<br />
Grundgesetz<br />
Hrsg.<br />
Herausgeber<br />
i.V.m.<br />
in Verbindung mit<br />
J. Jahre<br />
KDA<br />
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt<br />
Kfm.<br />
Kaufmännisch(e)<br />
KSchG<br />
Kündigungsschutzgesetz<br />
LAG<br />
Landesarbeitsgericht<br />
MuSchG<br />
Mutterschaftsschutzgesetz<br />
Nr.<br />
Nummer<br />
o.g.<br />
oben genannte<br />
s.S.<br />
siehe Seite<br />
sog.<br />
sogenannte<br />
StGB<br />
Strafgesetzbuch<br />
u.a.<br />
unter anderem<br />
u.E.<br />
unseres Erachtens<br />
usw.<br />
und so weiter<br />
u.U.<br />
unter Umständen<br />
vgl.<br />
vergleiche<br />
WDR<br />
Westdeutscher Rundfunk<br />
z.B.<br />
zum Beispiel<br />
ZPO<br />
Zivilprozessordnung<br />
67
13 Literaturverzeichnis<br />
Andersson<br />
Europäisches Parl<strong>am</strong>ent. Bericht über <strong>Mobbing</strong> <strong>am</strong><br />
<strong>Arbeitsplatz</strong> (2001/2339(INI)), Brüssel, 2001<br />
Anger/Bracey/Christ/ Handlungsfeld Personalwirtschaft, Köln, 1996<br />
Müller<br />
Beck- Texte - Arbeitsgesetze, 57. Auflage, Beck, Nördlingen, 2000<br />
- Bürgerliches Gesetzbuch, 45. Auflage, Beck,<br />
Nördlingen, 2000<br />
- Strafgesetzbuch, 32. Auflage, Beck, Nördlingen,<br />
1998<br />
DAG<br />
Esser/Wolmerath<br />
Grund/Jahn/Dick/Möckel, Leymann in <strong>Mobbing</strong>:<br />
Psychoterror <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong>, 5. Auflage,<br />
H<strong>am</strong>burg, 1999<br />
<strong>Mobbing</strong>. Der Ratgeber für Betroffene und ihre<br />
Interessenvertretungen, 4. Auflage, Frankfurt/Main,<br />
2001<br />
Kistner IG Metall. <strong>Mobbing</strong>, 3. Auflage, Frankfurt/Main, 1999<br />
Kratz<br />
Leymann<br />
<strong>Mobbing</strong>. Erkennen. Ansprechen. Vorbeugen,<br />
2. Auflage Wien, 2000<br />
<strong>Mobbing</strong>. Psychoterror <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> und wie man sich<br />
dagegen wehren kann; Reinbek, 1993<br />
Leymann (Hrsg.) Der neue <strong>Mobbing</strong>bericht, Reinbek, 1995,<br />
(zitiert: Leymann 1995)<br />
Meschkutat/Stackelbeck/ Der <strong>Mobbing</strong>report. Repräsentativstudie für die<br />
Langenhoff Bundesrepublik Deutschland, Wirtschaftsverlag NW, 2002<br />
Zeitschrift Deutsches Ärzteblatt 98, Heft 27 vom 06.07.2001,<br />
Zeitschrift Der Personalrat, Heft 12/2001 und 02/2002<br />
68
Online:<br />
http://private.addcom.de/<strong>Mobbing</strong>/, Stand 16.01.2002<br />
http://www.magwien.gv.at/queerwien/diskr.htm, Stand 16.01.2002<br />
http://www.netzzeitung.de/servlets/page?section=784&item=145334, Stand<br />
16.01.2002<br />
http://www.netzzeitung.de/servlets/page?section=784&item=138724<br />
Stand 16.01.2002<br />
http://www.praxis11.de/infoserv/lag_thueringen.htm, Stand 01.02.2002<br />
http://www.praxis11.de/infoserv/, Stand 01.02.2002<br />
http://www.baua.de/term/dd10_02.htm, Stand 16.02.2002<br />
http://www.dgb.de/themen/mobbing_einfuehr.htm, Stand 29.09.2001<br />
http://www.sfs-dortmund.de/Forschung/P9006750/body_p9006750.html, Stand<br />
16.01.2002<br />
http://www.mobbing-net.de/, Stand 29.09.2001<br />
http://www.bullybusters.org/home/twd/bb/res.html, Stand 10.02.2002<br />
http://www.gesuender-arbeiten.de/g7fr<strong>am</strong>eset.html, Stand 19.02.2002<br />
http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2001/2001_220/01.html, Stand 14.03.2002<br />
http://www.cdu.de/politik-a-z/recht/kape4.htm, Stand 14.03.2002<br />
http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm2002/p0010031.htm,<br />
Stand 19.02.2002<br />
http://www.unics.uni-hannover.de/meyer-heithuis/angginfo_03_97.htm,<br />
Stand 29.09.2001<br />
http://www.sfs-dortmund.de/Forschung/<strong>Mobbing</strong>befragung/mobbingbefragung.html,<br />
Stand 14.03.2002<br />
69
14 Anlagen<br />
14.1 Katalog der 100+… <strong>Mobbing</strong>handlungen 81<br />
A) Angriffe gegen die Arbeitsleistung und das Leistungsvermögen<br />
-„Sabotage: Beschädigung, Diebstahl, Manipulation von Arbeitsmitteln<br />
- „Unterschlagung“ von Arbeitsergebnissen (z. B. Unterlagen, Dateien sind „weg“)<br />
- Manipulation von Arbeitsergebnissen (z. B. gezielt Fehler einfügen)<br />
- Erzeugen von Störungen (z. B. unsinnige Telefonate, Unterbrechungen)<br />
- Vorenthalten und/oder Fälschen von arbeitsrelevanten Informationen<br />
- Gezielte Unterdrückung von Informationen über Besprechungen, (End-)Terminen<br />
- Anordnung von sinnlosen Tätigkeiten (z. B. ausgemusterte Ordner sortieren)<br />
- Anordnung, keine Tätigkeit während der Arbeitszeit auszuüben<br />
- Anordnung von systematisch überfordernden Tätigkeiten<br />
- Zuweisung von Arbeiten, die der Betroffene nicht mag oder die ihm nicht „liegen“<br />
- Zuweisung von objektiv zu viel Arbeit („Zuschütten“)<br />
- Willkürlich auf liegengebliebener Arbeit (z. B. wegen Urlaub, Betriebsratstätigkeit)<br />
sitzen lassen<br />
- Ungünstige Lage des <strong>Arbeitsplatz</strong>es (z. B. laut, Störungen, ungeschützt, exponiert)<br />
- Anordnung von systematisch unterfordernden Tätigkeiten<br />
- Anordnungen so gestalten, dass unvermeidlich Fehler gemacht werden<br />
- Manipulierte Arbeitszuweisung (z. B. nur unbeliebteste, schlechteste, schmutzigste)<br />
- Kappen üblicher Informationskanäle (z. B. kein Telefon, kein Fax, keine E-Mail)<br />
- Blockade von gemeins<strong>am</strong>er Tätigkeit („Mit dem nicht!“)<br />
- Verweigerung von Hilfe, Unterstützung, Rat (obwohl es möglich wäre)<br />
- Überraschendes Zurückziehen von verbindlich zugesagter Unterstützung<br />
- Geistiger Diebstahl, Aneignung von Arbeitsergebnissen<br />
- Beschneidung der Zuständigkeit (z. B. fachlich unberechtigt, willkürlich)<br />
- Dienst nach Vorschrift (z. B. gezieltes Nicht-Mitdenken, gezielte Unflexibilität)<br />
- Entscheidungen oder Kompetenzen werden permanent angezweifelt<br />
81<br />
Esser/Wolmerath, „<strong>Mobbing</strong>. Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung”,<br />
2001, S.26f.<br />
70
- Anweisungen werden (offen oder verdeckt) nicht ausgeführt oder sabotiert<br />
