01.11.2013 Aufrufe

Oldenburger Jahrbuch - der Landesbibliothek Oldenburg

Oldenburger Jahrbuch - der Landesbibliothek Oldenburg

Oldenburger Jahrbuch - der Landesbibliothek Oldenburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong><br />

des Vereins für<br />

Landesgeschichte und Altertumskunde<br />

43. Band / 1939<br />

Druck und Kommissionsverlag von Gerhard Stalling<br />

<strong>Oldenburg</strong> i. 0., 1939


Herausgeber:<br />

Archivdirektor Dr. H. Lübbing, <strong>Oldenburg</strong> i. O.<br />

Staatsarchiv<br />

z. Zt. im Wehrdienst<br />

Vertreter: Studienrat Dr. K. Fissen<br />

<strong>Oldenburg</strong> i. O.<br />

Zur Nachricht: Die Zählung <strong>der</strong> Jahrbücher als „Schriften des Vereins*<br />

usw. wird nicht mehr fortgeführt.


<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong><br />

43. Band /1939<br />

Inhalt<br />

1. V ercinsberichte............................................................................................. V<br />

2. Das Totengewand des Graten Anthon Günther. Von Studienrat<br />

Dr. Karl Fissen und Museumsdirektor Dr. W. Müller-Wulckow.<br />

Mit 9 A b b ild u n g e n ................................................................................... 1<br />

3. Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe? Von Studienrat a. D.<br />

Dr. Karl Sichart, Osnabrück.................................................................... 20<br />

4. Altes bäuerliches Familienrecht im Spiegel von Stedinger und<br />

Moorriemer Ehestiitungen. Von Bürgerschuldirektor i.R. W. Warntjen 39<br />

5. Schleswiger als Prediger in <strong>der</strong> Grafschaft <strong>Oldenburg</strong>-Delmenhorst,<br />

1667— 1773. Von Dr. Thomas Otto Achelis, Rendsburg....................45<br />

6. Zur Geschichte von Handwerk und Gewerbe in den alten Kirchspielen<br />

Damme und Neuenkirchen.<br />

Von Hauptlehrer H. Wil<strong>der</strong>,<br />

Flad<strong>der</strong>lohausen ........................................................................................ 52<br />

7. 8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. an Gral Johann VIL von<br />

<strong>Oldenburg</strong>, 1594— 1599. Nebst Anhang: Politische Nachrichten an<br />

den Herzog Johann d. J. von Schleswig-Holstein 1581— 1603. Mitgeteilt<br />

von Oberstaatsanwalt i. R. Walther Bacmeister, Stuttgart-<br />

Sillenbuch ....................................................................................................... 59<br />

8. Übersicht <strong>der</strong> Quellen zur Sippenkunde in <strong>der</strong> <strong>Oldenburg</strong>ischen<br />

<strong>Landesbibliothek</strong> 1936. Aufgestellt von Bibliotheksdirektor Hans<br />

W agenschein..................................................................................................90<br />

9. Storchbeobachtungen im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande 1938. Von Ministerialrat<br />

Richard T antzen ................................................................................... 95<br />

10. Dr. h. c. Heinrich Schütte t- Von Dr. Karl F i s s e n ........................ 109<br />

11. Neue Bücher. Angezeigt von Dr. H. Lübbing....................................... 110<br />

12. Gesamtübersicht <strong>der</strong> Veröffentlichungen des <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Vereins<br />

für Landesgeschichte und Altertumskunde von 1875— 1940 . . . . 117<br />

Seite<br />

Anmerkung: Je<strong>der</strong> Verfasser ist für seine Arbeit verantwortlich.


<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Verein<br />

für Landesgeschichte und Altertumskunde<br />

Postscheckkonto Hannover 51498. / Bankkonto: <strong>Oldenburg</strong>ische<br />

Landesbank A. - G., <strong>Oldenburg</strong> i. O., Landessparkasse,<br />

<strong>Oldenburg</strong> i. O. f Jahresbeitrag 3,— R M.,<br />

zuzüglich 25 Rpf. Versand- und Bestellkostenanteil.<br />

Der Beirat:<br />

Dr. Lübbing, Archivdirektor, <strong>Oldenburg</strong>, Vorsitzen<strong>der</strong>.<br />

Raths, Landeskulturrat, Brake.<br />

Dr. Fissen, Studienrat, <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Dr. Müller-Wulckow, Museumsdirektor, <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Michaelsen, Museumsdirektor, <strong>Oldenburg</strong>.<br />

P. Stalling, Verlagsbuchhändler, <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Grashorn, Mittelschullehrer, <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Dr. Hartong, Landrat, Westerstede.<br />

Baasen, Mittelschullehrer, Westerstede.<br />

Dr. Ottenjann, Studienrat, Cloppenburg.<br />

Fieweger, Studienrat, Vechta.<br />

Die Buchführung hat C. Schilling, <strong>Oldenburg</strong>, Ritterstr. 4. Tauschsendungen<br />

<strong>der</strong> im Austausch stehenden Vereine, Anfragen usw. sind<br />

unmittelbar an den Verein (<strong>Oldenburg</strong> i. 0 ., im Staatsarchiv,<br />

Damm 43) zu richten.


<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Verein für Landesgeschichte<br />

und Altertumskunde<br />

(Altertumsverein, gegr. 1875)<br />

Jahresbericht für 1938<br />

Das Jahr 1938 war eines <strong>der</strong> größten deutscher Geschichte. Ereignisse<br />

von weltgeschichtlicher Bedeutung kamen zur Vollendung: Unser Führer<br />

brachte Österreich und die Sudetendeutschen zum deutschen Vaterlande<br />

zurück! Es war eine politisch und völkisch bewegte Zeit. Sie ging auch an<br />

keinem Vereinsleben spurlos vorüber. Unser Verein für Landesgeschichte<br />

und Altertumskunde merkte es durch wie<strong>der</strong>holte längere Abwesenheit des<br />

Vorsitzenden und verschiedener Beiratsmitglie<strong>der</strong> zur Ableistung militärischer<br />

Übungen o<strong>der</strong> zur Teilnahme an Schulungslagern. Dazu verließen<br />

zwei Mitarbeiter seines Arbeitsbereiches ihre Stellen, ohne durch an<strong>der</strong>e<br />

voll ersetzt zu werden. Trotzdem litt die innere Vereinsarbeit nicht, wie<br />

die folgenden Berichte beweisen. Wie<strong>der</strong>holt trat <strong>der</strong> Beirat zu Sitzungen<br />

und Aussprachen zusammen, auf denen die notwendigsten Arbeiten beraten<br />

wurden. Die im letzten Jahresbericht in Aussicht gestellten Arbeiten<br />

konnten trotz <strong>der</strong> bewegten Zeit weitergeführt o<strong>der</strong> zum Abschluß gebracht<br />

werden.<br />

I. <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong><br />

Der 42. Band 1938 bietet wie<strong>der</strong> eine reichhaltige Auswahl landes- und<br />

heimatgeschichtlicher Beiträge, so daß es unseren Mitglie<strong>der</strong>n und darüber<br />

hinaus allen Heimatfreunden eine willkommene Gabe gewesen sein wird.<br />

Der auf <strong>der</strong> Jahreshauptversammlung für 1937 am 22. Januar 1938 im<br />

Augusteum gehaltene Vortrag von Studienassessor Dr. Kurt Rastede gehaltene<br />

Vortrag „Aus Geschäfts- und Rechnungsbüchern <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Kaufleute<br />

im 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>t" hat in seiner gedruckten vollständigen Form<br />

beson<strong>der</strong>en Wert für die oldenburgische Wirtschaftsgeschichte. Auf diesem<br />

Gebiete lagen bisher wenig o<strong>der</strong> gar keine Angaben vor. Der Vortrag bietet<br />

nicht nur einen kurzen politischen und kulturgeschichtlichen Überblick über<br />

das 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>t in unserer Heimat, son<strong>der</strong>n auch dem Familienforscher<br />

durch die Auszüge aus den alten Rechnungsbüchern wertvolle Hinweise<br />

und Ergänzungen. Je<strong>der</strong> Kaufmann findet hier eine anregende und


VI <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

aufschlußreiche Kunde von <strong>der</strong> kaufmännischen Buchführung seiner Vorgänger<br />

im 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>t. Eine Bereicherung <strong>der</strong> unmittelbaren<br />

Heimatgeschichte ist durch den ausführlichen Bericht über „Die Aufdeckung<br />

<strong>der</strong> Grabgewölbe des oldenburgischen Grafenhauses und die übrigen in <strong>der</strong><br />

<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lambertikirche gemachten Funde" möglich. Dr. Karl Fissen<br />

und Dr. Müller-Wulckow leiteten als Beauftragte des Staatlichen Denkmalrates<br />

diese Arbeiten. Eine vom Hochbauamt hergestellte Planzeichnung sowie<br />

8 Abbildungen ergänzen die Berichte. Beson<strong>der</strong>s wertvoll war <strong>der</strong> Fund<br />

einer Riechkapsel, die einst vom Grafen Anton f. (gest. 1573) getragen wurde.<br />

Es ist eine Goldschmiedearbeit höchst seltener Art, wie sie an<strong>der</strong>swo bisher<br />

nicht nachzuweisen war. Der Ambraduft <strong>der</strong> Kapsel hat sich bis auf den<br />

heutigen Tag unverän<strong>der</strong>t erhalten. — Ministerialrat R. Tantzen gibt einen<br />

wertvollen Beitrag über die Johanniter-Kommende Inte, die in Butjadingen<br />

an <strong>der</strong> Grenze von Stollhamm und Abbehausen gelegen war. Wir erhalten<br />

dadurch eine klare Vorstellung von <strong>der</strong> Bewirtschaftungsart und dem Wechsel<br />

im Besitz dieser fruchtbaren Marschlän<strong>der</strong>eien während sechs Jahrhun<strong>der</strong>te.<br />

Die heimische Sinnbildforschung wird anschaulich ergänzt durch den Aufsatz<br />

von Landeskulturrat J. 0. Raths mit 13 Abbildungen „Uraltes Sinnbild über<br />

dem Einfahrtstor des nie<strong>der</strong>sächsischen Bauernhauses". „Das Delmenhorster<br />

Schulwesen in alter und neuer Zeit" und „Das Delmenhorster Gast- und<br />

Armenhaus" behandelt Dr. Karl Sichart in zwei aufschlußreichen Beiträgen.<br />

Dr. Gerhard Ohling beantwortet auf Grund von Flurnamen die Fragen „Was<br />

enthält <strong>der</strong> Name Apen und welche Bedeutung hatte <strong>der</strong> Ort in mittelalterlicher<br />

Zeit?" In ähnlicher Weise, auf alten Flurnamen fußend, geht Dr. Kurt<br />

Hartong näher auf „Das Gogericht an <strong>der</strong> Ikenbrücke" ein. Der Beitrag ist<br />

eine Ergänzung <strong>der</strong> Forschung über das sächsische Gogericht. Aus seinem<br />

höchsteigenen Forschungsgebiet gibt Dr. Heinrich Ottenjann den Lesern einen<br />

Aufsatz über „Das Bauernhaus <strong>der</strong> <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Geest und seine Kosten um<br />

1820“. Es handelt sich um das Haus des Bauern Hermann Johann Behrens<br />

in Glane bei Dötlingen. Die Angaben beruhen auf Eintragungen in einem<br />

alten Hausbuch. Eine Anzahl Bil<strong>der</strong> ergänzen den Text. In die gleiche<br />

Gegend führt uns Hermann Schwabedissen durch seinen Beitrag „Ein eiszeitlicher<br />

Fundplatz auf <strong>der</strong> Glaner Heide bei Wildeshausen", ebenfalls mit<br />

zahlreichen vorgeschichtlichen Abbildungen. — Ehrenvolle Nachrufe für die<br />

verstorbenen Mitglie<strong>der</strong> Professor Friedrich Wilhelm Riemann und das<br />

Vorstandsmitglied Dr. Karl Hoyer beschließen den Hauptteil dieses Bandes.<br />

Auf 24 Seiten gibt <strong>der</strong> Vereinsvorsitzende eine willkommene Übersicht „Neues<br />

Schrifttum zur Landeskunde", eine mühevolle Arbeit, die in Kürze auf die<br />

Neuerscheinungen in den verschiedenen Forschungsgebieten eingeht.<br />

II. Oldetiburgische Geschichtsquellen<br />

Im Jahre 1938 machte die Neuausgabe <strong>der</strong> <strong>Oldenburg</strong>ischen Chronik von<br />

Hamelmann durch Professor Dr. Rüthning gute Fortschritte. Die Arbeit<br />

wurde in enger Verbindung mit <strong>der</strong> Historischen Kommission des Provinzialinstituts<br />

für westfälische Landes- und Volkskunde (Staatsarchivdirektor<br />

Dr. Bauermann, Osnabrück) weitergeführt. — An<strong>der</strong>e Unternehmungen dieser<br />

Reihe, <strong>der</strong>en im letzten <strong>Jahrbuch</strong> veröffentlichtes Programm lebhafte Zustimmung<br />

fand, mußten infolge dienstlicher Inanspruchnahme <strong>der</strong> Bearbeiter<br />

zunächst liegen bleiben.


Jahresbericht des Landesvereins<br />

VII<br />

III. Deutsches Städtebuch<br />

Die Bearbeitung <strong>der</strong> oldenburgischen Städte wurde abgeschlossen. Der<br />

Herausgeber des Sammelwerkes, Prof. Dr. Keyser in Danzig, brachte den<br />

1. Band, umfassend die Städte Nordostdeutschlands, zum Druck. Als 2. Band<br />

soll Nordwestdeutschland folgen.<br />

IV. <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Forschungen<br />

Die geplante Ausgabe Nr. 4 <strong>der</strong> „<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Forschungen” Dr. Oskar<br />

Brunken „Das alte Amt Wildeshausen, Landschaftsentwicklung, Besiedlung<br />

und Bauernhöfe" ist erschienen. Sehr wertvoll darin ist das tabellarisch<br />

angelegte Bauernregister. Für unsere Hof- und Sippenforscher gibt dieses<br />

Verzeichnis vielseitige Aufklärung und Hinweise. Als nächstes Heft ist die<br />

Dissertation von Dr. GerhartLohse „Die Ortsnamen zwischen Ems und Weser“<br />

in Aussicht genommen.<br />

Die Jahres-Hauptversammlung für 1938 war am 18. Februar<br />

1939. Nach dem Geschäftsbericht des Vorsitzenden und Schatzmeisters hielt<br />

Dr. Gerhart Lohse einen Vortrag über das Thema „Geschichte <strong>der</strong> Ortsnamen<br />

im östlichen Friesland. Ein Beitrag zur historischen Landeskunde <strong>der</strong> Küstengebiete<br />

zwischen Weser und Ems“ . Der Vortragende promovierte mit dieser<br />

Arbeit bei <strong>der</strong> Philosophischen pakultät <strong>der</strong> Universität Bonn. Sie ist für<br />

die geschichtliche Landeskunde zwischen Weser und Ems von Bedeutung und<br />

damit auch für die Stammeskunde <strong>der</strong> Friesen und Sachsen. Gerade die<br />

Orts- und Flurnamen lassen in vielen Fällen wichtige Schlüsse auf die Siedlungsgeschichte<br />

einer Landschaft ziehen. Sie wurden bisher viel zu wenig<br />

beachtet. So auch im vorliegenden Falle, Der Vorstand beschloß, diese<br />

landeskundliche Arbeit in <strong>der</strong> Reihe <strong>der</strong> „<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Forschungen" als<br />

5. Heft drucken zu lassen.<br />

K. F i s s e n<br />

In Vertretung des seit Kriegsbeginn 1939 im Felde stehenden Vorsitzenden.


Landesverein <strong>Oldenburg</strong> für Heimatkunde<br />

und Heimatschutz<br />

Jahresbericht 1938<br />

Der Landesverein für Heimatkunde und Heimatschutz<br />

konnte auch im Jahre 1938, dem Jahr <strong>der</strong> Erschaffung von Großdeutschland,<br />

eine rege Tätigkeit entfalten. Der Vereinsvorstand hat 6 Sitzungen abgehalten,<br />

in denen Organisations- und Heimatschutzfragen, Forschungsarbeiten<br />

sowie über Veranstaltungen des Vereins beraten wurde.<br />

Unser langjähriger Schriftführer, Oberlandwirtschaftsrat<br />

Krogmann, hat aus Gesundheitsgründen darum gebeten, ihn von seinem<br />

Amte zu entlasten. Wegen seiner hervorragenden Verdienste hat <strong>der</strong> Vorstand<br />

ihn zum Ehrenmitglied des Landesvereins ernannt. Mittelschullehrer<br />

Bruns ist an seine Stelle getreten. Unser Ehrenvorsitzen<strong>der</strong><br />

Dr. h. c. H. Schütte konnte am 28. Dez. seinen 75. Geburtstag feiern,<br />

wozu ihm <strong>der</strong> Vereinsvorstand die herzlichsten Glückwünsche übermittelt hat.<br />

Veranstaltungen des Landesvereins im Jahre 1938<br />

1. Februar: OrdentlicheMitglie<strong>der</strong>versammlung. Vortrag<br />

mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Erich Maaß „Heimische Raubvögel".<br />

2. Februar: Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von O. S. Reuter, Bremen:<br />

„Himmelskunde <strong>der</strong> Germanen".<br />

3. April: Studienfahrt ins Ipweger Moor zur Besichtigung<br />

<strong>der</strong> Knüppel- und Bohlenwege.<br />

4. Mai: Studienfahrt: Museumsdorf Cloppenburg, Talsperre Thülsfelde,<br />

Küstenkanal.<br />

5. Juni: Ornithologische Studienfahrt nach Mellum.<br />

6. Juni: 6. Vorgeschichtliche Tagung in Nordenham:<br />

Geologie und Vorgeschichte <strong>der</strong> Wesermarsch.<br />

7. Oktober: V ortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Prof. Reinerth, Berlin:<br />

„Die Ausgrabungen am Fe<strong>der</strong>senmoor in ihrer weltanschaulichen<br />

und wissenschaftlichen Bedeutung".<br />

8. Dezmbr.: V o r t r a g m it Lichtbil<strong>der</strong>n von Museumsleiter Dr.<br />

Wegewitz, Harburg: „Die Langobarden im Nie<strong>der</strong>elbegebiet.<br />

Vorläufiger Plan für 1939<br />

8. Februar: Vortrag von Staatsarchivdirektor Dr. Lübbing: „Der Friesenstamm<br />

als Träger germanischer Eigenart".


Jahresbericht des Landesvereins<br />

IX<br />

18. Februar: Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Landschaftsgestalter<br />

Schwarz, Worpswede: „Landschaftsgestaltung bei Reichsautobahnen<br />

und Kulturarbeiten".<br />

26. Februar: Studienfahrt nach Bremen. Besuch des Focke-<br />

4. März:<br />

5. April:<br />

6. Mai:<br />

7. Juni:<br />

8. Juni:<br />

museums und <strong>der</strong> Ausstellung „Lebendige Vorzeit".<br />

Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Museumsdirektor Michaelsen:<br />

„Grabungsergebnisse des Jahres 1938".<br />

Anschließend Führung durch die vorgeschichtliche Abteilung<br />

des Museums.<br />

Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Dr. Gaso über Vogelschutz.<br />

Besuch des Botanischen Gartens.<br />

Ornithologische Studienfahrt nach Mellum o<strong>der</strong><br />

Wangerooge.<br />

7. Vorgeschichtliche Tagung in Cloppenburg o<strong>der</strong><br />

Osnabrück mit Studienfahrt zum Dümmer.<br />

9. August: Studienfahrt nach dem Artlande.<br />

10. Sept.: Studienfahrt nach Wilhelmshaven (Wurtengrabungen).<br />

11. Oktober: V o r t r a g m it Lichtbil<strong>der</strong>n von A. Rust: „Eiszeitliche<br />

Rentierjäger in Norddeutschland“.<br />

12. Novbr.: Vortrag über Flurnamen von Steilen, Bremen.<br />

13. Dezmbr.: V o r t r a g m it Lichtbil<strong>der</strong>n von Museumsdirektor Michaelsen:<br />

Führung durch die vorgeschichtliche Abteilung des<br />

Museums: Die neuesten Funde.<br />

Über die Vereinsarbeit unterrichten am besten die Berichte <strong>der</strong> Leiter<br />

<strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaften, die auch in diesem Jahre tatkräftig und zielbewußt<br />

gearbeitet haben.<br />

I. Arbeitsgemeinschaft für Botanik<br />

Uns war für dieses Jahr vom Reichsmuseum Berlin-Dahlem eine für<br />

das ganze Reich gemeinsame Aufgabe gegeben, für einige schon in nächster<br />

Zeit sehr gefährdete Pflanzen ihren jetzigen Bestand festzulegen. Davon<br />

kamen für <strong>Oldenburg</strong> in Betracht <strong>der</strong> Königsfarn (Osmunda regalis L .),<br />

<strong>der</strong> Gagelstrauch (Myrica gale L .), <strong>der</strong> L u n g e n -E n z ia n (Gentiana<br />

pneumonanthe L.) und <strong>der</strong> Wohlverleih (Arnica montana L .). Deren<br />

Einzelstandorte und Mengen zu erforschen, wollten wir uns dieses<br />

Jahr angelegen sein lassen. Wer meint, daß das in einem Nachmittagsspaziergang<br />

zu erledigen sei, irrt sich. Ein Meßtischblatt umfaßt reichlich<br />

11X11 = 124 qkm. Wir teilen es noch wie<strong>der</strong> in Unterquadrate von 250 m<br />

Seitenlänge, gibt fast 2000 Quadrate. Die alle gewissenhaft abzusuchen in<br />

einem so uneinheitlichen und unübersichtlichen Gelände wie auf Meßtischblatt<br />

Wiefelstede, dazu gehört Zeit und Geduld, die uns zwar reichlich gelehnt<br />

werden durch einen immer tieferen E in b lic k in Natur und Heimat, die<br />

aber doch erst mal da sein müssen. So ist folgendes Resultat herausgekommen:<br />

Von den 50 Bezirken waren unbesetzt 5, auf 8 Kartierer war<br />

verzichtet worden, weil bei ihnen die vier Arten nicht V orkom m en können<br />

(Marsch), 9 Kartierer haben lei<strong>der</strong> versagt, so daß 22 Bezirke ausfallen. Von<br />

28 Bezirken liegen die Kartierungen vor, von ihnen sind 11 so ausgefallen,<br />

daß sie völlige Klarheit geben. Im ganzen darf gesagt werden, daß jetzt


<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

über das Vorkommen <strong>der</strong> vier Arten im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande Klarheit geschaffen<br />

ist, dahin, daß <strong>der</strong> Gagel von seiner früheren Herrschaft auf allem<br />

anmoorigen Boden sehr zurückgegangen ist, größere geschlossene Bestände<br />

in ein paar Jahren nicht mehr da sein werden, er sich aber einzeln an<br />

Wegen noch lange und in unsern Moorschutzgebieten für immer<br />

halten wird. Der Lungen-Enzian ist fast nur noch auf Graswegen anmooriger<br />

Gebiete da, wird immerhin auch noch lange einzeln vorhanden<br />

bleiben. Die Arnica wird vielleicht schon in 10 Jahren an den meisten<br />

Standorten erledigt sein, weil gerade ihre Standorte sich am wenigsten als<br />

Naturschutzgebiete halten lassen. Herr Ohlroggen hat ein solches auf dem<br />

Meßtischblatt Edewecht einrichten können und wird dort die Arnica vielleicht<br />

länger erhalten können. Schade um die prächtige und volkstümliche<br />

Pflanze. Auch <strong>der</strong> Königsfarn ist selten geworden, weil er an Gräben<br />

zu oft weggeschlotet wurde und weil Gärtner und Gartenbesitzer ihn zu viel<br />

raubten. Jetzt hat aber ja Herr Bruns-Westerstede ausgefunden, wie man<br />

ihn aus Sporen ziehen kann, so daß er käuflich zu haben sein wird. Ferner<br />

werden seine jetzigen Standorte — beson<strong>der</strong>s an Wallhecken — künftig<br />

wenig Verän<strong>der</strong>ungen unterliegen; wenn sich nur überall die Naturschutzbehörden,<br />

die Lehrer und die Führer <strong>der</strong> Hitler-Jugend seiner<br />

annehmen und jedes Exemplar als auszeichnenden Schmuck ihrer Dorfflur<br />

behandeln, wird sein jetziger Bestand zu halten sein.<br />

Die Pflanzenschutzgebiete sind in diesem Jahre sehr wesentlich<br />

geför<strong>der</strong>t worden. Unsere letzten Nie<strong>der</strong>ungsmoore mit außerordentlich<br />

reicher Pflanzenwelt sind nun doch noch in letzter Stunde unter Schutz<br />

gekommen, dank dem Verständnisse <strong>der</strong> Staatsregierung, <strong>der</strong> beteiligten<br />

Bauern und ihrer Vertretung bei <strong>der</strong> Landesbauernschaft und <strong>der</strong> Organe<br />

<strong>der</strong> Landesplanungsstelle. Geschützt sind jetzt 1. die Perle aller Perlen,<br />

PoggenpohlsMoor mit wohl 30 s eltenen Pflanzenarten; 2. das P e -<br />

struper Moor mit sehr malerischer, wenn auch nicht so urtümlicher<br />

Bewachsung, jetzt in wun<strong>der</strong>vollem landschaftlichem Zusammenhang mit<br />

dem schon länger geschützten Rosengarten, dem ausgedehnten Pestruper<br />

Gräberfeld und den berühmten Groß-Steingräbern von Kleinenkneten; 3. die<br />

Moorumgebung <strong>der</strong> schon länger geschützten beiden Säger Meere,<br />

die jetzt den Rahmen erhalten, ohne den sie schnell wertlos geworden<br />

wären; 4. das Huntlosar Moor unter <strong>der</strong> Hollenhöhe (nördlich von<br />

Großenkneten). Zwar ist es schon überall verän<strong>der</strong>t und größtenteils kultiviert,<br />

hat aber durch die Torfstiche in seinem tiefsten Teil Wildnisse gewonnen,<br />

die für Vogelwelt und Jagd sehr wertvoll sind, landschaftlich sehr<br />

malerisch sind und endlich in Fülle einen schon lange verlorengegebenen<br />

botanischen Schatz bergen, die kleine Sumpforchidee Malaxis paludosa<br />

Sw., das Weichblatt. Uber 300 Exemplare habe ich dort diesen Herbst<br />

entdecken können, einen für diese Seltenheit unerhörten Reichtum.<br />

Es sei noch hingewiesen auf eine neue Bestandsaufnahme <strong>der</strong><br />

Flora von Mellum, <strong>der</strong> werdenden Nordseeinsel, wo außer den<br />

66 bisher gemeldeten Pflanzenarten (von denen aber etwa 10 wie<strong>der</strong> verschwunden<br />

sind) noch 15 neue Einwan<strong>der</strong>er des Zeitraums 1926/38 verzeichnet<br />

werden konnten. Es wird jetzt etwa 70 Pflanzenarten auf Mellum<br />

geben, während bei <strong>der</strong> ersten Aufnahme 1903 durch Dr. h. c. Heinrich<br />

Schütte erst 17 Arten gefunden werden konnten.


Jahresbericht des Landesvereins<br />

XI<br />

Um für die zukünftige Forschung eine brauchbare Grundlage zu<br />

schaffen, wird für die gegenwärtige Bestandsaufnahme unserer<br />

Pflanzenwelt, für ihre Kartierung, ein ausführliches doppeltes<br />

Register angelegt, und zwar ein Meßtischblattregister<br />

und ein Pflanzenartenregister. Ersteres führt für jedes Meßtischblatt<br />

des Landes, also beginnend mit 825 = Wangerooge, alle Pflanzenaiten<br />

auf, die dort Vorkommen könnten, für Wangerooge und die Marschbezirke<br />

etwa 400, für Geest- o<strong>der</strong> Moorbezirke wie Westerstede, Vechta<br />

etwa 600, ergibt für die 50 M.-Bl. des Landes 28 000 Spalten. Dieses Register<br />

ergibt, wenn es fertig ist, sofort eine Übersicht über die Pflanzenbesiedlung<br />

eines beschränkten Bezirks, je<strong>der</strong> Gemeinde, jedes Dorfes mit<br />

seiner Gemarkung. Das zweite Register geht von <strong>der</strong> Pflanzenart aus und<br />

öffnet für sie 50 Spalten, für jedes Meßtischblatt eine, so daß es nach seiner<br />

Ausfüllung einen genauen Überblick über die Verbreitung einer Art im<br />

Lande verschafft. Da wir nach <strong>der</strong> „Flora" von Meyer, von Dieken und<br />

Dr. Leege 1043 Wildpflanzenarten im Lande haben, die freilich<br />

zumeist entwe<strong>der</strong> für die Geest o<strong>der</strong> für die Marsch ausgeschlossen<br />

sind, kommen auch hier wie<strong>der</strong> 28 000 Spalten in Frage. Man sieht, die<br />

Aufstellung dieser Register ist eine umfangreiche Aufgabe für viele Jahre,<br />

denn eine einzige Eintragung kann ja erst erfolgen, wenn man die 226 Millionen<br />

Quadratmeter eines Meßtischblattes durchsucht hat. Aber viele<br />

Körner machen einen Haufen, und s o bitten wir jeden Naturfreund,<br />

bei dieser Bestandsaufnahme unserer Pflanzenwelt<br />

mitzuhelfen. So schlimm, wie es mit <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Arbeit aussieht,<br />

ist es nicht, Wangerooge, Mellum sind so ziemlich fertig, Berne,<br />

Littel, Garrel, Löningen sind schon mit Eintragungen weit geför<strong>der</strong>t, an<strong>der</strong>e<br />

Blätter wahrscheinlich durch Beobachtungen, wenn auch noch nicht durch<br />

Registrierung. Was Schleswig-Holstein leisten konnte, wollen wir auch<br />

können, um eine Grundlage zu schaffen für Aufgaben späterer Geschlechter<br />

unserer oldenburgischen Heimat.<br />

W. Meyer.<br />

Unser Landesherbarium<br />

Am 2. Mai 1906 beschloß <strong>der</strong> Landesverein für Naturschutzkunde,<br />

<strong>der</strong> Vorgänger unseres Vereins für Heimatkunde und<br />

Heimatschutz, ein Landesherbarium für das Herzogtum<br />

<strong>Oldenburg</strong> anzulegen und die Sammlung dem Naturhistorischen<br />

Museum am Damm zu überweisen.<br />

Hier war bis dahin nur die noch aus dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t stammende<br />

Lokalsammlung von Trentepohl vorhanden, welche um die Mitte des<br />

vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts von Dr. Kelp ergänzt worden ist. Sie ist noch nach<br />

dem Linneschen System geordnet.<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Zeit hat sich die Pflanzenwelt unserer Heimat stark verän<strong>der</strong>t.<br />

Auch werden jetzt ganz an<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen an ein brauchbares<br />

Herbarium gestellt. Deshalb erschien es nötig, eine völlig neue Sammlung<br />

anzulegen. Unser Herbarium soll nicht bloß zeigen, welche Pflanzen zur<br />

Zeit in unserm Gebiet vorhanden sind, son<strong>der</strong>n die einzelnen Arten von den<br />

verschiedenen Bodenarten (Moor, Marsch, Geest) enthalten und sie in allen<br />

Entwicklungsstadien aufnehmen. Beson<strong>der</strong>s sind auch die Bastarde, A b­<br />

arten, abnorme Bildungen sowie die eingeschleppten Pflanzen zu sammeln.


XII <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

So erhält unser Herbarium einen mehr biologischen Charakter.<br />

Der Sammlung wurden Buchenaus Flora <strong>der</strong> nordwestdeutschen<br />

Tiefebene sowie <strong>der</strong>en „Kritische Nachträge” zugrunde<br />

gelegt. Obgleich unser Landesherbarium sich im wesentlichen auf das frühere<br />

Herzogtum <strong>Oldenburg</strong> beschränkt, also die Pflanzen eines viel kleineren<br />

Gebiets umfaßt, so ist die Einordnung doch streng nach <strong>der</strong> obigen Flora<br />

erfolgt. Wenn dadurch auch unsere Sammlung auch bei oberflächlicher<br />

Betrachtung stets einen etwas unvollständigen Eindruck macht, da eine<br />

ganze Anzahl Arten, ja sogar einige Familien fehlen müssen, so ist dieser<br />

scheinbare Nachteil doch durch die bessere Orientierungsmöglichkeit mehr<br />

als aufgewogen.<br />

Es fanden sich gleich bei <strong>der</strong> Gründung zahlreiche Sammler, welche<br />

sich in selbstloser Weise <strong>der</strong> Arbeit mit Eifer annahmen, und so wurde<br />

schnell ein ansehnlicher Grundstock gelegt. Manche von ihnen sind inzwischen<br />

verstorben, aber einige sind bis heute unserer Sache treu geblieben.<br />

Ihnen allen für ihre Mitarbeit recht herzlich zu danken ist mir eine angenehme<br />

Pflicht.<br />

Lei<strong>der</strong> fehlt uns <strong>der</strong> Nachwuchs völlig. Wer hilft<br />

uns weiter?<br />

Über den Umfang unseres Landesherbariums geben folgende Zahlen<br />

Auskunft:<br />

Es sind vorhanden 2536 Pflanzen, die sich auf 808 Arten und 109 A b ­<br />

arten verteilen. 72 Familien mit 215 Arten sind vollständig.<br />

Der Unterzeichnete ist je<strong>der</strong>zeit bereit, Einblick in die Sammlung zu<br />

geben. Friedrich Heine n.<br />

II. Ornithologische Gesellschaft<br />

Die Ornithologische Gesellschaft veranstaltete im abgelaufenen Jahr<br />

drei Studienfahrten. Die erste führte uns im Anschluß an die von dem<br />

Minister <strong>der</strong> Kirchen und Schulen als höhere Naturschutzbehörde einberufene<br />

Naturschutztagung nach Mellum, an dessen Erhaltung <strong>der</strong> Landesverein<br />

für Heimatkunde und Heimatschutz maßgebend beteiligt ist. Wir<br />

hatten die große Freude, daß die Maßnahmen des Mellumrates zur Einschränkung<br />

<strong>der</strong> Silbermöven in diesem Jahre das erfreuliche Ergebnis hatte,<br />

daß die Brandseeschwalbe, die im Jahre 1937 Mellum infolge des Vorherrschens<br />

<strong>der</strong> Silbermöven verlassen hatte, mit 13 Brutpaaren zurückgekehrt<br />

waren. Es ist zu hoffen, daß es <strong>der</strong> hingebenden Arbeit des Kreisbeauftragten<br />

für Naturschutz, Lehrer Harms in Wilhelmshaven, und seiner Mitarbeiter<br />

gelingen wird, die endgültige Rückkehr <strong>der</strong> Brandseeschwalbe, die das<br />

Kleinod <strong>der</strong> Vogelwelt Mellums ist, sicherzustellen. Die zweite Studienfahrt<br />

hatte die Ahlhorn er Fischteiche und den Baumweg zur Beobachtung<br />

seltener Sumpf- und Wasservögel zum Ziel und die letzte Fahrt führte<br />

nach Dangast an den Jadebusen, wo wir das Glück hatten, Hun<strong>der</strong>te<br />

von Säbelschnäblern beobachten zu können, die auf dem Watt vor dem<br />

Petershörner Siel Nahrung suchten.<br />

Der Reichsforstmeister hat inzwischen als oberste Naturschutzbehörde<br />

das Mellumeiland und die beiden Vogelschutzgebiete in Wangerooge-West<br />

und Wangerooge-Ost zu Reichsnaturschutzgebieten erklärt. Während es aus


Jahresbericht des Landesvereins<br />

XIII<br />

militärischen Gründen nicht möglich war, Mellum, wie in den früheren<br />

Jahren, wie<strong>der</strong> dauernd mit einem Vogelwart zu besetzen, hat stud. rer. nat.<br />

Reichte aus Edingerhof bei Heidelberg die Naturschutzgebiete auf W angerooge<br />

betreut und gewissenhaft und mit gutem Erfolg gearbeitet. Die<br />

W angerooger Vogelschutzgebiete haben sich in den letzten Jahren vorzüglich<br />

entwickelt.<br />

Die Ornithologische Gesellschaft hat ihre Arbeiten zu einer möglichst<br />

zuverlässigen Erfassung <strong>der</strong> im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande vorhandenen Brutpaare<br />

<strong>der</strong> Störche, Fischreiher und Saatkrähen fortgesetzt.<br />

Weißer Storch: Die Zahl <strong>der</strong> besetzten Storchnester betrug 1938<br />

239 (1937: 245), während 66 (1937: 51) Horste unbesetzt blieben. Die Zahl<br />

<strong>der</strong> ausgeflogenen Jungstörche hat sich wie<strong>der</strong>um vermin<strong>der</strong>t, sie sank von<br />

305 im Jahre 1937 auf 287, da nur 108 (1937: 128) Storchpaare zur Brut<br />

schritten und 125 (1937: 106) Brutpaare ohne Jungvögel blieben. Das Er­


X IV <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

gebnis <strong>der</strong> von den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ornithologischen Gesellschaft zusammengetragenen<br />

Beobachtungen ist an an<strong>der</strong>er Stelle dieses <strong>Jahrbuch</strong>es in <strong>der</strong><br />

Arbeit vonTantzen „Storchbeobachtungen 1938" zusammengefaßt. — Blohm,<br />

Kaper, Keseberg, Kositz, Künnemann, Maaß, Mitzschke, Voigt, Wiepken<br />

u. a. haben im letzten Jahrzehnt jährlich eine große Anzahl Jungstörche<br />

beringt, die über Ungarn, Jugoslawien, Türkei, Palästina, Ägypten, Sudan<br />

nach Südafrika in die Winterquartiere zogen und im Frühjahr von dort auf<br />

dem gleichen W ege in die Heimat zurückkehrten. Die bisher vorliegenden<br />

65 Ringrückmeldungen <strong>der</strong> Vogelwarten Helgoland und Rossitten sind in<br />

<strong>der</strong> Arbeit von Tantzen „Die <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Störche auf dem Zug" in den<br />

Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen, Band 31,<br />

Heft 1, Seite 6 ff., ausgewertet worden.<br />

Fischreiher: Eine Übersicht über die Zahl <strong>der</strong> besetzten Horste in<br />

den Fischreiherkolonien des Landesteils <strong>Oldenburg</strong> ist im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong>,<br />

Band 42, Seite XVI, gegeben worden. Der Bestand hat sich gegenüber<br />

dem Vorjahr nur unwesentlich geän<strong>der</strong>t. Es wurden im Jahre 1938<br />

748 besetzte Fischreihernester gegenüber 718 im Vorjahre gezählt. Im einzelnen<br />

ergaben die Kolonien folgende Zahlen:<br />

Saatkrähen: Auf Veranlassung <strong>der</strong> Reichsstelle für Naturschutz<br />

wurde eine Zählung <strong>der</strong> Saatkrähenkolonien durchgeführt. Das <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Land hat 16 Saatkrähenkolonien in seinem Gebiet, lediglich fünf Kolonien,<br />

und zwar die zu Mittelhofschlag, Moordorf, Altendorf, Bokelesch und Barkeier<br />

Busch (Gemeinde östringen, Kreis Friesland) haben einen größeren<br />

Umfang, alle übrigen weisen nur eine geringe Zahl von Brutpaaren auf. Das<br />

Ergebnis <strong>der</strong> letzten Zählung im Jahre 1934 ist im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong>,<br />

Band 42, Seite XVI, veröffentlicht. (Der Druckfehler „Deutschlands" ist dort<br />

in „<strong>Oldenburg</strong>s" zu berichtigen.) Der Gesamtbestand <strong>der</strong> Saatkrähenbrutpaare<br />

ist in diesen vier Jahren von 1660 auf 1342 im Jahre 1938 zurückgegangen.<br />

Die Maßnahmen zur Bekämpfung <strong>der</strong> Rabenkrähen im Rahmen<br />

des Reichsjagdgesetzes haben auch zu einer Vermin<strong>der</strong>ung des Bestandes<br />

<strong>der</strong> Saatkrähen geführt. Die Saatkrähenkolonie in <strong>der</strong> Gemeinde Damme<br />

ist vollständig eingegangen.<br />

Bestand <strong>der</strong> Saatkrähenkolonien 1938<br />

Tantzen


Jahresbericht des Landesvereins<br />

X V<br />

III. G eologie<br />

Die geologischen Untersuchungen im Kriegshafen-Neubaugebiet,<br />

die seit 1936 ausgeführt werden, haben auch im Jahre 1938 fortgesetzt<br />

werden müssen nach Maßgabe <strong>der</strong> Bauarbeiten. Beson<strong>der</strong>s im Vorhafengebiet<br />

bis an und ins Fahrwasser <strong>der</strong> Kriegsschiffe wurden tiefere<br />

Bohrungen nie<strong>der</strong>gebracht, meistens von einem dort draußen fest verankerten<br />

Schiff aus. Dem Unterzeichneten sowie dem Hafenbaudirektor a. D.<br />

Dr. h. c. Krüger wurden die Bohrprotokolle nebst Lageplänen und — wenn<br />

erfor<strong>der</strong>lich — die Bohrproben vorgelegt. Sie zogen auch Konrektor<br />

H. Oldewage in Wilhelmshaven bei <strong>der</strong> Beurteilung zu, <strong>der</strong> vom Heimatverein<br />

Wilhelmshaven mit <strong>der</strong> Überwachung <strong>der</strong> vielen Wurtaufschlüsse beauftragt<br />

ist, die bei <strong>der</strong> außerordentlich regen Bautätigkeit im bedeutend<br />

erweiterten Kriegshafengebiet im alten Rüstringer und auch teilweise im<br />

Östringer Gau in rascher Folge durchgeführt werden müssen.<br />

Uber die Ergebnisse all dieser geologischen Untersuchungen kann<br />

noch kein abschließen<strong>der</strong> Bericht gegeben werden. Innerhalb<br />

<strong>der</strong> bisherigen Festlandsgrenzen finden wir zwar überall den Aufbau, <strong>der</strong><br />

in den Schriften des Unterzeichneten schon seit Jahren fachwissenschaftlichen<br />

wie allgemein naturkundlichen Kreisen zur Kenntnis gebracht worden<br />

ist. Hier hat sich d a s Alluvium in <strong>der</strong> Folge <strong>der</strong> 4 Senkungsund<br />

3 Hebungsstufen regelmäßig aufgebaut; aber außerhalb<br />

<strong>der</strong> Festlandsecke geben die tieferen Bohrprofile ein schwer zu entwirrendes<br />

Bild von den Wirkungen des diluvialen Eisdruckes auf die ältere<br />

Festlandskante. Wir müssen noch weitere Aufschlüsse und Untersuchungen<br />

abwarten, ehe wir eine befriedigende Übersicht über den Ablauf jener Verän<strong>der</strong>ungen<br />

geben können.<br />

Die Aufschlüsse innerhalb des Seedeiches geben neben<br />

dem Einblick in den geologischen Ablauf <strong>der</strong> Küstenbildung auch Gelegenheit,<br />

Besiedlungsfragen in dieser Marschgegend zu klären, und es ist hocherfreulich,<br />

daß Dr. Haarnagel, <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Wurtenforschungsstelle<br />

in Hannover, nach erfolgreicher Beendigung <strong>der</strong><br />

Wurtengrabung ins Einswarden mit seinem ganzen Stabe nach W ilhelmshaven<br />

übergesiedelt ist, um dort die zahlreichen Aufschlüsse<br />

nach Kräften auszuwerten. Die vielen Flachbohrungen, die ihm von den<br />

Baubehörden als Unterlage für seine vor- und frühgeschichtlichen Untersuchungen<br />

zur Verfügung gestellt werden, ergänzen seine Studien aufs beste.<br />

Die Geologen von <strong>Oldenburg</strong> und Wilhelmshaven werden mit ihm Hand in<br />

Hand arbeiten.<br />

H. Schütte.<br />

IV. <strong>Oldenburg</strong>ische Gesellschaft für Familienkunde<br />

Die <strong>Oldenburg</strong>ische Gesellschaft für Familienkunde,<br />

die als Arbeitsgemeinschaft die Familien- und Sippenforscher <strong>der</strong> oldenburgischen<br />

Heimatvereine zusammenfaßt, hat ihre Arbeit im abgelaufenen<br />

Jahre fortgesetzt. Sie zählt zur Zeit 7 körperschaftliche Mitglie<strong>der</strong> und<br />

83 Einzelmitglie<strong>der</strong>, davon 53 in <strong>der</strong> Stadt <strong>Oldenburg</strong> und 30 in und außerhalb<br />

des <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Landes.<br />

Die Vortragsreihe in unserem Kreise gab Einblick in folgende<br />

Abschnitte:


XVI <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Minßen, Gewerberat i. R.: „Sippenkundliche Betrachtungen an <strong>der</strong> Hand<br />

<strong>der</strong> Familiengeschichte <strong>der</strong> Familie Minßen aus dem Waddewar<strong>der</strong><br />

Kirchspiel" (2 Abende).<br />

Dr. Mun<strong>der</strong>loh, Studienassessor, Kiel: „Hofdienste <strong>der</strong> Wüstenlän<strong>der</strong><br />

Bauern."<br />

Schmeyers, Obervermessungsdirektor: „Friesische Sippen in <strong>der</strong> Schweiz."<br />

Tantzen, Ministerialrat: „Aus <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Familie Tantzen."<br />

Wegewitz, Museumsleiter, Harburg: „Die Langobarden im Nie<strong>der</strong>elbegebiet."<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Kulturwoche sprachen auf <strong>der</strong> familienkundlichen<br />

und sippenkundlichen Tagung des Heimatbundes <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Münsterland Ministerialrat Tantzen über „Die Grundlagen<br />

<strong>der</strong> Sippenforschung" und Studienrat Dr. Fissen über „Praktische<br />

Arbeit in <strong>der</strong> Familienforschung". Mit <strong>der</strong> Tagung war eine familienkundliche<br />

Ausstellung verbunden, die in <strong>der</strong> ersten Abteilung einen Überblick<br />

über den gegenwärtigen Stand <strong>der</strong> Familienforschung im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Münsterlande,<br />

in <strong>der</strong> zweiten die Aufgaben <strong>der</strong> Familienforschung in <strong>der</strong> Schule<br />

zeigte und in <strong>der</strong> letzten einen Einblick in die Verkartung <strong>der</strong> Kirchenbücher,<br />

die Zusammenstellung <strong>der</strong> Familienbücher und die Erarbeitung <strong>der</strong><br />

Dorfsippenbücher gab. Wir konnten die Ausstellung aus den Beständen<br />

unserer Sammlungen und unserer Bücherei wirksam unterstützen und so zu<br />

ihrem Gelingen beitragen.<br />

Die Bücherei, über <strong>der</strong>en Bestand dem letzten Jahresbericht ein<br />

Verzeichnis beigegeben wurde, konnte um 27 Nummern ergänzt werden. Ich<br />

danke auch an dieser Stelle allen Familienforschern, die unsere Sammlung<br />

durch Überlassung einer Abschrift ihrer Arbeiten und durch Spenden erweitert<br />

haben. Es wurden ferner zwei Lesemappenkreise mit familienkundlichem<br />

Schrifttum eingerichtet, die unter unseren Mitglie<strong>der</strong>n eine erfreuliche<br />

Beteiligung gefunden haben.<br />

Unser Ziel, eine möglichst lückenlose Sammlung <strong>der</strong> Nachweise <strong>der</strong><br />

Stammtafeln, Ahnentafeln und Familiengeschichten aller oldenburgischen<br />

Familien zu schaffen, konnte um weitere 144 Nachweise geför<strong>der</strong>t werden.<br />

D i e 0 1d e n b u r g i s c h e Gesellschaft für F a m i 1i e n k u n d e<br />

hat sich für alleAnfragen undAuskünfte bereitwilligst<br />

in den Dienst <strong>der</strong> Sippenkunde und Familienforschung<br />

gestellt. Es wurden außer zahlreichen mündlichen Antworten im abgelaufenen<br />

Jahre 127 schriftliche Auskünfte erteilt und Unterlagen aus unseren<br />

Sammlungen nach auswärts zur Einsicht versandt. Tantzen.<br />

V. <strong>Oldenburg</strong>ische Arbeitsgemeinschaft iür V or- und Frühgeschichte<br />

Die <strong>Oldenburg</strong>ische Arbeitsgemeinschaft für Vorund<br />

Frühgeschichte konnte auch im verflossenen Jahre eine rege<br />

Tätigkeit entfalten. Weite Kreise nahmen an den Arbeiten und Veranstaltungen<br />

<strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft lebhaften Anteil. Rein zahlenmäßig kommt<br />

<strong>der</strong> Erfolg in dem Anwachsen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahl von 40 im Jahre 1933 auf<br />

230 im Jahre 1938 zum Ausdruck.<br />

Durch die Bereitstellung von staatlichen Mitteln, für die dem <strong>Oldenburg</strong>ischen<br />

Staatsministerium zu danken ist, konnte die A r­<br />

beitsgemeinschaft in enger Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Mu-


Jahresbericht des Landesvereins<br />

XVII<br />

seum für Naturkunde und Vorgeschichte auch im Jahre 1938<br />

eigene Untersuchungen durchführen, die sich namentlich auf Bohlenw<br />

e g e erstreckte. Am Rande des Ipweger Moores konnten fünf<br />

Knuppelstege und ein Bohlensteg untersucht werden. Die pollenanalytischen<br />

Untersuchungen, die von dem Moorforscher<br />

K. Pfaffenberg, Vorwohlde, durchgeführt wurden, ergaben, daß diese in <strong>der</strong><br />

jüngeren Steinzeit und älteren Bronzezeit angelegt worden<br />

sind (Zeitraum 2400— 1600 v. d. Ztr.). Wohin diese Bohlen- und Knüppelstege<br />

führten, läßt sich noch nicht sagen; wahrscheinlich zu einer Geestinsel,<br />

auf <strong>der</strong> sich eine Siedlung befand o<strong>der</strong> die in Notzeiten aufgesucht<br />

wurde.<br />

Von dem Bardenflether Bohlen weg, <strong>der</strong> auf einer Länge von<br />

4,4 km kartiert ist, wurde im Sommer ein Stück auf den Gründen des<br />

Bauern Johann Hayen, Nor<strong>der</strong>moor, eingehend untersucht durch Studienrat<br />

Wiepken, Regierungsbaumeister a. D. Steinmann und dem Berichterstatter.<br />

Bei <strong>der</strong> Freilegung aller Moorbrücken des Ipweger Moores leistete Siedler<br />

Georg Martens hervorragende Dienste. An dem freige!egten Stück, das recht<br />

gut erhalten war, konnten einwandfrei Lochpfähle nachgewiesen werden.<br />

Die Anlage zeigt große Ähnlichkeit mit dem berühmten Bohlenweg<br />

Nr. 111 im Lohner Moor, <strong>der</strong> seinerzeit von dem Bauinspektor Prejawa<br />

untersucht worden ist. Eingehend untersucht wurde auch <strong>der</strong> Bohlenweg<br />

im Wittemoor bei Hude durch Regierungsbaumeister a. D. Steinmann<br />

und dem Berichterstatter. Die Untersuchung wurde wesentlich geför<strong>der</strong>t<br />

durch Bürgermeister Degen, Hude, und Hauptlehrer Rid<strong>der</strong>, Vielstedt.<br />

Da <strong>der</strong> Hu<strong>der</strong> Bohlenweg durch Torfstiche in großer Gefahr ist, vollständig<br />

zerstört zu werden, wurden durch Ministerialrat Tantzen Teile<br />

unter Schutz gestellt. Beide Bohrungen führen zu den chaukischen<br />

Siedlungen an <strong>der</strong> Weser und unteren Hunte.<br />

Im Jahre 1939 sollen die Untersuchungen an dem Bardenflether und<br />

Hu<strong>der</strong> Bohlenweg fortgesetzt werden und vor allem geologische Querprofile<br />

längs <strong>der</strong> Bohlenwcge durch die Moore hergestellt werden. Mit Hilfe<br />

<strong>der</strong> Pollenanalyse wird dann eine genaue Datierung möglich sein. Im Ihauser<br />

Moor konnte Hauptlehrer Fittje ein kurzes Stück von einem Knüppelweg<br />

untersuchen.<br />

Die Wurtenforschung ist durch unsern Altmeister Dr. h. c.<br />

Schütte und durch die Untersuchungen von Dr. Haarnagel, Hannover, an<br />

den Wurten in Einswarden und Wilhelmshaven ein gutes Stück vorwärts<br />

gekommen. Siehe Bericht über Geologie.<br />

Um vielen Mitglied«! n Gelegenheit zu geben, die Grabungen in Einswarden<br />

zu besichtigen, fand die 6. vorgeschichtliche Tagung in<br />

Nordenham am 25. und 26. Juni 1938 statt. Auf <strong>der</strong> Vortragsreise<br />

„E ntstehung und Besiedelung <strong>der</strong> Wesermarsch“ wurden<br />

folgende Vorträge gehalten:<br />

1. Dr. h. c. Schütte, <strong>Oldenburg</strong>: „Entstehung und Besiedelung <strong>der</strong><br />

Wesermarsch".<br />

2. Mitte’schullehrer Fr. Grashorn, <strong>Oldenburg</strong>: „Chaukische Moorstraßen“.<br />

3. Dr. Haarnagel, Hannover: „Ziele und Aufgaben <strong>der</strong> Wurtenforschung<br />

in Nordwestdentschland und die bisherigen Ergebnisse" (Grabung von<br />

Hodorf und Einswarden).<br />

II


XVIII <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

4. Dr. Schroller, Hannover: „Sachsen und Chauken".<br />

5. Museumsdirektor Michaelsen, <strong>Oldenburg</strong>: „Neue Friesenfunde im<br />

<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande".<br />

Auf <strong>der</strong> Tagung <strong>der</strong> Vertrauensleute für Vorgeschichte<br />

sprach Dr. Haarnagel über „Die Kartierung <strong>der</strong> Wurten".<br />

Auf <strong>der</strong> Studienfahrt durch Butjadingen, die <strong>der</strong> Rüstringer<br />

Heimatbund unter Leitung von E. Krüger, Nordenham, vorbereitet<br />

hatte, wurden besucht <strong>der</strong> Sachsenfriedhof bei Enjebuhr, die Wurtengrabung<br />

bei Einswarden, Blexen (Kirche), Fed<strong>der</strong>war<strong>der</strong>siel, Tossens, Eckwar<strong>der</strong>hörne<br />

