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Nr. 1/2003 - Internationale Forum für Prävention und Jugendarbeit

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Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

Berichte des<br />

österreichischen<br />

Bildungsforums<br />

<strong>für</strong> fördernde<br />

<strong>und</strong> präventive<br />

<strong>Jugendarbeit</strong><br />

Träger:<br />

Die Jugendreferate der Länder Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich,<br />

Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien <strong>und</strong> das Amt <strong>für</strong><br />

<strong>Jugendarbeit</strong> der autonomen Provinz Bozen-Südtirol. Gefördert durch<br />

das B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> soziale Sicherheit <strong>und</strong> Generationen.


2 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

Inhalt dieser Ausgabe:<br />

• Gerald Koller: Vorwort Seite 2<br />

• Dr. Alfred Uhl: Jugend <strong>und</strong> Alkohol Seite 3<br />

• Dr. Christian Haring: Trance Alpin Seite 10<br />

• DSA Wolfgang Zeyringer: Alkohol <strong>und</strong><br />

<strong>Jugendarbeit</strong> – aus Sicht der <strong>Prävention</strong> Seite 13<br />

• Franz Wieser: Alkohol <strong>und</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> –<br />

aus Sicht der verbandlichen <strong>Jugendarbeit</strong> Seite 15<br />

• Hermann Hauer: Alkohol <strong>und</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> –<br />

aus Sicht der Jugendzentren Seite 16<br />

•Projekt aus Oberösterreich: less alk – more fun 4you Seite 18<br />

Vorwort<br />

„Jetzt, da wir betrunken sind....<br />

....dürfen wir nichts mehr auslassen. Ich <strong>für</strong> meinen Teil will also erzählen,<br />

was in der Tiefe meines Herzens ist.“ Der griechische Philosoph<br />

Theokrit zeigt uns mit dieser Äußerung (wie übrigens sein berühmterer<br />

Kollege Plato an mehreren anderen Stellen), dass die Griechen nicht des<br />

Vergnügens wegen getrunken haben, sondern einer tieferen Wahrheit<br />

willen, die sich im Rausch eröffnen kann. Vielleicht drängt diese unbewusste<br />

Sehnsucht Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene auch heute noch zum<br />

Exzess – auch wenn dabei die Suche nach dem schnellen Vergnügen im<br />

Vordergr<strong>und</strong> stehen mag. Exzess kommt ja von ex-cedere: herausschlagen,<br />

aus der Reihe tanzen – mitunter ist es auch das, was Jugendliche<br />

suchen: aus einem erlebnisarmen, druckvollen Alltag mitunter aus der<br />

Reihe zu tanzen.<br />

Die Aufgabe der Fachtagung EXZESS, die vom 4. bis 6. 3. <strong>2003</strong> in Seekirchen<br />

am Wallersee stattfand, war es, ein Stück Bewusstsein in die<br />

Bereiche des Unbewussten zu bringen. Dabei war es allen Beteiligten<br />

klar, dass dieses Bewusstsein kein vernunftgeleitetes sein kann, ist<br />

doch exzessives Verhalten ein Wagnis, ja mitunter ein Auf´s-Spiel-setzen<br />

der Existenz , das in ganz anderen Gehirnbereichen animiert <strong>und</strong> gesteuert<br />

wird als dem der Vernunft.<br />

Die vielfältigen Betrachtungsweisen des Themas, wenn es um den massiven<br />

Alkoholkonsum von Jugendlichen geht, können Sie in diesem Heft<br />

nachlesen. Die Beiträge bringen Daten <strong>und</strong> Fakten, zeigen Zusammenhänge<br />

auf <strong>und</strong> stellen erste Modelle vor, wie in der <strong>Jugendarbeit</strong> mit<br />

dem Thema Rausch <strong>und</strong> Risiko umgegangen werden kann. Ein wesentlicher<br />

Beitrag dazu ist die am ersten Veranstaltungstag vorgestellte Studie:<br />

„Risflecting – Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Materialien zur Rausch- <strong>und</strong> Risikopädagogik“.<br />

Die Fachtagung EXZESS war eine jener Veranstaltungen des österreichischen<br />

Bildungsforums, bei der es gelungen ist, Fachleute aus verschiedenen<br />

Handlungsfeldern: der <strong>Prävention</strong>sarbeit, Streetwork, der verbandlichen<br />

wie der offenen <strong>Jugendarbeit</strong> <strong>und</strong> der Wissenschaft <strong>für</strong> die<br />

Diskussion über ein gemeinsames Thema zu begeistern, das allen unter<br />

den Nägeln brennt.<br />

Ihnen wünsche ich Interesse an den folgenden Seiten – so dass auch<br />

Sie nichts davon auslassen wollen.....<br />

Gerald Koller<br />

Inhaltlicher Leiter des Österreichischen Bildungsforums<br />

Impressum:<br />

ÖSTERREICHISCHES BILDUNGSFORUM<br />

<strong>für</strong> fördernde <strong>und</strong> präventive <strong>Jugendarbeit</strong><br />

Träger: Das B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Soziale Sicherheit <strong>und</strong><br />

Generationen, die Jugendreferate der Länder Kärnten, Niederösterreich,<br />

Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol,<br />

Vorarlberg, Wien <strong>und</strong> das Amt <strong>für</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> der autonomen<br />

Provinz Bozen-Südtirol.<br />

focal point: Verein VITAL<br />

Fabrikstraße 39, A-4400 Steyr<br />

Tel.: ++43-7252-86780<br />

Fax: ++43-7252-86780<br />

E-Mail: buerovital@aon.at<br />

Coverfoto: Mathias Megyeri<br />

Produktion & Gestaltung: Akzente Salzburg<br />

Fotos: Akzente Archiv, Verein Vital<br />

Druckabwicklung: Didi Jicha


Ausgabe 01/<strong>2003</strong> 3<br />

Jugend <strong>und</strong> Alkohol – mit besonderer<br />

Berücksichtigung des rauschhaften Trinkens<br />

Dr. Alfred Uhl, Wien<br />

Grossman's Law:<br />

Zu jedem komplexen Problem gibt es einfache,<br />

leicht nachvollziehbare falsche Antworten<br />

Die mediale Sensationalisierung<br />

des Themas „Jugend <strong>und</strong> Alkohol“<br />

bzw. „Alkoholkonsum“ schlechthin<br />

Klein (1997) beschreibt den medialen Umgang<br />

mit den Themen „Substanzmissbrauch <strong>und</strong><br />

-abhängigkeit“ mit dem Terminus „süchtiger<br />

Hunger der Medienindustrie nach Sensationen",<br />

<strong>und</strong> nur aus dieser Perspektive ist der<br />

konkrete Umgang der Medien mit dem Thema<br />

nachvollziehbar. Über drei Jahrzehnte lag dabei<br />

das mediale Hauptinteresse auf illegalen Drogen,<br />

wohl weil die überwiegende Mehrzahl der<br />

Bevölkerung über keine Eigenerfahrungen damit<br />

verfügte <strong>und</strong> sich das Thema daher ausgezeichnet<br />

als Projektionsfläche <strong>für</strong> gesellschaftliche<br />

Wünsche, Ängste <strong>und</strong> Vorurteile eignete.<br />

Suchtexperten betonten zwar regelmäßig, dass<br />

dieses einseitige Fokussieren auf illegale Drogen<br />

sachlich nicht gerechtfertigt sei <strong>und</strong> dass<br />

der legale Alkohol <strong>und</strong> das legale Nikotin sowohl<br />

in quantitativer als auch in qualitativer<br />

Hinsicht weitaus größere Probleme darstellten<br />

– diese Expertenstimmen verhallten aber über<br />

lange Zeit ohne merkliche Spuren zu hinterlassen.<br />

Erst in den letzten Jahren gewinnt auch<br />

das Thema „Alkohol“ – ganz besonders die Bereiche<br />

„Jugend <strong>und</strong> Alkohol“ sowie „Alkohol<br />

<strong>und</strong> Straßenverkehr“ – medial stark an Boden,<br />

aber auch hier dominiert nicht die sachlich<br />

nüchterne Analyse, sondern die Sensationalisierung.<br />

So wurde der Medienkonsument in<br />

den letzten beiden Jahren u.a. mit folgenden<br />

Schlagzeilen konfrontiert<br />

(1) „Die Hälfte der 8-Jährigen hat<br />

schon einmal Alkohol getrunken!“<br />

(2) „10% der 11-Jährigen trinken zumindest<br />

einmal pro Monat Alkohol!“<br />

(3) „8% der 14-Jährigen im ländlichen<br />

Raum sind alkoholkrank!“<br />

(4) „In Österreich sterben pro Jahr<br />

80.000 Menschen an den Folgen<br />

des Alkoholmissbrauchs!“<br />

Die Reaktionen auf diese Aussagen waren<br />

mehrheitlich nicht Zweifel oder Gelächter, was<br />

angemessen gewesen wäre, sondern betretene<br />

Zurkenntnisnahme. Diese Schlagzeilen wurden<br />

von Journalisten wiederholt aufgegriffen,<br />

schlugen sich in Politikerreden nieder <strong>und</strong> fanden<br />

ihren Weg auf professionelle Internetinformationsseiten<br />

<strong>und</strong> inzwischen sogar in einige<br />

wissenschaftliche Publikationen. Bei der erstgenannten<br />

Schlagzeile ist das Problem weniger<br />

der Inhalt selbst, sondern<br />

die tendenziöse<br />

Art, wie der Inhalt präsentiert<br />

wird; bei den<br />

letzten drei Zitaten<br />

handelt es sich unzweifelhaft<br />

um groben<br />

Unfug.<br />

ad (1):<br />

In einer Kultur, in der Alkoholkonsum zentraler<br />

Bestandteil des öffentlichen <strong>und</strong> kulturellen<br />

Lebens ist <strong>und</strong> wo völlig alkoholabstinente<br />

Familien eine ganz kleine Minderheit darstellen,<br />

ist es ziemlich selbstverständlich,<br />

dass Kinder irgendwann einmal auch probieren<br />

wollen, wenn die Eltern Bier oder Wein<br />

trinken. Wenn ihnen ein „Probeschluck“ Bier<br />

oder Wein gewährt wird, quittieren sie die Erfahrung<br />

meist mit einem geringschätzigen<br />

„Das schmeckt <strong>für</strong>chterlich“, <strong>und</strong> damit ist<br />

das Interesse <strong>für</strong> lange Zeit befriedigt. Sollten<br />

die Eltern das Kosten kategorisch verweigern,<br />

so findet sich in der Regel ein Verwandter,<br />

der den Kindern den Wunsch Alkohol zu<br />

kosten erfüllt, <strong>und</strong> wenn auch das nicht geht,<br />

bieten sich Kindern in unserem Kulturkreis<br />

zahlreiche Gelegenheiten ihre Neugierde<br />

heimlich zu befriedigen. Die Sensation ist angesichts<br />

dieser Sachlage wohl nicht, dass die<br />

Hälfte der 8-Jährigen schon einmal Alkohol<br />

getrunken hat, sondern dass die Hälfte der 8-<br />

Jährigen diesen Umstand bei einer Befragung<br />

bestreitet. Die Schlagzeile „Die Hälfte der 8-<br />

Jährigen hat schon einmal Alkohol getrunken“<br />

suggeriert aber, wie die denkbare Schlagzeile<br />

„Der B<strong>und</strong>espräsident duscht jeden Morgen<br />

nackt!“, dass es sich bei den festgestellten<br />

Sachverhalten um eine unerwartete Sensation<br />

handelt – eine populäre Strategie um das<br />

spontane Urteilsvermögen der Leser zu täuschen.<br />

ad (2):<br />

Die Aussage „10% der 11-Jährigen trinken zumindest<br />

einmal pro Monat Alkohol“ lässt sich<br />

mit den Daten der HBSC-Studie (Dür et al.,<br />

2002) bei der u.a. 1507 11-Jährige in Schulen<br />

mittels Fragebogen befragt wurden, präzisieren<br />

<strong>und</strong> relativieren. Wenn man die Ergebnisse<br />

der HBSC-Studie genauer ansieht, ergibt<br />

sich folgendes Bild des selbst eingeschätzten<br />

Alkoholkonsums von 11-Jährigen:<br />

• „mehrmals täglich Alkohol“ = 1,1% ~ 16 Kinder<br />

• „einmal täglich Alkohol“ = 0,0% ~ 0 Kinder<br />

• „5-6 Tage pro Woche Alkohol“ = 0,1% ~ 1 Kind<br />

•„2-4 Tage pro Woche Alkohol“ = 0,5% ~ 7 Kinder<br />

•„einmal wöchentlich Alkohol“ = 1,3% ~ 19 Kinder<br />

• „seltener als einmal pro Woche Alkohol“ = 7,3% ~ 110 Kinder<br />

• „nie Alkohol“ = 89,7% ~ 1352 Kinder<br />

1,1% der Schüler haben angegeben mehrmals<br />

täglich Alkohol zu konsumieren. Diese Zahl<br />

ist aus folgenden Gründen mit einem großen<br />

Fragezeichen zu versehen: Bei einer schriftlichen<br />

Befragung von Schülern im Klassenverband<br />

muss man immer damit rechnen, dass<br />

einige Kinder aus Jux übertriebene Antworten<br />

geben bzw. sich beim Ausfüllen der Fragebögen<br />

gr<strong>und</strong>legend irren. Entspräche 1,1%<br />

mehrmals täglicher Alkoholkonsum der Realität,<br />

würde man erwarten, dass die folgenden<br />

beiden Antwortkategorien noch stärker<br />

besetzt sind – tatsächlich wurden sie so gut<br />

wie nie gewählt. Auch kann man sich nur<br />

schwer vorstellen, dass – von seltenen Ausnahmen<br />

abgesehen – 11-jährige Kinder, die<br />

regelmäßig eine Schule besuchen, mehrmals<br />

täglich Alkohol konsumieren können, ohne<br />

dass Lehrer oder Eltern intervenieren. Die genannten<br />

drei Argumente sind zwar nicht<br />

zwingend, es ist aber nichtsdestoweniger<br />

sehr plausibel, dass dieser Prozentsatz von<br />

1,1% erheblich nach unten korrigiert werden<br />

muss.<br />

Realistisch müsste es heißen: „10% der 11-<br />

Jährigen trinken zumindest gelegentlich Alkohol“<br />

<strong>und</strong> „Regelmäßiger Alkoholkonsum – im<br />

Sinne von zumindest wöchentlichem Alkoholkonsum<br />

– kommt bei 2% bis maximal 3% der<br />

11-Jährigen vor.“ Im Sinne der obigen Argumente<br />

erscheinen 2% dabei weit plausibler<br />

als 3%.


