PDF - Chronos Verlag - Martin Mörike GmbH
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<strong>Verlag</strong> für Kindertheater<br />
chronos<br />
theatertexte<br />
… und<br />
dann wirft<br />
er Fäden aus,<br />
bunte Fäden,<br />
weit hinaus<br />
ins Land<br />
über die<br />
Dörfer<br />
und Städte<br />
und die<br />
Häuser,<br />
die einsam<br />
stehen<br />
am Hügelhang.
„ ...und dann wirft<br />
er Fäden aus, bunte Fäden,<br />
weit hinaus...“<br />
Friedrich Glauser:<br />
Matto regiert<br />
Für die Bühne bearbeitet von Stefan Schroeder;<br />
2 D - 5 H; frei zur UA<br />
Zu nachtschlafender Zeit wird Wachtmeister Studer aus dem Bett<br />
geklingelt. Ein alter Bekannter bittet ihn um seine Hilfe: Dr. Laduner,<br />
leitender Arzt in der Heil- und Pflegeanstalt Randlingen, erzählt,<br />
dass der Patient Pieterlen ausgebrochen sei und der Direktor<br />
der Anstalt vermisst werde. Pflichtbewusst und sorgfältig macht<br />
sich der Studer an die Arbeit, findet den Direktor, findet den Pieterlen,<br />
löst sogar den Fall um den unglücklichen Patienten Herbert<br />
Caplaun. Und dennoch kommt es ihm am Ende so vor, als habe er<br />
nichts begriffen. Denn in der Anstalt regiert „Matto“, der Geist, der<br />
die Grenze von Vernunft und Wahnsinn einreißt. Alle gesicherten<br />
Erkenntnisse zerrinnen dem Studer zwischen den Fingern, Indizien<br />
werden nutzlos und selbst auf seine gute Menschenkenntnis kann<br />
er sich nichts mehr einbilden. Wenn er glaubt, Matto auf die Spur<br />
gekommen zu sein, so hat er gerade mal einen winzigen Blick in die<br />
tiefen Abgründen der menschlichen Psyche getan.<br />
Glausers Figuren behalten diese Abgründigkeit durchgängig. Ihre<br />
Motivationen und Handlungen werden nur scheinbar erklärt und<br />
bleiben im Grunde unverständlich, fremdartig. Dicht unter der<br />
Oberfläche gerät das Konstrukt der Kriminalgeschichte aus den Fugen,<br />
wird es unwichtig, wer am Ende der Täter, wer das Opfer war,<br />
denn dunkel bleiben die Gründe der Taten und nur noch schmal ist<br />
der Grat, durch den die ‚Gesunden‘ von den ‚Kranken‘ geschieden<br />
sind. So trifft auf „Matto regiert“ bereits zu, was beinahe 30 Jahre<br />
später Michel Foucault seiner Untersuchung zu „Wahnsinn und Gesellschaft“<br />
voranstellen wird: „Man könnte die Geschichte der Grenzen<br />
schreiben - dieser obskuren Gesten, die, sobald sie ausgeführt,<br />
notwendig schon vergessen sind -, mit denen eine Kultur etwas zurückweist,<br />
was für sie außerhalb liegt.“<br />
„In diesem Werk Glausers ist auch ein surrealistisches, ein visionäres<br />
Element, Einfühlung für die Verrückten und ihre andere Welt:<br />
Ich kann mich nicht mehr über Verrückte wundern, die Stimmen<br />
hören, denn ich habe selbst das Unsichtbare sprechen gehört. Der<br />
Roman „Matto regiert“ spielt in einem Irrenhaus, und das Irrenhaus<br />
wiederum ist hier - wie schon oft - ein Bild für die Welt.“<br />
(Die Zeit, Dieter Bachraann, 20. Juli 1973)<br />
Friedrich Glauser wurde 1896 in Wien geboren. Seit seinem 21.<br />
Lebensjahr war er stark morphinabhängig. Wegen dieses „liederlichen und<br />
ausschweifenden Lebens“ ließ ihn sein Vater entmündigen und verschickte<br />
ihn in die Fremdenlegion. Nach zwei Jahren kehrte er malariakrank aus<br />
Marokko zurück und versuchte fortan, sich mit harten Gelegenheitsarbeiten<br />
über Wasser zu halten. Immer wieder musste er den verhassten<br />
Vater um Geld anbetteln, wurde er wegen Drogenkonsums festgenommen<br />
und in Heilanstalten zwangseingewiesen. Mehrmals versuchte er, in Entziehungskuren<br />
zu genesen, es gelang nicht. Am Vorabend der geplanten Hochzeit<br />
mit der Krankenschwester und treuen Gefährtin Berthe Bendel, die er<br />
seit 1933 kannte, brach er zusammen und starb in den ersten Stunden des<br />
8. Dezember 1938 in Nervi bei Genua.<br />
„Friedrich Glauser war der erste deutschsprachige Schriftsteller,<br />
der sich ernsthaft mit dem Kriminalroman auseinandersetzte. Mit<br />
seinem Konzept der Atmosphäre hat er das Genre grundlegend<br />
erweitert und ihm neue Tiefe gegeben. Seine Krimis stehen am<br />
Anfang der Entwicklung dieser Gattung im deutschsprachigen<br />
Raum und er wird zu Recht als der Vater des deutschsprachigen<br />
Kriminalromans bezeichnet.“ (www.krimilexikon.de)<br />
Stefan Schroeder, 1977 in Hagen geboren, studierte Theaterwissenschaft,<br />
Anglistik und Germanistik in Bochum. Während des Studiums war<br />
er an verschiedenen Theatern der freien Szene als Autor, Regisseur und<br />
Darsteller aktiv. Er führte Regie am Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater<br />