(Blick aufs oberahnische Feld), Sehested (schwimmendes Moor), Rodenkirchen<br />

(Kirche).<br />

Tagung und Studienfahrt hatten zahlreiche Teilnehmer.<br />

Über die übrigen Veranstaltungen des Jahres 1938 unterrichtet folgende<br />

Übersicht:<br />

1 Februar: Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von 0. S. Reuter, Bremen: „Himmelskunde<br />

<strong>der</strong> Germanen".<br />

2. April: Studienfahrt ins Ipweger Moor zur Besichtigung <strong>der</strong> Knüppelund<br />

Bohlenstege.<br />

3. Oktober: Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Prof. Reinerth, Berlin: „Die Ausgrabungen<br />

am Fe<strong>der</strong>seemoor in ihrer weltanschaulichen und<br />

wissenschaftlichen Bedeutung".<br />

4. Dezember: Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Museumsleiter Dr. Wegewitz,<br />

Harburg: „Die Langobarden im Nie<strong>der</strong>elbegebiet".<br />

Für das Jahr 1939 sind folgende Veranstaltungen geplant:<br />

1. Februar: Vortrag von Staatsarchivdirektor Dr. Lübbing: „Der Friesenstamm<br />

als Träger germanischer Eigenart".<br />

2. Februar: Studienfahrt nach Bremen: Besuch des Fockemuseums<br />

und <strong>der</strong> Ausstellung „Lebendige Vorzeit".<br />

3. März: Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Museumsdirektor Michaelsen.<br />

4. Juni: 7. Vorgeschichtliche Tagung in Cloppenburg o<strong>der</strong><br />

Osnabrück mit Studienfahrt zum Dümmer.<br />

S.September: S tudienfahrt nach Wilhelmshaven: (Wurtengrabungen).<br />

6 Oktober: Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von A. Rust: „Renntierjäger<br />

in Norddeutschland".<br />

7.Dezember: Vortrag mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Museumsdirektor Michaelsen.<br />

Die vorgeschichtliche Zusammenarbeit im Gau Weser-Ems, die bisher<br />

noch recht locker war, wird durch die Gründung <strong>der</strong> Gauarbeitsgemeinschaft<br />

für Vorgeschichte, die durch den Reichsamtsleiter<br />

Prof. Reinerth, Berlin im Mai 1938 vollzogen wurde, in Zukunft straffer<br />

werden Aus organisatorischen Gründen nennt sich daher die <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Arbeitsgemeinschaft für Vor- und Frühgeschichte vom 1. Januar 1939 an:<br />

Reichsbund für deutsche Vorgeschichte, Landesring<br />

<strong>Oldenburg</strong>.<br />

Fr. Grashorn.<br />

Die auswärtigen Mitglie<strong>der</strong> werden gebeten, den Jahresbeitrag,<br />

wie bisher RM. 3,— für Erwachsene und RM. 1,— für Jungmitglie<strong>der</strong> und


Jahresbericht des Landesvereins<br />

X IX<br />

Familienangehörige, mit beiliegen<strong>der</strong> Zahlkarte auf das Postscheckkonto<br />

Hannover 53 645 des Landesvereins <strong>Oldenburg</strong> für Heimatkunde und Heimatschutz<br />

e. V. einzuzahlen. — Bankkonto: <strong>Oldenburg</strong>ische Landesbank (Sparund<br />

Leihbank) A.-G., <strong>Oldenburg</strong> i. Oldb., Zweigstelle Nadorster Straße.<br />

Wer die Zusendung <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>beilage „Heimatkunde — Heimatschutz"<br />

wünscht, möge dem Jahresbeitrag RM. 0,50 Kostenbeitrag beifügen.<br />

Der Jahresbeitrag des Reichbundes für deutsche Vorgeschichte, Landesring<br />

<strong>Oldenburg</strong> beträgt RM. 1,— und ist auf das Bankkonto: Landessparkasse<br />

<strong>Oldenburg</strong>, Zweigstelle Heiligengeisttor, einzuzahlen.<br />

Vorstand und Leiter <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaften:<br />

Rektor a. D. Dr. h. c. H. Schütte, 0., Ziegelhofstr. 55<br />

Ehren-Vorsitzen<strong>der</strong>, Berater für Geologie;<br />

Mittelschullehrer Fritz Grashorn, O., Wardenburgstr. 9<br />

1. Vorsitzen<strong>der</strong>, Leiter <strong>der</strong> <strong>Oldenburg</strong>ischen Arbeitsgemeinschaft fürVorund<br />

Frühgeschichte;<br />

Ministerialrat R. Tantzen, O., Theaterwall 37<br />

2. Vorsitzen<strong>der</strong>, Leiter <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft für Familienforschung;<br />

Mittelschullehrer Wilhelm Bruns, 0 „ Alexan<strong>der</strong>str. 83<br />

Schriftführer;<br />

Bankbeamter Alfred Wempe, 0., Nadorster Straße 173<br />

Kassenführer;<br />

Lehrer E. Maaß, Tungeln, <strong>Oldenburg</strong>-Land<br />

Leiter <strong>der</strong> Zweigberingungsstelle <strong>Oldenburg</strong> <strong>der</strong> Vogelwarte Helgoland,<br />

Berater für Vogelschutzfragen;<br />

Oberlehrer i. R. W. Meyer, O., Adlerstr. 18<br />

Direktor des Staatl. Botan. Gartens, Berater für Botanik;<br />

Gymnasiallehrer K. Sartorius, O., Marienstr. 13<br />

Leiter <strong>der</strong> Ornithologischen Gesellschaft;<br />

Landes-Ökonomierat Fritz Diekmann, O., Blumenstr. 74<br />

Vorstandsmitglied;<br />

Regierungsbaumeister a. D. Adolf Steinmann, O., Röwekampstr.<br />

stellvertr. Vorstandsmitglied, Geschäftsführer <strong>der</strong> <strong>Oldenburg</strong>ischen Arbeitsgemeinschaft<br />

für Vor- und Frühgeschichte;<br />

Hauptlehrer a.D. Hinr. Osterloh, Haareneschstr. 21<br />

Leiter <strong>der</strong> Flurnamenforschung;<br />

Hauptlehrer Georg Pleus, 0., Hundsmühler Chaussee 50<br />

Flurnamenforschung;<br />

Lehrer H. Bohlken, Augustfehn<br />

stellvertr. Vorstandsmitglied.<br />

F r. Grashorn.<br />

II*


Das Totengewand des Grafen<br />

Anthon Günther<br />

Von K. F i s s e n und W. M üller-W ulckow<br />

A. Allgemeine Ergebnisse <strong>der</strong> Sarguntersuchung<br />

von Karl Fissen<br />

Seit dem Umbau <strong>der</strong> Lamberti-Kirche im Jahre 1887 stand <strong>der</strong><br />

Sarg des Grafen Anthon Günther in einer geschlossenen Seitennische<br />

des Haupteingangs im östlichen Teile <strong>der</strong> Lambertikirche. Der Zinnsarg,<br />

dessen Deckel nicht verlötet, son<strong>der</strong>n leicht abzuheben war,<br />

machte schon äußerlich einen sehr ungepflegten Eindruck. Bei dem<br />

gründlichen Umbau des Vorraums zwecks Anlage einer Heizung im<br />

Frühjahr 1937 kam es zur Aufdeckung <strong>der</strong> Grabgewölbe des oldenburgischen<br />

Grafenhauses, über die im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> von 1938<br />

ausführlich berichtet wurde.<br />

Bei dieser Gelegenheit sollte auch <strong>der</strong> unwürdige Zustand des<br />

Sarges des letzten <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Grafen beseitigt werden. Das konnte<br />

nicht nur durch eine Befestigung des Sargdeckels geschehen, denn<br />

auch <strong>der</strong> darunter stehende Holzsarg war zum Teil eingestürzt. Er<br />

hatte folgende Größe: 1,90 m lang, 0,66 m breit (Kopfende), 0,58 m<br />

Fußende, 0,39 m tief.<br />

Bei einer oberflächlichen Untersuchung dieses inneren Holzsarges<br />

und seines Inhalts durch Pastor Woebcken, Dr. Müller-Wulckow und<br />

Dr. Fissen stellte sich heraus, daß <strong>der</strong> Inhalt vollständig durcheinan<strong>der</strong><br />

geworfen war. Unter dem Zinndeckel lagen drei Eichenholzbretter<br />

und zwar ein Kopfstück und zwei Langbretter, also die Hälfte des<br />

ursprünglichen trapezförmigen Sargdeckels. Das eine zerbrochene<br />

Eichenbrett hatte als Ganzes einst einem beson<strong>der</strong>en Zwecke gedient.<br />

Im oberen Drittel hatte es ein kleines Fenster von 21X30 cm, durch<br />

das man früher den Oberkörper des Grafen im Sarge sehen konnte.<br />

Das Glas fehlte. Der Falz war aber noch einwandfrei zu erkennen.<br />

An den Rän<strong>der</strong>n dieses Falzes waren Reste von abgeträufelten Wachskerzen<br />

festzustellen. Man hatte also durch das Fenster in den Sarg<br />

1


<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

hineingeleuchtet. Dieser war mit schwarzem, gut erhaltenem Sammet<br />

innen und, soweit erkennbar, auch außen, ausgekleidet. Hiervon waren<br />

anscheinend früher einige Proben herausgeschnitten worden. Von den<br />

oben erwähnten Brettern des Sargdeckels scheint nach <strong>der</strong>en sauberem<br />

Holz zu urteilen erst vor kurzer Zeit die Sammetbespannung entfernt<br />

worden zu sein.<br />

Die Gebeine des Grafen lagen in größter Unordnung, durchwühlt<br />

und verstaubt. Die Gewandstücke waren gut erhalten, aber ebenfalls<br />

sehr durcheinan<strong>der</strong>geworfen. Der Überrock zeigte deutliche Spuren<br />

von abgetropften Wachskerzen. Nur <strong>der</strong> Schädel lag zu Kopfende des<br />

Sarges auf einem Kopfkissen. Eine Kopfbedeckung wurde nicht gefunden.<br />

Der ganze Befund ließ mit Sicherheit darauf schließen, daß<br />

das Sarginnere schon oft durchsucht war.<br />

Mit Rücksicht auf diesen unwürdigen Zustand des Sarginneren<br />

veranlaßte <strong>der</strong> Vorsitzende des Denkmalrates nach Rücksprache mit<br />

dem Herrn Minister <strong>der</strong> Kirchen und Schulen die genaue Untersuchung<br />

sowie Ordnung des Inhalts unter vorsichtiger Herausnahme <strong>der</strong> Bekleidungsstücke.<br />

Diese noch gut erhaltenen Gewän<strong>der</strong> haben in wissenschaftlicher<br />

und heimatkundlicher Beziehung heute einen hohen geschichtlichen<br />

Wert. Ein weiteres Ver<strong>der</strong>ben war unter diesen Umständen<br />

nicht zu verantworten. Nach Ordnung des Sarginneren sollte<br />

<strong>der</strong> Zinnsarg endgültig geschlossen und verlötet werden.<br />

Am 17. April 1937 wurde das Innere des Sarges nach vorheriger<br />

Lichtbildaufnahme durch das Landesmuseum von den Mitglie<strong>der</strong>n des<br />

Denkmalrates Dr. Müller-Wulckow und Dr. Fissen in Anwesenheit des<br />

Vorsitzenden des Kirchenrats <strong>der</strong> Lambertikirche eingehend untersucht<br />

und unter Anwendung <strong>der</strong> nötigen Vorsichtsmaßregeln folgende<br />

Gegenstände für wissenschaftliche und heimatkundliche Zwecke geborgen:<br />

Obergewand, Wams, Beinkleid, Strümpfe, Reste <strong>der</strong> Schuhe,<br />

beson<strong>der</strong>s Sohlen und Absätze, braune Seidenbän<strong>der</strong>, runde Knopfteile<br />

und Messinghaken. Beson<strong>der</strong>e Wertgegenstände sind nicht gefunden.<br />

Diese Sachen wurden bis zur Entscheidung des Ministeriums im Landesmuseum<br />

zwecks Konservierung untergebracht. Das Innere des Sarges<br />

wurde unverän<strong>der</strong>t gelassen. Er ist mit schwarzem Sammet ausgeschlagen,<br />

zu Kopfende liegt auf einem Holzteil ein Kissen aus gleichem<br />

Stoff. Haarbüschel, die im unteren Drittel des Sarges lagen, lassen<br />

vermuten, daß beim Herausheben des Sarges aus dem Grabkeller <strong>der</strong><br />

Sarg in eine schiefe Lage gebracht worden war, so daß die Gebeine<br />

□ach unten zusammengerutscht waren. Der Schädel scheint daher<br />

später an seinen früheren Platz gesetzt worden zu sein. Die noch vollständig<br />

erhaltenen Skeletteile des Grafen wurden nunmehr nach Mög-


Das Totengewand des Grafen Anthon Günther 3<br />

lichkeit in ihre ursprüngliche Lage gebracht. Der <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Zinngießer<br />

Behmann hat am 23. April den Sarg endgültig zugelötet.<br />

Der Zinnsarg des Grafen Anthon Günther hatte früher auf den<br />

Längsseiten des Deckels die gleichen Verzierungen, wie sie noch an<br />

den Schmalseiten sichtbar sind. Dieser Schmuck ist jedoch anscheinend<br />

durch Oxydierung zerstört und zum Teil abgeblättert. Der Zinngießer<br />

hat jedoch unter beson<strong>der</strong>en Mühen die alte Verzierung sowie die<br />

Inschriften in sauberer Weise wie<strong>der</strong>herstellen können, so daß heute<br />

<strong>der</strong> Sarg wie<strong>der</strong> in einem würdigen Zustand erscheint. Die früher<br />

nach den Beschreibungen darauf befestigten Silberteile müssen schon<br />

in früheren Zeiten entfernt worden sein.<br />

Nach endgültiger Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Vorhalle <strong>der</strong> Lamberti*<br />

kirche hat <strong>der</strong> Sarg des Grafen Anthon Günther mit den an<strong>der</strong>en<br />

Särgen im Seitenraum eine neue Aufstellung erhalten, damit sie vom<br />

Gange aus durch die vergitterten Glastüren besser sichtbar sind.<br />

Die geborgenen Kleidungsstücke des Grafen wurden nach Anweisung<br />

des Ministeriums durch Vermittlung des Landesmuseums von<br />

dem in solchen Arbeiten vielfach bewährten Restaurator Weiszen im<br />

Museum für Hamburgische Geschichte gereinigt und nach Möglichkeit<br />

in ihrem ehemaligen Zustand wie<strong>der</strong>hergestellt. Sie werden später im<br />

Anthon-Günther-Raume des Landesmuseums ihren Platz finden und<br />

dort zu den wertvollsten Erinnerungen an den letzten <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Grafen gehören,<br />

B. Das Gewand des Grafen Anthon Günther<br />

kostümkundlich und in seiner künstlerischen<br />

Wirkung betrachtet<br />

Von Walter M ü 11 e r - W u 1 c k o w<br />

Im Gegensatz zur spanischen Tracht, die an den europäischen<br />

Höfen bis ins 17. Jahrhun<strong>der</strong>t vorherrschend blieb, hat sich in <strong>der</strong><br />

ersten Hälfte jenes Jahrhun<strong>der</strong>ts eine schlichtere Kleidung entwickelt<br />

nach dem Vorbild Hollands, das damals zu Unabhängigkeit und<br />

Wohlstand gelangt war. Nicht nur in einer fortschreitenden Vereinfachung<br />

des Schnitts, son<strong>der</strong>n auch im Verzicht auf die Zusammenstellung<br />

lebhafter Farben machte sich dieser bürgerliche Einfluß<br />

geltend. Als vornehm galt neben zarten Farben immer mehr das<br />

Schwarz, das nur durch weiße Spitzen aufgelichtet wurde.<br />

Während wir uns das geschlitzte Kleid des jugendlichen Grafen<br />

Anthon Günther auf dem Brustbild <strong>der</strong> Winkelmannschen Chronik


4 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

als farbig vorstellen müssen, etwa so wie es die Kavaliere noch auf<br />

dem 1636 von Wolfgang Heimbach gemalten Bremer Bild einer Hochzeit<br />

trugen, dürfte <strong>der</strong> Graf etwa seit seiner Vermählung (1635), also<br />

in den letzten 32 Jahren seines Lebens, vorwiegend dunkle Stoffe<br />

getragen haben. Das wird aus den Gemälden und auch aus den<br />

Kupferstichen ersichtlich und durch archivalische Angaben bestätigt.<br />

Eine — wie sich jetzt ergeben hat — jedoch nicht ganz zutreffende<br />

Vorstellung von <strong>der</strong> Tracht des Grafen vermittelte <strong>der</strong> den aufgebahrten<br />

Toten darstellende Kupferstich von Henrich van Lennep<br />

in Winkelmanns Chronik. W ie diese Kleidung nämlich im einzelnen<br />

beschaffen war und wie die Stoffe wirkten, das offenbart sein Totengewand,<br />

das in <strong>der</strong> Substanz sich nahezu unversehrt erhalten hat,<br />

soweit nicht frühere willkürliche Entnahmen von Stoffproben in den<br />

Bestand eingegriffen hatten (Abb. 1). Lei<strong>der</strong> waren nämlich nicht<br />

nur Stücke aus dem heute noch wie neu wirkenden Plüsch herausgerissen,<br />

mit dem <strong>der</strong> Holzsarg ausgekleidet ist, wie denn die Hälfte<br />

des dachförmigen inneren Deckels und im übrigen dessen ganzer<br />

Stoffbezug fehlt, es ergab sich auch, daß aus dem Mantel und aus<br />

dessen Seidenfutter sowie aus dem linken Hosenbein große rechteckige<br />

Stücke herausgerissen worden waren. Außerdem fehlen die 66 wahrscheinlich<br />

vergoldeten Knöpfe des Mantels und eine Anzahl <strong>der</strong><br />

kugeligen umsponnenen Knöpfe vom Wams. Ferner sind nicht mehr<br />

vorhanden <strong>der</strong> Spitzenkragen und die langen Spitzenmanschetten als<br />

Abschluß <strong>der</strong> Beinklei<strong>der</strong> unter den Knien, wie sie auf den ganz-<br />

figurigen Darstellungen zu sehen sind1).<br />

Von den Schuhen, die sich frühzeitig in ihre einzelnen Bestandteile<br />

aufgelöst haben müssen, anscheinend weil <strong>der</strong> Leinenzwirn vergangen<br />

ist, hat sich nur noch eine Sohle von 25 cm Länge mit genähtem<br />

Rahmen, <strong>der</strong> losgelöste Rahmen des an<strong>der</strong>en Schuhs sowie<br />

Le<strong>der</strong>stücke <strong>der</strong> Absätze und ein kleines Stück des Oberle<strong>der</strong>s gefunden.<br />

Die Reste genügen immerhin zur Feststellung <strong>der</strong> vorne<br />

gerade abgestumpften Schuhform. Der Schuh ist übrigens, wenn man<br />

eine Schrumpfung des Le<strong>der</strong>s in Rechnung zieht und ihn (auf Grund<br />

*) Nicht nur auf <strong>der</strong> Aufbahrungsdarstellung selbst, son<strong>der</strong>n auch bei<br />

dem Stich <strong>der</strong>selben Chronik, die den Grafen stehend zeigt (Abb. 2) sowie<br />

auf dem Familienbild von W. Heimbach in Schloß Rosenborg. Die beiden<br />

lebensgroßen Alabasterfiguren aus dem Grabmal <strong>der</strong> Lambertikirche, jetzt<br />

im Landesmuseum, zeigen die mehrfach übereinan<strong>der</strong>gelegte Halskrause mit<br />

Spitzenrand, die Unterschenkel aber sind bei <strong>der</strong> Kniefigur verdeckt und bei<br />

<strong>der</strong> liegenden Figur des Aufgebahrten gerade unterhalb <strong>der</strong> Knie abgebrochen<br />

Auf dem Kupferstich des Grabmals sind die K n iem a n sch etten n ich t dar-<br />

«Jestellt.


Das Totengewand des Grafen Anthon Günther 5<br />

<strong>der</strong> Fußlänge des Strumpfes von 29 cm) auf etwa 30 cm schätzt,<br />

verhältnismäßig klein.<br />

Ob ferner die Schuhspangen o<strong>der</strong> sonst ein Schmuckstück, etwa<br />

die auf dem Reiterbild zu sehende Halskette mit Medaille, im Sarg<br />

ursprünglich vorhanden waren, bleibt nach dem Befund ungewiß. Die<br />

aus <strong>der</strong> Kupferstichdarstellung zu entnehmenden Anhaltspunkte sind<br />

nämlich durchaus nicht zuverlässig; denn die Pelzfütterung des<br />

Mantels, wie sie auch das Bild des auf dem Pferd „Kranich"<br />

Reitenden aufweist, ist bei dem Totengewand sicher nicht vorhanden<br />

gewesen. Das Obergewand ist auch (ebenso wie bei dem Reiterbild<br />

und bei dem in ganzer Figur Stehenden <strong>der</strong> Abb. 2 nur bis zu den<br />

Knien reichend dargestellt, während es in Wirklichkeit mantelartig<br />

etwa bis zu den Knöcheln reicht. Der Stich dürfte daher bestenfalls<br />

nach einer flüchtigen Skizze angefertigt sein und kostümliches Detail<br />

aus den an<strong>der</strong>en Stichen übernommen haben.<br />

Das originale letzte Kleid des Grafen berichtigt somit nicht nur<br />

die durch die Bildnisse übermittelte Vorstellung, es verleibhaftigt in<br />

höchstem Maße auch die äußere Erscheinung dieses volkstümlichen<br />

<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Fürsten. Die kniende Statue aus dem Grabmal, <strong>der</strong>en<br />

Alabaster etwas Kaltes und Starres behält, gewinnt Farbe und Wärme<br />

durch die Gegenüberstellung des wirklich getragenen Gewandes a u s ^<br />

Samt und Seide. In dieser Weise sind ja so manche historische G ^ -i§<br />

stalten bereits aus ihren Gräbern wie<strong>der</strong>erstanden und wurden uns o<br />

* * ** —I<br />

* fl<br />

% ' c'<br />

Die im wesentlichen vorzügliche Erhaltung <strong>der</strong> Gewandung i^t<br />

dem Umstand zu danken, daß sie a u s Seide angefertigt worden^»»<br />

war. Soweit Leinen verwendet worden sein könnte, also etwa für das<br />

Hemd o<strong>der</strong> möglicherweise für den Spitzenkragen und die Spitzenmanschetten<br />

<strong>der</strong> Beinlinge bzw. die Unterkleidung, hat sich keine<br />

Spur davon erhalten. Die Vergänglichkeit des Hanffadens ergibt sich<br />

auch aus <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Schuhnähte, ferner scheinen die Knöpfe<br />

mit Leinengarn angenäht gewesen zu sein, da sie größtenteils sich<br />

losgelöst hatten.<br />

Nur an wenigen Stellen ist ein Zerfall des Samtgewebes eingetreten,<br />

an <strong>der</strong> rechten Schulter, wo sich Wachstropfen fanden, und<br />

unten an <strong>der</strong> linken Seite des Mantels. Ob dies lediglich durch<br />

chemische Einflüsse verursacht worden ist, z. B. durch das sog. Verbrennen<br />

beim Färben o<strong>der</strong> etwa durch Schädlinge, die in den ver-


6 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

mutlich seit 1790 offen stehenden Sarg eingedrungen sein könnten,<br />

muß dahingestellt bleiben.<br />

Der lange mantelartige Überrock (Abb. 3) besteht aus<br />

(jetzt) dunkelbraunem Seidensamt mit niedrigem Flor, <strong>der</strong> auf Kette<br />

und Schuß aus Seide gewebt ist und gelegentlich Durchschuß-Unregelmäßigkeiten<br />

aufweist. Das Futter besteht aus leichtem (jetzt) tabakbraunem<br />

Seidentaft.<br />

Dieser Mantel ist ganz ohne Kragen gearbeitet. Seine Länge<br />

beträgt 145 cm. Dicht am vor<strong>der</strong>en Rand hat er 35 offene, mit dickem<br />

Seidenfaden umstochene Knopflöcher, die genau bis zum Unterrand<br />

des Wamses reichen, und 31 ebenso dicht gereihte, beinahe bis zum<br />

Fußrand gehende, die nur markiert sind. Dies entspricht <strong>der</strong> auf<br />

allen Bildnissen festzustellenden Gepflogenheit, nur die obere Hälfte<br />

zuzuknöpfen. Die dicht an <strong>der</strong> rechten Vor<strong>der</strong>kante ehemals ebenso<br />

eng gereihten Knöpfe sind sämtlich verschwunden. Senkrecht stehende<br />

Taschenschlitze, wie die Bil<strong>der</strong> sie andeuten, sind nicht vorhanden.<br />

Von dem Samt und von dem Seidenfutter sind je vier, unten rund<br />

geschnittene Bahnen verarbeitet worden, <strong>der</strong>en fadengerade gemessene<br />

größte Breite etwa 53 cm beträgt. Um den Brustumfang dieses Mantels<br />

von 126 cm bis zum Fußrand auf 230 cm zu erweitern, sind unten<br />

an den seitlichen Nähten je ein Zwickel von 36 cm Höhe und 9 cm<br />

unterer Breite eingesetzt sowohl im Samt wie im Futter. Daraus und<br />

auch aus dem Befund <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Stoffe ergibt sich, daß diese damals<br />

nur in <strong>der</strong> geringen Breite von etwa 56— 58 cm herg^ stellt worden<br />

sind.<br />

Der Mantel hat lange, am Ellenbogen auf 50 cm Umfang sich<br />

erweiternde Ärmel, die sich am Handgelenk auf 36 cm verengen, und<br />

<strong>der</strong>en untere Naht 12 cm hoch offen ist. An diesen Ärmelöffnungen<br />

(Abb. 8) ist eine 11 cm breite, großmaschige Guipurespitze von<br />

dunkelbrauner Farbe in Falten eingereiht; davon war für jeden Ärmel<br />

1 m erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Auf <strong>der</strong>artige, auch im Haus zu tragende, als Überrock zur vollständigen<br />

Kleidung gehörende Mäntel von größerer Länge und mit<br />

weitem Ärmel, bisweilen ohne Kragen gearbeitet, übertrug sich damals<br />

die Bezeichnung „Casaque", die zuvor für einen kurzen, eng anschließenden<br />

Rock in Gebrauch war. Alsdann hat sich daraus <strong>der</strong><br />

im ganzen 18. Jahrhun<strong>der</strong>t übliche, enger anliegende „Justeaucorps“<br />

genannte Leibrock entwickelt. Die Casaque war nicht selten hinten<br />

bis an den Rücken herauf aufgeschnitten, wie dies auch bei Anthon<br />

Günthers Reiterbild und <strong>der</strong> Alabasterstatue <strong>der</strong> Fall ist. Bei dem<br />

Samtmantel ist jedoch die Rückennaht in ihrer ganzen Länge offen,


Das Totengewand des Grafen Anthon Günther 7<br />

sie wird durch 17 Seidenbandschleifen von <strong>der</strong> Farbe des Mantelfutters<br />

— unten dicht, oben in einer Breite von 7— 8 cm — zusammengehalten.<br />

Es dürfte sich also in diesem Falle um eine Eigentümlichkeit<br />

handeln, die nur bei Totenklei<strong>der</strong>n angebracht ist.<br />

Das von dem Grafen getragene Wams (Abb. 3— 7) hat die seit<br />

etwa 1630 neben dem bis dahin üblichen kurzen Wams in Mode<br />

gekommene Form mit längeren Schößen. Es ist aus (jetzt) goldgelber<br />

kräftiger Ripsseide gearbeitet, und zwar aus vier nach unten<br />

sich bis zu je 40 cm verbreiternden Bahnen. Die obere Hälfte liegt<br />

bis zur hochsitzenden Taille eng an, über den Hüften sind je zwei<br />

kleine Horizontalzwickel eingesetzt. Die sich erweiternde Schoßpartie<br />

steht etwas ab und wurde am unteren Ende durch Fischbeineinlagen,<br />

von denen sich aber nur wenige Späne erhalten haben, versteift. Das<br />

Wams wurde nur bis zur Taille zugeknöpft, obwohl die dicht gereihten<br />

Knopflöcher (zum Unterschied vom Mantel) bis unten ausgearbeitet<br />

sind. Lei<strong>der</strong> reichten die vorhandenen Knöpfe nicht aus, um die ganze<br />

Reihe wie<strong>der</strong>herzustellen.<br />

A lle Nähte und Kanten sind mit 4 cm breiter geklöppelter<br />

Seidenspitze (in Valencienne-Muster) besetzt, und auf <strong>der</strong>en Innenrand<br />

ist eine schmale braune Posamentlitze genäht. Die gleichfalls<br />

längs <strong>der</strong> Nähte mit Spitze und Posamentborte besetzten Ärmel sind<br />

am Handgelenk manschettenartig umgeschlagen (Abb. 7), so daß am<br />

Vor<strong>der</strong>rand das (jetzt) hell tabakbraune Seidenfutter sich nach außen<br />

kehrt. Bei genauerem Zusehen fällt auf, daß an jedem <strong>der</strong> Ärmel die<br />

Futterseide nicht einheitlich ist. Und zwar besteht in beiden Fällen<br />

die obere Bahn aus einem leichten Rips, für die untere ist stattdessen<br />

Taft (Seide in Leinenbindung) verwendet. Das läßt sich wohl nur so<br />

erklären, daß durch längeres Tragen die untere Vor<strong>der</strong>kante durchgescheuert<br />

war und das Futter an <strong>der</strong> Unterseite <strong>der</strong> Ärmel erneuert<br />

worden ist. Für die Fütterung des Wamses im übrigen ist dieselbe<br />

leichte Ripsseide verwendet wie zu den oberen (nicht erneuerten)<br />

Bahnen <strong>der</strong> Ärmel.<br />

Die modisch bedingte Eigentümlichkeit <strong>der</strong> Ärmel besteht in dem<br />

Offenbleiben <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>naht, die nur an den Manschetten zusammengehalten<br />

ist. Hierdurch wurde bezweckt, den weißen Hemdärmel<br />

sichtbar zu machen, eine beabsichtigte Lässigkeit, die gegen die Jahrhun<strong>der</strong>tmitte<br />

als malerischer Reiz zuerst in Holland empfunden und<br />

angestrebt wurde und zeitweilig auch zum Offenlassen des Halsbundes,<br />

Verkürzen des Wamses1) und seiner Ärmel sowie Heraus­<br />

*) sog. Innocent.


8 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

bauschen des Hemdes an den Unterarmen und über dem Hosenbund<br />

führte. Von solchen Übertreibungen dieser Modetendenz hält sich das<br />

Fürstengewand bezeichnen<strong>der</strong>weise frei.<br />

Sehr sorgfältig gearbeitet ist <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>e Schluß des Wamses<br />

(Abb. 3 u. 6 oben). Sowohl die dicht gereihten Knöpfe wie auch die<br />

Knopflöcher sitzen zwischen einer halb sie überdeckenden Spitze und<br />

einem schmäleren Spitzenvorstoß längs <strong>der</strong> Kante, die beide durch<br />

die Posamentlitze befestigt werden. Drei Knöpfe am Halsbund werden<br />

durch Seidenkordelschlingen geschlossen. Die Kugelknöpfe sind mit<br />

dunkelbrauner Seidenschnur umsponnen und zeigen obenauf einen<br />

achtstrahligen Stern.<br />

Von beson<strong>der</strong>em Interesse ist <strong>der</strong> Rückenschluß (Abb. 4 u. 5).<br />

W ie beim Mantel ist nämlich auch hier die Mittelnaht bis oben zum<br />

Hals offen und durch 5 Schleifenbän<strong>der</strong> zusammengehalten. Der<br />

Spitzenbesatz wechselt in Taillenhöhe seine Richtung, indem er oben<br />

(Abb. 5) längs <strong>der</strong> ehemaligen Naht aufgeheftet ist, unten aber, an<br />

den offenen Schoßrän<strong>der</strong>n (Abb. 4), sich nach außen kehrt und im<br />

Abstand <strong>der</strong> Spitzenbreite angenäht ist. Daraus geht hervor, daß <strong>der</strong><br />

obere Teil <strong>der</strong> Rückennaht ursprünglich geschlossen war und erst<br />

auf getrennt wurde, um das Kleidungsstück zum Totengewand herzurichten.<br />

Für die Beinklei<strong>der</strong> ist ein ebenfalls kräftiger Seidenrips<br />

von (jetzt) dunklerem Braun in vier Bahnen verarbeitet als bauschige<br />

Kniehose. Diese „Pumphosen" — eine in den damaligen Inventaren<br />

gebrauchte Bezeichnung — haben eine Länge von 90 cm; die größte<br />

Breite des Stoffes weist wie<strong>der</strong>um 53 cm auf, so daß <strong>der</strong> Umfang<br />

jedes Hosenbeins etwa 1 m beträgt. Der Stoff ist an einem 2 cm<br />

schmalen Bund eingekräuselt auf 126 cm (maximalen) Gürtelumfang;<br />

die Beinöffnungen sind gleichfalls faltig eingenäht mit einem braunen<br />

Band auf 95 cm Umfang, ein durchgezogenes (breiteres) farbgleiches<br />

Seidenband von 136 cm ( = etwa 2 Ellen) Länge zieht die Beinlinge<br />

unterhalb des Knies auf etwa 40 cm Umfang zusammen, die Schleifen<br />

hängen außen an den Waden herab. Möglicherweise waren hier<br />

weitere Bandschleifen zur Erzielung größerer Fülle in <strong>der</strong> Art eines<br />

Büschels eingeknüpft1) .<br />

Der Hosenbund wird gleichfalls durch ein Seidenband geschlossen,<br />

das jedoch nicht den ganzen Leib umschließt, son<strong>der</strong>n nur vorne<br />

*) Frithjof van Thienen (Das Kostüm <strong>der</strong> Blütezeit Hollands 1600 1660.<br />

Berlin 1930) weist auf eine Schnei<strong>der</strong>rechnung um 1630 (im Delfter Archiv)<br />

hin, wo „koussebande van vier eilen" erwähnt werden. „4 Ellen ist ungefähr<br />

2,70 m!“ — Das ist keineswegs ungewöhnlich groß, wie van Thienen meint.


Abb. 1. Vorgefundener Zustand des (seit etwa 1790 offenen) Sarges des Grafen Anthon Günther (gest. 1667)


ANTHONILS GUNTHERUS X) G COM Ei IN OLDENßURÖ ET DELMEN<br />

HORST D O M IN TS TN IHEVER E T KNIPHATTStN


Abb. 3. Gewand des Grafen Anthon Günther mit mantelartigem Überrock;<br />

aus Samt, Seide und Seidenspitzen. Angefertigt vermutlich<br />

zwischen 1650 und 1660. <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Landesmuseum.


Abb. 4. Gewand des Grafen Anthon Günther. R ü ck en a n sich t<br />

ohne den Überrock


Abb. 5. Rückenansicht des Wamses, die Mittelnaht durch Bandschleifen<br />

geschlossen.


Abb. 6. Wams mit aufgeklappten Vor<strong>der</strong>schößen und daran befestigter<br />

Pumphose.


A b b , 8. S p itz en b esetz ter M a n telä rm el, au fg esch la g en .<br />

(Abb. 1, 3—8 Photo: Landesinuseum


Abb. 9. Zum Vergleich: Gewand Karls X. von Schweden (gest.<br />

1660) in <strong>der</strong> Leibrüstkammer zu Stockholm.<br />

'Photo: Livrustkammaren)


Das Totengewand des Grafen Anthon Günther 9<br />

am Hosenbund (Abb. 6) durch zwei obere und zwei untere, rund<br />

umstochene, kleine Löcher zu ziehen ist, so daß diese bei festem<br />

Schluß aufeinan<strong>der</strong>liegen. Darunter schließen sich dann die 16 eng<br />

gereihten umsponnenen Knöpfe des Schlitzes an; dieser ist mit dunkelbrauner<br />

Litze eingefaßt, ebenso wie die Taschen, <strong>der</strong>en senkrechter<br />

Schlitz sich 10 cm vor <strong>der</strong> seitlichen Hosennaht befindet.<br />

In den Bund eingenäht sind 10 nach unten gerichtete Messinghaken<br />

von VA cm Länge, die in kleine Ringe in Höhe <strong>der</strong> Taille an<br />

<strong>der</strong> Unterseite des Wamses eingehakt werden (Abb. 6). Damit diese<br />

Ringe, an denen das Gewicht des Beinkleids hängt, sich am Wams<br />

nicht abzeichnen, sind sie mit kurzen Schlaufen zwischen Rips und<br />

Futterseide an letztere angenäht.<br />

Das dem Verschluß des Hosenbundes dienende Band ist durch die<br />

Knopflöcher zweier ähnlicher brauner Seidenzwickel (Abb. 6) gezogen,<br />

die jedoch keine Verbindung mehr mit dem Kleidungsstück haben, an<br />

dem sie ursprünglich angenäht gewesen sein mögen in <strong>der</strong> Art <strong>der</strong><br />

Lasche an einer gesteiften Hemdenbrust o<strong>der</strong> dem Knopflochsteg, wie<br />

er heutzutage die Frackweste mit dem Schlußknopf <strong>der</strong> Hose verbindet.<br />

Möglicherweise haben sie zur Regulierung des Leibumfangs <strong>der</strong><br />

Hose gedient. Sie müßten dann am Hosenbund etwas weiter seitlich<br />

rechts und links angenäht gewesen sein und diesen vorne verengend<br />

zusammengezogen haben, je fester man sie mit dem Schlußband zusammenschnürte.<br />

Anscheinend sind mit Rücksicht hierauf die beiden<br />

Vor<strong>der</strong>bahnen <strong>der</strong> Hose etwas breiter als die rückwärtigen, so daß die<br />

durch doppelten Spitzenbesatz betonten Seitennähte sowie die Hosentaschen<br />

sich nur bei verengertem Bund in normaler Seitenlage befinden,<br />

bei erweitertem Hosenbund aber ziemlich weit nach rückwärts<br />

rücken. Der maximale Leibesumfang von etwa 126 cm dürfte also<br />

normalerweise auf etwa 100-— 110 cm zu verringern sein.<br />

Eingangs wurde bereits erwähnt, daß die langen, unterhalb <strong>der</strong><br />

Knie hängenden spitzengerän<strong>der</strong>ten Manschetten, die auf dem Stich<br />

des in ganzer Figur stehenden Grafen (Abb. 2) und dem Aufbahrungsstich,<br />

wie auch auf Heimbachs Familienbild (in Schloß Rosenborg)<br />

zu sehen sind, im Sarg nicht mehr vorhanden waren. Vorausgesetzt,<br />

daß <strong>der</strong> Aufbahrungsstich in dieser Hinsicht zuverlässig ist,<br />

besteht entwe<strong>der</strong> die Möglichkeit, daß sie, ebenso wie <strong>der</strong> sicher<br />

denn wenn man das angegebene Maß für die beiden Strumpfbän<strong>der</strong> teilt,<br />

stimmt es genau mit dem hier für die beiden Hosenbän<strong>der</strong> gemessenen Befund<br />

von je 2 Ellen überein. — In dem Inventar des Delmenhorster Grafen<br />

Christian (t 1647) werden Paare von „Hosenbendel“ aufgeführt, jeweils in<br />

<strong>der</strong> Farbe <strong>der</strong> Klei<strong>der</strong>, dagegen keine Strumpfbän<strong>der</strong>.


10 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

vorhanden gewesene Spitzenkragen, als lose liegende Teile bereits<br />

früher dem Sarg entnommen worden sind, o<strong>der</strong> daß sie aus vergänglichem<br />

Stoff bestanden hatten.<br />

Trotz dieser Unsicherheit in den Voraussetzungen ergibt sich<br />

dennoch eine Möglichkeit, für diese Beinmanschetten eine näherliegende<br />

Deutung aus dem hier vorliegenden Befund zu gewinnen,<br />

als sie bisher in <strong>der</strong> Trachtenkunde gegeben zu werden pflegt. Sie<br />

werden nämlich z. B. von E. von Sichart als „mit breiten Spitzen<br />

besetzte Rän<strong>der</strong> <strong>der</strong> Strümpfe" angesehen, die nach außen umgeschlagen<br />

sind. Noch ausführlicher geht Frithjof van Thienen in seinem<br />

in <strong>der</strong> Anmerkung auf Seite 8 genannten Buch über „Das Kostüm <strong>der</strong><br />

Blütezeit Hollands" auf diese seltsamen Gebilde <strong>der</strong> Mode ein. Er zitiert<br />

eine englische Ausgabe über die neueste Mode im Jahre 1658 und bemerkt<br />

dazu: „In dem Lauf <strong>der</strong> fünfziger Jahre werden die Strümpfe aber<br />

oben außerordentlich weit und können dann entwe<strong>der</strong> an die Innenseite<br />

<strong>der</strong> weiten Hosenbeinlinge angenestelt werden, so wie es aus <strong>der</strong><br />

Beschreibung von Rändle Holme hervorgeht, o<strong>der</strong> man kann sie (und<br />

in diesem Falle sind es offenbar die Überstrümpfe) unterhalb des<br />

Knies nach unten umstülpen, wobei dann die Stulpen („canons“ )<br />

öfters reichlich mit Spitzen verbrähmt sein können."<br />

Van Thienen kommt zu dieser unzutreffenden Interpretation, weil<br />

er das englische W ort „hose" nur in <strong>der</strong> neueren Bedeutung als<br />

„Strumpf" auffaßt, während es ursprünglich Hose, Beinkleid bedeutet.<br />

Bis zum Ende des Mittelalters bedeckte die Hose das ganze Bein.<br />

Erst im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t trennte sich das untere Stück ab, und unser<br />

W ort Strumpf ( = Stumpf) weist in seiner älteren Bedeutung als<br />

„kurzes, durch Abhauen erhaltenes Ende“ noch auf diese Entstehung<br />

hin. In England (wie auch in Holland mit dem W ort „hoos") ist<br />

jedoch die ehemalige Benennung <strong>der</strong> Beinlinge als „hose" für <strong>der</strong>en<br />

unteren Teil beibehalten worden und die neue Form des kurzen<br />

Beinkleids hat die Bezeichnung „breeches“ (holländisch broeken)<br />

erhalten. Bei <strong>der</strong> von van Thienen angeführten Beschreibung handelt<br />

es sich um die etwa gleichzeitig mit den „canons" aufgekommene<br />

Rockhose (Rhingrave), die gegen 1660 überall schnell, wie es bei<br />

Überspanntheiten zu gehen pflegt, in Aufnahme kam, aber nur bis<br />

etwa 1680 sich halten konnte, uns hier jedoch nicht interessiert.<br />

Bei <strong>der</strong> weiter von ihm zitierten Beschreibung von Rändle Holme<br />

aus dem Jahre 1659 „large stirrup hose, tied to breeches, and another<br />

pair of hose drawn over them to the calf of the leg and so turned<br />

down" wird das erläutert, was auch Anthon Günther trug, nämlich<br />

weite (wahrscheinlich leinene) Beinlinge zu Hosen gebunden (also


Das Totengewand des Grafen Anthon Günther 11<br />

Unterhosen) und eine Pumphose darübergezogen bis zu den Waden<br />

und über diese herabhängend.<br />

Mit den Bil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Zeit steht daher auch in Einklang die Auffassung,<br />

daß es sich bei diesen „canons" (entsprechend <strong>der</strong> ursprünglichen<br />

Wortbedeutung = Rolle, Röhre) ganz einfach um die mit<br />

Spitzen besetzten Enden <strong>der</strong> weiten, leinenen Unterhosen handelt, die<br />

durch die Schnürung <strong>der</strong> Pumphose zusammengefaßt werden und<br />

glockig unter dieser herabhängen’ ). Gewiß rührt daher <strong>der</strong> unerfreuliche,<br />

fast weibische Eindruck, den die Spitzenhose bei <strong>der</strong><br />

Männerkleidung hervorruft (Abb. 2), obwohl es eigentlich nur folgerichtig<br />

ist, die Unterwäsche auch an den Hosenbeinen hervorsehen zu<br />

lassen, wenn dies an den Ärmeln und am Hals geschieht. In <strong>der</strong><br />

Bie<strong>der</strong>meierzeit wie<strong>der</strong>holte diese befremdliche Mode, die Spitzen <strong>der</strong><br />

weißen Unterhosen sichtbar werden zu lassen, sich bei Knaben und<br />

jungen Mädchen.<br />

Mit den Strümpfen kann dieser Spitzenrand nicht in Verbindung<br />

gestanden haben, wie bisher angenommen wurde, denn die (jetzt)<br />

braunen Seidenstrümpfe, die Anthon Günther trug, umschlossen<br />

das Bein und waren 70 cm lang, ohne sich oben mehr als<br />

nötig zu erweitern. Sie sind sehr kunstvoll gestrickt o<strong>der</strong> vielmehr<br />

gewirkt mit dreieckigen Ziermustern seitlich über den Knöcheln und<br />

mit engermaschigen Zwickeln an den Seiten des Fußes2). Im Farbton<br />

stimmen die Strümpfe mit den Hosen überein, man empfand sie<br />

damals noch als zusammengehörig, da die Zeit <strong>der</strong> einheitlichen, vom<br />

Fuß bis zur Hüfte reichenden Hose noch nicht so weit zurücklag. In<br />

x) Bei Moriz Dreger (Entwicklungsgeschichte <strong>der</strong> Spitze, 2. Aufl., Wien<br />

1910 S. 87) findet sich unter Bezugnahme auf Bil<strong>der</strong> von Craesbeck und van<br />

Dyck gleichfalls <strong>der</strong> Hinweis, daß die als „canons" bezeichneten Spitzenkrausen<br />

ursprünglich jedenfalls die unteren Enden <strong>der</strong> Unterhosen sind; <strong>der</strong><br />

Verfasser meint allerdings auch, „manchmal mögen solche Spitzen die oberen<br />

Enden <strong>der</strong> Strümpfe o<strong>der</strong> bloße Dekoration des Schaftinneren" <strong>der</strong> Stulpenstiefel<br />

sein. — Daß hier in <strong>Oldenburg</strong> die „canons“ nicht etwa vom Grafen<br />

allein getragen wurden und daß auch die Bezeichnung geläufig war, läßt das<br />

Inventar des verstorbenen Hofschnei<strong>der</strong>s Hans Petersen aus dem Jahr 1640<br />

erkennen (Old. Staatsarchiv Aa Grafsch. Old. Tit. V Nr. 41): „Schwartz<br />

leinenes Zeug, so <strong>der</strong> Wäscherei rein zu machen gegeben worden Ein Hembt<br />

zwei Überschläge Zwei Par Canones". Vermutlich bildeten die zum Waschen<br />

gegebenen Stücke die Teile zweier Garnituren Unterwäsche: Hemd, Halskragen<br />

und Unterhose.<br />

2) 1540 kamen die ersten gestrickten Strümpfe auf. Heinrich VIII. soll<br />

zuerst <strong>der</strong>artige Seidentrikots getragen haben. Erst nach <strong>der</strong> Erfindung <strong>der</strong><br />

Wirkmaschine durch William Lee 1589 werden gestrickte Strümpfe im<br />

17. Jahrhun<strong>der</strong>t allgemein verbreitet. In einem undatierten „Verzeichnis, was


12 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

den Klei<strong>der</strong>verzeichnissen (vgl. unten Anm. 7) werden zu den Klei<strong>der</strong>n<br />

stets Strümpfe in den gleichen Farben angeführt, während alsdann<br />

im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t die Strümpfe hell bzw. farbig abstechend zu sein<br />

pflegen.<br />

* *<br />

*<br />

Die Farbe <strong>der</strong> einzelnen Gewandstücke ist jeweils<br />

mit dem einschränkenden Zusatz „jetzt" vermerkt worden. Erscheint es<br />

doch verwun<strong>der</strong>lich, daß in einer Zeit, die mehr und mehr das Schwarz<br />

im Kostüm an sich schon bevorzugte, das Totenkleid des Grafen diese<br />

Farbe <strong>der</strong> Trauer nicht aufweisen solle. Daher müßte man also annehmen,<br />

daß <strong>der</strong> Samt des Mantels sowie <strong>der</strong> Rips des Beinkleides<br />

ursprünglich schwarz gewesen seien, das Wams dagegen weiß, und<br />

daß ein Ausgleich und Austausch des Farbstoffes stattgefunden: <strong>der</strong><br />

Mantel sei braun geworden und habe das helle Wams gelblich gefärbt.<br />

Den dunkelsten Farbton weist übrigens <strong>der</strong> Plüsch auf, mit dem<br />

<strong>der</strong> innere Sarg umkleidet ist; auch dieser ist nicht eigentlich tiefschwarz,<br />

son<strong>der</strong>n rauchtopasfarben, etwa wie ein dunkles Maulwurfsfell.<br />

An den Gewandungsstücken selbst wirken am dunkelsten die<br />

kaum in Erscheinung tretende Litze, mit <strong>der</strong> die Hose eingefaßt ist,<br />

die Spitze an den Mantelmanschetten sowie die umsponnenen Knöpfe.<br />

Es ist ein sehr dunkles Schokoladebraun.<br />

In die Augen fallen vor allem mit ihrem Kaffeebohnenbraun die<br />

breiten beschatteten Flächen des Samtmantels, die aber auf den<br />

Faltenrücken sowie da, wo <strong>der</strong> Flor nie<strong>der</strong>gedrückt ist, wie G oldtopas<br />

glänzen. Die Unterseite des Samtes, in Abb. 3 sichtbar an<br />

einem vom Futter nicht mehr bedeckten Stück des Randes, <strong>der</strong> vom<br />

rechten Arm herabfällt, schimmert goldbraun. Ein wie<strong>der</strong>um an<br />

Schokolade erinnerndes Rotbraun weisen <strong>der</strong> Seidenrips <strong>der</strong> Beinklei<strong>der</strong><br />

auf mit dazu passenden Spitzen und Seidenbän<strong>der</strong>n sowie die<br />

Strümpfe. Der Seidentaft des Futters und die Bandschleifen am<br />

Rücken sind tabakbraun. Ähnlich <strong>der</strong> Spitzenbesatz des Wamses, das<br />

selbst in seinem Rips einen prächtigen Goldton aufleuchten läßt, <strong>der</strong><br />

in den Glanzlichtern des samtenen Überrockes wi<strong>der</strong>klingt. W ir haben<br />

also eine Symphonie in Braun und Gelb vor uns, ihr fehlt als Finale<br />

nur <strong>der</strong> Goldglanz eines Schmuckstücks und <strong>der</strong> vermutlich goldenen<br />

(<strong>der</strong> <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Hofschnei<strong>der</strong>), Mr. Michael Seeman und <strong>der</strong> (aus Schottland<br />

stammende oldenburgische) Vogtt Johann Maxwell aus Engellandt mittbringen<br />

soll" (Old. Staatsarchiv Aa Grafsch. Old. Tit. V Nr. 1) wird angegeben,<br />

sie sollen „die Hüte, wie auch bandt, wandt und Strümpfe einkauffen<br />

und mitbringen".


Das Totengewand des Grafen Anthon Günther 13<br />

Mantelknöpfc, wie solche im Delmenhorster Inventar (von 1647) aufgeführt<br />

werden.<br />

Dieser jetzige Befund ist jedoch das Ergebnis mannigfacher<br />

chemischer Einwirkungen. Setzen wir voraus, daß die Stoffe einst<br />

schwarz waren, so ist zu berücksichtigen, daß gerade auf Seide diese<br />

Farbe am schwierigsten zu erzielen ist, weil Seide nur in lauwarmen<br />

Bä<strong>der</strong>n behandelt werden kann und weil auf <strong>der</strong>selben diese Farbe<br />

nicht mittels des dunkelblauen Indigogrundes zustande zu bringen ist.<br />

Es bedurfte vielmehr dreier, sich ergänzen<strong>der</strong> Arbeitsvorgänge: mittels<br />

einer Abkochung von Nußschalen gab man <strong>der</strong> Seide einen braunen<br />

Grund und mit einem Absud von Blauholz und Grünspan einen blauen<br />

Ton, und ließ hierauf in mehrfachem Wechsel Galläpfel- und Eisenbä<strong>der</strong><br />

folgen. Es ist nun immerhin wahrscheinlich, daß die Verwesung<br />

des Körpers mit ihrer Entwicklung von Ammoniakgas, Kohlen-,<br />

Schwefel- und Phosphor-Wasserstoffgas den Nie<strong>der</strong>schlag des Farbstoffs<br />

wie<strong>der</strong> gelöst hat und so das Zwischenstadium des Färbevorgangs<br />

wie<strong>der</strong>hergestellt hat1).<br />

Durch diese Annahme einer Farbreduktion wird allerdings nicht<br />

völlig aufgeklärt, weshalb es zu einer so differenzierten Tönung <strong>der</strong><br />

verschiedenen Kleidungsstücke bzw. <strong>der</strong> einzelnen Stoffe kam, die an<br />

sich wie<strong>der</strong> so sinnvoll abgestuft ist, daß sie wie beabsichtigt erscheint,<br />

zumal die verschiedenen Gewandstücke bzw. die einzelnen<br />

dazu verwendeten Stoffe in sich einheitlich gefärbt sind und keine<br />

partiellen Zufälligkeiten (bis auf wenige Flecken) aufweisen: Der<br />

Strumpf genau in <strong>der</strong> Farbe <strong>der</strong> Hose, <strong>der</strong>en Seidenrips viel dunkler<br />

als <strong>der</strong> gleichartige des Wamses ist; die gleiche Spitze an Hose und<br />

Wams, an ersterer dunkler als an diesem, die (an<strong>der</strong>s geklöppelte)<br />

Ärmelspitze des Mantels am dunkelsten, so daß sie zum dunklen<br />

Samt paßt. Es bleibt daher — wie zuvor bereits angedeutet wurde —<br />

nichts an<strong>der</strong>es übrig, als anzunehmen, daß zum mindesten das Wams<br />

ursprünglich hell gewesen ist.<br />

Bei eingehen<strong>der</strong> Würdigung <strong>der</strong> farbigen Wirkung in künstlerischer<br />

Hinsicht möchte man dagegen glauben, daß die Gewandfarben<br />

im wesentlichen so gewesen seien wie sie uns jetzt erscheinen,<br />

Wenn auch nicht behauptet werden kann, die Gewän<strong>der</strong> sähen in den<br />

Farbtönen heute noch genau so aus wie zu Zeiten des einstigen<br />

Trägers, so ist die Verän<strong>der</strong>ung im Grunde doch wohl nicht an<strong>der</strong>s<br />

als bei einem Gemälde seines Zeitgenossen Rembrandt: die Farbtöne<br />

1) Von einer in einem Grab des Meißener Doms gefundenen Seidenspitze<br />

desselben Jahrhun<strong>der</strong>ts, die jetzt gleichfalls braun ist, wird angenommen, daß<br />

sie einst schwarz gewesen sei.