4 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

ad (3):<br />

R<strong>und</strong> 5% der erwachsenen Österreicher sind<br />

als alkoholkrank zu bezeichnen (Uhl et al.,<br />

2001). Da Kinder in der Mehrzahl der Fälle<br />

relevante Erfahrungen mit Alkohol erst ab<br />

dem 14. Lebensjahr machen, da Eltern <strong>und</strong><br />

Schule in der Regel bei exzessivem Alkoholkonsum<br />

kontrollierend intervenieren <strong>und</strong> da<br />

die Entstehung einer Alkoholabhängigkeit in<br />

der Regel über einen Zeitraum von mehreren<br />

Jahren erfolgt, kommt Alkoholismus bei Kindern<br />

kaum vor. 14-jährige Alkoholabhängige<br />

sind unter sehr extremen Bedingungen zwar<br />

denkbar, es ist aber klar, dass es sich hier<br />

nur um ganz seltene Einzelfälle handeln kann.<br />

Zu behaupten, dass sich in dieser Altersgruppe<br />

im ländlichen Raum mit einem ein Anteil<br />

von 8% weit mehr Alkoholkranke befinden als<br />

in der Gesamtbevölkerung, ist grotesk.<br />

ad (4):<br />

Da 10% der Österreicher im Laufe ihres Lebens<br />

an Alkoholismus erkranken (Gesamtlebenszeitprävalenz<br />

1 ) <strong>und</strong> somit in der Regel<br />

bis zu ihrem Lebensende als Alkoholiker zu<br />

bezeichnen sind, sind auch r<strong>und</strong> 10% der pro<br />

Jahr sterbenden Personen Alkoholiker. Da Alkoholabhängige<br />

um durchschnittlich 15 – 20<br />

Jahre früher sterben, kann man bei einer<br />

Sterberate von 80.000 Personen pro Jahr in<br />

Österreich von 8.000 „Alkoholtoten im umfassendsten<br />

Sinn“ sprechen (Uhl, 2002). Weiters<br />

sterben in Österreich pro Jahr r<strong>und</strong> 100<br />

Menschen an einer akuten Alkoholvergiftung<br />

(„Alkoholtote im engeren Sinn“). 80.000 Personen,<br />

wie in der Schlagzeile behauptet, würde<br />

bedeuten, dass alle in Österreich sterbenden<br />

Personen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs<br />

sterben – eine eindeutig wenig plausible<br />

Behauptung.<br />

Beim Thema „Jugend <strong>und</strong> Alkohol“<br />

treffen sich gegenwärtig alle politischen<br />

Lager<br />

Seit Beginn der Drogenwelle steht Cannabis als<br />

Symbol <strong>für</strong> aufmüpfige Jugendkultur, <strong>für</strong> kritische<br />

Auseinandersetzung mit dem Establishment <strong>und</strong><br />

autoritär hierarchische Strukturen, <strong>für</strong> ein geändertes<br />

Umweltbewusstsein <strong>und</strong> <strong>für</strong> vieles mehr.<br />

Alkohol wurde von den Vertretern dieser Jugendkultur<br />

lange Zeit als Symbol der spießigen traditionellen<br />

Gesellschaft interpretiert. Im Laufe der<br />

Jahrzehnte nahm die Symbolbedeutung von<br />

Cannabis – <strong>und</strong> damit auch von Alkohol – erheblich<br />

ab, <strong>und</strong> der Cannabisgebrauch erfasste sukzessive<br />

Jugendliche aus allen Bereichen der Gesellschaft.<br />

Viele Jugendliche erleben inzwischen<br />

den Konsum von Cannabis, aber durchaus auch<br />

den von anderen Drogen, als eine von vielen möglichen<br />

Freizeitoptionen, <strong>für</strong> die oder gegen die<br />

man sich bewusst entscheiden kann, so wie man<br />

sich <strong>für</strong> oder gegen den Besuch eines bestimmten<br />

Films entscheidet. Freitag <strong>und</strong> Hurrelmann<br />

(1999) sprechen in diesem Zusammenhang von<br />

„illegalen Alltagsdrogen“ 2 <strong>und</strong> Fahrenkrug (2000)<br />

spricht – primär in Zusammenhang mit Cannabis<br />

– von der „Normalisierung des Drogenkonsums“ 3 .<br />

Langsam <strong>und</strong> kontinuierlich ergab sich – zumindest<br />

in Europa – eine Versachlichung <strong>und</strong> Entideologisierung<br />

des Drogenthemas, was sachlich<br />

rationale drogenpolitische Strategien erheblich<br />

erleichtert. Eine massive Neubewertung des Themas<br />

„Cannabis“ ergab sich in Österreich allerdings,<br />

als die erste ÖVP/FPÖ B<strong>und</strong>esregierung eine<br />

härtere Gangart in Drogenfragen ankündigte<br />

<strong>und</strong> so bei „linken“ <strong>und</strong> „grünen“ Jugendlichen eine<br />

Re-Ideologisierung des Cannabisthemas einleitete.<br />

In der Folge trat eine Situation ein, die man<br />

schlagwortartig mit „Haschen gegen Rechts“ <strong>und</strong><br />

„Saufen gegen Links“ umschreiben könnte. Für<br />

Haschisch <strong>und</strong> gegen Alkohol einzutreten, wurde<br />

so wieder – wie schon in der Zeit der 68er Jugendbewegung<br />

– Symbol <strong>für</strong> eine weltanschauliche<br />

Gr<strong>und</strong>haltung.<br />

In dieser neuerlich polarisierten Situation wurden<br />

Forderungen in Zusammenhang mit der<br />

Problematik „Jugend <strong>und</strong> Alkohol“ aktiv zu werden<br />

von vielen „Linken“ <strong>und</strong> „Grünen“ spontan<br />

positiv aufgenommen – endlich ging es nicht<br />

gegen die Haschisch rauchenden eigenen Jugendlichen,<br />

sondern gegen die saufenden Jugendlichen<br />

der anderen Seite. Da die konservative<br />

Seite zwar dem Alkohol gegenüber recht<br />

positiv eingestellt ist, aber wenig Vorbehalte<br />

hat, wenn es darum geht Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

zu kontrollieren, ergab sich beim Thema<br />

„Jugend <strong>und</strong> Alkohol“ rasch ein Schulterschluss<br />

aller politischen Gruppierungen. Nur<br />

sehr zaghaft beginnen sich inzwischen Einzelne<br />

zu fragen, ob die Vehemenz, mit der rasche<br />

Maßnahmen gegen den Alkoholgebrauch von<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen gefordert werden,<br />

der Sache auch tatsächlich angemessen ist.<br />

Wer die negativen Erfahrungen, die die westlichen<br />

Kulturen über die letzten Jahrzehnte beim<br />

Versuch den illegalen Drogenkonsums zu kontrollieren<br />

gemacht haben, kennt, sollte wissen,<br />

dass kompromisslose Versuche unerwünschte<br />

Verhaltensweisen auszumerzen – ganz besonders<br />

unreflektierte Schnellschüsse –, recht<br />

leicht völlig kontraproduktiv ausgehen können.<br />

Akzeleration, Emanzipation <strong>und</strong><br />

Globalisierung der Trinkkulturen<br />

Die Entwicklung des Alkoholkonsums bei Kindern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen in unserer Gesellschaft<br />

ist aktuell von drei Entwicklungen geprägt:<br />

• Akzeleration: D.h. Kinder kommen immer<br />

früher in die Pubertät, sind früher körperlich<br />

entwickelt <strong>und</strong> werden früher zu relativ<br />

selbstständigen Jugendlichen. Dadurch machen<br />

Kinder auch früher erste relevante Erfahrungen<br />

mit Alkohol, wobei der in unserer<br />

Kultur übliche begrenzte Probierkonsum bei<br />

kleinen Kindern hier nicht gemeint ist.<br />

• Emanzipation: D.h. Frauen nehmen immer aktiver<br />

am öffentlichen Leben teil <strong>und</strong> die Substanzkonsumgewohnheiten<br />

der Männer <strong>und</strong><br />

Frauen gleichen sich aneinander an. Beim Alkohol<br />

bedeutet das, da der Gesamtkonsum<br />

seit Jahrzehnten sinkt, eine Zunahme des Alkoholkonsums<br />

bei Frauen bei gleichzeitiger Abnahme<br />

des Alkoholkonsums bei Männern.<br />

• Globalisierung der Trinkkulturen: D.h. wie<br />

bei allen Wirtschaftsgütern wird auch bei alkoholischen<br />

Getränken das Angebot immer<br />

größer <strong>und</strong> auf der ganzen Welt ähnlicher. In<br />

Europa kann man eine weitgehende Anpassung<br />

der Trinkgewohnheiten Richtung europäischer<br />

Durchschnitt feststellen: in den<br />

traditionellen Niedrigkonsumländern eine<br />

deutliche Konsumsteigerung <strong>und</strong> in den<br />

Hochkonsumländern einen Konsumrückgang.<br />

Die Globalisierung der Trinkkulturen<br />

führt, wie Klein (1997) betonte, aber nicht<br />

nur zu einer Diversifizierung der angebotenen<br />

Getränke, sondern auch zu einer Verarmung<br />

<strong>und</strong> Sinnentleerung vieler alter Trink<strong>und</strong><br />

Festrituale.<br />

1<br />

Wenn 10% der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens alkoholkrank werden, ergibt sich angesichts des Umstandes, dass das durchschnittliche Erkrankungsalter erst Jahre nach der Volljährigkeit liegt, <strong>und</strong> dass Alkoholiker erheblich<br />

früher sterben, eine Prävalenz des Alkoholismus in der erwachsenen Bevölkerung von 5%.<br />

2<br />

„Cannabiskonsum ist zwar keine ‚Norm’, aber erhält den Charakter des Normalen, d.h. gilt kaum mehr als deviant – wird mehr akzeptiert. ... Der Begriff ‚Alltagsdrogen’ soll unterstreichen, wie selbstverständlich die Existenz, die<br />

Bekanntheit <strong>und</strong> die Nutzung dieser Stoffe <strong>für</strong> Jugendliche in ihrem täglichen Verhalten <strong>und</strong> ganz besonders in der Auseinandersetzung mit ihren alterstypischen Entwicklungsaufgaben sind.“<br />

3<br />

„Jugendliche betrachten das Cannabisverbot wie das Verbot, in der Nacht bei Rot die Straße zu queren. Man weiß, es ist verboten, man möchte nicht erwischt werden – aber man fühlt sich nicht als deviant.“


Ausgabe 01/<strong>2003</strong> 5<br />

In Österreich gibt es keine Tradition regelmäßiger<br />

Erhebungen des Alkoholkonsums. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> muss <strong>für</strong> viele epidemiologische<br />

Fragestellungen auf ausländische Untersuchungen<br />

zurückgegriffen werden. Besonders anschaulich<br />

kann man das Phänomen der Akzeleration<br />

beim Alkoholkonsum anhand einer Untersuchung<br />

von Kraus et al. (2000) demonstrieren.<br />

Da die Trinkkultur in Deutschland sowohl quantitativ<br />

als auch qualitativ der österreichischen<br />

recht ähnlich ist, sind diese Ergebnisse recht<br />

gut auf Österreich übertragbar.<br />

Betrachtet man die letzten vierzig Jahre (Abb. 1,<br />

Abb. 2), kann man feststellen, dass das Alter, ab<br />

dem Kinder anfangen erste Erfahrungen mit Alkohol<br />

zu machen (um das 13. Lebensjahr) im Wesentlichen<br />

konstant bleibt (keine Verschiebung<br />

der Einstiegskurve), dass aber in den darauffolgenden<br />

Altersgruppen (ab dem 13. Lebensjahr)<br />

der jüngeren Geburtenjahrgänge die Zahl jener,<br />

die bereits mit den regelmäßigen Konsum begonnen<br />

haben, weit höher ist (Stauchung der Einstiegskurve),<br />

als das bei früheren Generationen<br />

der Fall war („Akzelerationshypothese“).<br />

Die deutliche Akzeleration beim Alkoholkonsum<br />

über die letzten vierzig Jahre – d.h. die kontinuierliche<br />

Zunahme des regelmäßigen Alkoholkonsums<br />

bei Jugendlichen – korrespondiert allerdings<br />

nicht mit einer Zunahme des Alkoholkonsums<br />

in der Gesamtbevölkerung. Ganz im Gegenteil,<br />

das Konsumausmaß in der Gesamtbevölkerung<br />

ist seit 30 Jahren deutlich rückläufig (Abb.<br />

3). Die unter Suchtprophylaktikern populäre These,<br />

dass ein früherer Einstieg in den Alkoholkonsum<br />

zwangsläufig zu stärkerem Konsum im Erwachsenenalter<br />

<strong>und</strong> zu mehr Problemen in Zusammenhang<br />

mit Alkohol führt, erscheint angesichts<br />

dieser Bef<strong>und</strong>e als widerlegt . 4<br />

Wie man Abb. 3 entnehmen kann, betrug der<br />

Pro-Kopf-Konsum der erwachsenen österreichischen<br />

Bevölkerung an reinem Alkohol im Jahr<br />

1999 durchschnittlich 13,9 Liter, was einer<br />

konsumierten Menge von 30 Gramm Reinalkohol<br />

pro Tag entspricht. Nachdem in den Nachkriegsjahren<br />

der Durchschnittskonsum mit<br />

steigendem Wohlstand bis Mitte der 70er Jahre<br />

kontinuierlich auf 15,9 Liter/Jahr (= 34<br />

Gramm/Tag) angewachsen war, ging er seit<br />

dieser Zeit stetig zurück.<br />

Abb. 1: Alkoholeinstiegsalter – Beginn des regelmäßigen Trinkens (einmal pro Monat)<br />

Männer in Deutschland – Geburtsjahrgänge 1972-1978, 1955-1964 u. 1935-1944<br />

Prozentsatz der regelmäßig Trinkenden<br />

(= mind. 1x/Monat)<br />

Quelle: Kraus et al. (2000); eigene Grafik<br />

Abb. 2: Alkoholeinstiegsalter – Beginn des regelmäßigen Trinkens (mind. einmal pro Monat)<br />

Frauen (BRD) Geburtsjahrgänge 1972-1978, 1955-1964 u. 1935-1944<br />

Prozentsatz der regelmäßig Trinkenden<br />

(= mind. 1x/Monat)<br />

Alter<br />

Quelle: Kraus et al. (2000); eigene Grafik<br />

Abb. 3: Entwicklung des Pro-Kopf-Konsums der Erwachsenen an reinem Alkohol<br />

in Österreich<br />

Gramm in Reinalkohol<br />

Alter<br />

Quelle: Handbuch: Alkohol - Österreich 2001 (Uhl et al., 2001)<br />

Kurve geglättet: Gleitmittelwerte über 5 Werte, 1 / 2 Liter Bier oder 1 / 4 Liter Wein oder 3 kleine Schnäpse à 2 cl<br />

enthalten jeweils ca. 20 g reinen Alkohol.<br />

4<br />

Es ist seit langem bekannt, dass Problemverhaltensweisen bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen miteinander korrelieren (vgl. Problem Behaviour Theory von Jessor & Jessor, 1977). „Früher Alkoholkonsum“ als Problemverhalten korreliert,<br />

wie immer wieder empirisch festgestellt wurde, mit einer Fülle von anderen Problemverhaltensweisen, wie Aggressivität, frühe Sexualität, Kriminalität, Suchtgefahr <strong>und</strong> vielem mehr. Wenn früher Alkoholkonsum sich nun<br />

als Prädiktor eignet, um andere Problemverhaltensweisen vorhersagen zu können, so bedeutet das nicht, dass eine spontane oder durch Intervention verursachte Veränderung des Alkoholkonsumalters eine gleichsinnige Veränderung<br />

in den anderen Problemverhaltensweisen hervorrufen muss. Kausalität manifestiert sich zwar gr<strong>und</strong>sätzlich in einem Zusammenhang, <strong>und</strong> Zusammenhänge können Gr<strong>und</strong>lage sein um Kausalität hypothetisch zu postulieren,<br />

aber von einem Zusammenhang zwingend auf Kausalität zu schließen ist logisch unzulässig („Cum Hoc Fehlschluss“).