und war von 2001 bis 2010 Dramaturg am Schauspiel Dortmund. Seit 2006<br />
lehrt er zudem an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität<br />
Dortmund. Nach der Zeit am Dortmunder Theater widmet sich Stefan<br />
Schroeder nun ganz dem Schreiben.<br />
„Meint ihr, sie kommt noch?“<br />
Anna Gmeyner:<br />
Manja<br />
Für die Bühne bearbeitet von Birte Werner;<br />
5 Darsteller/ innen (Doppelbesetzungen); frei zur UA<br />
Fünf Kinder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen am<br />
Vorabend der Barbarei aufeinander. Ungeachtet der politischen<br />
Zugehörigkeit ihrer Eltern, ihrer sozialen Herkunft und ihrer unterschiedlichen<br />
Temperamente schließen sie eine große Freundschaft.<br />
Ihr Treffpunkt und ihr Zufluchtsort ist eine Mauer, ein kleiner<br />
Garten. Dort setzen sie gegen die Zeichen der Zeit ihre eigene<br />
Zeit – und für einen langen Moment scheint es, als könnte ihnen<br />
die Volksgemeinschaft nichts anhaben. Doch die Verteidigung<br />
wird immer schwieriger, die Brüche werden nach und nach tiefer:<br />
Franz Meißner, der Sohn eines braunen Emporkömmlings, muss<br />
seine jüdische Freundin Manja vor dem Vater verschweigen. Der<br />
Kommunistensohn Karl Müller soll in Franz nur den Freund, nicht<br />
den Feind sehen. Der schmächtige Harry Hartung soll nach dem<br />
Willen seines Vaters als ‚ 3 / 4 Arier‘ in der HJ reüssieren. Und Heini<br />
Heidemann erkennt, dass sein so kluger, humanistischer Vater keine<br />
Antworten mehr auf die zunehmende Verbreitung der braunen<br />
Ideologie hat. Nur die ‚Ostjüdin’ Manja scheint von alledem seltsam<br />
unberührt zu bleiben, sie ist die ruhende, zuversichtliche Mitte dieser<br />
Freundschaft. Dass dieser Eindruck täuscht – wir wissen es von<br />
Anbeginn an.<br />
Über vierzehn Jahre hinweg, von 1920 bis 1934 werden die Lebensgeschichten<br />
der Familien kunstvoll und klug miteinander verwoben.<br />
Die Kinder an der Mauer sind weit mehr als bloß die Stellvertreter<br />
ihrer Eltern: Sie sind deren Spiegel, aber auch ihr Gegenbild, immanente<br />
Kritik zugleich. In ihrer Freundschaft versuchen sie bis zuletzt,<br />
das Besondere ihres individuellen Lebens zu bewahren und es dem<br />
Allgemeinen nicht unterzuordnen. Doch die Totalität, die ihr Leben<br />
mehr und mehr bestimmt, lässt schützende Mauern nicht mehr zu.<br />
Die Kritik der Autorin trifft aber auch die Feinde des totalitären Systems.<br />
Im letzten großen Zwiegespräch zwischen dem Humanisten<br />
Heidemann und dem Widerstandskämpfer Müller beharren beide<br />
auf ihren Überzeugungen. Und vergeben damit die historische<br />
Chance, einander im entscheidenden Moment beizustehen gegen<br />
die Gefahr, die größer nicht sein konnte:<br />
Heidemann: „Man kämpft nicht nur mit der Faust,<br />
auch der Gedanke ist eine Waffe.“<br />
Müller: „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns.<br />
Lieber ein Lump, der uns hilft, als ein Heiliger, der zusieht.“<br />
Anna Gmeyner (geboren 1902 in Wien) musste 1933 vor der nationalsozialistischen<br />
Verfolgung fliehen. Sie emigrierte nach England und<br />
veröffentlichte 1938 den Roman „Manja. Ein Roman um fünf Kinder“<br />
(Querido <strong>Verlag</strong>, Amsterdam). „Manja“ ist zugleich ihr schriftstellerisches<br />
Vermächtnis; wie viele Exilautoren und -autorinnen verstummte auch die<br />
Schrift-stellerin Anna Gmeyner in der Fremde weitgehend. Wie groß ihre<br />
dichterische Begabung war, davon legt „Manja“ bis heute ein bewegendes<br />
und beredtes Zeugnis ab.<br />
Anna Gmeyners Tochter, Eva Ibbotson, wurde eine der bekanntesten<br />
englischsprachigen Kinderbuchautorinnen. Ihre Werke wurden in viele<br />
Sprachen übersetzt, so auch ins Deutsche.<br />
Birte Werner wurde in Wolfenbüttel geboren und studierte nach einer<br />
Ausbildung zur Buchhändlerin Germanistik und Kunstgeschichte in Göttingen<br />
und Perugia/Italien. Während des Studiums war sie u. a. Dramaturgie-<br />
Hospitantin in Braunschweig und Wien. 2004 wechselte sie als Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin an die FU Berlin, wo sie Seminare zum Kritischen<br />
Volksstück, zur Robinsonade, zu gegenwärtigen Literaturtheorien sowie zur<br />
Lyrik des 17. Jahrhunderts leitete. 2006 erschien ihre Dissertation „Illusionslos<br />
– hoffnungsvoll: Die Zeitstücke und Exilromane Anna Gmeyners“. Seit<br />
der Spielzeit 2006/07 war Birte Werner Dramaturgin, zuerst am Theater<br />
Konstanz, danach am Theater Heilbronn. Ab der Spielzeit 2012/2013 leitet<br />
sie den Programmbereich Theater an der Bundeskademie für kulturelle<br />
Bildung in Wolfenbüttel.<br />