- Anweisungen werden wortwörtlich ausgeführt (offensichtliche Fehler einbezogen)<br />
- Willkürlich erzeugter Zeitdruck<br />
- Überraschungsangriffe (z. B. plötzliche Änderungen der Arbeitsaufträge, Termine)<br />
- Ständige Entmutigung<br />
B) Angriffe gegen den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses<br />
- Behaupten von Fehlverhalten (z. B. Urlaubszettel „verschwindet“)<br />
- Fehler und negative Vorfälle werden Betroffenem in die Schuhe geschoben<br />
- Willkürliche Abmahnungen (d. h. die Gründe werden an den Haaren<br />
herbeigezogen)<br />
- Willkürliche Umsetzung und/oder Versetzung (sowie Versuche dazu)<br />
- Willkürliche Kündigung(en) (d. h. die Gründe werden „an den Haaren“<br />
herbeigezogen)<br />
- Manipulation der Arbeitszeiterfassung<br />
- Strafbare Handlungen werden unterstellt (z. B. Diebesgut wird untergeschoben)<br />
- Berufliche Qualifikation wird ständig in Frage gestellt<br />
- Willkürliches Zurückhalten des Entgelts (z. B. Urlaubsgeld, Spesen)<br />
- Absichtlich schlechte berufliche Beurteilung; Behauptung von Schlechtleistungen<br />
- Betrieblich übliche Beförderungen, angestrebte Position werden blockiert<br />
- Fort- und Weiterbildungsvorhaben werden gezielt behindert<br />
C) Destruktive Kritik<br />
- Demütigende, unsachliche, überzogene, gnadenlose Kritik<br />
- Aufbauschen einzelner Vorfälle oder Fehler („Maus zum Elefanten machen“)<br />
- Generalisierung von Fehlern; pauschale Kritik (z. B.: „Sie machen alles falsch!“)<br />
- Kritik von Fehlern, die durch Anweisungen des Mobbers provoziert wurden<br />
- Ständige (harsche) Kritik<br />
- Unterdrückung von Verbesserungsvorschlägen und –bemühungen<br />
- Ständige Entmutigung; Ausbremsen der Motivation (z. B.: „Das schaffen Sie nie!“)<br />
71
D) Angriffe gegen die soziale Integration <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong><br />
- Räumliche Isolation (z. B. abgelegener <strong>Arbeitsplatz</strong>)<br />
- Unterdrückung von Meinungsäußerungen des Betroffenen (z. B. „Mund verbieten“)<br />
- Gespräche hinter dem Rücken (z. B. Tuscheln, Tratschen, Gerüchte verbreiten)<br />
- Anspielungen, zweideutige Bemerkungen<br />
- Engagement des Betroffenen wird als getarnter Egoismus diff<strong>am</strong>iert<br />
- Mögliche Bündnispartner, Freunde des Betroffenen werden versetzt<br />
- Mögliche Bündnispartner, Freunde des Betroffenen werden eingeschüchtert<br />
- Ausschließen aus der Alltagskommunikation („Wie Luft behandeln“)<br />
- Ausschließen aus informellen/geselligen Treffen („Tür-Zu-Methode“)<br />
- Ausschließen aus üblichen gegenseitigen Freundlichkeiten im Kollegenkreis<br />
(z. B. Brötchen oder Süßigkeiten mitbringen, Kaffee kochen, Blumen gießen)<br />
- Demonstratives Schweigen im Beisein des Betroffenen<br />
- Ignorieren von Fragen, Gesprächswünschen, Hilfeersuchen, Kooperationsangeboten<br />
- Demonstrativ aus dem Weg gehen, nicht an einem Tisch sitzen, in einem Raum<br />
sein<br />
E) Angriffe gegen das soziale Ansehen im Beruf<br />
- Gezielte Verleumdung, Rufmord in der betrieblichen Öffentlichkeit<br />
- Gerüchte verbreiten oder gezielt weiterleiten<br />
- Dem Betroffenen wider besseren Wissens Böswilligkeit/Fahrlässigkeit unterstellen<br />
- Provokation, um die emotionale Reaktion des <strong>Mobbing</strong>betroffenen auszuschlachten<br />
- Beleidigung und Demütigung im Beisein Dritter<br />
- Verraten von persönlichen Informationen („Geheimnisse“ an Dritte)<br />
- Lächerlich machen (z. B. verbal, mit Mimik, mit Gestik, durch Karikatur)<br />
- In der betrieblichen Öffentlichkeit unglaubwürdig machen, bl<strong>am</strong>ieren, bloßstellen<br />
- Gezielte negative Sonderbehandlung („nur der <strong>Mobbing</strong>betroffene wird so<br />
behandelt“)<br />
- Demonstrative scheinbar positive Sonderbehandlung (z. B. „Totloben“)<br />
- Psychische Erkrankung wird unterstellt<br />
72
- Beschwerden durch Dritte werden erfunden (z. B. gefälschte Briefe, Anrufe,<br />
E-Mails)<br />
- Fingierte Schreiben des oder an den Betroffenen werden öffentlich gemacht<br />
F) Angriffe gegen das Selbstwertgefühl<br />
- Demütigung, Erniedrigung, Bl<strong>am</strong>age, Häme, Abwertung (verbal und/oder<br />
nonverbal)<br />
- Unterdrückung durch verbale Dominanz (z. B. Anschreien)<br />
- Ruppige Redeweise mit dem Betroffenen<br />
- Menschliche Qualifikation („Charakter“) wird bestritten<br />
- Unterstellung böser Absichten, Dummheit, Unehrenhaftigkeit etc.<br />
- Verunsicherung, Kränkung, Beleidigung, Schmähung<br />
- Gezieltes Attackieren und Ausnutzen von persönlichen Unsicherheiten<br />
- Persönliche Schwächen werden publik gemacht<br />
- Aufbauschen von Fehlern und Unzulänglichkeiten („Herumreiten“)<br />
- Gezielte Ungleichbehandlung (z. B. negative Sonderrolle, Ungerechtigkeiten)<br />
- Dauerkontrolle, übertriebene Kontrolle, berufliche Entmündigung<br />
G) Angst, Schreck und Ekel erzeugen<br />
- Angst und Schrecken erzeugen (z. B. Einsperren des Betroffenen, Spinnen in den<br />
Schreibtisch legen, tote Tiere im Büro ablegen, elektrischen Kurzschluss<br />
herbeiführen)<br />
- Ekel erzeugen (z. B. Stinkbomben sowie verdorbene Lebensmittel werden im Büro<br />
versteckt)<br />
- Einschüchtern, Bedrohen, Nötigen (z. B. Drohen mit dem <strong>Arbeitsplatz</strong>verlust,<br />
Körperliche Gewaltandrohung)<br />
- Anordnung, zum Arzt zu gehen, um die psychische Gesundheit prüfen zu lassen<br />
73
H) Angriffe gegen die Privatsphäre<br />
- (Nächtlicher) Telefonterror<br />
- Anrufe oder Besuche zur Kontrolle<br />
- Bedrängende Aufforderungen, aus dem Urlaub und/oder aus der krankheitsbedingten<br />
Arbeitsunfähigkeit zurück zu kommen<br />
- Schlechtmachen des Betroffenen bei F<strong>am</strong>ilienangehörigen, Freunden etc.<br />
- F<strong>am</strong>ilienangehörige ängstigen, angreifen, belästigen<br />
- Sachbeschädigung an privaten oder beruflich genutzten Gegenständen<br />
- Zuweisung schlechter Urlaubstermine<br />
- Kurzfristige Zurücknahme zugesagten Urlaubs oder Freizeitausgleichs<br />