14 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

sind zusammengewachsen und die Vereinheitlichung, die bei diesem<br />

vor allem durch den vergilbenden Firniß bewirkt worden ist, wird bei<br />

den Stoffen durch das Verbleichen <strong>der</strong> Farben in fast drei Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

verursacht sein. Außerdem hat wohl auch die neuerliche<br />

Reinigung, so behutsam sie vorgenommen wurde, das ihrige zur Auflichtung<br />

<strong>der</strong> Farbtöne beigetragen.<br />

Es würde sich lohnen, die an Hand des originalen Grafengewandes<br />

gewonnenen Erfahrungen und Eindrücke zu unterbauen<br />

durch eingehen<strong>der</strong>e Ermittelungen aus den Archivalien seiner Zeit.<br />

Das <strong>Oldenburg</strong>ische Staatsarchiv birgt umfangreiche Akten über die<br />

damalige Hofhaltung. Darunter befindet sich ein undatiertes, vermutlich<br />

1647 nach dem Tode des Grafen Christian von <strong>Oldenburg</strong><br />

aufgestelltes Inventarium auf dem Hause Delmenhorst vorhandener<br />

Waffen, Kleidungs- und Wäschestücke1). Unter 8 Klei<strong>der</strong>n befinden<br />

sich 1 rotes, 2 violen braune, 1 weißes, 1 geeles, 1 schwarzes, alle aus<br />

Samt, 1 rotes, 1 aschefarbenes aus „Seideldoch“, Ferner 1 grüne und<br />

1 schwarzsamtene Pumphose, und schließlich 1 schwarzes „W andt"<br />

(W oll)kleid. Von den beiden Klei<strong>der</strong>n „aus violen braunem samit" ist<br />

das eine mit „gülden und silberen Borde und 16 gülden Knopff“, das<br />

an<strong>der</strong>e „mit violen braunen Schnohr". An an<strong>der</strong>er Stelle dann<br />

„4 Par Hosenbendeil zu den vier neuwen Klei<strong>der</strong>n" und beson<strong>der</strong>s<br />

aufgeführt „1 Par violen bruner Hosenbendell mit goldt und silber“,<br />

weiterhin „2 Par Violen braune seiten Strümpffe" und schließlich<br />

unter den Schuhen, von denen 6 aus Samt sind, „1 Violen braunes<br />

Par schue".<br />

Man könnte zunächst glauben, daß diese aus dem mittelhochdeutschen<br />

„violinbrun“ stammende, uns heute nicht mehr geläufige<br />

Farbangabe auch für das Anthon-Günther-Gewand anzuwenden sei.<br />

Aber obwohl noch Tieck „Augen dunkel, violbraun” nennt, wird dies<br />

gleich violfarben doch wohl violett bedeutet haben.<br />

Des weiteren erfahren wir mancherlei über das zur Anfertigung<br />

von Kleidungsstücken für den <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Hofstaat dem Hofschnei<strong>der</strong><br />

Michael Seeman von <strong>der</strong> „Cammer" ausgehändigte Zubehör. Aufschlußreich<br />

für die geldlichen Aufwendungen ist auch z. B. die „Designatio<br />

<strong>der</strong> jenigen wahren, welche Mr Michel Seeman von Paris mitzubringen<br />

Befehlicht A o 1642 den 29ten Novembris“. 1. Vor Ihr Hochgrf.<br />

Gdn etwas von son<strong>der</strong>bahrem schwartzen Stoff zu zween Klei<strong>der</strong>n undt<br />

*) Aa Grafsch. Old. Tit. Ve Nr. 15.


Das Totengewand des Grafen Anthon Günther 15<br />

einem mantel ungefähr 150 Rt. 2. Noch vor Ihr Hochgrf. Gdn. zu<br />

zweyen farbichten Klei<strong>der</strong>n und einem mantel, etwas dunckel- und<br />

nicht allzu licht farbig . . . 150 Rt." Dann folgen „vor un<strong>der</strong>schiedtliche<br />

glatte Castor- undt an<strong>der</strong>e rauhe Hütte 40 Rt.‘‘, wohl faconnirte<br />

Wehrgehänge, allerhand parfümierte Handschuhe für Mann- und<br />

Weibspersohnen, silberne und goldene Hutschnüre, Degen, Sporen<br />

nach <strong>der</strong> besten Manier, „allerhandt schon Bandt", schließlich „vor<br />

Ihr Fürstl. Gnd. die Gräfin des besten manierlichen Stoffs zu zween<br />

(verbessert in) dreyen schwartzen Oberröcken 150 Rt.“ Einmal ist hinzugefügt,<br />

„moer (mohair?) . . . in Silber", dagegen „schon bundt Zeug<br />

o<strong>der</strong> gülden Le<strong>der</strong>, Ihr Fürstl. Gdn. gemach darmit zu bekleiden . . .<br />

20 Rt." und „Disch- o<strong>der</strong> Taffell Teppich türckischer art“.<br />

Daraus wird ersichtlich, daß damals die menschliche Gestalt sich<br />

dunkeltonig gegen bunte Wandbekleidung und Teppiche abheben sollte.<br />

Während im vorausgehenden Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Renaissance (noch bis<br />

etwa 1630) die Tracht vielfarbig und kleinteilig war und sogar die<br />

einzelnen Gliedmaßen durch verschiedene Farben voneinan<strong>der</strong><br />

son<strong>der</strong>te, liebt man jetzt (im Barock) das einheitlich Fließende und<br />

Gewichtige in <strong>der</strong> ganzen Gestalt und strebt es sowohl im Klei<strong>der</strong>schnitt<br />

wie auch in <strong>der</strong> Vereinheitlichung des Gesamttones an. Dies<br />

trat in <strong>der</strong> Art des Tragens, wie z. B. <strong>der</strong> lange Mantel aufgerafft<br />

o<strong>der</strong> über den in die Hüfte gestützten Arm geworfen wurde, noch<br />

deutlicher in Erscheinung. Die Taille sitzt hoch und wird nicht einmal<br />

durch einen Gürtel betont, das breite Wehrgehänge des Degens<br />

läuft schräg von <strong>der</strong> Schulter über die Brust zur Hüfte.<br />

Der Gesamteindruck ist um so imponieren<strong>der</strong>, als die Kleidung<br />

keineswegs als luxuriös bezeichnet werden kann, vielmehr durch die<br />

Gediegenheit des Materials und seine wohl abgewogene Zusammenstellung<br />

so überaus vornehm wirkt. Das entspricht durchaus dem<br />

damals tonangebenden Geschmack <strong>der</strong> Hollän<strong>der</strong> und übertrifft ihn<br />

doch auch wie<strong>der</strong>um. Die in seiner Kleidung bekundete Gesinnung<br />

des letzten <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Grafen, <strong>der</strong> doch für außerordentlich reich<br />

galt, stellt gewissermaßen eine glückliche Verschmelzung dar von<br />

fürstlicher Repräsentation und bürgerlicher Gediegenheit.<br />

Wenn auch <strong>der</strong> veranschlagte Preis allein für den Stoff eines <strong>der</strong><br />

Grafenklei<strong>der</strong> beinahe achtmal so hoch ist als <strong>der</strong> für die gesamte<br />

Wandbekleidung in buntem Zeug o<strong>der</strong> (gepreßtem) Le<strong>der</strong> eines ganzen<br />

Zimmers, so kann man nach dem oben geschil<strong>der</strong>ten Befund den A ufwand<br />

an Material nicht als ansehnlich bezeichnen, wenn man berücksichtigt,<br />

welche Unsummen die Zeitgenossen allein für Spitzen und<br />

Garnituren verausgabten.


16 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Die Herstellung des Kleides erfor<strong>der</strong>te überschläglich 7 14 m Samt,<br />

IVA m Futterseide, S'A m Ripsseide, etwa 17% m Spitzen, 103 Knöpfe<br />

und nur 6 m Band, wozu erst zur Herrichtung als Totenkleid weitere<br />

30 m kamen.<br />

Eine genauere Bestimmung des Zeitpunkts, an dem<br />

das zum Totengewand umgearbeitete Kleid angefertigt sein dürfte —<br />

die teilweise Erneuerung des Ärmelfutters und die unterschiedliche<br />

Abnützung <strong>der</strong> Posamentlitze beweisen, daß es lange getragen worden<br />

ist — läßt sich aus einem ganz ähnlichen Wams gewinnen, das <strong>der</strong><br />

1622 geborene und von 1654— 60 regierende König Karl X. Gustav<br />

von Schweden getragen1) ; es befindet sich in <strong>der</strong> Leibrüstkammer in<br />

Stockholm (Abb. 9). Dieses Gewand aus grauem Seidenrips unterscheidet<br />

sich nur durch vermehrte Schleifen2) und durch den breiteren,<br />

den Stoff namentlich auf den Ärmeln fast ganz bedeckenden Silber-<br />

Spitzenbesatz; auch sind die Ärmelschlitze zum Knöpfen eingerichtet<br />

und die senkrechten Schoßrän<strong>der</strong> und Hosennähte mit Reihen von<br />

silberumsponnenen Scheinknöpfen besetzt, was als eine dekorativ bereichernde<br />

Abwandlung <strong>der</strong> an sich gleichen Modeform anzusehen<br />

sein dürfte. Nehmen wir an, daß dieses Wams mindestens 3 Jahre<br />

vor dem Tode des Königs angefertigt ist, das wäre also 10 Jahre vor<br />

Anthon Günthers Tod, dann gewinnt das aus Indizien <strong>der</strong> Abnutzung<br />

bereits sich ergebende höhere Alter des Anthon-Günther-Gewandes<br />

vermehrte Wahrscheinlichkeit. Es dürfte um 1655 angefertigt worden<br />

sein. Des weiteren ergibt sich daraus, daß <strong>der</strong> mehr als doppelt<br />

so alte <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Graf den gleichen Klei<strong>der</strong>schnitt trug wie <strong>der</strong><br />

soviel jüngere Schwedenkönig.<br />

Zusammenfassend gewinnt man den Eindruck, daß die Art, wie<br />

<strong>der</strong> Graf sich kleidete, zwei scheinbar einan<strong>der</strong> entgegengesetzte<br />

Merkmale vereinigt; sie ist konservativ und mo<strong>der</strong>n zugleich. Anthon<br />

Günther behält z. B, den Schnitt des Wamses und den gefältelten<br />

runden, auf den Schultern liegenden Spitzenkragen, wie sie beide<br />

gegen 1630 zuerst aufkommen, und die er (nach Ausweis des Doppelbildnisses<br />

mit seiner Gemahlin) bereits in diesem Jahrzehnt getragen<br />

haben dürfte, bis zu seinem Lebensende bei, und nimmt an<strong>der</strong>erseits<br />

neue Modeschöpfungen wie die weiten Pumphosen mit den Canons<br />

1) Als Thronfolger und schwedischer Generallissimus hatte dieser Fürst<br />

1650 den Grafen Anthon Günther besucht.<br />

2) Nach freundlicher Mitteilung von Dr. Steneberg in Stockholm, dem<br />

auch die Photographie zu Abb. 9 zu danken ist, hat das Wams sechs Schöße;<br />

die Hosen trugen dem Inventar von 1672 zufolge 34 Rosetten aus grauem<br />

Taft mit Silber.


Das Totengewand des Grafen Anthon Günther 17<br />

(Kniespitzen) bzw. den Spitzenfüllungen <strong>der</strong> Stiefelstulpen auf1). Schon<br />

in den 30er Jahren trägt er langes Haar, das uns in holländischen<br />

Bil<strong>der</strong>n erst später begegnet, und macht die modische Form <strong>der</strong><br />

längs <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>naht offenen Ärmel mit, dagegen verschmäht er die<br />

weitergehende Lässigkeit im Sichtbarwerdenlassen des Hemdes, desgleichen<br />

die Fülle <strong>der</strong> Bandschleifen, mit denen die weiten Beinklei<strong>der</strong><br />

garniert zu werden pflegten. Er lebt sich in seinem mittleren<br />

Lebensdrittel in den frühzeitig durch Münsterman in <strong>Oldenburg</strong> in<br />

Erscheinung getretenen Barockstil ein, so daß er in seinem letzten<br />

Lebensdrittel die diesem Stil entsprechende Statur in seinem eigenen<br />

Aussehen verwirklicht und jene in den Zeitverhältnissen am Ende<br />

des Dreißigjährigen Kriegs psychisch zutiefst bedingte malerischlässige<br />

Gesamterscheinung gewinnt. Dennoch bewahrt er zugleich<br />

eine vornehme Gemessenheit in seiner Haltung.<br />

Diese beiden zu harmonischer Ausgeglichenheit sich ergänzenden<br />

Merkmale sind die Kennzeichen eines vornehmen, persönlichen Geschmacks,<br />

<strong>der</strong> begrüßenswerte, dem Zeitgefühl entsprechende M odewandlungen<br />

frühzeitig aber nicht extrem verwirklicht, und deshalb<br />

nicht allen Modeschwankungen und Rückschlägen zu folgen genötigt<br />

ist.<br />

W ir besitzen übrigens eine Schil<strong>der</strong>ung des Eindrucks, den <strong>der</strong><br />

Achtzigjährige 1664 auf den Italiener Priorato-) machte:<br />

„Graf Anton Günther ist von einem majestätischen und ehrwürdigen<br />

Aussehen, großer, wohlgebaueter Statur, starker und gesun<strong>der</strong><br />

Leibesbeschaffenheit, von Natur gelind und sanft, voller H öflichkeit<br />

und Gesprächigkeit, artiger und verbindlicher Manieren.“<br />

Von <strong>der</strong> durch die Kenntnis des zuletzt getragenen Gewandes<br />

sich uns in einer neuen Sicht erschließenden Persönlichkeit des<br />

Grafen Anthon Günther vermögen die vier Kupferstiche <strong>der</strong> Winkel-<br />

mannschen Chronik keine lebendige Vorstellung zu vermitteln, sie<br />

sind künstlerisch weniger als mittelmäßig. Man müßte sich damit<br />

zufrieden geben, wenn sie wenigstens zuverlässig in bezug auf die<br />

genaue Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> äußeren Erscheinung wären. Aber auch dies<br />

1) Es handelt sich ja um die Alamodezeit, in <strong>der</strong> französischer Einfluß<br />

sich geltend zu machen begann und <strong>der</strong>en Auswüchse durch Bil<strong>der</strong>bogen satirischen<br />

Inhalts seit 1628 verspottet wurden.<br />

a) Relatione degli Stati e Corte di sua Eccellenza II Signor Antonio<br />

Gunthero, Conte di Oldembourg, etc. Mit dänischer Übersetzung gedruckt<br />

in Kopenhagen 1756. Eine handschriftliche deutsche Übersetzung in <strong>der</strong> Old.<br />

<strong>Landesbibliothek</strong>.


18 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

ist, wie sich jetzt dem Aufbahrungsstich gegenüber nachweisen läßt,<br />

nicht <strong>der</strong> Fall.<br />

Zu <strong>der</strong> Unzulänglichkeit des Könnens kommt nämlich außerdem<br />

eine Richtungsverschiedenheit im Wollen, wodurch sich <strong>der</strong> Beobachter<br />

unterscheidet von dem Darzustellenden. Der Graf verkörpert,<br />

wie andeutungsweise gezeigt werden konnte, in seiner Erscheinung<br />

die malerisch-fließende, auf Einheitlichkeit <strong>der</strong> Wirkung abzielende<br />

Tendenz des Barockstils, die sich in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

durchsetzte gegenüber <strong>der</strong> linear differenzierenden kleinteiligen<br />

Richtung <strong>der</strong> vorausgehenden Renaissance-Periode; an dieser<br />

hält Henrich van Lennep, einer <strong>der</strong> Kupferstecher <strong>der</strong> Chronik, noch<br />

fest, obwohl er einer jüngeren Generation angehört, er erweist sich<br />

damit als ein Nachleben<strong>der</strong>. Hier scheitert also die früher gültige<br />

Sehweise an <strong>der</strong> an<strong>der</strong>sartigen Haltung und Erscheinung: dem auf<br />

Details eingestellten Auge des Beobachters bieten sich solche gar<br />

nicht dar in dem Fluß <strong>der</strong> auf Gesamtwirkung angelegten Erscheinung<br />

des Darzustellenden. Er stammelt daher und füllt die Lücken seiner<br />

Beobachtung notdürftig mit Anleihen bei früheren Wie<strong>der</strong>gaben aus,<br />

etwa von <strong>der</strong> Hand Wolfgang Heimbachs, dessen Stärke gleichfalls<br />

die Detailbeobachtung ausmacht. Daher das Stereotype in Haltung<br />

und Kostüm des Grafen auf den drei Altersstichen, <strong>der</strong>en Glaubwürdigkeit<br />

hier zum mindesten in Frage gestellt werden konnte1).<br />

Aber selbst wenn die exakte Wie<strong>der</strong>gabe aller Einzelheiten dem<br />

Kupferstecher gelungen wäre, so gewährleistete dies durchaus noch<br />

keine künstlerische Wahrheit. W o künstlerische Wahrheit und Ausdruckskraft<br />

vorhanden sind, da kann Unwesentliches zwar weggelassen<br />

sein, Verstöße gegen die Richtigkeit sind jedoch ausgeschlossen.<br />

Durch das authentische Anthon-Günther-Gewand wird uns ein<br />

Teil <strong>der</strong> unmittelbaren Wirklichkeit — wenn auch nur die äußere<br />

Hülle <strong>der</strong> Persönlichkeit — vor Augen geführt. W ie starr und<br />

schattenhaft erscheinen daneben die unzulänglichen Kupferstiche.<br />

Angesichts des goldbraunen Schimmers <strong>der</strong> Gewandung aber spüren<br />

wir einen Abglanz jenes Fürsten. Noch jetzt könnte ein Künstler<br />

dadurch inspiriert werden, ein posthumes Bildnis zu schaffen, wie<br />

J) Man vergleiche auch einmal die steifen Bildnisse <strong>der</strong> Königin Christine<br />

von Schweden, die W olf gang Heimbach in eben jenen Jahren verfertigt<br />

hat, mit ihrem Jürgen Ovens zugeschriebenen Bildnis in <strong>der</strong> Kieler Kunsthalle,<br />

um darüber nachzudenken, ob es in diesem Fall am Kopf o<strong>der</strong> am<br />

Künstler gelegen haben mag, wenn <strong>der</strong>en Zusammentreffen einen hohlen<br />

Klang ergab.


Das Totengewand des Grafen Anthon Günther 19<br />

etwa Wilhelm Tischbein an Hand des Stiches zu dem großen, lebensvollen<br />

Reiterbild (jetzt in Schloß Rastede) angeregt worden war.<br />

Jedenfalls ist es zu bedauern, daß nur mittelmäßige Maler des<br />

17. Jahrhun<strong>der</strong>ts, wie Wolfgang Heimbach und <strong>der</strong> „contrafactor<br />

Peter de Saint Simon“, vor die Aufgabe gestellt worden sind, den<br />

Grafen bei seinen Lebzeiten zu porträtieren. Welchen nachhaltigen<br />

Eindruck hätte jener volkstümliche und politisch so erfolgreiche<br />

<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Graf uns hinterlassen, wenn er in seiner Jugend von<br />

dem genialen, aus „<strong>Oldenburg</strong>“ stammenden Johann Liss gemalt<br />

worden wäre, o<strong>der</strong> wenn Ludwig Münsterman, <strong>der</strong> am Schloß dekorative<br />

Skulpturen gearbeitet und das Grafenwappen so häufig an<br />

Stiftungen jener Zeit angebracht hatte, seine Büste hätte meißeln<br />

dürfen. O<strong>der</strong> gar — wie lebendig nahe wäre uns Anthon Günther<br />

noch heute, wenn wir von Rembrandts Hand sein Altersbildnis besäßen,<br />

etwa in <strong>der</strong> sprechenden Haltung des Hauptmanns Frans Banninck<br />

Cocq <strong>der</strong> „Nachtwache", <strong>der</strong> ihm im Kostüm und Bartschnitt<br />

ähnlich sieht. Die goldbraunen Töne des Anthon-Günther-Gewandes<br />

weisen geradezu auf die Rembrandtsche Palette hin.<br />

Aber es scheint ein tragisches Verhängnis zu walten, daß Künstlerleistungen<br />

von Ewigkeitswert, wie im Fall <strong>der</strong> „Nachtwache", von<br />

den damit Beschenkten zurückgewiesen werden, o<strong>der</strong> daß überragende<br />

Porträtisten, wie Velasquez, einen so unbedeutenden Fürsten wie<br />

Philipp IV. und seinen spanischen Hof in zahlreichen Bildnissen<br />

verewigen müssen, während kulturell o<strong>der</strong> politisch bedeutende Persönlichkeiten<br />

nur selten den fähigen Künstler zu finden und auf dem<br />

fein besaiteten Instrument einer schöpferischen Seele den rechten<br />

Wi<strong>der</strong>klang zu wecken wissen.


Ist Omersburg und Obermarsberg<br />

dasselbe?<br />

Von Karl Sichart.<br />

Im Jahre 1934 hatte <strong>der</strong> Jeverländische Verein für Altertumskunde<br />

als 3. Heft eine Broschüre von Dr. K. Andrée über „Die friesische Heerstraße<br />

nach Jever" (DruckC.L.Mettcker 8z Söhne, Jever) herausgebracht,<br />

zu <strong>der</strong> ich in einzelnen Punkten in den „Heimatblättern", Zeitschrift des<br />

Heimatbundes für das <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Münsterland, Vechta 1935, Nr. 11,<br />

S. 166 f., Stellung genommen habe. Das war die Veranlassung zur Herausgabe<br />

eines 4. Heftes desselben Vereins: „Zur Frage <strong>der</strong> friesischen Heerstraße<br />

nach Jever“ , 1936, um meine Ablehnung in den Heimatblättern<br />

zu erschüttern und die Identität von Omersburg und Obermarsberg glaubhaft<br />

zu machen.<br />

Weil diese angenommene Identität nun kürzlich1) ohne Nachprüfung<br />

in ein größeres Werk übernommen worden, ist es nötig, <strong>der</strong> angeregten<br />

Frage noch einmal näherzutreten.<br />

Zur Beantwortung <strong>der</strong> Frage, ob Omersburg und Obermarsberg dasselbe<br />

ist, wird es zweckmäßig sein, zuerst zu untersuchen, was Obermarsberg<br />

ist.<br />

Es liegt an <strong>der</strong> Diemel, die vom Kahlen Asten kommt und bei Karlshafen<br />

in die Weser mündet. Der Name kommt erst 1872 auf. Aber das<br />

Gelände ist althistorischer Boden. So führen uns u. a. die Kriege Karls<br />

d. Gr. gegen die Sachsen in diese Gegend. Im Jahr 772 eroberte er ihre<br />

Feste Eresburg. Sie war eine alte sächsische Volksburg, also nicht gebaut,<br />

besetzt und bewohnt wie die späteren Ritterburgen. Und weil sie<br />

sich 145 m über dem Spiegel <strong>der</strong> Diemel erhebt und nach Westen und<br />

Osten zu steil abfällt, konnte sie als sturmsicher gelten2).<br />

1) Rüthning, G., <strong>Oldenburg</strong>ische Geschichte. Volksausgabe. <strong>Oldenburg</strong><br />

1937, S. 9, 35, 65.<br />

'-) Schuchhardt, C., Die frühgeschichtlichen Befestigungen in Nie<strong>der</strong>sachsen.<br />

1924, S. 39. — Der Name Eresburg begegnet uns oft in den karolingischen<br />

Reichsannalen und in den gleichzeitigen Urkunden (Ann. Laubac. in


Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe? 21<br />

Wenn die Eresburg in den Chroniken auch erst zum Jahr 772 erwähnt<br />

wird, als Karl d. Gr. den Kampf gegen die Sachsen begann, so ist<br />

doch wahrscheinlich, daß sie schon lange vorher bestanden hat. Schon<br />

<strong>der</strong> Poeta Saxo hebt ihre günstige Lage am Kreuzungspunkte zweier<br />

alter Heerstraßen — <strong>der</strong> vom Rhein und <strong>der</strong> Ruhr (Hellweg) durch das<br />

MG. SS. I, 12 z. J. 772: in Eresburch, Ann. Petav. in MG. SS. I, 16: Domnus<br />

rex Karolus perrexit in Saxoniam et conquisivit Erisburgo et pervenit ad<br />

locum, qui dicitur Ermensul, Ann. St. Emmerami in MG. SS. I, 92: Carolus<br />

in Saxonia conquesivit Eresburc, Ann. Fuld. in MG. SS. I, 348: Carolus<br />

Saxoniam bello aggressus Eresburgum castrum cepit, Ann. Lauriss. maj. in<br />

MG. SS. I, 150: Inde perrexit et Eresburgum castrum cepit, Ann. Einhardi in<br />

MG. SS. I, 151: Karolus . . . Eresburgum castrum cepit, Thietmar von Merseburg<br />

(gest. 1018) in MG. SS. III, 744: Hunc (d. i. Thancmar) rex (d. i. Otto<br />

d. Gr.) in Eresburck obsedit, Ann. Corb. in Jaffe, I, 45 z. J. 1145: mons Eresburg.<br />

Registrum des Corveyer Abtes Saracho (gest. 1071): Eresburg, — Urk.<br />

v. 9. Juni 962 in Seibertz, UB. I, 13: urbs (d. i. Akropolis), quae dicitur Eresburg,<br />

Poeta Saxo in Jaffe, Mon. Carol. IV, 546, MG. SS, I, um 890: Castellum,<br />

quod barbara lingua nominat Eresburg, valido cum robore cepit, ib. S. 550:<br />

Eresburg petiit, Ann. Alam. cont. z. J. 785: Erespurg, Urk. v. 27. Juli 1043 in<br />

Falke, Tradit. Corb., S. 210: in monte Eresburg, Urk. v. 25. März 1176 in<br />

Erhard, H. A., Regesta, II, 54, 130 f.: in monte Eresberch, Gobelin Persona<br />

(gest. 1425) in Cosmodromium: Karolus Eresburg cepit; <strong>der</strong> Name Eresburg<br />

hat sich auch neben vereinzelnd vorkommendem Eresberg, das jünger ist als<br />

Eresburg (Seibertz, Landes- und Rechtsgeschichte des Herz. Westf. UB. I, 97)<br />

in den Urkunden und Akten bis etwa 1200 als einzige Bezeichnung erhalten.<br />

Neben <strong>der</strong> oft vorkommenden Form Eresburg, wozu wir auch die<br />

Formen Erisburg, Erespurg, Erespuruk rechnen, begegnet uns fast ebensooft<br />

die Form Heresburg (Aspiration), ja, in einigen Annalen sogar beide Formen<br />

nebeneinan<strong>der</strong> (so: Sigibert, Chron. Gemblacense in MG. SS. VI; Eigil, gest.<br />

800, in Vita St. Sturmi; Chron. Reginonis, um 900, in MG. SS. I, 557; Lambert<br />

von Hersfeld, 1080, Annalen; Schaten, Ann. Pa<strong>der</strong>b. II, 89, z. J. 1219; Verzeichnis<br />

<strong>der</strong> Corveyer Güter unter Abt Erkenbertus (1106— 1128) in Kindlinger,<br />

Münstersche Beiträge II, 128, § 22; Ann. Lauresham. in MG. SS. 1, 32<br />

z. J. 785; Widukind v. Corvey (970) in MG. SS. III o<strong>der</strong> Heresberg (resp.<br />

Herisberig) und Heresburc (Canisius, H., Fragmentum annalium Francicorum;<br />

Ann. Lauriss. min. z. J. 774; Ann. Mosell. z. J. 785 und 775: Everesburg;<br />

Ann. Nazar. cont. z. J. 785; Ann. Mosell. in MG. SS. XI, 497: Heresbrug (!).<br />

Als dritte Form finden wir Aeresburg (Ann. Lauriss. min. in MG. SS. I, 117<br />

z. J. 772 und 776; Ann. Moiss. in MG. SS. I z. J. 775; Ann. Einhardi (S. 155);<br />

Fragmenta Vindobonna z. J. 784). Es wäre verfehlt, darin den griechischen<br />

Kriegsgott Ares zu vermuten, denn es handelt sich nur um eine dialektische<br />

Eigenheit, das anlautende Ae ist identisch mit E. Zum Vergleich sei an eine<br />

Stelle aus dem Epist. Carol. erinnert (Jaffe, Bibi. rer. Germ, in Epist. Car. II,<br />

c, 6), wo uns das Wort aepistola statt epistola begegnet. Bei Aventin finden<br />

wir auch diese Form mit Aspiration (Aventin, Joh., Ann. Bojor., lib. IV: nunc<br />

Haereburgium, nunc Haeroburgium vocat).<br />

Das in süddeutschen Chroniken vorkommende Meresburg ist weiter nichts


22 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Diemeltal zur Weser (Herstelle) und <strong>der</strong> von Frankfurt a. M. durch die<br />

Wetterau über die E<strong>der</strong> und Diemel in das Werretal zur Weser — hervor1)<br />

. Daß bereits die Römer auf ihren Zügen in Germanien die bei <strong>der</strong><br />

Eresburg vorbeiführende Straße benutzt haben, dürfen wir annehmen,<br />

weil auf <strong>der</strong> Eresburg römische Münzen gefunden worden sind, eine mit<br />

dem Bildnis des Kaisers Hadrian (117— 138) und eine mit dem Bildnis<br />

des Licinius (311-—323-).<br />

Auch Karl d. Gr. rückte, wie die Chroniken dartun, meistens auf<br />

<strong>der</strong> Straße in Sachsen ein, die an <strong>der</strong> Eresburg vorbeiführte3) . Das alles<br />

berechtigt, wie schon B. Kuhlmann hervorgehoben hat, zu dem Schlüsse,<br />

daß die Eresburg schon lange vor den Sachsenkriegen ein hervorragen<strong>der</strong><br />

Punkt war und die an ihr vorbeiführende Straße zur Weser nicht<br />

erst von Karl d. Gr. angelegt worden ist.<br />

Am Fuße <strong>der</strong> Eresburg lag <strong>der</strong> herrschaftliche Hof Horhusen, die<br />

villa Horohusum, aus <strong>der</strong> sich später — die curtis Horhusen blieb bestehen<br />

— das Dorf Horhusen entwickelte, das als Horus in <strong>der</strong> Thidreksage<br />

eine Rolle spielt. Im Jahr 900 wurde für sie ein Markt-, Münz- und<br />

Zollprivileg verliehen4), und um die Mitte des 10. Jahrhun<strong>der</strong>ts war die<br />

Gemeinde, seit 826 ein Corveyer Lehen, schon so bedeutend, daß Kaiser<br />

Otto I. ihr 962 die Rechte <strong>der</strong> Stadt Dortmund gab5).<br />

Der hohen Bedeutung Horhusens entsprach es auch, daß es seit<br />

alters <strong>der</strong> Sitz eines Gaugerichtes und später einer Freigrafschaft war,<br />

„dar man pleget to richtende heymliche Vryeding"6). Und noch 1231 bestimmten<br />

zwei päpstliche Visitatoren, die die Archidiaconate des Bisals<br />

Eresburg mit einem vorgeschlagenen M (Ann. Guelfer. Cont. z. J. 785;<br />

Ann. Alaman.; Ann. Sangall, mai. in St. Galler Mitt. XIX, 237, 271). Ob die<br />

süddeutschen Chronisten diesen Namen in Erinnerung an das alte Meersburg<br />

am Bodensee nie<strong>der</strong>geschrieben haben, soll hier nicht entschieden werden; es<br />

gibt aber Fälle mit dem M-Vorschlag. Ich erinnere an Metzelen (Arch. Vatic.<br />

Avinion. Coll. 183), das H. Lübbing richtig mit Etzel (Ostfr.) gedeutet hat<br />

(Oldenb. Jb. Bd. 29, S. 234).<br />

J) Seibertz, Die Straßen im Herzogtum Westfalen (Westf. Ztsch. Bd. V,<br />

92). v. Hofmann, Alb., Das deutsche Land und die deutsche Gesch., 1921, 39f.<br />

2) Wigand, Archiv f. Gesch. u. Altertümer, I, 32.<br />

3) Ann. Lauriss. (MG. SS. I, 166): Saxones, qui rebelles fuerunt, depredavit,<br />

et castra coepit, et loca eorum munita intervenit, etc.<br />

Sehr anschaulich wird die Bedeutung <strong>der</strong> Burg klar auf dem entspr. Blatt<br />

in G. Schnath's Geschichtl. Handatlas Nie<strong>der</strong>sachsens (1939), Bl. 22/23.<br />

4) Westf. UB. I, Nr. 499 (265), Seibertz, UB. I, 5.<br />

5) Seibertz, UB. I, Nr. 11, Schaten, Ann. Pad. I, 210. Kindlinger, Münstersche<br />

Beitr. II, Urk. Nr. 18, § 11.<br />

o) Urk. v. J. 1338.


Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe? 23<br />

tums Pa<strong>der</strong>born festsetzten, die Dionysus-Kirche in Horhusen zum ersten<br />

Archidiakonatssitz1) .<br />

Und wenn schließlich in einer Urkunde des Kaisers Heinrich II.<br />

vom Jahr 1002 von einem Walde die Rede ist, <strong>der</strong> sich bis zu <strong>der</strong> Straße<br />

erstreckt, die nach Horhusen führt2) — usque ad viam, quae ducit ad<br />

Horihusam — so zeigt diese Urkunde, daß die Eresburg trotz ihrer<br />

früheren militärischen Bedeutung zur Zeit <strong>der</strong> Karolinger später von<br />

Horhusen ganz in den Hintergrund gedrängt ist.<br />

Während sich so Horhusen am Fuße <strong>der</strong> Eresburg kräftig entwickelte,<br />

erblicken wir auf ihrem Plateau vierhun<strong>der</strong>t Jahre lang nur<br />

eine Kirche mit einem Kloster. Karl d. Gr. war <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>, und als<br />

erster hatte hier <strong>der</strong> Abt Sturm (772— 779) seinen Wohnsitz. Urkundlich<br />

wird dieses Kloster erst 826 erwähnt. Kaiser Ludwig d. Fr. schenkte in<br />

diesem Jahr Kirche und Kloster Eresburg mit allen ihren Gütern und<br />

Zehnten dem Kloster Corvey3), und sein Sohn Ludwig bestätigte 853<br />

die Schenkung4), In Urkunden des 11. und 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts ist immer<br />

nur vom monasterium in monte „Eresburch" die Rede. So in einer Urkunde<br />

Heinrichs III. vom Jahr 1039 und in einer Bulle Hadrians IV. von<br />

1154. Abt Wibald von Corvey spricht 1149 vom Kloster Ersborch5) und<br />

1176 überwies <strong>der</strong> Propst Conrad von Corvey dem Benediktinerkloster<br />

St. Peter die Markuskirche in Horhusen, die bei dem Peterskloster auf<br />

dem Berge Eresberg liege6) . Schließlich erwähnt das unter Abt Erckenbert<br />

(1106— 1128) von Corvey angefertigte Verzeichnis Güter, „que pertinent<br />

ad ecclesium in Heresburg7). Die in <strong>der</strong> Münze von Horhusen<br />

um 1100 geprägten Denare hatten die Umschrift „Heresburg“8). Sie<br />

beweisen aber nicht, daß die Eresburg um diese Zeit schon bewohnt<br />

war. W ir haben Beispiele genug dafür, daß sich <strong>der</strong> Name <strong>der</strong> auf<br />

Münzen angegebenen sog. Münzstätte nicht immer mit dem Prägungsorte<br />

<strong>der</strong> Münze deckt.<br />

*) Westf. UB. IV, 168. Schon vor 1231 muß Horhusen ein Archidiakonat<br />

gewesen sein, denn Bischof Meinwerk (1015— 1036) verleiht einem Pa<strong>der</strong>b.<br />

Kanonikus den Bann über Horhusen.<br />

2) Schaten, Ann. Pa<strong>der</strong>b. I, 249.<br />

3) Seibertz, UB. I, Nr. 1, 2. Schaten, Ann. Pad. I, 55,<br />

4) Schaten, Ann. Pa<strong>der</strong>b. I, 95, „capellam, quam dudum dominus ac<br />

genitor noster Carolus Imperator in castello, quod dicitur Heresburg, construi<br />

iussit".<br />

°) Jaffe, Bibi. rer. Germ. I, 44, ep. 173, S. 294.<br />

6) Seibertz, UB. I, Nr. 37, 70. Westf. UB. I, 1316.<br />

7) Kindlinger, Münster. Beitr. II, 128, § 22.<br />

8) Dannenberg, H., Die deutschen Münzen <strong>der</strong> sächsischen und fränkischen<br />

Kaiserzeit, Berl. 1894, II, 648.


24 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Während also bis zum Jahr 1200 in den Urkunden immer nur von<br />

capella o<strong>der</strong> monasterium in Eresburg die Rede ist, wird die Eresburg<br />

in zahlreichen Urkunden von 1200 bis über 1300 hinaus meistens Mons<br />

Martis1), einige Male auch Mersberg2) o<strong>der</strong> Marsburg3) genannt. Die<br />

Kölner Erzbischöfe prägten im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t Münzen mit <strong>der</strong> Umschrift:<br />

Mersbergh4), die Oberstadt Marsberg seit 1600 Groschen mit<br />

<strong>der</strong> Umschrift: Marsperg o<strong>der</strong> Mons Mart5).<br />

So nennt sich im Jahr 1201 <strong>der</strong> Propst Brüning von <strong>der</strong> Peterskirche<br />

auf <strong>der</strong> Eresburg „Montis Martis ecclesie gratia Dei prepositus",<br />

und 1204 beginnt eine Urkunde: Ego L. prepositus in Monte, qui dicitur<br />

Martis fratri Alberto Dei gratia in Brcdelare abbati totique capitulo in<br />

perpetuum0) .<br />

W ie erklärt sich nun diese neue Bezeichnung Mons Martis (Marsberg)<br />

für Eresburg? In den Heimatblättern7) hatte ich unter Berufung<br />

auf Wigand8) gesagt, daß sie durch die Schulweisheit <strong>der</strong> Mönche entstanden<br />

sei, die den germanischen Kriegsgott Er dem Ares, dem Kriegsgott<br />

<strong>der</strong> Griechen, gleichsetzten.<br />

Diese Auffassungen wurden von Andrée abgelehnt und zum Beweise<br />

Caesar“) und Tacitus10) „bemüht"11). Schon sie hätten germanische<br />

Götter dem römischen Gott Mars gleichgesetzt, und deshalb (!) dürfe<br />

man annehmen, daß die auf <strong>der</strong> Eresburg verehrte Gottheit bereits für<br />

das Jahr 826, wo die Eresburg zuerst urkundlich erwähnt werde, mit<br />

Mars gleichgesetzt worden sei und zur Namengebung Mons Martis geführt<br />

habe. Dazu ist kurz zu sagen, daß mit dieser ungenügenden Beweisführung<br />

das gesamte reichhaltige Quellenmaterial im Wi<strong>der</strong>spruch<br />

steht.<br />

Wenn wir aber <strong>der</strong> Frage auf den Grund gehen, finden wir in den<br />

J) Erhard, Regesta II, 265, 371: 1200. Westf. ÜB.: 1201, 1204, 1212, 1222,<br />

1227, 1229, 1230, 1234, 1241, 1254, 1259, 1262, 1265, 1268, 1286, 1294, 1300<br />

3) Westf. UB. z. J. 1219, 1240, 1265, 1358. Die Urk. v. 1265 hat Mons<br />

Martis und Mersberg.<br />

3) Hävernick, W., Die Münzen von Köln I, 268 f.<br />

4) Westf. UB. z. J. 1322.<br />

5) Weingärtner, J., Kupfermünzen Westfalens II.<br />

°) Westf. UB. VII, 8a (Urk. v. 30. Apr. 1201).<br />

7) Heimatblätter 1936, Nr. 11, S. 166 f.<br />

8) Wigand a. a. O. I, 37.<br />

9) Bell. Gail. VI, 17.<br />

!») Annal. II, 12 f, Germ. 3.<br />

1X) Vgl. Broschüre Nr. 4, S. 6 f.


Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe?<br />

Corveyer Annalen1), die nach ihren Schriftzeichen von einem Mönche<br />

des 12. Jahrhun<strong>der</strong>ts geschrieben sind, zu dem Namen Eresburg als Erklärung<br />

hinzugesetzt: d. i. Arisburg. Ob er mit dieser Erklärung auf dem<br />

rechten Wege war, möge dahingestellt sein, jedenfalls ist diese Deutung<br />

für die Mönche bald die Veranlassung geworden, in ihren lateinischen<br />

Urkunden den griechischen Gott Ares durch den römischen Mars, wie<br />

wir gesehen haben, zu ersetzen.<br />

Um 1220 trat eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> bisherigen Verhältnisse ein2). Infolge<br />

vieler Fehden und <strong>der</strong> damit verbundenen Unsicherheit zogen viele<br />

Bürger samt ihren Ratsherrn von Horhusen fort und siedelten sich auf<br />

dem südwestlichen Teil des Eresburger Plateaus an3).<br />

So entstand Marsberg, das sich nach einer Urkunde von 1358 „Stadt<br />

von dem Merseberghe" nannte. Nach Seibertz soll <strong>der</strong> Name aus „Stadt<br />

upm Eresberg" entstanden sein4). Der Chronist Heinrich von Herford<br />

sagt Mersberch, <strong>der</strong> Karthäusermönch W. Rolewink Mersborch5) .<br />

Im Gegensatz zu <strong>der</strong> Oberstadt auf dem Plateau gab das alte Horhusen,<br />

zum letzten Mal urkundlich 1350 so genannt, seinen Namen auf,<br />

und man sprach lange von <strong>der</strong> „Altenstadt-Marsberg“ . Für das Jahr<br />

') Jaffe, Mon. Corb. (Chronographus Corbeiensis), S. 44: Hec est Arisburg:<br />

hec eadem Eresburg est corrupto vocabulo dicta. Quam et Julius Romano<br />

imperio subegit, quando et Arispolis nomen habuit ab eo, qui Aris Greca<br />

designatione ac Mars ipse dictus est Latino famine. Duobus siquidem idolis<br />

civitas hec dedita fuit culturae: id est Aris, qui urbis meniis insertus quasi<br />

dominator dominantium, et Ermis, qui et Mercurius mercimoniis insistentibus<br />

colebatur in forensibus.<br />

2) Zahlreiche Forscher haben den Namen Eresburg zu deuten versucht.<br />

Sie seien hier nur summarisch genannt: Wigand (Archiv f. Gesch. u. Altertumsk.<br />

Westf. I, 36), Darpe (Westf. Ztsch. 1895, I, 122), Gobelin Persona<br />

(Cosmodromium VI, 38), Winkelmann (Notitia pol. Westf. S. 372), Grimm<br />

(Mythologie 2. Aufl., I, 182), Zeuß (Die Deutschen und die Nachbarstämme<br />

S. 23), Arnold (Deutsche Urzeit 3. Aufl., S. 418), Ledebur (Die Brukterer,<br />

S. 130, 212), Seiberts (Landes- und Rechtsgesch. Westfalens I, 30), Mone<br />

(Keltische Forschungen S. 5, 74), Simrock (Mythologie 2. Aufl., I, 297), Kuhlmann,<br />

B. (Westf. Ztsch. Bd. 57, S. 41) denkt bei Aresburg an angelsächsischen<br />

Einfluß. Das altsächsische era heißt angelsächsisch ar und bedeute Schutz,<br />

was zu dem Worte Burg wohl passe. Die Ann. Nordhumbrani (MG. SS. XIII,<br />

155) schreiben „Aresburht“ .<br />

:l) Westf. UB. Nr. 218 (Urk. v. 13. Nov. 1222): Datum in Monte Martis,<br />

testes . . . Hermannus iudex et Bernardus civis in Monte Martis. — Seibertz,<br />

UB. I, 238. — West. UB. IV, 168: cum nos a villa Horehusen ad Montem, qui<br />

dicitur Heresberg, nostra domicilia transtulissemus.<br />

‘ ) Seibertz, Landes- u. Rechtsgesch. I, 183.<br />

5) Heinr. v. Herford: Karolus Eresburgh cepit, quod nunc Mersberch<br />

dicitur. — W. Rolewink, De Westphalorum moribus, lib. II, c. 3.: cepit Arisburgum,<br />

vulgariter Mersborch dictum i. e. Castrum Martis.


26 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

1416 weist Österley die Namensform Bergk nach1). Ungefähr mit dem<br />

Beginn des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts treffen wir statt „Altenstadt-Marsberg“<br />

auch den Namen „Stadtberge"2), und seit Eröffnung <strong>der</strong> Ruhrtalbahn<br />

im Jahr 1872 die Bezeichnung Nie<strong>der</strong>marsberg. Im selben Jahr erhielt<br />

die auf <strong>der</strong> Eresburger Höhe gelegene Stadt den Namen Obermarsberg.<br />

Und diese Stadt soll mit einer <strong>der</strong> friesischen Heerstraßen verbunden<br />

und mit dem in den friesischen Küren genannten Ort Omersburg identisch<br />

gewesen sein!<br />

Über die friesischen Heerstraßen geben uns die 17 friesischen Küren<br />

Aufklärung, von denen es mehrere Handschriften gibt. Von den wichtigsten<br />

setze ich den in Frage kommenden Text hierher (nach Richthofen,<br />

Friesische Rechtsquellen):<br />

Hunsingoer lat. Text (I).<br />

Nona petitio est: penam pacis<br />

et huslotha propter bannum regis<br />

solvere duobus denariis Rednathes<br />

monete. Si quis hoc contempserit,<br />

solvet regium bannum skulteto XX<br />

solidis et uno, ad comparandum VII<br />

stratas, apertas et pervias pergere<br />

versus austrum, tres in terra et<br />

quatuor in aqua. Prima terrestris<br />

strata sursum versus Omersburg1),<br />

et deorsum versus2) Jevere, secunda<br />

versus Monasterium, usque<br />

Emetha; tertia versus Coloniam,<br />

usque Stauriam. Prima aquarum<br />

strata est Albia, secunda Wisera,<br />

tertia Emesa, quarta Renus. Qui-<br />

J) sursum versus = hin nach.<br />

2) deorsum versus = zurück nach.<br />

Westergoer fries. Text: op to Hamersten<br />

ende ut to Jevere. Ommelan<strong>der</strong><br />

Landrecht: Homesburg. Nie<strong>der</strong>dtsch.<br />

Wurster Landrecht: up tho <strong>Oldenburg</strong><br />

und uth tho Jever.<br />

Emsigoer iries. Text.<br />

Thet istiu nioghende kest frethepennengar<br />

te ieldane and huslotha<br />

truch thes kenenges bon, bi<br />

tuam Rednathes slachta pennengem.<br />

Sa hua sa hir ur sitte and riuchtes<br />

werne, sa bete and feilet<br />

mith en and twintech scillengen<br />

andes koninges wald, ther mithe te<br />

capiane sogen streta, rum and ren-<br />

nande, a Sexena merca suther te<br />

farane, thria a lende and fiuwer a<br />

watere. Thera wetherstretena iste<br />

asterste thiu Elve, thiu othere iste<br />

Wisere, thiu tredde iste Emese,<br />

thiu fiarde istet Rin. Tiu asterste<br />

londstreta is up toHamneresburch1)<br />

J) Hunsingoer fries. Text: „up to<br />

Hamburg and ut ti Gevere."<br />

Oesterley, H., Hist, geogr. Wtb. d. M A„ 1883.<br />

2) Leibnitz, Ann. Imp. I, 33: Hodie Berga oppidum, vel uno nomine<br />

Stadtberga. — Schaten, Ann. Pad. III, 487: z. J. 1583, Stadtberga . , . ad<br />

novi Evangelii Doctrinam traducta erat. — Sigel von 1744: Sigil. pp. Capucin.<br />

Stadtberg.


Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe?<br />

27<br />

cunque eos hiis VII stratis privât<br />

vel spoliât, tunc condempnabitur<br />

propter hoc in decem liudmerc, et<br />

supremum bannum sculteto, qui est<br />

XX solidi et unus. Si etiam Fri-<br />

sones vel eorum mercatores hiis<br />

VII stratis fuerint spoliati, et hoc<br />

evenerit ex parte regis, tunc de<br />

pecunia plebis et de huslotha eorum<br />

dampnum debet suppleri; si autem<br />

evenerit ex episcopi parte, tunc de<br />

censu et de decimis dampna eorum<br />

et vincula debent emendari. —<br />

and ut to Jevere, thiu midleste op<br />

to Monegerdeforda end ut til Eme-<br />

tha, thiu thredde is up to Cuforda<br />

and ut to Staveren. A c ief Fresena<br />

capmen and thera sogen stre-<br />

tena engere wertha benet, ieftha<br />

beneret a Saxena merkum vr ri-<br />

ucht, kemtet fon thes kenenghes<br />

halven, sa achmat te nimane of<br />

herem and of huslotha, thene scatha<br />

mithe te fellena; ac kumthet<br />

fondes biscopes halven, sa achmat<br />

te nimane of tinse and of tegatha,<br />

hira scatha ther mithe te fellane<br />

iefte hira bende. — Huasa hit deth,<br />

sa brecht hi ther on tian liudmerc,<br />

and sines frana bon, thet is en and<br />

tvintich scillenga.<br />

Westerlauwerscher fries. Text.<br />

Hwaeso dat riucht wr sitte,<br />

soe bete hi des keysers ban da<br />

frana mit XXI Schillingen, deer<br />

mede to capien ende deer toiens<br />

to wariane savn streta, ruum ende<br />

rennende, su<strong>der</strong> to farane, fyower<br />

oen da wettere ende tria oen da<br />

lande. Dio arste strete oen da wettere<br />

is dio Elve, dio ö<strong>der</strong>e is dio<br />

Wesere, dio tredde dio Eemse, dio<br />

fyaerde is da Ryn. Dio forme strete<br />

oen da lande op to Omersburch<br />

ende ut to Jewere, dio o<strong>der</strong> op to<br />

Mimigerdeforde ende ut to Eemda,<br />

dio tredde op to Coforda ende ut<br />

to Starem. Hwaeso ws <strong>der</strong>a savn<br />

streta enich hinaert, so breckt hy<br />

Emsiger plattdeutscher Text.<br />

De negende willekoer is, dat<br />

men sal gheven vredepennynge end<br />

oeck huyslota by des konnynghes<br />

ban by twen Reddenachtes pennynghen,<br />

und de scholen al vul-<br />

wechtich wesen, so dat mense yn<br />

eyn loefbecken moghe hören klynghen<br />

over IX vake huses. W e dat<br />

voersick ende des rechtes weyghert,<br />

de sal dat beteren myt XXII<br />

schillyngh, voer de walt de dem<br />

konnynge daer yn ghescheen is;<br />

ende daer mede so salmen kopen<br />

ofte bereden seven strafen, de süetwert<br />

to gaene ende to varen, veer<br />

to water und dree to lande. De<br />

erste to water, dat is de Elve, de


28 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

deer oen tien lyoedmerk, ende dis<br />

frana allerhagista ban, dat is XXI<br />

Schillingen.<br />

an<strong>der</strong> is de Weser, de <strong>der</strong>de is de<br />

Eemse, de veerde dat Fly. De<br />

eerste strate to lande is upwerts<br />

to Hunens yn den berch, end uth<br />

to Yever; de an<strong>der</strong> up to Mirmigardefoerde<br />

i. e. Monster, und uth<br />

to Emeden; de <strong>der</strong>de up to Covoerden<br />

end uth to Staveren. Welkeer<br />

of we den Vresen dessen<br />

seven straten bekommert offte behyn<strong>der</strong>t,<br />

ende kumpt em van des<br />

konnynghes wegen, so salmen em<br />

den scaden betalen van dem menen<br />

ghelde und van dem hueslotha;<br />

compt oeck den Vresen desse<br />

schade van weghen des bisschopes,<br />

so salmen den scaden betalen van<br />

den teenden ende tynse, und ere<br />

venckenisse ofte seerenisse daer<br />

van to betaelen und to beteren by<br />

eren eden; end we dyt doet, de<br />

brect daer an X marck tegens de<br />

lude, ende des schulten ofte franen<br />

ban, dat is XXI schillynghe.<br />

Die in den vorstehenden Texten genannten 7 friesischen Heerstraßen,<br />

zu <strong>der</strong>en Unterhaltung beson<strong>der</strong>e Einnahmen aus Strafgel<strong>der</strong>n<br />

angewiesen waren, sind also die Wasserstraßen Elbe, Weser, Ems und<br />

Rhein, ferner die drei Landstraßen von Jever nach Omersburg, von<br />

Emden nach Münster und von Stavoren (an <strong>der</strong> holländischen Küste)<br />

nach Coeforden (resp. Köln). Wenn in den genannten zur Debatte<br />

stehenden beiden Broschüren im Wi<strong>der</strong>spruch zu dem Texte schon in<br />

den ersten Zeilen gesagt wird, daß die drei Straßen von Omersburg nach<br />

Jever, von Münster nach Emden und von Coevorden nach Stavoren,<br />

also vom Binnenlande zur Küste geführt hätten, eine Auffassung, die wir<br />

schon bei K. Wöbcken finden1), so erkennen wir darin die Absicht, den<br />

l ) Wöbcken, K., Das Land <strong>der</strong> Friesen und seine Geschichte, 1932, S. 16,<br />

47 f. Zugrunde lag vielleicht Winkelmann, Notitia pol. Westf. S. 325: Sed<br />

mea mihi magis arridet coniectura, ac si Osi mons nomen acceperit ab ingenti<br />

boum numero, qui per eum ex Frisia oriental! et <strong>Oldenburg</strong>icis territoriis in<br />

Germaniam propelluntur.


Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe? 29<br />

Leser für eine Hypothese, die erst später entwickelt werden soll, empfänglich<br />

zu machen. Dasselbe gilt auch von <strong>der</strong> Fassung des Themas <strong>der</strong><br />

beiden Broschüren.<br />

Schon <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>deutsche Text des alten Wurster Landrechtes, das<br />

R. von Richthofen ins Jahr nach 1565 verlegt1), versteht unter Omersburg<br />

<strong>Oldenburg</strong>. K. v. Richthofen nennt diese Deutung richtig2) , Omersburg<br />

sei <strong>Oldenburg</strong>, die Alteburg des sächsischen Gaues Ammeri o<strong>der</strong><br />

des Ammerlandes. Auch G. Sello kommt zu demselben Ergebnis3) , wenn<br />

er sagt, Omersburg sei nichts an<strong>der</strong>es als Ammerburg4), die uralte<br />

Volksburg des Ammergaues.<br />

Sprachlich ist dazu festzustellen, daß altfriesisches o vor Nasalen<br />

germanisch a und s das Genitivzeichen eines putativen Personennamens<br />

ist. Für das einfache m haben wir in „pagus Am eri"5) und „Amerland“ 0)<br />

analoge Fälle. Aus sprachlichen Gründen ist also die Gleichsetzung<br />

Omersburg — Ammerburg durchaus gesichert.<br />

Die erste <strong>der</strong> von Jever nach Omersburg führenden Straßen hatte<br />

<strong>der</strong> Stellvertreter (vicecomes) <strong>der</strong> Grafengewalt in Östringen, Rüstringen<br />

und im Amerlande zu befrieden7).<br />

Nach den scharfsinnigen Untersuchungen G. Sellos8) und D. Kohls<br />

lag die alte Volksburg — de olde borg — ursprünglich außerhalb <strong>der</strong><br />

Stadt <strong>Oldenburg</strong> zwischen ihr und dem Hauptarm <strong>der</strong> Hunte, auf dem<br />

höchsten Punkt eines Wer<strong>der</strong>s, <strong>der</strong> von Hunte und Haaren gebildet<br />

wurde, also auf dem heutigen Schloßplatzgelände.<br />

Um die Mitte des 11. Jahrhun<strong>der</strong>ts muß sie ihre bisherige Bedeutung<br />

vorübergehend verloren haben, denn nur so ist es zu erklären, daß <strong>der</strong><br />

Stellvertreter (vicecomes) <strong>der</strong> Grafengewalt in Östringen, Rüstringen<br />

und im Ammerland, Graf Huno, in <strong>der</strong> ältesten Raste<strong>der</strong> Chronik auch<br />

einmal „comes Rustringiae“ genannt, die Gegend um Rastede, vielleicht<br />

die Bokelerburg, zu seinem Wohnsitz und die Krypta <strong>der</strong> Raste<strong>der</strong><br />

Klosterkirche zu seiner Ruhestätte bestimmte. Ein Verwandter, Graf<br />

Egilmar I., comes in confinio Saxoniae et Frisiae potens et manens, be-<br />

5) Pufendorf, Observationes iuris univ., 1756.<br />

-) K. v. Richthofen, Untersuchungen usw. I, 335.<br />

3) Sello, G., Territoriale Entw., 151.<br />

4) Sello, G., Historische Wan<strong>der</strong>ungen, 1896, S. 2.<br />

=) Old. UB. II, 14.<br />

ö) Old. UB. II, 310; Lehnsregister, hrsg. v. H. Oncken, S. 76 u. 80. MG.<br />

SS. XXI, 93 (Chron. Slav.).<br />

7) Sello, G., Terr. Entw., 151. — K. v. Richthofen, Untersuchungen usw.<br />

I, 108.<br />

8) Sello a. a. O. 151, 154. — Kohl, D., Gesch. <strong>der</strong> Stadt <strong>Oldenburg</strong>,<br />

1925, S. 8 f.


30 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

erbte ihn, verlegte aber seinen Wohnsitz wie<strong>der</strong> auf den alten Platz <strong>der</strong><br />

alten Volksburg, wo nun eine Steinburg entstand1), die 1108 erstmalig<br />

in einer lat. Urkunde oberdeutsch als Aldenburg erwähnt wird. Ob<br />

schon die alte Volksburg o<strong>der</strong> erst diese neue <strong>Oldenburg</strong> von den Friesen<br />

Ammerburg (Omersburg) genannt wurde, läßt sich nicht erweisen.<br />

Das Ammerland und Friesland galten noch lange als ein einziger<br />

Begriff. Diese Auffassung geht auf friesische Rechte zurück, die die<br />

Grafen von <strong>Oldenburg</strong> seit alters als den Inhabern <strong>der</strong> Grafengewalt im<br />

alten pagus Asterga, dem späteren Östringen, ausübten, auf Gerechtigkeiten,<br />

„de sine ve<strong>der</strong>e wente herto hebben gehat"2). Und so ist es<br />

nicht verwun<strong>der</strong>lich, daß Graf Christian (gest. 1167) dem Chronisten<br />

Heldmold (gest. 1177) ein Friesenfürst war, dessen ammerländischer<br />

Wohnsitz Aldenburg „in terra Fresonum" lag3), „<strong>der</strong> mit dem Heerbann<br />

seiner Friesen — collecta Fresonum manu4) — gegen Heinrich den<br />

Löwen stritt5), und vor dessen Übermacht „in abditas Fresiae paludes“ ,<br />

d. h., wie Albert von Stade berichtet6), nach <strong>Oldenburg</strong> sich zurückzog".<br />

Wenn ferner 1243 <strong>Oldenburg</strong> Markt- und Stapelplatz für den<br />

Handel mit Bremen und Westfalen wurde7) , so kann dieser nur auf <strong>der</strong><br />

alten Heerstraße von Jever nach Omersburg vor sich gegangen sein, die<br />

eine via regia war, wenn dieser Name bisher in den Urkunden auch<br />

nicht festgestellt wurde8). Was die sieben Straßen aber eigenltich waren,<br />

sagt uns das Inhaltsverzeichnis <strong>der</strong> 17 Küren, überliefert im Vetus ius<br />

Frisicum9), wo es von <strong>der</strong> 9. Küre heißt: De comparatione (Instandsetzung)<br />

VII stratarum mercatorum. Daß dem wirklich so ist, sagt uns<br />

ganz unmißverständlich die Friesenbrücke (pons Fresonum), die 1387<br />

*) Wolters, Chron. Archiep. Brem. (Meibom II, 47): Et tune primo<br />

fundatum fuit cum auxilio Caesaris Henrici et heredum comitis Hunonis<br />

castrum <strong>Oldenburg</strong>, Ammirorum temporibus Liemari archiep. (1072— 1101)<br />

Cum maxima potentia et gloria adiuvante Archipiscopo Bremense.<br />

2) Oncken, H., Lehnsregister S. 84.<br />

3) Helmold: Christianus comes de Amerland occupavit Bremam.<br />

4) MG. SS. XXI, 93.<br />

6) MG. SS. XXI, 90.<br />

6) Ann. Stad. (MG. SS. XVI, 346): Christianus se recepit in Aldenburg,<br />

nihil timens.<br />

7) Old. UB. II, 65. Vgl. H. Lübbing (in Old. Jb. Bd. 31, S. 128, 152).<br />

8) Sello, G., Terr. Entw. S. 299 f. — Wie so eine Königsstraße bisweilen<br />

entstehen konnte, sagt uns eine Urk. v. 18. Jan. 1181 (Bremer UB. I, 56), in<br />

<strong>der</strong> Erzb. Siegfried v. Bremen eine Strecke unkultivierten Landes, Oberneuland,<br />

Rockwinkel, Osterholz und Vahrenholterfeld verkauft. Dort heißt es:<br />

Herestrate regia erit, ubi ipsi (d. h. die genannten Kolonistengemeinden)<br />

communiter eam esse decreverint et iudex preceperit.<br />

9) K. v. Richthofen, Untersuchungen usw. I, 60.


Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe? 31<br />

erwähnt wird, den Anfang <strong>der</strong> Heerstraße nach Bremen bildete und den<br />

<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Marktplatz über die Haaren hin im Zuge <strong>der</strong> Achternstraße<br />

mit dem Burgwer<strong>der</strong> verband. (Old. UB. Bd. 1, Nr. 74.)<br />

Eng verbunden mit dem friesischen Küstengebiet, war das Ammerland<br />

einst geradezu friesisches Kolonisationsgebiet. Und Sello findet den<br />

Grund dafür1), daß die friesischen Küren als südlichen Endpunkt <strong>der</strong><br />

in erster Linie dem Handel dienenden Straße <strong>Oldenburg</strong> nennen, „weil<br />

hier einst die Hunte die Grenze zwischen den friesischen und sächsischen<br />

Interessenkreisen bildete", das zwischen ihr und <strong>der</strong> eigentlichen friesischen<br />

Grenze, <strong>der</strong> Wapel, belegene Waldgebiet des Ammerlandes habe<br />

gewissermaßen ein friesisches Vorland gebildet.<br />

So erklären sich noch einige friesische Wörter im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Ammerland2). Dem friesischen Wiefels entspricht das ammerländische<br />

Wiefelstede. Wenn sich friesische Orts- und Flurnamen im Ammerlande<br />

nur spärlich finden, so erklärt G. Ohling diese Erscheinung durch das<br />

Aussterben <strong>der</strong> friesischen Sprache3). Infolgedessen hätten die alten<br />

friesischen Orts- und Flurbezeichnungen den mittelnie<strong>der</strong>deutschen<br />

weichen müssen. Ohling erinnert noch an die schon Sello (Terr. Entwicklung,<br />

152) aufgefallene friesische Flurbezeichnung <strong>der</strong> „tiüchen" im<br />

alten Amte Wiefelstede, worunter nach Ehrentraut langgestreckte<br />

Ackerstreifen, nach Sun<strong>der</strong>mann zum Kornbau geeignete Landstücke4),<br />

die unterm Joch (Jüch, Jück) gehalten wurden, schließlich die Dorfacker<br />

selbst zu verstehen sind5), an den Flurnamen „Jarthen“ (in Ekern,<br />

Aschwege, Helle und Edewecht), Johren (in Westerloy) und Delf (in Eyhausen).<br />

Und wie es um 1337 eine friesische Burg Delvesdam gab, so<br />

begegnet uns in <strong>der</strong> Gemeinde Rastede Delfshausen und Delfshöme. Der<br />

alte Name des Raste<strong>der</strong> Vorwerks in Kleinbollenhagen ist uns als „allodium<br />

circa Delf“8) überliefert. Zu erinnern ist ferner in diesem Zux)<br />

Sello, G., östr. u. Rüstr. S. 195.<br />

2) G. Lohse hält sogar das links <strong>der</strong> Weser liegende, zum Teil bisher<br />

den sog. kleinen Chauken zugewiesene Land für das Wohngebiet <strong>der</strong> A ltfriesen<br />

(Vortrag: Chauken, Sachsen und Friesen im Lichte <strong>der</strong> Sprach- und<br />

Ortsnamenforschung) <strong>Oldenburg</strong>, 18. Febr. 1939. Vgl. auch die Arbeit von<br />

H. Janßen, „Die Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Mundarten Ostfrieslands und <strong>der</strong> angrenzenden<br />

Gebiete’1. Diss. Marburg, 1937.<br />

s) Oldbg. Jb. Bd. 42, S. 134.<br />

4) Sun<strong>der</strong>mann, Friesische und nie<strong>der</strong>sächsische Bestandteile in den<br />

Ortsnamen Ostfrieslands. Emden 1901.<br />

5) So hat noch ein Weg von Sillenstede in <strong>der</strong> Richtung auf Jever zu<br />

den Namen Tjüchweg (Tiüchweg), weil er zu dem Westdorfacker Sillenstedes<br />

führte. Vgl Janßen, G., Was uns Orts- und Flurnamen erzählen. Old. 1925,<br />

S. 23, 85. Zu erinnern ist noch an das Dorf Tjüche, Kr. Norden (Ostfr.).<br />

6) Meibom II, 110.


32 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

samenhang an Vreschen-Bokel und Holtgast in <strong>der</strong> Gemeinde Apen,<br />

von denen das letzte einen Namensvetter in <strong>der</strong> Form Holtgaste in Ostfriesland,<br />

Kr. Weener, hat1). Gasten — Ostergast, Westergast, Sü<strong>der</strong>gast,<br />

Habergast, Steengast — das sind die seit uralter Zeit als Ackerland<br />

genutzten Sandböden — trifft man außer in Ostfriesland (Hohegaste und<br />

Grotegaste, Kr. Leer, Tergast, Kr. Emden) in den Dörfern des Jeverlandes<br />

mehrfach. Das alles braucht uns nicht wun<strong>der</strong>zunehmen, denn es<br />

steht fest, daß die Bevölkerung <strong>der</strong> Gemeinde Apen (Amt Ammerland)<br />

sächsisch-friesisch gemischt ist2).<br />

Beziehungen siedlungsgeschichtlicher Art zwischen dem <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Ammerland und Friesland sind also auf Grund <strong>der</strong> Namendeutung noch<br />

nachweisbar. Trotzdem wird von Andrée die Ansicht abgelehnt3), daß<br />

die friesische Heerstraße von Jever nach <strong>Oldenburg</strong> geführt habe, weil<br />

sich „in <strong>der</strong> Überlieferung und in den Flurnamen keine Spur von ihr<br />

nachweisen lasse1' 1).<br />

Wir halten also auch aus sachlichen Gründen daran fest, daß die<br />

Gleichsetzung Omersburg = Ammerburg (<strong>Oldenburg</strong>) durchaus gesichert<br />

ist.<br />

Wenn trotzdem diese Deutung abgelehnt und etwas Neues vorgebracht<br />

wurde, so wollen wir den Gründen nachgehen, die für eine<br />

an<strong>der</strong>e Deutung angegeben werden. Es wird zunächst gesagt, daß die<br />

friesischen Heerstraßen alle auf einen im Binnenlande liegenden Mittelpunkt<br />

— Obermarsberg — laufen, die Straßen also zentral gedacht<br />

seien5). W er sich einen Atlas vornimmt und die in den Küren genannten<br />

Städte miteinan<strong>der</strong> verbindet, wird finden, daß das nicht <strong>der</strong> Fall ist.<br />

Selbstverständlich ist es, daß die genannten dem Verkehr mit <strong>der</strong><br />

Nachbarschaft dienenden Straßen ins Binnenland führen, und zwar in<br />

einer Richtung, die durch die territoriale Gestalt Gesamtfrieslands bedingt<br />

ist. Theoretische Erörterungen über flächenhafte und lineare Erstreckung<br />

eines Landraumes und ihre Anwendung auf Friesland sind für<br />

1) gast = friesisch; geest = nie<strong>der</strong>sächsisch. Baasen, K., Das <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Ammerland S. 218. Jarde ist ein friesisches Längenmaß. Vgl. Hansen,<br />

G., Agrarhistorische Abhandlungen II, 209.<br />

2) Strackerjan, L., Aberglauben und Sagen, 1909, II.<br />

3) Broschüre Nr. 4, S. 9.<br />

4) Vgl. dazu den Satz <strong>der</strong> Broschüre Nr. 4, S. 7: „Dazu kommt, daß man<br />

aus dem Schweigen <strong>der</strong> Urkunden niemals mit Sicherheit auf das Vorhandensein<br />

schließen kann!"<br />

5) Nr. 3, S. 8. — Friedrichs, I. Definitio regalium v. 1158: Regalia sunt<br />

. . . vie publice flumina navigabilia et ex quibus fiunt navigabilia (Schrö<strong>der</strong>-<br />

Künßberg, Rechtsgesch. S. 428). Görlitzer Landrecht, Art. 34 § 1: ieglich<br />

vlizende wassir heizet des riches straze.


Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe? 33<br />

die Beantwortung <strong>der</strong> Frage, ob Omersburg und Obermarsberg dasselbe<br />

ist, ganz belanglos1).<br />

Auf die Wertlosigkeit <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Broschüre2) zum Beweise herangezogenen<br />

10. Küre über die sog. friesische Heeresfolge, die „ein unbefangenes<br />

Urteil auch über die friesischen Königsstraßen sicherstellen“<br />

sollte, hatte ich schon in den Heimatblättern hingewiesen. Die darauf<br />

erfolgte Rechtfertigung hat nicht befriedigt3).<br />

W er die Vergangenheit erforschen will, wird immer nur zu den<br />

ältesten und besten Handschriften greifen müssen. Daß das für unseren<br />

Fall die aus <strong>der</strong> Zeit um 1150 stammende lateinische Hunsingoer Handschrift<br />

ist, ist selbstverständlich und braucht nicht zur Debatte gestellt<br />

zu werden. In ihr findet sich Omersburg. Wenn dieser Name als eine<br />

„Verlesung von Hersburg" erklärt wird unter Annahme einer „bekannten<br />

H-Initiale mit dem O-artigen Vorschnörkel", so reichen meine paläographischen<br />

Kenntnisse nicht aus, um von einer Handschrift, die mir nie<br />

zu Gesicht gekommen ist, <strong>der</strong>artiges zu behaupten o<strong>der</strong> gar zu beweisen.<br />

Aus den angegebenen Gründen empfiehlt es sich deshalb auch nicht,<br />

den plattdeutschen Text <strong>der</strong> Emsiger friesischen Küren, <strong>der</strong> nach v. Richthofen<br />

aus <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 15. Jahrhun<strong>der</strong>ts stammt und statt<br />

Omersburg „Hunens yn den berch" hat, zum Ausgangspunkt <strong>der</strong> Betrachtung<br />

zu machen, vor allen Dingen dann nicht, wenn man selbst <strong>der</strong><br />

Überzeugung ist, daß „diese Lesart sich nicht beson<strong>der</strong>s empfiehlt“ .<br />

Sicher aber ist die willkürliche Annahme eines lateinischen Textes aus<br />

nicht mehr vorhandenen lateinischen Ur-Küren (Heres o<strong>der</strong> Mars in<br />

Monte o<strong>der</strong> in Saxo) als Beweis für die Hypothese, daß Omersburg mit<br />

Obermarsberg identisch sei, ganz wertlos, wertlos deshalb auch, was<br />

mit Hilfe eines „Kettenschlusses" ausgehend von Mars, gesagt wird,<br />

durch den schließlich sogar Donar, Thunar, Thuner erreicht wird, <strong>der</strong><br />

sich verzerrt in Hunens zeige (!!).<br />

Wenn man sich aber bei <strong>der</strong> Überlieferung „Hunens yn den berch“<br />

einmal auf das Glatteis <strong>der</strong> Namendeutung begeben und in <strong>der</strong> Etymologie<br />

versuchen will, dann könnte man eher annehmen, daß dem<br />

Schreiber des Manuskriptes die Orte Humens (Humingen) o<strong>der</strong> Humeghenborg<br />

(d. i. Kirchborgum b. Weener) in den Ohren geklungen hat,<br />

ohne allerdings sagen zu wollen, daß er damit auf dem rechten W ege war.<br />

Reizvoller dagegen ist die Aufgabe, die übrigen Texte <strong>der</strong> 17 friesischen<br />

Küren an den in Frage kommenden Stellen zu untersuchen.<br />

x) Borchling, C., Die Friesen (Das Wohngebiet <strong>der</strong> Friesen S. 20, 21),<br />

1931.<br />

2) Nr. 3, S. 306.<br />

3) Nr. 4, S. 5. — K. v. Richthofen, Untersuchungen usw. I, 80, 93.<br />

3


34 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Nach dem Ommelan<strong>der</strong> Landrecht1) ging die erste Straße „up tho<br />

Homesborch". Das ist nichts an<strong>der</strong>es als Omersburg mit einem vorgeschlagenen<br />

H, wie wir das oft in Ortsnamen finden, und einem fortgelassenen<br />

r2).<br />

Die erste friesische Emsiger Handschrift hat an <strong>der</strong> fraglichen Stelle<br />

Hamneres resp. Hanmeres. Wenn v. Richthofen ausdrücklich hervorhebt,<br />

daß nicht Hammeres geschrieben sei, so wird unsere Deutung dadurch<br />

nicht erschüttert. Etwas Ähnliches haben wir in <strong>der</strong> <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Ritterfamilie Amerkorn, die uns in einer Urkunde des Jahres 1425 als<br />

Ammerkorn begegnet3) . Auch dieses Hammeresburg ist mit gemischtem<br />

Dialekt und vorgeschlagenem H das friesische Omersburg, d. h. die<br />

Ammerburg, ebenso wie das Hamersten des Westergoer friesischen<br />

Textes, denn steen, stins heißt nachW iarda „festes Steinhaus, Burg4).<br />

Wer sich auf die Formel Omersburg-Obermarsberg festgelegt hatte,<br />

mußte vor allen Dingen die Straßenführung zwischen beiden Orten nachweisen.<br />

Die Straße vom Rhein an <strong>der</strong> Eresburg entlang zur Weser hin<br />

war schon lange bekannt. Ebenso wissen wir, daß Karl d. Gr. den hl.<br />

Willehad von <strong>der</strong> Eresburg aus beauftragt hat, im Gau Wigmodien<br />

(Bremen) eine Kirche zu gründen, wissen auch, daß er in Blexen gewesen<br />

ist und sich zu Schiff von dort (Ut = Riustri) in Sicherheit gebracht<br />

hat. Deshalb dürfen wir annehmen, daß er auch vom Schiffe aus<br />

das Unterwesergebiet kennenlernte5). Denn die Verkehrsverhältnisse<br />

am linken Ufer <strong>der</strong> Weser von Bremen ab bis zur Mündung waren schon<br />

in damaliger Zeit schlecht, verschlechterten sich aber infolge <strong>der</strong><br />

Wasserfluten in den folgenden Jahrhun<strong>der</strong>ten immer mehr. W er das<br />

alte Kartenmaterial des Stedingerlandes und Butjadingens kennt, weiß,<br />

daß es Zeiten gegeben hat, wo diese Lande in zahlreiche Inseln aufgelöst<br />

*) K. v. Richthofen, Friesische Rechtsquellen, 1840, S. 16. — Sichart, K.,<br />

Das alte <strong>Oldenburg</strong> und Ammerland (in: Vechtaer Heimatblätter, 1933, Nr. 7,<br />

8, 9).<br />

2) Ich erinnere an Arnstein (Unterlahnkreis): ao. 1160 Harnestein (Kehrein,<br />

J., Nassauisches Namenbuch, Bonn 1872); Hamburg: 1053 Ammanaburgensis<br />

(Hambg. ÜB.); Hamaland: ao. 1046 Amelande (Sloet, Oorkondenboek<br />

<strong>der</strong> graafschappen Gelre en Zutphen I, 160); Amöneburg bei Marburg a. d-<br />

Lahn: Amanaburg und Hamanaburg (MG. SS. II, 345, Vita St. Bonifatii);<br />

Amelunxborn, Kr. Holzminden: Amelungesburne, ao. 1147 Hamelungsburnen<br />

(Jaffe, Mon. Corb. 150) Aminghausen, Kr. Minden: ao. 1033 Hemezingahusen<br />

(MG. Diplom, regum et impt. IV); Arneburg, Kr. Stendal: Armburg, Harneburg<br />

und Harnaburg (MG. SS. V, 778, 825, 830).<br />

3) Old. UB. II, 117, 227, IV, 741.<br />

4) Wiarda, T. D., Asegabuch. Ein altfriesisches Gesetzbuch <strong>der</strong> Rüstringer.<br />

1805, S. 50, 57.<br />

5) MG. SS. Vita St. Willehadi.


Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe? 35<br />

waren. Einige höhergelegene Stellen sind zweifellos schon früh besiedelt<br />

gewesen1}, aber <strong>der</strong> größte Teil war bis gegen Ende des 11. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

und etwas darüber hinaus trostloses, unbebautes Bruchland.<br />

Weite Moore dehnten sich aus, von <strong>Oldenburg</strong> längs <strong>der</strong> unteren Hunte<br />

zur Weser hin und weiter nordwärts, die kaum einen Durchgang gestatteten.<br />

Hinzu traten in den Nie<strong>der</strong>ungen zahlreiche Wasserläufe. Deshalb<br />

ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich, daß es an einer durchgehenden Straße,<br />

die den Namen Königsstraße gehabt hätte, fehlte-), son<strong>der</strong>n nur Wege<br />

vorhanden waren, die einzelne Warfsiedlungen miteinan<strong>der</strong> verbanden.<br />

Erst als die breiten Wasserläufe <strong>der</strong> Weserarme zwischen den einzelnen<br />

Marschinseln im Laufe <strong>der</strong> Zeit durch Deiche abgedämmt, trocken gelegt<br />

und die Inseln zu einem zusammenhängenden Territorium geworden<br />

waren, konnten ihre W ege in das Wegesystem des Landes eintreten3).<br />

K. Woebcken behauptet sogar, daß um 1234 die einzige Straße in Stedingen<br />

<strong>der</strong> Deich war4).<br />

Und diesen tatsächlichen territorialen Verhältnissen entsprach es<br />

auch, daß nach <strong>der</strong> Raste<strong>der</strong> Chronik <strong>der</strong> Erzbischof von Bremen, als<br />

er im Jahr 1207 die Stedinger zwingen wollte, den Zins zu zahlen, zu<br />

Schiff in ihr Land kam5) . Und noch für die Zeit von 1624— 1627 ist uns<br />

ferner archivalisch bezeugt, daß <strong>der</strong> Handel Butjadingens mit Bremen<br />

zu Wasser auf <strong>der</strong> Weser erfolgt ist“).<br />

Für das behauptete Vorhandensein einer Königsstraße am linken<br />

Ufer <strong>der</strong> unteren Weser werden in Nr. 4, S. 14 f. zahlreiche Urkunden<br />

genannt, aus denen alles an<strong>der</strong>e eher als eine Königsstraße am linken<br />

Ufer <strong>der</strong> Unterweser herausgelesen werden kann7).<br />

Nur die Urkunde vom 2. Oktober 1243s) könnte einen im Ur-<br />

!) Tantzen, K., Uber die Bodenverhältnisse <strong>der</strong> alten Stadlän<strong>der</strong> Marsch,<br />

Diss. Berl. 1912, S. 18, 21. Tenge, O., 25 Karten zum Butjadinger Deichband.<br />

Sello, G., östringen und Rüstringen. Krüger, W., Die Jade, das Fahrwasser<br />

Wilhelmshavens (im <strong>Jahrbuch</strong> 1921 <strong>der</strong> Hafenbautechnischen Gesellschaft).<br />

2) Hamb. UB. z. J. 1142, Nr. 165. — Brem. UB. I, 27 (z. J. 1106).<br />

Nie<strong>der</strong>sächs. Jb. 1889.<br />

*) Ztschr. f. Verw. u. Rechtspflege V, 130 ff.<br />

4) Oldbg. Jb. Bd. 37, S. 27.<br />

5) Oldbg. Jb. Bd. 37, S. 12.<br />

6) Oldbg. Jb. Bd. 37, S. 52, 57. — Die Haupteinladeorte waren Absersiel,<br />

Golzwar<strong>der</strong>-, Strohauser-, Atenser- und Ellwür<strong>der</strong>-Siel.<br />

7) Das gilt vor allem von: Old. UB. II, 685, 922, 579: ,,. . . by Weser<br />

stromlang“ heißt nicht ,,an <strong>der</strong> Weser entlang", son<strong>der</strong>n ganz unmißverständlich:<br />

auf dem Weser (ström) entlang. — Old. UB. II, 659: . . de waterstrom<br />

und des rikes strate“ ist tautologisch gefaßt. Es handelt sich um Deckwörter<br />

(Synonyma), „Des rikes strate" ist „de waterstrom". Vgl, oben Anm. 63.<br />

s) Old. UB. II, 85.


36 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

kundeniesen weniger Geübten stutzig machen. Dort heißt es: „Nos<br />

comites stratam regiam a salsa lacu usque ad civitatem Bremensern<br />

tam per vias aquestres quam terrestres in utraque parte Wisere<br />

cum omni possebilitate nostra pacificabimus.“ In einer nie<strong>der</strong>deutschen<br />

Urkunde vom Jahr 1408 heißt es: „uppe des konnynges strate, also <strong>der</strong><br />

Weser unde an beyden zyden <strong>der</strong> Weser, to lande und to watere van<br />

<strong>der</strong> zolten ze wente to <strong>der</strong> stad to Bremen“ 1). Zunächst ist klar, daß<br />

nur von einer strata regia die Rede ist, und das ist hier die Weser.<br />

Die „viae aquestres et terrestres in utraque parte Wisere" sind Landwege<br />

und die in die Unterweser mündenden kleineren Flüsse. Dieser<br />

Auffassung war auch G. Sello. Wenn man es auffällig findet2) , daß er<br />

überhaupt kein W ort über die ein <strong>der</strong> Unterweser entlang führende<br />

Königsstraße verlauten lasse, so ist dazu zu sagen, daß er nicht über<br />

etwas sprechen konnte, was nicht existierte. In Wirklichkeit hat er eingehend<br />

die erwähnte lateinische Urkunde von 1243 untersucht und daran<br />

tiefgründige Betrachtungen geknüpft. Er kommt zu dem Ergebnis3), daß<br />

den Bremern die Befriedung von Schiffahrt und Handel auf <strong>der</strong> großen<br />

strata regia des Weserstromes durch die Grafen von <strong>Oldenburg</strong> sehr<br />

am Herzen lag und daß sie diese Befriedung sogar auf die Landstraßen<br />

an beiden Flußufern auszudehnen für notwendig hielten4).<br />

Mit diesen Feststellungen könnten wir unsere Untersuchung<br />

schließen. Da die vermeintliche friesische Heerstraße von <strong>der</strong> Weser<br />

aus aber noch weiter an <strong>der</strong> Küstenlinie von Butjadingen entlang bis<br />

nach Aldessen resp. Jever konstruiert wird, wollen auch wir diesen<br />

W eg gehen. Dieses letzte Stück des Weges soll erkennbar sein an zwei<br />

Urkunden. Die eine ist datiert vom 1. Juni 1419, die an<strong>der</strong>e vom 27. September.<br />

In <strong>der</strong> ersten verpflichten sich die fünf Kirchspiele Blexen,<br />

Waddens, Burhave, Langwarden und Aldessen, „des koniges Strate in<br />

vrede to beholde“ 5). Man verpflichtete sich also den Bremern gegenüber<br />

nur, für die Sicherheit auf <strong>der</strong> Weser zu sorgen und keine Seeräuber<br />

(in <strong>der</strong> Urk. v. 27. Sept.) „des hilgen rikes stratenscynners“ genannt)<br />

im Butjadinger Küstengebiet zu dulden. Wenn in dieser Urkunde<br />

„ausdrücklich auf die Privilegien Karls d. Gr. und des Papstes Bezug<br />

*) Old. UB. II, 579.<br />

2) Nr. 4, S. 26.<br />

3) Sello, G., Terr. Entw., 320. — Sichart, K., Die Fehden des Grafen<br />

Gerd von <strong>Oldenburg</strong> mit dem Erzstift Bremen (Nie<strong>der</strong>s. Jb. 1914, S. 283).<br />

4) Wanke, J., Die Vitalienbrü<strong>der</strong>, Oldbg. Jb. Bd. 19, S. 13, 56. —<br />

v. Richthofen a. a. O. II, 82.<br />

») Bremer UB. V, 127. Old. UB. II, 648.


Ist Omersburg und Obermarsberg dasselbe? 37<br />

genommen wird"1), so weiß je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich mit Urkunden genügend beschäftigt<br />

hat, daß <strong>der</strong>artige Berufungen meistens nur einen hypothetischen<br />

Wert haben; diese Privilegien sind auch schon längst wie<strong>der</strong>holt<br />

als gefälscht nachgewiesen worden2).<br />

Vor allen Dingen ist es ein Irrtum, wenn man behauptet3), daß<br />

„aus einer Reihe von Geleitsbriefen <strong>der</strong> Friesen und <strong>der</strong> <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Grafen für Kauf leute aus Vechta, Osnabrück, Münster und an<strong>der</strong>en<br />

Städten des Münsterlandes und Westfalens zum Besuch <strong>der</strong> friesischen<br />

Märkte in Blexen, Aldessen und Bockhom m it Sicherheit hervorgehe,<br />

daß <strong>der</strong> Handelsverkehr <strong>der</strong> genannten Städte an <strong>der</strong> Weser entlang<br />

nach Rüstringen führte". Beweisend hierfür soll eine Urkunde vom<br />

2. Okt. 1304 sein4), „in <strong>der</strong> die Sechzehner des Viertels Bant die Verantwortung<br />

für einen Raubüberfall <strong>der</strong> Wurster Friesen auf Osnabrücker<br />

Kaufleute ablehnen"5) . Es handelt sich aber in dieser Urkunde um folgendes;<br />

Die Sechzehner des Viertels Bant wünschen die alten Handelsbeziehungen<br />

zu Osnabrück zu erhalten. Sie wollen für die Sicherheit<br />

<strong>der</strong> Straße sorgen und beruhigen die Osnabrücker wegen <strong>der</strong> in ihrem<br />

Lande vorgekommenen Überfälle auf Kaufleute. Erst kürzlich hätten<br />

sie Überfälle auf Osnabrücker Kaufleute in östringen durch die Todesstrafe<br />

gesühnt und in an<strong>der</strong>en Fällen Schadenersatz durchgesetzt. Sie<br />

selbst treffe keine Schuld an den Überfällen. So sei z. B. auch <strong>der</strong> ihnen<br />

von den Bremern gemachte Vorwurf eines Überfalles auf Bremer Kaufleute<br />

aufgeklärt worden. Als Täter seien Wurster Seeräuber festgestellt<br />

worden. Weil <strong>der</strong> Überfall nach <strong>der</strong> Urkunde aber nicht an <strong>der</strong> Weser,<br />

son<strong>der</strong>n in „Astringia" (östringen) erfolgte und weitere Ortsangaben in<br />

dieser Urkunde fehlen, ist es unmöglich, aus ihr zu folgern, daß sich<br />

eine zweite und dritte Königsstraße an den Ufern <strong>der</strong> Wesermündung<br />

hingezogen habe.<br />

Ferner steht fest, daß die Marktorte Butjadingens (Aldessen, Langwarden<br />

und Blexen), die Geleitsbriefe für Münster, Osnabrück, Vechta<br />

und Wildeshausen ausfertigten, am Wasser lagen und die Anfahrt zu<br />

ihnen auf <strong>der</strong> Weser erfolgt ist. Das und nichts an<strong>der</strong>es geht deutlich<br />

1) Nr. 4, S. 15.<br />

2) K. v. Richthofen, Friesische Rechtsquellen, S. 351; v. Richthofen,<br />

Untersuchungen II, 147 ff. — Sello, G., östringen und Rüstringen, S. 25.<br />

a) Nr. 4, S. 16. — Bremer UB. V, 137: v. 27. Sept. 1419.<br />

4) Old. UB. II, 234. Das Regest dieser Urkunde lautet: Die Sechzehner<br />

des Viertels Bant schreiben an den Rat von Osnabrück, daß sie die freundschaftlichen<br />

Beziehungen gern erhalten wollen, für einen Raubüberfall <strong>der</strong><br />

Wurster Friesen lehnen sie die Verantwortung ab.<br />

R) Broschüre Nr. 4, S. 16.


38 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

aus <strong>der</strong> Urkunde vom 17. April 1307 hervor1). Das friesische Gebiet<br />

Bovenjafha — Bant usw. — dagegen wurde von den Kaufleuten Westfalens<br />

auf dem Landwege über <strong>Oldenburg</strong> erreicht2).<br />

Wenn wir also den Handelsverkehr <strong>der</strong> Friesen und ihren Hang<br />

zur Seeräuberei an <strong>der</strong> Hand des gesamten Urkundenmaterials,<br />

wie es von H. Lübbing ausgewertet worden ist3) , auf uns wirken lassen,<br />

kommen wir zu <strong>der</strong> Erkenntnis, daß die fortgesetzten Befriedungsversuche<br />

<strong>der</strong> Königsstraße, die so oft von den Bremern ausgingen, sich<br />

lediglich auf die Weser bezogen4) . Nur auf ihr kamen die Bremer Kauffahrteischiffe<br />

in Gefahr, wenn ihnen zwischen den Sanden von versteckten<br />

Küstenplätzen aus die Weiterfahrt unmöglich gemacht und ihre<br />

Habe geraubt wurde. Wer sich über diese Ausführungen hinaus für<br />

die Weser als Verkehrsweg im Mittelalter interessiert, sei auf die<br />

Arbeit von P. Wegner in den Hansischen Geschichtsblättern, Jahrg.<br />

1913, S. 93— 161 hingewiesen.<br />

Wir sind am Ende unserer Untersuchung. Sie ist so ausgefallen, daß<br />

wir gar nichts von dem zurückzunehmen haben, was wir schon in den<br />

Vechtaer Heimatblättern kurz ausgeführt haben, müssen aber an dieser<br />

Stelle noch zusätzlich erklären, daß Behauptungen, denen <strong>der</strong> Beweis<br />

fehlt, für uns wertlos sind, selbst dann, wenn sie in <strong>der</strong> Fassung „ohne<br />

Zweifel" o<strong>der</strong> „offenbar" usw. vorgebracht werden.<br />

Zusammenfassend können wir also sagen, daß kein einziges Moment<br />

zutage getreten ist, das die Annahme einer Gleichheit von Omersburg<br />

und Obermarsberg rechtfertigen könnte. Die Urkunden und Chroniken<br />

haben vielmehr gezeigt, daß Obermarsberg für die friesische Heerstraße<br />

von Jever aus gar nicht in Frage kommt. Der Ort Omersburg, Ausgangsund<br />

Endpunkt <strong>der</strong> friesischen Heerstraße von Jever, ist und bleibt<br />

<strong>Oldenburg</strong>.<br />

Old. UB. II, 246: Langwerthe, . . . et hoc in dicto loco ideo, quia<br />

flumen Wesere et aliarum aquarum illi loco valde vicinum est habens securos<br />

portus, et naves omnium insularum cum rebus suis venalibus possunt eundem<br />

locum commodum frequentare. -— Oldbg. Jb. Bd. 32, S. 5 f.<br />

2) u. 3) Lübbing, H., Oldbg. Jb. 31, S. 153.<br />

4) Old. UB. II, 247: . . . quod mercatores . . . Weseram ceterosque<br />

fluvios eidem terre vicinos coguntur dimittere vacuos et desertos.


Altes bäuerliches Familienrecht<br />

im Spiegel von Stedinger und Moorriemer<br />

Ehestiftungen<br />

Von Wilhelm Warntjen<br />

Von hohem Wert für die Sippenforschung sind die in einigen Pfarrr<br />

archiven unseres Landes aufbewahrten Ehestiftungen, auch Ehepakte<br />

o<strong>der</strong> Eheverträge genannt. Denn w o die Kirchenbücher, namentlich in<br />

den ältesten Zeiten, wegen <strong>der</strong> manchmal etwas unvollständigen A n­<br />

gaben nicht selten versagen, um sichere Ergebnisse festzustellen, bieten<br />

die ausführlichen Eheverträge oft weit ausholende Auskunft über verwandtschaftliche<br />

Zusammenhänge und Beziehungen und damit die M öglichkeit,<br />

vorhandene Lücken auszufüllen. Was aber diesen alten Urkunden<br />

beson<strong>der</strong>en Reiz in kultureller und rechtlicher Hinsicht verleiht,<br />

das sind die bis ins Einzelne gehenden Bestimmungen über Erbfolge,<br />

Mitgift, Altenteil <strong>der</strong> Eltern und Versorgung <strong>der</strong> Geschwister des jungen<br />

Ehepaares.<br />

Die nachfolgenden Ausführungen sind Stedinger und Moorriemer<br />

Ehestiftungen entnommen. Im Berner Pfarrarchiv befinden sich zwei<br />

umfangreiche Bände über die Zeit von 1750 bis 1810, in Bardenfleth<br />

zwei Bände von 1660 bis 1810 und im Staatsarchiv <strong>Oldenburg</strong> ein Band<br />

<strong>der</strong> Gemeinde Warfleth von 1720— 1810 (Leihgabe).<br />

Wenn in diesem Zeitraum ein junges Paar die Absicht hatte, den<br />

Bund fürs Leben zu schließen, so wurden sie „unserer Kirchenordnung<br />

gemäß vor dem Pfarrer <strong>der</strong> Gemeinde verlobt". Darauf rief dieser das<br />

Brautpaar, die bei<strong>der</strong>seitigen Eltern und als Zeugen einige Verwandten<br />

zu einem festgesetzten Termin zusammen, um entwe<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Pastorei<br />

o<strong>der</strong> im elterlichen Hause einen förmlichen Ehekontrakt aufzusetzen,<br />

<strong>der</strong> dann von allen Anwesenden unterschrieben wurde. Des Schreibens<br />

Unkundige setzten ein Kreuz o<strong>der</strong> die Hausmarke an Stelle des Namens.<br />

Im Laufe des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts mußte <strong>der</strong> Vertrag nachträglich vom<br />

Vogtey-Amtmann „approbiret“ werden, bis dieser schließlich, gegen


40 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts, die Abfassung <strong>der</strong> Ehepakte selbst übernahm<br />

und <strong>der</strong> Pfarrer eine Abschrift davon dem Pfarrarchiv einfügte1).<br />

Der Eingang einer Ehestiftung hatte in Stedingen und Moorriem fast<br />

immer denselben Wortlaut: daß nämlich „im Namen Gottes zwischen<br />

dem Ehr- und Achtbaren Jungen Gesellen N. N. und <strong>der</strong> Ehr- und<br />

Tugendsamen Jungfrau N. N. eine christliche Eheverbindung mit Con-<br />

sens und Bewilligung <strong>der</strong> bei<strong>der</strong>seitigen Eltern und Anverwandten verabredet<br />

sei".<br />

Die näheren Bestimmungen des Ehevertrages werden dann in <strong>der</strong><br />

Regel in drei Abschnitten nie<strong>der</strong>gelegt. Der erste Abschnitt betrifft das<br />

verlobte Paar, <strong>der</strong> zweite die Eltern und <strong>der</strong> dritte die Geschwister.<br />

Gemäß den Bestimmungen des ersten Abschnitts „nimmt <strong>der</strong> Bräutigam<br />

die Braut am Tage <strong>der</strong> Hochzeit in die von den verstorbenen Eltern ererbte<br />

o<strong>der</strong> ihm von den noch lebenden Eltern übergebene Bau mit allen<br />

Pertinentien und Zubehör, mit Schuld und Gegenschuld ein und auf“ ,<br />

o<strong>der</strong> die Braut, wenn sie eine Erbstelle hat, nimmt den Bräutigam in<br />

gleicher Weise „an und auf“ , und zwar in beiden Fällen gemäß <strong>der</strong><br />

Stedinger o<strong>der</strong> Moorriemer Landesregel „Länger Leib, länger<br />

G u t". Diese so kurze, in allen Ehepakten, auch in solchen kleinerer<br />

Betriebe (Kötereien) enthaltene Erbregel: „Länger Leib, länger Gut“<br />

bedeutete, daß bei etwaigem Sterbefall <strong>der</strong> längstlebende Eheteil in den<br />

unumschränkten Besitz <strong>der</strong> Stelle kommen sollte und damit „schalten<br />

und walten" könne. Das konnte für einen Bauernhof, <strong>der</strong> Geschlechter<br />

hindurch in <strong>der</strong>selben Familie gewesen war, einen plötzlichen Namenswechsel<br />

zur Folge haben. Denn wenn <strong>der</strong> Ehemann, <strong>der</strong> Träger des<br />

alten Familiennamens, das Zeitliche segnete, ohne Kin<strong>der</strong> zu hinterlassen,<br />

so ging die Bau auf die Witwe über. Heiratete sie wie<strong>der</strong> — und<br />

wegen <strong>der</strong> ihr auf Grund <strong>der</strong> Erbregel zugefallenen Hofstelle war sie<br />

eine „gute Parthey" — , so ging <strong>der</strong> Familienname des zweiten Mannes<br />

auf den Hof über2). Mancher Namenswechsel bei Hofstellen in Stedingen<br />

und Moorriem ist, wie aus den Ehevergleichen zu ersehen ist, auf die<br />

Landesregel „Länger Leib, länger Gut“ zurückzuführen. An<strong>der</strong>s war<br />

*) Es müßten eigentlich in den Registraturbeständen <strong>der</strong> alten oldenburgischen<br />

Vogteien und <strong>der</strong> 1814 eingerichteten Ämter Ehestiftungsprotokolle<br />

vorhanden gewesen sein. Es sind indessen solche im Staatsarchiv <strong>Oldenburg</strong><br />

unter den alten Vogtei- und Ämterakten nicht ermittelt. Falls die Protokolle<br />

bei <strong>der</strong> Trennung von Verwaltung und Rechtspflege an die Amtsgerichte übergeben<br />

worden sind, ist bei <strong>der</strong> weitgehenden Aktenvernichtung durch die<br />

Justizverwaltung mit einer Erhaltung <strong>der</strong> alten Protokolle nicht zu rechnen;<br />

um so mehr gewinnen also die Protokolle <strong>der</strong> Pfarrarchive an Wert.<br />

s) Im Gegensatz zum Münsterland und zum Ammerland.


Altes bäuerliches Familienrecht 41<br />

natürlich die Sachlage, wenn <strong>der</strong> Verstorbene Kin<strong>der</strong> hinterließ. Dann<br />

erbte bekanntlich in <strong>der</strong> Marsch <strong>der</strong> jüngste Sohn o<strong>der</strong>, wenn keine<br />

Söhne da waren, die jüngste Tochter. Für den Fall nun, daß die Witwe<br />

eine zweite Ehe einging, wurde in <strong>der</strong> Ehestiftung dem zweiten Manne<br />

für längere Zeit, in <strong>der</strong> Regel 20 bis 25 Jahre, <strong>der</strong> Nießbrauch <strong>der</strong> Stelle<br />

zugesichert, auf alle Fälle bis zur Volljährigkeit des Hoferben, und<br />

dieser erhielt nach seiner Konfirmation für seine Mitarbeit auf <strong>der</strong><br />

Stelle den Ertrag von einem Kamp Landes o<strong>der</strong> den Erlös aus Vieh, das<br />

er aufzog.<br />

Sehr genau waren die Vereinbarungen über die Mitgift, den<br />

„Brautschatz". Um 1680 betrug die bare Mitgift 400 Rtlr. bei Vollbauern,<br />

bei Halbbauern 200 bis 300 Rtlr. Im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t stieg <strong>der</strong> Brautschatz<br />

auf 600, 800, 1000, 1200 Rtlr, „Damit soll <strong>der</strong> Bräutigam friedlich<br />

sein, als alles vor eines und eines vor alles". Mit dieser Geldsumme<br />

war die Braut gänzlich abgefunden vom elterlichen Hof, hatte also<br />

späterhin nichts mehr zu erwarten. Über zugekauftes Land, das nicht<br />

zur Bau gehörte, wurden indes beson<strong>der</strong>e Bestimmungen aufgenommen<br />

für spätere Erbfälle. Die Mitgiftsumme wurde auf Hochzeitsmorgen zum<br />

Teil „bar gegen Quittung", <strong>der</strong> Rest „in Terminen nach Kin<strong>der</strong>ordnung"<br />

ausgezahlt. Der regierende Beamte in Stedingen, <strong>der</strong> während <strong>der</strong><br />

letzten Jahrzehnte <strong>der</strong> Dänenherrschaft (bis 1774) und auch noch in <strong>der</strong><br />

herzoglichen Zeit in Campe bei Berne residierte (jetzt Hofstelle Bischoff<br />

in Campe), sah sich die Höhe <strong>der</strong> Mitgift aber recht genau an und verglich<br />

sie mit <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Stelle. Gar zu oft wurde nämlich<br />

<strong>der</strong> Brautschatz zu hoch bemessen. Denn was die Eltern <strong>der</strong> Braut anbelangt,<br />

so war es ja verständlich, daß sie ihrer Tochter, wenn sie eine<br />

gute Heirat machen konnte, auch gerne eine entsprechende Mitgift stiften<br />

wollten; vielleicht spielte auch ein bißchen Ehrgeiz eine Rolle dabei.<br />

Kurz und gut, die hohen Brautschätze waren oft <strong>der</strong> Ruin <strong>der</strong> Stelle und<br />

führten nebenbei auch zu Familienstreitigkeiten und Prozessen, wenn<br />

nämlich die Restzahlungen ausblieben. So genehmigte <strong>der</strong> Beamte in<br />

Campe zwar den Ehepakt im ganzen, fügte aber vorsorglich etwa folgende<br />

Bemerkung hinzu: „W egen des excessiv hohen Brautschatzes an<br />

Seiten <strong>der</strong> Braut, wenns zur Klage kommen sollte, gerichtliche Mo<strong>der</strong>ation<br />

reserviret".<br />

Neben <strong>der</strong> baren Geldsumme erhielt die Tochter (o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sohn,<br />

wenn er in eine Stelle einheiratete) „2 Pferde und 2 Kühe, eins <strong>der</strong>selben<br />

nächst dem Besten, die än<strong>der</strong>n unsträflich (ohne Tadel), und<br />

einen völligen landesüblichen Ausberath". Das Pferd wurde 1780 „in<br />

Natur" geliefert o<strong>der</strong> auch wohl mit Gelde bezahlt; denn das Pferd war


42 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

ein rarer Artikel und konnte, da etwa % des Landes mit Korn bebaut<br />

wurde, oft kaum entbehrt werden. Für 2 Pferde wurde 1780 die Summe<br />

von 100 Rtlr. gerechnet o<strong>der</strong> für 2 Pferde 4 Kühe.<br />

Der zweite Abschnitt des Ehepaktes enthält Bestimmungen über<br />

das Verhältnis des jungen Ehepaares zu den auf ihr Altenteil sich zurückziehenden<br />

Eltern. In den meisten Fällen hielten sich die Eltern zu damaliger<br />

Zeit bei <strong>der</strong> Heirat ihres Jüngsten schon für alt genug, um sich<br />

fast ganz vom bisherigen Tagewerk zurückzuziehen. Sie traten dann<br />

„die Regierung“ an die Jungen ab. Es kommen allerdings auch Fälle<br />

vor, wo die Alten die Regierung noch 2 o<strong>der</strong> 3 Jahre behalten wollen,<br />

um zunächst zu sehen, ob die Jungen sich bewähren würden. Einige<br />

aber wollen den Hof nicht eher übergeben, „als es ihnen gefällt“. Der<br />

Bauer hatte darin also volle Freiheit. Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> alten Bäuerin scheint<br />

es bisweilen schwer zu fallen, das Regiment in ihrem bisherigen W irkungskreise<br />

an die junge Frau abzutreten. Denn die Bestimmung, daß<br />

die Mutter sich auf mehrere Jahre o<strong>der</strong> gar „so lange es ihr gefällt" die<br />

Regierung vorbehält o<strong>der</strong> auch, daß die Mutter regiert und die junge<br />

Schwiegertochter „mitregiert“ , findet sich wie<strong>der</strong>holt. In solchen Fällen<br />

spielt wohl die Persönlichkeit <strong>der</strong> jungen Frau o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Charakter <strong>der</strong><br />

alten Bäuerin eine gewisse Rolle. In dem Falle, daß die Alten die volle<br />

Regierung in Händen hatten, wurde dem jungen Paar <strong>der</strong> Ertrag eines<br />

bestimmten Kamps o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>es zur Bestreitung persönlicher Ausgaben<br />

zugesichert. Hinzugefügt wurde aber wohl: „Sollten die Jungen aber<br />

Sehen und beweisen können, daß die Alten nicht vernünftig o<strong>der</strong> häußlich<br />

zu werke gehen, so wollen die Alten alsdann die Regierung sogleich<br />

abgeben."<br />

Auf alle Fälle jedoch wurde in <strong>der</strong> Ehestiftung im einzelnen festgesetzt,<br />

was die Alten in Zukunft auf ihrem Altenteil beanspruchen<br />

konnten: in erster Linie natürlich „gutes Essen und Trinken, wie die<br />

jungen Leute es haben und wie es <strong>der</strong> Hof vermag". Sie sind ferner mit<br />

„Wullen und Linnen und mit Schuhen gehörig zu versorgen" „und in<br />

gebrechlichen Umständen zu verpflegen“. Dazu kommt in allen Eheverträgen<br />

<strong>der</strong> „Notgroten“ , d. h. für allerlei kleine persönliche Ausgaben<br />

erhalten die Alten einen Notgroten, bis zu 25 Rtlr. jährlich, je nach <strong>der</strong><br />

Größe des Hofes, „halbjährlich o<strong>der</strong> vierteljährlich“ , „so wie es den<br />

jungen Leuten am besten fället“ zu bezahlen. Stirbt ein Eltemteil, so<br />

wird <strong>der</strong> Notgroten ermäßigt. Er konnte auch erhöht werden, wenn z. B.<br />

„<strong>der</strong> Sohn mit dem Tode abgehen und die Stäte bei an<strong>der</strong>weitiger Verheiratung<br />

<strong>der</strong> Braut im fremde Hände kommen sollte“ . Der Altbauer<br />

beansprucht außerdem für sich ein Reitpferd, „welches ihm gefällt von


Altes bäuerliches Familienrecht 43<br />

allen Pferden des Hofes zum Ausreiten in nötigen Fällen". Endlich soll<br />

den beiden Alten „in ihrem herannahenden Alter“ zum Besuch <strong>der</strong><br />

Kirche o<strong>der</strong> bei an<strong>der</strong>en nötigen Gelegenheiten ein Wagen nebst einem<br />

tüchtigen Fuhrmann gestellt werden“ .<br />

Trübe Erfahrungen scheinen zuweilen vorzuliegen in bezug auf<br />

Essen und Trinken, ebenso wegen <strong>der</strong> Wohnräume <strong>der</strong> Alten. Wir<br />

treffen in den Eheverträgen wie<strong>der</strong>holt vorsorgliche Bestimmungen: „Die<br />

Jungen sollen den Alten Essen und Trinken nicht verschließen", „die<br />

Alten wollen essen und trinken, wann es ihnen beliebet“ . „Die Alten<br />

wollen und die jungen Leute versprechen es ihnen, nicht aus <strong>der</strong> Stube<br />

noch vom Ofen verstoßen zu werden". „Sollte es sich aber wie<strong>der</strong> Verhoffen<br />

zutragen, daß <strong>der</strong> Vater sich mit den jungen Leuten über das<br />

Essen und Trinken nicht vereinigen könnte, so sollen ihm statt dessen<br />

25 Rtlr. gegeben und Wullen und Linnen ä part gereicht werden, und<br />

behält er sich dabei vor, ob er aus dem Hause ausziehen will o<strong>der</strong> nicht,<br />

o<strong>der</strong> ob er das Geld bei Fremden o<strong>der</strong> bei einem seiner an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong><br />

verzehren will“ .<br />

Der dritte Abschnitt handelt von den Geschwistern des jungen<br />

Bauern. Ihre Mitgift im Falle einer Heirat wurde genau festgelegt. Heirateten<br />

sie nicht, so blieben sie in <strong>der</strong> Regel als alte „Onkel und Tanten"<br />

auf <strong>der</strong> Bau und arbeiteten als Gehilfen zum Besten des Hofes, wofür<br />

ihnen ein bestimmter Ertrag aus Korn o<strong>der</strong> Viehaufzucht zustand. Man<br />

muß sich vergegenwärtigen, daß in damaliger Zeit, wo alles auf Landwirtschaft<br />

eingestellt war, die Ledigbleibenden wenig Aussicht auf<br />

Gründung eines eigenen Haushalts hatten. Handel und Verkehr war beschränkt<br />

und größere industrielle Unternehmungen fehlten. Auch die<br />

Zahl <strong>der</strong> Handwerker war klein, denn <strong>der</strong> Bauer war in manchen Dingen<br />

sein eigener Handwerker. Beamte konnten nur wenige werden. So war<br />

die Möglichkeit, sich selbständig zu machen, gering, für Mädchen fast<br />

gar nicht vorhanden. Manchmal allerdings verließen Söhne, auch wohl<br />

Töchter den elterlichen Hof, um bei Verwandten o<strong>der</strong> Bekannten gegen<br />

Entgelt mitzuarbeiten. Auf alle Fälle hatten Kin<strong>der</strong>, wenn sie behufs Erwerbs<br />

den Hof verließen, das Recht, ins Vaterhaus, falls nötig, zurückzukehren.<br />

„Wenn sie dienstloß seyen o<strong>der</strong> in kranken Tagen Zuflucht im<br />

Hause nehmen müßten, dann soll ihnen diese Zuflucht und nötiger Aufenthalt<br />

nicht versaget werden.” Starben sie auf dem elterlichen Hof unverheiratet,<br />

so blieb das, was ihnen im Ehevertrag im Falle einer Verheiratung<br />

ausgesetzt war, entwe<strong>der</strong> „alles bey dem Hauß",o<strong>der</strong> es wurde geteilt nach<br />

<strong>der</strong> Regel: „Halb an Hauß und Gut, halb ans nächste<br />

B 1u t“ , d. h. die eine Hälfte blieb bei <strong>der</strong> Bau, die an<strong>der</strong>e Hälfte kam als


44 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

sogenannter „Rückfall" an die übrigen Geschwister o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>.<br />

Eigentümlich berührt die Bestimmung über den Rückfall von Kleidungsstücken.<br />

„Wenn die Braut ohne Erben versterben sollte, so fallen ihre<br />

leiblichen Klei<strong>der</strong> an die elterliche Stelle zurück." „Sollte sich wi<strong>der</strong><br />

Verhoffen begeben, daß <strong>der</strong> Bräutigam o<strong>der</strong> die Braut ohne Erben versterben,<br />

so soll das, was <strong>der</strong> eine o<strong>der</strong> die an<strong>der</strong>e am Leibe getragen,<br />

an die Familie zurückgegeben werden." Ja sogar in dem Falle, wo in<br />

zweiter Ehe die Schwester <strong>der</strong> verstorbenen Frau geheiratet wird, sind<br />

„<strong>der</strong> Verstorbenen sämtliche Klei<strong>der</strong> an den Schwiegervater abzuliefem<br />

und herauszugeben".