„Manja“ ist, obgleich Kinder darin eine zentrale Rolle spielen,<br />
kein Kindertheater. Das Stück kann jedoch für Jugendliche<br />
ab 14 Jahren angesetzt werden.<br />
„Seit wir uns kennen,<br />
verstecke ich nichts vor dir.“<br />
Finn-Ole Heinrich:<br />
Räuberhände<br />
Für die Bühne bearbeitet von Michael Müller;<br />
2 H (Doppelbesetzungen); frei zur UA<br />
Janik und Samuel sind Freunde fürs Leben, sie sind<br />
coming<br />
of age<br />
wie Brüder. Das Abi haben sie in der Tasche und<br />
das Leben vor sich: In diesem Sommer scheint<br />
ihnen alles möglich zu sein, das Leben ist ein offenes<br />
Buch. Doch dann lässt sich Janik auf dem<br />
Straßenfest mit Samuels Mutter ein, und alle Illusionen zerbrechen<br />
in jenem kurzen Augenblick als Samuel die beiden erwischt.<br />
Janiks Eltern haben Samuel quasi adoptiert, denn seine Mutter<br />
Irene ist eine Trinkerin, eine Pennerin. Sie ist das genaue Gegenteil<br />
von Janiks Akademikerfamilie mit dem unerträglich tadellosen Umgangston.<br />
Irene zog Janik deshalb immer schon an; sie war fremd,<br />
interessant und unter ihrer zerstörten Fassade lag die Schönheit<br />
eines wilden Lebens. Irene war Janiks Sinnbild einer Rebellion, zu<br />
der er eigentlich keinen Grund hatte und die er sich um so mehr<br />
ersehnte.<br />
Um ihre Freundschaft zu retten, fliegen Janik und Samuel nach<br />
Istanbul. Samuel ist sich ganz sicher, dass sein unbekannter Vater<br />
Türke war und er in der Türkei nicht nur den Vater, sondern auch<br />
sich selbst finden wird. Janik folgt ihm auf seinen suchenden Wegen,<br />
beschützt ihn und pflegt ihn als er krank wird. Er will, dass alles<br />
so wird wie früher, dass sie wieder unzertrennbar werden. Aber am<br />
Ende der Reise stehen sie vor zwei unterschiedlichen Wegen in die<br />
Zukunft: Nichts ist mehr wie zuvor und doch ist nichts verloren.<br />
Finn-Ole Heinrichs Romandebut „Räuberhände“ erschien 2007<br />
im mairisch <strong>Verlag</strong> und wurde von der Presse hochgelobt:<br />
„Heinrichs Erzählweise hat etwas, was man wenigen jungen Schriftstellern<br />
heutzutage bescheinigen kann. Sie hat einen eigenen Ton.<br />
(...) Weil ein ganz normaler Junge erzählen darf, wie sich das Erwachsenwerden<br />
anfühlt. Auf etwas mehr als 200 Seiten Coming-of-<br />
Age-Geschichte, die weder einen Schnodderton noch zu groß geratene<br />
Tragik benötigt, um das einzufangen, was jeder Jugendliche<br />
kennt: die Suche nach der Identität. Heinrich begegnet ihr mit ungeheurem<br />
Einfühlungsvermögen. Vielleicht ist das altmodisch. Aber<br />
vielleicht hat genau das der jungen deutschen Literatur gefehlt.“<br />
(Sebastian Reier, Die Zeit)<br />
Finn-Ole Heinrich wurde 1982 bei Hamburg geboren. Nach seinem<br />
Abitur in Cuxhaven und dem Zivildienst in Hamburg studierte er Bildende<br />
Kunst/Film in Hannover. 2005 erscheint sein erster Erzählband im mairisch<br />
<strong>Verlag</strong>, 2007 folgt der viel beachtete Debütroman „Räuberhände“. Finn-Ole<br />
Heinrich erhielt bereits zahlreiche Stipendien und Preise, war Stadtschreiber<br />
in Erfurt und Otterndorf. Zusammen mit Spaceman Spiff hat er das<br />
Audiobook „Du drehst den Kopf, ich dreh den Kopf“ veröffentlicht. Seit<br />
2009 lebt und arbeitet er als freier Autor in Hamburg (und im Zug).<br />
Michael Müller (geboren 1959) studierte Kunst und Politik an<br />
der Universität Hildesheim und absolvierte anschließend den Aufbaustudiengang<br />
Theaterpädagogik in Remscheid. 1991 wurde er Referent<br />
für Öffentlichkeitsarbeit und Bildung am Deutschen Schauspielhaus in<br />
Hamburg. Ab 2000 arbeitete Michael Müller dort unter der Intendanz von<br />
Tom Stromberg als Dramaturg für „Junges Theater“. Mit der Neugründung<br />
des Jungen Schauspielhauses Hamburg 2005 wurde er Organisationsleiter<br />
dieser Sparte. Michael Müller schreibt Stücke und Bühnenbearbeitungen.<br />
Seine einfühlsame und präzise Bearbeitung von Per Nilssons „So lonely“<br />
(<strong>Verlag</strong> für Kindertheater) wurde in der Spielzeit 10/11 am GRIPS Theater<br />
erfolgreich uraufgeführt.<br />
„Räuberhände“ ist verbindlicher Referenztext für die schriftlichen<br />
Abiturprüfungen der Stadt Hamburg für 2013/2014<br />
zum Thema „Grenzüberschreitungen: Identität und Kultur“.<br />
II<br />
III
ein<br />
toller<br />
Jazzsong<br />
„Die Müllers haben<br />
alles für bare Münze<br />
genommen…“<br />
Walter Mehring:<br />
Müller. Chronik einer deutschen Sippe<br />
Für die Bühne bearbeitet von Sven j. Olsson,<br />
frei zur UA, lieferbar ab 01/2013<br />
„Die Müllers haben alles für bare Münze genommen (...). Ihr Vertrauen<br />