- Unterschlagung von Anträgen (z. B. wegen Urlaub, Bildung)<br />
- Ständiges Abwerten privater Vorlieben, Interessen und Tätigkeiten<br />
- Ständiges Abwerten religiöser, politischer, weltanschaulicher Überzeugungen<br />
I) Angriffe gegen die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit<br />
- Offene körperliche Übergriffe, Gewaltanwendung<br />
- Als Zufall oder Missgeschick getarnte Verletzungen beifügen<br />
- Gezielte Anordnung von gesundheitsschädlichen Tätigkeiten<br />
- Sabotage von Sicherheitsmaßnahmen; Verschwinden lassen von Schutzmitteln<br />
- Sexuelle Belästigung<br />
- Heimliche Verabreichung von Medik<strong>am</strong>enten und/oder Suchtmitteln<br />
(z. B. Alkohol bei einem abstinenten Alkoholiker)<br />
- Ungenießbarmachung oder Verunreinigung von Lebensmitteln<br />
- Herbeiführen von gesundheitlichen Beeinträchtigungen (z. B. Zugluft, Kälte, Hitze,<br />
Lautstärke, Vibration, Tabakqualm, Sprays, Stinkbomben)<br />
- Ausnutzen von gesundheitlichen Handikaps und Krankheiten gegen Betroffene<br />
- Betroffenen zum Suizid auffordern<br />
74
K) Versagen von Hilfe<br />
- Ignorieren von <strong>Mobbing</strong>situation (z. B. Wegschauen, Weggehen)<br />
- Verharmlosen, Lächerlichmachen von Beschwerden<br />
- Vorwürfe, Schuldzuweisung gegenüber dem Betroffenen<br />
- Dulden von <strong>Mobbing</strong>vorgängen<br />
- Unterlassene Hilfeleistung“<br />
14.2 Leitsätze des LAG Thüringen 82<br />
„Die 5. K<strong>am</strong>mer des LAG Thüringen hat unter dem AZ: 5 SA 403/00 <strong>am</strong> 10.04.2001<br />
u.a. 6 Leitsätze aufgestellt, die nachfolgend aufgeführt werden.<br />
Zugrunde liegender Sachverhalt:<br />
Beschäftigungsanspruch während der Kündigungsfrist einer Änderungskündigung.<br />
Vorwegnahme der Rechtswirkungen einer (rechtswidrigen) Änderungskündigung<br />
durch eine in den Lauf der Kündigungsfrist fallende (rechtswidrige) Versetzung auf<br />
einen 6 Gehaltsstufen niedriger bewerteten <strong>Arbeitsplatz</strong>.<br />
Grundsatz des fairen Verfahrens beim „<strong>Mobbing</strong>- Rechtsstreit“<br />
Leitsätze:<br />
1 . Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei ihm<br />
beschäftigten Arbeitnehmer nicht selbst durch Eingriffe in deren Persönlichkeit, oder<br />
Freiheitssphäre zu verletzen, diese vor Belästigungen durch Mitarbeiter oder Dritte,<br />
auf die er einen Einfluss hat, zu schützen, einen menschengerechten <strong>Arbeitsplatz</strong> zur<br />
Verfügung zu stellen und die Arbeitnehmerpersönlichkeit zu fördern.<br />
Zur Einhaltung dieser Pflichten kann der Arbeitgeber als Störer nicht nur dann in<br />
Anspruch genommen werden, wenn er selbst den Eingriff begeht oder steuert,<br />
sondern auch dann, wenn er es unterlässt, Maßnahmen zu ergreifen oder seinen<br />
82<br />
, Stand 01.02.2002<br />
75
Betrieb so zu organisieren, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />
ausgeschlossen wird.<br />
2. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des<br />
Arbeitnehmers kann nicht nur im Totalentzug der Beschäftigung, sondern auch in<br />
einer nicht arbeitsvertragsgemäßen Beschäftigung liegen. Eine solche<br />
Rechtsverletzung liegt vor, wenn der Totalentzug oder die Zuweisung einer<br />
bestimmten Beschäftigung nicht bloß den Reflex einer rechtlich erlaubten<br />
Vorgehensweise darstellt, sondern diese Maßnahmen zielgerichtet als Mittel der<br />
Zermürbung eines Arbeitnehmers eingesetzt werden, um diesen selbst zur Aufgabe<br />
seines <strong>Arbeitsplatz</strong>es zu bringen.<br />
3. Aus dem Umstand, dass bloß für einen vorübergehenden Zeitraum in das<br />
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen wird oder dem<br />
Arbeitnehmer dadurch keine finanziellen Nachteile entstehen, kann kein diesen<br />
Eingriff rechtfertigendes, überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers<br />
hergeleitet werden.<br />
4. Bei dem Begriff "<strong>Mobbing</strong>" handelt es sich nicht um einen eigenständigen<br />
juristischen Tatbestand. Die rechtliche Einordnung der unter diesen Begriff<br />
zus<strong>am</strong>menzufassenden Verhaltensweisen beurteilt sich ausschließlich danach, ob<br />
diese die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsvorschrift erfüllen, aus<br />
welcher sich die gewünschte Rechtsfolge herleiten lässt.<br />
Die juristische Bedeutung der durch den Begriff "<strong>Mobbing</strong>"<br />
gekennzeichneten Sachverhalte besteht darin, der Rechtsanwendung<br />
Verhaltensweisen zugänglich zu machen, die bei isolierter Betrachtung der einzelnen<br />
Handlungen die tatbestandlichen Voraussetzungen von<br />
Anspruchs- Gestaltungs- und Abwehrrechten nicht oder nicht in einem der Tragweite<br />
des Falles angemessenen Umfang erfüllen können.<br />
5. Ob ein Fall von "<strong>Mobbing</strong>" vorliegt, hängt von den Umständen des<br />
Einzelfalles ab. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem im gesellschaftlichen<br />
76
Umgang im allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb<br />
hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Im arbeitsrechtlichen Verständnis erfasst der<br />
Begriff des "<strong>Mobbing</strong>" fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander<br />
übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende<br />
Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von<br />
der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer<br />
Ges<strong>am</strong>theit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte<br />
Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Ein vorgefasster<br />
Plan ist nicht erforderlich.<br />
Eine Fortsetzung des Verhaltens unter schlichter Ausnutzung der Gelegenheiten ist<br />
ausreichend.<br />
Zur rechtlich zutreffenden Einordnung kann dem Vorliegen von falltypischen<br />
Indiztatsachen (mobbingtypische Motivation des Täters, mobbingtypischer<br />
Geschehensablauf, mobbingtypische Veränderung des Gesundheitszustands des<br />
Opfers) eine ausschlaggebende Rolle zukommen, wenn eine Konnexität zu den von<br />