6 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

Abb. 4: Täglicher Bier- oder Weinkonsum bei 11-, 13- <strong>und</strong> 15-jährigen Burschen<br />

Vergleich von 4 HBSC-Erhebungen in Österreich<br />

Quelle: Dür et al. (2002); eigene Grafik<br />

Abb. 5: Täglicher Bier- oder Weinkonsum bei 11-, 13- <strong>und</strong> 15-jährigen Mädchen<br />

Vergleich von 4 HBSC-Erhebungen in Österreich<br />

Quelle: Dür et al. (2002); eigene Grafik<br />

Bei den Auswirkungen von Akzeleration <strong>und</strong> Emanzipation auf den Alkoholkonsumbeginn handelt<br />

es sich um eine kontinuierliche langsame Entwicklung über mehrere Jahrzehnte <strong>und</strong> nicht um<br />

plötzlich auftretende Phänome der letzten Jahre. Bei Schülerbefragungen über die letzten 12 Jahrzehnte<br />

ergab sich trotz Akzeleration keine Zunahme jener, die täglichen Alkoholkonsum angaben<br />

(Abb. 4, Abb. 5).<br />

Etwas anders stellt sich die Situation in der<br />

HBSC-Studie dar, wenn man das Kriterium „bereits<br />

mindestens zweimal einen Alkoholrausch<br />

gehabt“ heranzieht. Da gibt es zwar bei den 11-<br />

<strong>und</strong> 13-Jährigen sowie bei den 15-jährigen Burschen<br />

keine Hinweise auf eine Zunahme im Beobachtungszeitraum,<br />

bei den 15-jährigen Mädchen<br />

ergab sich allerdings ein deutlicher Anstieg<br />

von 15% 1990 auf 36% 2001 (Abb. 6 <strong>und</strong><br />

Abb. 7). Die Mädchen haben sich in diesem<br />

Kriterium an das Niveau der Burschen angeglichen.<br />

Relativierend ist, dass sich in allen sechs<br />

nach Geschlecht <strong>und</strong> Alter gebildeten Gruppen<br />

keine relevante Steigerung des Kriteriums<br />

„häufige Berauschung“ („bereits öfter als 10<br />

mal“) ergeben hat. Bei den 15-jährigen Mädchen<br />

ergaben sich über den Beobachtungszeitraum<br />

hinweg folgende Werte: 1990 = 4%, 1994<br />

= 6%, 1998 = 8% <strong>und</strong> 2001 = 6%.<br />

Bei der Interpretation von Ergebnissen selbstberichtete<br />

Räusche betreffend sollte man<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich sehr vorsichtig sein. „Rausch“<br />

bedeutet eine merkliche bis starke Veränderung<br />

von Erlebtem <strong>und</strong> Gefühlen mit oder ohne<br />

Substanzgebrauch (Stimmer, 2000) <strong>und</strong> dieser<br />

Zustand reicht von „Schwips“ (leichte Berauschung)<br />

bis zum „lebensbedrohlichen Vollrausch<br />

mit Bewusstlosigkeit“. Wo interviewte<br />

Personen auf diesem Kontinuum die Grenze<br />

ziehen, wenn sie <strong>und</strong>ifferenziert danach gefragt<br />

werden, wie viele Alkoholräusche sie bereits<br />

gehabt haben, kann man aus Fragebogenergebnissen<br />

ohne detaillierte Rückfragen<br />

bei den Befragten nicht eruieren.<br />

Auch ist hier zu bedenken, dass Alkohol bei<br />

nicht daran gewöhnten Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen<br />

bereits bei relativ geringen Mengen<br />

deutliche Anzeichen eines Rausches hervorruft,<br />

während an Alkohol gewöhnte Personen<br />

auch bei relativ großen Mengen weder beeinträchtigt<br />

erscheinen noch subjektiv eine<br />

Beeinträchtigung erleben. Die vorschnelle Interpretation<br />

von Rausch als „Vollrausch“, wenn<br />

es um Rauscherfahrungen von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

geht, ist ungerechtfertigt. Weiters<br />

muss man noch bedenken, dass in unserem<br />

Kulturkreis Berichte über vergangene Alkoholräusche<br />

mehrheitlich als positiv besetzte<br />

Anekdoten präsentiert werden, dass Alkoholräusche<br />

als erwachsen <strong>und</strong> männlich gelten,<br />

<strong>und</strong> dass daher Jugendliche ihre diesbezüglichen<br />

Erfahrungen eher über- als untertreiben.<br />

Man könnte pointiert fragen, ob es nicht weit<br />

alarmierender ist, wenn Alkohol konsumierende<br />

Jugendliche über keine Räusche berichten.<br />

Es steht wohl außer Frage, dass es bei einem<br />

15-Jährigen weit wenig bedenklich ist, wenn er<br />

auf ein Viertel Liter Wein mit einem starken<br />

Rausch reagiert, als wenn er nach drei Viertel<br />

Liter Wein kein bisschen beeinträchtigt wirkt.<br />

Denn das zeigt, dass Alkoholkonsum bei ihm<br />

eher die Ausnahme als die Regel darstellt.<br />

Die Frage, was sich hinter den immer wieder<br />

über Umfragen erhobenen Räuschen von Kindern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen tatsächlich verbirgt –<br />

ob <strong>und</strong> in welchem Umfang es sich bloß um<br />

eher unproblematische Einzelereignisse in Zusammenhang<br />

mit pubertärem Grenzüberschreiten<br />

<strong>und</strong> Ausprobieren (Initiationsritus)<br />

handelt, oder ob <strong>und</strong> in welchem Umfang sich<br />

hier Anfänge von problematischen Entwicklungen<br />

abzeichnen, denen man im Rahmen der<br />

<strong>Prävention</strong> gezielt gegensteuern muss –, kann<br />

ohne ergänzende Untersuchungen nur recht<br />

spekulativ beantwortet werden – <strong>und</strong> solche<br />

Untersuchungen existieren in Österreich derzeit<br />

nicht.


Ausgabe 01/<strong>2003</strong> 7<br />

Abb. 6: Mehr als zwei Alkoholräusche bei 11-, 13- <strong>und</strong> 15-jährigen Burschen<br />

Vergleich von 4 HBSC-Erhebungen in Österreich<br />

Quelle: Dür et al. (2002); eigene Grafik<br />

Abb. 7: Mehr als zwei Alkoholräusche bei 11-, 13- <strong>und</strong> 15-jährigen Mädchen<br />

Vergleich von 4 HBSC-Erhebungen in Österreich<br />

Quelle: Dür et al. (2002); eigene Grafik<br />

Rauschexzesse bei Jugendlichen<br />

Während die HBSC-Daten keine großen Veränderungen<br />

im durchschnittlichen Alkoholkonsum<br />

Jugendlicher nahe legen <strong>und</strong> die starke<br />

Zunahme der wiederholt Rauscherfahrenen unter<br />

den 15-jährigen Mädchen aus vielerlei<br />

Gründen nur sehr bedingt als Indiz <strong>für</strong> zunehmende<br />

Alkoholprobleme bei Jugendlichen gewertet<br />

werden sollte, gibt es in den letzten Jahren<br />

verstärkt Hinweise auf Alkoholexzesse bei<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, die stationäre Spitalsbehandlungen<br />

nach sich ziehen. So hat die<br />

Zahl der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen, die in der<br />

Universitätsklinik <strong>für</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendheilk<strong>und</strong>e<br />

Graz wegen akuter Alkoholvergiftung<br />

behandelt wurden, über die letzten 10 Jahre<br />

von nahe null auf 140 Personen zugenommen<br />

(Abb. 8).<br />

Abb. 8: Alkoholintoxikation im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter (unter 19 Jahre) 1990 bis 2001<br />

Universitätsklinik <strong>für</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendheilk<strong>und</strong>e Graz<br />

Quelle: Müller (2002)


8 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

Abb. 9: Alkoholintoxikation im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter (1991-2001) nach Alter<br />

Universitätsklinik <strong>für</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendheilk<strong>und</strong>e Graz<br />

Quelle: Müller (2002)<br />

Die meisten dieser stationären Aufnahmen fielen in die Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen (Abb. 9). Vor<br />

dem 13. Lebensjahr waren nur Einzelfälle betroffen <strong>und</strong> ab dem 18. Lebensjahr nimmt, wohl infolge der<br />

zunehmenden Gewöhnung an Alkohol, die Zahl der im Spital behandelten Alkoholintoxikationen wieder ab.<br />

Abb. 10: Alkoholintoxikation im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter<br />

Burschen österreichweit im Vergleich zu erwachsenen Männern (1992-2000)<br />

pro 100.000 Wohnbevölkerung<br />

Quelle: Spitalsentlassenenstatistik (2002), eigene Auswertung<br />

Abb. 11: Alkoholintoxikation im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter<br />

Mädchen österreichweit im Vergleich zu erwachsenen Frauen (1992-2000)<br />

pro 100.000 Wohnbevölkerung<br />

Quelle: Spitalsentlassenenstatistik (2002), eigene Auswertung<br />

Da es sich bei den in Graz gef<strong>und</strong>enen Trends um ein lokales Spezifikum handeln könnte, haben<br />

wir zum Vergleich die Spitalsentlassungsdiagnosen aus ganz Österreich ausgewertet. Wie man<br />

Abb. 10 <strong>und</strong> Abb. 11 entnehmen kann, ist der B<strong>und</strong>estrend bei 15- bis 19-Jährigen beiderlei Geschlechts<br />

zwar ebenfalls ansteigend, das Ausmaß ist aber viel weniger stark als bei den Aufnahmen<br />

in die Universitätsklinik <strong>für</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendheilk<strong>und</strong>e Graz.<br />

Bei der Interpretation von Spitalsentlassungsdiagnosen<br />

ist allerdings große Vorsicht geboten,<br />

weil die Erstellung der Diagnosen über<br />

den Beobachtungszeitraum unter unterschiedlichen<br />

Rahmenbedingungen erfolgte. Auf eine<br />

Routinephase, in der die Diagnosen einfach gemeldet<br />

wurden, folgte eine Phase, in der die<br />

Diagnosen zur Erstellung eines Berechnungsschlüssels<br />

<strong>für</strong> die leistungsorientierte Krankenanstalten-Finanzierung<br />

(LKF) herangezogen<br />

wurden. Seit 1997 werden die Diagnosen nunmehr<br />

als Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die LKF-Leistungsabrechnung<br />

herangezogen. Angesichts der enormen<br />

Veränderung der ökonomischen Bedeutung<br />

der Spitalsentlassungsdiagnostik <strong>für</strong> die<br />

Krankenanstalten vor <strong>und</strong> nach der Umstellung<br />

auf die LKF-Leistungsabrechnung wäre es nahezu<br />

ein W<strong>und</strong>er, wenn diese keinen verzerrenden<br />

Einfluss auf die Diagnosepraxis gehabt<br />

hätte. Das Ausmaß der möglichen Verzerrung<br />

kann man an der Zahl der Hauptdiagnosen<br />

„Nikotin-abusus“ ermessen, die im Beobachtungszeitraum<br />

auf das r<strong>und</strong> Siebenfache angestiegen<br />

sind, obwohl in diesem Zeitraum von<br />

einer deutlichen Zunahme des Rauchverhaltens<br />

in der Bevölkerung keine Rede sein kann<br />

(Abb. 12).<br />

Zusammenfassung <strong>und</strong><br />

Interpretation der Ergebnisse<br />

Das Einstiegsalter in den Alkoholkonsum sank<br />

über die letzten Jahrzehnte akzelerationsbedingt<br />

kontinuierlich, <strong>und</strong> bei Mädchen ist dieser<br />

Effekt, weil sich hier der Akzelerationseffekt<br />

<strong>und</strong> der Emanzipationseffet addieren, besonders<br />

groß. Betrachtet man parallel dazu die<br />

Entwicklung des Gesamtalkoholkonsums in der<br />

Bevölkerung, zeigt sich, dass es trotz kontinuierlich<br />

sinkendem Alkoholtrinkbeginn im späteren<br />

Leben nicht zu mehr Alkoholholproblemen<br />

kommt – ganz im Gegenteil, der Durchschnittskonsum<br />

ist nun schon seit vielen Jahren rückläufig.<br />

Da es sich bei Akzeleration <strong>und</strong> Emanzipation<br />

um langfristige Entwicklungen handelt,<br />

ergeben sich bei repräsentativen Befragungen<br />

von Jugendlichen über das letzte Jahrzehnt<br />

auch keine gravierenden Beobachtungen, sieht<br />

man von einer deutlichen Zunahme der 15-<br />

jährigen Mädchen mit wiederholten Alkoholrauscherfahrungen<br />

ab. Angesichts des Umstandes,<br />

dass es auch bei den 15-jährigen<br />

Mädchen über den Beobachtungszeitraum hinweg<br />

keine deutliche Steigerung des Kriteriums<br />

„häufige Berauschung“ (öfter als 10 mal betrunken<br />

gewesen) gegeben hat, ist auch dieser<br />

Bef<strong>und</strong> nicht sehr spektakulär.