in die Unfehlbarkeit der Vorgesetzten war ebenso unerschütterlich<br />
und blind wie ihr Glaube an die Gerechtigkeit ihrer eigenen<br />
Handlungen.“ So wie es keinen ‚deutscheren’ Nachnamen gibt als<br />
Müller, so gibt es keine mustergültigere deutsche Sippe als jene<br />
Müllers, deren Geschichte Dr. Arminus Müller von der Römerzeit<br />
an lückenlos erforscht und niederschreibt. Niemals zeichneten sich<br />
die Müllers durch „besondere Schicksale“ oder „durch besondere<br />
Begabung“ aus, doch ihre Bereitwilligkeit, sich dem jeweiligen Herrscher<br />
mit Hingabe zu unterstellen, war beispielhaft. Sie haben dem<br />
Heidentum abgeschworen, dem Teufel widerstanden, sie wurden<br />
„lutherisch zugleich mit ihren Fürsten“, leisteten Heeresdienste und<br />
dienten ihren Herren gleichermaßen unbeirrt unter der Monarchie<br />
wie in der Republik. So konnte es Dr. Arminus Müller auch nicht<br />
vorhersehen, dass die Nationalsozialisten, deren Erhebung er selbst<br />
doch naturgemäß voll und ganz begrüßt hatte, ausgerechnet ihn auffordern<br />
würden, seine Rassenreinheit zu belegen. Eine Forderung,<br />
der er mit der gebotenen Müllerschen Eilfertigkeit und Gründlichkeit<br />
nachkam und an der er gewissermaßen naturgemäß scheitern<br />
musste. Nicht nur, weil die (männlichen) Müllers ausgesprochen<br />
„triebbestimmte, brünstige Menschen“ waren (Uwe Naumann), in<br />
der Wahl ihrer Frauen keinesfalls zimperlich und also ohnehin keine<br />
keuschen Leumundszeugen für Armin Müllers ‚Ariernachweis’.<br />
Vielmehr kritisiert Walter Mehring grundsätzlich die Hypostasierung<br />
der reinen Substanz, die solchermaßen erwiesen werden soll<br />
- und diese Kritik hat bis heute nichts an Dringlichkeit verloren. Die<br />
Substanz, die uns innewohnen soll und die rein erhalten werden<br />
muss, heißt heute natürlich nicht mehr ‚Rasse’ oder ‚Volk’. Die wendigen<br />
Müllers wären bestens vorbereitet gewesen auf die heutigen<br />
Anforderungen, das ‚Eigentliche’ zu verwirklichen: jene Identitätsanforderung<br />
zum Beispiel, derzufolge wir alle unverwechselbare<br />
Individuen sein müssen, in einem fitten Körper, politisch engagiert<br />
je nach der Mode etc. Geändert hat sich die Diktion, nicht die Sache.<br />
Als Armin Müller mit seinem ‚Bund der Teutoburger’ singend um<br />
ein nächtliches Weihefeuer tanzt, lässt Mehring eine „tolle Jazzband<br />
einen American Song intonieren, der den germanischen Spuk mit<br />
einem Schlag fortblies“. Ein guter Jazzsong ist Walter Mehrings satirischer<br />
Roman noch heute.<br />
Walter Mehring (1896-1981) zählt zu den bedeutendsten deutschen<br />
Autoren des 20. Jahrhunderts. Er debütierte in den zwanziger Jahren<br />
mit Gedichten und Chansons, schrieb Polemiken, Aufsätze, Dramen und<br />
Romane. 1917/18 war er Mitbegründer der Berliner Dada-Sektion, seine<br />
Gedichte aus den frühen 1920er Jahren gehören zu den wesentlichen<br />
Werken des Expressionismus. Er publizierte regelmäßig satirische Artikel<br />
gegen Militarismus, Nationalismus und Antisemitismus in der „Weltbühne“<br />
und gehörte neben Kurt Tucholsky zu den Begründern des politischen<br />
Kabaretts in Berlin: „Mehring hat ein neues Lebensgefühl, einen neuen<br />
Rhythmus, eine neue Technik... Wenn die neue Zeit einen neuen Dichter<br />
hervorgebracht hat: Hier ist er.“ (Kurt Tucholsky) Seine Gedichte und Chansons<br />
machten ihn berühmt und verhasst. Joseph Goebbels verfasste 1933<br />
einen Hetzartikel gegen ihn mit der Überschrift „An den Galgen“. Mehring<br />
entging nur knapp seiner Verhaftung, floh 1933 nach Paris und emigrierte<br />
schließlich in die USA. 1953 kehrt er nach Europa zurück und lebte zuletzt<br />
in einem Hotel in Zürich: „Eine Existenz der permanenten Improvisation,<br />
die er selbst als Fortsetzung der Exil-Situation begriff, für<br />
die er die wohl berühmteste Chiffre geschaffen hat: „Staatenlos im<br />
Nirgendwo“.“ (Portrait Radio Bremen, 29.09.2011)<br />
Er starb am 3. Oktober 1981 in Zürich.<br />
Sein Theaterstück „Der Kaufmann von Berlin“ wurde 2010 an der Volksbühne<br />
Berlin von Frank Castorf neu inszeniert.<br />
Sven j. Olsson wurde in Hamburg geboren und ist gelernter Buchhändler<br />
und studierter Diplom-Sozialwirt. Seit 1982 ist er in verschiedenen<br />
Bereichen als Produktionsassistent, Regisseur, Regieassistent, Requisiteur,<br />
Dramaturg und Schauspieler am Theater tätig. Seit 1989 schreibt er Stücke<br />
und führte Regie bei zahlreichen Kleinkunstprogrammen. Er arbeitet<br />
sowohl mit Profis als auch mit Amateuren zusammen, so gründete er in<br />
Hamburg beispielsweise ein Theaterprojekt für Wohnungslose, „Hornköppe“,<br />