Schleswiger als Prediger<br />

in <strong>der</strong> Grafschaft <strong>Oldenburg</strong>-Delmenhorst<br />

1667— 1777<br />

Von Thomas Otto Achelis, Rendsburg<br />

Nach dem Tode des Grafen Anton Günther von <strong>Oldenburg</strong> 1667<br />

ergriff <strong>der</strong> dänische König Besitz von dem Lande, da er von dem Grafen<br />

Dietrich dem Glücklichen abstammte. Ein Jahrhun<strong>der</strong>t gehörte <strong>Oldenburg</strong><br />

nun zu den deutschen Landen des dänisch-norwegischen Königs.<br />

1777 erhielt <strong>der</strong> bisherige Fürstbischof Friedrich August von Lübeck,<br />

<strong>der</strong> Chef <strong>der</strong> jüngeren Gottorper Linie, das Land, das gleichzeitig Herzogtum<br />

wurde. In dem geruhsamen Jahrhun<strong>der</strong>t unter dänischem Szepter<br />

hat eine Einwan<strong>der</strong>ung von Geistlichen aus dem Gesamtstaat stattgefunden.<br />

Außer vereinzelten Dänen und Norwegern kamen Geistliche<br />

aus den Herzogtümern Schleswig und Holstein in die Pfarrämter des<br />

Landes. 1909 wurde aus den Jahrgängen 1903 bis 1908 des <strong>Oldenburg</strong>ischen<br />

Kirchenblattes ein Buch zusammengestellt: „Die Prediger des<br />

Herzogtums <strong>Oldenburg</strong> seit <strong>der</strong> Reformation“ . Es lassen sich aus den<br />

Universitätsmatrikeln und an<strong>der</strong>en Quellen in manchen Fällen Ergänzungen<br />

über die Heimat und Lebensschicksale <strong>der</strong> <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Pastoren<br />

machen. So wird z. B. S. 49 Nr. 10 als Pastor in Dedesdorf 1711— 1718<br />

Peter Christian Trogillius angeführt ohne Heimatsangabe. Trogillius ist<br />

Latinisierung des altdänischen Torgisl — Tor bedeutet Speer — , woraus<br />

durch Metathesie Truls und Troels geworden ist. In <strong>der</strong> Tat ist er in<br />

Uelvesbüll in Ei<strong>der</strong>stedt als Sohn eines aus Rödemis bei Husum stammenden<br />

Pastoren geboren, und wer den Spuren seiner Ahnen nachgeht,<br />

wird weiter nach dem Norden geführt werden, da <strong>der</strong> Vorname Troels<br />

nicht nordfriesisch ist. — Ein an<strong>der</strong>es Beispiel ist <strong>der</strong> Pastor Michael<br />

Ludwig Esmarch in Rastede (1741— 1778; S. 181, Nr. 9). Den Namen<br />

verdankt das Geschlecht dem Dorfe Esmark im Kirchspiel Satrup in<br />

Angeln. Der Raste<strong>der</strong> Pastor ist in Flensburg geboren. — Magnus Ravit,<br />

<strong>der</strong> 1761— 1763 in Waddens eine klägliche Rolle spielte, ist nicht „aus<br />

Holstein gebürtig als Sohn eines Probstes“ (Prediger S. 235, Nr. 17), son-


46 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

dem er kam aus Ei<strong>der</strong>stedt; <strong>der</strong> lateinische Vorname (=; Mogens1)) leg*<br />

die nordische Herkunft nahe. Diese Beispiele mögen genügen2).<br />

Nach Jahrzehnten geordnet ergibt sich folgende Übersicht über die<br />

Geistlichen, welche über Elbe und Weser nach dem <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande<br />

gekommen sind:<br />

Bei weitem am stärksten sind unter ihnen Schleswig-Holsteiner vertreten<br />

(88%). Dazu kommen dann noch solche nicht aus den Elbherzogtümern<br />

gebürtige Geistliche, welche aus Schleswig-Holstein in ein Pfarramt<br />

in <strong>Oldenburg</strong> berufen wurden, wie Mag. Gregorius Michaelis, <strong>der</strong><br />

aus Rostock stammte und vom Flensburger Propstenamte 1680 zum<br />

Hauptpastor und Generalsuperintendent in <strong>Oldenburg</strong> berufen wurde,<br />

o<strong>der</strong> einer seiner Nachfolger, Johann Adam Flessa aus Bayreuth, <strong>der</strong> in<br />

das <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Amt von dem Son<strong>der</strong>burger Hauptpastorat, das mit<br />

<strong>der</strong> Propstei verbunden war, kam. Die Dänen und Norweger, welche in<br />

dieser Zeit <strong>der</strong> dänischen Herrschaft unsere Übersicht aufzählt, sind auch<br />

überwiegend Volksdeutsche gewesen; so war <strong>der</strong> Vater des Mag. Thomas<br />

Lindemann, welcher 1669— 1686 Prediger in Blexen war, Professor <strong>der</strong><br />

Theologie in Rostock gewesen, dann Pastor an <strong>der</strong> deutschen St. Petrikirche<br />

in Kopenhagen, wo <strong>der</strong> Sohn geboren ist3).<br />

*) Als <strong>der</strong> Sohn Olaf des Heiligen die Nottaufe erhalten sollte, gab man<br />

ihm, wie die Sagas erzählen, den Namen „Magnus" nach dem berühmtesten<br />

König in <strong>der</strong> W elt, nach Karl dem Großen; vgl. J. Steenstrup, Mänds og<br />

Kvin<strong>der</strong>s Navne i Dantnark gennem Ti<strong>der</strong>ne, 1918, S. 51.<br />

2) Beispiele aus Holstein s. Anm. 5, S. 48 Nr. 8, 9, 10, 11 und 17.<br />

3) * Kopenhagen 1. IX. 1643, t Blexen 1 2 .1. 1686; vgl. L.BobS, Die deutsche<br />

St.-Petri-Gemeinde zu Kopenhagen, 1925, S. 442, wo es Blexen statt Blixen<br />

heißen muß, und S. 92/3.


Schleswiger als Prediger in <strong>der</strong> Grafschaft <strong>Oldenburg</strong> 47<br />

Während <strong>der</strong> dänischen Herrschaft, welche den Titel „Generalsuperintendent"<br />

einführte, ist dieses Amt vorwiegend von Schleswig-<br />

Holsteinern verwaltet worden. Nach <strong>der</strong> Vakanz 1670— 1680 folgten:<br />

1680— 1686 Mag. Gregorius Michael, berufen aus Flensburg;<br />

1686— 1699 Dr. Nicolaus Alardus, geb. Sü<strong>der</strong>au (Holstein), berufen aus<br />

Tönning;<br />

1701— 1709 Bonaventura Krähe, geb. Meldorf, Heimat Ha<strong>der</strong>sleben;<br />

1709— 1732 Caspar Büssing aus Mecklenburg;<br />

1733— 1750 Rudolph Ibbeken aus <strong>Oldenburg</strong>;<br />

1751— 1775 Johann Adam Flessa, geb. Bayreuth, berufen von Son<strong>der</strong>bürg.<br />

Stärker als die Holsteiner sind die Schleswiger vertreten, ihre<br />

Namen und Personalien sind am Ende dieser Arbeit gesammelt. Auffallend<br />

viele Nordschleswiger sind nach <strong>Oldenburg</strong> in dieser Zeit gekommen.<br />

Am meisten Söhne aus dem heute zum Großdeutschen Reiche<br />

gehörigen Gebiete hat Flensburg in das <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Land geschickt; es<br />

sind geordnet nach <strong>der</strong> Zeit des Dienstantrittes im <strong>Oldenburg</strong>ischen:<br />

Johannes Thomsen 1679, Laurentius Wittmann 1689, Stephanus Michael<br />

1691, Henricus von Lutten 1705, Michael Ludwig Esmarch 1741, Sebastian<br />

Wichmann 1758. Aus dem 1920 abgetrennten Gebiet ist Ha<strong>der</strong>sleben,<br />

durch sein Johanneum ein altes Zentrum deutscher Kultur in<br />

dänischem Umland, am reichsten vertreten; Valentin Dreyer 1682, Bonaventura<br />

Krähe 1701, Christian Zoega 1702, Christian Closter 1705.<br />

Ferner kommt Son<strong>der</strong>burg zweimal vor: Paul Vieth 1721 und Peter<br />

Gorrisen 1757. Das Land ist vertreten durch Friedrich Breckling aus<br />

Atzbüll 1709 und Christian Nicolai 1717, <strong>der</strong> nach seinem Heimatsort<br />

„Boaggerus" genannt wurde1). Diese acht Nordschleswiger haben<br />

deutsche Universitäten besucht, vier haben außerdem in Kopenhagen<br />

studiert (Breckling, Gorrisen, Closter, Nicolai).<br />

Vielfach sind auch die Söhne und Enkel <strong>der</strong> so nach <strong>Oldenburg</strong> verpflanzten<br />

Schleswig-Holsteiner im Dienst <strong>der</strong> <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Landeskirche<br />

tätig gewesen. So kamen zwei Söhne des Generalsuperintendenten Gregor<br />

Michaelis nach <strong>Oldenburg</strong>: Stephan nach Varel, Christian Caspar<br />

nach Blexen2). Söhne gebürtiger Schleswiger waren ferner <strong>der</strong> Pastor<br />

Thomas Esmarch in Hasbergen (1782— 1784) und Christian Zoega in<br />

Schweiburg (1739— 1748) und Atens (1748— 1778). Der Pastor Gregorius<br />

x) Prediger . . . S. 18, Nr. 9.<br />

-) Christian Caspar Michael, stud. Jena 4. VII. 1690, Adjunkt B lexen ...<br />

bis 1700, t 1700. Vgl. Prediger . . . S. 36, Nr. 7.


48 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Thomsen in Warfleth konnte sich rühmen, „ein Enkel des <strong>Oldenburg</strong>ischen<br />

Generalsuperintendenten Gregorius Michaelis sowie des Holsteinischen1)<br />

Generalsuperintendenten Stephanus Clotzius"2) zu sein.<br />

1777 hat diese Verbindung ein Ende gefunden. Erst über zwei<br />

Menschenalter später kam es wie<strong>der</strong> vor, daß Schleswiger aus ihrer<br />

Heimat als Pastoren nach <strong>Oldenburg</strong> kamen, eine Folge des unglücklich<br />

ausgegangenen Erhebungskampfes von 1848— 18503). Damals ist Nicolai<br />

Johannes Ernst Nielsen, <strong>der</strong> seit 1840 Pastor in Friedrichsberg bei<br />

Schleswig war und zuletzt die Generalsuperintendentur verwaltete, Oberhofprediger<br />

in <strong>Oldenburg</strong> geworden (1853— 1879)4).<br />

Es folgen zum Schluß die Personalien <strong>der</strong> aus dem Herzogtum<br />

Schleswig5) stammenden in <strong>Oldenburg</strong> 1667— 1777 angestellten Pastoren.<br />

B r e c k 1i n g , Fri<strong>der</strong>icus, * Atzbüll 1682 22. X., Sohn des Pastors<br />

Friedrich B. in A. (f 1708), stud. Wittenberg 1701 26. IV., Kopenhagen<br />

1708 2. VI. (Cimber): Pastor Waddens 1709, Burhave 1716,<br />

Bardenfleth 1721; f 1727 21. X.<br />

Bruhn, Henrich, * Schleswig 1721 21. VI., theol. Halle 1742 16. IV.:<br />

Diaconus Mildstedt 1750, Archidiaconus ebd. 1755, Pastor Gan<strong>der</strong>kesee<br />

1757, Pastor Sü<strong>der</strong>au 1763, Pastor Horst 1765; f 1800 15. III.<br />

Closter, Christianus, * Ha<strong>der</strong>sleben c. 1675, Sohn des deputierten<br />

Bürgers Hans C. in H. (f 1717), stud. Jena 1692 30. V., Kopenhagen<br />

1697 6. XII.: Pastor Abbehausen 1705; f 1736 6. II.<br />

Dalichius, Christophorus (Adamus), * Deetzbüll, Sohn des Pastors<br />

Adam D. in D. (f 1685), stud. Kiel 1668 13. III. (nov., grat.): Pastor<br />

Neuenbrok 1675; f 1720 29. VIII.<br />

Dreyer, Valentinus, * Ochsenwatt bei Ha<strong>der</strong>sleben 1657, get. 11. X.,<br />

Sohn des Pastors Mag. Peter D. in O. (f 1667), stud. Kiel 1676 22. V.<br />

*) = Schleswigschen.<br />

2) Prediger . . . S. 248 Nr. 11 steht die falsche Form Crotus.<br />

3) Vgl. O. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Bd. 2, 1932, S. 109<br />

bis 110.<br />

4) Sein Nachfolger wurde 1879 Heinrich Theodor Hansen, * Langenes<br />

5. IV. 1837; das weitere s. Prediger . . . S. 152 Nr. 7. Sonstige Schleswig-<br />

Holsteiner im oldenburgischen Kirchendienst nach 1773 waren Heinrich Georg<br />

Ibbeken aus Sarau in Lauenburg (nicht: Sorau in Holstein), Prediger . . .<br />

S. 165, Nr. 10, Pastor in <strong>Oldenburg</strong> 1819—1839, Johann Heinrich Christian<br />

Holm aus Flensburg, Pastor in Heppens 1878— 1882 und Waldemar Stegelmann<br />

aus Plön, Pastor in Wardenburg 1884, in Oldenbrok 1886 und in Sillenstede<br />

1897.<br />

6) Anmerkungsweise werden die Holsteiner aufgezählt in alphabetischer<br />

Reihenfolge; beson<strong>der</strong>es Material über sie habe ich nicht gesammelt:<br />

1. Nicolaus Alardus aus Sü<strong>der</strong>au, stud. Gießen 1664, Marburg 1666, Helmr


Schleswiger als Prediger in <strong>der</strong> Grafschaft <strong>Oldenburg</strong> 49<br />

(nov.), Wittenberg 1677 21. V.: Pastor Hammelwarden 1682;<br />

f 1720 9. VI.<br />

Esmarch, Michael Ludwig, ' Flensburg 1707 5. III., Sohn des Physicus<br />

Dr. med. Hinr. Chr. E. in F., stud. Jena 1725 26. IV.: Pastor<br />

Rastede 1741; f 1778 9. IX. o<strong>der</strong> 11. XII. (nach Möller 9. XII. 1779).<br />

Gorrisen, Peter, * Son<strong>der</strong>burg 1724 19. VIII., Sohn des Bürgermeisters<br />

Friedrich G. in S. (f 1749), theol. Halle 1744 20. IV., Jena 1745<br />

11. X., Kopenhagen 1750 26. X.: Kabinettsprediger Kopenhagen,<br />

Pastor Wiefelstede 1757, Pastor Vardewisch 1766, Pastor Altenesch<br />

1768, emer. 1792; f Son<strong>der</strong>burg 1795 11. VI.<br />

stedt 1668, Generalsuperintendent <strong>Oldenburg</strong> 1686— 1699, vgl. Arends a. a.<br />

O. Bd. 1, S. 6;<br />

2. Balthasar Arend aus Glückstadt, stud. Jena S.S. 1658, Pastor Delmenhorst<br />

1668— 1675;<br />

3. Johannes Christian Blech aus Giekau (nicht Bykon), Pastor <strong>Oldenburg</strong><br />

1691— 1699;<br />

4. Johann Heinrich Bojensen, Pastor Gan<strong>der</strong>kesee 1732— 1757;<br />

5. Johann Bernhard Bornholt aus Krempe, stud. Kiel 9. VII. 1690, Pastor<br />

Gan<strong>der</strong>kesee 1693— 1706;<br />

6. Johann Georg Claussen aus Rendsburg (nicht Rendsberg), stud. Jena<br />

14. IX. 1725, Pastor Zetel 1737— 1763;<br />

7. Johann Hartmann, stud. Göttingen 8. V. 1748, Pastor Westerstede 1759<br />

bis 1803;<br />

8. Mag, Johann Ernst Hoffmann aus Plön, Pastor Sande 1696— 1700;<br />

9. Johann Hudemann, ' Krempe 24. V. 1653, stud. Rostock 1667, Utrecht<br />

1669, Leipzig 1671, Pastor Abbehausen 1672— 1679, vgl. Arends, Bd. 1,<br />

S. 369;<br />

10. Johann Richard Jessen aus Preetz, stud. Kiel 10. I. 1735, Pastor Blankenburg<br />

1748— 1750;<br />

11. Georg Martin Lohmann aus Curau, stud. Kiel 22. III. 1702, Pastor Zetel<br />

1726— 1736;<br />

12. Marcus Müller, * Neuenbrook 1680, stud. Kopenhagen, Pastor Stuhr 1708<br />

bis 1716, Schloßprediger Kopenhagen 1716, Bischof Bergen (Norwegen)<br />

1725— 1731, vgl. D. G. Zwergius, Det Siellandske Clerisie, 1754, S. 776—777;<br />

13. Arnoldus Richertz aus Altona, stud. Jena 26. X 1691, Pastor Gan<strong>der</strong>kesee<br />

1706— 1732;<br />

14. Christian Schröter aus Neustadt, stud. Gießen 1651, Padua 1652, Greifswald<br />

1654, Pastor Rüllschau bei Flensburg (nicht Kulsum), Osternburg<br />

1682, Strückhausen 1690— 1710;<br />

15. Marcus Steffens aus Itzehoe, stud. Kiel 1. VI. 1674 (Alb. nov. 30. VII.<br />

1670), Pastor Burhave 1679— 1683;<br />

16. Caspar Wulff aus Muggesfelde bei Segeberg, stud. Jena 5. X. 1691, Kiel<br />

22. V. 1693, Pastor Eckwarden 1722— 1724;<br />

17. Detleff Wulff, Pastor Wiefelstede 1702— 1725; er ist etwa 1675 geboren,<br />

Heimatangabe fehlt, vermutlich stud. Kiel 22. V. 1693 und dann also<br />

Bru<strong>der</strong> des vorigen.


50 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

J a n t z e n , Gottlob Lebrecht, * Ol<strong>der</strong>up 1728 29. IX., Sohn des Pastors<br />

Adam J. in 0. (f 1731), Schule Sommerstedt, theol. Kopenhagen<br />

1754 27. IX. (Holsatus): Pastor Wardenburg 1759, Pastor Jade 1789;<br />

t 1798 8. VIII.<br />

Krähe, Bonaventura, * Meldorf 1670, Sohn des Pröpsten Christopher<br />

K. in Ha<strong>der</strong>sleben (f 1688), stud. Kiel 1684 8. IV. (Alb. nov.), Altdorf<br />

1684 13. V.: Luther. Feldprediger Regiment Royal Danois in<br />

Frankreich 1692, Gesandtschaftsprediger Paris 1694, Pastor und<br />

Propst <strong>Oldenburg</strong> 1701; f 1709 30. I.<br />

vonLutten, Henricus, * Flensburg 1679, get. 22. VI., Sohn des Kaufmanns<br />

Hilmar von Lutten, dep. Leipzig 1698 S.S., Kiel 1701 2. VII.,<br />

Kopenhagen 1701 16. XII., iur. Halle 1703 8. V., iur. Königsberg<br />

1706 26. XI.; Pastor Bardewisch 1705; f 1757 4. III.<br />

Michael, Christian Caspar, s. Anmerkung 2, S. 46.<br />

Gregor M. in F. (f 1686), stud. Wittenberg 1685 16. V.; Zweiter<br />

Pastor Varel 1691, erster P. ebd. 1706; emer. 1740; f 1742.<br />

Nicolai, Christianus, * Broacker, wohl Sohn des Diaconus Ivarus N.<br />

in B. ( f 1700), stud. Kiel 1699 21. XI. (nov.), Kopenhagen 1702<br />

24. X.: Pastor Bardenfleth 1717, abgesetzt 1720.<br />

Paulsen, Johann Jacob1) .<br />

R a v i t , Magnus, nach „Prediger" S. 235 „aus Holstein gebürtig als<br />

Sohn eines Probstes", vielmehr Sohn des Pastors Rasmus in Ulvesbüll<br />

(f 1726), stud. Kiel 1751 10. IV. (nov.), theol. Kopenhagen 1757<br />

16. V.: Informator, Pastor Waddens 1761, als „ungelehrt dimittiert“<br />

1763.<br />

Thomsen (Thombsen), Johannes, aus Flensburg, * Kopenhagen,<br />

stud. Kiel 1673 5. VIII. (Alb. nov.), iram. Kiel 1675 12. IV.; Pastor<br />

Abbehausen 1679; f 1705 9. VII.<br />

T r o g i 11 i u s , Petrus Christianus, aus Witzwort, Sohn des Diaconus<br />

Peter T. in W. (f 1713), stud. Jena 1694 2. IV.: ca. 1707 Feldprediger<br />

Brabant, Pastor Dedesdorf 1711; f 1718 6. XII.<br />

Vieth, Paulus, * Son<strong>der</strong>burg, stud. Jena 1706 3. V. (Viet): Pastor Langwarden<br />

1721; f 1730 24. II.<br />

l ) Johann Jacob Paulsen war 1735— 1772 Pastor in Hammelwarden, er<br />

kam aus Kopenhagen (Prediger . . . S. 87, Nr. 9). Dort ist am 15. XII. 1728<br />

immatrikuliert Jacobus Paulsen Bredstadio-Slesvicensis mit dem Zusatz, daß<br />

er vorher in Kiel studierte; dort findet er sich am 23. VI. 1716 als „novitius"<br />

immatrikuliert. Er stammte also aus Bredstedt.


Schleswiger als Prediger in <strong>der</strong> Grafschaft <strong>Oldenburg</strong> 51<br />

Wichmann, Sebastian, * Flensburg 1726 31. I., stud. Rostock 1747<br />

14. IV. (Holsatus): Kabinettsprediger bei <strong>der</strong> Fürstin Sophie Caroline<br />

von Ostfriesland 1757, Pastor Seefeld 1758; f 1796 21. V.<br />

Wittmann, Laurentius, * Flensburg, wohl Sohn des Schnei<strong>der</strong>s<br />

Michael W. in F., Schule Lübeck 1679, stud. Kiel 1678 18. IV. (Alb.<br />

nov.), imm. Kiel 1681 11. IV., Wittenberg 1682 22. VII.: Pastor<br />

Großenmeer 1689, Pastor Osternburg 1699; f 1700.<br />

Z o e g a , Christian, * Ha<strong>der</strong>sleben 1661, Sohn des Diaconus Christian Z.<br />

in H. (f 1698), stud. Kiel 1681 26. IV. (nov.), Leipzig 1684 W.S.,<br />

Mag. Leipzig 1686 28. I.: Lehrer <strong>der</strong> orientalischen Sprachen in<br />

Leipzig, Pastor Bockhorn 1702; f nach 1738.<br />

4 *


Zur Geschichte von Handwerk<br />

und Gewerbe in den alten Kirchspielen<br />

Damme und Neuenkirchen während des<br />

17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

Von Hermann Wil<strong>der</strong><br />

Ältere Nachrichten über die Verbreitung von Handwerk und Gewerbe<br />

in den ehemaligen Kirchspielen Damme und Neuenkirchen1) aus<br />

<strong>der</strong> Zeit des Mittelalters sind m. W. nicht vorhanden. Einen ersten Anhalt<br />

geben uns die Schatzregister des 15. und 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Sie enthalten<br />

eine Anzahl Hof- bzw. Familiennamen, die es uns ermöglichen,<br />

die Handwerks- und Gewerbearten festzustellen, die bereits vor dieser<br />

Zeit vertreten waren. Solche von Handwerk und Gewerbe abgeleitete<br />

Namen sind Scro<strong>der</strong>, Schrö<strong>der</strong>, Schrö<strong>der</strong> (— Schnei<strong>der</strong>) in H oldorf und<br />

Borringhausen, Schomaker, Schumacher ( = Schuhmacher) in Neuenkirchen<br />

und Osterdamme, Redeker ( = Radmacher) in Rottinghausen<br />

und Bödeker ( = Böttcher) in Bieste. Zu dieser Gruppe von Namen gehören<br />

ferner Kramer in Osterfeine, Höltermann in Damme, Möhlenhof<br />

in Nellinghof, in den benachbarten Gebieten Schomaker in Südlohne,<br />

Seeger in Brockdorf, Decker in Harpendorf, Hölscher in Elmelage,<br />

Koopmann in Mühlen, Brauer in Mühlen2) u. a.<br />

Von erheblichem Werte für die Geschichte von Handwerk und<br />

Gewerbe während des 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts sind einige einschlägige<br />

Archivalien im Staatsarchiv Osnabrück, die nachfolgend abgedruckt<br />

und erläutert werden. Es handelt sich um zwei tabellenartige Übersichten,<br />

die beinahe um 100 Jahre auseinan<strong>der</strong>liegen. Die erste ist ein<br />

Konskriptionsregister o<strong>der</strong> Schatzungsregister vom Jahre 1667, während<br />

die zweite Tabelle von einer Bevölkerungsstatistik des Jahres<br />

1772 herrührt.<br />

*) Von kleinen Gebietsteilen abgesehen, umfaßte das alte Kirchspiel<br />

Damme die jetzige politische Gemeinde Damme, das ehem. Ksp. Neuenkirchen<br />

und die jetz. pol. Gem. Neuenkirchen mit <strong>der</strong> alten Gemeinde<br />

Holdorf. Beide Kirchspiele gehörten bis zum Jahre 1817 zum Amt Vörden<br />

und zum Fürstbistum Osnabrück.<br />

5) Vgl. Pagenstert, Die Bauernhöfe im Am te Vechta (Vechta 1908).


Zur Geschichte von Handwerk und G ewerbe<br />

Die nachfolgende Übersicht entstammt dem „Konskriptionsregister<br />

behuf des Schatzes mit Angabe <strong>der</strong> Gewerbe <strong>der</strong> Pflichtigen" vom<br />

Jahre 1667. Es geht daraus hervor, daß <strong>der</strong> Zahl nach die Bierbrauer<br />

an erster Stelle stehen. Nach Justus Möser hat es vor dem 30jährigen<br />

Krieg Bierbrauer (Branntweinbrenner) auf den Dörfern nicht gegeben.<br />

In Jahre 1667 machen sie, die Bierzäpfer mitgerechnet, 39% aller<br />

Gewerbetreibenden aus.<br />

Staatsarchiv Osnabrück, Abschnitt 88, Nr. 76.<br />

Die Bierzäpfer (Bierschenker) müssen wohl keinen guten Ruf gehabt<br />

haben. Ein alter Volksreim1), <strong>der</strong> jedoch auch aus einer späteren<br />

Zeit stammen kann, lautet:<br />

’ ) Mündl, Überlieferung.<br />

„Up den Schum tappet se.<br />

Na den Gelde schnappet se.<br />

Twee vor enen schriewet se.<br />

Seggt man’t ehr, dann kiewet se.“


54 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Nach zahlreichen alten Rechnungen und Anschreibebüchern gab es<br />

im öffentlichen und privaten Leben kaum eine Gelegenheit, bei <strong>der</strong><br />

nicht etwas „vertrunken" wurde1), im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t meist Bier, später<br />

auch viel Branntwein.<br />

Zahlenmäßig folgen auf die Bierbrauer die Kaufleute, und dann<br />

kommen die Handwerkergruppen, voran die Schuster. Als Vertreter<br />

des Holzgewerbes werden die Zimmerleute, Sagenschnie<strong>der</strong>, Pflug- und<br />

Rademacher, Hölscher und Mollenhauer, Bütcher, Drechsler und Stuhlmacher,<br />

Tischler und Schreiner genannt. Sie machen zusammen 25% <strong>der</strong><br />

Gewerbetreibenden aus. Das erfor<strong>der</strong>liche Arbeitsmaterial konnten sie<br />

sich auf dem platten Lande leicht „besorgen".<br />

Die meisten Handwerker gehörten <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Kötter und<br />

Heuerlinge an. Sie wohnten fast ausschließlich auf den Nebenfeuerstätten<br />

in einem Neben- o<strong>der</strong> Beihaus o<strong>der</strong> auch in einer Scheune und hielten<br />

nebenbei etwa 1— 2 Kühe. Ein weiterer Viehbestand war nach dem<br />

Viehschatzregister von 1667 in den meisten Fällen nicht vorhanden. —<br />

Das Gewerbe <strong>der</strong> Bierbrauer wurde auch von Voll- und Halberben ausgeübt.<br />

Die Gesamtzahl <strong>der</strong> am Schluß des Konskriptionsregisters angeführten<br />

Handwerker und Gewerbetreibenden (79) scheint jedoch nicht<br />

ganz <strong>der</strong> Wirklichkeit zu entsprechen. Es gab allein in <strong>der</strong> damaligen<br />

Bauernschaft Grandorf, die zu Damme gehörte, nach <strong>der</strong>selben Quelle<br />

2 Bierbrauer, 2 Bierzapfer, 1 Branntweinbrenner (nach <strong>der</strong> Übersicht in<br />

beiden Kirchspielen keinen, 1 Tischler o<strong>der</strong> Schreiner, 1 Drechsler o<strong>der</strong><br />

Stuhlmacher und 1 Kauf- o<strong>der</strong> Handelsmann. Danach muß die Gesamtsumme<br />

<strong>der</strong> Handwerker und Gewerbetreibenden in den Kirchspielen<br />

Damme und Neuenkirchen größer gewesen sein.<br />

W ie das Bild 100 Jahre später aussieht, zeigt uns die folgende<br />

Übersicht.<br />

Nach den „Tabellen <strong>der</strong> im Amte Vörden lebenden Menschen mit<br />

Angabe des Standes und Gewerbes" vom Jahre 1772 hat sich die Zahl<br />

<strong>der</strong> Handwerker und Gewerbetreibenden in den letzten 100 Jahren bedeutend<br />

erhöht. (Vgl. nachstehende Übersicht!)<br />

Statt eines „Feldscherers“ im Orte Damme gibt es jetzt 2 „Chirurgen"<br />

in Damme und einen in Neuenkirchen. Welcher Art ihre Ausbildung<br />

war und was sie im einzelnen „leisteten", ersieht man aus einem<br />

Gutachten2), welches <strong>der</strong> Landphysikus in Osnabrück nach <strong>der</strong> Prüfung<br />

eines Chirurgen in den neunziger Jahren des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts schrieb.<br />

Es lautet: „W ie gewöhnlich versehen mit einem Lehrbrief und gedruckten<br />

J) Vgl. Osn. Mittig. 47, S. 256.<br />

2) Twelbeck, A lte Gehr<strong>der</strong> Kirchenbücher erzählen, S. 32.


Zur Geschichte von Handwerk und Gewerbe 55<br />

Staatsarchiv Osnabrück, Abschnitt 188, Nr. 45.<br />

Attesten, daß er auf <strong>der</strong> Grönlandfahrt ein chirurgischer Handlanger<br />

war, versteht er weiter nichts, als empirisch Blutlassen, Zahnausbrechen<br />

und mechanisch eine einfache Wunde, simplen Beinbruch und leichte<br />

Verrenkung zu behandeln. Wie wenig aber <strong>der</strong>gleichen Chirurgen auf<br />

dem Land nutzen, w o sie ohne alle Direction sind, ohne welche sie nicht<br />

einmal die Fälle für ihre handwerksmäßig erlernten Manual-Operationen


<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

zu bestimmen wissen; zumal da auch <strong>der</strong> arme Landmann nicht nur in<br />

solchen leichten Verletzungen, son<strong>der</strong>n auch in verwickelten Übeln sich<br />

so ungeschickten Händen anvertrauen muß, die nur die gute Natur des<br />

gemeinen Mannes in ihrem weiseren Heilungsgeschäfte stören und den<br />

Unterthan um Geld, ja oft um Gesundheit und Leben bringen: überlassen<br />

wir <strong>der</strong> landesväterlichen Entscheidung einer hochfürstlichen Regierung."<br />

In Osnabrück waren die Chirurgen in <strong>der</strong> damaligen Zeit auch<br />

Barbiere1). Ob das auch in Damme und Neuenkirchen <strong>der</strong> Fall war,<br />

konnte nicht festgestellt werden.<br />

Stark vertreten (in <strong>der</strong> Reihenfolge, wie sie genannt werden) sind<br />

die Schnei<strong>der</strong>, Schmiede und Schuster. Sie fehlen naturgemäß in fast<br />

keiner Bauerschaft. In <strong>der</strong> Bauerschaft Flad<strong>der</strong>lohausen (vorher Grandorf)<br />

gibt es im Jahre 1772 insgesamt 2 Schmiede, 1 Schnei<strong>der</strong>,<br />

1 Schuster und 1 Rademacher.<br />

Eine starke Vermehrung weist die Zahl <strong>der</strong> Zimmerleute auf. Sie<br />

ist im Kirchspiel Damme von 1 auf 6 und im Kirchspiel Neuenkirchen<br />

von 0 auf 5 angewachsen.<br />

Die „Tischer", so lautet wohl auch <strong>der</strong> ursprüngliche Ausdruck,<br />

haben nur im Kirchspiel Neuenkirchen stark zugenommen, während das<br />

Kirchspiel Damme nicht einen einzigen Vertreter aufzuweisen hat. Sie<br />

werden vielfach auch Schreiner genannt. Zu dieser Gruppe sind auch<br />

die Kleinschnitzer (Kleinschnitker) zu zählen. Ihre Tätigkeit bestand<br />

darin, die Verkrakungen an den Giebelenden durch Schnitzwerk und<br />

Sprüche zu verzieren o<strong>der</strong> in den Wohnräumen Getäfel und Türen kunstvoll<br />

zu gestalten2).<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Bäcker ist gegenüber dem Jahre 1772 konstant geblieben.<br />

Ihre geringe Zahl deutet darauf hin, daß das Landvolk in dieser<br />

Zeit noch fast ausschließlich Selbstversorger war. Auf je<strong>der</strong> Hofstelle<br />

befand sich in respektvoller Entfernung von den übrigen Gebäuden ein<br />

Backhaus.<br />

Während <strong>der</strong> Ort Damme in <strong>der</strong> Knopfmacherei und Weißgerberei<br />

eine Monopolstellung einzunehmen scheint, sind wie<strong>der</strong>um an<strong>der</strong>e Berufe,<br />

wie Küfer, Korbmacher, Reepschläger (Seiler), Maurer, Musikanten,<br />

Färber und Roßhändler nur im Kirchspiel Neuenkirchen vertreten. Die<br />

Weißgerber verfertigten nicht wie die Lohgerber mit Lohe braunes,<br />

son<strong>der</strong>n mit Alaun weißes Le<strong>der</strong>3).<br />

Die Rademacher, die im Jahre 1667 den Pflugmachern gleichgestellt<br />

werden, machten Rä<strong>der</strong> für Pflüge und Karren. Außerdem gab es noch<br />

*) Twelbeck, A lte Gehr<strong>der</strong> Kirchenbücher erzählen, S. 32.<br />

2) Mittig, des Hasegaues, 4. Heft, S. 12.<br />

3) L. Hoffmeyer, Geschichte des Handwerks <strong>der</strong> Stadt Osnabrück.


Zur Geschichte von Handwerk und G ewerbe<br />

Spinnradmacher, die als Wehldreher bezeichnet werden. Nach <strong>der</strong> Zahl<br />

dieser Handwerksgruppe wurde das Spinnen am Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

eifrig betrieben. Auch die Flachsverarbeitung ist üblich, wie<br />

uns das Vorhandensein eines Brakemachers zeigt.<br />

Seltsame Bezeichnungen sind ,,Tobackspinner" und „Halbmeister".<br />

Tobackspinner nannte man die Bereiter von Stangenkautabak. Die Tabakblätter<br />

wurden in eine Tunke gelegt und dann gedreht (gesponnen):<br />

„Spinnerinnen“ (Spinndeerns) hießen früher die Arbeiterinnen <strong>der</strong> Firma<br />

Schrimper in <strong>Oldenburg</strong>. — Nach Grimms Deutschem Wörterbuch ist<br />

ein „Halbmeister" ein Henker. Diese Deutung ist hier sicher nicht zutreffend.<br />

Der Halbmeister war m. E. vielmehr ein Mann ohne eigentliche<br />

Fachausbildung, <strong>der</strong> es aber oft zu meisterlicher Arbeit in verschiedenen<br />

Handwerken brachte (Dusendkünstler!).<br />

Die Kaufhändler, Krämer und Metzger gehörten ohne Ausnahme<br />

zur Klasse <strong>der</strong> Kirchhöfer. Sie wohnten in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Kirche, um so<br />

den Kirchgängern Gelegenheit zu geben, ihre Einkäufe zu machen. Die<br />

Kaufhändler tätigten vielfach auch Geldgeschäfte, die oft recht einträglich<br />

waren. Den Juden war es während des ganzen 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

verboten, sich in dem Fürstentum Osnabrück ansässig zu machen1). Sie<br />

konnten demnach ein stehendes Gewerbe nicht treiben.<br />

Bei den Müllern muß unterschieden werden zwischen den Besitzern<br />

bzw. Pächtern von Wasser- o<strong>der</strong> Windmühlen und Grützemüllern<br />

(„Göttemöller"). Die Wassermühlen sollen in unserer Gegend zuerst von<br />

eingewan<strong>der</strong>ten Franken angelegt worden sein2). Die Windmühlen dagegen<br />

sind von Holland zu uns gekommen3). Der im Jahre 1772 im<br />

Kirchspiel Neuenkirchen genannte Müller ist <strong>der</strong> „Müller am Stick -<br />

teich". Die Kronlager Mühle wird nicht erwähnt. Beide Mühlen haben<br />

bestimmt ein hohes Alter. Sie waren nach urkundlichen Berichten<br />

auch im Jahre 1667 schon längst vorhanden. Auch im Kirchspiel<br />

Damme scheint die Zahl <strong>der</strong> Mühlen mit 3 zu niedrig angegeben zu<br />

sein. Allein in Handorf gab es 2 Wassermühlen, die im Jahre 1772<br />

schon auf eine jahrhun<strong>der</strong>telange Vergangenheit zurückblicken<br />

konnten. — Die Grützemühlen wurden mit <strong>der</strong> Hand gedreht o<strong>der</strong><br />

mit einem Göpel in Bewegung gesetzt. Vgl. die Geräte im Museumsdorf<br />

Cloppenburg.<br />

Die Gesamtzahl <strong>der</strong> Handwerker und Gewerbetreibenden im Jahre<br />

1772 beträgt 138 gegenüber 79 im Jahre 1667. Sie hat sich also in<br />

105 Jahren fast verdoppelt. Es muß aber dabei berücksichtigt werden,<br />

J) Osn. Mittig., Bd. 47, S. 261.<br />

2) Osn. Mittig., Bd. 51, S. 161.<br />

3) Osn. Mittig., Bd. 51, S. 161


58 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

daß auch die Bevölkerung eine starke Zunahme erfahren hat. Größere<br />

Verluste weisen nur die Bierbrauer auf. Ihre Zahl ist von 31 im Jahre<br />

1667 auf 12 im Jahre 1772, also von 39 auf 9% aller Gewerbetreibenden<br />

gesunken.<br />

Es ist zunächst nicht verständlich, weshalb in den „Tabellen“ vom<br />

Jahre 1772 nicht auch Leinenweber angeführt werden. Begann doch damals<br />

gerade die Leinenweberei in den Kirchspielen Damme und Neuenkirchen<br />

einen raschen Aufschwung zu nehmen1). Es muß jedoch in Betracht<br />

gezogen werden, daß die „Linneweber" in hiesiger Gegend nur<br />

gelegentlich im Winter „würkten" und daher wohl als Gewerbetreibende<br />

nicht angesprochen wurden.<br />

Zahlreich vertreten waren zu Beginn des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts auch die<br />

Branntweinbrenner, die ebenfalls in dem betr. Register nicht aufgeführt<br />

werden. Nach einem Bericht des Vogtes Stordeur-Vörden vom<br />

25. Februar 1805 gab es in dem „zweiherrigen“ Kirchspiel Damme<br />

15 osnabrücksche und 11 münstersche Branntweinbrennereien2). Gewiß<br />

eine stattliche Zahl! Es ist nicht anzunehmen, daß sie all erst<br />

nach 1772 entstanden sind.<br />

W ie im Jahre 1667, so scheint auch im Jahre 1772 die Gesamtzahl<br />

<strong>der</strong> Handwerker und Gewerbetreibenden in Wirklichkeit noch bedeutend<br />

größer gewesen zu sein, als in den Verzeichnissen angegeben ist.<br />

Demnach scheint diesen Aufstellungen nur ein bedingter Wert zuzukommen.<br />

Immerhin geben sie einen allgemeinen Überblick über die Verbreitung<br />

und vermitteln einen Eindruck von <strong>der</strong> Vielseitigkeit von Handwerk<br />

und Gewerbe im 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t in unserer engeren<br />

Heimat.<br />

Quellen: Akten des Osnabrücker Staatsarchivs. — Einzelne technische<br />

Erklärungen S. 56 nach mündl. Mitteilung von Dr. h. c. L. Hoffm<br />

eyer(t)-Osnabrück und S. 57 (Spinndeerns) desgl. von Hptlehrer a. D.<br />

Vogelpohl-Neuenkirchen.<br />

Osn. Staatsarchiv Abschn. 190, Nr. 43.<br />

2) Osn. Staatsarchiv Abschn. 194, Nr. 19.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä.<br />

an Graf Johann VII. von <strong>Oldenburg</strong><br />

1594—1599<br />

nebst Anhangs<br />

Politische Nachrichten an den Herzog Johann d. J.<br />

von Schleswig-Holstein 1581—1603<br />

Mitgeteilt von W a lther Bacmeister<br />

In <strong>der</strong> Handschriftensammlung <strong>der</strong> Württembergischen <strong>Landesbibliothek</strong><br />

zu Stuttgart ist ein stattlicher Band vorhanden, <strong>der</strong> auf<br />

dem Rücken des Umschlages die Bezeichnung „Bacmeisterscher Briefwechsel"<br />

trägt. Er enthält zwei Aktenbündel von ungleichem Umfang:<br />

das erste, das etwa dreimal so viele Urkunden birgt wie das zweite,<br />

hat die Überschrift: „Briefwechsel des Lucas Bacmeister in Rostock<br />

t 1608“ ; das zweite: „Briefwechsel von Lucas Bacmeister d. J. in<br />

Rostock f 1630 und än<strong>der</strong>n Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Bacmeisterschen Familie.”<br />

Diese Briefe haben in <strong>der</strong> Württembergischen <strong>Landesbibliothek</strong><br />

seit langen Jahren, vielleicht seit Jahrhun<strong>der</strong>ten geschlummert. Von<br />

Fachgelehrten sind sie wohl kaum einmal ausgewertet worden; Angehörige<br />

<strong>der</strong> Familie Bacmeister haben sie wahrscheinlich nie zu Gesicht<br />

bekommen. Eine Erinnerung an sie hat sich we<strong>der</strong> mündlich noch<br />

schriftlich in <strong>der</strong> Familie erhalten. Für diese ist <strong>der</strong> zweite, kleinere<br />

Aktenbund von familiengeschichtlichem Werte. Der erstere, <strong>der</strong><br />

größere, von dem im nachfolgenden allein die Rede ist, darf allgemeinere<br />

Beachtung beanspruchen. Er führt uns in die kirchengeschichtlichen<br />

Fragen und Strömungen <strong>der</strong> beiden letzten Jahrzehnte des<br />

16. Jahrhun<strong>der</strong>ts hinein; ab und zu fällt ein Streiflicht auf die allgemeinen<br />

politischen Zustände <strong>der</strong> damaligen Zeit (Türkengefahr!).<br />

Der Verfasser <strong>der</strong> aufs beste erhaltenen Briefe war D. Lucas<br />

Bacmeister (gen. d. Ält.), Professor <strong>der</strong> Theologie an <strong>der</strong> Universität<br />

Rostock und Pfarrer an St. Marien daselbst.


60 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Er entstammt einer nie<strong>der</strong>sächsischen Familie1). Lucas B. ist als<br />

ältester Sohn des Bürgers und Brauers Johann Backmeister und <strong>der</strong><br />

Anna Lübbing am 18. Oktober 1530 in Lüneburg geboren. Er studierte<br />

in Wittenberg Theologie, Philosophie, Rhetorik und Geschichte und<br />

erlernte unter dem bekannten Theologen Flacius die hebräische<br />

Sprache. Seine geschätztesten Lehrer waren Johann Pomeranus<br />

(Bugenhagen) und Philipp Melanchthon. Im Jahre 1553 übernahm<br />

Lucas B. die Stelle eines Erziehers <strong>der</strong> Söhne2) des Königs Christian III.<br />

von Dänemark sowie des jungen, im Jahre 1540 geborenen Grafen<br />

Johann VII. von <strong>Oldenburg</strong>, <strong>der</strong> mit den Söhnen des Königs, seines<br />

Oheims, in Kopenhagen von 1552 bis 1557 erzogen wurde. Im Jahre<br />

1556 begab sich Lucas Bacmeister, von König Christian huldvoll<br />

entlassen und reich beschenkt, nach Wittenberg zurück, wo er<br />

hauptsächlich wie<strong>der</strong> unter Melanchthon und Bugenhagen, den engsten<br />

Freunden und Mitarbeitern Martin Luthers, seine theologischen Studien<br />

fortsetzte und vertiefte. Er gewann die Freundschaft des von<br />

ihm hochverehrten Melanchthon. Im Jahre 1559 berief ihn die Witwe<br />

des Königs Christian III., Dorothea, als Hofprediger an ihren Witwensitz<br />

Kolding in Jütland. Ein Jahr später richtete die hohe Frau ihrem<br />

Hofprediger die Hochzeit aus mit Johanna Bording, <strong>der</strong> Tochter des<br />

Professors <strong>der</strong> Medizin an <strong>der</strong> Universität Kopenhagen und Kgl, Leibarztes<br />

Jakob Bording und <strong>der</strong> Johanna Nigrona, einer Patrizierstochter<br />

aus Genua aus dem Geschlechte <strong>der</strong> Nigroni, das heute noch<br />

in Genua blüht. Im Jahre 1562 folgte Lucas B., von Chyträus, Paselicus<br />

und Melanchthon warm empfohlen, einem Rufe des Rates zu Rostock<br />

als Pastor an St. Marien und Professor <strong>der</strong> Theologie an <strong>der</strong> Universität<br />

daselbst. Im Jahre 1565 promovierte er zum Doktor <strong>der</strong> Theologie.<br />

Er war im Laufe <strong>der</strong> Jahre achtmal Rektor <strong>der</strong> Universität und nahm<br />

an mehreren Gesandtschaften <strong>der</strong> Stadt Rostock an die Herzöge von<br />

Mecklenburg teil. Herzog Ulrich von Mecklenburg ernannte Lucas<br />

Bacmeister im Jahre 1592 zum Superintendenten des Stadt- und Landkreises<br />

Rostock, sowie zum Konsistorialrat und Vorsitzenden des<br />

geistlichen Ministeriums.<br />

Lucas B. verfaßte eine Anzahl von theologischen Schriften, auch<br />

eine Kirchengeschichte von Rostock, die mit dem Jahre 1563 endigt.<br />

An <strong>der</strong> Abfassung <strong>der</strong> Konkordienformel war er maßgebend beteiligt.<br />

Einen wichtigen Lebensabschnitt bildete für Lucas B. seine im<br />

*) Der Name wird erstmals in einer im Stadtarchiv zu Goslar aufbewahrten<br />

Urkunde vom Jahre 1284 genannt.<br />

2) Friedrich II. (als König v. Dänemark f 1588) und Johann d. J. (als<br />

Herzog von Schleswig-Holstein-Son<strong>der</strong>burg t 1622).


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 61<br />

Jahre 1580 nach Österreich unter <strong>der</strong> Enns unternommene Reise1),<br />

die ihn dreiviertel Jahr von Amt und Familie fernhielt. Die nie<strong>der</strong>österreichischen<br />

Stände hatten ihn zu sich gebeten und in ihr Land<br />

berufen, um Ordnung in ihre traurigen und verworrenen kirchlichen<br />

Zustände zu bringen. Sie wünschten auch und baten Lucas Bacmeister,<br />

nachdem er wie<strong>der</strong> nach Rostock zurückgekehrt war, er möchte nochmals<br />

zu ihnen kommen und ihr „beständiger Superintendent“ werden.<br />

Aber Lucas B. schlug dies aus. Es war ihm, so wenig wie Chyträus<br />

zwölf Jahre zuvor, nicht gelungen, <strong>der</strong> Anfeindungen und des Gegendrucks<br />

von <strong>der</strong> katholischen Seite und <strong>der</strong> unerquicklichen Streitigkeiten<br />

unter den Evangelischen selbst in Nie<strong>der</strong>österreich Herr zu werden,<br />

mochte auch seine maßvolle und ausgleichende Persönlichkeit manches<br />

Gute in jenem Lande gewirkt und sein hoher, sittlicher Ernst und sein<br />

reiches Wissen nachhaltigen Eindruck auf viele seiner evangelischen<br />

österreichischen Glaubensgenossen gemacht und ihren Glauben gestärkt<br />

und belebt haben — die vorliegenden Briefe sind beredtes Zeugnis<br />

dessen.<br />

Nach <strong>der</strong> Ende November 1580 erfolgten Rückkehr nach Rostock<br />

waltete L. Bacmeister wie früher dort seines geistlichen Amtes an<br />

St. Marien und übte seine Lehrtätigkeit an <strong>der</strong> Universität aus bis<br />

zu seinem am 9. Juli 1608 erfolgten Tode. Seine erste Gattin Johanna,<br />

die ihm zehn Söhne und eine Tochter geschenkt hatte, war ihm schon im<br />

Jahre 1584 vorangegangen. Zwei weitere Ehen mit Katharina Beselin,<br />

verwitwete von Herwerden aus Rostock, und Anna Vischer von Alost<br />

in Flan<strong>der</strong>n waren kin<strong>der</strong>los. In seiner Kirche St. Marien, wo er so<br />

viele Jahre Luthers Lehre verkündigt hatte, fand er die letzte Ruhe.<br />

Die in <strong>der</strong> <strong>Landesbibliothek</strong> in Stuttgart aufbewahrten Briefe von<br />

und an L. B. geben ein eindrucksvolles Bild von <strong>der</strong> Zeit ihrer Entstehung.<br />

Der Kreis <strong>der</strong> Empfänger und Verfasser ist ziemlich weit gefaßt.<br />

Entsprechend dem Berufe des L. B. überwiegen die Briefe von<br />

und an Theologen. Stark ist <strong>der</strong> Wittenberger Kreis vertreten. Die<br />

Briefe des L. Bacmeister an die Gottesgelehrten und an<strong>der</strong>e Professoren<br />

<strong>der</strong> Universität Wittenberg, die durch Luther Weltruf erlangt<br />

hatte, stammen aus den Jahren 1579 bis 1607. Es sind vorhanden<br />

Briefe an Bartolomäus Schönbornius, Isaak Memmius, Polycarp Leiser,<br />

Salomon Gesnerus, Ägidius Hunnius.<br />

*) Näheres über diese Reise des L. B. nach Österreich zu vgl. W . Bacmeister,<br />

„D ie Reise des Lucas Bacmeister nach Österreich im Jahre 1580“ in<br />

den Jahrbüchern des Vereins für mecklenburgische Geschichte und A ltertumskunde<br />

zu Schwerin, 102 Jahrg. (1938) S. 1 ff.


