02.11.2013 Aufrufe

VORWORT VOn HAns-GERT PöTTERInG MäRZ 2004

VORWORT VOn HAns-GERT PöTTERInG MäRZ 2004

VORWORT VOn HAns-GERT PöTTERInG MäRZ 2004

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Jean<br />

Monnet<br />

Kapitel III<br />

Jean Monnets heutige Botschaft<br />

Genugtuung, daß die Dinge vorankamen, und er zog es vor, sich im Hintergrund die<br />

Freiheit zu bewahren, die er als Politiker hätte preisgeben müssen.<br />

Die europäische Einheit: ein Fortschritt der Zivilisation<br />

16<br />

Jean Monnet / MENSCHEN VEREINIGEN<br />

Seine Erfolge verdankte er der Zielstrebigkeit seines Handelns. Keine Magie kam<br />

ihm dabei zu Hilfe. Er räumte selbst ein, daß ihm stets alles recht schwer von der<br />

Hand gegangen ist. Er achtete stets auf das Detail, da er wußte, daß auch das<br />

Nebensächliche Voraussetzung für den Erfolg ist. Von seinen Mitarbeitern verlangte<br />

er viel. Sie hingegen brachten ihm die Hingabe entgegen, die man gleichermaßen<br />

einer großen Sache wie einem anspruchsvollen Führer schuldet. Er zögerte nicht,<br />

seinen Gesprächspartner, die es zu überzeugen galt, sein Projekt immer wieder<br />

vorzutragen und sich dabei über alle Hindernisse bürokratischer Starrheit<br />

hinwegzusetzen.<br />

Seiner bäuerlichen Verwurzelung blieb er Zeit seines Lebens treu. Überall, wo seine<br />

Aufgaben ihn hinführten, suchte er den Kontakt zur Natur, für ihn die beste<br />

Einstimmung für lange Stunden einsamen Nachdenkens. Bei der Arbeit vergaß er<br />

die Zeitregeln und Riten der Gesellschaft. Es war nicht außergewöhnlich, noch spät<br />

am Abend einen Telefonanruf von ihm zu bekommen. Er liebte kurze, klar<br />

formulierte Vermerke, die er jedem zu zeigen pflegte, von seinem Gärtner bis zum<br />

durchreisenden Minister. Als Feind abstrakten Rankenwerks strebte er stets dem<br />

Kern der Sache zu und verlangte die Konzentration auf das Wesentliche. Das war der<br />

Mann, der für ein einziges Ideal lebte und kämpfte: für das Ideal, die Verständigung<br />

zwischen den Menschen zu fördern, die gemeinsame Aktion zu organisieren und<br />

den Rahmen für eine zivilisiertere internationale Gesellschaft zu schaffen.<br />

Jean Monnet war den sittlichen und menschlichen Aspekten der europäischen Idee<br />

fest verhaftet. Mit der Verurteilung des Überlegenheitsdünkels und der<br />

diskriminierenden Praktiken, die die Komplexe und den Groll zwischen den Völkern<br />

nähren, hat der Schuman-Plan den Hebel an der Quelle der Konflikte angesetzt.<br />

Damit konnte Europa einen zweifellos entscheidenden und irreversiblen Schritt zur<br />

Organisation eines Friedens tun, den man unerreichbar wähnte, so sehr hatte man<br />

vor der Fatalität des Krieges resigniert. Das, was Jean Monnet vorgemacht hat,<br />

berührt die politische Philosophie und basiert auf einer Feststellung:<br />

"In unserem nationalen Leben wurden die Grundsätze von Freiheit, Gleichheit und<br />

Demokratie deshalb akzeptiert und praktiziert, weil sich die Menschen nach<br />

Jahrhunderten des Kampfes zusammengetan haben, um diesen Grundsätzen<br />

konkrete institutionelle Formen zu geben: Wahlen, Parlamente, Gerichte, Zugang<br />

zur Bildung für jeden, Recht auf freie Meinungsäußerung und freie Information.<br />

Innerhalb der einzelstaatlichen Grenzen haben die Menschen seit langem zivilisierte<br />

Formen der Regelung von Interessenkonflikten gefunden und kultiviert. Die<br />

Menschen brauchen sich nicht mehr durch Gewalt zu verteidigen. Regeln und<br />

Institutionen haben eine Gleichheit des Rechts geschaffen. Die Armen und die<br />

Schwachen haben sich zusammengetan, um größeren Einfluß auszuüben. Die<br />

Mächtigen und die Schwachen haben ihr gemeinsames Interesse erkannt. Nicht die<br />

menschliche Natur, sondern das Verhalten der Menschen hat sich durch das Wirken<br />

gemeinsamer Institutionen unter Bedingungen, die zumindest ein für alle<br />

Gesellschaften wesentliches Minimum an Wohlergehen sichern, geändert.<br />

17<br />

Jean Monnet / MENSCHEN VEREINIGEN<br />

Aber jenseits der Grenzen verhalten sich die Nationen noch so, wie es die Individuen<br />

täten, wenn es weder Gesetz noch Institutionen gäbe. Letztlich hält jede strikt an der<br />

nationalen Souveränität fest, und jede behält sich das Recht vor, Richter in eigener<br />

Sache zu sein. In Europa haben wir am eigenen Leibe die Folgen dieser Haltung zu<br />

spüren bekommen. Durch die Jahrhunderte hindurch haben alle großen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!