mit denen er 2012 bereits das dritte Stück erfolgreich auf die Bühne<br />
brachte.<br />
„Ich hatte gleich<br />
so ein schlechtes<br />
Gefühl, als ich<br />
die Urlaubspläne<br />
gesehen habe…“<br />
Stefan Schroeder:<br />
Engelchen und Teufelchen<br />
Komödie für 1 D -1 H; UA: 04.05.2012, Theater an der<br />
Volme, Hagen (Regie: Stefan Schroeder)<br />
Zunächst scheint alles nur ein Buchungsfehler des Managements<br />
zu sein: Engelchen und Teufelchen finden sich in ein und demselben<br />
engen Hotelzimmer wieder. Damit nicht genug hat das Zimmer<br />
keine Fenster, kein funktionierendes Badezimmer und nur ein<br />
Bett! Das Hotel sei leider ausgebucht, so die lapidare Antwort der<br />
Rezeption, man bitte die beiden, sich zu arrangieren. Während das<br />
realitätsblinde Engelchen aus der Situation nur das Beste machen<br />
möchte und eine schier nervtötend gute Laune zur Schau stellt, ist<br />
das prinzipiell misanthropische Teufelchen im wahrsten Sinne des<br />
Wortes echauffiert. Nach und nach dämmert es den beiden, dass<br />
hier nicht etwa der Zufall am Werk sein kann, sondern dass ihre<br />
beiden Chefs sie infamerweise in eine Art Zwangsurlaub verschickt<br />
haben, oder sollte man besser sagen: in eine Zwangstherapie? Denn<br />
die Obrigkeit sorgt mit heimtückischem Hokuspokus dafür, dass die<br />
beiden tiefere Einblicke in das eigene Seelenleben nehmen müssen,<br />
als ihnen zunächst lieb ist. Am Ende aber ergibt sich ein interessantes<br />
neues Lebensmodell: schicksalhaft, schonungslos und zum<br />
Schreien komisch.<br />
„Ein fünfzigteiliges<br />
Puzzle mit der Abbildung<br />
von Stuttgart-Mitte. In<br />
Grautönen. Ein Geschenk<br />
an alle Neuankömmlinge,<br />
die um Asyl bitten.“<br />
Reihaneh Youzbashi Dizaji:<br />
Stuttgart.Teheran.Dialog<br />
Für 4 Darsteller/innen; frei zur UA<br />
auch erhältlich als Monolog „Stuttgart.Teheran“<br />
(UA Akademietheater Ulm 2010)<br />
Die junge Frau erinnert sich gerne an die Kindertage<br />
im Paradies, daran, wie die Welt um sie herum<br />
aussah, roch und schmeckte. Damals, als sie noch<br />
nichts wusste über die Gefahr, in der sie mit ihren<br />
Eltern schwebte. Denn die politische Opposition<br />
im Iran wurde verfolgt und der erste Golfkrieg<br />
begann. Doch im Dampfbad der Großeltern schien<br />
die Welt im absoluten Gleichgewicht zu sein. Im Luftschutzkeller<br />
nicht mehr.<br />
Als ihr Vater um Asyl in Stuttgart ansucht, verspricht er ihr eine<br />
Kindernähmaschine. Doch es erwartet sie nur das Gastgeschenk<br />
der Stadt: Ein 50teiliges Puzzle, die Stadtansicht in Grau. Das Essen<br />
schmeckt nicht, die Sprache ist fremd, sie hausen in einem kleinen<br />
Zimmer zu dritt.<br />
Doch das Kind lernt deutsch, lernt sich in diesem Land zu bewegen,<br />
findet ihren eigenen Weg. Als sie alt genug ist, geht sie ihn zurück:<br />
sie reist in den Iran der Gegenwart auf der Suche nach der Vergangenheit.<br />
Sie trifft ihre Cousinen, denen ihr Vater verbietet, das Internet<br />
zu benutzen. Sie fürchtet sich an jeder Straßenecke vor der<br />
Sittenpolizei. Die Familie will sie verheiraten, sie wird in die Enge<br />
getrieben, ihr Vater muss kommen, um sie zu retten.<br />
Die Frau, die uns ihre Geschichte erzählt, wandelt sicher und<br />
selbstsicher auf einem schmalen Grat: Sie urteilt immer aufgrund<br />
individueller Erfahrung, verallgemeinert nie und erlangt dennoch<br />
Allgemeingültigkeit. Während in Deutschland die „kulturellen Eigenheiten<br />
und Unterschiede“ als unantastbar und nicht kritikfähig<br />
für junge<br />
Erwachsene<br />
gelten, kommt sie ohne diese Kollektivbegriffe aus. Sie kritisiert<br />
zwei Gesellschaftsformen, die sie erlebt hat, und braucht dazu keine<br />
Identitäts- oder Kulturklischees.<br />
Und auch keine ‚Heimat‘. Nur ein Zuhause.<br />
„So zu werden, wie du<br />
mich gern gehabt hättest.“<br />
Reihaneh Youzbashi Dizaji:<br />
Prellung II<br />
2 D; frei zur UA<br />
Ein Stück über mehrere Runden: Zwei Frauen stehen<br />
im Ring, tänzeln, gehen in Deckung und schlagen<br />
zu. Sie verhaken sich ineinander und lösen sich<br />
wieder. Sie liefern sich einen zähen Kampf um die<br />
Frage, wie ein richtiger Kampf zu sein habe.<br />
Die Mutter weiß genau, was sie zu tun hat. Sie<br />
kämpft für die Befreiung ihrer ehemaligen Heimat.<br />
Daraus zieht sie Kraft, darin allein scheint ihr Versöhnung<br />
möglich mit ihrem Leben im Exil, in dem sie innerlich nie<br />
angekommen ist. Ihrer Tochter ist das Exil längst ein Zuhause geworden<br />
und sie hat ganz andere Sorgen. Vor allem aber ist sie es<br />
leid, dass sie für einen Kampf geboren sein soll, der nicht mehr der<br />