dem Betroffenen vorgebrachten <strong>Mobbing</strong>handlungen besteht.<br />
Ein wechselseitiger Eskalationsprozess, der keine klare Täter-Opfer-Beziehung<br />
zulässt, steht regelmäßig der Annahme eines <strong>Mobbing</strong>sachverhaltes entgegen.<br />
6. Die vielfach dadurch entstehende Beweisnot des Betroffenen, dass dieser allein<br />
und ohne Zeugen Verhaltensweisen ausgesetzt ist, die in die Kategorie <strong>Mobbing</strong><br />
einzustufen sind, ist durch eine Art 6 Abs. 1 der Europäischen<br />
Menschenrechtskonvention (EMRK) und d<strong>am</strong>it den Grundsätzen eines fairen und auf<br />
Waffengleichheit achtenden Verfahrens entsprechende Anwendung der §§ 286, 448,<br />
141 Abs. 1 Satz 1 ZPO auszugleichen. Dabei muss die im Zweifel erforderliche<br />
Anhörung einer Partei bei der gerichtlichen Überzeugungsbildung berücksichtigt<br />
werden.“<br />
83<br />
, eingestellt 14.02.2002; Stand 05.03.2002<br />
77
14.3 Urteile 83<br />
14.3.1 Beweiswert eines ärztlichen Beschäftigungsverbots<br />
Pressemitteilung Nr. 19/01<br />
Inhalt:<br />
BAG, Urteil vom 21. März 2001 - 5 AZR 352/99 -<br />
LAG Düsseldorf, Urteil vom 1. April 1999 - 5 Sa 1598/98 -<br />
„Die Beklagte betreibt eine Spedition. Die Klägerin ist bei ihr als<br />
Sachbearbeiterin im Bereich Export/Import beschäftigt. Im Jahre 1997 wurde<br />
die Klägerin schwanger. Dies teilte sie der Beklagten im Oktober 1997 mit<br />
und nannte als voraussichtlichen Entbindungstermin den 8. Juni 1998. Vom<br />
7. Januar bis Anfang Februar 1998 war die Klägerin nach Maßgabe einer<br />
ärztlichen Bescheinigung arbeitsunfähig. Im Anschluss daran legte sie der<br />
Beklagten ein ärztliches Attest vom 4. Februar 1998 vor, in welchem erklärt<br />
wurde, für sie gelte ein unbefristetes Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1<br />
MuSchG. Durch eine Rückfrage bei den ausstellenden Ärzten erhielt die<br />
Beklagte die Auskunft, die Klägerin habe über Probleme mit Vorgesetzen und<br />
Arbeitskollegen geklagt. Die Beklagte hielt dies für vorgeschoben und stellte<br />
die Gehaltszahlungen ein. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Vergütung bis<br />
zum Beginn der Mutterschutzfrist. Sie hat behauptet, im Betrieb sei sie<br />
"<strong>Mobbing</strong>" und "Psychoterror" ausgesetzt. Das Arbeitsgericht hat<br />
der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht die Klage nach<br />
Beweisaufnahme abgewiesen.<br />
Die Revision der Klägerin hat zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur<br />
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht geführt.<br />
Dieses ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Beweislast für das<br />
Bestehen eines Beschäftigungsverbots im Rahmen von Ansprüchen nach §<br />
78
11 Abs. 1 MuSchG bei der Arbeitnehmerin liegt. Es hat jedoch das Ergebnis<br />
der Beweisaufnahme nicht vollständig gewürdigt. Es hat nicht geprüft, ob auf<br />
Grund einer psychisch verursachten Ausnahmesituation<br />
eine Gefahrenlage für Mutter oder Kind bestand, und hat diesen<br />
Aspekt im Vorbringen der Klägerin und in den Aussagen der Ärzte<br />
nicht berücksichtigt.<br />
Hervorhebungen durch uns.“<br />
14.3.2 Schmerzensgeld wegen Persönlichkeitsverletzung (Auszug):<br />
Presseerklärung vom 27.09.2001<br />
LAG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 16.08.2001, Aktenzeichen: 6 Sa 415/01<br />
„Der Kläger, der bis zur Fusion der Raiffeisenbank G. mit der Volksbank G. im<br />
Juli 1992 haupt<strong>am</strong>tliches Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank gewesen ist,<br />
bekleidet auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom April 1992 bei der<br />
Volksbank G. die Stellung eines Prokuristen. Er ist berechtigt, den Titel<br />
"Bankdirektor" zu führen.<br />
Der Beklagte ist der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers und<br />
Vorstandsmitglied der Volksbank G. Nach mehreren Rechtsstreiten, in denen<br />
der Kläger Arbeitsanweisungen der Volksbank G. auf deren Vereinbarkeit mit<br />
seinem Arbeitsvertrag hat überprüfen lassen (wobei der Kläger jeweils auch in der<br />
Berufungsinstanz erfolgreich geblieben ist), fordert er mit seiner Klage,<br />
welche <strong>am</strong> 03.08.2000 beim Arbeitsgericht eingereicht wurde, Schadenersatz<br />
vom Beklagten.<br />
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld<br />
deshalb verurteilt, weil dieser nach der Fusion der Bank als jetziger<br />
Vorgesetzter fortgesetzt und in schwerwiegender Weise das<br />
Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt hat. Die Höhe des<br />
Schmerzensgeldes ist vom Arbeitsgericht mit DM 51.900,-- festgesetzt<br />
79
worden, wobei auf das Nettogehalt des Klägers und den Zeitraum der<br />
Verletzungshandlungen abgestellt worden ist.<br />
Der Beklagte hat beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und erreicht,<br />
dass das zuerkannte Schmerzensgeld auf DM 15.000,-- reduziert wurde. Das<br />
Berufungsgericht hat dem Grunde nach, ebenso wie das Arbeitsgericht, eine<br />
mehrjährige Verhaltensweise des Beklagten erkannt, die aufgrund der<br />
Schwere der Vorwürfe, die dem Beklagten zu machen sind, einen<br />
Schmerzensgeldanspruch des Klägers ausnahmsweise auch begründen<br />
können.<br />
Dabei liegt die Besonderheit des entschiedenen Falles darin, dass der<br />
Beklagte fast alle Maßnahmen, die er im Hinblick auf den Kläger ergriffen hat, durch<br />
Anordnungen schriftlich dokumentierte und auch deren Umsetzung leicht feststellbar<br />
waren. Die in derartigen Verfahren auftauchenden Probleme der Beweisbarkeit der<br />
Vorwürfe, die der "Gemobbte" sonst üblicherweise hat, waren für den Kläger nicht<br />
aufgetaucht.<br />
Das Berufungsgericht hat sich bei der Höhe des Schmerzensgeldes wegen<br />
etlicher Persönlichkeitsverletzungen nicht <strong>am</strong> Gehalt des "Gemobbten",<br />
sondern an der Rechtsprechung der Zivilgerichte bei Herabwürdigungen und<br />
Körperverletzungen orientiert.<br />
Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen.“<br />