62 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Der Straßburger Kreis weist ebenfalls eine stattliche Anzahl von<br />

Personen auf, mit welchen L. Bacmeister in brieflichem Verkehr stand,<br />

zumal da zwei seiner Söhne, Johannes und Lucas, dort ihren Studien<br />

oblagen. So sind an ’ folgende Straßburger Professoren Briefe gerichtet:<br />

Erasmus Marbach, Johannes Pappus (7 Briefe), Johannes<br />

Bentzius, Melchior Junius, Konrad Dasypodius (Hosenfuß),- Johannes<br />

Faber, L. Michael Philipp Beutherus. Weiter sind noch eine größere<br />

Anzahl Schreiben an an<strong>der</strong>e Personen, hauptsächlich Theologen des<br />

In- und Auslandes vorhanden.<br />

Von Briefen, die L. Bacmeister an fürstliche Personen richtete,<br />

finden wir vor: zwei Briefe an Herzog Ulrich III. von Mecklenburg,<br />

vom 21. 8. 1591 und vom 13. 8. 1601; einen an Wilhelm Fürst zu Liflande<br />

zu Churlande und Semgallen, fünf an Herzog Johann d. J. von<br />

Schleswig-Holstein und 8 an den Grafen Johann zu <strong>Oldenburg</strong> aus den<br />

Jahren 1594— 1599. Diese Briefe an die Fürsten sind in deutscher<br />

Sprache in <strong>der</strong> gut erhaltenen und lesbaren Handschrift des Verfassers<br />

geschrieben; nur einer, an Graf Johann, vom 7. 11. 1597, weist eines<br />

Unbekannten Hand auf.1)<br />

Ein weiteres, zum größten Teil von Lucas B. selbstgeschriebenes<br />

Werk, befindet sich ebenfalls im Besitz <strong>der</strong> Württembergischen<br />

<strong>Landesbibliothek</strong>. Es sind dies zwei Großbände mit 362 und 456 geschriebenen<br />

Blättern, als <strong>der</strong>en Herausgeber Johannes Bacmeister,<br />

Professor und Doktor <strong>der</strong> Medizin und Physikus Ordinarius an <strong>der</strong><br />

Universität und in <strong>der</strong> Stadt Tübingen (1680 bis 1748), bezeichnet wird.<br />

Sie tragen die Aufschrift „A cta Austriaca", fn diesen beiden Bänden<br />

ist <strong>der</strong> Verlauf <strong>der</strong> Reise des L. Bacmeister nach Österreich im Jahre<br />

1580, sowie seine Tätigkeit daselbst aufs eingehendste von ihm selbst<br />

in Sitzungsberichten, in vielen Briefen an Mitglie<strong>der</strong> des Adels Nie<strong>der</strong>österreichs,<br />

an eine große Anzahl von Theologen in Deutschland und<br />

Österreich, in zwei weiteren Briefen an Herzog Ulrich von Mecklenburg<br />

nie<strong>der</strong>gelegt. Ein weiterer Brief an den Herzog Johann von<br />

Holstein vom 5. 1. 1581, <strong>der</strong> hauptsächlich von <strong>der</strong> Reise und<br />

„Visitation" handelt, ist in den Acta Austriaca im Band II S. 716<br />

bis 718 enthalten.<br />

Der Hamburger Prediger Bernhard Raupach, dem seinerzeit diese<br />

„A cta Austriaca“ überlassen wurden, hat sie in <strong>der</strong> umständlichsten<br />

W eise bearbeitet. Er hat einen großen Teil wörtlich im ersten Band<br />

eines vierbändigen, im Jahre 1738 in Hamburg herausgegebenen<br />

*) Der Brief an Herzog Ulrich vom 13. 8. 1601 ist in lateinischer Sprache<br />

abgefaßt.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 63<br />

Werkes abgedruckt, dem er den Titel „Erläutertes evangelisches<br />

Österreich usw." gab und welchem er einen Kupferstich des L. Bacmeister<br />

voranstellte. Viele Briefe des L. B. sind daselbst abgedruckt;<br />

so auch die beiden eben erwähnten an Herzog Ulrich; <strong>der</strong> an Herzog<br />

Johann d. J, von Holstein vom 5. Januar 1581 jedoch nicht.<br />

Diese „A cta Austriaca“ und zweifellos zugleich mit diesen die<br />

Bacmeisterschen Briefe fand einstens <strong>der</strong> obengenannte Professor<br />

<strong>der</strong> Medizin Johannes Bacmeister, ein Ururenkel des L. Bacmeister, in<br />

glücklicher Stunde und „suchte sie aus dem Staube hervor“ in<br />

Dassow in Mecklenburg, woselbst ein Urenkel des L. B., Johannes B.,<br />

als Pastor bis zum Jahre 1692 ansässig war. Auf welche Weise und<br />

zu welchem Zeitpunkt dieser gesamte schriftliche Nachlaß des Lucas B.<br />

in den Besitz des württembergischen Staates gelangte, hat sich bis<br />

jetzt nicht ermitteln lassen.<br />

Die meisten <strong>der</strong> Briefe des L. Bacmeister sind mit vollem Namen<br />

des Verfassers unterschrieben. So die an Graf Johann von <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Trotzdem werden wir sie nur als Entwürfe anzusehen haben,<br />

die von einer Hilfskraft, einem Famulus o<strong>der</strong> „Amanuensis“ ins Reine<br />

geschrieben und dann abgesandt wurden. Denn wie sollten alle die<br />

vielen Briefe an die weitzerstreuten Empfänger, an die Privatpersonen,<br />

die Gelehrten des In- und Auslandes, an die fürstlichen Personen,<br />

wie<strong>der</strong> in dieser Gesamtheit in den Besitz eines Nachkommen<br />

des Lucas Bacmeister zurückgelangt sein?<br />

Die Briefe an den Grafen Johann zu <strong>Oldenburg</strong> dürften zu den<br />

schönsten des ganzen Briefschatzes zu rechnen sein. Es ist oben<br />

schon darauf hingewiesen, daß <strong>der</strong> Verfasser <strong>der</strong> Briefe einst als<br />

Erzieher und Lehrer des jungen Grafen von <strong>Oldenburg</strong> zu diesem in<br />

nähere Beziehungen getreten ist. Der Fürst1), <strong>der</strong> sie empfing, war<br />

einer <strong>der</strong> tüchtigsten Regenten des Landes <strong>Oldenburg</strong>, übertroffen<br />

wohl nur von seinem Sohne und Nachfolger Graf Anton Günther.<br />

Der Mann, <strong>der</strong> sie schrieb, war ein vielseitiger Gelehrter, ein hochgeachteter<br />

Theologe, <strong>der</strong> sich für Luthers Werk mit ganzer Kraft eingesetzt<br />

hatte, ein treuer Diener seiner evangelischen Kirche.<br />

Die Briefe, die nun folgen, mögen für sich selbst sprechen. Sie<br />

geben Zeugnis unter an<strong>der</strong>em von dem schönen und aufrichtigen<br />

Verhältnis, das zwischen ihrem gelehrten Verfasser und dem um ein<br />

Jahrzehnt jüngeren fürstlichen Empfänger bestand. Sie sind für<br />

beide gleich ehrenvoll (Nr. 1— 8).<br />

Es erschien zweckmäßig, die Briefe an den Herzog Johann von<br />

’ ) Vgl. über ihn G. Rüthning, <strong>Oldenburg</strong>. Geschichte 2. Ausgabe 1937.<br />

S. 278 ff.


64 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Holstein anhangsweise (Nr. 9— 14) mit abzudrucken. Sie bieten uns<br />

einen ausgezeichneten Einblick in die politischen Verhältnisse des<br />

späten 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Religionsfragen und Türkenkriege bewegten<br />

den Schreiber stark. Der Charakter <strong>der</strong> Briefe ist durchaus politisch,<br />

sie muten an wie Gesandtschaftsberichte o<strong>der</strong> Mitteilungen von neusten<br />

politischen Zeitungen. Solche Relationen waren damals jedem Fürsten<br />

hochwillkommen und wurden meist gut bezahlt. Vielleicht hatte <strong>der</strong><br />

Fürst Johann d. J. von Holstein ein Abkommen mit dem Schreiber<br />

wegen Lieferung von Nachrichten getroffen, war er doch ein standesbewußter<br />

und staatskluger Fürst, <strong>der</strong> zu vielen Höfen politische Beziehungen<br />

unterhielt1).<br />

1. 15. April 1594<br />

An Graflen Johan zu <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Gottes gnad und friede durch unsern einigen Herrn und Heiland<br />

Jesum Christum neben meinem un<strong>der</strong>thenigen gebet und un<strong>der</strong>thenigen<br />

diensten je<strong>der</strong>zeit zuvor, Wolgeborener Graff, gnediger Herr,<br />

Ewer Gnaden gnediges schreiben neben überschicktem vergültenem<br />

ansehenlichen trinkgeschir habe ich den 21. Martij nechstverschienen<br />

mit gebürren<strong>der</strong> reverentz un<strong>der</strong>thenig empfangen, und bin darüber<br />

hocherfreut, das E. G. meiner wenigen Person als eines alten dieners<br />

nach so vielen jaren mit solcher beständigen und gnedigen affection<br />

noch eingedenk sein, und iren alten lieben Praeceptoren zu nennen mich<br />

würdigen und auch zugleich mit <strong>der</strong> that und so stattlicher Verehrung<br />

ir gnediges gemüt beweisen wollen. Thu mich <strong>der</strong>wegen E. G.<br />

dessen alles in un<strong>der</strong>thenigkeit und zum hohesten bedanken und weil<br />

Ich sonst meines unvermögenshalber nicht hinwi<strong>der</strong> verschulden kan,<br />

wie Ich dennoch gern wolte, so wil Ich den almächtigen barmhertzigen<br />

Gott, <strong>der</strong> ein reicher vergelter ist aller wolthat, teglich und<br />

von hertzen bitten, er wolle E. G. auch diese mir erzeigete beson<strong>der</strong>e<br />

gnade und gutthat reichlich belonen und E. G, sampt <strong>der</strong>selben<br />

christlichen gemahlin, jungen Hern und Frowlein an leib und<br />

seien segnen, gnedig und lange Zeit in gesuntheit sterken und erhalten,<br />

und zu E. G. regierung groß glück heil und segen mit rath<br />

und that verleihen. W il auch den von E. G. mir verehrten becher zu<br />

einem steten memorial und E. G. zu rhum und un<strong>der</strong>thenigen ehren<br />

fleißig aufheben, und unter än<strong>der</strong>n dingen so mir lieb sein wol verwaren<br />

und meinen kin<strong>der</strong>n erben. Was dan den Erwürdigen und<br />

Hochgelerten E. G. Superintendenten Hern L. Hermannum Hamelman<br />

4) Vgl. P. Langendorf, Herzog Johann d. J. (In: Nordelbingen 3/1924).


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 65<br />

belanget, weil E. G. meiner un<strong>der</strong>thenigen commandation seiner<br />

Person halber so gnedig vemomen, und über alle vorige gnad und<br />

affection, damit E. G. wegen seiner neuen und aufrichtigen langen<br />

dienste bisher gewogen gewesen, ihm auch ferner dieselbige zeit<br />

seines lebens mit allen gnaden und gutem zu erweisen sich gnedig<br />

erbitten thun, dafür bin Ich gleichfals gegen E. G. in aller un<strong>der</strong>thenigkeit<br />

dankbar. W ie auch dafür, das E. G. umb meiner vorbith<br />

willen <strong>der</strong>selben un<strong>der</strong>thanen Johannem Glaserum gern und in<br />

gnaden zu einem guten dienst sofern er auß seinem exercitio zum<br />

Predigtampt tüchtig befunden wird, wie Ich mich dem verhoffen wil,<br />

zu beför<strong>der</strong>n, Und bitte ganz un<strong>der</strong>thenig E. G. wolle mich <strong>der</strong> vielfeltigen<br />

dristen anmutungen in gnaden nicht verdenken, und mein<br />

gnediger Graff und Herr wie bisher auch hinfort zu sein und pleiben.<br />

Schicke hirneben E. G, zu eine abcopy eines schreibens so Ich<br />

neulicher tage von einem guten freunde auß Schweden bekomen,<br />

neben dem iuramento, welches <strong>der</strong> König1) bey seiner Krönung gethan,<br />

darüber lange zeit und hefftig disputiret worden, ehe ers hat eingehen<br />

wollen. Und wirt S. Kö. Maj. auch nun bald wi<strong>der</strong> herauß<br />

und zu Dantzig ankomen, da sonst sein abwesen auß Polen auff<br />

ein jar gesetzt und bewilligt war. Thu hiermit E. G. und <strong>der</strong>selben<br />

Graffliche und Christliche gemahlin jungen Herrn und Frowlein dem<br />

gnedigen schütz und schirm des almechtigen un<strong>der</strong>thenig befelen.<br />

Datum Rostock den 15 Aprilis Anno 1594.<br />

Dem Wolgeborenen Hern Hern Johan Graffen zu <strong>Oldenburg</strong> und<br />

Delmenhorst, Hern zu Jever und Kniphausen, meinem gnedigen Hem.<br />

2. 18. April 1596<br />

Gottes gnad und barmhertzigkeit durch Jesum Christum unsern<br />

einigen Heiland neben meinem christlichen Gebet und un<strong>der</strong>thenigen<br />

diensten je<strong>der</strong>zeit zuvor.<br />

W olgeborener Graff, gnediger Herr, <strong>der</strong>weil mir gelegene botschafft<br />

fürgefallen, habe Ich nicht unterlassen sollen an E. G. un<strong>der</strong>thenig<br />

zu schreiben, und <strong>der</strong>selben für alle mir erzeigte beson<strong>der</strong>e<br />

gnade und gutthat in un<strong>der</strong>thenigke:t zu dancken, mich auch gegen<br />

E. G. hinwi<strong>der</strong> aller schuldigen gantzwilligen und gehorsamen<br />

dienste, da E. G. <strong>der</strong>selbigen in iringen nur moeglichen dingen von<br />

*) Sigismund III. Wasa, 1587— 1632 König v. Polen, 1594— 1599 König<br />

von Schweden, wegen seiner Rekatholisierungsbestrebungen vom schwedischen<br />

Reichstag abgesetzt,


6 6 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

mir gnedig bcgeren würden zu erbieten. Ich wil mich auch verhoffen,<br />

das <strong>der</strong> M. Johannes Cronenberg, welchen Ich hiebevor E. G. zu<br />

einem Rectori scholae In E. G. Stadt <strong>Oldenburg</strong> un<strong>der</strong>thenig commendiert,<br />

seinem ampt trewlich und fleißig obligen werde, damit er<br />

E. G. angenem, <strong>der</strong> studirenden jugent nützlich, meiner commendation<br />

gemeß, und ihm selbst rhümlich sein moege, welches zu<br />

erfaren mir gar lieb sein sollte. E. G. un<strong>der</strong>than M Eilardus Lubinus<br />

hat sich bisher <strong>der</strong>gestalt alhir verhalten, das er neulich ad professionen<br />

publicam Rostoc von unserm gnedigen Landes-fürsten<br />

und Hern Hertzog Ulrichen zu Mecklenburg auff S. F. G. Pro»<br />

fessoren in dieser Universität commendation gnediglich bestellet<br />

und angenommen worden, und wirt mit gotlicher hülff zu einem<br />

feinen nutzen mehr geraten, <strong>der</strong>wegen im auch meines seligen Sons<br />

Jacobi, <strong>der</strong> weiland Professor Hebraeae linguae hir gewesen, nachgelassener<br />

witwe mit irer und an<strong>der</strong>er guter freunde und vornehmer<br />

leute. , . noch für wenig tagen ehelich versprochen ist, worzu allerseits<br />

<strong>der</strong> almechtige seine gotliche gnad und segen verleihen wolle. So<br />

wüntsche Ich auch von hertzen, das E. G. Kirchen in <strong>der</strong>o Graff- und<br />

Herschafften mit einem gelerten, gotfürchtigen und tüchtigen Superintendenten<br />

an des1) abgestorbenen seligen L. Hermanni Hamelmanistatt<br />

vermittels gotlicher gnad wi<strong>der</strong>umb versehen werden mögen,<br />

warumb Ich dan auch zu Gott dem Hern gern bitten wil. Denn zu<br />

disem betrübten und sorglichen zustand <strong>der</strong> Kirchen und waren religion<br />

umb newe und reine lehrer und auffseher pillich wol zu bitten ist. Und<br />

wie E. G. mir bisher mit son<strong>der</strong>licher gnaden und gunst gewogen gewesen,<br />

also bitte Ich un<strong>der</strong>thenig E. G. wolle auch hinfort mein<br />

gnediger Herr sein und pleiben. Thu hirmit E. G. und <strong>der</strong>selben christlich<br />

gemahlin Jungen Herrn und Frowlein, wie auch E. G. gantze<br />

löbliche regirung des almechtigen schütz und schirm un<strong>der</strong>thenig;<br />

befehlen.<br />

Datum Rostock den 18. Aprilis A o 1596,<br />

E. G. un<strong>der</strong>theniger alter diener<br />

Lucas Backmeister D.<br />

3. 20. September 1596<br />

A n Graff Johan zu <strong>Oldenburg</strong> und Delmenhorst.<br />

Wolgeborener Graff. E. G. sein meine un<strong>der</strong>thenigen dienste,.<br />

neben meinem un<strong>der</strong>thenigen gebett für E. G. langwirige gesuntheil<br />

*) Am 26. Juni 1595 im 76. Lebensjahr.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 67<br />

und glückselige regirung stets zuvor. Gnediger Herr, nachdem mir<br />

diese gelegenheit eines Rostockischen boten, <strong>der</strong> in E, G. Graffschafft<br />

abgefertigt worden, vorgefallen, habe Ich nicht unterlassen sollen, ihm<br />

ein un<strong>der</strong>theniges schreiben an E. G. mit auffzugeben, zur anzeigung<br />

weiteren un<strong>der</strong>thenigen und dienstwilligen gemüts. Und auch dieser<br />

Ursachen, weil newlicher Zeit die Königliche Krönung1) im reich Dennemarck<br />

zu Copenhagen gehalten, und mir etwas von dem prozeß und<br />

Acten <strong>der</strong>selbigen zugekommen, E. G. solches in un<strong>der</strong>thenigkeit mitzuteilen,<br />

so es vielleicht E. G. noch bisher also nicht communiciret<br />

war. Und hat solches E. G. auß beyverwareten abschreiben gnedig<br />

zu verlesen. Sonsten sein auch viele an<strong>der</strong>e herliche spectacula mit<br />

freudenfeuer, ritterspielen, ringrennen, mummerey und <strong>der</strong>gleichen<br />

daselbst gehalten, die noch zur zeit meines wissens nicht schriftlich<br />

verfasset sein, son<strong>der</strong>n ohn zweiffel von kunstnern in kupffer abgerissen,<br />

und bald publiciret werden mögen. Die beiden jungen Marggraffen<br />

des Churfürsten von Brandenburg Söhne, Christian und<br />

Joachim Ernst sein mit irem beyhabenden comitatu in die 400 pferde<br />

starck, darunter auch Hertzog Alexan<strong>der</strong> zu Holstein, Hertzog Fridrich<br />

zu Luneburg, zweie Graffen von Stolberg, ein Graff von Hohenzollern<br />

und Her Erdtman von Puttbuß Freyher, neben vielen fürnehmen<br />

Rither und Edelleuten gewesen, am verschienen 15. hujus wi<strong>der</strong><br />

auß Dennemarck von dem nehesten port Gessorn2) ubergeschiffet,<br />

und alhir glücklich angelanget. Und dieweil eben den folgenden Tag<br />

eine ansehnliche promotion in <strong>der</strong> Universität gehalten, in welcher<br />

neun doctores juris promoviret worden, sein Iro F. G. sampt <strong>der</strong>en<br />

fürnemsten hoffgesinde zu solchen actu in die Kirchen gekomen,<br />

demselbigen mit fleiß zugesehen, und ihn mit Ihrer Fürstlichen gegenwart<br />

gnediglich geziret, und auch den negsten tag alhir verharret.<br />

Der Herr Administrator zu Magdeburg aber ist diesen tag auch wi<strong>der</strong><br />

übers wasser in unsern port zu Warnemünde glücklich angekommen<br />

sampt S. F. G. Sohn Johan Sigissmund, dem Frawenzimmer, vielen<br />

Hern und vom Adel, so S. F. G. bey sich haben, sein auch über 400<br />

pferde starck. Im einzuge war S. F. G. schiffahrt etwas beschwerlich,<br />

weil sich <strong>der</strong> wint in <strong>der</strong> See starker erhub, und zum teil en<strong>der</strong>te,<br />

dadurch auch etliche von den kleinen schiffen und schuten verschlagen<br />

worden, jedoch ist Gott lob kein schade geschehen, son<strong>der</strong>n<br />

sein alle wol zu lande gekomen.<br />

Von zeitung auß Ungern habe Ich für dismal nicht mehr, als den<br />

Christian IV. geb. 1577, mit Anna Katharina v. Brandenburg verh.<br />

20. Nov. 1597, gekr. 29. Aug. 1596, gest. 1648.<br />

2) Gjedser, noch heute Endpunkt <strong>der</strong> Fähre von Warnemünde.


68 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

einigen abtruck, den E. G. Ich hirneben zuschicke bekomen können.<br />

Hernach hat man auch erfaren, das Ertzhertzog Maximilian die<br />

Festung Hatvan1) mit alle seinem Volck hart belagert hatte, aber<br />

wegen des stetigen regens nicht viel aussrichten können. Welches<br />

auch die Turcken verhin<strong>der</strong>t, das sie mit irem Keyser nicht haben<br />

fortziehen können. Heut aber kriege Ich schreiben von meinem Sohn<br />

von Wittenberg, das Hatvan sol erobert sein, und hiedurch ein<br />

freier paß eröffnet, das <strong>der</strong> Sibenburger mit den unsern in Ungarn<br />

sich coniungiren kan. Habe dis E. G. in un<strong>der</strong>thenigkeit nicht verhalten<br />

sollen, mit un<strong>der</strong>theniger bitte, E. G. wolle es in keinem unguten<br />

auffnemen, und hinfort wie bisher mein gnediger Herr sein und<br />

bleiben. Und thu hirmit E. G. des almechtigen schütz und schirm<br />

un<strong>der</strong>thenig befhelen.<br />

Datum Rostock den 20. Septembris Anno 1596.<br />

E. G. un<strong>der</strong>theniger alter diener<br />

Lucas Backmeister D.<br />

4. 12. Dezember 1596<br />

A n Graff Johan zu <strong>Oldenburg</strong><br />

Gottes gnad und fried durch unsern einigen Heiland Jesum Christum<br />

sampt meinen un<strong>der</strong>thenigen diensten und un<strong>der</strong>thenigen gebets<br />

zuvor, wolgeborner Graff gnediger Herr, E. Gnaden letztes gnediges<br />

schreiben, des datum 7 octobris zu Jever gewesen, ist mir hernach<br />

über etliche wochen erstlich zu handen komen. Hat sich <strong>der</strong> botte<br />

damit entschuldiget, das er neben an<strong>der</strong>er Kauffleute geselschafft<br />

von etlichen streiffeden kriegsleuten auff dem wege angefallen und<br />

gefenklich auff das hauß Lingen gefüret, und daselbst etliche tage<br />

angehalten, doch entlieh wi<strong>der</strong> erlediget worden, da man vermerket,<br />

das er nichts an<strong>der</strong>s den frembde brieffe, die fast alle hirher an<br />

gelerte in <strong>der</strong> Universität solten, bey sich hatte. Die Kaufleute aber<br />

hatten alda bleiben und sich rantzionieren2) müssen.<br />

Nun habe Ich auß solchen E. G. gnedigem schreiben un<strong>der</strong>thenig<br />

vemomen, wie E. G, wegen eines gelerten, erfarenen, gottfürchtigen<br />

und sittsamen Mannes, <strong>der</strong> reiner Lehre und zum Kirchenregiment<br />

genugsam qualificiret, und alß zum Superintendentenampt an stadt<br />

des seligen Hern Licentiati Hermanni Hamelmanni von E, G, in <strong>der</strong>-<br />

1) W ichtige Festung in <strong>der</strong> Türkenzeit; sie wurde 1678 geschleift.<br />

2) loskaufen. — Lingen war damals noch in Händen <strong>der</strong> Spanier, es<br />

wurde im Nov. 1597 von Moritz v. Oranien erobert.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 69<br />

selben lande Kirchen nützlich wi<strong>der</strong> bestellet werden konte, zu erkunden<br />

und zu erlangen Christliche sorgfeltigkeit wegen, und <strong>der</strong>wegen<br />

auch mein un<strong>der</strong>theniges bedenken und nach hirinne gnedig<br />

begeren. Darauff E. G. Ich in un<strong>der</strong>thenigkeit nicht verhalten sol,<br />

das Ich dieser hochwichtigen sachen, daranne Gottes ehr, seiner Kirchen<br />

heilsamer erbawung und regirung, erhaltung und fortpflanzung<br />

reiner lehr in E, G. landen und vieler Menschen Seligkeit mercklich<br />

gelegen, Gottesfurcht und mit fleiß nachgedacht, und E. G. als einen<br />

hochloblichen und christlichen Regenten und meinen alten gnedigen<br />

Hern meinem besten verstände nach un<strong>der</strong>thenig gern raten und<br />

dienen wolte, wie Ichs nur zu thun wüßte. Es hat zwar in dieser Universität<br />

und Kirchen viel feiner gelehrter und tüchtiger leute, auch<br />

wol zu solchem hohen ambte. Aber sie sein beschwerlich an einen so<br />

fernen ort aufzubringen, o<strong>der</strong> auch von ihrer Herschafft und gemeine<br />

zu erhalten. An<strong>der</strong>e sein noch zu jung und haben die erfarung nicht,<br />

so hietzu nötig. Deshalben Ich dieser orts itzung keine also qualificirte<br />

Person anzutreffen weiß. Und achtete es darfür, das E. G. zum<br />

rathsambsten hiran thete, so einer <strong>der</strong> geschicktesten Prediger in<br />

E. G. Graffschafft, dessen trewe, gaben, eifer und gotseligkeit man<br />

ein zeithero probiret und erfaren, zu anhergemeltem ambt erwelet<br />

und verordnet würde. Nun werde Ich berichtet, das fürnemlich zwei<br />

feine gelerte und begabte Männer alda sein sollen, als nemlich<br />

M. Johannes Judex, E. G. Hoffprediger, dessen Vater M. Matthäus<br />

Judex seliger, mir ser wol bekannt gewesen. Und Her Daniel Stangius,<br />

Pastor in E. G. Stadt <strong>Oldenburg</strong>. Es ist mir aber davon keiner<br />

von angesicht bekandt, allein das Ich sie von guten leuten, die sie<br />

kennen, rhumen höre. Und <strong>der</strong> Stangius einmal o<strong>der</strong> zwey an<br />

mich geschrieben, darauß Ich vermerke, das er ein geschickter und<br />

reiner Lehre zugethaner Man sey1). W eil sie aber E. G. und <strong>der</strong>selben<br />

fürtrefflichen Rheten wol bekant sein und sie <strong>der</strong> gelegenheit<br />

<strong>der</strong> Kirchen und leute des orts besser erfaren, als wen ein fremb<strong>der</strong><br />

dahin komen solte, so könte E. G. dis ferner in bedenken und rath<br />

gnedig ziehen und auß denen beiden einen, zu welchem E. G. nach<br />

anruffung Gottes das hertz neher tragen würde, erwelen und zum<br />

Superintendentenambt im namen <strong>der</strong> heiligen Dreyfaltigkeit wi<strong>der</strong><br />

verordnen. Sonst ist auch einer mit namen M. Arnoldus Glaserus<br />

itzt in Ostfriessland zu Hatzum Prediger, <strong>der</strong> mir ser wol bekandt und<br />

viel jar in dieser Universität fleißig in artibus, linguis, Theologia<br />

gestudiret hat, und wol zimlicher jare, aber noch solcher erfarung<br />

D. Daniel Stangen wurde <strong>der</strong> Nachfolger Hamelmanns. Er war von<br />

1599 bis 1605 Superintendent in <strong>Oldenburg</strong>.


70 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

nicht ist, das er zu solchem hohen ampt qualificiret were, jedoch<br />

bitte E. G. Ich un<strong>der</strong>theniglich, dieselbe wolle sich ihn in gnaden<br />

auch meinetwegen lassen befohlen sein, und weil er an bemeltem<br />

orth einen fast ungelegen dienst hat, in E. G. Graff- und Herschafft<br />

zu einem vacirenden Kirchendienst gnedig beför<strong>der</strong>n, alsdan konte<br />

ehr auch etwan hernach zu hohem dingen gebrauchet werden. Habe<br />

dis E. G. zu un<strong>der</strong>theniger antwort nicht verhalten sollen.<br />

Und<br />

schicke hirneben E. G. etliche Ungerische zeitung zu, wie Ichs in eil<br />

alhir bekomen können. Die geschriebene hat meines gnedigen Fürsten<br />

und Hern Hertzog Ulrichen zu Mecklenburg Lackey, so von S. F. G.<br />

in Ungern geschickt worden, und bey den hendeln gewesen, berichtet.<br />

Thue hirmit E. G. sampt <strong>der</strong>selben Christlichen gemahlin jungen Hera<br />

und Frowlein dem gnedigen schütz des almechtigen und mich E. G. zu<br />

gnediger gewogenheit befhelen.<br />

Datum Rostock den 12. Decembris A o 1596.<br />

E. G.<br />

un<strong>der</strong>theniger alter diener<br />

L. B.<br />

Dem Wolgeborenen Hern, Hern Johan Graffen Zu <strong>Oldenburg</strong><br />

und Delmenhorst, Hern Zu Jever und Kniphausen, meinem gnedigen<br />

Hern.<br />

Wolgeborener Graff gnediger Herr, dieser Rostocker botte hat seine<br />

gewisse reise auff Bremen gehabt. So habe Ich ihn vermocht dieses<br />

meines un<strong>der</strong>thenigen schreibens halben an E. G. gen <strong>Oldenburg</strong><br />

o<strong>der</strong> wo E. G. anzutreffen were, zu lauffen, weil E. G. in <strong>der</strong>o<br />

schreiben mir gnedig befolen, auch sonsten bey eigener botschafft<br />

E. G. un<strong>der</strong>thenig zu beantworten. Wirt also E. G. Ihm für denselbigen<br />

weg verreichen lassen, was billich ist.<br />

Datum ut in . . . (litteris?)<br />

5. 20. Februar 1597<br />

An Graff Johan zu <strong>Oldenburg</strong><br />

Wolgeborener Graff. E. Gnaden sey die gnade Gottes neben<br />

meinem Christlichen gebet und un<strong>der</strong>thenigen diensten je<strong>der</strong>zeit zuvor.<br />

Gnediger Herr E. G. letztes schreiben sub dato <strong>Oldenburg</strong> am<br />

Heiligen Newen jars tage ist mir erst den 12. Februarij hernach zu<br />

handen komen, welches Ich mit un<strong>der</strong>theniger reverentz neben den


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 71<br />

beiden Rosenobeln1) , so E. G. mir zum Newen jar gnediglich verehret<br />

und überschicket haben, empfangen. Und thu mich erstlich<br />

gegen E. G. als meinen alten gnedigen Hern dieser und voriger hohen<br />

wolthaten in un<strong>der</strong>thenigkeit bedanken, und was Ich meines Unvermögens<br />

halben nicht vergelten kan, wil Ich Gott dem almechtigen<br />

E. G. hinwi<strong>der</strong> mit langem gesunden leben und glückseliger regirung<br />

zu vergelten in meinem teglichen gebete befhelen. Die an<strong>der</strong>e hochwichtige<br />

sache, warumb E. G. hiebevor an mich gnedig geschrieben,<br />

belangend, hatte Ich gar gerne, das Gott weiß, E. G. und <strong>der</strong> Kirchen<br />

zum besten einen tüchtigen man zu solchem hohen ampt zu wegen<br />

bringen wollen. W eil es aber für dismal nicht geschehen können,<br />

und <strong>der</strong>wegen mich E. G. gnedig entschuldiget nemen, muß es<br />

nun auch also darbey bleiben. Und wirt <strong>der</strong> almechtige Gott, zu<br />

dessen namens ehre diese Sache gerichtet ist E. G., einen än<strong>der</strong>n<br />

fromen, gottesfürchtigen und geschickten man zuweisen, <strong>der</strong> solchem<br />

ampt nützlich und heilsamlich vorstehen könne. Und ob Ich wol<br />

E. G. ahm negsten mein un<strong>der</strong>theniges und einfeltiges bedenken von<br />

den beiden gelerten gottseligen und reinen Predigern, welche E. G.<br />

alda zu <strong>Oldenburg</strong>k bey sich hat, und nun vil jar ire gaben geschicklichkeit<br />

und wandel probiret und erfaren, schrifftlich vermeldet<br />

habe, so stehet dennoch solches ferner bey E. G. hohen Christlichen<br />

verstände und gnedigem willen, in Son<strong>der</strong>heit aber bey Gottes außvorschung,<br />

<strong>der</strong> gibt Hirten und Lehrer nach seinem Hertzen, die die<br />

Herde Christi weiden sollen, mit lere und Weisheit, wie im Propheten<br />

Jerem. 3 geschrieben stehet. Gleichwohl rate E. G. Ich un<strong>der</strong>theniglich<br />

und trewhertzig, nicht bald o<strong>der</strong> leichtlich einen frembden <strong>der</strong> E. G.<br />

unbekandt o<strong>der</strong> von solchen leuten nicht commendiret ist denen E. G.<br />

trawen darff, zu vociren. Denn es gehet in diesen letzten bösen und<br />

geferlichen zeiten auch in <strong>der</strong> Kirchen Gottes seltzam zu, und sagen<br />

viele Herr Herr, thun aber den willen Gottes im himmel nicht in<br />

reiner lehr und gotseligem leben, sein ehrgeitzig und zancksüchtig,<br />

füren auch bisweilen ire streite, <strong>der</strong> sie gewonet, an an<strong>der</strong>e oerter<br />

da sie hinkomen, mit hinein, verfechten dieselbigen und richten<br />

in ruhigen Kirchen und unter friedsamen lehrern große Verwirrung<br />

und Verlust an. So können sich auch offt die einfeltigen zuhörer in<br />

*) Nobel (Noble) englische Goldmünzen, zwischen 1343 und 1550 geprägt.<br />

Je nach ihrem Gepräge unterschied man Schiffsnobel o<strong>der</strong> Rosenobel.<br />

Im ersteren Falle befand sich auf <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite ein Schiff ohne Rose, auf<br />

<strong>der</strong> Rückseite ein Kreuz; im letzteren Falle auf <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite ein Schiff<br />

mit Rose auf <strong>der</strong> Seite, auf <strong>der</strong> Rückseite eine große Rose. Die Nobels<br />

waren im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t auch in Deutschland, namentlich im nördl.<br />

Nie<strong>der</strong>sachen, verbreitet. Ihr W ert betrug etwa 20 Mark.


72 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

ire hohe und ungewönliche spräche und newe weise nicht richten,<br />

darüber dan mehr Zerstörung als erbawung in <strong>der</strong> gemeine Gottes<br />

erfolget. Derhalben ist imerzu besser und rathsamer, bey bekanten<br />

und probirten leuten, wen sie tüchtig sein, in bestellung solcher fürnemen<br />

Kirchenempter zu bleiben, und was Gott ahn inen gegeben<br />

hat, für lieb zu nemen. Den er wirket offt durch geringe werckzeuge<br />

große dinge, auf das seine gnad und krafft hirauß erkennet<br />

und gepreiset werde. Diese meine demütige und trewhertzige erinnerung<br />

wolle E. G. nicht an<strong>der</strong>s den in allen gnaden von irem alten<br />

getrewen diener annemen, wie Ich dan hirumb in aller un<strong>der</strong>thenigkeit<br />

bitten thue. Von Ungerischen und an<strong>der</strong>en Zeitungen habe Ich<br />

für diesmal nichts beson<strong>der</strong>es bekomen können, den allein was beyverwaret<br />

ist. Und thue hirmit E. G. sampt <strong>der</strong>o Christlichen gemahlin,<br />

Junge Hern und Frowlein dem gnedigen schütz des almechtigen<br />

zu einem glückseligen newen jar und aller zeitlichen und ewigen<br />

wolfart un<strong>der</strong>thenig befhelen.<br />

Datum Rostock den 20. Februarij A o 1597.<br />

E. G.<br />

un<strong>der</strong>theniger alter diener.<br />

6. 7. November 1597<br />

(Nicht eigenhändig geschriebener) Brief von Lucas B. d. Ä. (nur<br />

die Anschrift rührt von seiner Hand her).<br />

An Graffen Johan zu <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Gottes gnad und fried durch Jhesum Christum unsem einigen<br />

Heyland neben meinem andechtigen gebett und un<strong>der</strong>thenigen diensten<br />

je<strong>der</strong>zeit zuvor. Wolgeborner Graff, gnediger Herr, E. Gnaden<br />

kan Ich in un<strong>der</strong>thenigkeit nicht verhalten, das E. G. amptman zu<br />

Cölpin1) in landt zu Sachsen Hans Drewes meinem Brü<strong>der</strong>n Marcus<br />

Backmeistern weilandt Burgern zu Luneburg, <strong>der</strong> vorm Jahr nach<br />

Gottes willen seeliglich verstorben, mit etlichen schulden, als nehmlich<br />

625 marck Lübisch, die er von ihm bar empfangen, sampt etlicher<br />

Jaren auffgeschlagenen Zinssen verhafftet geblieben. Und ob wol<br />

gedachtes meines seeligen Brü<strong>der</strong>n nachgelassene Kin<strong>der</strong> und ire<br />

Curatorn umb die Bezahlung bey Ihm offt und vleißig angehalten,<br />

so ist doch dieselbige noch bisher zu keinem Theil viel weniger<br />

gantz erfolget, welches dan den Kin<strong>der</strong>n zu großer ungelegenheit<br />

gereichet, weil sie auch von ihres seeligen Vätern Creditorn zur Be-<br />

1) Das Am t Colpin war damals im oldenb. Pfandbesitz. Vgl. Rüthning.<br />

Oldenb. Gesch. 2. Aufl. S. 284.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 73<br />

Zahlung etlicher verbliebener schulden hart getrungen worden. Derwegen<br />

sie auch von mir Irem nahe verwanten Vettern an E. G. als<br />

meinen alten gnedigen Herrn, <strong>der</strong> mir mit beson<strong>der</strong>n gnaden gewogen<br />

war (welches Ich auch billich mit un<strong>der</strong>theniger Danckbarkeit<br />

erkennen und rühme), Irenthalben ein vorbitschreiben un<strong>der</strong>thenig zu<br />

thun, damit E. G. Ihnen promotoriales und bericht an <strong>der</strong>o erwenten<br />

Amptman Hanß Drewesen gnedig mitteilen, und ihn zu för<strong>der</strong>lichster<br />

Bezahlung ermahnen wollen. Und dieweil Ich Ihnen als verlassenen<br />

betrübten und bedrengten weisen aus Christlicher liebe und so naher<br />

blutverwantniss solches nicht habe weigern können, und die sache<br />

auch an sich billig und recht, als ist mein un<strong>der</strong>thenige und gantz<br />

vleißige bitte, E. G. wollen vermelte promotoriales Ihnen gnedig<br />

wie<strong>der</strong>faren lassen, und mir bey Zeiten (?) so möglich und es E. G.<br />

also gelegen, zuschicken. Hieran thut E. G. dem lieben Gott, <strong>der</strong><br />

sich ein Vater und Helffer <strong>der</strong> weisen nennet, ein angenehmes werck.<br />

Und wirdt solches meinen verwandten verhoffentlich zu erlangung<br />

ehester und bester bezahlung sehr dienstlich sein und sie sich also<br />

dieser meiner un<strong>der</strong>thenigen Intercession bey E. G. in effectu zu<br />

erfrewen und fruchtbarlich zu genießen haben. So bin Ichs auch<br />

neben ihnen mit meinem christlichen gebet und allen un<strong>der</strong>thenigen<br />

diensten gegen E. G. in <strong>der</strong> Zeit zu verschulden erbötig. Thue hiermit<br />

E. G. sampt <strong>der</strong>o Christlichen Gemahlin, Jungen Herrn und Frowlein<br />

dem gnedigen schütz und schirm deß allmechtigen un<strong>der</strong>thenig<br />

bevehlen, mitt un<strong>der</strong>theniger bitte, E. G. wolle mich dieses schreibens<br />

und ansuchens in Ungnaden nicht verdenken, und wie bissher auch<br />

ferner mein gnediger Herr sein und bleiben.<br />

Datum Rostock den 7. Novembris Anno 1597.<br />

E. G. Un<strong>der</strong>theniger alter diener<br />

Lucas Backmeister.<br />

7. 6. April 1598<br />

An Graff Johan zu <strong>Oldenburg</strong>.<br />

Gottes gnad und fried durch Jesum Christum unsern einigen<br />

Heiland neben meinem andechtigen gebet und un<strong>der</strong>thenigen diensten<br />

je<strong>der</strong>zeit zuvor. W olgeborener Graff, gnediger Herr, das Ewer Gnaden<br />

mir meines seligen Brü<strong>der</strong>n nachgelassenen Kin<strong>der</strong>n zu Lüneburg<br />

auff mein voriges un<strong>der</strong>theniges ansuchen einen gnedigen und ernsten<br />

Befehel an E. G. amptman zu Colpin Hansen Drewesen wegen <strong>der</strong><br />

schulden, damit er irem seligen Vatem verhafft gewesen, mitgeteilet,<br />

und an Ihn ergehen lassen, wie Ich auß E. G. Cantzley zettel mir


74 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

zugeschicket vernommen, darfür bin Ich E. G. in un<strong>der</strong>thenigkeit<br />

dankbar, weiß aber noch nicht eigentlich, was solcher befehl geschaffet,<br />

bin dennoch guter Hoffnung, er werde obgemelten meinen<br />

Verwanten ersprießlich gewesen sein.<br />

Uns sol ferner E. G. un<strong>der</strong>thenig nicht verhalten, das vorgestern die<br />

froeliche und unverhoffte Zeitung von wun<strong>der</strong>barlicher Wi<strong>der</strong>eroberung<br />

<strong>der</strong> gewaltigen Festung Raab in Ungern alhir ankomen, und die Rom.<br />

Kay-Ma. solche zeitung im eigenen schreiben und bey eigener Post<br />

an unsern gnedigen Landesfürsten und Hern Hertzog Ulrichen zu<br />

Mecklenburg gelangen lassen, welches schreibens copieen Ich heute<br />

von Hoffe bekomen, und E. G. hirneben un<strong>der</strong>thenig zuschicke. Von<br />

den particularibus hat erwenter Postreuter mir so viel mündlich berichtet,<br />

das <strong>der</strong> Herr von Schwartzenburg auff die Türcken, so auß<br />

Raab proviant halber von Stulweißenburg zu holen abgefertigt waren,<br />

kundtschafft geleget, und in eil ein ziemlich anzahl Kriegsvolck zusamen<br />

gebracht, denselbigen in vier hauffen geteilet, und in großer stille auff<br />

die pesse geordnet, da dan die Türcken sampt vielen geladenen wagen,<br />

und einem starken geleide unter geraten, und also ein hartes treffen<br />

geschehen, darinn die Türcken alle auffs Haupt erleget worden.<br />

Darauff sollen die Christen <strong>der</strong> erschlagenen Türcken Kleidung angezogen<br />

und sampt den oroviandtwagen nach Raab geeilet haben,<br />

und also an das thor <strong>der</strong> Festung kommen und von den Türcken in<br />

meinung, es wäre ir eigen volck, eingelassen sein. Und wie sie das<br />

thor einbekomen und etwas erkandt worden, haben sich die Türcken<br />

angefangen innen zu wi<strong>der</strong>setzen, da sie die än<strong>der</strong>n thore auch einbekommen<br />

und aussgeschraubet, und entlieh also wie im Schwartzenburgischen<br />

schreiben vermeldet, die Türcken erleget und die Festung<br />

gentzlich eingenommen worden. W ie dan diese und nehere umbstende<br />

bey diesem großen handel wol bald offenbar, auch E. G. bekannt<br />

worden moegen. Habe gleichwol auß un<strong>der</strong>thenigem und v/olmeinendem<br />

gemüt dis E. G. alsbald zu commemorieren nicht unterlassen wollen,<br />

inson<strong>der</strong>heit weil diese gewisse botschafft mir jetzt vorgefallen.<br />

Hochgedachter unser alter loeblicher Landesfürst und Herr1), ist<br />

nun siebenzig jar alt, und dennoch Gott lob wol auff sampt S. F. G.<br />

gemahlin, heit sichere justitia und regiment, und ist son<strong>der</strong>lich S. F. G.<br />

im christlichen ernst und warer unverfaelschter religion und erhaltung<br />

Kirchen und Schulen, <strong>der</strong>selben zu wüntschen, das <strong>der</strong> almechtige<br />

S. F. G. noch lange zeit in gesuntheit und leben gnedig erhalte. Wie<br />

Ich den auch E. G. und <strong>der</strong>selben christlichen und graefflichen ge-<br />

*) Herzog Ulrich zu Mecklenburg.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 75<br />

mahlin, Jungen Hern und Frowlein von Hertzen und in aller un<strong>der</strong>thenigkeit<br />

wüntschen und von Gott bitten thue, E. G. wolle hinfort<br />

wie bisher mein gnediger Herr sein und bleiben.<br />

Datum Rostock den 6. Aprilis Anno 1598.<br />

E. G. un<strong>der</strong>theniger alter diener<br />

Lucas Backmeister D.<br />

8. 8. Oktober 1599<br />

Eigenhändiger Brief von Lucas B. an Johann Graf zu <strong>Oldenburg</strong>:<br />

Wolgeborener Graff und Herr, E. Gnaden sey <strong>der</strong> gnade Gottes<br />

sampt meinem christlichen gebet und un<strong>der</strong>thenigen diensten je<strong>der</strong>zeit<br />

zuvor, Gnädiger Herr bey dieser gewissen Botschafft habe Ich nicht<br />

unterlassen sollen E. G. abermal mit meinem schreiben als <strong>der</strong> alte<br />

diener, weil mich <strong>der</strong> liebe Gott noch die zeit in ziemlicher gesuntheit<br />

und leben erhilt, un<strong>der</strong>thenig zu besuchen und <strong>der</strong>selben mich<br />

zu aller dienstwilligkeit und wuntschung eines langen gesunden<br />

lebens und glückseliger regirung zu praesentiren. W ie Ich den auch<br />

Gott dem almechtigen von hertzen dafür danke, das er E. G. in ihrem<br />

zuwachsenden alter noch bisher so gnediglich gesterket und erhalten,<br />

zu seines namens ehren und E. G. hertzliebsten gemahlin, jungen Hern<br />

und Frowlein zu trost und frewden, und allen un<strong>der</strong>thanen zu fried,<br />

heil und wolfart. Derselbige trewe Gott wolle solches auch ferner nach<br />

dem reichtumb seiner gnaden thun, laut seiner Verheißung: Ich wil<br />

euch tragen bis ins alter, und bis ihr graw werdet, Ich wil es thun,<br />

Ich wil heben, tragen, erretten und selig machen.<br />

So ist mir auch, gnediger Herr, ser angenem gewesen, zu vernemen,<br />

das E. G. Kirchen mit einem gelarten, gotfürchtigen, tüchtigen<br />

und reiner Lere zugethanen und erfarenen Superintendenten D.<br />

Daniele Stangio wi<strong>der</strong> versorget sein. Und bin des in guter Zuversicht,<br />

das <strong>der</strong> Son Gottes, <strong>der</strong> solch gute werck durch ordentliche<br />

mittel angefangen hat, <strong>der</strong> wirds auch volenden, und zu seinem lob<br />

und ehren, und E. G. Kirchen zu heilsamer erbawung, und erhaltung<br />

gotliches friedes und Wahrheit hinfort regieren. W eil Ich auch berichtet<br />

werde, das E. G. ein schönes Chronicon1) von <strong>der</strong>o Graff und<br />

*) Gemeint ist: Hermann Hamelmanns „<strong>Oldenburg</strong>isch Chronicon, d. i.<br />

beschreibung <strong>der</strong> löblichen und uralten Grafen zu <strong>Oldenburg</strong> und Delmenhorst",<br />

1599. — Um den Druck <strong>der</strong> Chronik zu bewerkstelligen, ließ Graf<br />

Johann eine eigene Druckerei errichten und das W erk mit vielen Kupferstichen<br />

und Holzschnitten versehen. Hamelmann, <strong>der</strong> am 26. Juni 1595 das<br />

Zeitliche gesegnet hatte, erlebte selbst den Druck nicht mehr. Seine Handschrift<br />

wurde durch den gräflichen Rat Anton Herings überarbeitet und


76 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Herschaften habe sollen und zu Druck verfertigen lassen, darinne<br />

viel alter denkwürdiger Historien auch von mehren umbligenden<br />

Län<strong>der</strong>n begriffen sein sollen, und Ich dasselbige noch zur zeit<br />

nicht gesehen o<strong>der</strong> sonst bekomen kann, als ist meine un<strong>der</strong>thenige<br />

und ganz unbescheidene bitte, E. G. wolle mir gnediglich ein Exemplar<br />

zukomen lassen und verehren, und da es E. G. nicht beschwerlich, zu<br />

eigener Hand darinnen verzeichnen, damit Ichs zu imer gedechtniß<br />

von E. G. als meinem alten und inson<strong>der</strong>s gnedigen lieben Herrn zu<br />

meiner geringen Bibliotheken haben und auff meine Kin<strong>der</strong> erben<br />

möge, welches ich dan für eine beson<strong>der</strong>s gnedige wolthat annemen,<br />

und mit meinem gebet und un<strong>der</strong>thenigen diensten gern hinwi<strong>der</strong><br />

verschulden will.<br />

Es weiss sich auch E. G. zweiffels ohn noch gnedig zu erinnern,<br />

das Ich hiebevor [?] bey E. G. un<strong>der</strong>thenige ansuchung gethan, wegen<br />

<strong>der</strong>oselben Amptman zu Colpin im Lande zu Sachsen Hans Drewesen,<br />

<strong>der</strong> meines seligen Brü<strong>der</strong>n Marcus Backmeistern nachgelassenen<br />

Kin<strong>der</strong>n noch mit etlichen schulden verhafftet und doch in <strong>der</strong> bezalung<br />

ser nachlessig ist. Worauff dan E. G. damals Ihm zu schleuniger<br />

Bezalung gnedig verwarnet, darfür E. G. Ich un<strong>der</strong>thenig danke.<br />

W eil er aber E. G. befehl noch bisher nicht gentzlich pariret, son<strong>der</strong>n<br />

jedoch meinen Verwanten noch 285 mark lübisch schuldig, und sie<br />

solches gelts hoch benötiget, als bitte Ich irenthalben abermals in<br />

un<strong>der</strong>thenigkeit E. G. wolle Ihm nochmaln die volle bezahlung ihnen<br />

mit dem för<strong>der</strong>lichsten zuthun ernstlich befhelen, mir auch diese<br />

dreiste und doch un<strong>der</strong>thenige anmutung gnedig zu gute halten. Solches<br />

neben än<strong>der</strong>n von E. G. mir bezeigten und vielen gutthaten bin<br />

Ich die zeit meines Lebens in aller un<strong>der</strong>thenigkeit zu rhümen und<br />

zu verdienen erbetig und schuldig. Und thue hiemit E. G. sampt <strong>der</strong>o<br />

Graffliche und christlich Gemahlin, Jungen Hern und Frowlein dem<br />

schütz und schirm des almechtigen newlich und un<strong>der</strong>thenig zu befehlen.<br />

Datum Rostock den 8. octobris A o 1599.<br />

E. G. un<strong>der</strong>theniger alter diener<br />

Lucas Backmeister D.<br />

Dem wolgeborenen Hern Hern Johan Graffen zu<br />

<strong>Oldenburg</strong> und Delmenhorst, Herrn zu Jevern und Kniphausen,<br />

meinem gnedigen Herrn,<br />

geradezu gefälscht. Der echte, unverfälschte Hamelmann wird jetzt nach<br />

<strong>der</strong> HS. A (im Staatsarchiv <strong>Oldenburg</strong>) durch Prof. Dr. G. Rüthning neu<br />

herausgegeben und als 1 . Band <strong>der</strong> <strong>Oldenburg</strong>ischen Geschichtsquellen erscheinen.<br />

Es ist zugleich eine Fortführung von Hamelmanns Geschichtlichen<br />

Werken, hgg. von <strong>der</strong> Hist. Kommission <strong>der</strong> Provinz Westfalen.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 77<br />

Anhang:<br />

Politische Nachrichten an den Herzog Johann d. J.<br />

von Schleswig-Holstein 1581—1603.<br />

9. 5. Januar 1581<br />

Eigenhändiger Brief von L. B. d. Ä. an den Fürsten Johann den<br />

Jüngeren von Schleswig-Holstein.<br />

Dem durchleuchtigen Hochgeborenen Fürsten und Hern Hern<br />

Johansen den Jüngeren, Erben zu Norwegen, Hertzogen zu Schleswick,<br />

Holstein, Stormarn und <strong>der</strong> Ditmarschen, Grafen zu <strong>Oldenburg</strong><br />

und Delmenhorst, meinem gnedigen Fürsten und Hern.<br />

Durchleuchtiger Hochgeborner Fürst; E. F. G. sey die gnade<br />

Gottes neben meinem christlichen gebet und un<strong>der</strong>thenigen diensten<br />

zuvor. Gnediger Herr, nachdem Ich ihm negstverschienenen monat<br />

November durch Gottes gnedige erhaltung und schütz wi<strong>der</strong>umb auß<br />

Österreich mit glück und gesuntheit anheim zu den meinen komen,<br />

hab Ich erfaren, das E. F. G. durch Ihren Sekretarien den Erbarn und<br />

wolgelarten Peter Gandelfingern Ihren gnedigen grüß mir zuerbieten<br />

lassen und daneben mit einer halben tonne wiltpret gnedig verehret<br />

hatten. Bin <strong>der</strong>halben hierüber wie billig erfrewet und thu mich in<br />

un<strong>der</strong>thenigkeit gegen E. F. G. bedanken, das E. F. G. meiner wie<br />

eines alten dieners noch ihmerzu in gnaden gedenck sein, und ihre<br />

gnedige Zuneigung mit statlichen Verehrungen erzeigt. Welches Ich<br />

mit meinem armen gebet und un<strong>der</strong>thenigen diensten gerne hinwi<strong>der</strong><br />

verzählen wil.<br />

Was aber, gnediger Fürst und Herr die sachen belanget, darumb Ich<br />

in Österreich beruffen und verreiset gewesen, erachte Ich, das E. F. G.<br />

davon gerne und in gnaden einen grüntlichen Bericht von mir vernemen<br />

werden. Und erhelt demnach also, das Kaiser Maximilianus hochlcblichster<br />

gedechtnuß den beiden Ständen von Herren und Ritterschaft ihm<br />

Ertzhertzogthumb Österreich unter <strong>der</strong> Enns für zwölf Jaren1) das exercitium<br />

religionis nach <strong>der</strong> Augspurgischen Konfession in ihren Stedten,<br />

Marckten, Schlossern, Heusern, Kirchen so unter Ihrem iure patronatus<br />

belegen, für sie, ihre Frawen, Kin<strong>der</strong>, gesinde und an<strong>der</strong>e angeherigen<br />

gnedig vergönnet, und <strong>der</strong>etwegen von Ihnen eine große ansehnliche<br />

Summa etlicher tonnen golds angenommen. Und ist damals mit bewilligung<br />

und zuthun I. Key. Ma(jestät) <strong>der</strong> Herr Doctor David Chytraeus<br />

*) Die sog. „Religionskonzessionen" von 1568 (bzw. die „Assekuration"<br />

von 1571) Maximilians II. (1564— 1576).