ihre ist.<br />
Im Ringen um ihre Beziehung zueinander und um ihren höchsteigenen<br />
Umgang mit der Welt, verletzen beide einander schonungslos.<br />
Sie führen Schlag um Schlag die Wut aus, aus der jeder Kampf<br />
sich speisen muss - und gleichzeitig haben sie Sehnsucht nacheinander<br />
und nach einem glücklichen, freien Leben.<br />
Reihaneh Youzbashi Dizaji nähert sich der Frage, wie Engagement<br />
und Autonomie heute gelingend vermittelt werden könne, auf ungewöhnliche<br />
Weise: in einem intimen, berührenden Kammerspiel. Sie<br />
verweigert eine eindeutige Parteinahme, ihre Figuren haben Recht<br />
und Unrecht zugleich. Die Autorin lässt sie den Widerspruch aushalten,<br />
dass es Gründe genug geben kann, für ein Leben zu kämpfen,<br />
in dem es keinen Kampf mehr gäbe; wissend, dass jeder Kampf<br />
immer ein Pakt mit dem Teufel ist – und sei es nur dem inneren.<br />
für junge<br />
Erwachsene<br />
Reihaneh Youzbashi Dizaji wurde 1983 in Täbriz im Iran geboren.<br />
Mit acht Jahren floh sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Nach ihrem<br />
Schauspielstudium lebt und arbeitet sie nun in Berlin. Ihre Erfahrungen<br />
am Theater beschränken sich jedoch nicht nur auf das Schauspiel; auch<br />
die intensive, pädagogische Arbeit mit Jugendlichen prägte sie in den<br />
ersten Jahren in Berlin stark. Durch die Idee zum Dokumentarfilm „Mein<br />
Paradies“ angeregt, reiste die Autorin nach langer Abwesenheit in den Iran.<br />
Die Reise wurde auch zum Auslöser ihres ersten Theaterstückes „Stuttgart.<br />
Teheran“, mit dem sie zum Heidelberger Stückemarkt 2011 eingeladen<br />
wurde. Ihre Stücke für Kinder und Jugendliche werden im <strong>Verlag</strong> für Kindertheater<br />
Weitendorf veröffentlicht.<br />
IV<br />
V
Stücke von Erich Kästner<br />
VI<br />
„Die ganze<br />
Richtung passt<br />
mir nicht!“<br />
erich kästner, Jakob vinje:<br />
Fabian<br />
Musiktheater von Jakob Vinje nach dem gleichnamigen<br />
Roman von Erich Kästner; Libretto:<br />
Katharina Vinje; Liedtexte: Erich Kästner/Jakob<br />
Vinje; 3 D, 4 H; für 6 Instrumente oder Orchester<br />
„…Es ist ein Irrtum zu glauben, die entscheidenden Momente eines<br />
Lebens, in denen sich eine gewohnte Richtung für immer ändert,<br />
müssten von lauter und greller Dynamik sein.“ (Pascal Mercier)<br />
Im Berlin der großen Weltwirtschaftskrise, am Vorabend der Machtübergabe<br />
an Hitler, scheitert Fabian ganz leise und kein bisschen<br />
grell. Er verliert seine Stellung als Werbetexter, weil er zu gut und<br />
damit zu teuer ist, er verliert seine Freundin Cornelia an die mehr<br />
oder weniger korrupte Filmindustrie und er verliert seinen einzigen<br />
Freund Labude, der sich ‚fälschlicherweise‘ umbringt.<br />
Fabian ist ein Moralist und versucht doch nach Kräften, es nicht<br />
zu sein. Er stürzt sich ins Nachtleben und in zügellose Abenteuer.<br />
Aber es ekelt ihn vor der Verlogenheit der antibürgerlichen Affären,<br />
die sich schon nicht mehr von der Scheinheiligkeit der ehrbaren<br />
bürgerlichen Verhältnisse unterscheidet. Er verabscheut die Rechten,<br />
gehört aber auch nicht zu den Linken. Fabian hält sich raus und<br />
kann dennoch nicht wegschauen. Zu seinem Leben passt sein Ende:<br />
Fabian ertrinkt, ganz einfach, weil er nicht schwimmen kann.<br />
„In Wahrheit ist die Dramatik einer lebensbestimmenden Erfahrung<br />
oft von unglaublich leiser Art. Wenn sie ihre revolutionäre<br />
Wirkung entfaltet und dafür sorgt, dass ein Leben in ein ganz<br />
neues Licht getaucht wird und eine vollkommen neue Melodie bekommt,<br />
so tut sie das lautlos, und in dieser wundervollen Lautlosigkeit<br />
liegt ihr besonderer Adel…“ (Pascal Mercier)<br />
Kästners Roman ist auch heute noch ein Plädoyer für eine solche<br />
„vollkommen neue Melodie“, nach der das Leben verlaufen könnte.<br />
Die Zustände, an denen Fabian scheitert, haben sich nicht wesentlich<br />
geändert. Zwischenmenschliche Beziehungen unterliegen heute<br />
wie damals überwiegend einem Warencharakter, Ideologien stehen<br />
noch immer hoch im Kurs, während die Aktien gleichermaßen weiter<br />
fallen. Revolutionär also wäre es, die ganze Richtung zu ändern...<br />
In ihrer charmanten und melancholischen, dabei immer unaufdringlichen<br />
Art, fasst Jakob Vinjes Musik Fabians ebenso unspektakuläres<br />
wie tragisches Scheitern in Musik und lässt dadurch ganz<br />
leise und kein bisschen grell etwas von dieser anderen Melodie erahnen.<br />
Erich Kästner, geboren 1899 in Dresden, war satirischer Schriftsteller,<br />
Dramatiker, Kabarettist, Feuilletonist und bedeutender Kinderbuchautor.<br />
