Text (pdf) - von Katharina Mommsen
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328 <strong>Katharina</strong> <strong>Mommsen</strong><br />
licht. Aber man sollte sich auch daran erinnern, daß all dies Preisen des<br />
Leichten begleitet wird <strong>von</strong> der Scheu vor einer gefährlich schwerblütigen<br />
Menschenliebe, wie sie der Kaufmannssohn des "Märchens" charakteristisch<br />
zeigt. Er, der Kaufmannssohn, ist ja der Prototyp eines Liebenden, der aus<br />
Mangel an Leichtigkeit im "Sumpf einsinkt". Noch die berühmten Worte der<br />
Marschallin im "Rosenkavalier" über die Notwendigkeit, leicht zu sein, werden<br />
erst in rechter Weise verständlich, denkt man als Hintergrund dazu das<br />
Schicksal des Kaufmannssohns im "Märchen der 672. Nacht":<br />
Leicht muß man sein:<br />
mit leichtem Herz und leichten Händen,<br />
halten und nehmen, halten und lassen ...<br />
Die nicht so sind, die straft das Leben und<br />
Gott erbarmt sich ihrer nicht 46 •<br />
Isoliert gesehen könnten diese Worte möglicherweise so verstanden werden,<br />
als stünden sie den provokativen Formulierungen <strong>von</strong> "Gestern" nahe.<br />
Eine derartige Auffassung verbietet sich jedoch angesichts des "Märchens".<br />
Hier schilderte Hofmannsthai, wie und warum das Leben denjenigen straft,<br />
dem es an Leichtigkeit gebricht. So überliefern die Worte der Marschallin -<br />
mehr als man bisher wahrgenommen hat - ein Hauptresultat Hofmannsthalscher<br />
Lebenserfahrung.<br />
7.<br />
Unsere Betrachtungen ermöglichen es uns endlich, noch gewisse innere Zusammenhänge<br />
zwischen dem "Märchen" und zwei weiteren Frühwerken<br />
Hofmannsthais zu erkennen. Hinzuweisen ist hier zunächst auf einige Stellen<br />
des Zwischenspiels "Der weiße Fächer" <strong>von</strong> 1897. Im Ganzen behandelt dieses<br />
Stück - nach einer Äußerung Hofmannsthais in "Ad me ipsum" - das<br />
Motiv der Treue "ironisch"47. Nachdem wir uns aber klarmachen konnten,<br />
daß in dem Verhältnis des Kaufmannssohns zu seinen vier Dienern als Entscheidendes<br />
dargestellt war: erhöhte Anteilnahme an Menschen, werden wir<br />
schon in dem Expositionsgespräch des "Weißen Fächers" einige Verse geradezu<br />
lesen müssen wie eine Rückdeutung auf das nur wenige Jahre zurückliegende<br />
"Märchen". Hier wird Fortunio <strong>von</strong> seinem Freunde Livio zur<br />
Rede gestellt: nach dem Tode seiner Frau "verwühle er sein Selbst" in den<br />
Schmerz um die Verstorbene. Er finde sich nicht ins Leben zurück. Die Vorwürfe<br />
des Freundes gipfeln in dem bezeichnenden Satz 48 :<br />
46 Lustspiele I (1959) S. 30Sf.<br />
Doch du verachtest nun die Anteilnahme<br />
Am Menschlichen, und dies ist doch der Anfang<br />
Und Weg zu allem Tun ...<br />
47 Vgl. "Ad me ipsum" (Aufzeichnungen S.221): "Die Auseinandersetzung mit Daimon-Tyche<br />
und Ananke ... schon in ,Gestern' ... im ,Abenteurer' ... in der<br />
,Elektra' zum Äußersten entwickelt als Motiv der Treue (Treue bis über den Tod<br />
hinaus im ,Weißen Fäch.er' aber ironisch behandelt)." Siehe auch oben Anm. 25.<br />
48 Gedichte und lyrische Dramen (1952) S. 223.