78 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

von obgedachten beiden Stenden zu anrichtung und bestellung des<br />

Kirchenwesens nach <strong>der</strong> Form dieser und an<strong>der</strong>er Kirchen, so <strong>der</strong><br />

Augspurgischen Konfession verwant, von hinnen in Österreich gefor<strong>der</strong>t<br />

und desselbigen werckes fundament erstlich geleget, darauff<br />

hernach die österreichischen Kirchen durch Gottes gnedigen segen<br />

weiter erbawet und außgebreitet worden. W eil aber kein gewisser<br />

Superintendens, welcher den newen zarten Kirchen mit christlichem<br />

verstand, eiffer und bequemlichkeit vorstunde, alda gewesen, u n d<br />

auch durch vielfeltigen fleiß und n a c h f o r s c h u n g<br />

auß än<strong>der</strong>n ortern nicht hat zuwegen gebracht<br />

werden mögen, ist über etliche zeit allerley unordnung in gedachten<br />

Kirchen erfolget. Und inson<strong>der</strong>heit unter an<strong>der</strong>en diese, das<br />

etliche Prediger, so auß an<strong>der</strong>en ortern erregter streite und Zwiespalt<br />

halber, fürnemlich aber ober dem Anteil von <strong>der</strong> Erbsünd, verwiesen,<br />

wi<strong>der</strong>umb von den Österreichischen Stenden auß noturff und mangel<br />

<strong>der</strong> Predicanten zu dienste bei ihrer Kirchen angenommen sein,<br />

welche zugleich ihre streitige hendel und artikel mit dahin gebracht<br />

und getrieben. Dadurch dan die auslaendische junge Kirchen und<br />

die Zuhörer von fern und un<strong>der</strong>thanen, so noch in <strong>der</strong> lehr nicht wol<br />

und eigentlich gegründet gewesen, nicht weinig verwirret und zu<br />

Zanck, Zweiffel, Irrtum und allerley Unrichtigkeiten gefüret sein.<br />

(Fürnemlich aber ist <strong>der</strong> leidige streit von <strong>der</strong> Erbsünd, ob sie seie<br />

substantia o<strong>der</strong> accidens sey, davon Illyricus erstlich für 20 Jaren<br />

ongefehr zu disputieren angefangen, und hernach er und an<strong>der</strong>e solche<br />

Disputation hin und wi<strong>der</strong> in Deutschland außgesprenget und dadurch<br />

große verlust und ergernis an vielen ortern erreget1).)<br />

Benebens das die Wi<strong>der</strong>sacher unser waren religion, nem lich die<br />

Papistischen, Prelaten, Jesuiten und an<strong>der</strong>e hierauß ursach genomen,<br />

als weren sie in <strong>der</strong> lehre und religionssachen nicht einig und bleiben<br />

nicht bei <strong>der</strong> Augspurgischen C onfession.2)<br />

Derhalben dan Ihre Maj (estät) das exercitium religionis ihnen<br />

nicht unbillich wi<strong>der</strong> entziehen mochten. Den obwol Ihre Maj (estät)<br />

dieser religion nicht gewogen, so hat dennoch I. M. den Stenden bisher<br />

keine Verhin<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> eintrag darinne gethan. Damit aber<br />

solchem verrat und sorglichen zustand <strong>der</strong> österreichischen Kirchen<br />

begegnet und sovil möglich vorgekomen würde, haben die Stende<br />

J) Der eingeklammerte Satz ist von L. B. zwar wie<strong>der</strong> durchgestrichen<br />

worden. Er ist aber für seine freimütige Art so bezeichnend, daß ich ihn<br />

trotz des Streichens wie<strong>der</strong>geben zu sollen glaubte.<br />

2) Zu den Vorgängen vgl. V. Bibi, in: Arch. f. österr. Gesch. Bd. 87/1899.<br />

— J. Loserth, Gesch. d. Ref. u. Gegenref. i. d. innerösterr. Län<strong>der</strong>n (1898)^


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 79<br />

entlieh diese Universitet und Kirchen zu Rostock als reiß, <strong>der</strong> für<br />

ihre Kirchen erstlich durch den Herrn Davidium Chythräum, wie ob-<br />

gemelt, gepflantzet, abermal verbandt und besucht, und durch ihren<br />

abgesandten bey <strong>der</strong>selben sampt meines gnedigen Fürsten und Hern<br />

und des Rahts allhir bewilligung meiner wenigen Person zum Super-<br />

intendentenampt auff drei viertel jar erhalten und in Österreich erlich<br />

holen und fürm jare beleiten lassen. Daselbst ist nach gehaltenen<br />

vielen wichtigen rathschlegen, eine Visitation und Eximination aller<br />

Prediger und Kirchendiener, so den Stenden verwant, nach einer gewissen<br />

kirchlichen und Gottes wort und <strong>der</strong> Augspurgischen Con-<br />

fession gemeßen form in lere, Ceremonien, wandel und dem gantzen<br />

Kirchenwesen an etlichen un<strong>der</strong>scheidenen ortern des landes angestellt<br />

worden. Und daraus erkundet, welche in <strong>der</strong> lehre richtig und<br />

reuig o<strong>der</strong> nicht, und wie es allenthalben mit den personen, aemptern<br />

und zustand <strong>der</strong> Kirchen eine gelegenheit hatte. Und ist darauff<br />

weiter Verordnung geschehen, welcher gestalt ein geistlicher consenß<br />

in reiner lehr und gotseligen erbaulichen Ceremonien unter allen<br />

Predigern gestifftet und erhalten, die mengel gepürlich abgeschafft<br />

o<strong>der</strong> gebessert worden, und die bestellung, aufsicht und regirung <strong>der</strong><br />

Kirchen und Prediger zu gemeinem Fried, wolstand und heilsamer<br />

Fortpflanzung <strong>der</strong> waren religion durch Gottes gnedigen segen hinfort<br />

richtig und beständiglich geschehen mochte. Dabey es auff dismal,<br />

weil Ich wi<strong>der</strong> abreisen müssen, geblieben. Der Almechtige<br />

wolle seine gotliche gnad und gedeien zu dem angefangenen guten<br />

werck geben, das es ferner volfiret und befestiget werde zu seines<br />

heiligen namens ehre und vieler menschen Seligkeit. Es herscht warlich<br />

daselbst <strong>der</strong> Herr Christus mitten unter seinen feinden gewaltiglich<br />

und wun<strong>der</strong>barlich, sein <strong>der</strong> Evangelischen Kirchen, welche den<br />

beiden Stenden angehören, gleichwol fast bey zweihun<strong>der</strong>t, doch also<br />

mit Bapstischen Kirchen, Klöstern und Capellen, so noch alle in<br />

ihrem vorigen wesen und .. sein, hin und wi<strong>der</strong> umgeben, das es billich<br />

einem schaffe, das mitten unter den woelffen sitzet, wie Christus<br />

redet, kan verglichen werden. So sein die Jesuiter und an<strong>der</strong>e Papisten<br />

jetzund in dieser gelegenheit mit <strong>der</strong> hohen oberkeit, unser<br />

religion zum hefftigsten feind, und sucht dieselbigen mit hohester list<br />

und gewalt zu dempffen. Müssen aber dennoch den Hern Christum<br />

mit seinem armen heufflein in seiner regirung bleiben lassen, <strong>der</strong><br />

wirds auch wi<strong>der</strong> ser wol außfüren.<br />

W as sonst den Politischen zustand <strong>der</strong> orter belanget, hab Ich<br />

vermercket, das <strong>der</strong>selbige nicht gar köstlich sey wie auch lei<strong>der</strong>


80 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

allenthalben zu finden in <strong>der</strong> weit. Die Key(serliche) M aj(estät)1) ist<br />

nun ins dritte jar nacheinan<strong>der</strong> zu Prag in Behemen, sol offt schwach<br />

sein und die regirung etwas seltzam zugehen. Die Ungern werden fast<br />

ungeduldig, das Ihre Maj (estät) seither <strong>der</strong> Krönung nicht bei ihnen<br />

gewesen. So warten auch die Österreicher mit großem begir wi<strong>der</strong><br />

auff Ihrer Maj (estät) ankunfft; und beklagen sich großer beschwerung<br />

so auß so langem abwesen Ihrer Maj (estät) ihnen entstehe. In die<br />

Stadt Wien hat Ihre Maj (estät) im negstverschienen monat August<br />

einen hauptman gesetzt, neben dreyhun<strong>der</strong>t knechten, ging die rede,<br />

das noch dreihun<strong>der</strong>t Schweitzer dazu komen sollen, <strong>der</strong> hat alle<br />

thore <strong>der</strong> Stadt in seiner gewalt, bestellet alle morgen und abend die<br />

wache und ist daraus unter <strong>der</strong> burgerschafft ein großer schrecken<br />

worden, zu besorgen, das man etwa zu gelegenheit eine Hispanische<br />

inquisition fürnemen mochte. Den in <strong>der</strong> (Stadt) Strien (?)*) in Österreich,<br />

so Ihrer Maj (estät) immediate unterworffen, wil I. Maj (estät)<br />

die Lutherische lehre öffentlich zu predigen nicht gestatten.<br />

Auff den Ungerischen und Turckischen grentzen ist den negsten<br />

Sommer und Herbst viel zuthun gewesen, und haben die Turcken offt<br />

große ni<strong>der</strong>lag und schaden gelitten, darüber dan <strong>der</strong> Turckische<br />

Keiser ser unmutig seyn sol, und ist wol zu befaren, das, so er mit<br />

dem Persischen König frieden machen würde, wie es dan darauff<br />

stehen sol, folgends ein schwerer einfal in Ungern von den Turcken<br />

geschehen möchte.<br />

Der angesetzte Churfürstentag zu Nürenberg ist von <strong>der</strong> Keis.<br />

Maj. nach vielen Delationen entlieh im außgehenden Oktober gar abgeschrieben<br />

wegen Ihrer Maj. eingefallener Schwachheit, wie umb<br />

dieselbige Zeit, da Ich durch Prag wie<strong>der</strong> hierher gereiset, Ihre Maj.<br />

sich öffentlich in dreien wochen nicht hatte sehen lassen. Man vermeinet<br />

aber, es werde dieselbige zusammenkunfftt noch im künftigen<br />

friling geschehen o<strong>der</strong> ein Reichstag gehalten werden.<br />

Habe dieß E. F. G. in un<strong>der</strong>theniger wolmeinung nicht verhalten<br />

sollen und bitte den Almechtigen trewen Gott von hertzen, er<br />

wolle E. F. G. sampt <strong>der</strong>selben hochloblicher fürstlichen gemahl,<br />

junger Herschafft und frowlein in langwieriger guter gesuntheit und<br />

glücklicher regirung gnediglich erhalten und ein froeliches newes jar<br />

bescheren. Befehle auch E. F. G. mich als den alten trewhertzigen<br />

*) Rudolf II. (1576— 1612) wird hier trefflich gekennzeichnet.<br />

2) Gemeint ist wohl Steyer?


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 81<br />

diener in un<strong>der</strong>thenigkeit, und bitte E. F. G. wolle mein gnediger<br />

Fürst und Herr je<strong>der</strong>zeit sein und bleiben.<br />

Datum Rostock den fünften Januarij A o 1581.<br />

E. F. G.<br />

un<strong>der</strong>theniger diener<br />

Lucas D.<br />

10 26. August 1594<br />

Durchlauchtiger Hochgeborener Fürst, E. F. G. sey die gnade<br />

Gottes sampt meinem christlichen gebet und un<strong>der</strong>thenigen diensten<br />

je<strong>der</strong>zeit zuvor, gnediger tierr, Ich erkenne und rhüme billich mit<br />

un<strong>der</strong>thenigem dankbaren gemüte allerley gnedige und fürstliche<br />

wolthat, so E. F. G. mir von vielen jaren her erzeiget auch<br />

das E. F. G. wie Ich dieselben am negsten zu Reinefeld un<strong>der</strong>-<br />

thenig besucht, solches zu gnedigem gefallen angenommen, und an<br />

irer fürstlichen tafel statliche recreation und an<strong>der</strong>e anzeigung<br />

ires wolgeneigten gemüts gegen meine geringe Person und meinen<br />

Sohn in gnaden beweiset, welches Ich hinwi<strong>der</strong> die zeit meines lebens<br />

gegen Gott für E. F. G. und <strong>der</strong>selben angehörigen gesuntheit und<br />

glückliche wolfart zu verbitten, und mit aller un<strong>der</strong>thenigkeit wie<br />

ein alter getreuer diener zu verschulden eingedenk sein wil. Und<br />

weil E. F. G. Ich damals un<strong>der</strong>thenige Zusage gethan, etliche<br />

Schwedische sachen und an<strong>der</strong>e zeitung mitzuteilen, mir aber bis<br />

auf diese zeit keine gelegenheit solches zu verrichten vorgefallen,<br />

als habe Ich bey dieser botschafft an E. F. G. Probst in Sundewitt<br />

Ern Johan Bemdes, dis weiter nicht einstellen sollen. Und schicke<br />

dem nach E. F. G. hirneben obgemelter Schwedische hendel in latin<br />

gefasset, die E. F. G. wol ins deutsche wirt transferiren lassen, weil<br />

Ichs nicht an<strong>der</strong>er gestalt bekommen können, zudem auch etliche<br />

zeitung auß Ungarn, die zum teil D. Clinge von Regenspurg mitgebracht,<br />

denn er für wenig tagen nach geendigtem Reichstage glücklich<br />

wi<strong>der</strong> heim komen. Bringt aber auch ferner mündliche zeitung,<br />

das <strong>der</strong> Key. Ma(jestät) von den Stenden des Reichs achtzig Monat<br />

contribution Romerzug bewilliget sey, und Ire Ma(jest.) noch wol<br />

bis auff Michaelis zu Regenspurg verharren werde. Und das die<br />

unsern, so an Volck für Gran1) fast schwach geworden, wi<strong>der</strong>umb<br />

4) Alte Stadt an <strong>der</strong> Donau; 1241 von den Mongolen zerstört; 1543<br />

von <strong>der</strong> Türken erobert, in <strong>der</strong>en Besitz bis 1683.


82 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

mit frischem Volck auß Ungarn, Deutschland, Italien und Spanien<br />

entsetzet und ser gesterket sein, und gegen <strong>der</strong> Türcken lager für<br />

Raab auff <strong>der</strong> an<strong>der</strong> seit <strong>der</strong> Donau ligen, und teglich mit einan<strong>der</strong><br />

Scharmützeln, auch willens gewesen sein ein öffentliche Schlacht mit<br />

den Türcken zu halten. Der Graff von Hardig, dessen in dem geschriebenen<br />

nicht fast rhümlich gedacht wirt, und lange bey dem<br />

Kriegsvolck verdacht gewesen, ist nun entlieh zu Raab, da er sonst<br />

Kayserlicher Oberster gewesen, mit seiner verräterey offenbar worden,<br />

durch einem auß dem Türckischen lager entrunnen, <strong>der</strong> ihm zuvor<br />

von <strong>der</strong> Finanzkasse wegen etliche tausent Ducaten zugestellt hatte,<br />

die belagerung für Gran aufzuheben, und die Christen ubel anzufüren,<br />

bis die Türcken sich genug gesterket hatten. Ist <strong>der</strong>wegen<br />

nun verstrickt, und ist <strong>der</strong> Ungarische Herr Palffy auch mit in <strong>der</strong><br />

verräterey gewesen und hat sich davon gemacht. So verwaltet jetzundt<br />

das Feldmarschalckampt Hertzog Frantz von Lowenburg, und stehen<br />

alle sachen nun Gottlob in besten vertrawen und zustandt.<br />

Der König zu Polen und Schweden1 ist zu Dantzigk mit vielen<br />

schiffen und volck ankomen, liget noch wol daselbst, und sol in die<br />

6000 Man bey sich haben, darvon doch nur 2000 von den Dantzigern<br />

in die Stadt gelassen sein, haben auch für sich Kriegsvolck angenomen,<br />

halten starcke wacht, und besorgen sich allerley. Was aber<br />

<strong>der</strong> König und die Polen im sinne und fürgenomen haben, wirt man<br />

bald erfaren.<br />

Thu hirmit E. F. G. sampt <strong>der</strong>selben fürstlichen gemahlin, Jungen<br />

Hem und Frowlein dem gnedigen schütz des almechtigen und mich<br />

zu <strong>der</strong>selben gnaden un<strong>der</strong>thenig befehlen.<br />

Datum Rostock d. 26. Augusti Anno 1594.<br />

E. F. G.<br />

Un<strong>der</strong>theniger alter Diener<br />

Dem Durchlauchtigem Hochgeborenen Fürsten<br />

und Hern, Hern Johansen Erben zu Norwegen,<br />

Hertzogen zu Schleswick, Holstein, Stormarn und<br />

<strong>der</strong> Ditmarschen, Graven zu <strong>Oldenburg</strong> und Delmenhorst,<br />

meinem gnedigen Fürsten und Hern.<br />

L.<br />

Sigismund III. Wasa, ein Jesuitenzögling.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 8 5<br />

11. • 25. August 1600<br />

Durchlauchtiger Hochgeborner Fürst, E. F. G. wünsche Ich die<br />

gnade Gottes neben erbietung meines andechtigen gebets und un<strong>der</strong>-<br />

thenigen diensten je<strong>der</strong>zeit zuvor. Gnediger Herr. Ob Ich wol eine zeit<br />

hero an E. F. G. nicht geschrieben, auch keine son<strong>der</strong>liche Ursache<br />

und Gelegenheit zu schreiben gehabt, so bin und bleibe Ich dennoch<br />

E. F. G. alter und un<strong>der</strong>theniger diener, weil Ich lebe und erkenne<br />

mit danckbarem gemüt E. F. G. gegen meine wenige Person fürstliche<br />

und gnedige gewogenheit von vielen jaren her, neben vielen gutthaten<br />

E. F. G. mir beweiset hat. Und bitte den allmechtigen Gott, er wolle<br />

es E. F. G. hinwi<strong>der</strong> reichlich vergelten, und dieselbe noch lange<br />

zeit in guter fürstlicher gesundheit, Krefften und leben erhalten<br />

sampt allen den Irigen. Was meine Person angeht, nimpt das<br />

alter teglich mehr mit mir zu, und macht mich beschwerlicher und<br />

schwaecher, danke aber dennoch meinem Gott, das er mir soviel<br />

Krafft verleiht, das Ich meines Amptes in Kirchen und Schulen<br />

noch ziemlich maßen warten kan.<br />

Von Zeitungen auß än<strong>der</strong>n Orten wirt nur wenig mehr hir gedruckt,<br />

seit Her D. David Chytraeus1) seliger verstorben ist, jedoch<br />

bekomen wir noch zur zeit wol offtmals allerley und vernemen<br />

jetzo, das es in Ungern noch gef erlich zustehe, und die getroffene<br />

Handlung mit dem Botschay2) und den Rebellen wi<strong>der</strong> in zweiffel<br />

kome. So sind die Türcken auch mutig, wollen sich nicht leicht zum<br />

frieden bequemen ohne mit großen unleidlichen conditionen, weil sie<br />

sehen, das <strong>der</strong> Keiser mit dem Kriegsvolck nicht wol versehen und<br />

sich ihrer nicht erweren kann. Gleichwol fert <strong>der</strong> Persianer noch<br />

immer fort wi<strong>der</strong> die Türcken, hat auch die Armenier zum abfal und<br />

rebellion gebracht und den Bassa von Alepo, das in Syrien liget,<br />

also das <strong>der</strong> türckische Keyser daselbst genug zu thun und zu wehren.<br />

In <strong>der</strong> Moskaw stehet es auch noch seltsam zu. Man sagt gewißlich<br />

das <strong>der</strong> Demetrius todt sey, und großer streit sey wegen<br />

eines an<strong>der</strong>en Großfürsten.3) So ist auch große Uneinigkeit in Polen<br />

zwischen dem Könige und den fürnemsten Waiwoden und Ritterschaft.<br />

Im negsten Monat Septembri wirt Hertzog Carol4) zu einem<br />

König in Schweden gekrönt werden.<br />

*) Chytraeus starb am 25. Juni 1600. Lucas B. hielt die Leichenrede.<br />

s) Stephan Bocskay, ein siebenbürgischer Edelmann, hielt zu den<br />

Türken.<br />

3) Boris Godunow (1598— 1605) hatte schon 1591 den Zarewitsch Demetrius<br />

ermorden lassen. Es tauchte nun <strong>der</strong> „fasche" Demetrius auf.<br />

4) König Karl IX., Herzog von Sü<strong>der</strong>manland.


84 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Im Fürstentum Braunschweig ists nun stille, und ist die streitige<br />

sache von dem Nie<strong>der</strong>sächsischen Kreyse, <strong>der</strong> in Goßlar in diesem<br />

Monat versamlet gewesen, an die Kay. Ma. wi<strong>der</strong> verschoben worden,<br />

Commissarien zur gütlichen handlung zu verordnen. Dennoch hat<br />

die Stadt Brunschweig in die 500 Reuter und 2000 Man zu fuß zu<br />

irem schütz, halten sich aber stille und haben gute wacht, ist auch<br />

kein mangel in <strong>der</strong> stadt an Proviant und an<strong>der</strong>er notdurft, wie<br />

D. Clinge, <strong>der</strong> mit auff dem Kreystage und in <strong>der</strong> Stadt gewesen,<br />

berichtet.<br />

Dieser Orten ists Gott lob stil, und hat uns Gott eine reiche<br />

überflüssige Erndte an allerley Früchten gegeben, dafür wir Ihm<br />

billich von Hertzen dancken. Thu hirmit E. F. G. sampt <strong>der</strong>o Christlich<br />

und Fürstlich Gemahlin, Jungen Hern und Frowlein <strong>der</strong> gnaden<br />

und schütz des Almechtigen in un<strong>der</strong>thenigkeit empfelen.<br />

Datum Rostock den 25. Augusti A o 1600.<br />

E. F. G. un<strong>der</strong>theniger alter diener<br />

I<br />

Lucas Backmeister D.<br />

Dem Durchlauchtigen Hochgeborenen Fürsten und<br />

Hern Hern Johans, Erben zu Norwegen, Hertzog zu<br />

Schleswick, Holstein, Stormarn und <strong>der</strong> Dithmarschen,<br />

Graven zu <strong>Oldenburg</strong> und Delmenhorst, meinem gne-<br />

digen Fürsten und Hern.<br />

12. 8. Dezember 1600<br />

An Herzog Johansen zu Holstein.<br />

Durchlauchtiger Hochgeborener Fürst, E. F. G. seien meine un<strong>der</strong>-<br />

thenigen dienste und andechtiges gebett mit wünschung <strong>der</strong> gnade<br />

Gottes und glücklicher regierung je<strong>der</strong>zeit zuvor, Gnediger Herr,<br />

E. F. G. überschicke Ich un<strong>der</strong>thenig zwey gebundene Exemplare <strong>der</strong><br />

Leich- und Trostpredigt, so Ich jüngsthin bey <strong>der</strong> Fürstlichen Leichenbestattung<br />

des weiland auch Durchlauchtigen Hochgeborenen Fürsten<br />

und Hern Hern Sigismundi Augusti Hertzogen zu Mecklenburg christmil<strong>der</strong><br />

und löblicher gedechtniß zu Schwerin gehalten, wovom E. F. G.<br />

das eine Exemplar <strong>der</strong>o Fürstlichen Gemahlin meiner auch gnedigen<br />

Fürstin und Frawen meinetwegen zu überantworten in gnaden unbe-<br />

schweret sein wollen. Und bitte daneben un<strong>der</strong>thenig E. F. G. sampt<br />

hochgedachter E. F. G. Gemahlin wolle diesen meinen un<strong>der</strong>thenigen


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 85<br />

und geringen willen in gnaden auff und annehmen, und den christlichen<br />

ernst in solcher Predigt, auß Gottes heiligem wort vorgetragen,<br />

nach den gaben die Gott damals mir verliehen hat, zur erquickung<br />

irer seelen mit gebrauchen. Deren er allen fromen Christen so wol<br />

hohen als niedrigen standes, die sich für sterbliche Menschen achten,<br />

und auff ires Leibes seliger erlösung warten, wol vonnoten ist.<br />

Was den, gnediger Fürst und Herr, <strong>der</strong> Zeitung aus Ungarn belanget,<br />

sein die dortigen Zeit nicht gar gut. Denn die Türken sollen<br />

die gewaltige Festung Canische1), so ein Schlüssel zur Steiermark ist,<br />

eingenommen und in die siebentausend Man von dem Keyserlichen<br />

hauffen, die es entsetzen wollen, erleget haben, ohne das sie in <strong>der</strong><br />

Steiermark mit brennen, rauben, morden und viel tausend gefangenen<br />

wegzufüren mercklich großen schaden gethan. Das auch wol billig<br />

für eine straffe Gottes zu halten, wegen <strong>der</strong> grausamen tyranney und<br />

Verfolgung, so <strong>der</strong> junge Ertzhertzog Ferdinandus mit seinen Jesuitern<br />

in <strong>der</strong> Steiermark von zeithero wi<strong>der</strong> die Evangelischen geubet.<br />

In Lifflandt ferrt Hertzog Carol zu Schweden mit seinem Kriegswesen<br />

noch imer fort, nimpt ein hauß und stadt nach <strong>der</strong> än<strong>der</strong>n ein,<br />

und sol in die 40000 man stark sein, das sich auch Georg Farnsebeck[?]<br />

sampt des Königes zu Polen Kriegsvolk sich gegen ihn nicht setzen<br />

darff. Doch hat er gegen die Stadt Riga noch bisher nichts thetliches<br />

vorgenomen, son<strong>der</strong>n nur an sie geschrieben, das sie sich ires gemuts<br />

gegen ihn erkennen solten.<br />

Thue hirmit E. F. G. sampt <strong>der</strong>o Fürstlichen und Christlichen<br />

Gemahlin, jungen Hern und Frowlein zu langwiriger Fürstlicher ge-<br />

suntheit und glücklicher regirung un<strong>der</strong>thenig.<br />

Datum Rostock den 8. Decembris A o 1600.<br />

E. F. G. un<strong>der</strong>theniger alter diener<br />

Lucas Backmeister D.<br />

Dem Durchlauchtigen Hochgeborenen Fürsten und Hern, Hem<br />

Johansen, Erben zu Norwegen, Hertzogen zu Schlesswigk, Holstein,<br />

Stormarn und den Dithmarschen, Graffen zu <strong>Oldenburg</strong>k und Delmenhorst,<br />

meinem gnedigen Fürsten und Hern.<br />

*) Kanisza, früher die zweite Festung Ungarns, spielte in den Türkenkriegen<br />

des 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts eine wichtige Rolle. Im Jahre 1702<br />

wurde sie geschleift. Sie lag zwischen <strong>der</strong> Donau u. dem Plattensee.


86 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

13. 9. November 1601<br />

A d Dn. Johanem ducem Holsatice.<br />

Durchlauchtiger Hochgeborner Fürst, E. F. G. sey die gnade<br />

Gottes sampt meinem andechtigen gebett und un<strong>der</strong>thenigen diensten<br />

je<strong>der</strong>zeit zuvor. Gnediger Herr bey dieser abermal vorfallen<strong>der</strong><br />

gelegenheit habe Ich nicht unterlassen sollen, E. F. G. mit meinem<br />

schreiben un<strong>der</strong>thenig zu besuchen, und was für neuliche Zeitung mir<br />

zugekomen, E. F. G. auch in un<strong>der</strong>thenigkeit mitzuteilen, weil Ich<br />

vermercke, das E. F. G. hiran ein gnediges gefallen tragen. Das nun<br />

das christliche Kriegsvolck die gewaltige Festung und berumbte<br />

Stadt Stulweißenburgk in Ungern mit stürmen<strong>der</strong> Handt eingenommen,<br />

das ist gewis. Und was sich dabey particulariter zugetragen hat,<br />

E. F. G. auf bey verwaretem druck weiter zu vernemen. Und obwol<br />

<strong>der</strong> Bassa von Ofen mit einem ansehnlichen Volck hernach dahin<br />

gezogen, in meinung die unsern unversehens zu uberfallen und die<br />

Festung wi<strong>der</strong> einzunemen, so haben doch die unsern ire sachen auch<br />

in guter acht gehabt, sein ihm begegnet, und haben die Victoria<br />

gegen die Türcken erhalten und ist <strong>der</strong> Bassa selbst sampt seinem<br />

Sohn auch geblieben, <strong>der</strong>en Kopffe dem Keyser sollen zugeschickt<br />

sein. So wirt Canische auch noch hart belagert von Ertzhertzogen<br />

Ferdinand Fürsten in <strong>der</strong> Steiermarck, zu welchem auch das an<strong>der</strong><br />

Kriegsvolck, so von Stulweißenburg hat abziehen können, gestoßen.<br />

Hoffen also auch diese berumbte Festung so vorm jare verloren wart,<br />

wi<strong>der</strong>umb zu erobern. In Siebenbürgen hat <strong>der</strong> Keyserliche Oberste<br />

Georg Basta sein Kriegsheer noch beyeinan<strong>der</strong> und das meiste wi<strong>der</strong><br />

eingenommen. Der Bathori1) hat sich auß Polen etwas wi<strong>der</strong> gestreckt,<br />

und auch <strong>der</strong> Türcken hülffe bey sich, darüber sie vielleicht wi<strong>der</strong><br />

an einan<strong>der</strong> körnen werden. Der Keyser hat den Herrn Petz an den<br />

Babpst zu Rhom geschicket, bey im anzuhalten, das er sein Kriegsvolck,<br />

so in die 8000 stark sein sol, in Croatien und Ungern muge<br />

wintern lassen, damit man gegen den froling es desto ehr ins feit<br />

bringen könne. Der rebellische Cantzier in Asia minori, das die<br />

Turcken jetzt Natolien heißen, ferrt noch imer fort, hat nu(n) zum<br />

drittenmahl den Mahomet Bassa mit seinem Krigsvolcke, das wi<strong>der</strong> ihn<br />

vom Turckischen Keyser geschickt war, geschlagen. So ist <strong>der</strong> Persische<br />

König ihm auch noch zuwi<strong>der</strong>, das also Gott ihm viele Feinde<br />

erwecket, darumb er auch nu(n) ein gantz jar umb Friede mit unserm<br />

Keyser hat handeln lassen.<br />

*) Siegmund Bathory, 1572— 1602 Fürst von Siebenbürgen.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä. 87<br />

Hertzog Carol zu Schweden ist den 16. September von <strong>der</strong> beiagerung<br />

<strong>der</strong> Stadt Riga wi<strong>der</strong> abgezogen, wie er erfaren, das <strong>der</strong><br />

Polnische Großkantzier mit einem großen volck vorhanden were.<br />

Es ist aber newlich Zeitung hir angekomen von <strong>der</strong> Memel und<br />

an<strong>der</strong>en orten in Preußen, das die Polden geschlagen sein sollten.<br />

So wirt auch hir ausgegeben, das Hertzog Carol jetzt selbst in<br />

Schweden sey. Dahin dan viel Volcks zu Roß und Fuß, so in diesen<br />

Stedten zusammen leufft, geschiftet werden soll auf Labmar [?]. Hir<br />

liegen schon etliche tage viele Reuter, komen teglich noch mehr.<br />

Derer Oberster ist Hertzog Augustus zu Sachsen, Hertzog Frantzen<br />

zu Lowenburg Sohn, dessen man hir stündtlich erwartet. Die negsten<br />

Sturme haben in <strong>der</strong> See großen schaden gethan, und feilet <strong>der</strong><br />

winter jetzt hart ein, das es noch beschwerlich sein wirt, dis Volck<br />

wol über die See zu bringen. Heut für acht tagen ist die Huldigung<br />

des jungen Hertzogen zu Pommern Philippi Julij zum Stralsunde<br />

prechtig gehalten, dabey Hertzog Bugslaff E. F. G. Herr Eidam<br />

sampt S. F. G. Gemahlin und jungen Herrn auch gewesen.<br />

Unser alter gnediger Herr und Landsfürst Hertzog Ulrich ist<br />

Gott lob noch wol auff. Thue hirmit E. F. G. sampt <strong>der</strong>o Fürstlichen<br />

Gemahlin, jungen Herrn und Frowlein dem gnedigen schütz<br />

des almechtigen zu glücklicher regirung und langer gesuntheit un<strong>der</strong>thenig<br />

befehlen.<br />

Datum Rostock den 9. Novembris A o 1601.<br />

E. F. G.<br />

Postscripta,<br />

un<strong>der</strong>theniger alter diener<br />

Lucas Backmeister D.<br />

Gnediger Fürst und Herr, neben <strong>der</strong> beyverwareten zeitung auß<br />

Hamburg, kumpt sonst zeitung von Erdebebungen, so zu Zürich im<br />

Schweitzerlande und auch zu Tübingen neulich geschehen sein. So<br />

habe auch <strong>der</strong> negste regen umb weinachten den sehne in den gebirgen<br />

erweichet, das eiß gelinde gemacht und dadurch große Wasserflut<br />

erreget, das die Elbe, Weser und an<strong>der</strong>e große wasser hir außgebrochen,<br />

und unseglichen schaden hin und wi<strong>der</strong> gethan, viel<br />

brücken und mülen eingerissen, viel leute und viehes erseuffet. Zu<br />

Dreßden ist umb die zeit eine große brunst in <strong>der</strong> nacht entstanden,<br />

und das churfürstliche wagenhauß, das auch voller pechkrentz gelegen,<br />

gantz abgebrandt sampt den wagen, und ist das große herrliche<br />

Zeughauß kümmerlich veroetet. Der junge Churfürst ist damals zu


88 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Torga1) auffm Landtage gewesen, und haben sich hin und wi<strong>der</strong> zu<br />

anfang dieses newen jares viel traurige feile und hendel zugetragen.<br />

Der Ertzhertzog Ferdinand, Herr in <strong>der</strong> Steiermarck hat die belagerung<br />

<strong>der</strong> Festung Canische in Ungern mit schänden und großem<br />

Verluste seines Volkes, aller artilerey, geschützes und rüstwagen,<br />

darauff auch seiner und des Hertzogs zu Mantua silberkamer gewesen,<br />

im verschienen November verlassen, da erstlich ein großer<br />

regen alda gefallen und darauff ein ser harter frost erfolget, darüber<br />

viel menschen und Roß erfroren. Die Jesuiter, denen gedachter Ertzhertzog<br />

sehr zugethan, und <strong>der</strong> die große Verfolgung, so in denen Len<strong>der</strong>n<br />

ein jar an<strong>der</strong> jar wi<strong>der</strong> die Evangelischen ergangen, gestiftet,<br />

haben diesem jungen Herrn die gewisse victoria und eroberung <strong>der</strong><br />

Festung versprochen, sofern er eitel katholische Kriegsleute und keine<br />

Lutherische zu diesem Kriege brauchen würde, wie er dan auch gethan,<br />

und meistenteils Italianer sampt dem Hertzoge zu Mantua neben<br />

Brierischen [?] Soldaten darfür gehabt. Ist aber diese große und<br />

gewisse Vertröstung auch zu schänden worden, und haben nun die<br />

Türcken auß Canische einen freien strich in Steier und an<strong>der</strong>e benachbarte<br />

Len<strong>der</strong>,<br />

11. Januar A o 1602. (Ohne Unterschrift.)<br />

14. 6. Juli 1603<br />

„ A d Ducem Holsatiae Johannem.“<br />

Durchleuchtig Hochgeborner Fürst. E. F. G. wünsche Ich die<br />

gnade Gottes sampt erbietung meines andechtigen gebets und un<strong>der</strong>thenigen<br />

dienste zuvor. Gnediger Herr. Nachdem Ich vernomen, das<br />

eine zeitlang auff E. F. G. ampt Arrnsböcken2) meines Brü<strong>der</strong>n Sohn<br />

Wilhelm Backmeister für einen Korn o<strong>der</strong> Un<strong>der</strong>schreiber gewesen,<br />

und seines dienstes mugliches Vleißes gewartet, als habe Ich nicht<br />

unterlassen können wegen <strong>der</strong> so nahen Verwantniß auch auff seine<br />

bitte ihm die un<strong>der</strong>theniges Promemorialschreiben an E. F. G. mitzuteilen,<br />

damit E. F. G. ihm auch umb meinertwillen, als eines alten<br />

dieners noch mit mheren gnaden möchte gewogen werden, und gnedige<br />

Beför<strong>der</strong>ung thue, das er auff verfallende gelegenheit zu etwas<br />

mehrerer Verwaltung gnedig gesetzt und dadurch in bessern verdienst<br />

und Unterhaltung komen moechte. W ie Ich dan auch hierumb gantz<br />

*) Torgau.<br />

3) Am t Ahrensbök i. Holst.


8 Briefe von D. Lucas Bacmeister d. Ä.<br />

un<strong>der</strong>thenig bitten thue in un<strong>der</strong>theniger Hoffnung E. F. G. werde hiriner<br />

mich und ihn erhören, und so etwan eine veren<strong>der</strong>ung mit E. F. G.<br />

Schreibern auff den Emptern geschehen würde, dieses meines Vettern<br />

in gnaden geruhen, und ihn für einen än<strong>der</strong>n gnediglich beför<strong>der</strong>n.<br />

Zweiffel auch nicht er würde sich auff den Fal auch aller un<strong>der</strong>theniger<br />

gebür und trewe in solchem dienste gegen E. F. G. erzeigen,<br />

und bin Ichs auch gegen E. F. G. mit meinem gebet und stets un<strong>der</strong>thenigen<br />

und willigen diensten hinwi<strong>der</strong> zu verschulden erbotig. Und<br />

thue hirmit E. F. G. sampt <strong>der</strong>o Christlichen und Fürstlichen Gemahlin,<br />

Jungen Hern und Frowlein dem gnedigen schütz des Almechtigen<br />

zu glücklicher regirung und langer gesuntheit un<strong>der</strong>thenig<br />

befehlen.<br />

Datum Rostock den 6. Juli 1603.<br />

E. F. G.<br />

Un<strong>der</strong>thenig alter Diener<br />

L. B.


Übersicht <strong>der</strong> Quellen zur Sippenkunde<br />

in <strong>der</strong> <strong>Oldenburg</strong>ischen <strong>Landesbibliothek</strong><br />

1936<br />

Mitgeteilt von Hans Wagenschein


Übersicht <strong>der</strong> Quellen zur Sippenkunde 91


92 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939


Übersicht <strong>der</strong> Quellen zur Sippenkunde


94 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939


Storchbeobachtungen im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Lande 1938<br />

Von Richard Tantzen<br />

1. Ankunft<br />

Über die Rückkehr <strong>der</strong> Störche im vergangenen Jahre aus Afrika<br />

ist in den „Storchbeobachtungen 1937“ (Nr. 2 Heimatkunde, Heimatschutz<br />

vom 6. Februar 1938, 3. Beilage <strong>der</strong> <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Nachrichten<br />

berichtet worden. Es wurde festgestellt, daß die Ankunft <strong>der</strong><br />

Störche aus dem afrikanischen Winterquartier sich 1937 ganz wesentlich<br />

verzögert hatte, so daß nicht weniger als ein Drittel <strong>der</strong> Vögel,<br />

<strong>der</strong>en Rückkehr zur Beobachtung und Meldung gelangte, erst im Monat<br />

Mai heimkehrte, während im Jahre 1936 bereits die Hälfte <strong>der</strong> gemeldeten<br />

Störche bis zum 31. März in die Heimat zurückgekehrt war. Die<br />

Ursache dieser verspäteten Rückkehr eines großen Teils des Storchbestandes<br />

hat nicht befriedigend geklärt werden können. Dr. Schüz. <strong>der</strong><br />

Leiter <strong>der</strong> Vogelwarte Rossitten, hat versucht, durch umfangreiche und<br />

eingehende Berichte aus Afrika diesen Vorgang aufzuhellen. Er kam zu<br />

dem Ergebnis, daß die entscheidende Ursache für den vollständigen Verlust<br />

eines Teils und die späte Rückkehr eines an<strong>der</strong>en Teils des Storchbestandes<br />

noch auf <strong>der</strong> südlichen Halbkugel zu suchen ist und deutet<br />

mit allem Vorbehalt die Möglichkeit an, daß die Störche sich in den<br />

weiten Überschwemmungsgebieten Mittel- und Südafrikas länger als<br />

sonst aufgehalten und sich dort einem Massenbefall von Schmarotzern<br />

(Trematoden) o<strong>der</strong> sonst einer Infektion ausgesetzt haben, so daß zahlreiche<br />

Störche zugrunde gingen und <strong>der</strong> Rest seinen Heimzug verspätet<br />

fortsetzte. Im Gegensatz zu Ostpreußen, w o 1937 ein erheblicher Verlust<br />

eingetreten ist, sind fast sämtliche Storchpaare in das <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong><br />

Land zurückgekehrt, aber von 234 Paaren sind nur 128 Paare<br />

zur Brut geschritten.<br />

Im Jahre 1938 hat sich im Lande <strong>Oldenburg</strong> diese späte und unregelmäßige<br />

Rückkehr genau so wie<strong>der</strong>holt wie im vorigen Jahre. Es<br />

liegen insgesamt 113 (1937 — 66) Beobachtungen vor. Ich habe diese Beobachtungen<br />

in <strong>der</strong> nachfolgenden Übersicht mit den 85 Rückmeldungen<br />

des Jahres 1936 in Vergleich gebracht.


96 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Tafel 1<br />

In <strong>der</strong> vorstehenden Übersicht sind nur diejenigen Beobachtungen<br />

verwandt, bei denen das gleichzeitige o<strong>der</strong> Nacheinan<strong>der</strong>-Eintreffen<br />

bei<strong>der</strong> Elternteile desselben Storchpaares festgestellt wurde. Sämtliche<br />

Beobachtungen stammen aus dem Kreis Wesermarsch, dem Hauptverbreitungsgebiet<br />

des Storches im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Land. Ich verdanke<br />

diese Beobachtungen <strong>der</strong> stets hilfsbereiten Mitarbeit des Studienrats<br />

Wiepken in Elsfleth und des Dentisten Kositz in Brake. Da aus früheren<br />

Jahren Beobachtungen dieser Art nicht vorliegen, kann ein Vergleich<br />

nur über die letzten drei Jahre gegeben werden. Das Jahr 1936 hat sowohl,<br />

was die Rückkehr <strong>der</strong> Störche anbelangt, als auch hinsichtlich des<br />

Brutergebnisses im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande einen durchaus normalen Verlauf<br />

genommen. Die Zahl <strong>der</strong> besetzten Nester mit 256 und die Zahl <strong>der</strong> ausgeflogenen<br />

Jungstörche mit 519 entsprach im ganzen gesehen dem Brutergebnis<br />

<strong>der</strong> beiden vorhergehenden Jahre 1934 und 1935.<br />

Bei <strong>der</strong> Überprüfung dieser Beobachtungen ergibt sich, daß die<br />

Hauptmasse <strong>der</strong> Störche im normalen Jahre 19 3 6 im letzten Drittel<br />

des Monats März (30,6 v. H.) und im ersten Drittel des Monats April<br />

(37,5 v. H.) in die Heimat zurückgekehrt ist und, von einigen Nachzüglern<br />

abgesehen, die letzte Welle <strong>der</strong> Heimkehrer im zweiten Drittel<br />

des Monats April wie<strong>der</strong> eingetroffen ist.<br />

Das Jahr 1 9 3 7 bietet ein völlig an<strong>der</strong>es Bild. Im zweiten Drittel<br />

des Monats März wurden überhaupt keine Störche zurückgemeldet<br />

gegenüber 4 im Jahre 1936. Die Zahl <strong>der</strong> Heimkehrer im letzten Drittel<br />

des Monats März ist gegenüber dem Vorjahre von 30,6 v. H. auf 10,6<br />

v. H. gesu nken. Gegenüber 36,1 v. H. im Jahre 1936 sind bis zum<br />

31. März nur 10,6 v. H. zurückgekehrt. Das Eintreffen <strong>der</strong> Störche hat<br />

sich also sehr wesentlich verzögert. Im ersten Aprildrittel trifft die<br />

größte Welle <strong>der</strong> zurückkehrenden Störche ein mit 25,8 v. H. Im übrigen<br />

zieht sich die Heimkehr <strong>der</strong> Vögel in gleichmäßiger Stärke über den


Storchbeobachtungen im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande 1938 97<br />

ganzen Monat April hin. Die auffallendste Tatsache gegenüber dem Vorjahre<br />

ist aber, daß sich ein sehr erheblicher Teil des Storchbestandes<br />

erst im ersten Drittel des Monats Mai mit 25,8 v. H. und im zweiten<br />

Drittel des Monats Mai mit 8,9 v. H. bei ihren Nestern einfindet, so daß<br />

sogar 34,7 v. H. <strong>der</strong> Vögel erst im Monat Mai wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Heimat angetroffen<br />

wird. Wegen <strong>der</strong> Gründe <strong>der</strong> verspäteten Rückkehr verweise<br />

ich auf die Arbeit von Dr. Schüz.<br />

Zu unserer Überraschung hat sich die späte Rückkehr <strong>der</strong> Störche<br />

im Jahre 19 3 8 wie<strong>der</strong>holt. In <strong>der</strong> Zeit bis zum 10. April wurde nur<br />

eine ganze geringe Zahl heimgekehrter Störche, und zwar nur 4,4 v. H.<br />

gegenüber 36,4 v. H. im Jahre 1937 und 73,6 v. H. im Jahre 1936 ermittelt.<br />

Die Hauptmasse des Storchbestandes kehrte in dem zweiten<br />

und dritten Aprildrittel mit 43,3 v. H. bzw. 26 v. H. zurück. Die letzte<br />

größere Welle <strong>der</strong> Vögel findet sich sogar erst im ersten Drittel des<br />

Monats Mai mit 19,4 v. H. bei ihren Nestern ein und eine Reihe Nachzügler<br />

mit 7 v. H. wird erst im zweiten Drittel dieses Monats festgestellt.<br />

Zusammenfassend ist zu sagen: Während im Normaljahr 19 3 6 das<br />

Gros <strong>der</strong> Störche bis zum 10. April zurückgekehrt ist, hat sich im Jahr<br />

1 9 3 7 die Heimkehr <strong>der</strong> Störche ziemlich gleichmäßig über das letzte<br />

Märzdrittel und den ganzen Monat April hingezogen und mehr als ein<br />

Drittel des Bestandes hat sich auffallen<strong>der</strong>weise erst im Monat Mai an<br />

seinen Nestern eingefunden. Im Jahre 19 3 8 hat sich die späte Rückkehr<br />

<strong>der</strong> Vögel erneut wie<strong>der</strong>holt. Das Gros <strong>der</strong> Störche ist in diesem<br />

Jahre sogar erst im zweiten und dritten Drittel des Monats April zurückgekehrt<br />

und wie<strong>der</strong> ist die letzte Welle mit einem Drittel des Bestandes<br />

erst nach dem 1. Mai eingetroffen.<br />

2. Welche Einwirkung hatte die verspätete Rückkehr<br />

auf das Brutergebnis?<br />

Das Brutergebnis ist in den letzten beiden Jahren ganz auffallend<br />

zurückgegangen:<br />

1936: 519 ausgeflogene Jungvögel,<br />

1937: 305<br />

1938: 287<br />

Ich habe versucht festzustellen, ob und in welchem Umfange <strong>der</strong> bemerkenswerte<br />

Absturz <strong>der</strong> Zahlen des Brutergebnisses auf die späte<br />

Rückkehr <strong>der</strong> Störche zurückgeführt werden kann. Dieselben Beobachtungen,<br />

die <strong>der</strong> ersten Übersicht zugrunde liegen, sind in Tafel 2<br />

daraufhin untersucht worden, ob und welche Vögel, die in den verschie­


98 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

denen Monatsdritteln zurückgekehrt sind, Jungvögel großgezogen und<br />

zum Ausfliegen gebracht haben und welche Vögel keine Brut gehabt<br />

haben.<br />

Tafel 2<br />

Aus dieser Zusammenstellung darf <strong>der</strong> Schluß gezogen werden,<br />

daß, je früher die Störche zusammen heimgekehrt bzw. je früher<br />

sie nacheinan<strong>der</strong> zurückgekehrt sind und sich gepaart haben, desto<br />

sicherer mit einer erfolgreichen Brut zu rechnen ist. Dies darf<br />

beson<strong>der</strong>s für die Zeit bis zum 20. April gelten. Von denjenigen<br />

Vögeln, die erst im letzten Drittel des Monats April heimkehren,<br />

zieht die Hälfte keine Jungvögel mehr erfolgreich zum Ausfliegen<br />

groß. Dieses Verhältnis wird noch wesentlich ungünstiger bei denjenigen<br />

Störchen, die sich erst im Laufe des Monats Mai wie<strong>der</strong> bei<br />

ihren Nestern eingefunden haben, wenngleich es keineswegs so ist, daß<br />

etwa alle späten Heimkehrer ohne Brut bleiben. Dabei macht es nach<br />

den vorliegenden Beobachtungen keinen Unterschied, ob die Störche im<br />

Mai gleichzeitig ihr Nest wie<strong>der</strong> besetzt haben o<strong>der</strong> ob <strong>der</strong> eine<br />

Elternteil bereits früher zurückgekehrt ist und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Elternteil<br />

ihm erst im Mai angepaart ist.<br />

3. Verbreitung<br />

Die Zahl <strong>der</strong> besetzten Storchnester, die von 135 im<br />

Jahre 1927 fast ohne Unterbrechung stetig bis auf 256 im Jahre 1936<br />

gestiegen ist, ist seit diesem Zeitpunkt wie<strong>der</strong> langsam im Absinken begriffen,<br />

da 1937 nur 245 und 1938 lediglich 239 besetzte Horste gezählt


Storchbeobachtungen im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande 1938 99<br />

wurden. Gegenüber dem Horstbestand des Jahres 1936 ist also ein Verlust<br />

von 17 besetzten Nestern zu buchen. Da an<strong>der</strong>erseits die Zahl <strong>der</strong><br />

ausgeflogenen Jungvögel, die 1934 mit 591 Jungstörchen ihren höchsten<br />

Stand erreicht hat, ebenfalls in den letzten drei Jahren, und zwar entscheidend<br />

über 523 bzw. 519 bzw. 305 auf nur 287 im Jahre 1938 gefallen<br />

ist, wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit mit einem<br />

weiteren Absinken <strong>der</strong> besetzten Storchhorste gerechnet werden müssen.<br />

Von den 239 besetzten Storchnestern entfallen 196 auf die Marschen<br />

an <strong>der</strong> Weser und am Jadebusen in den Kreisen Wesermarsch und<br />

Friesland in Nordoldenburg, 29 auf das Huntetal und die Abflüsse zur<br />

Ems in <strong>der</strong> mitteloldenburgischen Geest und 14 auf das Gebiet des<br />

Dümmer und <strong>der</strong> Hase in den südoldenburgischen Kreisen Vechta und<br />

Cloppenburg, dagegen wurden 66 unbesetzte Nester im Lande gemeldet.<br />

T a f e 13<br />

Der Storchbestand des Landes O ldenburg 1938


100 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

In diesem Jahre sind 18 Storchnester erstmalig neu erbaut worden,<br />

davon 16 in den nordoldenburgischen Marschen und 2 in Südoldenburg.<br />

Das bereits vorhandene Nest in Beckum wurde wie<strong>der</strong> von einem Altvogel<br />

beflogen. In dreien dieser neuen Horste wurden Junge aufgezogen,<br />

und zwar bei Heinrich Lübben in Steinhausen und Landwirt Clemens<br />

Rolfes in Röpke je drei und bei Landwirt Erich Mengers in Schweewarden<br />

zwei Jungstörche, wo ferner ein dritter Jungstorch aus dem<br />

Nest geworfen wurde. In den nachfolgenden 15 neuen Nestern hatten<br />

die Storchpaare keine Brut, und zwar bei Landwirt Bernhard Flügger<br />

in Schohasbergen, Bauer Emken in Wraggenort, wo anscheinend das<br />

1 km entfernte, bisher bei dem Bauer Düser wohnende Storchpaar neu<br />

baute; bei Saueressig in Rudolfstätte, wo die Brut von einem fremden<br />

Storch gestört wurde; Meetzen Fleßner in Waddewarden, Bauer Gerhard<br />

Behrens in Fischeihörne, Bülter in Moorhausen, Gerhard Busemann<br />

in Blexersande, wo die Störche noch am 2. Juli beim Nestbau<br />

angetroffen wurden, A. Hanken in Overwarfe, Bauer Anton Tapken in<br />

Ja<strong>der</strong>kreuzmoor, Pächter Friedrich Wieting in Frieschenmoor, bei Landwirt<br />