Ausgabe 01/<strong>2003</strong> 9<br />

Abb. 12: Hauptdiagnose Nikotinabusus bei beiderlei Geschlecht (1992-2000)<br />

Hauptdiagnosen pro Jahr<br />

• Denkbar ist, dass die Zahl der Aufnahmen in<br />

Wirklichkeit gar nicht gestiegen ist <strong>und</strong> dass<br />

sich hinter den Zahlen – analog zu den<br />

Hauptdiagnosen „Nikotinabusus“ – ein Aufzeichnungsartefakt<br />

versteckt. Dass ein Teil<br />

des Effekts mit der zunehmenden Bereitschaft<br />

der Ärzte ihrer Diagnose- <strong>und</strong> Berichtsverpflichtung<br />

nachzukommen erklärbar<br />

ist, kann angenommen werden. Es ist auch<br />

plausibel, dass Ärzte infolge der wachsenden<br />

Sensibilisierung <strong>für</strong> das Thema „Jugend<br />

<strong>und</strong> Alkohol“ bei ähnlich gelagerten Fällen<br />

zusehends statt neutralen Diagnosen wie<br />

„Kreislaufversagen“ zu stigmatisierenderen<br />

aber korrekteren alkoholspezifischen Diagnosen<br />

gewechselt sind (Sensibilisierungsbias).<br />

Auch wenn man vernünftigerweise fordern<br />

sollte <strong>und</strong> fordern kann, dass Jugendliche bis<br />

zu ihrem 16. Geburtstag weitgehend alkoholfrei<br />

aufwachsen, so ist es in einer Kultur, in<br />

der Alkoholkonsum integraler Bestandteil des<br />

gesellschaftlichen Erwachsenenlebens ist,<br />

recht unwahrscheinlich, dass nicht bereits vor<br />

Erreichen des legalen Trinkalters erste Experimente<br />

mit Alkohol gemacht werden – <strong>und</strong> sofern<br />

sich diese Experimente in Grenzen halten<br />

gibt es keinen Gr<strong>und</strong> das übermäßig zu dramatisieren.<br />

Da die ersten Alkoholerfahrungen infolge<br />

noch nicht vorhandener Toleranz der<br />

Substanz gegenüber oft mit relativ geringen<br />

Mengen zu einer deutlichen Berauschung<br />

führen, ist ein Anteil von 1/3 der unter 15-Jährigen,<br />

die bereits auf mehr als eine Rauscherfahrung<br />

zurückblicken, auch nicht wirklich überraschend.<br />

Um beurteilen zu können, ob <strong>und</strong> in<br />

welchem Umfang sich hinter den berichteten<br />

Räuschen Problemverhaltensweisen verbergen,<br />

müsste man erheblich detaillierter fragen.<br />

Alarmierend sind in letzter Zeit Berichte über<br />

die Zunahme exzessiven Alkoholkonsums, der<br />

sich in zunehmenden Aufnahmen von Kindern<br />

Quelle: Spitalsentlassenenstatistik (2002); eigene Auswertung<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen in Krankenanstalten wegen<br />

Alkoholvergiftungen manifestiert. Die besonders<br />

drastische Anstieg der Zahlen aus der<br />

Universitätsklinik <strong>für</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendheilk<strong>und</strong>e<br />

Graz von Einzelfällen auf 140 Aufnahmen<br />

pro Jahr werden zwar etwas relativiert,<br />

wenn an diese mit den österreichweiten Entwicklungen<br />

vergleicht; ein Anstieg um r<strong>und</strong><br />

100% bei 15- bis 19-jährigen Burschen <strong>und</strong> von<br />

r<strong>und</strong> 200% bei 15- bis 19-jährigen Mädchen auf<br />

gesamtösterreichischer Ebene ist aber nichtsdestoweniger<br />

beachtlich <strong>und</strong> beängstigend.<br />

Es fragt sich nun, wie dieser dramatische Anstieg<br />

der alkoholisierungsbedingten Spitalsaufnahmen<br />

zustande gekommen ist, <strong>und</strong> dazu gibt<br />

es gegenwärtig nur wenig Erhellendes zu berichten.<br />

• Denkbar ist auch, dass die Zahl der alkoholisierungsbedingten<br />

Aufnahmen von Jugendlichen<br />

in Krankenanstalten tatsächlich stark<br />

gestiegen ist, dass sich dahinter aber nicht<br />

zunehmende Alkoholexzesse bei Jugendlichen,<br />

sondern geänderte Rahmenbedingungen<br />

manifestieren. So ist denkbar, dass sich<br />

die Konsumorte verstärkt in öffentlichere<br />

Bereiche verlagert haben, wo unbeteiligte<br />

Dritte dann eher die Rettung rufen; dass infolge<br />

der Sensibilisierung <strong>für</strong> das Thema „Jugend<br />

<strong>und</strong> Alkohol“ <strong>und</strong> dem steigenden Bewusstsein,<br />

dass Alkoholvergiftungen auch<br />

letal ausgehen können, Eltern, Fre<strong>und</strong>e oder<br />

andere nahestehende Personen eher professionelle<br />

Hilfe suchen als das noch vor einem<br />

Jahrzehnt der Fall war.<br />

• Denkbar ist auch, dass sich hinter dem Phänomen<br />

ein tatsächlicher Anstieg exzessiven<br />

Trinkverhaltens bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

abbildet, dass dieses Verhalten aber<br />

nur ein kleines extremes Segment von Kindern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen betrifft. Das würde<br />

auch erklären, warum diese Effekte sich bei<br />

Erhebungen, die einen Querschnitt der Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen einbeziehen, nicht entsprechend<br />

abgebildet werden.<br />

• Am plausibelsten ist – ohne weitere Informationen<br />

zur Verfügung zu haben –, dass alle<br />

genannten Ursachen einen gewissen Beitrag<br />

zur Entstehung des Phänomens liefern.<br />

Wie stark die jeweiligen Einflussgrößen sind,<br />

kann man allerdings nur mutmaßen.<br />

Ohne ergänzende qualitative Untersuchungen<br />

dieses Phänomens kann man nicht einmal sagen,<br />

ob es sich bei den betreffenden Kindern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen um Personen handelt, die<br />

immer wieder alkoholisiert ins Krankenhaus<br />

eingeliefert werden (gezählt werden in der Statistik<br />

Aufnahmen <strong>und</strong> nicht behandelte Personen),<br />

oder ob es sich immer um andere Individuen<br />

handelt. Unklar ist auch, ob es sich um<br />

einmalige Unfälle von Kindern <strong>und</strong> Jugendli-


10 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

chen handelt, die sonst bezüglich Alkohol unauffällig<br />

sind, oder um Personen, deren Alkoholkonsumverhalten<br />

generell als bedenklich zu<br />

beurteilen ist. Interessante Einblicke kann man<br />

sich von einer aktuell geplanten qualitativen<br />

Untersuchung der Kinderklinik Innsbruck erhoffen,<br />

die dem Phänomen, dass dort die alkoholisierungsbedingten<br />

Aufnahmen von Kindern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen in den letzten fünf Jahren<br />

fast auf das Doppelte angestiegen sind, umfassend<br />

nachgehen will (Sprenger, <strong>2003</strong>).<br />

Ob das Alkoholproblem bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

allgemein oder bei einer extremen<br />

Teilgruppe dramatisch zunimmt bzw. ob es<br />

sich bloß um einen wenig bedeutsamen vorübergehenden<br />

Trend oder gar um einen Artefakt<br />

handelt, lässt sich angesichts der aktuell vorliegenden<br />

empirischen Bef<strong>und</strong>e nicht eindeutig<br />

klären. Dass Alkoholmissbrauch <strong>und</strong> Alkoholismus<br />

ein gravierendes gesellschaftliches Problem<br />

darstellen, <strong>und</strong> dass hier großer Handlungsbedarf<br />

besteht, ist allerdings unbestreitbar.<br />

Das Alkoholproblem ist – auch wenn das<br />

viele Erwachsene nicht gerne hören – primär<br />

ein Problem der Erwachsenen <strong>und</strong> nur in zweiter<br />

Linie ein Problem der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> sollte man allen Bestrebungen<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche exklusiv<br />

ins Zentrum des Interesses zu rücken mit<br />

großer Vorsicht gegenübertreten. Vom eigentlichen<br />

Problem abzulenken, indem man den Fokus<br />

einseitig auf Kinder <strong>und</strong> Jugendliche legt<br />

<strong>und</strong> sich diese betreffend immer strengere<br />

Kontrollmaßnahmen <strong>und</strong> Strafbestimmungen<br />

überlegt, ohne im entferntesten zu riskieren,<br />

selbst davon tangiert zu werden, ist weder<br />

sachlich gerechtfertigt noch ethisch vertretbar.<br />

Literatur<br />

Bäcker, W. (2001): Diskussionsbeitrag bei der<br />

Tagung „Jugend <strong>und</strong> Alkohol“, B<strong>und</strong>esministeriumsgebäude,<br />

am 23.11.2001, Wien<br />

Dür, W.; Mravlag, K.; Stidl, T.; Wannenmacher,<br />

G. (2002): Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsverhalten<br />

bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, Bericht zur<br />

Ges<strong>und</strong>heit der 11-, 13- <strong>und</strong> 15-Jährigen in<br />

Österreich – Aufbereitung der Daten des 6.<br />

WHO-HBSC-Surveys 2001 <strong>und</strong> die Trends <strong>für</strong><br />

1990 – 2001. Ludwig-Boltzmann-Institut <strong>für</strong><br />

Medizin- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitssoziologie, Wien<br />

Fahrenkrug, H. (2000): Cannabis in Switzerland:<br />

On the way to Normalisation? in: Springer, A.;<br />

Uhl, A. (eds.): Illicit Drugs: Patterns of Use - Patterns<br />

of Response. Proceedings of the 10th Annual<br />

ESSD Conference on Drug Use and Drug<br />

Policy in Europe. Studienverlag, Innsbruck<br />

Freitag, M.; Hurrelmann, K. (Hrsg.) (1999): Illegale<br />

Alltagsdrogen, Cannabis, Ecstasy, Speed<br />

<strong>und</strong> LSD im Jugendalter. Juventa, Weinheim<br />

Jessor, R.; Jessor, S.L. (1977): Problem behavior<br />

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study of youth. Academic Press, New York<br />

Klein, M. (1997): Ziele <strong>und</strong> Strukturen des<br />

Suchthilfesystems – gestern, heute, morgen.<br />

Vortrag zur Freiburger Sozialtherapiewoche<br />

1997 des deutschen Caritasverbandes vom 3.-<br />

7. März.<br />

Kraus, L.; Bloomfield, K.; Augustin, R.; Reese, A.<br />

(2000): Prevalence of Alcohol Use and the Association<br />

Between Onset of Use and Alcohol-<br />

Related Problems in a General Population Sample<br />

in Germany. Addiction, 95 (9), 1389-1401<br />

Müller, W. (2002): Alkoholintoxikation im Kindes-<br />

<strong>und</strong> Jugendalter, persönliche Mitteilung,<br />

Graz<br />

Sprenger, M. (<strong>2003</strong>): Geplante Studie in Innsbruck.<br />

Persönliche Mitteilung.<br />

Stimmer, F. (Hrsg.) (2000): Lexikon der Sozialpädagogik<br />

<strong>und</strong> der Sozialarbeit. 4. überarbeitete<br />

<strong>und</strong> erweiterte Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag,<br />

Oldenbourg<br />

Uhl, A. (2002): Todesfälle durch Substanzkonsum:<br />

Wie sinnvoll ist dieses Konzept? Wiener<br />

Zeitschrift <strong>für</strong> Suchtforschung, 25, 1/2, 23-32<br />

Uhl, A.; Kopf, N.; Springer, A.; Eisenbach-<br />

Stangl, I.; Kobrna, U.; Bachmayer, S.; Beiglböck,<br />

W.; Preinsberger, W.; Mader, R. (2001):<br />

Handbuch: Alkohol - Österreich: Zahlen, Daten,<br />

Fakten, Trends 2001. Zweite, überarbeitete<br />

<strong>und</strong> ergänzte Auflage. B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong><br />

