Neue Weltordnungen - Vom Kolonialismus bis zum Bic Mac.pdf
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II: DIE WELTWIRTSCHAFTSPOLITIK<br />
Im vorigen Kapitel erörterte ich einige politische Strategien, die über Jahrhunderte hinweg<br />
kontinuierlich betrieben wurden, zunächst von europäischen Ländern bei ihrer Eroberung der Welt,<br />
dann von einer abtrünnig gewordenen Kolonie und schließlich von Japan, das niemals kolonisiert<br />
wurde und, wie ein paar kleinere Staaten, unter Vermeidung des neoliberalen Modells, mit dessen<br />
Hilfe die Dritte Welt in Abhängigkeit gehalten werden konnte, seinen eigenen Kurs zu steuern<br />
vermochte. 114<br />
Während dieser langen Epoche hat es viele tiefgreifende Veränderungen gegeben, von denen einige<br />
bereits erörtert wurden. Besonders einschneidend war der Wandel, der sich mit dem Zweiten<br />
Weltkrieg vollzog: Zum ersten Mal in der Geschichte erlangte ein einzelner Staat so viel <strong>Mac</strong>ht und<br />
Reichtum, daß seine Strategen eine globale politische Vision entwerfen und in die Tat umsetzen<br />
konnten. Gegen Ende des Kriegs verfügten die Vereinigten Staaten über die Hälfte des gesamten<br />
Reichtums der Welt und genossen aufgrund ihrer militärischen <strong>Mac</strong>ht eine nie zuvor gekannte<br />
Sicherheit; die Nation hatte keine unmittelbar benachbarten Feinde, beherrschte den pazifischen und<br />
den atlantischen Ozean sowie die reichsten und am weitesten entwickelten Regionen in Übersee,<br />
kontrollierte die größten Energiereserven und andere wichtige Ressourcen. Die USA waren zur<br />
führenden Industriemacht aufgestiegen und konnten, im Gegensatz zu den vom Krieg verheerten<br />
Ländern, ihre Produktion nahezu vervierfachen.<br />
Schon in den Anfangsstadien des Zweiten Weltkriegs erkannten amerikanische Strategen, daß sie in<br />
der Lage sein würden, vielen Gebieten der Welt ihre Ordnung aufzuprägen. Diese Gelegenheit wollten<br />
sie nicht ungenutzt lassen. Zwischen 1939 und 1945 wurden im Council on Foreign Relations<br />
umfangreiche Studien zur Nachkriegsordnung betrieben. Diesem auslandspolitisch orientierten Rat<br />
gehörten Konzern- und Finanzkreise sowie hochrangige Vertreter des Außenministeriums an. Sie<br />
entwarfen den Plan einer, wie sie es nannten, »Grand Area«, einer integrierten Weltwirtschaftsregion,<br />
die den Anforderungen der US-Ökonomie Genüge tun und ihr den Freiraum verschaffen würde, »den<br />
sie brauchte, um ohne größere Umstrukturierungen überleben zu können«, d. h. ohne die einheimische<br />
Verteilung von <strong>Mac</strong>ht, Reichtum, Eigentum und Kontrolle antasten zu müssen. Ebenso ging es diesen<br />
Strategen um »nationale Sicherheit«, jedoch in dem bereits erörterten expansiven Sinn, der mit der<br />
Sicherheit der Nation nur wenig zu tun hat.<br />
Zuerst nahm man an, daß Deutschland als wichtiges <strong>Mac</strong>htzentrum überleben werde (an Japan wurde<br />
noch nicht gedacht). Die »Grand Area« wurde also anfänglich, unter Ausschluß Deutschlands, als<br />
Block konzipiert, dem <strong>zum</strong>indest die westliche Hemisphäre, der Ferne Osten und das ehemalige<br />
britische Empire, das zusammen mit anderen Regionalsystemen der US-amerikanischen Kontrolle<br />
unterstellt werden würde, angehören sollten. Unterdessen erweiterten die USA ihre eigenen regionalen<br />
Einflußsphären in Lateinamerika und dem Pazifikraum auf Kosten der traditionellen Kolonialmächte.<br />
Als sich die Niederlage Hitlers abzuzeichnen begann, wurde auch Deutschland der »Grand Area«<br />
zugeschlagen. Sorge bereitete die Sowjetunion, später auch China, für die »Eindämmungs-« und<br />
»Rollback«-Strategien vorgesehen wurden.<br />
Die Struktur der »Grand Area« wurde mit einiger Sorgfalt durchdacht und später in Planungsstudien<br />
der Regierung weiterentwickelt. An oberster Stelle der Liste standen die reichen<br />
Industriegesellschaften, auf deren Bedürfnisse die Rolle der traditionellen Kolonialregionen<br />
zugeschnitten wurde. Kernproblem des Kalten Kriegs war die Existenz der kommunistischen Staaten,<br />
die ihren Drittweltstatus hatten abwerfen können; allerdings sind Rußland und China mittlerweile<br />
wieder in die Weltwirtschaft integriert. Bedacht wurde immer auch die Zukunft der USA selbst. Ihre<br />
Gesellschaft sollte auf eine Weise neu gestaltet werden, die, so hoffte man, <strong>zum</strong> Modell für alle<br />
Industrienationen werden konnte. Dieses Thema gestattet einen näheren Blick auf die vorherrschenden<br />
gesellschaftlichen Kräfte und ihre Denkart. Wir werden uns zunächst damit auseinandersetzen, dann,<br />
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