1928 erschien das erste der beiden Bücher, die ihn auf einen Schlag weltberühmt<br />
gemacht haben: der Gedichtband „Herz auf Taille“. Ein Jahr später<br />
folgte das Kinderbuch „Emil und die Detektive“. Bis 1933 erschienen zahlreiche<br />
Bücher, die seinen Erfolg festigten. Im Nationalsozialismus wurden<br />
seine Bücher verbrannt und Erich Kästner erhielt Publikationsverbot. Nach<br />
dem Ende des Krieges leitete Kästner das Feuilleton der „Neuen Zeitung“<br />
und gründete das Kabarett „Die Schaubude“. Allmählich begann er wieder<br />
Bücher zu schreiben, und zwar zunehmend für Kinder. Mehrere literarische<br />
Auszeichnungen (u. a. Georg-Büchner-Preis, 1957; Hans-Christian-Andersen-Medaille,<br />
1960) unterstreichen seine literarische Bedeutung. Am 29. Juli<br />
1974 starb Erich Kästner in München.<br />
Jakob Vinje wurde 1968 in Bruchsal geboren. Er studierte Musikwissenschaft<br />
und Kulturmanagement. Er leitete u.a. als Geschäftsführer die Opernfestspiele<br />
Zwingenberg und arbeitete von 1993 bis 1998 als Korrepetitor<br />
bei John Neumeier in Hamburg sowie bei einigen Musicalproduktionen.<br />
Von 1996-1998 war er Dozent an der Stella Academy – school for music,<br />
dance and drama. Seit 1998 arbeitet er als freischaffender Komponist in<br />
Frankreich und Deutschland.<br />
Bearbeitungen als Sprechtheater:<br />
Für die Bühne bearbeitet von<br />
Hans Drawe und Horst Ruprecht; 7 D, 7 H;<br />
UA: Stadttheater Ingolstadt, 1999<br />
Für die Bühne bearbeitet von Gottfried Greiffenhagen;<br />
3 D, 6 H; UA: Theater am Kurfürstendamm, Berlin, 2001<br />
In Absprache mit dem <strong>Verlag</strong> sind eigene Adaptionen<br />
des Romans möglich. Wir freuen uns auf spannende Bühnenumsetzungen!<br />
„Ich fordere jetzt<br />
das Ganze<br />
und will auch –<br />
den Rest!“<br />
Münchhausen<br />
Nach dem Drehbuch für die Bühne bearbeitet von Johanna<br />
Schall und Grit van Dyk; 5 D, 7 H, 1 Kind, 1 Statistin;<br />
UA: Volkstheater Rostock, 2010<br />
„Die Geschichten müssen erzählt werden“, resümiert der sagenumwobene<br />
Baron Münchhausen am Ende seines – überirdisch –<br />
langen Lebens. Er ritt auf der Kanonenkugel und auf einem halbierten<br />
Pferd, überlistete immer wieder die Mächtigen und liebte<br />
alle Frauen. Ob er dabei log und übertrieb, spielte keine Rolle. Die<br />
Menschen wollten ihm einfach glauben, denn Münchhausen liebte<br />
und lebte das Leben mit einer solchen Intensität, dass schon ein<br />
bloßer Abglanz davon die alltägliche Mittelmäßigkeit seiner Zuhö-<br />
rer erleuchten konnte. Münchhausen wagte, was die Mehrheit sich<br />
versagt: Er wollte alles und alles sofort. Er wollte nicht herrschen,<br />
sondern genießen. Seine größte Geschichte war sein eigenes Leben.<br />
„Der Mensch mit der stärkeren Einbildungskraft erzwingt sich ganz<br />
einfach eine reichere Welt.“ (Erich Kästner)<br />
Johanna Schall wurde in Berlin geboren und absolvierte dort 1982<br />
ihre Schauspielprüfung an der Schauspielschule „Ernst Busch“. Es folgte<br />
ihr erstes festes Engagement als Schauspielerin am Kleist-Theater in Frankfurt/Oder.<br />
Von 1984 bis 1997 war Johanna Schall Ensemblemitglied des<br />
Deutschen Theaters Berlin, wo sie u. a. mit den Regisseuren Heiner Müller,<br />
Frank Castorf und Thomas Langhoff zusammenarbeitete und 1992 mit<br />
ihrer ersten Regiearbeit, „Der Pelikan“ von August Strindberg, debütierte.<br />
Es folgten zahlreiche Regiearbeiten an Theatern im In- und Ausland sowie<br />
Lehrtätigkeiten an Schauspielschulen. Von 2002 bis 2007 war sie Schauspieldirektorin<br />
am Volkstheater Rostock. Aktuell arbeitet Johanna Schall<br />
als freischaffende Regisseurin sowie als Gastdozentin an der University of<br />
Toronto.<br />
Grit van Dyk (geboren 1974) studierte Theater- und Erziehungswissenschaften<br />
an der Justus-Liebig Universität Gießen, an der Humboldt<br />
Universität Berlin und an der Staatlichen Hochschule für Theater Madrid.<br />
Nach dem Studium war sie Lektorin in einem Theaterverlag, von 2002-2007<br />
arbeitete sie als Schauspieldramaturgin am Volkstheater Rostock. Seit 2007<br />
arbeitet sie als freiberufliche Autorin, Dramaturgin und Lektorin in Berlin.<br />
Drei Männer im Schnee<br />
Komödie in fünf Akten nach dem gleichnamigen Roman<br />
4 D, 6 H; für die Bühne bearbeitet von Charles Lewinsky<br />
Im Sommer 1927 saß Erich Kästner in einer Zeitungsredaktion und<br />
musste Tausende von Einsendungen zu einem Preisausschreiben<br />
prüfen und sortieren. Gut möglich, dass Kästner im Verlauf dieser<br />
ihn zweifellos frustrierenden Tätigkeit erfahren musste, dass die<br />
