Zur Lehre von den Konkurrenzen: Handlungseinheit und ... - Ja-Aktuell
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AUFSATZ Strafrecht <strong>Konkurrenzen</strong><br />
einleuchten. Wichtigste Ausnahme ist der Fall, dass die Handlungen<br />
zeitlich sehr eng beieinander liegen, zB bei Schüssen in<br />
eine Menschenmenge. 7 – Das Schrifttum 8 lehnt diese Ausweitungen<br />
ab <strong>und</strong> beschränkt die natürliche <strong>Handlungseinheit</strong> darauf,<br />
dass der Täter <strong>den</strong>selben Tatbestandstyp in engem raumzeitlichem<br />
Zusammenhang <strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong> eines einheitlichen<br />
Entschlusses erfüllt; das ist im Ergebnis die iterative Tat, siehe<br />
oben, also im Rechtssinne nur eine Tat. Demgegenüber führt die<br />
natürliche <strong>Handlungseinheit</strong> der Rspr idR zur Idealkonkurrenz.<br />
C) TATBESTANDLICHE HANDLUNGSEINHEIT<br />
I. Innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong><br />
Zum einen geht es um Fälle innertatbestandlicher <strong>Handlungseinheit</strong>.<br />
Bei ihr wird die <strong>Handlungseinheit</strong> <strong>von</strong> der Gestalt des<br />
Tatbestandes gestiftet; da<strong>von</strong>, wie der Tatbestand angelegt ist.<br />
Es geht um ganz unterschiedliche Fälle, vor allem in Bezug auf<br />
das Verhältnis der späteren Akte zu <strong>den</strong> voraufgegangenen. Bei<br />
<strong>den</strong> 1 – 4 angeführten Tatbestän<strong>den</strong> verschmelzen alle Akte zu<br />
einer Tat im Rechtssinne, bei <strong>den</strong> Absichtsdelikten (5) stehen sie<br />
je nach Delikt in Tateinheit oder wer<strong>den</strong> konsumiert, <strong>und</strong> bei <strong>den</strong><br />
(sonstigen) Delikten mit einer Phase materieller Beendigung (6)<br />
hängen Tateinheit <strong>und</strong> Konsumtion vom Einzelfall ab. Das Gemeinsame<br />
<strong>und</strong> Wichtige sämtlicher Fälle innertatbestandlicher<br />
<strong>Handlungseinheit</strong> ist ihre Fähigkeit, andere Tatbestände in diese<br />
<strong>Handlungseinheit</strong> hineinzuziehen – die dann insoweit keine<br />
innertatbestandliche mehr ist – <strong>und</strong>, wenn dies mit mehreren<br />
anderen Tatbestän<strong>den</strong> geschieht, die anderen Tatbestände untereinander<br />
zu »verklammern«. Zu dem Verklammern unten II;<br />
hier noch zu dessen Vorstufe, dem Hineinziehen eines vereinzelten<br />
anderen Delikts in die innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong>.<br />
Ein Beispiel liefert der Räuber (§ 249 StGB), der sein<br />
Opfer auch körperlich misshandelt (§ 223 StGB). In diesem Fall<br />
ist die Handlung, die für § 249 StGB das Merkmal »Gewalt«<br />
erfüllt, zugleich nach § 223 StGB tatbestandsmäßig. Daher stehen<br />
§ 223 <strong>und</strong> § 249 StGB in <strong>Handlungseinheit</strong> (wenn die Körperverletzung<br />
ein gewisses Ausmaß erreicht, stehen sie auch in<br />
Tateinheit). Gegen dieses Ergebnis ließe sich höchstens einwen<strong>den</strong>,<br />
dass für § 249 StGB noch eine weitere Handlung erforderlich<br />
sei, die Wegnahme, <strong>und</strong> diese Handlung falle nicht unter<br />
§ 223 StGB. Damit eine Handlung zwischen zwei Delikten <strong>Handlungseinheit</strong><br />
herstellt, braucht es aber nicht so zu sein, dass sich<br />
alle tatbestandserfüllen<strong>den</strong> Handlungen vollkommen decken.<br />
Vielmehr reicht eine sog Teili<strong>den</strong>tität der Ausführungshandlungen,<br />
dass sich also das Verhalten, das <strong>den</strong> einen Tatbestand<br />
erfüllt, nur teilweise mit demjenigen überschneidet, das <strong>den</strong><br />
anderen erfüllt. 9 Und daher kann die innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong><br />
grds jedes Delikt in die <strong>Handlungseinheit</strong> hineinziehen,<br />
das durch einen Teilakt dieser Einheit vollendet oder<br />
strafbar versucht wird. – Soweit die innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong><br />
zu einer Tat im Rechtssinne führt, liegt es für <strong>den</strong><br />
Täter, als hätte er <strong>den</strong> Tatbestand mit nur einer Handlung im<br />
natürlichen Sinne einmal erfüllt. Dritten gegenüber kann aber<br />
selbst diese engste <strong>Handlungseinheit</strong> wieder in Einzelakte zerfallen,<br />
<strong>den</strong>n jeder Einzelakt kann für sich betrachtet die Haupttat<br />
für eine Anstiftung oder Beihilfe sein. Anschaulich wird das bei<br />
der sukzessiven Tat (unten 2): Wenn erst der dritte Versuch zur<br />
Vollendung führt, der Täter aber nur beim zweiten einen Gehilfen<br />