80
14.3.3 Arbeitnehmer haftet für wirtschaftliche Folgen eines<br />
<strong>Arbeitsplatz</strong>verlustes gegenüber dem entlassenen Kollegen bei<br />
unberechtigter Anschwärzung<br />
Presseerklärung Nr. 11/2001 (Landesarbeitsgericht H<strong>am</strong>m)<br />
LAG H<strong>am</strong>m, Urteil vom 30. Nov. 2000, Az.: 8 Sa 878/00<br />
„Die 8. K<strong>am</strong>mer des Landesarbeitsgerichts H<strong>am</strong>m hat mit Urteil vom 03. November<br />
2000 eine Vorarbeiterin im Reinigungsgewerbe dazu verurteilt, der entlassenen<br />
Reinigungskraft den Verdienstausfall bis zum Auffinden eines neuen <strong>Arbeitsplatz</strong>es zu<br />
zahlen.<br />
Die Vorarbeiterin hatte der Reinigungskraft eine Beschwerde über die<br />
Arbeitsbedingungen und die Beschimpfung der Arbeitgeberin als "Sklaventreiberin"<br />
gegenüber einer Kundin ihres Arbeitgebers in den Mund gelegt. Nach Kenntnis der<br />
vermeintlichen Einlassung der Reinigungskraft hat die Arbeitgeberin das zuvor<br />
unbefristet eingegangene Arbeitsverhältnis ordentlich aufgekündigt. Weil es sich<br />
hierbei aus der Sicht der Reinigungskraft um eine unberechtigte Beendigung des<br />
Arbeitsverhältnisses<br />
gehandelt habe, verlangte sie von der anschwärzenden Vorarbeiterin Schadenersatz.<br />
Diesen hat ihr die 8. K<strong>am</strong>mer aus den Rechtsgründen des<br />
§ 824 BGB zugesprochen.<br />
Die 8. K<strong>am</strong>mer des Landesarbeitsgericht H<strong>am</strong>m hält zwar an der vom BAG im Urteil<br />
vom 04. Juni 1998 - 8 AZR 786/96 - vertretenen Rechtsauffassung fest, dass allein<br />
der Verlust des <strong>Arbeitsplatz</strong>es nicht wie ein Eingriff in das<br />
Persönlichkeitsrecht "absolut" geschützt ist und deshalb nicht ohne weiteres eine<br />
Schadenersatzpflicht auslöst. Wer aber wahrheitswidrig Beleidigungen über den<br />
Arbeitgeber bzw. Kreditschädigungen behauptet und hierüber den<br />
Arbeitsverlust eines Mitarbeiters "rechtswidrig" veranlasst, der haftet für den hieraus<br />
entstandenen Schaden. Aufgrund später vorgenommener korrigierender Erklärungen<br />
hat die frühere Arbeitgeberin richtig gestellt, dass allein die vermeintlichen negativen<br />
Äußerungen zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten. Die<br />
81
Arbeitgeberin hat außerdem klar gestellt, dass sie die vermeintlichen negativen<br />
Äußerungen über ihre Vorarbeiterin, der Beklagten, zur Kenntnis genommen habe.<br />
Die beklagte<br />
Vorarbeiterin musste im Verlaufe des Rechtsstreits eingestehen, dass die Klägerin<br />
diese von ihr weiter geleiteten Äußerungen nicht gemacht hat.<br />
Die so begründete Schadensersatzpflicht entfiel nicht deshalb, weil die frühere<br />
Arbeiterin gegebenenfalls aufgrund fortlaufender Schlechtarbeit das Arbeitsverhältnis<br />
hätte beenden können.<br />
Für die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch aus anderen Gründen<br />
vorzeitig beendet worden wäre, die unwahre Behauptung folglich nicht ursächlich für<br />
den Verdienstausfall war, ist die "mobbende" Vorarbeiterin beweispflichtig. Diese<br />
Beweisführung ist ihr nicht gelungen.<br />
Die frühere Arbeitgeberin hat ihre Kündigungsabsicht allein auf die weitergeleiteten<br />
unwahren Behauptungen gestützt.<br />
Sonstige Gründe waren für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht<br />
ursächlich.<br />
Im Übrigen, so hebt die 8. K<strong>am</strong>mer hervor, würde ihre Schadenersatzpflicht nicht<br />
schon dann entfallen, wenn die erfundene Beleidigung nur mitursächlich für die<br />
vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen wäre.“<br />
14.3.4 Kündigung eines <strong>Mobbing</strong>-Täters<br />
Arbeitsgericht Frankfurt; Az.: 7 Ca 532/01)<br />
„Die wiederholte Störung des Betriebsfriedens<br />
ist auch bei ansonsten sehr guten Arbeitsleistungen ein Kündigungsgrund.<br />
Das hat das Arbeitsgericht Frankfurt in einem Urteil festgestellt.<br />
Die Richter befanden d<strong>am</strong>it die fristgerechte Kündigung eines Einkäufers<br />
bei einem Metallbau-Unternehmen für zulässig.<br />
Die zusätzlich ausgesprochene fristlose Kündigung<br />
wurde vom Gericht allerdings für gegenstandslos erklärt<br />
82
Der Arbeitnehmer hatte immer wieder Streit<br />
mit seinen Kollegen begonnen und deren Leistungen<br />
in beleidigender Weise kritisiert.<br />
Als er auch nach einer Abmahnung einen neuen Kollegen beschimpfte,<br />
wurde er von der Firma entlassen.<br />
Laut Urteil muss sich ein Unternehmen nicht die andauernde Störung<br />
des Betriebsfriedens bieten lassen, auch wenn ein Arbeitnehmer ansonsten gute<br />
Arbeit leiste.“<br />
14.3.5 Kündigung eines <strong>Mobbing</strong>opfers während der Probezeit<br />
Arbeitsgericht Frankfurt; Az.: 6 Ca 6976/99<br />
„Die Kündigung eines "<strong>Mobbing</strong>-Opfers" innerhalb der Probezeit ist nicht<br />
grundsätzlich als "sittenwidrig" anzusehen und somit zulässig. Im<br />
vorliegenden Fall war noch vor Ablauf der sechsmonatigen Probezeit<br />
gekündigt worden, nachdem es im Betrieb zu Spannungen zwischen dem<br />
Gekündigten und seiner Vorgesetzten gekommen war. Der Mitarbeiter fühlte<br />
sich durch <strong>Mobbing</strong> ausgegrenzt und erklärte vor Gericht, dass er vergeblich<br />
versucht habe, mit der Vorgesetzten über deren Führungsstil ein Gespräch zu<br />
führen. Stattdessen habe man ihm gekündigt. Das Gericht befand, dass der<br />
"Soziale Bestandsschutz" eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich erst nach<br />
dem Ende der Probezeit besteht. Vorher darf ein Arbeitgeber auch dann<br />
kündigen, wenn sich <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> z.B. "<strong>Mobbing</strong>" abgespielt hat. Eine<br />
"Sittenwidrigkeit" kann dabei nur in "ganz extremen Ausnahmefällen"<br />
angenommen werden, da Spannungen zwischen Arbeitnehmern und<br />
Vorgesetzten mittlerweile (leider) zum Berufsalltag gehören.“<br />
83
14.4 <strong>Mobbing</strong>- Fragebogen 84<br />