soziale Sicherheit <strong>und</strong> Generationen, Wien<br />

Trance Alpin<br />

Jugendliches Rauschtrinken – (natur)trübe Aussichten oder<br />

Herausforderung <strong>für</strong> die <strong>Jugendarbeit</strong><br />

Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Haring, Hall/Tirol<br />

Einleitung<br />

Tirol ist ein B<strong>und</strong>esland, dessen primäre Einnahmequelle<br />

der Fremdenverkehr ist. Bei ca.<br />

700.000 Einwohnern hat Tirol 350.000 Fremdenbetten,<br />

es gibt Fremdenverkehrsgemeinden,<br />

deren Anzahl an Gästebetten die Einwohnerzahl<br />

bei weitem übersteigen. Viele dieser<br />

Tourismuszentren sind primär auf die Wintersaison<br />

ausgerichtet. In den Wintermonaten<br />

ist in diesen Gemeinden die „Hölle los“,<br />

während in den Zwischensaisonen <strong>und</strong> u.U.<br />

auch in den Sommermonaten der Konsum einer<br />

Tasse Tee unmöglich scheint. Sowohl Gäste<br />

als auch Tourismusmitarbeiter haben die Region<br />

verlassen, selbst Einheimische suchen ihr<br />

Glück andernorts zu finden. Jedoch auch in<br />

diesen Monaten wird im Hintergr<strong>und</strong> schon


Ausgabe 01/<strong>2003</strong> 11<br />

emsig die neue Wintersaison vorbereitet. Man<br />

verhandelt mit Banken, denn mit einem bestimmten<br />

Zuwachs an Umsätzen müsste doch<br />

noch ein Zubau am Hotel steigende Gewinne<br />

versprechen, Events werden geplant, die neue<br />

Gäste anziehen sollen, <strong>und</strong> zusätzliche Attraktionen,<br />

die Jahr <strong>für</strong> Jahr eine steigende Anziehungskraft<br />

der jeweiligen Region garantieren<br />

sollen. Alle sind sich im Klaren: mit Schnee<br />

von gestern lässt sich kein Gast in die tief verschneiten<br />

(?) Alpentäler locken.<br />

Diese wirtschaftliche Monokultur ist die Realität<br />

Tirols. Politik <strong>und</strong> Zukunftsplaner arbeiten<br />

schon verbissen an neuen Modellen, die entweder<br />

dem langsam sich im Ausbrennen befindlichen<br />

Event-Tourismus neue Ideen gegenüberstellen<br />

(Wellness ist angesagt – gemütlich-besinnliche<br />

Naturabenteuer zwischen<br />

Liftstützen), bzw. neue innovative Betriebe fördern,<br />

die nichts mit dem Tourismus zu tun haben.<br />

Dies ist die Realität, in der Jugendliche in Tirol<br />

heranwachsen. In wie weit diese Gegebenheiten<br />

Jugendliche besonders belasten, soll Thema<br />

dieser Arbeit sein.<br />

Problemlage<br />

Die Jugendlichen in diesen Gemeinden leben<br />

mit dem Tourismus. Sie machen in den Monaten<br />

der Wintersaison das Leben der Touristen mit –<br />

mit dem Unterschied, dass Wintergäste <strong>für</strong> eine<br />

Woche die „Sau raus“ lassen (länger kann sich<br />

das niemand finanziell leisten), die Einwohner<br />

dieser Gemeinden jedoch von November bis<br />

April, Jahr <strong>für</strong> Jahr. Anschließend fällt die Gemeinde<br />

in einen Dornröschenschlaf <strong>und</strong> es herrscht<br />

lähmende Langeweile. Die Jugendlichen<br />

finden auch kaum ein Familienleben vor, denn<br />

alle Zeit wird dem Gast gewidmet <strong>und</strong> die Jugend<br />

ist auf sich selbst gestellt bzw. wird dem<br />

Tourismus überlassen. Kampftrinken ist angesagt.<br />

Um Jugendliche zum Konsum von Alkohol<br />

zu animieren, wird mit Sonderangeboten<br />

gelockt. So wird z.B. der Konsum einer Flasche<br />

Whisky mit einer weiteren Gratisflasche belohnt,<br />

oder Happy Hours laden mit sensationellen<br />

Preisen zum Konsum weit höherer Alkoholmengen<br />

ein, als den jeweiligen Jugendlichen gut<br />

tut.<br />

Fakten, die uns wieder beruhigen<br />

Trotz der oben angeführten Fakten sinkt österreichweit<br />

der jährliche Alkoholkonsum pro<br />

Kopf. Ein weiteres Faktum ist, dass die Häufigkeit<br />

psychiatrischer Aufnahmen aus Tourismusgemeinden<br />

sich in nichts von „Nicht-Tourismusgemeinden“<br />

unterscheidet. Auch die<br />

Aufnahmen an unserer Alkoholentwöhnungsstation<br />

sind aus Tourismusgemeinden nicht<br />

häufiger. Sehr wohl sehen wir aber, dass bestimmte<br />

Berufsgruppen (Köche, Kellner, Bauwirtschaft)<br />

Hochrisikopopulationen <strong>für</strong> die Entwicklung<br />

von Alkoholabhängigkeit sind. Wir<br />

schließen daraus, dass weniger die psychosozialen<br />

Belastungen, die in derartigen Gemeinden<br />

entstehen <strong>für</strong> die Entwicklung einer Alkoholproblematik<br />

verantwortlich sind, sondern<br />

eher spezifische berufsgruppenbezogene Faktoren<br />

den Ausschlag geben.<br />

Vorsicht ist geboten<br />

Ich möchte hier darauf hinweisen, dass <strong>für</strong><br />

komplexe Probleme oft überschnell sehr einfache<br />

Erklärungsmuster herhalten müssen:<br />

Wir haben ein Problem in unserer Gemeinde!<br />

<br />

Was könnte schuld sein?<br />

<br />

Der Tourismus!!!<br />

Ich möchte alle ermuntern sich vor zu einfachen<br />

Antworten zu hüten. Sie führen niemals<br />

zu zielführenden Problemlösungsstrategien,<br />

sondern bestenfalls zu Scheinlösungen (aber<br />

Hauptsache, man hat sich was überlegt).<br />

Junge Menschen gehen immer <strong>und</strong><br />

überall extreme Wege<br />

Junge Menschen neigen zu extremen, gegen<br />

die herrschenden gesellschaftlichen Strömungen<br />

gerichtete Verhaltensweisen. Häufig ist<br />

diese Zeit auch durch gesteigerten bis exzessiven<br />

Substanzkonsum gekennzeichnet. Die Frage,<br />

ob diese normative Krise zu einem in weiterer<br />

Folge pathologisch fixierten Verhaltensmuster<br />

wird, hängt von vielen sozialen Bedingungen<br />

ab, deren intrapsychische Verarbeitung<br />

besonders wichtig ist. Die Frage ist: Ist die<br />

psychische Ausstattung eines Jugendlichen<br />

ausreichend, um den Stürmen der Pubertät<br />

unter den jeweiligen sozialen Bedingungen<br />

Stand zu halten oder nicht. Mich interessiert<br />

im Einzelnen nicht, wie viel <strong>und</strong> was ein Jugendlicher<br />

an Substanzen konsumiert, sondern,<br />

wie er mit seiner derzeitigen Lebenssituation<br />

zurechtkommt. Wer sein Leben mit reifen,<br />

altersentsprechenden Mechanismen bewältigt,<br />

läuft nicht Gefahr, abhängig zu werden<br />

oder eine andere psychische Problematik zu<br />

entwickeln.<br />

Die meisten Jugendlichen gehen aus der Zeit<br />

des „Sturm <strong>und</strong> Dranges“ geläutert hervor, allerdings<br />

gehen einige wenige tatsächlich vor<br />

die H<strong>und</strong>e. Diese zu identifizieren ist wichtig.<br />

Erwachsene zeigen jedoch gerne mit ihrem<br />

Finger auf die gesamte, ach so schlimme „heutige<br />

Jugend“, so, als ob sie die eigene Pubertät<br />

vollkommen vergessen hätten.<br />

Jugendliche mit psychosozialen<br />

Problemen<br />

Jugendliche, die Probleme haben, zeigen in der<br />

Regel mehrere psychosoziale Auffälligkeiten.<br />

Wir haben von Hall aus 622 Schüler in 4 höheren<br />

Schulen in den Bezirken Innsbruck Stadt<br />

<strong>und</strong> Innsbruck Land, primär mit dem Ziel,<br />

selbstschädigende Handlungen zu identifizieren,<br />

untersucht (Siehe Tab. 1).<br />

Tab. 1: Die Schülerstudie<br />

❑ 622 Schüler<br />

❑ Befragung mittels Fragebogen<br />

❑ 4 höhere Schulen<br />

❑ IBK-Stadt <strong>und</strong> IBK-Land<br />

❑ 49 % männlich, Alter 16,7 J.<br />

51% weiblich, Alter 16,2 J.<br />

Es hat sich im Rahmen dieser Untersuchung<br />

herausgestellt, dass 19,3% der weiblichen<br />

<strong>und</strong> 7,2% der männlichen Jugendlichen eine<br />

suizidale Handlung im weitesten Sinn in ihrer<br />

Biografie angeben. Die Jugendlichen mit<br />

selbstschädigenden Handlungen unterscheiden<br />

sich von denen ohne selbstschädigende<br />

Handlungen besonders darin, dass Jugendliche<br />

mit selbstschädigenden Handlungen signifikant<br />

höhere Mengen an Alkohol, Medikamenten,<br />

aber auch illegalen Drogen konsumieren,<br />

häufiger Essverhaltensstörungen zeigen.


12 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

Körperliche Beschwerden bei Jugendlichen mit <strong>und</strong> ohne<br />

selbstschädigende Handlungen<br />

Neben einem gesteigerten Konsumverhalten <strong>und</strong> vermehrten psychosozialen Problemen zeigten<br />

Jugendliche mit vermehrten selbstschädigenden Handlungen auch einen höheren Anteil an körperlichen<br />

Beschwerden. Dies verw<strong>und</strong>ert natürlich nicht, wenn man den Menschen als Körper –<br />

Seele – Einheit sieht. Wer vermehrte psychosoziale Probleme hat, drückt diese natürlich auch<br />

durch körperliche Symptome aus. Ein schlechtes Ges<strong>und</strong>heitsverhalten <strong>und</strong> das gesteigerte Konsumverhalten<br />

tun das ihrige dazu. Menschen, die in erster Linie körperliche Symptome zeigen,<br />

werden allerdings meist auch nur gegen ihre körperlichen Symptome behandelt.<br />

Abbildung 2: Körperliche Beschwerden bei Jugendlichen mit <strong>und</strong> ohne<br />

selbstschädigende Handlungen<br />

Prozent<br />

Schlussfolgerungen<br />

Soziale Belastungen in Tourismusregionen sind<br />

natürlich objektivierbar, aber auch anderswo<br />

gibt es Probleme – aus diesem Gr<strong>und</strong> sollte<br />

man voreilige Schlussfolgerungen, Pauschalverurteilungen<br />

<strong>und</strong> Schuldzuweisungen auf bestimmte<br />

Umstände zurückhaltend einsetzen.<br />

Die Tourismuswirtschaft ist nur Teil dieser<br />

Welt, die es als Ganzes zu überdenken gilt. Das<br />

dauernde Steigern von Leistung, Einkommen,<br />

Freizeit auf der einen Seite, dem drohenden<br />

Ausschluss aus der sozialen Integration (siehe<br />

diverse Armutsstudien) auf der anderen Seite,<br />

belasten einen hohen Prozentsatz der Bevölkerung<br />

unabhängig von der Region, die sie bewohnen.<br />

Eine Abschlussarbeit des Suchtberaterlehrgangs<br />

der Universität Innsbruck, die<br />

sich mit der Wohnungslosigkeit Jugendlicher<br />

auseinander setzt, zeigt, dass viele wohnungslose<br />

Jugendliche aus sehr desolaten Verhältnissen<br />

stammen, schon deren Eltern am Rande<br />

ihrer Existenz stehen <strong>und</strong> keine freien Beziehungsvalenzen<br />

<strong>für</strong> ihre Kinder mehr zur Verfügung<br />

haben.<br />

Wem teilt sich der Jugendliche mit seinen Problemen mit?<br />

Ein wichtiges Ergebnis der Schülerstudie war, dass die Jugendlichen vorwiegend Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

Fre<strong>und</strong>innen in ihre Probleme einweihen, während Eltern, Lehrer, Ärzte aus der Kommunikation<br />

eher ausgeschlossen werden (siehe Tab. 2). Dies bedeutet, dass in der <strong>Jugendarbeit</strong> vorwiegend<br />

darauf geachtet werden sollte, die Peer Group als primäres Kontaktorgan zu sehen.<br />

Tab. 2: Wem teilen sich Jugendliche mit ihren Problemen mit:<br />

Kontakt mit: weiblich männlich<br />

Behandlung in einem Krankenhaus 11,7% 4,5%<br />

Hilfe in Anspruch genommen 20,3% 13,6%<br />

Vater 11,7% 18,2%<br />

Mutter 25,0% 31,8%<br />

Geschwister 20,0% 36,4%<br />

Verwandte 11,7% 9,1%<br />

Der Fre<strong>und</strong>/die Fre<strong>und</strong>in 63,3% 68,2%<br />

Fre<strong>und</strong>eInnen 71,7% 72,7%<br />

HausarztIn 13,3% 18,3%<br />

Lehrer 5,0% 4,5%<br />

Sozialarbeiter/Streetworker 3,0% 0,0%<br />

Andere 6,7% 22,7%<br />

Junge Menschen, egal in welcher Region sie leben,<br />

schaffen sich ihre eigenen Welten, die oft<br />

nicht schlechter, sondern deutlich besser sind<br />

als unsere so wohlbehütete Erwachsenenwelt.<br />

Uns Erwachsenen ist die bewahrende Rolle<br />

zugedacht, den Jugendlichen die Rolle der Veränderer<br />

– dass diese beiden Rollen immer wieder<br />

aufeinanderprallen ist kein W<strong>und</strong>er. Wir<br />

sollten Jugend mehr hören <strong>und</strong> ihre Anliegen<br />

ernst nehmen. Sie sind unsere Zukunft <strong>und</strong><br />

vielleicht Garanten <strong>für</strong> eine bessere Zukunft.<br />

Die Idee, die die Erwachsenenwelt zum Thema<br />

Zukunft hat, (Gewinnmaximierung, Neoliberalismus<br />

<strong>und</strong> Globalisierung) stimmt mich eher<br />

pessimistisch. Mein ganzes Hoffen liegt in der<br />

heutigen Jugend, so wie sie ist, nicht, wie wir<br />

sie gerne hätten.


Ausgabe 01/<strong>2003</strong> 13<br />

STATEMENT<br />

Alkohol <strong>und</strong> <strong>Jugendarbeit</strong> – aus Sicht der <strong>Prävention</strong><br />

Wolfgang Zeyringer, Graz<br />

Neue Ansätze der <strong>Prävention</strong><br />

Die Frage, wie innerhalb der <strong>Jugendarbeit</strong> konstruktiv<br />

mit Alkohol umgegangen werden kann,<br />

war bis vor einiger Zeit noch keine selbstverständliche<br />

Fragestellung. Suchtpräventive<br />

Strategien tendierten dazu, konsumierende Jugendliche<br />

entweder zur Abstinenz oder in die<br />

Suchttherapie bringen zu wollen. Erst in den<br />

letzten Jahren wurde ein neues Profil von Sek<strong>und</strong>ärprävention<br />

verfolgt <strong>und</strong> pädagogische<br />

Konzepte entwickelt, die unter Stichworten wie<br />

„Drogenmündigkeit“ (vgl. Barsch 2001) „Risikokompetenz“<br />

(vgl. Franzkowiak 2001) oder<br />

„Risflecting“ (vgl. Koller 2002) die Frage nach<br />

dem Umgang mit psychoaktiven Substanzen in<br />

Jugendeinrichtungen stellen.<br />

Offen bleibt, wie sek<strong>und</strong>äre Suchtprävention<br />

definiert werden kann. Gehen wir davon aus,<br />

dass jugendliches Risikoverhalten neben anderen<br />

Entwicklungsaufgaben einen Teil jugendlicher<br />

Entwicklung bildet <strong>und</strong> betrachten wir die<br />

Zielgruppen, mit denen <strong>Jugendarbeit</strong> zu tun hat<br />

(manche würden zynisch von einer Armada an<br />

„Risikojugendlichen“ sprechen), so könnte folgende<br />

Definition geeignet sein:<br />

Sek<strong>und</strong>ärprävention hat den Auftrag, (stark)<br />

konsumierende Mädchen <strong>und</strong> Jungen in ihrer<br />

Auseinandersetzung mit dem Konsum psychoaktiver<br />

Substanzen kritisch pädagogisch zu begleiten.<br />

(vgl. Schwarting 2001)<br />

Hiermit kann einerseits verhindert werden,<br />

dass konsumierende Jugendliche per se als<br />

suchtgefährdet angesehen werden <strong>und</strong> damit<br />

behandlungsbedürftig sind. Zum anderen wird<br />

der Fokus nicht ausschließlich auf den Konsum<br />

verengt – sondern es werden auch die ihm zugr<strong>und</strong>e<br />

liegenden Bedingungen <strong>und</strong> Zusammenhänge,<br />

die <strong>für</strong> Jugendliche in einem Sinnzusammenhang<br />

stehen, thematisiert.<br />

Mit welchen Phänomenen sieht sich die Suchtprävention<br />

nun konfrontiert, wenn es um den<br />

Umgang mit Alkohol in der <strong>Jugendarbeit</strong> geht?<br />

Von unkoordinierten<br />

Einzelmaßnahmen...<br />

Festzustellen ist, dass es innerhalb der einzelnen<br />

Formen der außerschulischen <strong>Jugendarbeit</strong><br />

unterschiedlichste Strategien gibt, wie mit<br />

Alkohol umgegangen werden kann. Die Bandbreite<br />

reicht dabei vom R<strong>und</strong>enzahlen im Fußballverein<br />

nach dem verlorenen Sonntagsspiel<br />

über konsumfrei definierte Räume in Jugendzentren<br />

bis hin zu akzeptierenden Ansätzen in<br />

der mobilen <strong>Jugendarbeit</strong>.<br />

Dennoch gibt es Aspekte, die all diese unterschiedlichen<br />

Zugänge verbindet:<br />

• Alkohol ist überall ein Thema: Für den Großteil<br />

der Jugendlichen (<strong>und</strong> der <strong>Jugendarbeit</strong>er/innen)<br />

gehört der Konsum alkoholischer<br />

Getränke zu den eigenen Alltagserfahrungen<br />

• Es gibt überall Antworten (keine Lösungen!)<br />

der Erwachsenenwelt, wie mit dem Thema<br />

umgegangen werden kann (vom bestätigenden<br />

Augenzwinkern bis zum Appell, ja nicht<br />

zu trinken)<br />

• Innerhalb des sozialen Systems, in dem eine<br />

Jugendeinrichtung positioniert ist, ist es oft<br />

intransparent (sowohl <strong>für</strong> die Jugendlichen,<br />

als auch <strong>für</strong> Betreuer/innen oder übergeordnete<br />

Träger), wer diese Antworten bestimmt,<br />

warum sie so sind <strong>und</strong> ob sie noch tauglich<br />

erscheinen. Von den Beteiligten werden zum<br />

Teil völlig unterschiedliche Zielsetzungen in<br />

Bezug auf Suchtprävention verfolgt.<br />

Konsequenzen, die sich daraus in der pädagogischen<br />

Praxis ergeben, sind u.a. Ratlosigkeit,<br />

verschiedene Positionen <strong>und</strong> Konflikte im<br />

Team, ein Durcheinander im Auslegen des Regelwerks<br />

sowie Widersprüche im eigenen Handeln<br />

zum Konzept der Einrichtung.<br />

Die Reaktion auf den Konsum von Alkohol ist<br />

dabei weniger von fachlichen <strong>und</strong> pädagogischen<br />

Kriterien geprägt, sondern von einer Mischung<br />

aus Alltagserfahrungen, Medienberichterstattung<br />

<strong>und</strong> der eigenen Sozialisation.<br />

Sie bildet quasi eine „geheime Theorie“ (vgl.<br />

Schwarting 2001), wie konsumierenden<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen gegenübergetreten wird.<br />

Häufige Ursachen da<strong>für</strong> sind wiederum, dass...<br />

• Alkohol als legalisierte Substanz weniger mit<br />

Suchtgefahren verb<strong>und</strong>en wird als illegale<br />

Drogen<br />

• die Bewertung von problematischem Konsum<br />

oft auf eigenen Trinkerfahrungen beruht<br />

• viele Personen in der Sozialarbeit eigene Erfahrungen<br />

mit süchtigen Elternteilen haben<br />

<strong>und</strong> dies im Kontakt mit trinkenden Jugendlichen<br />

zu Gefühlen wie Ekel, Abwehr oder Rettungsfantasien<br />

führt.<br />

• viele <strong>Jugendarbeit</strong>er/innen (v.a. männliche)<br />

selber starke Trinker sind <strong>und</strong> die eigene<br />

Trinkpraxis als Bewertungsmaßstab <strong>für</strong> den<br />

Umgang mit Jugendlichen heranziehen<br />

• Konsum mit Begriffen wie „Flucht vor der<br />

Realität“ oder „ausweichendes Verhalten“<br />

assoziiert <strong>und</strong> vorschnell <strong>und</strong> unkritisch mit<br />

Sucht gleichgesetzt wird.<br />

Umso wichtiger erscheint es daher, sich mit<br />

den Konsummotiven Jugendlicher auseinander<br />

zu setzen <strong>und</strong> da<strong>für</strong> offen zu sein, ob diese unproblematisch<br />

oder problematisch sind.<br />

Schließlich müssen Jugendliche selbst Interesse<br />

<strong>für</strong> Veränderungen zeigen – Sek<strong>und</strong>ärprävention<br />

bedeutet ja, dass noch keine Alkoholabhängigkeit<br />

vorliegt <strong>und</strong> es daher guter Argumente<br />

bedarf, warum der Konsum verändert<br />

werden sollte.