Gewinner eines Preisausschreibens nicht immer den Erwartungen<br />
derer entsprechen, die die Preise aussetzen. Diese Erfahrung inspirierte<br />
ihn zu einer seiner erfolgreichsten Geschichten.<br />
Der exzentrische und reiche Geheimrat Tobler beteiligt sich unter<br />
fremden Namen an einem Preisausschreiben seiner eigenen Firma<br />
und gewinnt den zweiten Preis: einen zehntägigen Aufenthalt in<br />
einem Grandhotel in den Alpen! Er beschließt, die Reise inkognito<br />
anzutreten, denn Tobler will die Menschen studieren, will wissen,<br />
wie sie auf einen armen Schlucker reagieren würden. Zwar informiert<br />
seine besorgte Tochter vorab den Empfangschef über die<br />
Maskerade, doch gerät trotzdem alles reichlich in Unordnung, weil<br />
zeitgleich der Gewinner des 1. Preises im Grandhotel eintrifft: der<br />
tatsächlich mittellose Fritz Hagedorn.<br />
Eine heitere Komödie über Sein und Schein.<br />
Das lebenslängliche Kind<br />
Lustspiel; 3 D, 9 H<br />
Erich Kästner brachte den Stoff der „Drei Männer im Schnee“ 1934<br />
bereits unter dem Pseudonym Robert Neuner als Komödie in vier<br />
Akten unter dem Titel „Das lebenslängliche Kind“ heraus. Abgesehen<br />
von den Namen der handelnden Personen (hier z. B. Schlüter<br />
statt Tobler) sind die Inhalte weitestgehend identisch.<br />
Die Schule der Diktatoren<br />
4 D, 10 H<br />
Vier anonyme Drahtzieher präsentieren dem Volk einen Diktator,<br />
der in Wahrheit aber nichts anderes als ein lenkbares Werkzeug<br />
ist. Um durch Attentate oder plötzlich auftretende Launen ihrer<br />
menschlichen Marionette nicht in Verlegenheit gebracht zu werden,<br />
gründen die Großen Vier eine Schule, in der Diktatorennachwuchs<br />
ausgebildet wird. So kann jederzeit – vom Volk unbemerkt – ein<br />
Diktator gegen den nächsten ausgetauscht werden.<br />
„Das oft gesuchte politische Stück, das trotzdem unterhaltsam ist –<br />
hier ist es.“ (Wolfgang Drews, FAZ)<br />
Die verschwundene Miniatur<br />
Zur individuellen Dramatisierung<br />
Beim genüsslichen Verzehr einer Schlachtplatte auf der Terrasse<br />
des noblen Hotel D´Angleterre macht Fleischermeister Külz<br />
aus Berlin die Bekanntschaft von Fräulein Trübner. Sie erzählt ihm,<br />
dass sie die Privatsekretärin eines steinreichen Kunstsammlers ist,<br />
der soeben eine wertvolle Miniatur erstanden hat. Sie sei nun mit<br />
der schwierigen Aufgabe betraut, dieses Prachtstück unversehrt<br />
nach Berlin zu schaffen. Allerdings habe sie längst die Befürchtung,<br />
dass sie verfolgt würde. Fräulein Trübner bittet Külz um Hilfe. Er<br />
solle die Miniatur mit nach Berlin nehmen, ihn würde niemand<br />
verdächtigen. In der Zwischenzeit könne sie mit aller weiblichen<br />
Raffinesse die Verfolger abschütteln. Für Fleischermeister Külz ist<br />
so ein Abenteuer eine willkommene Abwechslung, und er willigt<br />
ein. Doch schon auf der Schiffspassage gelingt es den Ganoven, das<br />
Kunstwerk zu entwenden…<br />
Eine rasante Kriminalkomödie mit überraschenden Wendungen!<br />
Erich Kästner, Eberhard Keindorff<br />
Verwandte sind auch Menschen<br />
Lustspiel; 6 D, 7 H, 5 K; UA: Hebbel-Theater, 1955<br />
Ein sehr reicher Mann aus Amerika will sich für die Bosheiten seiner<br />
Verwandten rächen, die er in jungen Jahren erfahren hat. Er lässt<br />
sich totsagen, um, als Diener verkleidet, die weit verzweigte Sippe,<br />
die ihn nicht kennt, bei der Testamentseröffnung zu beobachten und<br />
zu ärgern. Nachher tut ihm die Fopperei leid, denn seine Verwandten<br />
sind gar nicht so übel; sie haben ihren Spleen und ihre liebe Not mit<br />
dem leidigen Geld, aber ansonsten sind sie „auch nur Menschen“.<br />
Weitere Stücke:<br />
Erich Kästner<br />
Chauvelin oder Lang lebe der König!<br />
10 H, 4 D, Db möglich<br />
Erich Kästner, Eberhard Keindorff<br />
Seine Majestät Gustav Krause<br />
Komödie; 7 D, 10 H<br />
Erich Kästner, Eberhard Keindorff<br />
Die Frau nach Maß<br />
Lustspiel; 3 D, 5 H<br />
Erich Kästner, Eberhard Keindorff<br />
Das goldene Dach<br />
Komödie; 8 D, 12 H<br />
Das gesamte Programm unter www.chronostheatertexte.de; Lektorat: Juliane Lachenmayer; externes Lektorat: Stefan Schroeder;<br />
chronos theatertexte im <strong>Verlag</strong> für Kindertheater Weitendorf <strong>GmbH</strong>, Max-Brauer-Allee 34, 22765 Hamburg, Tel: 0049 (0)40/607 909-916,<br />
Fax: 0049 (0)40/607 909-616, E-Mail: chronos@vgo-chronos.de, Website: www.chronostheatertexte.de<br />
Redaktion: Juliane Lachenmayer, Grafikdesign: Ursula Peters, Hamburg<br />
VII
chronos theatertexte in <strong>Verlag</strong> für Kindertheater<br />
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