A) Wie viele soziale Konflikte <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> haben Sie heute erlebt?<br />
(keinen, einen, zwei, drei, vier, mehr als vier) 1<br />
B) Wo war der Ort des Konflikts ?<br />
(im Büro des/der Vorgesetzten; auf dem Gang; im Besprechungsraum;<br />
an meinem <strong>Arbeitsplatz</strong>; beim Essen in der Kantine; sonstiges) 1<br />
C) Wodurch war der Konflikt bedingt? 1<br />
- durch die Umstände/anderes Ereignis<br />
- durch mich selbst<br />
- durch den unglücklichen Zufall<br />
- durch andere Personen:<br />
(Vorgesetzte, Kolleginnen/Kollegen, Untergebene, sonstige)<br />
D) Waren neben diesem Konflikt noch andere Personen anwesend,<br />
die nicht mit der Verursachung des Konflikts in Verbindung stehen<br />
und nicht daran beteiligt waren? (ja/nein)<br />
E) Wenn ja, welche Position/Rolle haben die anwesenden, aber nicht-<br />
beteiligten Personen? 1<br />
(Vorgesetzte, Kolleginnen/Kollegen, Untergebene, sonstige)<br />
F) Bitte schildern Sie kurz in eigenen Worten, worum es bei diesem<br />
Konflikt ging: (max. 5 Zeilen)<br />
G) Bei dem Konflikt mit dieser/n Person/en handelt es sich um 1<br />
- einen erstmaligen oder neuen Konflikt<br />
- eine Fortsetzung eines unterschwelligen Konflikts<br />
- die Fortsetzung eines offenen Konflikts<br />
84<br />
vgl. Johann Wolfgang Goethe- Institut, Institut für Psychologie, « Tagebuch zur Analyse sozialer Konflikte «<br />
84
H) Der Konflikt 1 - blieb unterschwellig/ - wurde offen ausgetragen<br />
I) Der Konflikt ist in dieser Situation immer schlimmer geworden (ja/nein)<br />
J) Der Konflikt ist vorher über längere Zeit immer schlimmer geworden<br />
(ja/nein)<br />
K) Der Konflikt wurde in dieser Situation beigelegt/gelöst (ja/nein)<br />
L) Der Konflikt wurde im Verlauf des Arbeitstages beigelegt/gelöst<br />
(ja/nein)<br />
M) Auftreten von folgenden Handlungen vor, während oder nach der<br />
Konfliktsituation:<br />
- Ungerechte organisatorische Maßnahmen (ja/nein)<br />
(Zuteilung von über-/unterfordernden, bzw. keinen Aufgaben, - Entzug<br />
von Tätigkeitsbereichen, Kompetenzstreitigkeiten, etc.)<br />
- Soziale Isolierung (ja/nein)<br />
(nicht mehr mit Ihnen sprechen, Sie meiden, Sie ausgrenzen, sich<br />
nicht mehr von Ihnen ansprechen lassen, etc.)<br />
- Angriffe auf Ihre Person und Privatsphäre (ja/nein)<br />
(sich über Sie lächerlich machen, Sie imitieren, Witze über Sie<br />
reißen, „spitze Bemerkungen“ über Sie machen, etc.)<br />
- Verbale Drohungen, bzw. verbale Aggressionen (ja/nein)<br />
(anschreien, beschimpfen, kritisieren, demütigen, drohen, etc.)<br />
- Körperliche Gewalt, bzw. Misshandlungen (ja/nein)<br />
(androhen, ausüben, etc.)<br />
- Schädigung Ihres Ansehens (ja/nein)<br />
(Verbreiten von Gerüchten, feindselige Stimmungsmache,<br />
anschwärzen hinter Ihrem Rücken, etc.)<br />
- Sexuelle Annäherung (ja/nein)<br />
(verbale sexuelle Angebote und sexuelle Belästigung)<br />
85
N) Beurteilen Sie den Konflikt bezüglich der 2<br />
- Chance, die Situation ohne eigenes Zutun zu verbessern<br />
- Chance, die Situation zum Guten beeinflussen zu können<br />
- Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens des Konflikts<br />
- Vorhersehbarkeit der Situation/des Ereignisses<br />
- Unklarheit der Situation<br />
- eigene Unterlegenheit in der Situation<br />
O) Persönliche Bedeutung des Konflikts 3<br />
- Diesen Konflikt habe ich als eine Herausforderung gesehen<br />
- Diesen Konflikt habe ich als bedrohlich erlebt<br />
- Dieser Konflikt hat mir geschadet/Verlust mit sich<br />
gebracht<br />
P) Verantwortlichkeit 3<br />
- Dieser Konflikt erfolgte absichtlich und böswillig<br />
- Die Folgen des Konflikt wurden billigend in Kauf genommen<br />
- Der Konflikt entstand unbedacht und fahrlässig<br />
- Der Konflikt wurde unbeherrscht oder impulsiv herbeigeführt<br />
- Der Konflikt entstand zufällig und unfreiwillig<br />
- Der Konflikt entstand trotz bester Bemühungen von allen Seiten<br />
Q) Wie fühlten Sie sich während des Konflikts? 4<br />
(Auflistung von ca. 20 verschiedenen Gefühlen)<br />
R) Was waren Ihre hauptsächlichen Ziele bei diesem Konflikt? 3<br />
- eine gemeins<strong>am</strong>e Lösung zu finden<br />
- der anderen Person nachzugeben<br />
- meine eigenen Ziele durchzusetzen<br />
- einen Kompromiss zu finden<br />
- den Konflikt zu vermeiden<br />
- mein inneres Gleichgewicht wieder zu erlangen/herzustellen<br />
86
- mir selber klar zu werden, was vor sich ging<br />
- mein eigenes Verhalten zu ändern<br />
- mein Selbstwertgefühl wieder zu erlangen/herzustellen<br />
- jemanden zu suchen, mit dem ich darüber sprechen kann<br />
S) Beschreiben Sie Ihr momentanes Befinden auf den erlebten Konflikt 4<br />
(wie Q)<br />
Durchführung der schriftlichen Befragung täglich, abends.<br />
Schilderung bezogen auf den belastendsten Konflikt<br />
1 = ankreuzen<br />
2 = Skala von 5 bis 1 (5= sehr hoch, 4= hoch, 3= mittel, 2= niedrig,<br />
1= gar keine)<br />
3 = Skala von 5 bis 1 (5= trifft sehr stark zu, 4= trifft stark zu, 3= trifft etwas<br />
zu, 2= trifft kaum zu, 1= trifft gar nicht zu)<br />
4 = Skala von 5 bis 1 (5= sehr stark, 4= stark, 3= etwas, 2= kaum,<br />
1= gar nicht)<br />
87
14.5 Entwurf einer Musterbetriebsvereinbarung 85<br />
Muster-Betriebsvereinbarung zwischen<br />
Geschäftsleitung<br />
und<br />
Ges<strong>am</strong>tbetriebsrat<br />
zum<br />
„Schutz vor Diskriminierung, <strong>Mobbing</strong> und sexueller Belästigung<br />
<strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong>“<br />
(Entwurf orientiert an der BV der Ford-Werke)<br />
Prä<strong>am</strong>bel<br />
Geschäftsleitung und Ges<strong>am</strong>tbetriebsrat sind sich darüber einig, dass im<br />
Unternehmen ein Arbeitsklima bestehen muss, das es Menschen ermöglicht, frei von<br />
Diskriminierung, <strong>Mobbing</strong> und sexueller Belästigung ihrer Arbeit nachzugehen.<br />
Alle Beschäftigen sind aufgefordert, an der Gestaltung eines Arbeitsklimas auf allen<br />
Ebenen mitzuwirken, das gekennzeichnet ist von gegenseitiger Achtung, Toleranz<br />