Bollmann (Eigentümer: Bauer Tantzen) in Ovelgönne; bei Bauer<br />

Friedrich Hütte in Elsfleth-Lienen, wo <strong>der</strong> Sohn des Bauern am 6. Juni<br />

auf einer gekappten Linde eine künstliche Nestanlage herstellte, die von<br />

dem Storchpaare, das sich schon etwa eine W oche früher diese Linde<br />

zu seinem Nestplatz ausersehen hatte, sofort angenommen wurde; bei<br />

Bauer Karl Böning in Oldenbrok, w o bereits auf dem weichen Dach<br />

Tafel 4


Storchbeobachtungen im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande 1938 101<br />

im Jahre 1937 eine Nestanlage durch Einstecken von Pflöcken vorbereitet<br />

worden war; bei Pächter Arnold Bohn (Eigentümer: Friedrich<br />

Völlers) in Altenesch, wo sich zunächst 5 Störche eingefunden hatten,<br />

die sich friedlich miteinan<strong>der</strong> vertrugen und aus denen ein Storchpaar<br />

eine mit menschlicher Hilfe vorbereitete Nestanlage auf dem weichen<br />

Dach des Bauernhauses ausbaute, und bei Klempnermeister Dubker in<br />

Reselage.<br />

Dagegen blieben 13 Nester, die 1937 von Storchpaaren mit Jungen,<br />

21 Nester, die von Storchpaaren ohne Junge und 3 Nester, die von<br />

einem Altvogel besetzt waren, also insgesamt 37 Horste, die im letzten<br />

Jahre mit Störchen besetzt waren, in diesem Jahre unbeflogen. An<strong>der</strong>erseits<br />

wurden verlassene Storchnester im Jahre 1938 wie<strong>der</strong> besetzt,<br />

und zwar je 4 Horste durch Storchpaare mit Jungvögeln, 11 Nester<br />

durch Storchpaare ohne Jungvögel und ein Horst mit einem Altvogel,<br />

zusammen 16 Storchnester.<br />

Im Jahre 1938 waren von 239 besetzten Storchnestern 6, mithin<br />

2,51 v. H., von einem Altvogel, dagegen 233 Niststätten, d. s. 97,59 v. H.,<br />

von einem Storchpaare bewohnt. Von diesen 233 Storchpaaren haben<br />

125 o<strong>der</strong> 53,65 v. H, <strong>der</strong> mit einem Storchpaar besetzten Nester o<strong>der</strong><br />

52,30 v. H. <strong>der</strong> überhaupt beflogenen Horste keine Jungvögel ausgebrütet.<br />

Hier sind wir bei <strong>der</strong> entscheidenden Tatsache<br />

des Beobachtungsjahres 193 8. Von den 233<br />

Storchpaaren haben nur 108 Storchpaare Jung-<br />

Tafel 4


102 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

v ö g e 1großgezogen, das sind noch 20 Storchpaare weniger als<br />

in dem bisher ungünstigsten Brutjahr 1937, während 125 Storchpaare,<br />

und zwar noch 19 Storchpaare mehr als im Vorjahre, nicht zur Brut<br />

kamen. Hieraus folgt zwangsläufig ein ganz außerordentlich schlechtes<br />

Brutergebnis. Die Gründe für dieses schlechte Brutergebnis liegen einmal<br />

in <strong>der</strong> in Abschnitt 1 und 2 dargelegten späten Rückkehr <strong>der</strong> Störche<br />

aus dem Winterquartier, wobei unaufgeklärt bleibt, welche Umstände<br />

die Störche solange in Afrika zurückgehalten haben und ferner in <strong>der</strong><br />

kalten Witterung <strong>der</strong> Monate April und Mai, die offenbar <strong>der</strong> Entwicklung<br />

<strong>der</strong> den Störchen zusagenden Nahrungstiere ungünstig war.<br />

4. Brutergebnis<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Brutpaare hat, wie wir gesehen haben, abgenommen.<br />

Die Störche zeigten eine große Unlust zum Brüten und viele Storchpaare<br />

haben nicht einmal ihr Nest ausgebessert.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> ausgeflogenen Jungstörche ist von 519 Jungvögeln im<br />

Jahre 1936 über 305 im Jahre 1937 auf nur 287 Jungstörche im Jahre<br />

1938 zurückgegangen, da mehr als die Hälfte <strong>der</strong> Storchpaare nicht zur<br />

Brut geschritten ist. Das Brutergebnis ist so schlecht, daß mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit mit einem weiteren Rückgang <strong>der</strong> Brutpaare in' den<br />

nächsten Jahren gerechnet werden muß, da <strong>der</strong> Nachwuchs fehlen wird,<br />

um die ausfallenden Brutstörche voll zu ersetzen. Die durchschnittliche<br />

Zahl <strong>der</strong> Jungstörche, bezogen auf sämtliche 239 besetzten Storchnester,<br />

beträgt 1,20 je Nest. Da 125 Storchpaare keine Brut aufzogen, 2,65 Jungstörche<br />

je Paar. Diese Ziffer ist um ein geringes günstiger als diejenige<br />

des Jahres 1937, in dem 2,39 junge Störche je Brutpaar festgestellt<br />

wurden.<br />

Tafel 5


Storchbeobachtungen im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande 1938 103<br />

Dieses Ergebnis kommt auch in an<strong>der</strong>er Weise zum Ausdruck, da<br />

die Zahl <strong>der</strong> Storchpaare, die vier Jungvögel aufgezogen haben, von<br />

16 im Jahre 1937 auf 20 und die Zahl <strong>der</strong> Storchpaare, die drei Jungvögel<br />

großgezogen haben, von 38 im Jahre 1937 auf 44 im Jahre 1938<br />

gestiegen ist, wie die folgende Übersicht ergibt.<br />

Tafel 6<br />

1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938<br />

Je 1 Jungstorch 4 8 4 11 3 9 12 13 13 21 13<br />

2 Jungstörche 24 35 16 17 11 29 53 72 64 53 31<br />

3 39 33 48 43 43 51 83 74 87 38 44<br />

4 18 12 37 29 60 42 51 36 28 16 20<br />

5 2 1 10 7 16 7 4 — 1 — —<br />

Zusammen 1<br />

Jungstörche f<br />

251 230 375 325 480 423 591 523 519 305 287<br />

5. Entfernen von Eiern und Jungvögeln aus dem Nest.<br />

Die Störche warfen an sechs Brutplätzen insgesamt 17 Eier<br />

(1937: 11) aus dem Nest, und zwar einmal vier, dreimal drei und zweimal<br />

je zwei Eier. Infolgedessen kam es an vier Plätzen überhaupt nicht<br />

mehr zu einer Brut, während in zwei Nestern, und zwar in Vorwerkshof<br />

(Wichmann) und Großenmeer (v. Essen) noch zwei Jungvögel großgezogen<br />

wurden.<br />

In diesem Jahre wurden nur wenige Storchkämpfe beobachtet. Es<br />

wurde daher durch fremde Störche auch nur ein Gelege von drei Eiern<br />

(1937: 35), und zwar in Nie<strong>der</strong>höme (Hadeler) und in Bardenfleth<br />

(Maas) und in einem weiteren Horst je ein Jungstorch (1937: 5), aus<br />

dem Nest geworfen.<br />

Die Storchpaare haben selbst an 12 Brutplätzen insgesamt<br />

19 Jungvögel (1937: 17) aus dem Nest entfernt, und zwar einmal<br />

vier, viermal zwei und fünfmal je einen Jungstorch. In Nie<strong>der</strong>höme<br />

(Gloystein) wurden drei Eier und zwei Jungvögel aus dem Nest geworfen.<br />

Es kam daher zu keiner erfolgreichen Brut. In Dedesdorf (Schnaars),<br />

Maihausen (Peksen), Overwarfe (Köhnken) und Großenmeer (Bunnemann)<br />

wurde ein Jungvogel abgeworfen und daneben drei Jungstörche<br />

aufgezogen. In Schweewarden (Mengers), Lienen (Cordes) und Schlüte<br />

(Völlers) wurde ein Jungvogel, in Elsflethersand (Harms) zwei Jungvögel<br />

abgeworfen und daneben zwei Jungstörche großgezogen. In Dalsper<br />

(Gloystein) wurden zwei Jungstörche aus dem Nest entfernt und einer


104 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

aufgezogen. In Kötermoor und Hekeln kam es bei vier bzw. zwei abgeworfenen<br />

Jungstörchen zu keinem Brutergebnis. — In Neuenbrok<br />

(Gloystein) waren die beiden herausgeworfenen Jungen sehr verschieden<br />

groß, angeblich beide aus einem Nachgelege.<br />

An vier Brutplätzen wurden zweimal je ein und je einmal zwei bzw.<br />

drei, zusammen sieben unbefruchtete Eier im Nest gefunden.<br />

Aus jedem Nest flogen aber daneben Jungvögel aus, lediglich in dem<br />

Sandeler Nest (Rieniets) waren sämtliche Eier unbefruchtet.<br />

Die Verlustliste 1938 ist viel weniger umfangreich als im letzten<br />

Jahre. Während 1937 fünfzehn Jungstörche bzw. drei Altstörche als<br />

verendet gemeldet wurden, wurde diesmal nur ein Altstorch tot auf dem<br />

Felde gefunden.<br />

6. Storchkämpfe<br />

Das Storchpaar in Rudolfstätte wurde wie<strong>der</strong>holt von einem fremden<br />

Storch gestört, so daß es nicht zur Brut gelangte, während das in Altengroden<br />

mehrfach von mehreren Störchen belästigte Paar vier Jungvögel<br />

aufziehen konnte. — Das Nest in Ohlhamm hatte bis Mitte Juni ein<br />

einzelner Altvogel inne. Er wurde dann von einem Storchpaar vertrieben,<br />

das aber nicht mehr zur Brut schritt. — Das Storchpaar in Neuenwege<br />

(Stühmann), das nur einen Jungvogel im Nest hatte, war infolge dauern<strong>der</strong><br />

Belästigung durch fremde Störche sehr scheu. — In Bardenfleth<br />

(Maas) wurde bei den Storchkämpfen von vier Jungvögeln einer aus<br />

dem Nest geworfen. — In Bettingbühren, Huntebrück und Landeswarfen<br />

kamen die Storchpaare infolge wie<strong>der</strong>holter Storchkämpfe nicht mehr<br />

zur Brut. — In Großenmeer (Onken) hielt ein Altvogel das Storchnest<br />

besetzt und machte es einem Storchpaar mit Erfolg streitig. — In Hammelwar<strong>der</strong>außendeich<br />

(Addicks) fand ein heftiger Kampf um das Nest<br />

statt. Hierbei ging das Gelege zu Bruch. Der angreifende Storch wurde<br />

im Kampf getötet und lag verendet im Garten. Eine weitere Brut hatte<br />

das Storchpaar nicht begonnen.<br />

7. Beobachtungen<br />

Die Storchnester in Bornhorst (Wichmann), Sandei (Eduard Rieniets),<br />

Süllwarden (Freels), Hammelwar<strong>der</strong>außendeich (Thümler) und Nie<strong>der</strong>hörne<br />

(Wragge, erstes südliches Nest) sind im letzten Winter durch die<br />

Stürme von den Dächern geweht und vernichtet. In Golzwar<strong>der</strong>wurp<br />

(Töllner) wurde <strong>der</strong> Nistbaum, <strong>der</strong> inzwischen abgestorben war, gefällt.<br />

Die Horste in Golzwar<strong>der</strong>wurp (Morisse), Elsfleth-Neuenfelde (Wichmann),<br />

Elsflethersand (Grabhorn), Nie<strong>der</strong>hörne (Böning, zweites westliches<br />

Nest), Nie<strong>der</strong>höme (Wragge, drittes östliches Nest), Nie<strong>der</strong>hörne


Storchbeobachtungen im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande 1938 105<br />

(Onnen), Nor<strong>der</strong>moor (Freels) und Hüde (von Walde) sind gänzlich verfallen<br />

und kommen für eine Brut nicht mehr in Frage. Damit scheiden<br />

14 Nester aus <strong>der</strong> Zählung aus.<br />

In Wilhelmshaven sind die beiden Storchnester in <strong>der</strong> Bismarckstraße<br />

(Gastwirt Müller) und Banter Weg (Veit) durch den großen<br />

Ausbau <strong>der</strong> Stadt in das Gebiet <strong>der</strong> städtischen Bebauung gerückt und<br />

werden in Zukunft als Brutplätze nicht mehr bezogen werden.<br />

In Altengroden wurde <strong>der</strong> Nestbaum ebenfalls im letzten Winter<br />

durch Sturm umgelegt. Durch Vermittlung <strong>der</strong> Naturschutzstelle in Wilhelmshaven<br />

wurde mit Unterstützung <strong>der</strong> Feuerwehr ein neuer Nistbaum<br />

hergerichtet und eine künstliche Nestanlage vorbereitet, die auch sofort<br />

von dem Storchpaar angenommen wurde. Das Nest auf dem weichen<br />

Dach von Schwarting in Sürwürden, das gleichfalls abgestürzt war,<br />

wurde durch eine künstliche Nestanlage auf einer neben dem Hause<br />

stehenden Eiche ersetzt, die von den Störchen sogleich angenommen<br />

wurde. — Das Nest in Dalsper (Heinemann) mußte wegen Ratten entfernt<br />

werden. Es war von zwei Paaren vorübergehend besetzt. — Das<br />

Storchnest in Schenum (Jürgens) befindet sich bereits seit mehr als<br />

25 Jahren auf einem alten unbelaubten Baum, <strong>der</strong> in seiner für das Nest<br />

hergerichteten Krone ein großes Wagenrad als feste Unterlage trägt.<br />

Der Besitzer des Horstes hat sich in all den Jahren mit großer Sorgfalt<br />

um die bauliche Sicherheit des Nestes bemüht. So war es unter an<strong>der</strong>em<br />

notwendig, den inzwischen abgestorbenen Baum durch eine Reihe von<br />

Drahtverbindungen zu sichern, ebenso wie von Zeit zu Zeit diese o<strong>der</strong><br />

jene Ergänzung an <strong>der</strong> Nestanlage vorzunehmen ist. —<br />

In Altenhuntorf (Stindt) wurde im vorigen Jahre ein fast flügges<br />

Junges aus dem Nest geworfen. Als es von dem Bauern wie<strong>der</strong> in das<br />

Nest gesetzt wurde, warfen die Altstörche es nochmals heraus, worauf<br />

es einging. — In Nie<strong>der</strong>hörne hat man die Störche ungern auf dem<br />

Hause. Sie sollen die Heide zum Nestbau aus dem Dachfirst reißen und<br />

oft jungen Hasen nachstellen. — In den Storchnestern wurden mehrfach<br />

Zeugstücke, Sackfetzen, Papier und Le<strong>der</strong>teile gefunden. Bei Müller in<br />

Oldenbrok-Mittelort hat ein Jungvogel sich mit einem Bein so fest in<br />

ein durchlöchertes größeres Sackstück verfangen, daß er ohne menschliche<br />

Hilfe wahrscheinlich umgekommen wäre. — In Zwischenahn wurden vier<br />

Jungstörche, <strong>der</strong>en Eltern nicht zum Nest zurückgekehrt waren, mit Erfolg<br />

in Pflege genommen und aufgezogen. Zuerst war es nicht leicht, für<br />

die vier ewig hungrigen Storchmagen das erfor<strong>der</strong>liche Futter in Gestalt<br />

von lebenden Fröschen zu schaffen. Später suchten sie ihr Futter zum<br />

größten Teil selbst in den Wasserzügen und Gräben <strong>der</strong> nächsten Um-


106 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

gebung. Des Abends kehrten sie stets wie<strong>der</strong> zu ihrem Pfleger zurück<br />

und verbrachten die Nacht in einem auf dem Gebäude hergerichteten<br />

künstlichen Nest. Die vier Jungstörche wurden beringt. — In Blexen<br />

wurde ein Storch beobachtet, <strong>der</strong> von einem Wiesel angegriffen wurde.<br />

Das Wiesel hatte sich am Halse des Storches festgebissen. Dieser versuchte,<br />

sich durch schnelles Hin- und Herschleu<strong>der</strong>n des Kopfes von<br />

seinem Angreifer zu befreien. Der Biß war aber so fest, daß alle Mühe<br />

vergeblich war. In seiner Not erhob sich <strong>der</strong> Storch und erreichte auch<br />

seinen Horst. Hier ließ das Wiesel von seinem Opfer ab und fiel zu<br />

Boden. Als <strong>der</strong> Beobachter zu <strong>der</strong> Stelle kam, wo <strong>der</strong> Storch abgeflogen<br />

war, fand er dort drei junge Wiesel, die er wohl hatte vertilgen wollen.<br />

Das Wiesel hatte seine Kin<strong>der</strong> verteidigt. Der Storch trug aus diesem<br />

Kampf eine blutende Wunde davon.<br />

8. Abzug.<br />

Die Altstörche in Streek sind am 20., die in Elsfleth-Lienen am<br />

23. August abgezogen. In Oldenbrok (Müller) wurden ein Altvogel und<br />

zwei Junge am 26. August gesehen, am folgenden Tage waren sie verschwunden.<br />

Der an<strong>der</strong>e Altvogel mit einem Jungvogel wurde zuletzt am<br />

30. August gesehen, am folgenden Tage waren beide abgezogen. In<br />

Großenmeer und Oldenbrok (Baßhusen) wurden die Störche am 20. bzw.<br />

27. August zuletzt beobachtet. Am folgenden Tage wurden sie nicht


Storchbeobachtungen im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande 1938 107<br />

mehr angetroffen. Das Storchpaar in Elsfleth-Neuenwege gelangte am<br />

31. August zur letzten Beobachtung, am folgenden Tage war es abgezogen.<br />

In allen diesen Fällen liegt die Annahme eines nächtlichen<br />

o<strong>der</strong> sehr frühzeitigen Aufbruchs am Morgen zur<br />

großen Reise in das Winterquartier nahe. — Am 27. August zogen die<br />

Störche von Hammelwarden (Stühmer) ab, am 29. August von Vorwerkshof<br />

und Fünfhausen. In den letzten Tagen des August verschwanden<br />

Störche in Hogenkamp, am 1. September in Schlüte, am<br />

folgenden Tage in Brake. — Bei Willers in Sandfeld sind die drei Jungstörche<br />

am 28. August weggezogen, die Altstörche folgten am 2. September.<br />

— Ein Altstorch war am 1. September in Bettingbühren noch<br />

auf dem Nest, am 3. September wurde noch ein Storch in <strong>der</strong> Nähe von<br />

Fünfhausen hinter dem Pfluge gesehen. — Am 9. September stand ein<br />

an<strong>der</strong>er Vogel auf einer Weide zwischen Berne und Neuenkoop. Dieser<br />

wurde am 15. Oktober allein und am 22. Oktober in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

zweier Fischreiher gesehen. Er gelangte weiter bis zum 14. November<br />

jeden Tag zur Beobachtung, war aber seit diesem Tage verschwunden.<br />

9. Beringung.<br />

Um die Beringung haben sich in diesem Jahre wie<strong>der</strong> Studienrat<br />

Wiepken, Lehrer Blohm und ihre Mitarbeiter sehr verdient gemacht.<br />

Während in früheren Jahren die Beringung gewöhnlich Mitte Juni be-


<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

ginnen konnte, waren die ersten Besuche bei den Storchnestern für die<br />

Beringung am 23. und 24. Juni verfrüht, so daß sie später wie<strong>der</strong>holt<br />

werden mußten. Ein Jungvogel in Altenesch erbrach, als er beringt<br />

werden sollte, drei Jungfrösche. Insgesamt wurden 67 Jungvögel beringt.<br />

Auffallen<strong>der</strong>weise gelangte in diesem Jahre nur ein beringter Altvogel,<br />

und zwar bei Bohlen in Moorhausen, zur Beobachtung.<br />

In meiner Arbeit „Die <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Störche auf dem Zug" in den<br />

Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen habe ich<br />

die bisherigen Wie<strong>der</strong>funde beringter <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Störche zusammengefaßt<br />

und bearbeitet. Als Ergänzung können nunmehr folgende Rückmeldungen<br />

eingetragen werden. (Siehe Tabelle S. 106/107.)<br />

Die Jungstörche Nr. 67, 68 und 70 haben den normalen Süd-Ost-<br />

W eg über Sachsen und Schlesien in das afrikanische Winterquartier eingeschlagen.<br />

Der Jungstorch Nr. 69 befindet sich bereits sehr frühzeitig<br />

Anfang September 3200 km von <strong>der</strong> Heimat entfernt in Al Salt in Transjordanien.<br />

Der zweijährige Storch Nr. 71 befindet sich Ende März noch<br />

in Retief im Kapland in Südafrika im Winterquartier. Der vierjährige<br />

Storch Nr. 72 ist in die unmittelbare Heimat am rechten Ufer <strong>der</strong> Weser<br />

zurückgekehrt, denn er wurde in <strong>der</strong> Nähe von Wesermünde tot aufgefunden.


Dr. h. c. Heinrich Schütte f<br />

Kurz vor Abschluß dieses <strong>Jahrbuch</strong>s traf unsere Vereine und<br />

damit unsere Heimatforschung ein schwerer Verlust: Unser Ehrenmitglied,<br />

Dr. h. c. Heinrich Schütte, starb im Alter von 76 Jahren am<br />

10. Dezember 1939 an den Folgen eines kurz vorher erlittenen Unfalls.<br />

Was Dr. Schütte für die Forschung unseres Landes, seine Vor- und<br />

Frühgeschichte, und was er damit für die deutsche Wissenschaft überhaupt<br />

geleistet hat, das ist bereits in <strong>der</strong> Festgabe zu seinem 70. Geburtstag,<br />

im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1933 ausführlich gewürdigt worden.<br />

Heute stehen wir voll Trauer vor dem Heimgang eines unserer ersten<br />

Forscher, <strong>der</strong> kurz vorher seine Gattin durch denselben Unfall verlieren<br />

sollte, die mit ihm und seinem Wirken so eng verbunden war.<br />

Mit höchster Achtung stehen wir aber auch vor seinem Lebenswerk<br />

und gedenken in Dankbarkeit dieser wissenschaftlichen Leistung, die<br />

<strong>der</strong> Heimatforschung so unendlich viel Ergebnisse und Anregungen<br />

gab, Küstenforschung und Wurtenkunde.<br />

In seiner ganzen, festgeschlossenen Persönlichkeit bleibt unser<br />

Heinrich Schütte heute und für alle Zeit uns und unseren Nachkommen<br />

ein Vorbild eines rastlosen, unbeirrbaren Forschers. Seine gütige und<br />

bescheidene, stets freundliche, ja freundschaftliche Art, bei <strong>der</strong> er<br />

stets bereit war zu helfen und zu raten, wird ihm im Verein und<br />

darüber hinaus in allen Forscherkreisen unvergessen bleiben. W ir<br />

wollen ihn ehren und ihm danken, indem wir versuchen, mit gleicher<br />

Treue, gleicher Liebe zur Heimat weiterzuarbeiten.<br />

Karl Fisse n.


Neue Bücher<br />

Angezeigt von Hermann Lübbing<br />

Vorbemerkung: Es kann im folgenden nur eine Anzahl wichtiger Neuerscheinungen<br />

angezeigt werden. Eine systematische Erfassung auch <strong>der</strong><br />

wichtigsten Zeitschriftenaufsätze und kleineren Arbeiten muß bis zum<br />

Friedensschluß zurückgestellt werden.<br />

G. Schnath, Geschichtlicher Handatlas Nie<strong>der</strong>sachsens.<br />

In Verbindung mit K. Brüning, H. Dörries, K. H. Jacob-Friesen<br />

und an<strong>der</strong>en Fachgenossen herausgegeben. (Veröffentlichungen <strong>der</strong><br />

Historischen Kommission für Hannover, <strong>Oldenburg</strong>, Braunschweig,<br />

Schaumburg-Lippe und Bremen XX). Berlin 1939, Gea Verlag. (XI, 28. S.<br />

und Kartenteil S. 1— 79.) Lwd. 9,60 RM.<br />

Als die Historische Kommission zu Hannover 1910 gegründet wurde,<br />

schwebte ihrem langjährigen Vorsitzenden K. Brandi schon <strong>der</strong> Plan eines<br />

großen Historischen Atlasses für das Forschungsgebiet <strong>der</strong> Kommission<br />

vor. Da mit einer schnellen Herausgabe eines solchen W erkes nicht gerechnet<br />

werden konnte, erschienen zunächst für historische Teilgebiete<br />

die „Studien und Vorarbeiten“. Als 3. Heft dieser Reihe kam die vortreffliche<br />

Arbeit von G. Sello heraus, „Die territoriale Entwicklung des<br />

Herzogtums <strong>Oldenburg</strong>", Göttingen 1917. Mit seinem inhaltsreichen Atlas<br />

ist dieses W erk für unsere Landesgeschichte immer unentbehrlich. Aber<br />

für die Kenntnis <strong>der</strong> vielfachen geschichtlichen Verflechtungen im nordwestdeutschen<br />

Raum fehlten uns bislang doch die zuverlässigen kartographischen<br />

Unterlagen, die allein ein neuzeitlicher Geschichtsatlas vermitteln<br />

kann, und <strong>der</strong> Not gehorchend griff man noch immer gerne zu<br />

dem altbewährten Putzgerschen Historischen Handatlas. Nunmehr liegt<br />

in dem Atlas von Schnath ein W erk vor, das uns nach dem Erscheinen<br />

von 17 Heften <strong>der</strong> „Studien und Vorarbeiten" endlich eine Zusammenfassung<br />

<strong>der</strong> wichtigsten Forschungsergebnisse in einer handlichen Form,<br />

in neuzeitlicher Gestalt und gefälliger Aufmachung und zu einem erstaunlich<br />

niedrigen Preise bietet.<br />

Es ist kaum möglich, den vielseitigen Inhalt des wertvollen Atlasses<br />

in einer Besprechung auch nur annähernd zu erschöpfen. Er glie<strong>der</strong>t sich<br />

in folgende Hauptabteilungen: Natur des Landes (Karte 1— 4, wobei die<br />

Unterlagen des bekannten Brüningschen Nie<strong>der</strong>sachsenatlasses weitgehend<br />

wie<strong>der</strong> herangezogen werden); Abteilung I: U r- und Frühgeschichte<br />

(Karte 5— 24); Abteilung II: Staatliche Raumentwicklung (Karte<br />

24— 57); Abteilung III: Siedlung, Wirtschaft, Verkehr, Geistesleben (Karte<br />

58— 79).


Neue Bücher 111<br />

Zum Verständnis <strong>der</strong> Karten geht ein kurzer erläutern<strong>der</strong> Text mit<br />

ausreichenden und weiterführenden Literaturangaben vorher auf S. 1— 29,<br />

dann folgt <strong>der</strong> Kartenteil, <strong>der</strong> unser Hauptinteresse beansprucht. Dankenswert<br />

ist die erstmalige Übersicht von Funden <strong>der</strong> Stein-, Bronze- und<br />

Eisenzeit, die infolge <strong>der</strong> fortwährenden Ausgrabungen natürlich bald<br />

ergänzungsbedürftig sein wird, beson<strong>der</strong>s für das <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Land,<br />

Karte 22— 23 zeigt die Züge Karls d, Gr. zur Unterwerfung des<br />

Sachsenstammes, wobei die strategische Bedeutung <strong>der</strong> Eresburg als A u s­<br />

gangspunkt beson<strong>der</strong>s deutlich wird. Auf eine Fixierung des W eser-<br />

übergangsortes Alisni ist verzichtet worden. — Karte 24a zeigt die Burgen<br />

Heinrichs L, darunter im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande Sierhausen, Arkeburg, Elsten,<br />

Delthun, Bokelerburg. So richtig die zeitliche Festsetzung an sich sein<br />

mag, so verfehlt erscheint uns die Bezeichnung als Burgen Heinrichs f.,<br />

da auch nicht die geringsten geschichtlichen Beziehungen von unserem<br />

Lande zu diesem Sachsenkönig nachweislich sind. Die Gaukarte 26/27<br />

versucht das Landschaftsbild <strong>der</strong> Zeit um 1000 n. Ztr. zu rekonstruieren,<br />

eine sehr wertvolle Leistung des Bearbeiters J. Prinz, dem wir bekanntlich<br />

auch die Karte Nie<strong>der</strong>sachsens um 1780 verdanken. Zu bemängeln<br />

ist lediglich, daß nicht versucht wurde, das Bild <strong>der</strong> Nordseeküste in<br />

damaliger Zeit annähernd wie<strong>der</strong>zugeben, zumal doch auf Karte 33 ein<br />

Bild <strong>der</strong> Küste um 750 und 1500 dargeboten wird. Die irreführende<br />

Küstenlinie von heute findet sich lei<strong>der</strong> auf fast allen Atlasblättem und<br />

erweckt die Vorstellung, als ob Dollart und Jadebusen schon immer vorhanden<br />

gewesen seien. Da ist denn doch <strong>der</strong> gute alte Putzger wenigstens<br />

bemüht, eine wenn auch unvollkommene Vorstellung des Bildes<br />

unserer Küste im Mittelalter zu geben. — Karte 30/31 stellt das Machtgebiet<br />

Heinrichs d. L. erstmalig kartographisch dar vermittels eines wohldurchdachten<br />

Bildsystems. Trotz <strong>der</strong> vielfachen Kritiken, die sich in den<br />

letzten Jahren immer wie<strong>der</strong> gegen eine scharfe Abgrenzung mittelalterlicher<br />

Territorien wandten, hat man lei<strong>der</strong> dennoch den Versuch unternommen,<br />

im Norden und Nordwesten Grenzen zu ziehen, wodurch irrige<br />

Vorstellungen erweckt werden von dem „Königreich" des Löwen, Unter<br />

den von ihm belagerten Orten ist <strong>Oldenburg</strong> lei<strong>der</strong> nicht kenntlich gemacht,<br />

ebensowenig die Schlacht bei östringfelde. — Die Karte 34/35<br />

zeigt die kirchliche Verwaltung und Einteilung des Mittelalters. Gerne<br />

hätte man auf diesem Blatt die in Hoogewegs Klosterlexikon so schmerzlich<br />

entbehrte Gesamtübersicht <strong>der</strong> Klöster gesehen o<strong>der</strong> auf 3 Teilkarten<br />

jeweils die Benediktiner- und Zisterzienserklöster, die Dominikanerund<br />

Franziskanerklöster, sowie die Johanniterkommenden gewünscht. Die<br />

Bettelorden und die Johanniter fehlen auf dem Blatt lei<strong>der</strong> ganz. Als<br />

Archidiakonatssitz ist Rüstringen am Jadebusen eingezeichnet, eine bedauerliche<br />

Entgleisung, denn <strong>der</strong> Sitz des Archidiakons des friesischen<br />

Rüstringerlandes war am Bremer Dom; Rüstringen als geschlossene Siedlung<br />

an <strong>der</strong> Jade ist erst ein Kind des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. — Ein vorzügliches<br />

Bild <strong>der</strong> territorialen Zersplitterung um 1580 gibt Karte 38/39, <strong>der</strong><br />

Zeit von 1780 die Karte 42/43. — Die Gebietsentwicklung <strong>Oldenburg</strong>s<br />

und Bremens findet sich auf Karte 44a/b. — außerordentlich anschaulich<br />

ist Karte 46/47 mit <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> französischen Verwaltung 1812,<br />

die man bisher in geschichtlichen Werken noch nicht so exakt dar­


112 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

gestellt fand. — Für den Verwaltungsbeamten <strong>der</strong> Neuzeit sind die Übersichten<br />

<strong>der</strong> Kreise und Ämter im 19. Jhdt. auf Karte 50/51 und die Verwaltungsreformen<br />

nach 1918 auf Karte 53 bemerkenswert. In diesem Rahmen<br />

hätte man gerne noch einen Überblick über die größeren Reichsverwaltungsbezirke<br />

(Post und Finanzen) im Reiche Bismarcks und Adolf Hitlers<br />

gesehen. — Unter den Karten <strong>der</strong> Abteilung III beansprucht Blatt 58/59<br />

unsere Aufmerksamkeit, worauf Ortsnamen mit bestimmten Endungen<br />

dargestellt sind. Für das friesische Küstengebiet enttäuscht die Zeichnung<br />

sehr, da dem Bearbeiter die Geschichte <strong>der</strong> friesischen Ortsnamen, etwa<br />

<strong>der</strong> auf -ingen o<strong>der</strong> -heim sehr undurchsichtig war. Ein richtiges Bild<br />

erhalten wir neuerdings in den Kartenbeilagen <strong>der</strong> Arbeit von G. Lohse,<br />

Geschichte <strong>der</strong> Ortsnamen im östlichen Friesland (<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Forschungen<br />

H. 5, 1939). — Für die Siedlungsformen findet man auf Karte 62/63<br />

eine sehr lehrreiche Darstellung. — Den Abschluß bildet eine Darstellung<br />

<strong>der</strong> Verkehrswege im 18. Jhdt., wobei es auffällt, daß Jever ohne Postverbindung<br />

dargestellt wird, auch erweckt das Fehlen einer Straße in <strong>der</strong><br />

oldenburgischen Wesermarsch die Vorstellung, als ob diese Gegend von<br />

jedem Verkehr zu Lande abgeschnitten gewesen sei. Rüthnings Geschichte<br />

<strong>der</strong> <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Post hätte hier mit Nutzen herangezogen werden können.<br />

Die hier vorgebrachten Beanstandungen sollen und können den W ert<br />

des vortrefflichen Atlaswerkes in keiner W eise herabsetzen. Sie können<br />

nur zum Ausdruck bringen, daß bei je<strong>der</strong> Bearbeitung unseres Küstenraumes<br />

durch Bearbeiter, die vielfach nicht die nötige Kenntnis seiner<br />

Eigenart mitbringen, sich Fehler und Mängel einschleichen, die bei<br />

besserer Fühlungnahme <strong>der</strong> Bearbeiter untereinan<strong>der</strong> zu vermeiden<br />

gewesen wären. Schließlich kann auch nicht verschwiegen werden, daß<br />

gerade für einen historischen Atlas Nordwestdeutschlands <strong>der</strong> Obertitel<br />

„Nie<strong>der</strong>sachsens“ völlig fehl am Platze ist, da es in <strong>der</strong> Geschichte noch<br />

niemals ein solches Gebilde gegeben hat. Vgl. Oldbg. Jb. 38/1934, S. 126 ff.<br />

G. Schwantes, Urgeschichtsstudien bei<strong>der</strong>seits <strong>der</strong><br />

N i e d e r e 1b e. K. H. Jacob-Friesen gewidmet. Herausgegeben im<br />

Auftrag von Freunden, Mitarbeitern und Schülern. (Darstellungen aus<br />

Nie<strong>der</strong>sachsens Urgeschichte Bd. 4.) Hildesheim 1939, A . Lax. geh.<br />

7.50 RM.<br />

Unter Mitarbeit von 22 Vorgeschichtlern ist hier ein überaus reichhaltiger<br />

Sammelband entstanden, dessen Inhalt im einzelnen nicht angezeigt<br />

werden kann. Erwähnt seien daraus nur <strong>der</strong> Aufsatz von<br />

R. Tüxen über Pflanzensoziologie und Bodenkunde in ihrer Bedeutung für<br />

die Urgeschichte. Für die Stammeskultur <strong>der</strong> Chauken ist <strong>der</strong> Beitrag<br />

von K. Tackenberg über die zweihenkeligen Terrinen <strong>der</strong> jüngeren<br />

Bronze- und älteren Steinzeit im Gebiet zwischen Ems- und Elbemündung<br />

von Bedeutung. E. Sprockhoff schreibt über Bestattungsbräuche in W e sthannover,<br />

wobei er zu sehr aufschlußreichen Folgerungen über die „Kontinuität"<br />

urgeschichtlicher Bestattungssitten gelangt. Schließlich sei als<br />

beson<strong>der</strong>s wertvoll für die Frage des Ursprungs unserer Hausformen <strong>der</strong><br />

Beitrag von W . Haarnagel erwähnt, <strong>der</strong> die Wurtengrabung von Einswarden<br />

bei Nordenham und von Hodorf seinerzeit so erfolgreich durchgeführt<br />

hat und hier seine Untersuchungsergebnisse mitteilt.


Neue Bücher 113<br />

C. Baasen, Wald und Bauerntum. Der W ald in <strong>der</strong> bäuerlichen<br />

Kulturlandschaft Nordwestdeutschlands. Leipzig 1940, S. Hirzel.<br />

(Forschungen zur deutschen Landeskunde Bd. 33), 155 S. mit 36 T extabbildungen.<br />

8 RM.<br />

Es war B.s Absicht, nach seinen früheren siedlungskundlichen Untersuchungen,<br />

die in seinem Buch über das <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Ammerland und in<br />

seiner Nie<strong>der</strong>sächsischen Siedlungskunde ihren Nie<strong>der</strong>schlag gefunden<br />

hatten, die Forschungen noch einmal auf einer breiteren Beobachtungsgrundlage<br />

wie<strong>der</strong> aufzunehmen und aus <strong>der</strong> Landschaft heraus zu untermauern.<br />

Hierbei stand die Frage nach den Beziehungen zwischen dem<br />

W alde und <strong>der</strong> bäuerlichen Siedlung im Vor<strong>der</strong>gründe. Der Verfasser<br />

lehnt die Auffassung ab, daß <strong>der</strong> nordwestdeutsche Bauer ein Feind des<br />

W aldes gewesen sei und ihn von jeher gerodet habe, um Platz für seine<br />

Kulturflächen zu bekommen. Die Rodung sei keine Kulturleistung, son<strong>der</strong>n<br />

nur eine schmerzliche Folge <strong>der</strong> intensiven Nutzung <strong>der</strong> Landschaft,<br />

zu <strong>der</strong> die Raumnot den Bewohner gezwungen habe. B. versucht nachzuweisen,<br />

daß hierzulande seit alters her eine intensive Waldkultur<br />

betrieben worden sei. Er stellt hinsichtlich <strong>der</strong> Quellen den Satz auf, daß<br />

die Forstakten <strong>der</strong> Staatsarchive nicht mehr die alleinige Grundlage <strong>der</strong><br />

Untersuchung bilden dürfen, weil sie einseitig nur vom öffentlichen W ald<br />

sprechen, und will methodisch den W eg einschlagen, die eigentlichen privaten<br />

Bauernholzungen und Interessentenholzungen (Baumhöfe, Baumgärten,<br />

Eichenkämpe u. ä.) zu untersuchen, wobei <strong>der</strong> nordwestdeutsche<br />

Bauer selbst <strong>der</strong> wichtigste Berater werden soll.<br />

Der Gang <strong>der</strong> Untersuchung<br />

lehrt indessen, daß die bäuerliche private Holzkultur aktenmäßig<br />

sehr schwer faßbar ist, und so muß <strong>der</strong> Verfasser denn doch andauernd<br />

wie<strong>der</strong> Zuflucht nehmen zu den staatlichen Archivalien. So sehr die<br />

Beweisführung anzuerkennen ist, daß in vor- und frühgeschichtlicher Zeit<br />

eine ausgesprochene Holzkultur betrieben worden ist, so wenig scheint<br />

dieser Beweis für die Zeit des Absolutismus erbracht. Man kann sich<br />

des Eindrucks nicht erwehren, daß die landesfürstliche Innenpolitik im<br />

17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t durch ihre Verordnungen eine zielbewußte För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Waldwirtschaft erstrebte und die Bauern zu einer planmäßigen<br />

Anpflanzung von Bäumen zu erziehen suchte, <strong>der</strong>en W ert von <strong>der</strong><br />

Bevölkerung indessen keinesfalls eingesehen wurde. Vielleicht hätte eine<br />

an <strong>der</strong> Wirtschaftsgeschichte sich orientierende Darstellung doch an<strong>der</strong>e<br />

Ergebnisse erlangt als die siedlungsgeographische Methode. W ir haben<br />

gerade im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Lande allen Anlaß, voll Stolz auf die Leistungen<br />

unseres Bauerntums zu blicken, dürfen uns aber darum nicht verleiten<br />

lassen, staatliche Forstkulturmaßnahmen in ihrer Bedeutung den bäuerlichen<br />

Baumkulturen hintanzusetzen. Es darf in diesem Zusammenhang<br />

auf die Ergebnisse <strong>der</strong> Forschungen von O. Brunken in seiner Arbeit<br />

über das alte Am t Wildeshausen (<strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Forschungen H. 4, 1938)<br />

hingewiesen werden, wo auf S. 76— 93 eingehend über den W ald gehandelt<br />

wird. — Br., dem man bestimmt keine bauernfeindliche Einstellung<br />

unterschieben kann, kommt auf Grund sorgfältiger Aktenstudien zu<br />

an<strong>der</strong>en Ergebnissen als B. und schreibt S. 81: „Der Bauer hatte kein V erständnis<br />

für eine geregelte Forstwirtschaft, er sah in <strong>der</strong> Regierung, die<br />

8


114 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

den Schutz des W aldes ausübte, nur seinen Wi<strong>der</strong>sacher." Die Hauptschuld<br />

an <strong>der</strong> Vernichtung des ursprünglichen Waldbestandes gibt Br.<br />

auf S. 82 den planlosen und unbedachten menschlichen Nutzungsmethoden,<br />

die fast als Vernichtungsmethoden bezeichnet werden können. S. 83<br />

warnt Br. vor einer Verallgemeinerung <strong>der</strong> Ergebnisse, die B. im Ammerland<br />

gefunden hat. Es ist sehr bedauerlich, daß Baasen sich mit Brunken<br />

nicht auseinan<strong>der</strong>gesetzt hat und dessen Arbeit im Literaturverzeichnis<br />

auch nicht erwähnt. Im übrigen breitet <strong>der</strong> Verf. eine Fülle von Material<br />

vor uns aus und schärft unseren Blick, so daß wir das Buch im ganzen als<br />

bedeutsame Neuerscheinung auf seinem Gebiete bezeichnen dürfen.<br />

O. H. May, Nie<strong>der</strong>sächsische Lebensbil<strong>der</strong>, 1. Bd. (Veröffentlichungen<br />

<strong>der</strong> Historischen Kommission für Hannover, <strong>Oldenburg</strong>,<br />

Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Bremen 22), Hildesheim und<br />

Leipzig 1939, A . Lax. (454 S., geh. 6,80, Lwd. 8,50 RM.<br />

Später als in an<strong>der</strong>en deutschen Landschaften wird nun auch im<br />

Nordwesten des Reiches den großen Männern und Frauen, die aus dem<br />

Raume stammen o<strong>der</strong> in ihm entscheidende Jahre ihres Lebens verbracht<br />

haben, ein biographisches Denkmal gesetzt. Unter <strong>der</strong> tatkräftigen Leitung<br />

des hannoverschen Bibliotheksdirektors Dr. M ay ist nunmehr <strong>der</strong> 1. Band<br />

einer vielverheißenden Reihe zustande gebracht worden. Namhafte M itarbeiter<br />

haben sich vereinigt, um für 34 verdiente Persönlichkeiten eine<br />

Würdigung ihres Lebens darzubieten, soweit es durch Geburt o<strong>der</strong> die<br />

Berufstätigkeit dem nordwestdeutschen Arbeitsgebiet <strong>der</strong> Historischen<br />

Kommission verbunden ist. Fast alle Dargestellten wurzeln im Raume von<br />

Friesland und Altsachsen und haben ihm und darüber hinaus dem Reich<br />

ihre beste Kraft geschenkt. Es handelt sich um Vertreter aller Berufskreise,<br />

insbeson<strong>der</strong>e auch um solche, die im praktischen Leben standen<br />

und erfahrungsgemäß selten im Schrifttum hinreichend gewürdigt werden.<br />

Unter den Darstellungen seien nur folgende herausgehoben: Die Maler<br />

Hans am Ende und Theodor Herrmann aus <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> von H. Wohltmann;<br />

Admiral Brommy, dargestellt von B. E. Siebs: weiter an großen Soldaten:<br />

Otto v. Emmich, <strong>der</strong> Emden-Kommandant Karl v. Müller-Emden, <strong>der</strong><br />

Luftschiffkommandant Peter Strasser, beide geschil<strong>der</strong>t von H. v. W aldeyer-Hartz.<br />

Von Schriftstellern seien erwähnt: Gerrit Engelke und<br />

Chriftian Flemes. In beson<strong>der</strong>em Maße interessieren uns in <strong>Oldenburg</strong> die<br />

Beiträge von H. Goens über Hugo v. Buttel-Reepen und von E. Krüger<br />

über Wilhelm Müller, den Grün<strong>der</strong> von Nordenham. Der letztgenannte<br />

Aufsatz erschließt uns völlig unbekanntes Neuland und verdiente, in<br />

erweiterter und ergänzter Form noch einmal unseren <strong>Jahrbuch</strong>lesern dargeboten<br />

zu werden. Aus <strong>der</strong> Nachbarschaft <strong>Oldenburg</strong>s interessieren uns<br />

weiter beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> große Bremer Baumwoll-König Ludwig Knoop, sowie<br />

<strong>der</strong> Ostfriese Jacobus Reimers, dessen Buch über das Adlerwappen bei<br />

den Friesen hierzulande viel beachtet wird. Mögen diesem ersten Bande<br />

weitere ebenso gute folgen, die wissenschaftliche Genauigkeit mit lebensnaher<br />

und künstlerischer Darstellungsweise vereinen, wie es im 1. Bande<br />

durchweg <strong>der</strong> Fall ist.<br />

H, Schütte, Sinkendes Land an <strong>der</strong> Nordsee? Zur Küstengeschichte<br />

Nordwestdeutschlands, (öhringen 1939, F; Rau). — Schriften


Neue Bücher 115<br />

des Deutschen Naturkundevereins, Neue Folge Bd. 9 (114 S. mit 164<br />

Karten, Schnitten, Bil<strong>der</strong>n und einem Zweifarbendruck). Lwd. 4 RM.<br />

Nach dem schwer wissenschaftlichen W erk über das Alluvium des<br />

Jade-W eser-Gebiets (<strong>Oldenburg</strong> 1935) wurde unser kürzlich verstorbener<br />

Altmeister <strong>der</strong> Küstengeologie immer wie<strong>der</strong> aufgefor<strong>der</strong>t, auch <strong>der</strong> A llgemeinheit<br />

seine Forschungsergebnisse in verständlicher Form vorzulegen.<br />

W ir können uns glücklich schätzen, daß Sch. eine Art Volksausgabe<br />

seiner Marschengeologie uns als letztes Vermächtnis hinterlassen hat.<br />

Unter enger Mitarbeit des süddeutschen Geologen Prof. Dr. G. Wagner,<br />

<strong>der</strong> einen großen Teil <strong>der</strong> vorzüglichen Lichtbil<strong>der</strong> beisteuerte, ist die<br />

Arbc t im Juni 1939 abgeschlossen worden. Sie ist eine Art Gegenstück<br />

zu dem im gleichen Verlage erschienenen Buch von Dr. h. c. Otto Leege,<br />

W erd ndes Land in <strong>der</strong> Nordsee. Schütte hat mit seinem letzten W erk<br />

insbe m<strong>der</strong>e den Naturfreunden des W eser- und Jade-Gebietes ein sehr<br />

anreg ndes und vielseitiges Buch geschenkt, in dem ohne streng systematis,<br />

he Glie<strong>der</strong>ung sich erdgeschichtliche, technische, biologische, hydrograpb<br />

che, vorgeschichtliche, geschichtliche, landwirtschaftliche, siedlungskund<br />

che Abschnitte im Verein mit vielen an<strong>der</strong>en Fragen <strong>der</strong> landeskundi<br />

chen Wissenschaft zusammenfügen. Wenn auch dem W erk die letzte<br />

Rund ng und flüssige Darstellungsweise manchmal fehlt, so entschädigen<br />

dafür<br />

jch zahlreiche eingestreute Erlebnisberichte und <strong>der</strong> außerordentlich<br />

r ichhaltige Bil<strong>der</strong>schmuck, so daß diese letzte Arbeit Schüttes ein<br />

bleibendes Denkmal seiner verdienstvollen Forschertätigkeit darstellt.<br />

Wanda Oesau, Die deutsche S ü d s e e f i s c h e r e i auf Wale<br />

im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t. Glückstadt 1939, J. J. Augustin. (137 S., 12<br />

Bilatafeln, 1 Son<strong>der</strong>karte.) Lwd. 4,80 RM.<br />

Die Verfasserin, die sich mit ihrer musterhaften Arbeit über Schleswig-Holsteins<br />

Grönlandfahrt auf Walfischfang und Robbenschlag auf dem<br />

Gebiet <strong>der</strong> See- und Handelsgeschichte bereits einen Namen gemacht<br />

hatte, läßt nunmehr ein zweites W erk von nicht min<strong>der</strong>er Bedeutung folgen.<br />

Es ist ein Heldengesang auf die deutschen Seeleute <strong>der</strong> Nordseeküste,<br />

die in dem Zeitraum von etwa 1836— 1869 rund 60 Ausfahrten in<br />

die Antarktis unternommen haben, und dort unter den schwierigsten Vorbedingungen,<br />

mit wikingerhaftem Wagemut den Kampf mit <strong>der</strong> Natur und<br />

den Naturgeschöpfen aufnahmen. Wenn man bedenkt, daß eine Ausreise<br />

oft zwei bis vier Jahre dauerte, dann wiegt jedes einzelne Unternehmen<br />

soviel wie sechs o<strong>der</strong> sieben Grönlandfahrten. Die Verfasserin zählt annähernd<br />

10 000 Grönlandfahrten für die Zeit des 17., 18. und 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Daran gemessen ist die deutsche Südseefischerei unter allen Umständen<br />

trotz ihrer verhältnismäßig kurzen Blütezeit eine große Leistung.<br />

W ir können stolz darauf sein, daß <strong>Oldenburg</strong> und Bremen den Hauptanteil<br />

an den Ausfahrten hatten. Aus den Akten des Seemannsamtes<br />

Brake, des <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Stadtarchivs und aus alten Zeitungen hat die<br />

Verfasserin mühsam die Spuren des altoldenburgischen Unternehmungsgeistes<br />

aufgedeckt und für die Nachwelt festgehalten. Das Buch liest sich<br />

stellenweise sehr spannend, und man fragt sich an an<strong>der</strong>en nüchterneren


116 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939<br />

Stellen, ob sich nicht im <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> Familienbesitz Schiffstagebücher<br />

o<strong>der</strong> sonstige Aufzeichnungen von einzelnen Unternehmungen <strong>der</strong> A G<br />

„Visurgis", Loggbücher <strong>der</strong> Brigg „Comet“, <strong>der</strong> Bark „Planet", des Fregattschiffs<br />

„Oregon", <strong>der</strong> Bark „Braganza", <strong>der</strong> Bark „Germ an" und des Vollschiffs<br />

„Julian“ erhalten haben. Es wäre erwünscht, wenn das Staatsarchiv<br />

<strong>Oldenburg</strong> auf solche Aufzeichnungen aufmerksam gemacht würde,<br />

damit sie für weitere Forschungen nutzbar gemacht werden könnten. Wir<br />

sind jedenfalls <strong>der</strong> Verfasserin sehr dankbar, daß sie uns auf die großen<br />

Leistungen unserer Landsleute hingewiesen hat. Die Ausstattung des<br />

Buches ist vorbildlich.<br />

H. Kohorst, Der Standort <strong>der</strong> oldenburgischen Industrien.<br />

<strong>Oldenburg</strong> 1939, G. Stalling (Veröffentlichungen <strong>der</strong> W irtschaftswissenschaftlichen<br />

Gesellschaft zum Studium Nie<strong>der</strong>sachsens E. V.<br />

Reihe A , Heft 47). 78 S. 2,50 RM.<br />

Der Verfasser untersucht das Problem, ob sich die oldenburgische<br />

Industrie über das Land nach bestimmten Gesetzen verteilt, da die gegenwärtigen<br />

räumlichen Gegebenheiten für eine Erklärung des Standortes<br />

nicht ausreichen. Zunächst werden die Industriezweige in ihren Beziehungen<br />

zu den physischen Verhältnissen behandelt und nach ihrem geschichtlichen<br />

Entstehen geschil<strong>der</strong>t. Hierbei wird ausschließlich die Zeit<br />

seit etwa 1835 berücksichtigt. Anschließend arbeitet <strong>der</strong> Verf. die allgemeingültigen<br />

Standortsfaktoren für die oldenburgischen Industrien heraus<br />

und beschreibt die Standortsorientierungen <strong>der</strong> einzelnen Industriezweige,<br />

insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> G las- und Ziegelindustrie, <strong>der</strong> Torf industrie, <strong>der</strong><br />

Textilindustrie, <strong>der</strong> Korkindustrie, <strong>der</strong> Nahrungs-, Genuß- und Futtermittelindustrie,<br />

<strong>der</strong> chemischen Industrie, <strong>der</strong> Metallindustrie und <strong>der</strong> Fischerei.<br />

In diesem Abschnitt liegt <strong>der</strong> Hauptwert <strong>der</strong> Arbeit; wenngleich die Ergebnisse<br />

nicht aus ersten Quellen abgeleitet sind, son<strong>der</strong>n vielfach auf<br />

an<strong>der</strong>en Darstellungen beruhen, so ist doch die Zusammenfassung und<br />

Präzisierung ein Verdienst des Verfassers. Gewiß ist die Darstellung gelegentlich<br />

unter bestimmten wissenschaftlichen Gesichtspunkten zugespitzt<br />

und ergeht sich in Fremdwörtern; im großen und ganzen aber darf man<br />

für diese Untersuchung dankbar sein, da sie uns manche wirtschaftlichen<br />

Verflechtungen unseres Landes begreiflich macht.


Gesamtübersicht <strong>der</strong> Veröffentlichungen des Vereins 119


120 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939


Gesamtübersicht <strong>der</strong> Veröffentlichungen des Vereins 121


122 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939


Gesamttibersicht <strong>der</strong> Veröffentlichungen des Vereins 123


124 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939


Gesamtübersicht <strong>der</strong> Veröffentlichungen des Vereins 125


126 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939


Gesamtübersicht <strong>der</strong> Veröffentlichungen des Vereins 127


128 <strong><strong>Oldenburg</strong>er</strong> <strong>Jahrbuch</strong> 1939

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!