Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
er in der Lage ist, das Pentagon zu Angriffen auf schutzlose Ziele zu veranlassen. Für diesen Mut<br />
erhielt er viel Lob und bewies erneut, daß sein (von Eisenhower erborgter) Slogan »Mandat für den<br />
Wandel« eigentlich »Schema 08/15« hätte heißen müssen, trotz aller Illusionen, die man sich in<br />
Europa und Teilen der Dritten Welt machte. Werfen wir einen näheren Blick auf diesen Vorfall.<br />
Am 26. Juni 1993 befahl Clinton einen Raketenangriff auf den Irak. 27 Auf ein Hauptquartier des<br />
Geheimdienstes in Bagdad wurden 23 Tomahawk-Marschflugkörper abgefeuert. Sieben verfehlten ihr<br />
Ziel und schlugen in ein Wohngebiet ein. Acht Zivilisten wurden getötet, ein Dutzend verwundet,<br />
berichtet Nora Boustany aus Bagdad. Unter den Toten waren die bekannte Künstlerin Laila al-Attar<br />
und ein Mann, der noch sein kleines Kind in den Armen hielt. Ein Raketenangriff kann immer mit<br />
technischen Fehlern behaftet sein, aber sein »hauptsächlicher Vorzug« besteht, wie Verteidigungsminister<br />
Les Aspin erklärte, darin, daß er, im Gegensatz zu einer zielgenaueren Bombardierung, »die<br />
US-Piloten keinem Risiko aussetzte«. Das müssen dann eben die irakischen Zivilisten tragen.<br />
Clinton zeigte sich über die Ergebnisse des Angriffs erfreut. »Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf<br />
der Ereignisse, und ich denke, das amerikanische Volk kann es auch sein«, teilte er am anderen Tag<br />
auf dem Weg <strong>zum</strong> Gottesdienst mit. Mit ihm freuten sich führende Vertreter der Taubenfraktion im<br />
Kongreß, die den Angriff für »angemessen, vernünftig und notwendig« hielten; »wir müssen diesen<br />
Leuten zeigen, daß wir uns nicht zu Zielscheiben des Terrorismus machen lassen«, meinten Barney<br />
Frank und Joseph Moakley, Liberale aus Massachussetts. 28<br />
Der Angriff wurde als Vergeltungsschlag für einen angeblichen Versuch des Irak ausgegeben, Ex-<br />
Präsident Bush zu ermorden, als dieser im April Kuweit besucht hatte. Zum Zeitpunkt des Angriffs<br />
gab es dort einen Prozeß gegen die Angeklagten, der unter zweifelhaften Umständen durchgeführt<br />
wurde. Öffentlich behauptete Washington, »sichere Beweise« für die Schuld des Irak zu besitzen,<br />
insgeheim jedoch räumte man ein, daß dies nicht zutreffend sei. »Regierungsbeamte, die ungenannt<br />
bleiben wollten«, hatten die Presse davon in Kenntnis gesetzt, daß es sich »eher um Indizien und<br />
Mutmaßungen handelt, als um wasserdichte geheimdienstliche Erkenntnisse«, hieß es in einem<br />
Kommentar der New York Times. Ansonsten erregte der Vorfall wenig Aufmerksamkeit und war<br />
schnell vergessen. 29<br />
Im UN-Sicherheitsrat verteidigte die amerikanische Botschafterin, Madeleine Albright, den Angriff<br />
mit dem Hinweis auf Artikel 51 der UN-Charta, der die Anwendung von Gewalt zur<br />
Selbstverteidigung gegen einen »bewaffneten Angriff« erlaubt, <strong>bis</strong> der Sicherheitsrat sich der Sache<br />
annimmt. Die Notwendigkeit einer solchen Verteidigungsmaßnahme muß »unmittelbar gegeben und<br />
dringend geboten sein und darf keinen Raum für die Erwägung anderer Mittel lassen, wobei die<br />
Maßnahme sich streng im Rahmen dieser Notwendigkeit zu halten hat«. Das dürfte auf eine<br />
Bombardierung, die zwei Monate nach einem angeblichen Attentatsversuch stattfindet, wohl kaum<br />
zutreffen. Die Kommentatoren aber sahen über diese Absurdität großzügig hinweg. 30<br />
Die Washington Post versicherte den nationalen Eliten, daß dieser Fall »ganz eindeutig« auf Artikel<br />
51 zutreffe.<br />
»Jeder Präsident hat die Pflicht, militärische Gewalt anzuwenden, um die Interessen der Nation zu<br />
schützen«, fügte die New York Times hinzu, gab sich dabei aber skeptisch. »In diplomatischer Hinsicht<br />
wurde hier der richtige Weg eingeschlagen«, erklärte der Boston Globe: »Clintons Berufung auf die<br />
UN-Charta brachte den amerikanischen Wunsch <strong>zum</strong> Ausdruck, das internationale Recht zu<br />
respektieren.« Auch der Christian Science Monitor bot eine sehr kreative Interpretation des Artikels<br />
51, dieser nämlich erlaube es Staaten, »militärisch zu reagieren, wenn sie von einer feindlichen <strong>Mac</strong>ht<br />
bedroht werden«. Ähnlich äußerte sich der britische Außenminister Douglas Hurd vor dem Unterhaus,<br />
als er Clintons »gerechtfertigte und ausgewogene Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung«<br />
unterstützte. Die Welt wäre, fuhr er fort, »gefährlich paralysiert«, wenn die Vereinigten Staaten erst<br />
die Entscheidung des UN-Sicherheitsrats abwarten müßten, ehe sie einen Feind mit Raketen<br />
beschießen, der zwei Monate zuvor möglicherweise den Versuch unternommen hatte, einen<br />
ehemaligen Präsidenten zu töten.<br />
16