14 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

... hin zu einrichtungsbezogenen Leitbildern <strong>und</strong> Konzepten<br />

Im Sinne von transparenten Strukturen <strong>und</strong> Orientierungsmustern braucht es aus Sicht der Suchtprävention<br />

ein gemeinsames Verständnis bezüglich der Ziele. Nicht eine Gleichschaltung der einzelnen<br />

Meinungen ist darunter zu verstehen, sondern gegenseitige Annäherung <strong>und</strong> konstruktive<br />

Kommunikation – vergleichbar dem Win-Win-Prinzip im Rahmen konstruktiver Konfliktbewältigung.<br />

Erreicht werden können diese Ziele über einen gemeinsamen Prozess der Qualitätsentwicklung,<br />

der nicht auf eine Einrichtung übergestülpt, sondern auf das jeweilige Setting abgestimmt werden<br />

soll. Die dem Schweizer Leitfaden „Suchtprävention im Heim“ (vgl. Pestallozianum 1999) entnommene<br />

Grafik veranschaulicht vier Schritte der Qualitätsentwicklung:<br />

<br />

Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Wissen erarbeiten/aktualisieren<br />

F<strong>und</strong>iertes Wissen über Suchtprävention bildet die notwendige Voraussetzung <strong>für</strong> die<br />

Konzeptentwicklung.<br />

Wichtig erscheint dabei, dass die Jugendlichen<br />

in diesen Prozess, v.a. bei den Schritten zwei<br />

<strong>und</strong> drei, einbezogen werden. Die viel strapazierte<br />

Lebensweltorientierung bedeutet nichts<br />

weniger als konkrete Interaktion mit den Jugendlichen.<br />

Beim Thema Sucht <strong>und</strong> Drogen<br />

gibt es unterschiedliche Motive: Jugendliche<br />

haben viele Annahmen, was wir über sie denken<br />

(z.B. dass sie zu trinken aufhören sollen),<br />

umgekehrt haben <strong>Jugendarbeit</strong>er/innen viele<br />

Interessen, was sie in ihrer pädagogischen<br />

Tätigkeit erreichen wollen (z.B. die Ressourcen<br />

junger Leute zu fördern).<br />

Eine genaue Ist-Analyse <strong>und</strong> das Einleiten gezielter Maßnahmen (z.B. teaminterne<br />

Fortbildungen) ermöglichen das Auffüllen von bestimmten Wissensdefiziten.<br />

<br />

Leitlinien entwickeln<br />

Eine gemeinsame Haltung in der Suchtprävention ist Voraussetzung <strong>für</strong> klare Ziele<br />

<strong>und</strong> Leitlinien.<br />

Die gemeinsame Diskussion von Werthaltungen sollte zu realistischen Lernzielen statt<br />

leeren Zielen führen.<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Regeln bestimmen<br />

Der Handlungsspielraum wird definiert durch verbindliche Richtlinien <strong>und</strong> Regeln,<br />

die allen Halt <strong>und</strong> Sicherheit geben.<br />

Neben dem Festlegen, welche Konsequenzen bei welchem Regelbruch erfolgen,<br />

ist auch das Definieren von Graubereichen wichtig.<br />

Verankerung <strong>und</strong> Qualitätssicherung sicherstellen<br />

Die Verankerung im Rahmenkonzept <strong>und</strong> die regelmäßige Überprüfung gewährleisten<br />

Wirksamkeit <strong>und</strong> Nachhaltigkeit.<br />

<br />

Am Ende dieses Prozesses sollte klar sein, wie<br />

sich suchtpräventive Maßnahmen auf den unterschiedlichen<br />

Ebenen widerspiegeln – von<br />

der Gestaltung der individuellen Beziehungsarbeit<br />

über das Regelwerk einer Einrichtung hin<br />

zu themenspezifischen Projektangeboten. Gewonnen<br />

wird dabei eine Transparenz der Maßnahmen<br />

nach innen (K<strong>und</strong>en = Jugendliche)<br />

<strong>und</strong> nach außen (Auftraggeber = Träger, Gemeinde<br />

u.a.) sowie eine klare fachliche Positionierung<br />

zum Umgang mit Alkohol, die Sicherheit<br />

<strong>und</strong> Stabilität innerhalb eines Teams vermittelt.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass<br />

rechtliche Bestimmungen zum Alkoholkonsum<br />

<strong>und</strong> zur Abgabe zwar festgesetzt sind, wie ein<br />

sinnvoller Umgang mit Alkohol in den einzelnen<br />

Arbeitsfeldern der <strong>Jugendarbeit</strong> aussieht,<br />

kann jedoch nicht pauschal beantwortet, sondern<br />

nur innerhalb einer konkreten Einrichtung,<br />

eines konkreten Teams gemeinsam erarbeitet<br />

werden. Es gibt keine richtigen oder<br />

falschen Antworten, sehr wohl aber Antworten,<br />

die <strong>für</strong> die pädagogische Arbeit, <strong>für</strong> die Jugendlichen<br />

<strong>und</strong> <strong>für</strong> die <strong>Jugendarbeit</strong>er/innen nützlich<br />

<strong>und</strong> hilfreich sind.


Ausgabe 01/<strong>2003</strong> 15<br />

STATEMENT<br />

Programme der Salzburger Landjugend zum Alkoholkonsum<br />

Franz Wieser, Salzburg<br />

Das Thema Alkohol <strong>und</strong> seine Folgen beschäftigt<br />

uns fast tagtäglich in den Zeitungen <strong>und</strong><br />

anderen Medien. Als ich das Suchwort ALKO-<br />

HOL in die Suchmaschine der SN eintippte,<br />

fand ich genau 1.636 Artikel binnen 0,07 sec.<br />

Keiner denkt sich mehr viel, wenn wieder von<br />

Unschuldigen geschrieben wird, die von einem<br />

oder einer Betrunkenem(n) niedergefahren<br />

wurden – das gehört eigentlich schon ein wenig<br />

zum Alltag.<br />

Warum ist das so?<br />

Vielleicht weil 40% der ÖsterreicherInnen<br />

über 16 Jahre Alkohol in ges<strong>und</strong>heitsgefährdenden<br />

Mengen konsumieren?<br />

Alkoholismus ist zu einem<br />

Wegbegleiter unserer Tage<br />

geworden wie keine andere<br />

Droge. Ich brauche hier nicht<br />

die Gründe zu nennen, sondern<br />

ich möchte über die<br />

Auswirkungen berichten <strong>und</strong><br />

drei Thesen <strong>für</strong> die <strong>Jugendarbeit</strong><br />

aufstellen:<br />

1. SINNVOLLE MENGE<br />

Wir müssen uns <strong>für</strong> einen sinnvollen<br />

Umgang mit Alkohol stark<br />

machen!<br />

Es wird uns nicht gelingen Alkohol zu verbieten,<br />

<strong>und</strong> die jungen Menschen von einem<br />

Tag auf den anderen von Biertrinkern zu Apfelsaftfetischisten<br />

zu erziehen. Es kann uns gelingen,<br />

wenn wir zusammenstehen, dass wir den<br />

heranwachsenden Jugendlichen Selbstvertrauen<br />

mitgeben, auch einmal NEIN zu sagen, anstatt<br />

stur <strong>und</strong> ohne zu denken einfach mit zu<br />

saufen.<br />

Versetzen wir uns doch einfach in die Lage eines<br />

14- bis 15-Jährigen!<br />

Beispiel:<br />

Schließen Sie die Augen <strong>und</strong> stellen Sie sich<br />

einfach vor:<br />

Am Abend stehen Sie zwar ein wenig widerwillig<br />

an der Bar <strong>und</strong> Sie wollen trotzdem nicht uncool<br />

sein oder zum Gerede der anderen werden <strong>und</strong><br />

trinken halt die ersten Biere mit. Am nächsten<br />

Tag in der Klasse wird erzählt, wie geil der gestrige<br />

Rausch <strong>und</strong> das allgemeine Besäufnis war.<br />

Wie froh sind Sie, dass Sie auch mit dabei waren!<br />

Wenn es uns gelingt, durch sinnvolle Aktionen<br />

den Jugendlichen Selbstvertrauen <strong>und</strong> Motivation<br />

<strong>für</strong> ein NEIN zu geben, dann sind wir einen<br />

Riesenschritt weiter. Wir könnten bewusst<br />

Grenzerfahrungen ansprechen. Ein ausgezeichneter<br />

Lehrer, der selbst einmal alkoholkrank war,<br />

hat mir einmal gesagt: „Wannst saufst dann<br />

saufst <strong>und</strong> du kannst gar nix dagegen tun!“<br />

Zwei Dinge sind deshalb sehr wichtig, dass<br />

1. Schulen Angebote einer aktiven <strong>Prävention</strong><br />

nutzen. Den Jugendlichen früh zu zeigen,<br />

dass Probleme, die man heute unter den<br />

Teppich kehrt, irgendwann beim Staubsaugen<br />

wieder auftauchen.<br />

2. durch Workshops in Jugendjahren vermittelt<br />

wird, was es heißt, mit Selbstwertgefühl ein<br />

NEIN als Mittel dagegen einzusetzen.<br />

2. VORBILDER<br />

Wir müssen mit der Aufklärung bei den<br />

Eltern beginnen!<br />

Vorbilder prägen unser Leben, deshalb ist es<br />

wichtig, dass der Vater die Füße nicht schon<br />

bei einem Bier hochlagert, bevor er sich vielleicht<br />

einmal mit seinem Sohn oder seiner<br />

Tochter beschäftigt hat. In den ersten 15 Lebensjahren<br />

können wir normalerweise erleben,<br />

wie Eltern mit Problemen <strong>und</strong> Schwierigkeiten<br />

umgehen. Heranwachsende brauchen Menschen,<br />

die sich <strong>für</strong> ihre Gefühle interessieren<br />

<strong>und</strong> gemeinsam mit Ihnen die vielen verschiedenen<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Eindrücke aufarbeiten.<br />

Jugendliche, die Ansprechpartner haben, wo<br />

Vertrauen <strong>und</strong> eine gute Gesprächsbasis vorhanden<br />

ist, werden nicht so schnell Trost bei<br />

einer Wein- oder Bierflasche suchen.<br />

3. INITIATIVEN<br />

Die <strong>Jugendarbeit</strong> <strong>und</strong> im Speziellen<br />

die Jugendorganisationen<br />

sind gefordert, Initiativen zu<br />

starten!<br />

Wir müssen es schaffen, weg zu<br />

kommen von zig Mega-Events<br />

hin zu überschaubaren <strong>und</strong><br />

menschlicheren Veranstaltungen.<br />

Es kommt nicht auf die Quantität<br />

an, sondern auf die Qualität.<br />

Wie sehen solche Initiativen aus?<br />

In den letzten Jahren sind wir in der Salzburger<br />

Landjugend weggegangen von Mega-<br />

Events hin zu kleinen überschaubaren Einheiten<br />

(z. B.: 4er Cup, Redewettbewerbe, Seminare<br />

usw.). Bei Großveranstaltungen versuchen wir<br />

„Arbeit <strong>und</strong> Spaß“ miteinander zu verbinden.<br />

Viel Energie verpufft alljährlich in der Imagepflege<br />

<strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit. Immer wieder<br />

tauchen dann irgendwo einige auf, die mit<br />

ihrem unmöglichen Benehmen alles zunichte<br />

machen. Es ist jedoch wichtig, die vielen positiven<br />

Aspekte, die <strong>Jugendarbeit</strong> mit sich bringt,<br />

nicht zu übersehen!<br />

Wichtig ist, zuzuhören <strong>und</strong> nicht nur Marketingkonzepte<br />

zu schreiben, denn:<br />

Gott hat uns einen M<strong>und</strong> zum Reden <strong>und</strong> zwei<br />

Ohren zum Zuhören gegeben!