und Wahrung der menschlichen Würde <strong>am</strong> Arbeitplatz.<br />
In diesem Sinne schließen Geschäftsleitung und Ges<strong>am</strong>tbetriebsrat diese<br />
Vereinbarung.<br />
Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass sonstige gesetzliche Bestimmungen<br />
wie das BetrVG, Kündigungsschutzgesetz, Beschäftigtenschutzgesetz und<br />
strafrechtliche Bestimmungen hiervon unberührt bleiben.<br />
§ 1 Geltungsbereich<br />
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten des Betriebes, Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen von Fremdfirmen und im Umgang mit Kunden und Kundinnen.<br />
Sinngemäß findet sie auch Anwendung auf freiberufliche Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen.<br />
§ 2 Belästigungsverbot<br />
(1) Geschäftsleitung und Ges<strong>am</strong>tbetriebsrat sind sich einig darüber, dass in unserem<br />
85<br />
Deutscher Gewerkschaftsbund in: , Stand 08.03.2002<br />
88
Unternehmen keiner Person wegen ihrer Abst<strong>am</strong>mung, Weltanschauung,<br />
Nationalität, Herkunft, Alter, Geschlecht, sexuelle Identität und sexuelle Orientierung<br />
oder sonstiger persönlicher Eigenheiten Nachteile entstehen dürfen.<br />
(2) Geschäftsleitung und Ges<strong>am</strong>tbetriebsrat sehen eine wichtige Aufgabe darin, die<br />
freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer und<br />
Arbeitnehmerinnen zu schützen und zu fördern.<br />
(3) Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Unternehmens haben daher<br />
Maßnahmen zu unterlassen, die die Entfaltung der Persönlichkeit Einzelner<br />
beeinträchtigen können oder als Beleidigung oder Belästigung im Sinne des<br />
Beschäftigungsschutzgesetzes empfunden werden können.<br />
Insbesondere ist darauf zu achten, dass<br />
• niemand in seinem oder ihrem sozialen Ansehen geschädigt wird.<br />
• niemand durch Wort, Bild, Gesten oder Handlungen sexuell belästigt oder<br />
diskriminiert wird.<br />
• niemand durch die ihm oder ihr zugewiesenen Arbeitsaufgaben diskriminiert<br />
oder gedemütigt wird.<br />
§ 3 Sanktionen<br />
(1) Unabhängig von den im Folgenden genannten Vorgehensweisen zur<br />
Verhinderung von Belästigungen und Beeinträchtigungen kommen Geschäftsleitung<br />
und Ges<strong>am</strong>tbetriebsrat überein, dass sie Handlungen nach § 2 als ernsthafte<br />
Verletzung des Betriebsfriedens betrachten.<br />
(2) Gegen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die trotzdem solche<br />
Vorgehensweisen ausüben, werden geeignete disziplinarische Maßnahmen<br />
eingeleitet, die bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen können.<br />
(3) Strafrechtliche Maßnahmen werden ggf. eingeleitet.<br />
(4) Werden Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen durch betriebsfremde Personen <strong>am</strong><br />
<strong>Arbeitsplatz</strong> durch Handlungen gemäß § 2 belästigt, wird die Geschäftsleitung ihre<br />
rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um dies zu sanktionieren<br />
und künftig zu verhindern.<br />
Alternativ:<br />
Bei Handlungen gemäß § 2 durch betriebsfremde Personen wird die Geschäftsleitung<br />
ihre rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um dies zu<br />
sanktionieren und künftig zu verhindern.<br />
89
§ 4 Betriebliches Beschwerderecht<br />
(1) Betroffene werden ausdrücklich aufgefordert, ein Fehlverhalten im Sinne dieser<br />
Betriebsvereinbarung nicht hinzunehmen, sondern sich dagegen zur Wehr zu setzen<br />
und der betreffenden Person oder dem Unternehmen deutlich zu machen, dass<br />
deren Verhalten unerwünscht ist und als verletzend oder missachtend empfunden<br />
wird.<br />
(2) Jede(r) Beschäftigte gemäß § 1, die/der sich vom Unternehmen oder einzelnen<br />
Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in<br />
sonstiger Weise belästigt fühlt, hat das Recht zur Beschwerde gemäß §5 dieser<br />
Vereinbarung. Nachteile dürfen ihr/ihm daraus nicht entstehen. Betroffene können<br />
wählen, an welches Mitglied der Beratungsstelle gemäß § 6 sie sich wenden.<br />
§ 5 Beschwerdebehandlung<br />
(1) Die Mitarbeiterin der Beratungsstelle nimmt die Beschwerde entgegen, ermittelt<br />
den Sachverhalt und leitet bei Bedarf erste angemessene<br />
Unterstützungsmaßnahmen ein. Dies können z.B. Gespräche mit dem / der<br />
Betroffenen und oder die Vermittlung an externe Fachkräfte (z.B. Ärzte und<br />
Ärztinnen) sein.<br />
(2) Wird ein Gespräch der beteiligten Parteien seitens der Beratungsstelle für sinnvoll<br />
gehalten, sollte dieses unter Leitung eines Mitgliedes der betrieblichen<br />
Beratungsstelle innerhalb von einer Woche nach Eingang der Beschwerde<br />
stattfinden.<br />
(3) Kommt das Gespräch nicht zustande oder kommen beide Konfliktgegner auch in<br />
diesem Gespräch nicht zu einer Einigung oder besteht der ursprüngliche Missstand<br />
fort, wird die Angelegenheit innerhalb von weiteren zwei Wochen von der<br />
betrieblichen Beratungsstelle bearbeitet.<br />
90
(4) Auf Wunsch des / der Beschäftigten können auch eine Person seines/ ihres<br />
Vertrauens, Vertreter oder Vertreterinnen des Betriebsrates, der<br />
Schwerbehindertenvertretung, der Personalabteilung oder der Gleichstellungsstelle<br />
hinzugezogen werden.<br />
§ 6 Zus<strong>am</strong>mensetzung der betrieblichen Beratungsstelle<br />
(1) Die Beratungsstelle ist ein ständige Einrichtung und setzt sich paritätisch aus<br />
jeweils mindestens zwei Mitgliedern der Geschäftsleitung und der<br />
Arbeitnehmervertretung zus<strong>am</strong>men. Hierbei ist darauf zu achten, dass keiner der<br />
jeweiligen Konfliktgegner bzw. keine der jeweiligen Konfliktgegnerinnen Mitglied des<br />
Gremiums ist. Der Vertreter der Geschäftsleitung lädt unter Bekanntgabe des<br />
Tagesordnungsvorschlags ein.<br />
(2) Es sollte die einvernehmliche Hinzuziehung eines externen Sachverständigen<br />
vorgenommen werden.<br />
(3) Die Mitglieder dieser Beratungsstelle sind entsprechend geschult.<br />
(4) Den Beschäftigten ist eine feste Anlaufstelle bekannt zu geben.<br />
