VORWORT VOn HAns-GERT PöTTERInG MäRZ 2004
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Jean<br />
Monnet<br />
Kapitel III<br />
Jean Monnets heutige Botschaft<br />
Genugtuung, daß die Dinge vorankamen, und er zog es vor, sich im Hintergrund die<br />
Freiheit zu bewahren, die er als Politiker hätte preisgeben müssen.<br />
Die europäische Einheit: ein Fortschritt der Zivilisation<br />
16<br />
Jean Monnet / MENSCHEN VEREINIGEN<br />
Seine Erfolge verdankte er der Zielstrebigkeit seines Handelns. Keine Magie kam<br />
ihm dabei zu Hilfe. Er räumte selbst ein, daß ihm stets alles recht schwer von der<br />
Hand gegangen ist. Er achtete stets auf das Detail, da er wußte, daß auch das<br />
Nebensächliche Voraussetzung für den Erfolg ist. Von seinen Mitarbeitern verlangte<br />
er viel. Sie hingegen brachten ihm die Hingabe entgegen, die man gleichermaßen<br />
einer großen Sache wie einem anspruchsvollen Führer schuldet. Er zögerte nicht,<br />
seinen Gesprächspartner, die es zu überzeugen galt, sein Projekt immer wieder<br />
vorzutragen und sich dabei über alle Hindernisse bürokratischer Starrheit<br />
hinwegzusetzen.<br />
Seiner bäuerlichen Verwurzelung blieb er Zeit seines Lebens treu. Überall, wo seine<br />
Aufgaben ihn hinführten, suchte er den Kontakt zur Natur, für ihn die beste<br />
Einstimmung für lange Stunden einsamen Nachdenkens. Bei der Arbeit vergaß er<br />
die Zeitregeln und Riten der Gesellschaft. Es war nicht außergewöhnlich, noch spät<br />
am Abend einen Telefonanruf von ihm zu bekommen. Er liebte kurze, klar<br />
formulierte Vermerke, die er jedem zu zeigen pflegte, von seinem Gärtner bis zum<br />
durchreisenden Minister. Als Feind abstrakten Rankenwerks strebte er stets dem<br />
Kern der Sache zu und verlangte die Konzentration auf das Wesentliche. Das war der<br />
Mann, der für ein einziges Ideal lebte und kämpfte: für das Ideal, die Verständigung<br />
zwischen den Menschen zu fördern, die gemeinsame Aktion zu organisieren und<br />
den Rahmen für eine zivilisiertere internationale Gesellschaft zu schaffen.<br />
Jean Monnet war den sittlichen und menschlichen Aspekten der europäischen Idee<br />
fest verhaftet. Mit der Verurteilung des Überlegenheitsdünkels und der<br />
diskriminierenden Praktiken, die die Komplexe und den Groll zwischen den Völkern<br />
nähren, hat der Schuman-Plan den Hebel an der Quelle der Konflikte angesetzt.<br />
Damit konnte Europa einen zweifellos entscheidenden und irreversiblen Schritt zur<br />
Organisation eines Friedens tun, den man unerreichbar wähnte, so sehr hatte man<br />
vor der Fatalität des Krieges resigniert. Das, was Jean Monnet vorgemacht hat,<br />
berührt die politische Philosophie und basiert auf einer Feststellung:<br />
"In unserem nationalen Leben wurden die Grundsätze von Freiheit, Gleichheit und<br />
Demokratie deshalb akzeptiert und praktiziert, weil sich die Menschen nach<br />
Jahrhunderten des Kampfes zusammengetan haben, um diesen Grundsätzen<br />
konkrete institutionelle Formen zu geben: Wahlen, Parlamente, Gerichte, Zugang<br />
zur Bildung für jeden, Recht auf freie Meinungsäußerung und freie Information.<br />
Innerhalb der einzelstaatlichen Grenzen haben die Menschen seit langem zivilisierte<br />
Formen der Regelung von Interessenkonflikten gefunden und kultiviert. Die<br />
Menschen brauchen sich nicht mehr durch Gewalt zu verteidigen. Regeln und<br />
Institutionen haben eine Gleichheit des Rechts geschaffen. Die Armen und die<br />
Schwachen haben sich zusammengetan, um größeren Einfluß auszuüben. Die<br />
Mächtigen und die Schwachen haben ihr gemeinsames Interesse erkannt. Nicht die<br />
menschliche Natur, sondern das Verhalten der Menschen hat sich durch das Wirken<br />
gemeinsamer Institutionen unter Bedingungen, die zumindest ein für alle<br />
Gesellschaften wesentliches Minimum an Wohlergehen sichern, geändert.<br />
17<br />
Jean Monnet / MENSCHEN VEREINIGEN<br />
Aber jenseits der Grenzen verhalten sich die Nationen noch so, wie es die Individuen<br />
täten, wenn es weder Gesetz noch Institutionen gäbe. Letztlich hält jede strikt an der<br />
nationalen Souveränität fest, und jede behält sich das Recht vor, Richter in eigener<br />
Sache zu sein. In Europa haben wir am eigenen Leibe die Folgen dieser Haltung zu<br />
spüren bekommen. Durch die Jahrhunderte hindurch haben alle großen