hat, dann ist das für <strong>den</strong> Täter eine Tat im Rechtssinne, <strong>und</strong> zwar<br />
eine vollendete, für <strong>den</strong> Gehilfen aber eine Beihilfe zu einem<br />
Versuch als Ausschnitt aus der Gesamttat. Zu dem gleichen<br />
Ergebnis gelangt, wer die Ersthandlungen bei sukzessiver Ausführung<br />
als konsumierte Vortaten begreift; auch konsumierte<br />
Taten bleiben teilnahmefähig.<br />
1. Bewertungseinheiten<br />
Einmal kann sich innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong> Tatbestän<strong>den</strong><br />
mit pauschaler Handlungsbeschreibung verdanken, die<br />
nahelegen oder wenigstens einschließen, dass der Täter mehrfach<br />
handelt. In der Rspr hat sich dafür der Begriff der rechtlichen<br />
oder tatbestandlichen Bewertungseinheit herausgebildet. Praktischer<br />
Schwerpunkt ist das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln<br />
(§ 29 I Nr 1 BtMG): Erwirbt der Täter eine größere Menge<br />
eines Betäubungsmittels <strong>und</strong> veräußert er diese Menge danach<br />
in kleineren Tranchen, so bil<strong>den</strong> alle Akte der Weiterveräußerung<br />
eine Tat, zu der dann auch die Einfuhr der Großquantität <strong>und</strong><br />
deren Besitz zählen. 10 Das gilt entsprechend für das Inverkehrbringen<br />
<strong>von</strong> Falschgeld (§ 146 I Nr 3, § 147 StGB). 11 Für Klausuren<br />
wichtiger ist etwa die Untreue (§ 266 StGB); ihr sog Treubruchtatbestand<br />
besteht darin, dass jemand eine »Pflicht« »verletzt«.<br />
Ein anderes Beispiel ist die Misshandlung Schutzbefohlener<br />
(§ 225 StGB), indem der Täter sein Opfer »quält«, <strong>den</strong>n das<br />
umfasst auch die wiederholte Schmerzzufügung. 12<br />
Weitere Beispiele 13 : geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99<br />
StGB); die Rädelsführerschaft in §§ 84, 85, 88, 129 a II StGB;<br />
Missbrauch <strong>von</strong> Titeln (§ 132 a StGB); Verstoß gegen ein Berufsverbot<br />
(§ 145 c StGB); die Verletzung der Fürsorge oder Erziehungspflicht<br />
in § 171 StGB; das Führen <strong>von</strong> Handelsbüchern<br />
iSd § 283 I Nr 5 StGB; die Ausbeutung <strong>von</strong> Prostituierten (§ 180 a<br />
StGB); das Verbreiten bestimmter Druckwerke nach <strong>den</strong> Tatbestän<strong>den</strong><br />
der Landespressegesetze (zB § 21 Nr 4 LPresseG Ba<strong>den</strong>-<br />
Württemberg); Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Verbot<br />
(§ 20 I Nr 4 VereinsG) durch Übernahme eines Vereinsamtes<br />
<strong>und</strong> entsprechende »Amtshandlungen«.<br />
Auch das »Hilfeleisten« in § 27 StGB kann dazu führen, dass<br />
mehrere Unterstützungshandlungen bezogen auf eine Haupttat<br />
nur eine Beihilfe sind. 14 Ferner ist es nur ein »Unterlassen«<br />
gem § 13 StGB, wenn der Täter in Bezug auf einen Erfolg mehrere<br />
Rettungsmöglichkeiten versäumt. 15 Grds ausgeschlossen sind<br />
Bewertungseinheiten, wo es um Taten gegen höchstpersönliche<br />
Rechtsgüter unterschiedlicher Rechtsgutträger geht. – Folge<br />
einer Bewertungseinheit ist, dass die einzelnen Handlungen zu<br />
einer Tat im Rechtssinne zusammenschmelzen (keine Idealkonkurrenz).<br />
2. Mehraktige Delikte<br />
Zum Zweiten besteht innertatbestandliche <strong>Handlungseinheit</strong> bei<br />
mehraktigen Delikten, bspw beim Raub, der sich aus einer Nötigung<br />
<strong>und</strong> einer Wegnahme zusammensetzt. Der Raub ist ein<br />
mehraktiges Delikt im technischen Sinne, weil die Mehrheit der<br />
Akte schon im Gesetz angelegt ist. (Indes nach der Rspr 16 nicht<br />
zwingend; wenn das überraschende Wegziehen einer Handtasche<br />
ein Raub ist, können Gewalt <strong>und</strong> Wegnahme dieselbe Hand-<br />
7 BGH StV 1998, 72 (ebd); NJW 1985, 1565 (ebd); einschränkend BGH NStZ 1996, 129<br />
(ebd); noch strenger BGHSt 2, 246, 247<br />
8 Kühl JA 1978, 475, 478; Mitsch (Fn 2) S 388; SK-Samson/Günther StGB, Vor § 52<br />
Rn 52 f; Tiedemann, Die Anfängerübung im Strafrecht, 4. Aufl, S 91; Wessels/Beulke<br />
(Fn 1) Rn 764 f<br />
9 Statt aller BGH NJW 1998, 1001 (ebd) mwN<br />
10 BGH NStZ 2000, 207, 207 f; LK-Rissing-van Saan StGB, 11. Aufl, Vor §§ 52 ff Rn 28.<br />
Siehe auch BGH NStZ-RR 1999, 250, 250 f<br />
11 BGH NStZ-RR 2000, 105 (ebd); Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl, § 146 Rn 12<br />
12 BGHSt 41, 113, 115 (noch zu § 223 b aF)<br />
13 Für sie Tröndle/Fischer (Fn 11) Vor § 52 Rn 29 mwN. Zu § 20 VereinsG BGH NJW 2000,<br />
2118, 2119 f<br />
14 Vgl BGH wistra 2000, 269, 270; Wessels/Beulke (Fn 1) Rn 760<br />
15 Wessels/Beulke (Fn 1) Rn 762<br />
16 BGHSt 18, 329, 329 ff<br />
JA 2004 · Heft 7 573