§ 7 Aufgaben der betrieblichen Beratungsstelle<br />
(1) Die betriebliche Beratungsstelle hat folgende Aufgaben:<br />
• Beratung der/des Betroffenen<br />
• Entgegennahme und Bearbeitung der Beschwerden<br />
• Vermittlung an externe Stellen<br />
• Dokumentation der Beratungsanlässe und -ergebnisse<br />
• Transparenz über Stand, Schritte und Ausgang des Verfahrens gegenüber den<br />
betroffenen Personen<br />
• Initiieren von vorbeugenden Maßnahmen und Fortbildungen, insbesondere<br />
Konfliktbewältigungstrainings für alle Ebenen<br />
• Maßnahmen zur Förderung der Kommunikation<br />
• Kontakte und Vernetzung mit externen Stellen<br />
(2) Die Beratungsstelle spricht auf Basis eines Mehrheitsbeschlusses der<br />
Geschäftsleitung Empfehlungen für erforderliche Maßnahmen aus.<br />
(3) Zur Verbesserung des Klimas im Betrieb können neben Informationen auch<br />
kulturelle Veranstaltungen analog zu den in § 2 erwähnten Merkmalen gehören.<br />
(4) Vorgetragene Anliegen werden gemäß § 5 unverzüglich behandelt. Die Mitglieder<br />
der Beratungsstelle sind hinsichtlich der ihnen in dieser Tätigkeit bekannt werdenden<br />
Angelegenheiten über die Zeit ihrer Ernennung hinaus zum Stillschweigen<br />
verpflichtet.<br />
91
§ 8 Aufgabe der Geschäftsleitung<br />
(1) Die Geschäftsleitung trifft ihre Entscheidung unverzüglich auf der Basis der<br />
Empfehlung der betrieblichen Beratungsstelle und ist für die Umsetzung<br />
verantwortlich.<br />
(2) Entscheidungen, die von der Empfehlung der betrieblichen Beratungsstelle<br />
abweichen, bedürfen einer schriftlichen Begründung.<br />
(3) Alle anfallenden Kosten trägt das Unternehmen.<br />
§ 9 Schlussbestimmungen<br />
(1) Diese Vereinbarung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.<br />
(2) Diese Betriebsvereinbarung oder einzelne ihrer Bestimmungen können jederzeit<br />
im Wege von Vereinbarungen zwischen Geschäftsleitung und Ges<strong>am</strong>tbetriebsrat<br />
abgeändert oder ergänzt werden.<br />
(3) Die Vereinbarung kann mit einer Frist von ...... zum ......., erstmals zum<br />
.......gekündigt werden.<br />
(4) Die Mitglieder der Beratungsstelle sind allen Mitarbeitern / Mitarbeiterinnen<br />
durch geeignete Mittel bekannt zu machen.<br />
Sollten einzelne Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung ganz oder teilweise<br />
unwirks<strong>am</strong> sein oder werden, bleibt die Wirks<strong>am</strong>keit der übrigen Bestimmungen oder<br />
Teile solcher Bestimmungen unberührt. Anstelle der unwirks<strong>am</strong>en oder fehlenden<br />
Bestimmungen treten die jeweiligen gesetzlichen Regelungen.<br />
(Unterschrift)<br />
(Unterschrift)<br />
Allgemeine Anmerkung:<br />
Unternehmen die nicht über eine geeignete Beratungsstelle verfügen, sind<br />
verpflichtet, eine geeignete externe Anlaufstelle zu benennen.<br />
92
14.6 Bekanntmachung vom 16.10.97<br />
von Alex Trotman (Ford Motor Company)<br />
(Übersetzung)<br />
An alle Lohn- und Gehaltsempfänger<br />
Betr.:<br />
Keine Toleranz gegenüber allen Formen der persönlichen<br />
Herabwürdigung<br />
Die Menschen sind das Wertvollste unseres Unternehmens. Es sind erstklassige<br />
Mitarbeiter, die aus Ford ein Weltklasse- Unternehmen machen und es sind unsere<br />
vereinten Talente, die dieses Unternehmen groß machen. Deshalb möchte ich die<br />
Verpflichtung der Firma -und meine persönliche Verpflichtung- zu keinerlei Duldung<br />
jeglicher Art der persönlichen Herabwürdigung wiederholen.<br />
Das Unternehmen hat sein Entgegentreten gegenüber persönlichen<br />
Herabwürdigungen zwar erstmals <strong>am</strong> 11. Juni 1979 zum Ausdruck gebracht, möchte<br />
diese Haltung jedoch wegen der Bedeutung des Themas nochmals bekräftigen.<br />
Jeder von uns hat eine Aufgabe zu erfüllen bei der Schaffung und Aufrechterhaltung<br />
einer Arbeitsumgebung, die alles einschließt und allen Mitarbeitern erlaubt, zum<br />
Geschäftserfolg der Ford Motor Company voll beizutragen. Ethnische<br />
Verunglimpfungen, rassistische Bemerkungen oder sexuelle<br />
Herabwürdigungen oder ein sonstiger provozierender Sprachgebrauch<br />
verstoßen ganz klar gegen diese Firmenpolitik.<br />
Das Unternehmen hat seine Beziehungen zu seinen Mitarbeitern in<br />
Geschäftsgrundsätzen niedergelegt. Darin wird deutlich gemacht, dass das<br />
Verhältnis zu den Beschäftigten und den Bewerbern um einen <strong>Arbeitsplatz</strong><br />
nicht-diskriminierend ist in bezug auf Rasse, Hautfarbe, Religion, Alter, Geschlecht,<br />
sexuelle Orientierung, nationale Herkunft und den Behindertenstatus. Die<br />
Verpflichtung unseres Unternehmens zur Wertschätzung der Vielfältigkeit unter den<br />
Mitarbeitern ist seit langem ein durchgehender Grundsatz in unseren<br />
Geschäftsbedingungen und -regeln.<br />
Viele Unterschiede im Denken und Handeln werden mit an den <strong>Arbeitsplatz</strong><br />
getragen. Wir müssen aber sicherstellen, dass der Geist und die Absicht der<br />
Firmenpolitik verstanden und dass ein respektloser Sprachgebrauch oder<br />
unangemessenes Benehmen nicht stillschweigend geduldet werden. Deshalb wird<br />
die Verletzung angemessener Verhaltensregeln als ernstes Vergehen angesehen und<br />
in Übereinstimmung mit den bestehenden Regelungen zur Mitarbeiterdisziplin<br />
geahndet.<br />
Für den Fall eines offenbaren Fehlverhaltens muss dieses unverzüglich der<br />
zuständigen Personalverwaltung berichtet werden, d<strong>am</strong>it eine rechtzeitige und<br />
gründliche Untersuchung durchgeführt werden kann. Außerdem hat das<br />
Management dafür zu sorgen, dass es zu keinen Repressalien gegenüber Personen<br />
kommt, die ein Fehlverhalten melden oder sich an der anschließenden Untersuchung<br />
beteiligen. Dies ist ein integraler Bestandteil der Selbstverpflichtung des<br />
Unternehmens. Dies geht uns alle an- Beschäftigte, Zulieferer und Händler. Es geht<br />
um die Achtung der Menschen. Es geht um Zus<strong>am</strong>menarbeit zwischen jedermann,<br />
um aus Ford ein Unternehmen zu machen, auf das wir alle stolz sein können.<br />
93