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Zeitschrift für Islamische Studien

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Erdal Toprakyaran: Warum jetzt? Zur Popularität des indischen Sufis Hazrat Inayat Khan in der Türkei<br />

Ein aktuelles Beispiel <strong>für</strong> diesen Wandel in der Türkei ist der Fall von Prof. Dr.<br />

Salih Akdemir, dem Vorsitzenden der Exegetischen Abteilung der Theologischen<br />

Fakultät der Universität Ankara. Akdemir, der wie die meisten Professoren<br />

der Theologischen Fakultät in Ankara einen ,aufgeklärten und zeitgenössischenʻ<br />

Islam lehrt, praktiziert seit 2003 Yoga und empfiehlt seinen Studenten, es ebenfalls<br />

zu tun. Akdemir sieht keinen Widerspruch darin, als gläubiger Muslim Yoga<br />

zu praktizieren. Da es sich aber bei Akdemir nicht etwa um einen<br />

,verwestlichten‘ Künstler, Architekten oder Arzt, sondern um einen Professor<br />

<strong>für</strong> islamische Theologie handelt, war die Aufregung in der Gesellschaft<br />

groß. Ein Teil der türkischen Medien berichtete unsachlich über Akdemirs Überzeugungen<br />

und veröffentlichte Artikel, deren Schlagzeilen bereits den Inhalt vorwegnahmen<br />

wie „Die Yoga-Show eines Theologen!“, „Der Theologe als Yoga-<br />

Missionar!“ und „Darf ein Muslim Yoga machen?“ 36 . Im selben Zeitraum sind<br />

aber auch viele sehr positive Bücher und Artikel zum Thema Yoga veröffentlicht<br />

worden. Ein Beispiel da<strong>für</strong> ist ein unabhängig von den Diskussionen um Akdemir<br />

in einer türkischen <strong>Zeitschrift</strong> erschienener Artikel mit dem Titel „Hat Muhammad<br />

Yoga gemacht?“, in dem behauptet wird, dass selbst der Prophet Muhammad<br />

Yoga-Praktiken kannte und praktiziert hätte. 37<br />

Im Zuge des angesprochenen sozialen Wandels haben aber auch die traditionellen<br />

islamischen Sufi-Orden, die teilweise sehr konservativ sind, begonnen, sich<br />

trotz des seit 1925 gültigen Ordensverbots freier zu äußern und um neue Anhänger<br />

zu werben. 38 Diejenigen, die die Ideen und Bücher Inayat Khans in der Türkei<br />

ansprechend finden, entstammen aber nicht diesem konservativen Sufi-<br />

Milieu, sondern können mehrheitlich als säkulare und gleichzeitig spirituelle<br />

Personen bezeichnet werden. Es sind also – wie auch schon zu Zeiten Inayat<br />

Khans in den USA und in Europa oder später in Mannheim – Menschen, die in<br />

ihrer eigenen (konservativen) religiösen Tradition nicht glücklich geworden sind<br />

und deshalb nicht nach einer neuen Religion, sondern nach einer neuen, modernen<br />

Form von universeller Spiritualität suchen. Doch die Artikel von Küçük und<br />

Günaydın und auch verschiedene Diskussionsforen im Internet zeigen, dass auch<br />

Personen aus weniger säkularen Milieus die Ideen und das Wirken Inayat Khans<br />

<strong>für</strong> bedeutend halten, wenn sie etwa davon ausgehen, dass Menschen, die sich<br />

nicht <strong>für</strong> den traditionellen Sufismus interessieren, durch die moderne Lehre<br />

Inayat Khans wieder behutsam an die mystisch-islamische Tradition<br />

herangeführt werden könnten.<br />

7. Die Sprache und die Beschaffenheit der Lehre<br />

Neben den Aktivitäten der Mannheimer Gruppe und dem gesellschaftlichen<br />

Wandel gibt es aber einen weiteren Grund, warum Inayat Khan in der Türkei so<br />

viele Sympathisanten findet, nämlich die Sprache und die Beschaffenheit seiner<br />

Lehre. Wie bereits erwähnt, sind es auch in der Türkei eher säkulare und<br />

zugleich spirituelle Personen, die sich vom Werk des indischen Mystikers angesprochen<br />

fühlen. Wäre Inayat Khan nur ein weiterer traditioneller Sufi gewesen,<br />

wie es sie in der Türkei bereits hundertfach gibt, wäre er wahrscheinlich kaum<br />

aufgefallen. Denn in der Türkei verwenden selbst in vielerlei Hinsicht moderne<br />

Sufis wie Hüseyin Top (Sufi-Meister des Mawlawiyya-Ordens), Tuğrul İnançer<br />

(Sufi-Meister des Ğarrāhiyya-Ordens) oder auch die bereits erwähnte Cemalnur<br />

Sargut ein klassisches Vokabular und vermeiden es, Begriffe und Methoden aus<br />

nichtmuslimischen Traditionen in ihre Methodik zu integrieren. Nicht so – wie<br />

geschildert – Inayat Khan, der von Beginn an keinerlei Hemmungen hatte, Begriffe<br />

und Praktiken aus dem Hinduismus, dem Buddhismus oder auch dem Christentum<br />

in seine Lehre aufzunehmen. Deshalb scheint er der einzige in der Türkei<br />

bekannte Sufi zu sein, der seinen Schülern Yoga und hinduistische Atempraktiken<br />

empfiehlt, von der Gottessohnschaft und der Kreuzigung Jesu spricht oder<br />

Zarathustra als einen Gesandten Gottes bezeichnet. Auch hatte Inayat Khan keine<br />

Bedenken, in seinen Vorträgen – in einer <strong>für</strong> muslimische Würdenträger ganz<br />

untypischen Art – Malerei und sogar Bildhauerei als bewundernswerte Kunstformen<br />

zu bezeichnen oder von der westlich-klassischen Musik und Literatur zu<br />

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