DER KÖLNER - Carmen Molitor
DER KÖLNER - Carmen Molitor
DER KÖLNER - Carmen Molitor
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
RD I SEPTEMBER 2006<br />
Schock-Werner. „Dieses Kreuz muss<br />
in seiner Zeit ein aufrührerisches und<br />
heftig bekämpftes Kunstwerk gewesen<br />
sein, weil es ein realistisches Abbild<br />
des toten Christus zeigt.“ Jesus<br />
als leidenden Menschen darzustellen<br />
war damals ein Novum. Die Kühnheit<br />
dieses alten Meisters bestärkt sie<br />
darin, eigene Kunstprojekte durchzuhalten.<br />
Sie ist gespannt, welche Reaktionen<br />
ein modernes Fensterbild im<br />
Südquerhaus provozieren wird, das<br />
der Künstler Gerhard Richter entwirft.<br />
Er ist bekannt für seine irritierenden,<br />
abstrakten Bilder. „Es wird sicher Aufruhr<br />
geben, wenn das drin ist“, vermutet<br />
sie. „Aber mit Blick auf Gero<br />
kann ich dann sagen: Früher gab es<br />
auch schon Neuerer.“<br />
Ein paar Meter vom Gerokreuz entfernt<br />
steht ein prächtiger Schrein, ganz<br />
aus Gold, vergoldetem Silber und Kupfer<br />
gearbeitet und mit mehr als 1000<br />
Edelsteinen und Perlen kunstvoll verziert.<br />
„Das Herzstück des Domes“, erklärt<br />
Schock-Werner. Im Schrein liegen<br />
der Überlieferung nach die Gebeine<br />
von Caspar, Melchior und<br />
Balthasar, der Heiligen Drei Könige<br />
aus dem Morgenland. Die Reliquien<br />
nahm der Erzbischof Rainald von Dassel<br />
1164 aus Mailand mit nach Köln<br />
und löste so einen wahren Pilgerstrom<br />
aus, der den Bau des Domes nach sich<br />
zog und die Stadt reich machte. Nur<br />
dieses kostbarste Kunstwerk der Basilika<br />
ist versichert und durch eine Sicherheitsvitrine<br />
geschützt. „Nach all<br />
den Jahrhunderten ist es ein Wunder,<br />
dass der Schrein noch da ist“, sagt die<br />
Baumeisterin.<br />
40<br />
Wunder dieser Art warten im Dom<br />
an jeder Ecke: Hier das mit 104 Plätzen<br />
größte geschnitzte mittelalterliche<br />
Chorgestühl in Deutschland. Dort der<br />
größte Wandmalereizyklus nördlich<br />
der Alpen aus dem 14. Jahrhundert.<br />
Oder der berühmte Altar der Kölner<br />
Stadtpatrone von Stephan Lochner,<br />
die fantastischen Bodenmosaiken, der<br />
Klarenaltar von 1350/60 oder der Domschatz,<br />
dessen Entstehung bis ins<br />
10. Jahrhundert zurückreicht.<br />
Um diese Herrlichkeiten zu sehen,<br />
drängen an einem typischen Tag<br />
20 000 Menschen in das Gotteshaus.<br />
Mit fünf Gottesdiensten täglich ist der<br />
Dom zwar zuerst ein Haus des Gebetes.<br />
Doch die Bischofskirche muss die<br />
Spannung zwischen Gotteshaus, Museum<br />
und Ausflugsziel aushalten.