16 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

STATEMENT<br />

Offene <strong>Jugendarbeit</strong> <strong>und</strong> Alkohol am Beispiel des<br />

Jugendlokals „Servas“, Vöcklabruck.<br />

Hermann Hauer, Vöcklabruck<br />

Offene <strong>Jugendarbeit</strong> bedeutet, jungen Menschen<br />

unterschiedlichste Entfaltungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Freiräume zu bieten, in denen ein<br />

Ausk<strong>und</strong>schaften der eigenen Lebensentwürfe<br />

möglich ist.<br />

Die Frage nach dem was Sinn macht erleben<br />

Jugendliche sehr intensiv – <strong>und</strong> damit auch,<br />

dass Ideale, die Jugendliche von ihrer Welt haben,<br />

im Gegensatz zur gesellschaftlichen Realität<br />

stehen. Jugendliche wollen sich selbst, ihre<br />

Welt <strong>und</strong> ihre Umwelt erforschen, vieles verändern<br />

<strong>und</strong> ihre eigenen Entwürfe erproben.<br />

Diese Dynamik ist <strong>für</strong> die Persönlichkeitsentwicklung<br />

von großer Bedeutung. Die Erwachsenenwelt<br />

reagiert oftmals sehr skeptisch <strong>und</strong><br />

wenig verständnisvoll auf jugendliche Ausdrucksformen.<br />

Aber was wäre Jugend, ohne sich an die Grenzbereiche<br />

heranzuwagen, ohne sich an gesellschaftliche<br />

Konventionen, Normen <strong>und</strong> Gepflogenheiten<br />

zu reiben? Und wie viel an Vielfalt<br />

<strong>und</strong> Neuem würde ohne jugendliche Kreativität<br />

<strong>und</strong> Fantasie in unserer Gesellschaft erst gar<br />

nicht entstehen!<br />

Eine wesentliche Aufgabe der offenen <strong>Jugendarbeit</strong><br />

ist es daher, Räume <strong>und</strong> Freiräume zum<br />

Ausprobieren der jugendlichen Ideen <strong>und</strong> Pläne<br />

anzubieten. Gleichzeitig ist es notwendig<br />

Orientierungshilfen zu schaffen <strong>und</strong> Grenzen<br />

klar zu machen, die ein Hineinwachsen in gesellschaftliche<br />

Strukturen erleichtern.<br />

In der Konzeptentwicklung des Servas dienten<br />

Beobachtungen, Gespräche <strong>und</strong> wissenschaftliche<br />

Untersuchungen als F<strong>und</strong>ament <strong>für</strong> eine<br />

zukunftsweisende <strong>Jugendarbeit</strong>.<br />

Der Sozialwissenschafter <strong>und</strong> Meinungsforscher<br />

Erich Brunmayer stellte fest. „Zur Zeit ist<br />

der kommerzielle Bereich wesentlich unverdächtiger,<br />

<strong>und</strong> es lässt sich in vielen Gemeinden <strong>und</strong><br />

Städten belegen, welch große Bedeutung etwa<br />

die verschiedenen In-Lokale als Treffpunkt <strong>für</strong><br />

die ortsansässige Jugend haben. Dort in den Jugend-Cafés<br />

können die Jugendlichen ohne jegliche<br />

ideologische Vereinnahmung Gleichaltrige<br />

treffen <strong>und</strong> gemeinsame Aktionen vereinbaren.<br />

Tatsächlich haben es schon viele ortsansässige<br />

Jugendgruppen geschafft, ein Modell etwa des<br />

Jugendtreffs in der Art zu organisieren, dass ein<br />

Teil der vorhandenen Räume mit einem ortsansässigen<br />

Pächter zu einem Jugend-Café umfunktioniert<br />

wurde, dass aber ein anderer Teil<br />

der Räumlichkeiten <strong>für</strong> die nicht kommerzielle<br />

<strong>Jugendarbeit</strong> zur Verfügung steht. Und die Erfolge<br />

dieser Art zeigen, dass das kommerziell geführte<br />

Jugend-Café tatsächlich eine Art Trichterfunktion<br />

hat: Im kommerziellen Lokal treffen<br />

sich viele Jugendliche, die man durch normale<br />

Vereinstätigkeit niemals erreichen könnte. Bei<br />

entsprechender Führung aber sind auch diese<br />

Jugendlichen durchaus bereit <strong>und</strong> daran interessiert,<br />

bei konkreten Aktionen mitzumachen <strong>und</strong><br />

somit auch durchaus in den Nahbereich einer<br />

Jugendorganisation zu gelangen <strong>und</strong> sie zumindest<br />

ein Stück des Weges zu begleiten.“<br />

Daraus ergab sich die Idee <strong>für</strong> das Servas,<br />

nämlich ein Jugendzentrum mit gezielter<br />

Schwerpunktsetzung <strong>und</strong> Spezialisierung zu<br />

errichten, quasi in der Kombination eines Jugendzentrums<br />

mit einem Kaffeehaus. Oder anders<br />

ausgedrückt in der Professionalisierung<br />

des Barbetriebes, der Beobachtungen anderer<br />

Jugendzentren zufolge einen wesentlichen<br />

Stellenwert darstellt.<br />

Ein weiterer Gr<strong>und</strong> warum<br />

sich der Trägerverein <strong>für</strong><br />

die Errichtung eines Jugendzentrums<br />

mit einem<br />

Lokal entschied, ist jene<br />

Tatsache, dass Jugend viel<br />

Freizeit in kommerziellen<br />

Einrichtungen verbringt<br />

<strong>und</strong> da<strong>für</strong> auch eine Menge<br />

Geld ausgibt. Es ist ein<br />

hervorstechendes Merkmal<br />

des Konsumcharakters<br />

unserer Erlebnisgesellschaft,<br />

dass der volle<br />

Zugang zum Freizeit- <strong>und</strong><br />

Konsumbereich immer<br />

früher erfolgt (Schulze<br />

1995), sodass heute Jugendliche<br />

in diesem Bereich<br />

bereits Erwachsenen gleichgestellt sind.<br />

Dies sei als Tatsache des Hineinwachsens in<br />

die Erwachsenenwelt zu verzeichnen, der eine<br />

entsprechende Wertschätzung entgegenzubringen<br />

ist. Die Wirtschaft weiß schon lange um<br />

das Marktpotenzial der Jugend.<br />

„Schmuddelige“ Jugendzentren-Bars sind oftmals<br />

<strong>für</strong> Jugendliche Symbol eines wenig attraktiven<br />

Jugendghettos <strong>und</strong> spiegelt ihnen ihr<br />

Nichterwachsensein wider. Im Servas wurde<br />

viel Wert darauf gelegt, ein fre<strong>und</strong>liches, helles<br />

<strong>und</strong> ansprechendes Lokal zu schaffen, in dem<br />

sich viele wohl fühlen. Es ist zugleich ein Augenmerk,<br />

welches bedacht werden muss, um<br />

einen öffentlichen Gastronomiebetrieb zu<br />

führen, der <strong>für</strong> eine breite Schicht offen sein<br />

will <strong>und</strong> nicht zu einem Treffpunkt <strong>für</strong> eine<br />

oder wenige Szenen wird.<br />

Jugendliche sind nicht mehr bereit, sich eindeutig<br />

weltanschaulichen Gruppierungen, die<br />

stark institutionell geprägt sind, anzuschließen<br />

bzw. wollen sich nicht fix an solche Gruppen<br />

binden. Gleichzeitig sehnen sich die Jugendlichen<br />

nach dem Erleben von Gemeinschaft <strong>und</strong><br />

dem Zusammensein mit anderen, aber auch<br />

danach erkannt <strong>und</strong> erst genommen zu werden.<br />

Kirchliche <strong>Jugendarbeit</strong>, die das Servas leistet,<br />

versteht sich als Einübungsfeld, die der junge<br />

Mensch in einer pluralistischen Gesellschaft<br />

braucht <strong>und</strong> als Weggefährtenschaft, die einen<br />

wesentlichen Aspekt<br />

in der Seelsorge darstellt.<br />

<strong>Jugendarbeit</strong>er,<br />

die den Jugendlichen<br />

Interesse entgegenbringen<br />

<strong>und</strong> sie gern<br />

haben, können zu<br />

verlässlichen Weggefährten<br />

werden (Bleistein<br />

1992).<br />

Die katholische Kirche<br />

der Diözese<br />

Linz hat aufgr<strong>und</strong><br />

der Tatsache, dass<br />

Jugendliche kaum<br />

mehr in der Kirche<br />

<strong>und</strong> im Pfarrhof anzutreffen<br />

sind, den<br />

mutigen Versuch gewagt,<br />

dorthin zu gehen, wo Jugendliche sind<br />

<strong>und</strong> dort einfach „zweckfrei“ präsent zu sein.<br />

Zum Beispiel in einem Lokal. Diese Form der<br />

Anteilnahme an der Freizeit <strong>und</strong> Lebenswelt<br />

der Jugendlichen kann als Pastoral der Zuwendung<br />

bezeichnet werden (Schindlauer<br />

1999).<br />

Die Sehnsucht nach Rausch <strong>und</strong> der Konsum<br />

von Alkohol <strong>und</strong> Nikotin sind ein Phänomen in


Ausgabe 01/<strong>2003</strong> 17<br />

unserer Gesellschaft. Dies sehen wir als Tatsache,<br />

der wir nicht ausweichen wollen.<br />

Es geht uns nicht um die Verteufelung dieser<br />

Drogen, sondern um einen verantwortungsvollen<br />

<strong>und</strong> genussvollen Umgang. Ein kontrollierter<br />

<strong>und</strong> bewusster Umgang damit ist besser als<br />

ein exzessiver irgendwo. Zugleich ist es sicherlich<br />

eine größere Herausforderung ein Jugendzentrum<br />

zu betreiben, in dem Alkohol ausgeschenkt<br />

wird. Im Gegenzug lässt sich feststellen,<br />

dass wir durch das Betreiben eines Lokales<br />

in dieser Form eine breitere Schicht an Jugendlichen<br />

erreichen, <strong>und</strong> wir sie in ihrer Freizeit<br />

<strong>und</strong> bei ihrem Konsumverhalten ein Stück<br />

weit begleiten können.<br />

Genährt von diesen Tatsachen wurde eine<br />

neue Form der pädagogischen Arbeit in der offenen<br />

<strong>Jugendarbeit</strong> gewagt. Als Pilotprojekt<br />

startete das Servas im Jänner 1995 nach einem<br />

2-Säulen-Modell.<br />

Ein kommerziell <strong>und</strong> professionell geführtes<br />

Café, welches sich selbst finanzieren soll<br />

(Miete, Personal, Betriebskosten,...).<br />

Das Café ist ein öffentlicher, attraktiver <strong>und</strong><br />

wenig vorstrukturierter Raum, in dem Jugendliche<br />

ihre Freizeit, Mittagspausen, Wartezeiten<br />

ohne Konsumzwang verbringen können; in<br />

dem sie sich wohl fühlen. Weiters ist das Café<br />

ein <strong>Forum</strong> <strong>für</strong> Kommunikation <strong>und</strong> Kontakt unter<br />

den Jugendlichen <strong>und</strong> zu den <strong>Jugendarbeit</strong>erInnen<br />

bzw. KellnerInnen. Wer will, kann hineinschnuppern<br />

in die Angebote der Aktivzone<br />

<strong>und</strong> sich verbindlicher einlassen. Hier gelten<br />

übliche Spielregeln. Das Servas ist einerseits<br />

ein neutraler Ort, wo die Jugendlichen nicht<br />

be<strong>für</strong>chten müssen, gleich mit irgendwelchen<br />

Ansprüchen punkto Verbindlichkeit, bzw. aktiv<br />

werden zu müssen, konfrontiert zu werden. Für<br />

den Jugendlichen ist dies eine wesentliche Reduzierung<br />

der Eintrittsschwelle, zudem besteht<br />

darin die Chance, das Haus einem großen<br />

Kreis an Jugendlichen zugänglich zu machen.<br />

Gleichzeitig beinhaltet das Café ein unaufdringliches<br />

Angebot an „mehr“.<br />

Im Café ist <strong>für</strong> Jugendliche der Aufenthalt ohne<br />

Konsumzwang möglich (selbstmitgebrachte<br />

Speisen <strong>und</strong> Getränke dürfen dort nicht verzehrt<br />

werden). Im Lokal findet zugleich der offene<br />

Betrieb des Jugendhauses statt. Die Gastronomie<br />

ist allgemein zugänglich, unabhängig<br />

von Beruf <strong>und</strong> Alter.<br />

Hier einige Beispiele:<br />

Cola 0,2 l – E 1,20<br />

Cola 0,3 l – E 1,70<br />

Fassbier 0,3 l – E 2,-<br />

Mixgetränke – E 3,-<br />

Das Angebot im Café reicht von<br />

Getränken aller Art (Limonaden, 12<br />

verschiedene Fruchtsäfte, Kaffeespezialitäten,<br />

15 offene Schwarz-, Kräuter, Grün-, Rothbushtees,<br />

eine reiche Auswahl an internationalen<br />

Bieren <strong>und</strong> erlesenen Weinen, Spirituosen,<br />

Cocktails <strong>und</strong> Trendgetränken) sowie Imbisse<br />

(Baguettes, Toasts, Burger) beziehungsweise<br />

themen- <strong>und</strong> veranstaltungsorientierten Speisen<br />

<strong>und</strong> Getränke (Beachparty, Oktoberfest,<br />

Spanien-Tage, Italienische Wochen,...)<br />

Das Jugendschutzgesetz ist Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die<br />

Ausgabe von Alkohol <strong>und</strong> Nikotin, im Zweifelsfall<br />

werden Ausweise kontrolliert, zudem wird<br />

auf unser reichhaltiges <strong>und</strong> attraktives alkoholfreies<br />

Angebot verwiesen. Betrunkenen<br />

wird kein Alkohol verabreicht.<br />

Die Angestellten im Gastgewerbebetrieb müssen<br />

KellnerInnen <strong>und</strong> <strong>Jugendarbeit</strong>erInnen zugleich<br />

sein.<br />

Die zweite Säule ist die Aktivzone, quasi ein<br />

kirchliches Jugendzentrum. Hier stehen ein<br />

Gruppenraum <strong>und</strong> ein Meditationsraum <strong>für</strong><br />

Gruppenarbeiten, zum Lernen, <strong>für</strong> Nachhilfe,<br />

<strong>für</strong> Rückzug, <strong>für</strong> Fernsehen <strong>und</strong> Video, Gespräche<br />

außerhalb des Lokals... zur Verfügung.<br />

Personell sind da<strong>für</strong> 2 Jugendleiter-Posten <strong>für</strong><br />

„Weggefährtenschaft“ <strong>und</strong> inhaltliche, kreative<br />

<strong>und</strong> spirituelle Programmaspekte vorgesehen.<br />

Primäre Zielgruppe der Aktivzone sind SchülerInnen<br />

der Allgemeinbildenden <strong>und</strong> Berufsbildenden<br />

Höheren Schulen Vöcklabrucks, daneben<br />

alle Jugendlichen <strong>und</strong> junge Erwachsene.<br />

Der Rechtsträger <strong>für</strong> beide Bereiche ist der „Verein<br />

Jugendhaus Vöcklabruck“, der Subventionen<br />

<strong>für</strong> die Aktivzone erhält. Von der Diözese Linz<br />

Subventionen <strong>und</strong> 2 Jugendleiter/innen <strong>und</strong> Subventionen<br />

von der Stadtgemeinde Vöcklabruck.<br />

Öffnungszeiten Schulbetrieb:<br />

Dienstag, Mittwoch, Donnerstag: 11.00 – 23.00 Uhr<br />

Freitag: 11.00 – 2.00 Uhr<br />

Samstag: 18.00 – 2.00 Uhr<br />

In den Ferien ist jeweils ab 18.00 Uhr geöffnet.<br />

Ruhetage: Sonntag <strong>und</strong> Montag<br />

Welche Chancen liegen in einem<br />

Jugendzentrum mit einem<br />

Lokalbetrieb?<br />

• Als Pädagogen haben wir die Chance durch<br />

das Medium Café in der Rolle als KellnerIn<br />

oder Barkeeper in einen natürlichen <strong>und</strong> unaufdringlichen<br />

Kontakt zu kommen. Ich habe<br />

als Barkeeper/Kellner mit dem jugendlichen<br />

Gast pro Besuch mehrere Begegnungen.<br />

(Bestellung aufnehmen, Getränke servieren,<br />

nachfragen, sauber machen,... kassieren)<br />

• Durch den Barbetrieb wird die Hemmschwelle<br />

herabgesetzt <strong>und</strong> erlaubt dem Jugendlichen<br />

Gast eine „Sozialeinrichtung“ zu<br />

besuchen, wo er jemanden vorfindet, mit<br />

dem er reden kann... (Als solches ist das<br />

Servas auch bekannt)<br />

• Wir können Jugendliche in ihrer Freizeit <strong>und</strong><br />

bei ihrem Konsumverhalten begleiten. Hier<br />

besteht die Möglichkeit, auf die Trinkgewohnheiten<br />

der Jugendlichen einzugehen,<br />

diese zu thematisieren <strong>und</strong> Hintergründe<br />

über Konsumverhalten zu erfahren.<br />

• Möglichkeit zu Begleitung <strong>und</strong> Anteilnahme<br />

an wichtigen Anlässen, die es gilt zu feiern.<br />

Wir freuen uns mit dem Jugendlichen über<br />

die bestandene Prüfung, Führerschein, Lehrabschluss,<br />

Matura, Geburtstag,... einen gelungenen<br />

Aufriss, ein neues (altes) Auto,<br />

über einen Unfall, der noch glimpflich ausgegangen<br />

ist, einen beendeten Krankenhaus<strong>und</strong><br />

Kuraufenthalt,...<br />

• Wir nehmen wahr, was <strong>für</strong> Jugendliche belastend<br />

ist <strong>und</strong> Anlass gibt zum Frustsaufen,<br />

Die Preisgestaltung der alkoholfreien Getränke<br />

liegt wesentlich unterhalb jener von anderen<br />

Lokalen der Stadt. Alkohol hat ortsübliches<br />

Preisniveau.


18 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

wie Liebeskummer oder die Beendigung einer<br />

Beziehung, Stunk mit Eltern, Lehrer od. Chef,<br />

Nicht-Aufsteigen-dürfen in die nächste Schulstufe,<br />

ein kaputtes Auto, zu wenig an Anerkennung<br />

<strong>und</strong> Zuneigung zu bekommen, keine<br />

wirklichen Fre<strong>und</strong>e zu er-leben, Probleme mit<br />

der körperlichen Entwicklung, nicht umgehen<br />

können mit Abschied <strong>und</strong> Tod,...<br />

• Tatsache ist, dass es Jugendlichen <strong>und</strong> hier<br />

vor allem Burschen an der Bar bei einem<br />

Glas Bier leichter fällt von sich zu erzählen.<br />

• Der Mündigkeitsaspekt, nicht Bewahrungssondern<br />

Bewährungspädagogik durch die<br />

Auseinandersetzung mit der Droge Alkohol.<br />

Kennenlernen der Alkoholika, die der Jugendliche<br />

zu sich nimmt, was schmeckt dem<br />

Jugendlichen wirklich, woraus ist der Drink<br />

gemacht, wie stark ist welches Getränk. Diskurs<br />

<strong>und</strong> Reflexion über die Auswirkungen,<br />

Ansprechen der Vor- <strong>und</strong> Nachteile des Konsums<br />

von Alkohol.<br />

• Einfluss- bzw. Leitbildfunktion – Gäste sind<br />

über Anregungen, Getränkeempfehlungen<br />

sehr dankbar.<br />

• Trink- <strong>und</strong> Genusskultur schaffen <strong>und</strong> einüben<br />

durch professionelles Dienstleistungsangebot<br />

im ansprechendem Ambiente<br />

(Raum, Musik,...). Gepflegte Getränke, stilgerechte<br />

<strong>und</strong> saubere Gläser, ansprechend angerichtete<br />

Drinks mit passender Dekoration<br />

<strong>und</strong> richtiger Temperatur. Zu Kaffee <strong>und</strong><br />

Cocktails wird ein Glas Wasser gereicht. Im<br />

Gegenzug zum Kampftrinken steht die Feststellung<br />

eines Jugendlichen, der Genussfähigkeit<br />

mit: „A guata Rausch braucht Zeit!“<br />

beschrieben hat.<br />

Grenzgänge, die sich durch<br />

Ausschank von Alkohol ergeben:<br />

• Die Frequentierung des Lokals lässt nicht<br />

immer ein befriedigendes Gespräch zu (Terminvereinbarung<br />

<strong>für</strong> Fortsetzung zu einem<br />

passendem Zeitpunkt).<br />

• Wenn Jugendliche betrunken sind, ist oft ein<br />

normales Gespräch schwer möglich.<br />

• Gewaltbereitschaft steigt<br />

• Lärmpegel steigt beim Verlassen des Lokals<br />

zum Leidwesen der Anrainer.<br />

• Entleerung, wenn zu viel getrunken<br />

• Mühselige Diskussionen <strong>und</strong> Enttäuschung<br />

darüber, wenn wir keinen Alkohol mehr oder<br />

noch nicht verabreichen.<br />

Sicherlich ist es eine große, aber schöne Herausforderung<br />

ein Jugendzentrum mit einem<br />

Beisl zu betreiben.<br />

Aus meiner langjährigen Erfahrung weiß ich, wie<br />

gut es Jugendlichen tut, wenn sie wahr- <strong>und</strong><br />

ernst genommen werden; <strong>und</strong> dass es neben<br />

Fachkompetenz auch viel Liebe <strong>und</strong> ein großes<br />

Herz braucht, um <strong>Jugendarbeit</strong> zu betreiben.<br />

Na SERVAS!<br />

Literatur:<br />

Roman Bleistein (1992) Mit der Jugend unterwegs<br />

zur neuen Stadt. Jugendforum als Modell<br />

kirchlicher <strong>Jugendarbeit</strong><br />

Erich Brunmayer (1990) Jugendorganisationen<br />

ohne Jugendliche, Jugendreport 2/90<br />

Barbara Schindlauer (1999) Offene <strong>Jugendarbeit</strong><br />

als Perspektive der Seelsorge, Hausarbeit<br />

Gerhard Schulze (1995) Die Erlebnisgesellschaft.<br />

Kultursoziologie der Gegenwart<br />

Verein Jugendhaus Vöcklabruck (1998) Konzept<br />

Jugendhaus Servas<br />

Verein Jugendzentrum Bruneck (1998) Pädagogisches<br />

Praxis- <strong>und</strong> Trägerkonzept<br />

Mehr über das Jugendhaus Servas unter<br />

www.servas.at<br />

less alk – more fun 4you<br />

>>keep the balance


Ausgabe 01/<strong>2003</strong> 19<br />

Daher laden wir Jugendliche dazu ein, diesen<br />

bestimmten <strong>und</strong> individuellen Punkt nicht zu<br />

überschreiten <strong>und</strong> damit mehr Spaß zu haben<br />

– gemäß dem Motto: Keep the Balance.<br />

Daher bieten wir bei Festl´n Alternativen zum<br />

Alkohol.<br />

Daher setzen wir bei Festl´n zusätzliche Angebote<br />

im Motivationsbereich <strong>und</strong> in der körperlichen<br />

Betätigung.<br />

Also:<br />

Kein erhobener Zeigerfinger einer Besserwisser-Organisation,<br />

sondern ein Angebot, wo<br />

sich der Jugendliche entscheiden soll. Also: Alk<br />

ab dem gesetzlichen Alter OK – aber in verträglicher<br />

Dosis! Der Gewinn <strong>für</strong> den Jugendlichen:<br />

Spaß bis zum Schluss!<br />

Methode <strong>und</strong> Zugang:<br />

Diese Aktion sollte am 25. März starten <strong>und</strong><br />

vorerst am 25. Dezember <strong>2003</strong> beendet werden.<br />

Folgende Transportschienen stehen zur<br />

Verfügung:<br />

➜ Eine eigene Homepage www.morefun4you.at<br />

mit Infos <strong>und</strong> Tipps zu Alkohol, Persönlichkeitstests,<br />

Games, Veranstaltungshinweisen,<br />

E-Cards, Wettbewerben, Gewinnspielen <strong>und</strong><br />

vielen Links.<br />

➜ Begleitend dazu eine Kampagne in unseren<br />

internen Medien <strong>und</strong> den Medien unserer<br />

Partner (Magazin der oö. Jugendkarte<br />

– mag4you, Newsletter4you, radiotime4you,<br />

Medien des Landes OÖ, Präsenz in diversen<br />

Homepages (www.cyberjuz.at – + entsprechende<br />

Themenchats, www.landesjugendrefer.at,<br />

www.jugendservice.at, www.4youcard.at,<br />

...). Absicht: Bewusstsein schaffen,<br />

witzige <strong>und</strong> jugendrelevante Umsetzung der<br />

Message, Möglichkeiten zur Beteiligung, Bestätigung<br />

eines bereits vorhandenen<br />

maßvollen Umgangs mit Alkohol, Mut zusprechen,<br />

dem Gruppendruck zu entweichen,<br />

Argumente liefern, warum die Überschreitung<br />

des Punktes nicht sinnvoll ist.<br />

➜ 5 Top-Jugend-Events über das Jahr verstreut,<br />

wo diese Aktion gut sichtbar ihren<br />

Niederschlag findet.<br />

➜ Plakataktion in den Diskotheken dieses Landes,<br />

um Jugendliche zum maßvollen Umgang<br />

mit Alkohol einzuladen <strong>und</strong> zu ermutigen.<br />

➜ Im Dezember <strong>2003</strong> wird eine Enquete mit<br />

anschließender Podiumsdiskussion veranstaltet,<br />

wo zum einen unsere Erfahrungen präsentiert<br />

werden, zum anderen einem Fachpublikum<br />

die Möglichkeit geboten wird in Workshops<br />

zu unterschiedlichen Facetten des Themas<br />

Jugendliche <strong>und</strong> Alkohol zu arbeiten. Den<br />

Abschluss bildet eine Podiumsdiskussion,<br />

welche Perspektiven zum Thema eröffnen<br />

soll. Zielgruppe dieser Veranstaltung sind Multiplikatoren<br />

in der <strong>Jugendarbeit</strong>, Fachkräfte in<br />

der Suchtprävention, Veranstalter von Events,<br />

Gastronomen, Exekutive, Politiker.<br />

➜ Ein eigenes Kampagne-Shirt, welches von<br />

der Firma Fussl produziert <strong>und</strong> angeboten<br />

wird. Wer mit diesem Shirt auf einer der 5<br />

Top-Jugendevents angetroffen wird <strong>und</strong> tanzt,<br />

hat die Chance auf einen Sofortgewinn.<br />

Ad 5 Top-Jugend-Events<br />

Events sind in der Beliebtheit der Jugendlichen<br />

(14 bis 22 Jahre) erstgereiht. Zum einen finden<br />

diese in deren Freizeit statt (Wochenende) <strong>und</strong><br />

bieten die Möglichkeit,<br />

➾ mit den Fre<strong>und</strong>en/Fre<strong>und</strong>innen gemeinsam<br />

Spaß zu haben,<br />

➾ andere Jugendliche kennen (<strong>und</strong> auch lieben)<br />

zu lernen,<br />

➾ sich selbst zu präsentieren (Outfit, Styling)<br />

➾ gute Musik zu hören <strong>und</strong> dazu auch zu tanzen.<br />

Mit einem Wort: derartige Events sind „in“, zumal<br />

diese meist billiger sind als die jederzeit<br />

erreichbaren Discos (Getränkepreise zumindest).<br />

Zugleich fließt an diesen Events mehr Alkohol<br />

als sonst.<br />

Daher wollen wir genau dort mit unserer Kampagne<br />

ansetzen:<br />

➾ da hier viele Jugendliche erreichbar sind,<br />

➾ Alkohol im Übermaß fließt,<br />

➾ diese Kampagne auch den Veranstaltern etwas<br />

bringen soll: Weniger Ärger mit Betrunkenen,<br />

positives Image, da Engagement <strong>für</strong><br />

Jugendliche demonstriert wird (nicht nur abkassieren!!),<br />

eine spaßvolle <strong>und</strong> zugleich<br />

friedvolle Eventkultur.<br />

Ein Problem der Veranstalter besteht jedoch<br />

darin, dass diese Events meist von gemeinnützigen<br />

Vereinen veranstaltet werden, welche auf<br />

die Einnahmen dieses Festes angewiesen sind,<br />

da diese einen beträchtlichen Teil ihres Jahresbudgets<br />

bedeuten. Und Fakt war bzw. ist bisher,<br />

dass Alkohol die größte Einnahmequelle<br />

darstellt. Hier sollte es trotz Kampagne zu keinen<br />

Einbußen kommen, weshalb eine Kompensation<br />

durch eine erhöhte Besucherfrequenz<br />

angestrebt wird.<br />

Daher schließen wir mit diesen Veranstaltern<br />

eine Vereinbarung, wonach wir Folgendes<br />

einbringen:<br />

➜ Promotionpaket mit Hörfunk, Webwerbung,<br />

Printwerbung <strong>für</strong> diesen Event<br />

➜ 4youDancer: Jugendliche sind als Eventdancer<br />

gekennzeichnet <strong>und</strong> animieren andere<br />

Jugendliche zum Mitmachen. Die Auswahl<br />

der Jugendlichen erfolgt über ein Casting<br />

mit anschließender Ausbildung durch das<br />

Tanzwerk Wels. Diese Jugendlichen sind gekennzeichnet<br />

(Kappe, Shirt) <strong>und</strong> mischen<br />

sich unter die anderen Jugendlichen.<br />

➜ Funelement: Hier sollten körperliche Betätigungen<br />

angeboten werden, welche nur<br />

dann sinnvoll bewältigbar sind, wenn<br />

man/frau möglichst nüchtern bleibt (Funskater,<br />

BungeeRun, ...).<br />

➜ Internetzugang (offline) zur Homepage mit<br />

ansprechenden Inhalten (Games, Kampagnemotiven,<br />

Geschicklichkeitsspielen, ...)<br />

Im Gegenzug verpflichtet sich der Veranstalter<br />

zu folgenden Maßnahmen:<br />

➟ Der Eventname wird mit dem Motto „less<br />

alk – more fun 4you“ <strong>und</strong>erlined;<br />

➟ Werbemittel der Kampagne sind präsent<br />

(Plakat, Transparent, ...)<br />

➟ Preise <strong>für</strong> alkfreie Getränke sind billiger als<br />

alkoholische Getränke<br />

➟ Preislisten <strong>für</strong> alkoholfreie Getränke sind angebracht<br />

➟ Installierung einer Alkfree-Bar<br />

➟ Im Programm gibt es keine konzeptwidrigen<br />

Werbungen <strong>und</strong> Einschaltungen (keine Sauflieder,<br />

Happy Hours, ...)<br />

➟ Ein geschulter Wachdienst<br />

➟ Maßnahmen zur Einhaltung des Jugendschutzgesetzes<br />

Konkret sind folgende 5 Jugendevents Partner<br />

der Kampagne:<br />

Tanz in der Halle, 28. <strong>und</strong> 31. Mai in Sierning. Veranstalter<br />

ist die Landjugend Sierning-Schidlberg<br />

Explosion, 26. Juli in Sattledt. Veranstalter ist<br />

die Landjugend Sattledt.<br />

Stonehenge, 20. September in Steinerkirchen.<br />

Veranstalter ist just Jugend Steinerkirchen.<br />

Infidelity No 7, 27. September in Hofkirchen.<br />

Veranstalter ist die JVP Hofkirchen<br />

Novemberrain, 14. <strong>und</strong> 15. November in Bad<br />

Wimsbach. Veranstalter ist der SK Bad Wimsbach<br />

1933<br />

Die oö. Jugendkarte 4you bietet mit den bereits<br />

über 35.000 Mitgliedern <strong>und</strong> den Kommunikationskanälen<br />

• mag4you (Magazin der oö. Jugendkarte),<br />

• newsletter4you (ergeht 14tägig an über<br />

10.000 Jugendliche) <strong>und</strong><br />

• dem virtuellen Jugendzentrum cyberjuz<br />

eine quantitativ <strong>und</strong> qualitativ gute Ausgangsbasis.


20 Ausgabe 01/<strong>2003</strong><br />

r i s f l e c t i n g<br />

Wenn Sie sich noch intensiver mit dem Thema Rausch <strong>und</strong> Risiko –<br />

<strong>und</strong> den Antworten der Pädagogik beschäftigen wollen,<br />

so steigen Sie ein, in den risflecting-pool:<br />

www.risflecting.at<br />

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(0662/849291-41, mail: n.roegl@akzente.net).

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